Taste Of Confusion II von Karma (Adrian x Jonas) ================================================================================ Kapitel 6: Ungewolltes Geständnis --------------------------------- *reinkriech* So, und hier gibbet auch schon das nächste Kappi. *Aschra hau* Alles Deine Schuld! *schmoll* *wieder rauskriech* *meinen kranken Rücken pflegen geh* Karma oOo "Pst! Hey, Jojo, pass auf, sonst..." Nicos Warnung kommt zu spät. "Ich würde es begrüßen, wenn Sie in meinem Unterricht vom Schlafen absehen würden, Herr Ritter.", ruft Herr Wiedmann, unser Deutschlehrer, mich zur Ordnung. Ich nicke reumütig und bemühe mich, mich von jetzt an wieder auf den Unterricht zu konzentrieren, aber das gelingt mir nicht. Seit dem vergangenen Sonntag – heute ist Mittwoch – laufe ich permanent wie in Trance durch die Gegend. Meine Gedanken drehen sich ständig nur um Adrian und ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich jetzt unternehmen soll. Seit drei Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört und ich traue mich nicht, ihn von mir aus anzurufen. Ich habe in den letzten Tagen zwar mindestens ein Dutzend Mal seine Nummer gewählt, aber immer wieder hat mich der Mut verlassen und ich habe aufgelegt, bevor es auch nur bei ihm geklingelt hat. Ganz schön peinlich, ich weiss, aber ich konnte nicht anders. Meine einzige Hoffnung besteht im Augenblick darin, am Freitagabend in den Club zu fahren. Vielleicht habe ich ja Glück und treffe ihn dort. Ich drücke mir selbst jedenfalls jetzt schon ganz fest die Daumen. Wie ich den Rest des Schultages überstehe, weiss ich nicht. Als es nach endlosen sieben Stunden endlich zum Schulschluss klingelt, stopfe ich meine Sachen so schnell wie möglich in meinen Rucksack, winke meinem Bruder noch mal kurz zu und mache mich dann schleunigst auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Ich bin heute nach langer Zeit mal wieder mit Dennis verabredet. Seit er vor zwei Jahren mit seiner Familie in eine andere Stadt gezogen ist, sehen wir uns nur noch sehr selten, deshalb will ich ihn nicht länger warten lassen als nötig. Zum Glück ist meine Schule nicht allzu weit vom Bahnhof entfernt und so stehe ich kaum zehn Minuten später auch schon meinem besten Freund gegenüber, der mich zur Begrüßung anstrahlt und mir so heftig auf die Schulter klopft, dass ich ächzend ein Stück in die Knie gehe. "Jo, altes Haus! Du siehst gut aus!", teilt er mir grinsend mit. Ich nicke etwas zerstreut, denn im Gegensatz zu unseren letzten Treffen fühle ich mich ihm gegenüber heute kein bisschen befangen. Das heisst ja dann wohl, dass ich endgültig über diese dumme Kussgeschichte von seinem vierzehnten Geburtstag hinweg bin. Vor lauter Erleichterung fällt mir ein ganzes Gebirge vom Herzen. Na endlich! Knapp vier Jahre waren ja wohl auch lange genug. "Du aber auch.", antworte ich mit etwas Verspätung und einem Grinsen, das endlich mal frei von Verlegenheit ist. "Welches Mädchen dafür wohl verantwortlich ist?", necke ich ihn und Dennis' eigenes Grinsen wächst noch ein ganzes Stück in die Breite. "Du kennst mich einfach zu gut, Jo.", feixt er und boxt mir freundschaftlich gegen den Oberarm. "Sie heisst Patrizia.", erzählt er dann und ich muss lachen. Das ist einfach typisch. Dennis kann nicht ohne Mädchen sein. Er bleibt auch nie lange Single, wenn er sich trennt oder ein Mädchen mit ihm Schluss macht. Zwei Tage, das ist das Höchstmaß. Danach hat er gleich eine Neue am Start. Er ist eben ein Mädchenmagnet und das nutzt er auch weidlich aus. "Eigentlich wollte ich sie ja heute erst mitbringen – sie und auch meine Schwester –, damit Du sie kennen lernen kannst, aber dann hab ich's mir doch anders überlegt. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen, da wollte ich keine Mädels dabei haben, die uns nur vollquatschen und nerven. Heute ist schliesslich Männertag. Nur wir beide, Du und ich. Sarah war zwar etwas enttäuscht – ich glaub, sie steht auf Dich, Jo –, aber das ist ja wohl ihr Pech." Nach Dennis' Worten kann ich mir nur mit Mühe ein Seufzen verkneifen. "Nein, danke. Deine Schwester ist ja ganz süß", das ist sie sogar wirklich; ich kenne Sarah ja auch schon so lange wie ihren Bruder, "aber eine Fernbeziehung ist einfach nichts für mich." Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich meinem besten Freund nicht die Wahrheit über meine sexuelle Orientierung sage, aber irgendwie bringe ich die Worte einfach nicht über die Lippen. Es ist wie verhext. Ich habe mir schon so oft vorgenommen, es wenigstens Nico und Dennis zu sagen, aber wenn es ernst wird, kneife ich jedes Mal. Bruder und bester Freund hin oder her, ich habe einfach eine Heidenangst vor ihrer Reaktion. Gleichzeitig frisst mich die Ungewissheit aber auch innerlich langsam auf. Wie Adrian das wohl gemacht hat? Und schon wieder sind meine Gedanken bei ihm. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe und den Mut dazu aufbringe, frage ich ihn vielleicht mal danach. Interessieren würde es mich nämlich sehr. Ob er auch solchen Schiss davor hatte, sich zu outen? Bevor meine Gedanken zu sehr zu Adrian abdriften können, schnappt Dennis sich meinen Arm und zieht mich hinter sich her. "Keine Zeit für Gerede über Mädels. Ich hab heute nur drei Stunden, Jo.", informiert er mich dabei. "Also lass uns nicht trödeln, ja? Wer weiss, wann wir uns das nächste Mal treffen können.", fährt er fort und ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich darüber freue, ihm immer noch so wichtig zu sein. Diese Freude hat allerdings einen etwas schalen Beigeschmack, denn im Gegensatz zu mir ist Dennis mir gegenüber immer ehrlich gewesen. Er hat keine Geheimnisse vor mir, aber ich verschweige ihm schon seit über vier Jahren etwas, das einen Großteil meiner Persönlichkeit ausmacht. Ich sollte es ihm wirklich endlich sagen. Irgendwie bin ich ihm das ja auch schuldig, denke ich. Aber was, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will, wenn er erst mal davon weiss? Ich habe nicht lange Gelegenheit, darüber nachzugrübeln, was ist und was sein könnte. Dennis schleift mich erbarmungslos durch die Innenstadt, zieht mich in verschiedene Läden und zwingt mich wie früher, gemeinsam mit ihm den größtmöglichen Unsinn zu machen. Wer immer uns beide zusammen sieht, hält uns sicherlich für Kleinkinder, aber garantiert nicht für Achtzehnjährige, doch das ist uns egal. Die Hauptsache ist, dass wir unseren Spaß haben. Es dauert nicht lange, bis ich mich von seiner guten Laune anstecken lasse. Die unsichtbare Grenzlinie, die es in den letzten Jahren in unserer Freundschaft gab – zumindest von meiner Seite aus –, existiert nicht mehr und darüber bin ich wirklich froh. Das Einzige, was mich etwas nervt, ist die Tatsache, dass Dennis einfach nicht mit dem Flirten aufhören kann – trotz Freundin. Wann immer er ein hübsches Mädchen sieht, muss er sie wenigstens mit einer flapsigen Bemerkung zu beeindrucken versuchen. Manchmal ist das Ganze regelrecht peinlich, aber wenn es ihm Spaß macht, dann werde ich mich nicht einmischen. Er ist nun mal eben so. Damit habe ich mich auch eigentlich schon vor Jahren abgefunden. Ist ja schliesslich nicht so, als wäre das etwas Neues für mich. So ist Dennis immerhin schon, seit er angefangen hat, sich ernsthaft für Mädchen zu interessieren. Wir sind gerade in einem meiner Lieblings-Gothicshops und ich sehe mir interessiert die Halsbänder an, als ich plötzlich zwei kleine Zettel vor die Nase gehalten bekomme. "Hier, für Dich. Von den beiden süßen Mäusen da drüben.", informiert mein bester Freund mich und deutet ein Nicken in die Richtung von zwei Mädchen an, die ein paar Meter von uns entfernt an einem Kleiderständer stehen und kichernd miteinander tuscheln. Dabei blicken sie abwechselnd zu uns herüber und werden beide etwas rot. "Nun nimm schon!", fordert Dennis mich auf und wedelt weiter mit den Telefonnummern vor meiner Nase herum, während er sich gleichzeitig schwer auf mich stützt, damit ich nicht abhauen kann. Er kennt mich eindeutig zu gut. Normalerweise würde ich einfach gehen, aber da mir das gerade nicht möglich ist, seufze ich nur genervt und verdrehe die Augen. Kann er das nicht einfach mal lassen? "Danke, aber ich bin nicht interessiert.", antworte ich, doch das interessiert Dennis wiederum überhaupt nicht. "Ach was! Komm schon, Jo! Die Zwei sind wirklich süß!", preist er mir die Mädchen stattdessen an. "Wenn ich nicht zu weit weg wohnen würde und dazu auch noch vergeben wäre, würde ich selbst mal mein Glück versuchen.", fügt er hinzu und ich atme mehrmals tief durch, um mich wieder zu beruhigen. "Ich bin nicht wie Du, Dennis.", gebe ich mühsam beherrscht zurück, aber er lässt einfach nicht locker. "Jetzt stell Dich doch nicht immer so an, wenn man Dir mal was Gutes tun will, Jo. Du kannst dieser einen Maus doch nicht ewig nachtrauern. Wenn Du so weitermachst, kriegst Du im Leben nie ne Frau ab!", drängelt er und versucht, mir die Zettel entweder in die Hand zu drücken oder sie in meine Tasche zu stopfen. Das ist der Moment, in dem meine Selbstbeherrschung mich Dennis gegenüber zum ersten Mal in meinem Leben wirklich im Stich lässt. Ich schüttele ihn ab und versetze ihm einen wütenden Stoß, der ihn straucheln lässt. "Ich will auch keine Frau, Dennis!", schreie ich ihn an, während er versucht, sein Gleichgewicht zu halten und nicht umzufallen. "Ich habe kein Interesse an Frauen. Ich bin schwul, verdammt!" Erst als die Worte raus sind und ich sein geschocktes Gesicht sehe, wird mir klar, was ich gerade getan habe. Ich habe mich vor meinem besten Freund geoutet – und das so ziemlich auf die schlimmstmögliche Art und Weise. Ohne ein weiteres Wort zu sagen oder auf Dennis zu warten, mache ich auf dem Absatz kehrt und verlasse den Laden. Ich brauche jetzt frische Luft und eine Sitzgelegenheit, und zwar dringend. Draussen vor dem Geschäft suche ich mir zuallererst mal eine Bank, auf die ich mich setzen kann. Die irritierten Blicke der beiden alten Damen, die auf der zweiten Bank gleich daneben sitzen und verbotenerweise die Tauben füttern, ignoriere ich. Darum, ob ich mit meinem Verhalten irgendjemanden erschrecke, kann und will ich mich jetzt nicht kümmern. Stattdessen vergrabe ich abgrundtief seufzend mein Gesicht in meinen Händen und schliesse die Augen. So eine verdammte Scheisse! Was bin ich eigentlich für ein Idiot? Sicher, ich wollte, dass Dennis davon erfährt, aber doch nicht so! warum konnte ich denn bloß nicht die Klappe halten? Wie lange ich so dasitze und mich mit Selbstvorwürfen quäle, weiss ich nicht. Ich erwache erst aus meiner Verzweiflung, als die Bank, auf der ich sitze, quietscht und ich angetippt werde. "Jo? Ich muss langsam los, wenn ich meinen Zug nicht verpassen will." Dennis' Stimme klingt völlig normal und ich sehe ihn etwas zögerlich an. Ist das seine Art, unsere Freundschaft zu beenden? Will er mir das damit sagen? "Was ist? Bringst Du mich noch zum Bahnhof?", fragt er und ich bin ziemlich sicher, dass ich ein unglaublich dummes Gesicht mache. Ist er etwa doch nicht sauer? Oder habe ich mir vielleicht nur eingebildet, ihm das alles gerade so unglücklich an den Kopf geworfen zu haben? "Ähm... klar.", höre ich mich sagen, rappele mich von der Bank auf und mache mich gemeinsam mit meinem besten Freund – das ist er doch noch, oder? – auf den Rückweg zum Bahnhof. Ein kurzer Blick im Vorbeigehen zu der großen Uhr am Rathaus, an dem wir vorbeimüssen, zeigt mir, dass es tatsächlich langsam Zeit für Dennis wird. Also hat er nicht gelogen? Oder doch? Aber warum benimmt er sich dann so, als hätte ich ihm nie gesagt, dass ich schwul bin? Am Bahnhof angekommen beschliesse ich, Dennis noch bis zu seinem Gleis zu begleiten. Wenn er mir doch noch etwas zu sagen hat, hat er so die Gelegenheit dazu. Das scheint er allerdings nicht vorzuhaben, denn er wirft einen Blick auf die Anzeigetafel und lässt sich dann auf einen der metallenen Sitze fallen. Ich nehme meinen Rucksack ab und stelle ihn auf den Sitz daneben, setze mich allerdings selbst nicht. Im Gegensatz zu eben noch herrscht jetzt ein geradezu unangenehmes Schweigen und ich weiss nicht so recht, ob ich es brechen soll – oder wie ich das am besten anstellen könnte. Scheinbar muss ich mir darüber auch keine Gedanken machen, denn nach einer weiteren Minute des Schweigens, während der wir beide den Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr beobachten, als wäre er das interessanteste Ding der Welt, räuspert Dennis sich und blickt mich von unten herauf fragend an. "War das da eben Dein Ernst, Jo? Ich meine, bist Du wirklich schwul?", will er wissen und zum ersten Mal seit über vier Jahren klingt seine Stimme unsicher. Ich atme ein Mal tief durch, dann sehe ich ihm fest in die Augen und nicke. "Ja.", antworte ich schlicht und er beginnt, auf seiner Unterlippe herumzukauen – ein Tick von ihm, den er immer dann an den Tag legt, wenn er nervös ist oder nachdenkt. "Und wie lange weisst Du das schon?", erkundigt er sich nach einer Weile und über meine Lippen huscht ein schiefes Grinsen, das er allerdings nicht sehen kann, weil er seinen Blick gesenkt hat. "Gut vier Jahre.", erwidere ich und mache unwillkürlich einen Schritt nach hinten. "Ich wollt's Dir schon lange sagen, aber irgendwie hat sich das nie ergeben – bis heute.", füge ich erklärend hinzu und Dennis zieht nachdenklich seine Stirn kraus. Bevor er allerdings noch etwas dazu sagen kann, kündigt eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher die Ankunft seines Zuges an. "Ich muss dann wohl.", murmelt er und steht auf, während ich nur ein weiteres Mal nicke. "Alles klar.", ist meine einzige Reaktion. Eigentlich will ich ihm noch so viele Fragen stellen, aber wieder schaffe ich es nicht. Verdammt, ich könnte mich ohrfeigen! Warum muss ich eigentlich so feige sein? "Gut." Dennis ist schon halb eingestiegen, als er sich noch einmal zu mir umdreht. "Ich... Das muss ich erst mal verdauen, Jo. Ruf mich am Sonntag an, okay? Da sind Sarah und meine Eltern nicht zu Hause. Dann können wir reden." Nach diesen Worten steigt er endgültig ein und die Türen schliessen sich hinter ihm. Ich nicke ihm zu zum Zeichen, dass ich einverstanden bin. Dann nehme ich meinen Rucksack, setze ihn wieder auf und sehe dem Zug nach, bis er ausser Sichtweite ist. Ich selbst bleibe mit gemischten Gefühlen auf dem Bahnsteig zurück. Einerseits bin ich erleichtert, dass zumindest Dennis jetzt schon mal Bescheid weiss, aber andererseits ist mir die Art, wie er es erfahren hat, unglaublich peinlich. Ausserdem bin ich auch etwas enttäuscht von seiner Reaktion. Sicher, sie ist irgendwie nachvollziehbar, aber ich hatte trotzdem etwas anderes erwartet. Jetzt habe ich es ihm gesagt und hänge doch noch bis Sonntag in der Luft. Immerhin werde ich ja wohl erst dann erfahren, was er wirklich darüber denkt, wie es jetzt mit unserer Freundschaft weitergeht und ob wir überhaupt noch Freunde sein können. Ich bin also jetzt genauso schlau wie vorher. Ganz toll. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich nach Hause komme. Diesen Tag will ich einfach nur aus meinem Gedächtnis streichen. oOo *wink* Bis zum nächsten Mal! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)