Brüder sind so von lomelinde (Wie Muscheln im Sand) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Brüder sind so Einen Moment lang wiegte Kassandra die Schaufel in ihrer Hand, dann schleuderte sie sie mit einer wütenden Geste Ben entgegen. „Du Vollidiot, du hast alles kaputt gemacht!“ Sie ließ sich in den Sand sinken und strich über die zusammengefallen Mauern der Sandburg. Die sie mit aller Mühe und viel Geschick aufgebaut hatte. Immer wieder waren die Mauern der Burg zusammengesackt und hatten die bereits geformten Gänge des Bollwerks zerstört und immer wieder hatte Kassandra sie wieder aufgebaut. Ben griff nach seinem Fußball und schleuderte ihn aufs Meer hinaus: „Vergiss deine komische Burg, dass ist doch was für Babys. Kommst du mit ins Wasser?“ Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern rannte los. Kassandra schaute ihm nach, die Tränen verschleierten ihr die Sicht. Sie wischte sie weg, zog die Nase geräuschvoll hoch und besah sich dann den Schaden genauer. Die Sandburg war hinüber, so viel war klar. Ben hatte mit seinem Fußball genau in das Zentrum der Burg geschossen und die Mauern waren alle samt eingestürzt und nur noch der winzige Burggraben, den sie schon um einen Großteil des Bauwerks gezogen hatte erinnerte an den eigentlichen Zweck des Sandhaufens. Kassandra stand auf, sah ihrem Bruder hinterher, wie dieser begonnen hatte andere Jungs in eine Wasserschlacht zu verwickeln. „Hey, das war aber nicht fair von dem Jungen!“ Kassandra drehte sich der Stimme entgegen, sie hatte mit einem Jungen gerechnet, aber vor ihr stand kein Junge sondern ein erwachsener Mann. Er sah traurig auf die zerstörte Burg herunter und kniete sich dann neben ihr nieder. Er nahm eine Hand voll Sand und ließ sie durch seine Finger rinnen. Kassandra sah ihn misstrauisch von der Seite an: „Wer bist du?“ „Ich heiße Peter! Und du bist?“, er lächelte freundlich und sah von der Ruine der Sandburg zu ihr auf. „Kassandra!“, brachte das kleine Mädchen hervor. „Hallo Kassandra!“, der Mann streckte ihr freundlich die Hand entgegen, die sie nach kurzem Zögern ergriff. „Das war ziemlich gemein von dem Jungen. Ist das dein Bruder?“ Kassandra wollte Nicken, aber der Mann wartete gar nicht auf eine Reaktion von Kassandra sondern stand auf und ging zum Wasser hinunter. Einen Moment lang sah Kassandra Peter nach und dann stand auch sie auf und folgte ihm. Peter ließ sich in den nassen Sand sinken und streckte seine Füße den heranrollenden Wellen entgegen. Die Gischt brach sich leicht an seinen Füßen und er lachte. Kassandra fand nicht, dass er sehr erwachsen wirkte, nicht so erwachsen zumindest, wie es ihre Eltern immer taten. Sie ließ sich neben ihn sinken und tat es ihm gleich. Sie streckte die Füße aus, um das Wasser zu erreichen, doch sie war zu klein, so dass das Wasser ihr Füße nicht erreichen konnte. Peter hob zweifelnd die Augenbraue als er Kassandras Versuche bemerkte das Wasser zu erreichen, sagte aber kein Wort. „Ist dein Bruder immer so gemein zu dir?“, fragte er nach einiger Zeit und sah Kassandra genau an. Das kleine Mädchen zuckte die Schultern: „Brüder sind so!“ Peter schien einen Moment über ihre Worte zu grübeln dann nickte er: „Trotzdem war das sehr gemein von ihm. Du hast dir solche Mühe gegeben.“ In diesem Moment klangen die Worte des jungen Manns noch mehr wie die eines Kindes, als sie es bisher getan hatten, Kassandra musste unwillkürlich lächeln. Noch einmal wiederholte sie ihre Worte: „Brüder sind so!“, dann ließ sie sich nach hinten fallen. „Aua!“, schnell setze sie sich wieder auf. „Was ist?“, fragte sie Peter alarmiert. „Da ist irgendwas Spitzes im Sand!“ Peter beugte sich nach hinten und sah auf die Stelle, auf die sich Kassandra hatte fallen lassen. Lachend griff er dort hin und zog eine kleine spitze Muschel hervor. Er legte sie in Kassandras Hand und schloss ihre Finger darum. „Es war nur eine Muschel!“, brachte er zwischen zwei Lachern hervor. Kassandra öffnete ihr Hand und sah die Muschel genauer an. Sie gefiel ihr. „Schön nicht?“, fragte Peter sie. Sie nickte, ohne dabei aufzusehen. „Brüder sind manchmal wie Muscheln!“, sagte er. Nun hob Kassandra doch den Kopf und sah den jungen Mann fragend an. Peter nickte um seine Worte noch einmal zu unterstreichen und erklärte dann: „Naja, Brüder sticheln auch und sind manchmal echt nervig. Wie diese Muschel eben. Sie hat dich geärgert und sie hat dir wehgetan, wie dein Bruder vorhin und doch ist es schön, dass du sie in all dem Sand gefunden hast oder?“ Kassandra nickte. „Und deinen Bruder hast du doch auch irgendwo lieb oder?“, fuhr er weiter fort. Kassandra nickte erneut, auch wenn sie und wohl auch Peter genau wussten das dieser Vergleich hinkte, gefiel ihr die Vorstellung ihren Bruder mit einer Muschel zu vergleichen. Nun schien auch Peter zu begreifen wie seltsam sein Vergleich doch war, denn er begann zu lachen: „Entschuldige! Das war ein dummer Vergleich!“ Das kleine Mädchen lächelte den Fremden an und blickte dann wieder aufs Meer hinaus. Ihr Bruder schien nun das Interesse an den Jungen verloren zu haben und kam, den Fußball immer wieder von sich wegstoßend auf den Strand zu geschwommen. Es dauerte nur etwa zwei Minuten bis er den Strand erreicht hatte und neben Kassandra und dem Fremden stand. Er maß Peter mit einem misstrauischen Blick und wand sich dann seiner Schwester zu: „Wir sollten uns nach Hause machen, Mama und Papa warten mit Sicherheit schon.“ Er lief los und blieb in einigen Metern Entfernung noch einmal stehen und sah sich nach seiner Schwester um. „Nun komm schon!“, sagte er ungeduldig. „Ich komme gleich, geh schon mal vor!“, antwortete Kassandra. Ben hob die Augenbraue und sah Peter noch einmal zweifelnd an, sagte aber nichts sondern lief los. „Dein Bruder sorgt sich um dich!“, stellte Peter nüchtern fest. „Das ist schön!“ „Das nervt!“, erwiderte Kassandra. Der junge Mann lächelte: „Irgendwann wirst du anders darüber denken!“ Er stand auf und sah auf Kassandra hinunter. „Ich muss jetzt auch langsam los und du wohl auch, dein Bruder wartet mit Sicherheit hinter der Düne auf dich und beobachtet uns. Er vertraut mir nicht. Ich kann es ihm nicht verdenken.“ Er setzte dazu an zu gehen, aber Kassandra hielt ihn noch einmal zurück: „Möchtest du meine Muschel haben?“ Sie streckte die Hand aus und hielt ihm die Muschel hin, doch Peter schüttelte den Kopf, griff sich unters Hemd und zog eine Kette hervor. „Ich habe meine störende Muschel schon aus dem Sand geholt!“, sagte er stolz und wedelte mit der Kette, an der eine kleine bräunlich schimmernde Muschel baumelte. „Ich habe eine ganze Sammlung Muscheln zu Hause. Vielleicht machst du dir auch eine kleine Sammlung!“ Er lachte noch einmal, drehte sich dann um und lief schnellen Schrittes den Strand hinunter. Kassandra ihrerseits stand auf, winkte Peter hinterher und lief zu ihrem Bruder Ben, der wirklich hinter der Düne schon auf sie wartete. ENDE © Manuela Schmohl, 2007 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)