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Von Liebe und Hass

Neunter Dezember
von

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Von Liebe und Hass

Von Liebe und Hass
 

Was bedeutete es schon reich zu sein? Ihm zumindest bedeutete es nichts.

Er besaß alles materielle, was er nur wollte, konnte sich fast alles mit seinem Geld kaufen, sofern er das nicht schon längst getan hatte und zählte zu einer der angesehensten Familien überhaupt. Doch was nütze ihm das alles?

Als er noch jünger gewesen war, hatte ihm das Geld gereicht. Das war allerdings, bevor er eingesehen hatte, dass Geld alleine nun mal nicht glücklich machte. Seine Eltern hatten ihn von Hauslehrern und Kindermädchen streng erziehen lassen, hatten selbst nur selten Zeit für ihn gehabt und sehr früh hatte er das Gefühl bekommen, dass seine Eltern ihn einfach nicht leiden konnten und dass sie ihn deshalb immer alleine mit irgendwelchen Bediensteten zu Hause ließen. Diese sagten ihm jedoch immer wieder, dass seine Eltern nun mal arbeiten mussten und daher keine Zeit hatten und sie ihn trotzdem lieben würden.

Nun, da er älter war, sah er ein, dass er damals richtig gelegen haben musste. Denn welche Eltern ließen ihre Kinder denn schon rund um die Uhr alleine mit wildfremde Leuten? War es nicht die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu erziehen? Warum hatten seine Eltern überhaupt ein Kind gewollt, wenn sie sich schon nicht um ihn kümmerten?

Wahrscheinlich, weil es sich so gehörte. Seit jeher taten seine Eltern das, was ihnen die Tradition und die Gesellschaft vorschrieb. Vermutlich hatte er gerade aus diesem Grund noch nie sonderlich viel für andere Menschen übrig gehabt; warum sollte er jemanden mögen, der nichts für ihn übrig hatte?

Vor zwei Jahren hatte er dann jedoch Ilena kennen gelernt. Sie war die erste Person in seinem Leben gewesen, für die er so etwas wie Liebe empfunden hatte und gerade deshalb hatte er seine Beziehung mit ihr lange Zeit geheim gehalten. Besonders seinen Eltern hatte er nichts von ihr erzählt. Er wusste, dass sie noch nie viel davon gehalten hatten, wenn sich ein reicher Adeliger mit einer normalen Bürgerin abgab. Doch er wollte nicht Macht oder noch mehr Geld durch eine Hochzeit bekommen, sondern einfach nur jemanden in seiner Nähe haben, den er liebte. Jemanden, der ihn akzeptierte, wie er war und nicht unmögliches von ihm verlangte.

Seine Eltern hatten es jedoch am Ende doch noch irgendwie herausgefunden; wahrscheinlich hatte einer der Bediensteten sein Geheimnis entdeckt und es an sie weitergegeben. Kurzerhand hatten sie ihm jeden Umgang mit Ilena verboten, doch er hatte sich trotzdem weiterhin mit ihr getroffen.

Aber vor einem Monat hatte er von Ilena eine kurze SMS erhalten. Sie beinhaltete nur drei Worte, keine weiteren Erklärungen, aber dennoch hatte sie gereicht, um ihn mit einer unheimlichen Leere zu stürzen: „Es ist aus.

Er hatte versucht sie anzurufen, sie zu treffen, aber er hatte es nicht geschafft, Kontakt zu ihr herzustellen. Auch auf die unzähligen SMS hatte sie nicht reagiert. Dabei war alles, was er wollte, einfach nur eine Antwort auf seine Frage: Warum?

Die Situation war für seine Eltern wie geschaffen gewesen: Sie nutzten die Gelegenheit und stellten ihm auch sofort seine Verlobte vor. Eine reiche, verzogene Göre, die grundsätzlich nicht ohne ihre zwei Lieblingsdiener anzutreffen war, der Kosmetik und gutes Aussehen über alles ging und die am Liebsten über Leute herzog, die etwas ärmlicher aussahen. Aber nun, da er in seinem Leben so oder so keinen richtigen Sinn mehr sah, gab es für ihn auch keinen Grund mehr, sich irgendwie gegen die Verlobung aufzulehnen. Vielleicht war es ihm einfach nicht vergönnt, glücklich zu werden?

Marita war nun schon eine geschlagene Stunde damit beschäftigt, irgendwelche überteuerten Minikleider anzuprobieren. Johnny war nicht ganz klar, warum Marita mitten im Winter das Bedürfnis dazu hatte Sommerkleidung zu kaufen und genauso wenig verstand er, was daran so toll sein sollte sich ständig irgendwelche Klamotten anzuziehen, die einen furchtbar nuttig aussehen ließen, bestenfalls irgendwelche ältere Männer dazu brachten einen anzusprechen, weil sie einen mit einer Prostituierten verwechselten. Zumindest war es das, was Johnny oft auf der Straße mitbekam. Das Schlimme war: einige Mädels - darunter Marita - empfanden das tatsächlich als cool, als Bestätigung ihres Aussehens. Sollte das Ganze vielleicht eine Steigerung des Selbstwertgefühles bedeuten? Wer es nötig hatte..

Seufzend wandte er sich zum Schaufenster der Privatboutique um. Der recht kleine Laden war nur für spezielle, erlesene Kunden, völlig überteuert, führte nur Markenware und überhaupt wirkte alles furchtbar protzig. Draußen auf der Straße waren etliche Menschen unterwegs. Einige schienen es eilig zu haben, andere ließen sich Zeit und bummelten langsam am Schaufenster vorbei.

Manchmal wünschte sich Johnny, dass er genauso frei und unbekümmert sein und leben könnte, wie eben diese Leute. Oft hatte er Tala und die anderen gesehen und sie um ihre Unabhängigkeit beneidet; eine Unabhängigkeit, die er wohl niemals wieder haben würde, die er jedoch einmal fast besessen hatte. Am Fenster lief Ozuma gerade völlig überpackt vorbei; anscheinend war er gerade dabei Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Johnny lächelte anhand das Anblicks und musste unweigerlich an seine Eltern denken, die noch nie selbst irgendein Geschenk für ihn ausgesucht hatten, sondern immer in letzter Sekunde irgendeinen Bediensteten losgeschickt hatten, um ihm etwas zu kaufen, was er gar nicht haben wollte.

Und das war das Leben, um das in viele beneideten: ein einsames, nur von Geld und Ansehen geprägtes Leben.

„Und, wie findest du das Kleid hier?“, mit dieser Frage riss Marita ihn unsanft aus seinen Gedanken. Genervt verdrehte er die Augen und sagte das „Sieht echt toll aus!“ noch bevor er sie überhaupt angesehen hatte.

„Findest du nicht, dass es mich irgendwie dick macht?“

„Nein, es schaut toll aus“, murmelte Johnny und überlegte sich, ob Marita es wirklich so toll und hübsch fand, dass sie so furchtbar abgemagert und dürr war.

Als sie ein weiteres Mal nachfragen wollte, fiel Johnny ihr ins Wort: „Oh, es ist schon so spät... ich habe noch einiges zu tun, ich gehe nach Hause, du kommst ja auch alleine zu recht, nicht wahr?“ Ohne auf eine Reaktion zu warten, schnappte er sich seinen Mantel vom Kleiderständer und eilte aus dem Zimmer, wobei er es so eilig hatte, dass er auch nicht weiter auf die Straße achtete, als er die Tür aufriss und heraustrat. Als jemand in ihn hineinrannte, war er dennoch ziemlich überrascht. „Entschuldigung, ich habe Sie nicht... Johnny!“

„I...Ilena...“, verblüfft blickte Johnny das Mädchen an, das ihn eben beinahe über den Haufen gerannt hätte. Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, drängte sie sich jedoch eilig an ihm vorbei. „Sorry, ich habe es eilig, ich muss noch...“

Mehr aus Reflex ergriff Johnny ihr Handgelenk. „Warte.“

„Ja?“

„Kann ich dich ein Stück begleiten?“

Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie nicht viel von dem Vorschlag hielt, dass Johnnys Nähe ihr unangenehm war, aber dennoch wollte Johnny, jetzt, da er sie endlich wieder getroffen hatte, mit ihr zusammen sein und endlich eine Antwort auf seine Frage bekommen.

„Kann ich dich irgendwie davon abhalten?“

„Nein.“

„Dann komm, ich habe es eilig.“

Johnny wusste nicht, warum sie plötzlich so unfreundlich war und wieso sie ihn auf einmal zu hassen schien. Vielleicht wusste sie, dass er verlobt war? Das konnte es nicht sein, denn bei ihrer Trennung war er noch nicht verlobt gewesen...

Ilena packte Johnny vorsichtig am Handgelenk und kämpfte sich so durch die Menschenmasse. Als sie aus dem Gröbsten draußen waren, ließ sie ihn los und trat dann zielstrebig auf eines der Geschäfte zu. Anscheinend war sie gerade, wie viele Menschen hier, damit beschäftigt Geschenke zu besorgen.

„Ilena...“, murmelte Johnny und das Mädchen hielt an um sich zu ihm umzudrehen.

„Was ist?“

„Ich möchte mit dir reden“, meinte Johnny ernst und Ilena seufzte leise, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Dann lass uns in ein Café gehen, ich habe keine Lust so etwas im Stehen zu besprechen.“
 

Das Café, das sich Ilena herausgesucht hatte, erwies sich als kleine, freundlich eingerichtete Konditorei. Sie hatten sich ihre Getränke bestellt und hatten sich dann eine Weile – nämlich genau bis der Kellner ihnen die beiden heißen Schokoladen brachte – schweigend gegenüber gesessen, ehe Johnny die Stille brach.

„Ilena, warum hast du mit mir Schluss gemacht?“, fragte er mit leicht gedämpfter Stimme; es musste nicht jeder im Café wissen, worüber sie sprachen. Sie überlegte kurz und biss sich auf die Unterlippe: „Wir passen einfach nicht zusammen.“ „Und warum warst du so plötzlich dieser Ansicht?“, hakte Johnny ungeduldig nach.

Er wollte es wissen! Was hatte er falsch gemacht, dass er den Menschen, den er am meisten liebte, dazu gebracht hatte ihm aus dem Weg zu gehen?

Ilena schwieg, was eigentlich ziemlich untypisch für sie war. Johnny hatte sie als offenes, freundliches Mädchen in Erinnerung, das sich nie sonderlich um die Meinung anderer geschert hatte und es auf erstaunliche Weise schaffte ihren Willen durchzusetzen. Sie war sie selbst, und das mochte er so an ihr. Ihre natürliche Art, die Tatsache, dass sie sich nicht schminkte und sich einfach so sah, wie sie geboren wurde: als freier, individueller Mensch.

Mit einem nachdenklichen Blick starrte sie an die Wand. „Die Wahrheit ist... Ich liebe dich, Johnny; das ist der Grund.“ Verblüfft und verwirrt starrte Johnny sie an. „Du liebst mich? Wieso hast du dich dann von mir getrennt?“ „Wegen... deiner Eltern.“

Unangenehm zog sich sein Magen zusammen; wenn er etwas hasste, dann war es, wenn sich seine Eltern, die sich sonst nie um ihn kümmerten, sich in sein Leben einmischten, weil ihnen irgendetwas nicht passte. „Was ist mit meinen Eltern?“

Ilena lehnte sich zurück und betrachtete ihre Tasse. „Deine Eltern waren bei mir, wollten mit mir über unsere Beziehung reden“, sie schnaubte, „Die haben die ganze Zeit etwas davon gesagt, dass es sich nicht für einen Reichen gehöre, sich mit so jemandem wie mir abzugeben, und dass du nur aus Mitleid mit mir zusammen seist. Dass ich doch vernünftig sein solle, wenn du schon so einen Mist baust... Dass sie dich enterben und dich aus ihrem Haus werfen wollen, wenn wir unserer Beziehung nicht bald ein Ende setzen...“

Johnny starrte sie entsetzt an. Seine Eltern taten für den Ruf und das Ansehen wirklich alles.

„Ich will nicht dein Leben zerstören“, erklärte Ilena weiter, „Es war einfach das Vernünftigste sich zu trennen und dir nicht die Zukunft zu zerstören.“ „Aber Ilena, ich liebe dich, das Geld ist mir egal!“

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Du bist jetzt verlobt, vergiss es. Heirate deine kleine, neue Freundin und werde glücklich mit ihr. Deine Eltern sind gegen uns, also was willst du tun? Eine Beziehung die auf Hass aufbaut, ist nicht das, was ich mir wünsche.“ „Meine Eltern haben kein Recht sich da einzumischen!“, zischte Johnny aufgebracht, „Ich war ihnen schon immer egal, schon seit ich ein kleiner Junge gewesen bin, und nun plötzlich, wenn ich etwas machen könnte, was dem Ansehen der McGregors Schaden zufügen könnte, sind sie auf einmal meine ‚Eltern’, die sich um mein Wohlergehen Sorgen machen...“

Er blickte Ilena tief in die Augen.

„Bitte, komm zu mir zurück. Ich liebe dich... aus ganzem Herzen. Es ist mir egal, was meine Eltern dann machen werden. Reichtum und Macht sind mir nicht wichtig, werden mir nie so wichtig sein, wie du es mir bist...“
 

Gedankenversunken blickte Johnny auf den grau-schwarzen Grabstein vor sich.

Immer, wenn er den kalten Stein anblickte, fühlte er in seinem Inneren eine gähnende Leere und er wusste, dass diese sich wohl niemals wieder schließen würde.

Ilena hatte sich damals umstimmen lassen, sie war wieder zu ihm zurückgekommen und er hatte seine Verlobung mit Marita gelöst. Dann hatte er sich eine kleine Wohnung gesucht und war, wie jeder andere auch, arbeiten gegangen. Solange er bei Ilena hatte sein können, war er glücklich gewesen. Sie hatte ihm das Gefühl gegeben wichtig zu sein, etwas zu bedeuten.

Seine Eltern waren nie mit der Hochzeit einverstanden gewesen und so waren sie auch nicht erschienen, aber Johnny war es egal gewesen. Ilena war ihm wichtig gewesen, sonst nichts.

Er hatte nie gedacht, dass sie soweit gehen würden.

Als Ilena schwanger wurde, brachte das das Fass zum Überlaufen und Johnny wusste, dass sowohl sein Vater, als auch seine Mutter furchtbar wütend gewesen sein mussten. Zumindest schloss er das aus der Art ihrer Reaktion.

Anstatt von Glückwünschen oder einer Funkstille ließen sie Ilena umbringen, von irgendeinem Auftragskiller. Die Polizei hatte zwar die Spuren zurückverfolgen können, aber das brachte Ilena auch nicht wieder ins Leben zurück.
 

Als kleiner Junge hatte er immer geglaubt, dass es für ihn unmöglich sei, seine Eltern, obwohl sie sich nicht um ihn kümmerten, zu hassen. Nun wusste er, dass es sehr wohl möglich war.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sketchymoth
2008-06-11T08:15:13+00:00 11.06.2008 10:15
Woah, wie gemein! Aber sie gefällt mir wirklich gut, das Thema finde ich immer wieder interessant! x3 ... *dunkle Sachen ja eh mag* xD

Tja, Geld ist eben nicht alles, aber das checken immer noch nicht alle. :/ Ich hasse Korruption; selbst wenn die alle Spuren entdeckt haben, kann ja niemand für den Mord büßen, weil die wohl sogar das gesamte Justizminesterium bestechen könnten. >>'
Du kannst in FFs so sarkastisch sein und trotzdem irgendwie (wenn es die Szene erfordert) ernst zugleich, deswegen finde ich, dass dir Anfang und Ende und Johnnies Gedanken zu Marita besonders gut gelungen sind. Aber leider wirken das Gespräch zwischen Johnny und Ilena und die danach folgenden Phrasen ein wenig so, als würdest du endlich zum Ende kommen wollen, ich hätte das vermutlich noch etwas weiter in die Länge gezogen und/oder ein paar Argumente mehr hinzu gezogen; dafür ist das Ende aber richtig gut und so unglaublich traurig. T_T Ich finde es gemein, aber es gefällt mir trotzdem, bin ich nicht sadistisch? xD
Was ich ja auch richtig gut finde ist, dass du durch Johnny Kritik an alle Chicsen ausübst. ;D
Dann ist mir aber noch etwas aufgefallen:
-Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, drängte sie sich jedoch eilig an ihm vorbei.-
Zweimal jedoch in einem Satz.
Hoffe, mein Kommi frustriert dich nicht, sondern hilft etwas. >.<
Genauso wie Moonset finde ich übrigens auch toll, eine Hetero-orientierte FF zu lesen. :3
Die sind ja wegen dieser Homo-Welle komplett untergegangen, so scheint es mir. >>
Schreib noch mehr von denen, wenn du Zeit hast! :3
*knuddel*

Clau
Von:  Zaekka
2008-05-20T11:32:54+00:00 20.05.2008 13:32
Ich weiß gar nicht, warum du so frustriert wegen dieser FF bist. Ich liebe sie! *_*
Genau genommen gefällt sie mir von all deinen FFs bis jetzt am besten. ._. (Kann auch daran liegen, dass ich Hetero-FFs mehr zugetan bin als Shonen-Ai XD)
Ich hab zwar schon am Anfang vermutet, dass die Eltern ihre Finger in der Trennung von Ilena und Johnny im Spiel haben, aber ich hätte nie gedacht, dass Ilena dann auch tatsächlich stirbt. ;_;
Ganz schön ekelhafte Eltern. xP
Bin ich froh, dass ich nicht so kranke Eltern habe. o.O
Schreibst du noch mehr Hetero-FFs? :3
(Vielleicht auch mal mit Olli als Hauptchara? xD)
Schreib nur immer so weiter! :D
Und lass dich durch zu wenig Kommis nicht entmutigen. :)

Moonset


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