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Mr Jackalson

von

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Bei Needels and Scissors

Als ich erwachte, war es bereits hell. Das einzige Fenster in meinem Zimmer war klein und hatte keine Scheibe mehr, weshalb man es von innen provisorisch mit Brettern vernagelt hatte. Durch diese sah man bereits die Sonne scheinen. Drei zerwühlte, lehre Betten, die fast die ganze Fläche des kleinen Raums einnahmen, zeigten mir, dass meine Geschwister schon aufgestanden waren. Ich hörte Lärm unter mir. Miss Clumming rief meinen Namen. “Miaaaaa“, kreischte sie durch das ganze Haus. Ich versuchte mich zu drehen und fiel dabei augenblicklich aus dem Bett. Mit einem lauten Rumps landete ich auf dem harten Holzfußboden. Unsere Betten waren einfach zu schmal. “Mia komm runter! Du verschläfst noch den Nachmittag.” Ich grummelte vor mich hin und starrte auf den Boden. Dann legte ich meine Wange auf das kalte Holz. Die Kühle an meinem Gesicht tat mir gut und ließ mich einen klaren Gedanken fassen. Diese alte Schreckschraube, den Nachmittag verschlafen so was absurdes. Plötzlich hörte ich das Geräusch einer Uhr. Ich zählte die Schläge. Bei 13 riss ich vor Schreck die Augen auf. 13! Du meine Güte! Mit einem Mal sprang ich auf die Beine. Hecktisch versuchte ich mich zu orientieren. Ich war zu schnell aufgestanden und mir wurde einen Moment schwarz vor Augen. Mit zittrigen Fingern öffnete ich die Knöpfe meines Nachthemdes. Dann sammelte ich meine im ganzen Raum verstreute Kleidung ein. Den Rock vom Boden, den Pullover auf dem ich geschlafen hatte, das ausgeblichene Cape das an der Tür hing und rannte ins Badezimmer. Auf einem hölzernen Tisch stand eine Blechschale mit Wasser. Ich spritzte mir ein Paar Tropfen ins Gesicht und fuhr mir mit einer Büste flüchtig durchs Haar. Ich streifte mir das Nachthemd über den Kopf und zog stattdessen Rock und Pullover an. Dann rannte ich zurück in unser Zimmer. Meine Schuhe lagen noch genau dort wo ich sie am Vorabend hatte fallen lassen. Verblichene, ehemals schwarze Stiefeletten. Mit meinen hektischen Fingern dauerte es länger als normalerweise sie zu schnüren. Als ich endlich fertig war nahm ich den schwarzen Briefumschlag vom Vortag stopfte ihn hektisch in meine Umhängetasche, warf mein erworbenen Silberstücke hinzu und rannte die Treppe runter. Unten erwartete mich eine wutschnaubende Miss Clumming. “Kind wo bleibst du denn?” “Jetzt nicht!”, rief ich und hastete an ihr vorbei in den winzigen Raum der meiner Familie als Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer diente. Meine drei jüngsten Geschwister hockten mit schmutzigen grauen Kitteln bekleidet am Esstisch und frühstückten. Meine Mutter lag auf dem Sofa. Sie trug noch die Kleidung des Vortages und hatte sich einen feuchten Waschlappen auf die Stirn gelegt. “Mia Liebes…”, begann sie, doch ich würgte sie ab. “ich hab keine Zeit!” Ich durchwühlte hektisch unseren türlosen Küchenschrank nach der kleinen Haushaltskasse. Als ich die rostige Blechbückse endlich gefunden hatte ließ ich sieben meiner acht erworbenen Silberstücke hineinfallen, dann wandte ich mich um und drängelte mich unwirsch an der fluchenden Miss Clumming vorbei zur Tür. Ich hastete ins Freie und rannte los. Im Augenwinkel sah ich wie sie mir folgte. “Ich muss was erledigen für Madame Livre!”, rief ich über die Schulter, während ich schon in einer Gasse verschwand. Ich lief durch die verwinkelten Straßen, als würde ich verfolgt, auch wenn mir klar war, dass egal wie schnell ich rannte die Anordnung “heute noch” der Madame würde ich nicht wieder einholen. Trotzdem hielt ich erst inne als ich mein Ziel beinahe erreicht hatte. Ich lehnte mich an eine Hauswand und atmete schwer. Es waren nur noch wenige Schritte bis needels and scissors, dem zwielichtigen Schneidermeister und einzigem Geschäft in dark hills. Die Sonne stand hoch über der Stadt und leuchtete unbarmherzig in die schmale Gasse. Sie erzeugte mit ihrem Licht ein geheimnisvolles Wechselspiel von Licht und Schatten auf dem Pflaster. Langsam richtete ich mich auf, so zerwühlt wollte ich nicht zu Mr Jackalson gehen, aber auf dem Weg zu ihm hätte ich sicher noch Zeit mich zu ordnen. Ich war davon überzeugt, dass ein wohlhabender Mann wie Mr Jackalson nicht in dark hills lebte, es entsprach einfach nicht dem Üblichen, also hatte ich wohl noch einiges zu laufen. Vermutlich wusste der alte Schneider wo der Zauberer lebte und würde mir endlich die Adresse geben. Ich stand nun vor dem Geschäft. Sein schmutziges Schaufenster war von innen mit Zeitungen verklebt. Auf der Scheibe stand mit abblätternder Farbe “Needels and Scissors” . An der schäbigen Glastür baumelte ein grobes Holzschild mit der Aufschrift: Open! Wäre dieses Schild nicht gewesen hätte man mich nur schwer davon überzeugen können, dass dieser Laden überhaupt noch Waren anbot, die verklebten Fenster sprachen auf jeden Fall nicht dafür. Ich zog an der feingliedrigen Kette, die an der Hauswand baumelte, und erzeugte ein klirrendes Geräusch, das dem Ladenbesitzer mein Eintreten ankündigte. Dann öffnete ich die Tür und betrat den engen Verkaufsraum. Niemand war zusehen. Das Licht, das durch das zu geklebte Schaufenster fiel, war schummerig, Staub wirbelte in der Luft. Ich musste niesen. Auf einem hölzernen Verkaufstresen türmten sich Stoffreste und Schnittmuster. Mehrere aufwendig gefertigte Kleider waren auf kopflose Puppen aufgezogen, die stumpf auf die Fensterfront stierten. Hinter dem Tresen ragten Regale bis zur niedrigen Decke. Sie waren voll gestopft mit verschiedenen Stoffen, Garnen, Scheren und anderen Utensilien. Alles war von einer hauchfeinen Staubschicht überzogen. Ebenfalls hinter dem Tresen war ein weiterer Ausgang, er war durch einen dicken, blutroten Vorhang abgeschirmt. Als nach Minuten immer noch niemand zu sehen war, schritt ich zum Tresen und suchte nach irgendetwas womit ich mich bemerkbar machen konnte. Ich fand unter einigen Bahnen bläulich schimmernden Samts eine unscheinbare Klingel aus Zinn. So etwas hatte ich gesucht! Ich schüttelte sie doch es erklang kein Geräusch. Ärgerlich drehte ich die Klingel und sah hinein. Eine sehr kleine, silbrige Kugel schlug gegen den Mantel, wenn ich sie schüttelte. Diese Klingel durfte eigentlich nicht stumm sein. Ich legte sie auf den Tresen zurück. “Hallo?”, fragte ich dann vorsichtig. Der Vorhang bewegte sich. Erwartungsvoll starrte ich auf den wiegenden Stoff. Dann lag alles wieder still da. Ich war frustriert. Wie sollte ich denn so Mr Jackalson finden? Ich versuchte noch einmal die Klingel zu betätigen, wieder nichts. “Ich bin doch schon da.” Die Stimme kam von hinter dem Tresen. Ich wollte mich grade darüber beugen, als mir eine magere graugetigerte Katze mit einem eleganten Satz entgegen sprang. Sie setzte sich auf den Tresen und musterte mich aufmerksam aus leuchtend grünen Augen. “Ähm…”, stotterte ich. “Bist du der Schneider?” Ich kam mir blöd vor mit einer Katze zu reden, aber ich hatte eindeutig eine Stimme gehört und es war niemand anderes hier. Die Katze legte ihren Kopf schief und blickte mich fragend an. Ihr Fell war zerzaust und filzig. Ihr rechtes Auge wirkte leicht beschädigt, irgendwie eingedrückt und von ihrem Ohr fehlte ein Stück. Dieser Katze war offensichtlich übel mitgespielt worden. Ich starrte sie an. Nachdenklich, wie mir schien, wiegte das Tier den Kopf von der einen auf die andere Seite. “Sage mir Mensch, wie soll ich mit meinen Pfoten denn nähen?” Die Worte kamen nicht aus ihrem Maul sie schienen viel mehr in meinem Kopf zu sein und sie kamen so unerwartet, dass ich unwillkürlich zwei Schritte zurück wich. “Mein Name ist Samtpfote ich bin der Kater dieses Hauses und ich verbitte mir als gewöhnliche Katze abgestempelt zu werden.” “Keine Sorge gewöhnliche Katzen sprechen nicht.”, entgegnete ich. In meinem Kopf erklang ein Kichern. “Natürlich tun sie das, ihr Menschen hört nur nicht genau genug hin. Du dachtest ja auch diese Klingel dort sei stumm.” Mein Blick fiel auf die kleine, silberne Klingel von der ich dachte sie sei um den Ladenbesitzer auf sich aufmerksam zu machen. “Der Schein trügt meine liebe.”, sprach der Kater, sprang vom Tresen und schlängelte sich schnurrend um meine Beine. “Du hörst diese Klingel?”, fragte ich erstaunt. “Laut und deutlich.”, gab er mir zur Antwort. Ich ging in die Hocke und begann den Kater hinter den Ohren zu Kraulen. Er schnurrte noch lauter. “Bitte lieber Kater sag mir wo ich den Schneidermeister finde.” “Hmmmmmm. Monsieur Cutter ist wie eine Katze. Er ist dort, wo er sein will, und tut das, was er tun will.” Man hörte wie sehr der Kater die Streicheleinheit genoss. Doch langsam wurde ich ungeduldig. “Und wo ist das?” “Woher soll ich wissen was M Cutter will? Oh ja nicht aufhören.” Das Fell der Katers war weicher als gedacht und aus der Nähe betrachtet wirklich schön. In verschnörkelten Linien wanderte ein dunkelgraues fast schwarzes Muster über samtenes Hellgrau. Plötzlich hörte ich wie der Vorhang zur Seite geschoben wurde und jemand erschreckt aufschrie. Dann fielen etliche schwere Stoffbahnen mit einem gedämpften Knall auf den Boden und rollten hinter dem Tresen hervor. Der Kater sprang auf und verzog sich auf das oberste Regalbrett. Ein Mann stand in der Tür und blickte entsetzt auf mich herunter. Er war klein, untersetzt und trug einen dunklen Anzug mit großen glänzenden Knöpfen. Auf seinen Kopf hatte er einen auffällig riesigen Zylinder gesetzt, der wohl als Nadelkissen diente. Unzählige der kleinen Silberspitzen ragten aus dem Hut hervor. In der Brusttasche seines Anzugs steckte eine überdimensionale Schere. “Um Himmels Willen was tun sie dort auf dem Boden?”, fragte er verwirrt. “Ich habe ihre Katze gekrault.“ Ich wusste nicht ob er mit der Tatsache vertraut war, das seine Katze redete. Vom Schrank kam ein Fauchen. „M Samtpfote hat es nicht gerne als Katze bezeichnet zu werden.“, erklärte der Mann mit pfeifender Stimme. Seine Augen waren immer noch geweitet vor Schreck, als er begann die Stoffbahnen aufzuheben. “Warten sie ich helfe ihnen.” Ich sprang auf und sammelte ebenfalls einige Bahnen auf. “Vielen, vielen Dank meine Liebe!”, röchelte er. “Folgen sie mir, folgen sie mir.” Schwer atmend verschwand der Mann wieder hinter dem Vorhang, ich folgte ihm. Wir betraten einen langen Flur dessen Wände aus weiteren Regalen bestand, die über und über mit Stoffen befüllt waren. Unter der Decke hingen staubige Öllampen, die ein gelbliches Licht spendeten. An den Regalen hingen Leitern, die scheinbar dazu dienten die obersten Regalbretter zu erreichen. Schwer mit den Stoffballen beladen musste ich an den engsten Stellen des Flurs seitwärts gehen um hindurch zu passen. Plötzlich verschwand der kleine Mann vor mir seitlich in einem Raum. Dieser Raum war klein und hatte ein Fenster zur Straße hin, helles Licht fiel herein. Offensichtlich war der Laden mit dem Haus daneben unmittelbar verbunden. In diesem Raum stand ein winziger Storchbeiniger Tisch und ein Stuhl. Außerdem gab es eine schlanke Glasvitrine in der Geschirr stand. Der Mann legte die Stoffe auf dem Tisch ab. Auch mir nahm er meine Last ab und legte sie auf den Tisch. Das Möbelstück begann augenblicklich zu protestieren. “Misshandlung!”, schrie er mit schriller Stimme und ließ sich anschließend lauthals über die schlechte Behandlung im Haus des Schneiders aus. Erst am Morgen haben man heißen Kaffe auf ihm verschüttet, das müsse kein Mensch jemals über sich ergehen lassen. Der Schneider bedeutete mir ihm zu folgen und verließ den Raum. Angesichts des lästernden Tisches verfiel er nun seinerseits in missmutiges Gemurmel. Ich schnappte Worte wie, verflixte Zauberei, niemals und verfluchter Magiekrempel auf. Ich konnte daraus schließen, dass irgendwer, der ebenfalls in diesem Haus lebte, sämtliche Möbel gegen den Willen des Schneiders zum Leben erweckt hatte. Wir waren nun wieder im Verkaufsraum. Umsichtig schloss der Mann den roten Vorhang hinter mir und lehnte sich dann über den Tresen. “Ich bin Monsieur Cutter wie sie sicher wissen der Besitzer dieses Landens. Was kann ich für sie tun?” Neugierig musterte der Kleine mich. “Nun Monsieur Cutter man sagte mir, dass sie wüssten wo ich einen gewissen Mr Jackalson finden kann.” Monsieur Cutters Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. “Du bist es Mia! Ohhhhh das ist ja ganz vorzüglich! Gaaaanz vorzüglich wirklich!” Hektisch hüpfte er auf und ab und begann dann durch den Raum zu wuseln. Es war zum verrückt werden alle kannten meinen Namen. “Ja, ja Mr Jackalson hat mir bereits alles über dich erzählt! Alles! Und ich habe etwas für dich mein Kind! Ich habe etwas für dich!” Aufgeregt durchwühlte der untersetzte Mann Kisten mit Kleidung. “Ein junges Mädchen wird kommen, hat er gesagt. Ja das hat er gesagt. Und sie wird mich suchen. Suchen! Genau so sagte er das.” Er durchwühlte die Kiste ein zweites Mal. “Die ganze Nacht habe ich daran gearbeitet, die ganze Nacht! Ja, ja!” Er suchte weiter. “Du wolltest doch nicht in dieser Kleidung zum geehrten Mr Jackalson gehen? Das wolltest du doch nicht, nicht wahr? Nein das wolltest du nicht!” Jetzt durchwühlte er die Stapel, die sich auf dem Tresen türmten. “Ah da ist es! Ja da ist es!” Er zog ein tiefschwarzes Stück Stoff hervor und hielt es in die Höhe. Es war ein wunderschönes, neues, Cape. Seine Kapuze war weit und lief am Ende spitz zu und es hatte kurze Ärmel wie es im Moment Mode war. Der Stoff war weich und fließend und am Rand gesäumt von hauchfeiner weißer Spitze. Ein langes Band aus Samt war durch die Kapuze gezogen. Atemlos starrte ich das wunderschöne Stück an. Monsieur Cutters schien verunsichert. “Gefällt es dir nicht? Ich wusste, dass er sich irrt. Diese ewige Gedanken Leserei. Das macht mich noch verrückt und nun ist es soweit er hat sich geirrt. Gefällt es dir nicht?” Ich war sprachlos. Ich trat einen Schritt vor und nahm den Stoff zwischen meine Hände. Er war noch weicher als ich erwartet hatte. “Es ist wunderschön.”, brachte ich mühsam hervor. “Wirklich? Wunderbar mein Kind. Wunderbar!” Er ließ das Cape auf den Tresen fallen und lief um den Tisch herum. “Zieh diesen alten Mantel doch aus mein Kind! Es gehört dir!” “Aber Monsieur ich habe gar nicht genug Geld für dieses Cape. Ich…” Er schnitt mir das Wort ab. “Aber es ist doch ein Geschenk mein Kind! Ein Geschenk vom geehrten Mr Jackalson!” Mit geschwinden Fingern zog er mir meine Umhängetasche über den Kopf und warf sie zur Seite, dann schob er mich hinter einen staubigen Paravant, der an der Wand vor einer Nische stand. Das neue Cape warf er über die Trennwand. Da stand ich nun mit einem wunderschönen Kleidungsstück in den Händen. Der Boden hier war mit dünnen Teppichfetzen ausgelegt. Neben mir stand ein klappriger Hocker. Die kleinste Bewegung wirbelte den Staub auf, der die Rückwand des Paravants bedeckte. Mit zittrigen Fingern öffnete ich die Knöpfe meines Capes. Es waren nicht allzu viele, denn Knöpfe waren teuer heutzutage. Das neue Cape hatte eine lange Knopfreihe mit Knöpfen aus milchig, weißem Horn, die sogar im schummrigen Licht des Ladens schimmerten. Sie waren nahezu riesig. Ich legte mein Cape auf dem Hocker ab und nahm das neu in die Hände. Plötzlich bemerkte ich, dass auf dem Kleiderbügel, der das schöne Stück hielt, ein ebenfalls neue, schwarzer Pullover mit umgeschlagenen Ärmeln und kleinen Perlmutknöpfen am Kragen, ein ebenfalls schwarzer recht kurzer Spitzenrock und ein seidenes Haarband hingen. Also zog ich meine alten Kleider aus und rupfte das grobe Gummiband aus meinem Haar. Dunkelblonde Locken wirbelten um meinen Kopf. Geschwind schlüpfte ich in die neue Kleidung. Die Stoffe waren weich auf der Haut. Der Pullover saß perfekt. “Hinter dir ist ein Spiegel Liebes! Ein Spiegel ja, ja!” Hörte ich M Cutters aufgeregte Stimme. Ich andre mich um. Selbst jetzt da ich wusste das dort angeblich ein Spiegel hing war er schwer zu erkennen. Ich holte tief Luft und pustete gegen eine flaumige Wand aus staub unter der sich der Spiegel verbergen musste. Und tatsächlich, Staubflocken flogen in alle Richtungen und gaben den Blick auf eine gläserne Fläche frei aus der mich ein blasses, müde wirkendes Gesicht freundlich anlächelte. Es war nicht mein eigenes. Erschreckt schlug ich mir die Hand vor den Mund um meinen schrillen Ausruf zu ersticken. Das Gesicht regte sich nicht. Es stierte aus dem Spiegel, jedoch mit einem glasigen Blick als sähe es durch mich hindurch. “Was ist denn Kindchen?” M Cutter hatte meinen Schrei wohl gehört. “Im Spiegel… im Spiegel ist ein Gesicht!”, keuchte ich. “Ach das. Ich vergaß dich zu warnen Kindchen, aber keine Sorge das ist nur die alte Dorothea. Nur die Dora. Sprich sie an ich bin sicher du kannst sie dazu bringen Platz zu machen!” So eine lange Rede und das ohne hektische Wiederholungen! Ich war erstaunt. Dorothea starrte immer noch mit leerem Blick aus dem Glas. “Hallo?”, fragte ich vorsichtig. Sofort kam Leben auf die bleichen Wangen, nun konnte man auch mit Sicherheit sagen, dass es sich um eine Frau handelte. Sie sah mich aus eisblau funkelnden Augen freundlich an und um ihre schmalen Lippen spielte ein zärtliches Lächeln. Ihr Gesicht war von dünnem weißblonden Haar umgeben, dass mithilfe von Spitzenbändern aufwändig hochgesteckt war. Nur einzelne Strähnen fielen in die Stirn und streichelten die blassen Wangen. Hätte ich jemals eine Vorstellung von einer Schneekönigin gehabt sie hätte ausgesehen wie diese junge Frau in dem Spiegel. “Ähm, tut mir leid sie zu stören Dorothea aber ich möchte mich im Spiegel betrachten.”, ich flüsterte fast, denn dieses zarte blasse Gesicht im Spiegel, das von so einer faszinierenden Schönheit beseelt war, erfüllte mich mit Erfurcht. Als sie zu sprechen begann lief es mir kalt den Rücken herunter , ihre Stimme war wie Eis, kühl und klar. “Versprichst du mir als Gegenzug etwas? Schließlich schenke ich dir einen Blick in mein Innerstes!” “Natürlich!” Ich hatte gesprochen bevor ich auch nur die Möglichkeit erwogen hatte zu denken. “Komm hin und wieder zu mir zurück und leiste mir Gesellschaft, ich bin sehr einsam und man weigert sich mich an einen belebteren Ort zu hängen.” Trauer schwang in ihrer frostigen Stimme mit und ließ mein Herz förmlich zu Eis erstarren. “Natürlich.” Wieder hatte ich nicht gedacht. “Ich werde mich ewig an deine Worte erinnern.”, sprach das Spiegelbild und verblasste dann, bis es nicht mehr zu sehen war. Nun stand ich mir selbst gegenüber. Mit ebenfalls blassem Gesicht, wenn auch von wenigen Sommersprossen schrecklich entstellt, eingehüllt von herrlich fließendem schwarzen Stoff, mit seidenem Band im blond gelocktem Haar. Die Kleidung war nahezu unübertrefflich. Ich trat wieder hinter dem Paravant hervor und wurde augenblicklich von M Cutters Fragen bestürmt. “Wie gefällt dir dein Cape Liebes? Gut? Gut?” “Sehr gut sogar!” Ich lächelte. “Hervorragend!”, rief der kleine Mann nun wieder mit pfeifender Stimmt und drückte mir dann meine Umhängetasche in die Hand. “Dann ist es jetzt zeit zu Mr Jackalson zu gehen!” In dem Moment in dem es ausgesprochen war, kicherte Dorothea geheimnisvoll, dann erklang ein schabendes Geräusch und der kleine Schneider schob mich wieder hinter den Paravant. Der große Spiegel war zur Seite geschwungen und hatte den Blick auf einen länglichen Flur freigegeben, dessen Ende ich nicht sehen konnte. “So meine Liebe das ist der Weg! Folge ihm, folge ihm.” “Aber sie kommen doch mit oder etwa nicht?” Ich wollte in diesem Flur nicht allen sein, wer wusste schon was am Ende lauerte! M Cutters machte ein bedrücktes Gesicht. “Tut mir Leid Liebes aber da müssen sie schon allein durch.” Ich atmete tief ein und versuchte mich mit dem Gedanken des Dunkels im Tunnel anzufreunden, als eine Stimme meinem Kopf sich wichtigtuerisch räusperte. “Wenn du nichts dagegen einzuwenden hast Mia dann würde ich dich gern begleiten. Ich muss den alten Meister eh mal wieder besuchen und allein kann dieser Tunnel sehr lang und eintönig sein auch wenn er gewisse Vorzüge aufweist, die gewöhnliche Tunnel nicht bieten können.” Samtpfote war von seinem Regal zurückgekehrt und schlängelte sich nun schnurrend um meine Beine. “Außerdem krault mich hier kaum jemand so angenehm wie du Menschenkind.” “Wunderbar!”, rief M Cutters. “Also ist es beschlossene Sache Samtpfote wird eine angenehmer Reisegefährte sein, Liebes. Vertrauen sie mir.” Ich blickte in den Gang der sich vor mir erstreckte und fragte mich was mich am anderen Ende wohl erwarten würde.



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