Amok von abgemeldet (Wenn einem alles zuviel wird) ================================================================================ Kapitel 1: Amok --------------- Ich weiß selber nicht, was ich tue, als ich in die Schule gehe. An und für sich ist es in letzter Zeit gar nicht mal so schlimm gewesen. Ganz im Gegenteil: Einige Leute haben sich echt zum Guten hin verändert. Naja, dafür andere auch wieder nicht. Was soll man schon tun? Man kann nicht alles haben. Aber vielleicht ist genau das mein Fehler. Dass ich immer alles haben will, obwohl ich doch genau weiß, dass ich nie alles bekommen werde. Schon gar nicht die Anerkennung von jedem Menschen. Während ich durch die leeren Gänge dieser Schule wandere, frage ich mich, ob ich nicht einen Abschiedsbrief an den ein oder anderen hätte schrieben sollen. Weiter durch die Gänge laufend wird mir klar, dass ich wahrscheinlich eh nicht wissen würde, was ich schreiben soll. Sonst weiß ich es immer. Ich kann eigentlich immer schreiben, aber jetzt nicht mehr. Das letzte mal, dass ich etwas geschrieben habe, was wirklich von Bedeutung ist, ist schon lange her. Schließlich ist einfach nichts mehr wirklich von Bedeutung. Was ist dieses Leben schon? Nichts als Ärger, Schmerz, Leid und Verzweiflung. Und am Ende hat also doch das Böse über mich gesiegt. Ich gehe die Treppe hoch. Ich frage mich, wo die anderen sind. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich zu spät bin. Nun, es ist ja eigentlich auch egal und ausserdem hat es irgendwie was, jetzt hier rum zu laufen in den leeren Gängen der Schule, an der ich meine letzten Minuten verbringen will. In der so viele andere gerade ihre letzten Minuten, wenn nicht Sekunden verbringen. Die Zeit kann ich nicht mehr einschätzen. Stehe ich vor der Klasse nun schon Minuten? Stunden? Oder sind es nur wenige Sekunden? Vielleicht hätte ich schießen üben sollen? Ach, irgendeinen von diesen Spinnern treffe ich auf jeden Fall. Wie komme ich dazu die Spinner zu nennen? Schließlich bin ich doch hier der Psycho, oder? Egal. Sie sind selber Schuld. Keiner hat mir geholfen. Nie hat es auch nur einer ernsthaft versucht und dabei hätte ich so oft Hilfe gebrauchen können. Wenn man mich fragen würde, ob ich krank bin, dann würde ich sagen: „Nein, ich bin verrückt.“ Und mit der Gewissheit, dass Verrückte tun und lassen können was sie wollen, öffne ich die Tür. Die anderen sitzen da und ich schaue sie an. „Entschuldigen sie die Verspätung!“, nuschel ich nur. Ich setze mich hin. Der Unterricht geht für’s erste weiter und dann, ohne, dass ich sie vorwarne – warum auch? Das wäre ja total sinnlos! – ziehe ich die Pistole schaue den Typen an, den ich am meisten hasse und drücke ab. Blut an der Wand. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Ist das ein Fetzen Gehirn? Egal. Ich muss den Schockmoment der anderen ausnutzen, bevor sie wegrennen. Und siehe da, bevor auch nur einer wirklich reagieren kann, sind zwei weitere drauf gegangen. Das hat was von einem Spiel an sich. Man muss so viele wie möglich erschießen, denn es wird schwerer, sobald sie sich bewegen. Und dann gehen die Schreie los, einige versuchen aufzustehen und zu fliehen. Auch ich stehe auf, ziehe die Waffe und schieße einige von den Flüchtigen ab. Andere lasse ich laufen. Ich weiß genau, wer von denen den Tod verdient und wer einfach nur dieses quälende seelische Leiden bekommen wird, was man Trauma nennt. Oh, wie weit ich doch gegangen bin. Ein zurück gibt es nicht mehr, dafür ist es zu spät. Ich gehe zurück auf den Flur. Aus anderen Räumen kommen andere Menschen. Den ein oder anderen Lehrer verpasse ich auch noch eine Kugel. Ich weiß nicht, ob sie alle tot sind. Eigentlich auch egal. Alle Anwesenden sind für ihr Leben geschädigt. Wie schön. Das freut mich irgendwie schon. Nun, ich habe alle getötet, die es verdient haben. Ich höre weitere Schreie. Sie zerstören die Ruhe, die vorhin noch geherrscht hat. Das macht mich schon sauer. Aber ich halte mich zurück. Vor mir rennen grade zwei meiner Freunde her. Ungläubig bleibt eine von ihnen stehen. „Was tust du da?“, brüllt sie. Ich ignoriere das einfach. Schließlich hat sie ebenso wenig wie die anderen gemerkt, dass es mir scheiße ging. Dass ich nicht mehr konnte. Wie schön es doch ist, wenn man allen anderen die Schuld geben kann. Diese kleine Ecke in meinem Hinterkopf, die sonst immer daran gezweifelt hat, ist nun mit einer Art Vakuum gefüllt. Meine Freundin stelle ich mit einem Schuss in den Bauch ruhig. Ich fange an zu rennen, den vor dem Haus höre ich Polizeiautos. Wie schnell die doch sind. Scheiß Bullen. Nach einer Weile bin ich im obersten Stockwerk angekommen. Hier öffne ich ein Fenster, indem ich es kaputt schieße. Die kleinen Kinder – bestenfalls in der siebten – in diesem Raum schreien. Deren Leben habe ich auch zerstört. Wie schön! Ich setze mich in das kaputte Fenster und lasse die Beine baumeln. Hinter mir höre ich die Stimme einer meiner Lehrer. „Bitte, tu das nicht!“, sagt er. Versucht er tatsächlich gerade ruhig zu klingen. Das ganze Gebäude ist von einem Schrillen Alarmton erfüllt. Anscheinend herrscht das totale Chaos. Weil ich gerade so in der Stimmung bin, erschieße ich ein schreiendes Mädchen, worauf hin zehn weitere anfangen zu schreien. Wie schön doch die Macht über Leben und Tod ist. Die Scherbenteile, die noch im Fensterrahmen stecken, schneiden mir ins Fleisch, aber mir macht das nichts. Dann nach einer Weile, als es mir zu riskant wird, stoße ich mich einfach ab. Einen Moment lang scheint es, als schwebe ich in der Luft. Angst habe ich nicht? Warum auch? Das, was jetzt kommt, kann nicht schlimmer als dieses Leben sein. Nicht schlimmer als das, was mein Leben ausmacht. Mit dieser Gewissheit komme ich nach wenigen Sekunden auf dem Boden auf. Das letzte was ich höre, sind die Töne des totalen Chaos. Schreie, Sirenen, Alarmglocken. Aber mir ist das egal, denn einen Moment später schon bin ich tot und nur noch in den Träumen derer lebendig, die für den Rest ihres Lebens an mich denken müssen. An das was ich getan habe. Nun wissen sie was sie taten, als sie mein Leben zerstörten und damit mich. Ich frage mich, was sie tun wollen um sich an mir zu rächen. Schließlich können sie mich nicht mehr töten oder quälen. Ich bin nämlich schon tot. Wie schön es doch ist, die Macht über Leben und Tod zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)