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Mr Jackalson

von

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Briefe über Briefe

Meine allerhöchst Verehrte,
 

Mit diesem Schreiben bitte ich sie höflichst am Tage der Nacht meine Begleitung zu sein.
 

Ergebensten Dank

Jack
 

Inzwischen konnte ich diese wenigen Zeilen auswendig. Ich wendete das Papier doch wie bei den letzten zehn Mal fand ich die Rückseite auch diesmal unbeschriftet. Die Nachricht schien mir mehr als unvollständig. Der Tag der Nacht meinte den Tag vor Neumond das war klar. Es fehlte jedoch das genaue Datum ebenso wie eine Uhrzeit und ein Ort. Mein Vertrauen auf Jacks eigenartige Fähigkeit “schon alles zu regeln” war nicht ausgereift genug um auf solche Angaben zu verzichten. Ich faltete das Blatt wieder zusammen und steckte es in den roten Umschlag zurück. Von einem halben Silberstück hatte ich in Trade town einen Mondkalender erstanden den ich jetzt, ebenfalls zum zehnten mal, zur Rate zog. Die Frau in dem Geschäft hatte mich ganz verdutzt angestarrt bevor sie ins Lager verschwunden war um zu sehen ob noch einer übrig war, denn in der Regel kaufte man einen gängigen Mondkalender am Anfang des Jahres. Der nächste Neumond war von heute an in fünf Tagen. So richtig half mir das jedoch nicht weiter. Ich seufzte. Gerade als ich den Kalender und den Brief zurück unter mein Kopfkissen schob begannen meine kleinen Geschwister sich in ihren Betten zu räkeln. Mit den drei jüngsten teilte ich mein Zimmer, die Zwillinge, die nur ein Jahr Jünger waren als ich lebten im Keepers Distrikt bei unserer recht wohlhabenden Tante und die übrigen vier schliefen mit meiner Mutter im Wohnzimmer. Die einzige, die ein ganzes, zugegebenermaßen recht kleines Zimmer unterm Dach, für sich alleine beanspruchen konnte, war Miss Clumming. Als das erste gräuliche Morgenlicht durch das vernagelte Fenster drang löschte ich die Kerze, die mir bis dahin Licht gespendet hatte, und begann mich anzuziehen. Meine neuen Kleider, die ich von Jack bekommen hatte verwarte ich sorgsam in einer alten Schachtel unter einem losen Dielenbrett, wo sich all mein Eigentum befand. Für die tägliche Hausarbeit waren sie viel zu schade. Ich schlüpfte in ein altes Kleid meiner Mutter. Es war schmal geschnitten und kurz. Einst war es schwarz gewesen hatte jedoch inzwischen einen eher gräulichen Ton angenommen. Seine Ärmel waren eng und lang, was überhaupt nicht der Mode entsprach. Meine Haare versteckte ich unter einem Kopftuch, das ich im Nacken zusammen band, dann machte ich mein Bett und verließ den Raum. Meine drei jüngsten Geschwister waren vier, zwei und ein halbes Jahr alt, es war ihnen vergönnt so lange zu schlafen wie sie wollten, da man froh war wenn sie überhaupt schliefen. Möglichst leise schloss ich die Tür und stieg die enge Treppe hinab, die ins Erdgeschoss führte. Ich betrat unseren Wohnraum durch eine Schiebetür. Es war dunkel und roch nach schlafenden Menschen, Geschirr vom Vortag und Kohl. Rasch durchschritt ich den Raum, stolperte über irgendetwas, fluchte und öffnete das einzige Fenster. Ein leiser Lufthauch strich meine Wange. Im Dunkeln werkelte ich an den Verschlüssen der Fensterläden bis ich sie endlich aufstoßen konnte und ein Stoß Morgenluft und Licht in den Raum fluteten. Auf den groben Matratzen, die hinter mir einen Großteil des Fußbodens einnahmen bewegte es sich. Erst jetzt konnte ich sehen in was für einem chaotischen Zustand sich unsere Küche befand. Auf einem winzigen Tisch in der Mitte des Raums genauso wie im Spülbecken und auf den Arbeitsflächen türmte sich schmutziges Geschirr. Die Tür zur winzigen Speisekammer stand offen, auf dem Boden lagen Kohlköpfe und verschiedene andere Gemüse. Offensichtlich hatte unsere mürrische Katze mal wieder den Bottich, der zur Aufbewahrung diente, umgestoßen. Ich sammelte die Nahrungsmittel ein und schob den schweren Topf dann zurück in die Kammer. Nachdem ich die Tür ordnungsgemäß verschlossen hatte nahm ich zwei große Eimer und verließ das Haus. Neben dem Häuserkomplex zu dem auch unseres gehörte führte eine schmale Gasse in einen Hinterhof. In gewisser Hinsicht waren wir privilegiert, denn wir hatten unmittelbaren Zugriff auf einen Brunnen. Der Hinterhof war klein und schäbig. Der Boden war nicht gepflastert, wenn hier jemals das Sonnenlicht hinkäme wäre er sicherlich überwuchert mit allerlei Unkraut. Nachdem ich etwas Wasser geschöpft hatte zwängte ich mich mit den schweren Eimern seitwärts durch die Gasse. Zurück im Haus schüttete ich einen Eimer in unsere hölzerne Spülwanne und den anderen schleppte ich die Treppe hoch ins Badezimmer. Fünf Eimer voll, mehr durften wir am Tag nicht verbrauchen, deshalb badete pro Tag immer nur eine Person, man war also alle 12 Tage an der Reihe. Während ich spülte dachte ich darüber nach ob eins meiner Geschwister bereit dazu wäre mit mir zu Tauschen damit ich Jacks Einladung sauber annehmen könnte.

Trotz der beachtlichen Menge an Geschirr war ich recht schnell fertig. Anschließend schürte ich das Feuer und setzte einen Topf Haferbrei auf. Da es an Hausarbeit nun vorerst nichts mehr zu tun gab machte ich mich daran meine vier Geschwister, die im Wohnraum schlummerten, zu wecken. Nelly die älteste von ihnen sah mich bereits aus großen blauen Augen an ehe ich sie berühren konnte. “Guten Morgen.”, flüsterte sie artig und sprang sogleich auf. Sie kletterte umsichtig über ihre Matratze und kniete sich neben das provisorische Bett von Dolly und Nero. Als sie die beiden geweckt hatte nahm sie sie bei den Händen und verließ den Wohnraum in Richtung Badezimmer. Ich hob in der Zeit die Matratzen auf und stellte sie aufrecht an die Wand. Jetzt war es an der Zeit das letzte schlafende Kind in diesem Raum zu wecken. Lilibeth hatte sie auf einer Wolldecke in der hintersten Ecke des Zimmers zusammengerollt und schlummerte friedlich vor sich hin. Ich hockte mich neben sie auf den Boden und berührte sanft ihre Schulter. “Lili, aufstehen’!” Sie schlug die Augen auf und funkelte mich mürrisch an. Sogleich erhob ich mich. “Du musst aufstehen.” Ich sagte es um jedweder Diskussion vorzubeugen. Lili unterschied sich in vielerlei Hinsicht von ihren Geschwistern. Als einzige von ihnen hatte sie rabenschwarzes Haar, während wir anderen größten Teils die flachsblonden Locken unserer Mutter geerbt hatten. Ihr Teint war oliven, sehr blass und durchscheinend, außerdem war sie klein und schmal. Das alles sorgte für ein recht kränkliches Aussehen. Ihr Gesicht jedoch wurde von zwei riesigen, von pechschwarzen Wimpern umrahmten, grauen Augen beherrscht. Klug funkelten sie daraus hervor bereit wieder einmal den fragenden Ausdruck anzunehmen den sie so oft inne hatten.



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