Zum Inhalt der Seite

Arkane

Der Weg des Magiers
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Geheimnis von Damnhot

"Schmeckt wie Pisse!", sagte Sand Witch, nachdem sie sich dreimal übergeben hatte.

Die Gute schien die Worte des Dankes und die Gepflogenheiten der Tischmanieren zu ignorieren.

Sie spuckte die bräunliche Flüssigkeit einfach auf ins kleine Feuer und schaffte es so beinahe, das Feuer zu einer Stichflamme zu animieren.

Da aber Lustlosigkeit in der kleinen Reisegruppe das vorherrschende Attribut war, flackerte das Feuer lediglich, ehe es sich entschloss, doch weiter zu brennen.

"Du musst es ja nicht essen!", kommentierte Vincent.

Er schlürfte begierig seine Brotsuppe und kaute auf den Sträuchern, die er gefunden hatte.

Ein karges Mahl, aber als Reisender darf man sich eben nicht beschweren.

Wenigstens das hatte ihm der Meister beigebracht.

Magnus blickte von seinem Teller auf und stellte ihn weg.

Mit der groben Hand wischte er sich über den Bart und stocherte mit einem trockenen Grashalm in den Zähnen herum.

"Wie weit ist es eigentlich noch?"

Vincent seufzte.

Das weiße Haar hing im ins Gesicht und er schob es ärgerlich beiseite.

"Zum achten Mal, Magnus: Nur noch die Treppe rauf und dann sind wir da! Aber die Nacht werden wir hier unten bleiben!"

"Gute Idee..."

Das nächste, was man von dem Zwerg hörte, war ein lautes Schnarchen und das Klappern von Rüstungsteilen, als er einatmete.

Sand Witch und Vincent saßen nun schweigend beieinander und sahen in das trostlose Feuer.

"Weshalb wollt ihr eigentlich die Treppe hinauf? Ich meine, da oben lebt nur ne verkalkte, alte Hexe!"

Er schnaubte.

"Ja. eine Hexe, die den Weg zum Paradies kennt!"

"Ach nee...Nicht noch so ein geistiger Tiefflieger, der meint, er könnte das Rad neu erfinden!"

Vincent sah sie an.

"Wie meinen?"

"Nun tu nicht so. Denkst du echt, du bist der erste Bekloppte, der hier antanzt und fragt wo dieses alte Weibsstück wohnt?!"

Sand Witch trank einen Schluck Wasser.

"In Ordnung. Und wie viele haben es schon versucht?"

"Keine Ahnung. Bestimmt an die hundert!"

Der Lehrling und die Dienerin lächelten beide in sich hinein.

Was er natürlich nicht ahnen konnte war, dass das Lächeln der jungen Dienerin eher gehässig wirken sollte. Sie freute sich schon darauf, wenn die beiden Bekloppten wieder die Treppe hinunter rannten und weinend an einem Grashalm knieten, weil sie das Paradies nicht gefunden hatten.

"Warum lachst du so doof?"

Die Frage haute Sand aus dem Ruder.

Noch nie hatte es ein Mann gewagt, sie so anzusprechen.

"Ich...das geht dich ne feuchte Schüppe an, du...du..."

"Warum bist du eigentlich so jähzornig?!"

Wieder so eine Frage.

Sand Witch lief rot an und blickte hastig ins Feuer und prüfte den Sitz ihrer Strapsen, ehe sie sich dem Weißhaarigen Idioten wieder zu wandte.

"Ich bin nicht jähzornig, du Schmierenkomödiant! Ich kann einfach nur keine Gesellschaft vertragen!"

Seufzen.

Hugin krähte leise und rhythmisch, was Vincent als tiefen Schlaf deutete.

"Ich denke, ich hau mich aufs Ohr!", sagte er und wollte sich herumdrehen.

"Warum willst du unbedingt da hoch?"

"Wieso?"

"Ja. Ich meine...Das Paradies kann man auch woanders suchen, oder?!"

Ihre Stimme klang auf einmal so weich.

Sie hatte nun mehr Ähnlichkeit mit einer Mutter als zuvor.

"Ja. Man kann auch unter einem Stein nachsehen oder Leute fragen. Aber ich würde es bereuen, diese Reise nicht gemacht zu haben.

Wenn ich alt bin, will ich meinen Enkelkindern was erzählen können!"

Mit diesen Worten legte er sich schlafen und vergaß das Thema.
 

Die Kutsche ratterte über die matschigen Straßen von Halmenos.

Innen saßen die Herren Kaliban und Innozenz wie zwei Ölsardinen und versuchten sich gegenseitig, so gut es ging, zu ignorieren, was bei einem, beinahe frontalen, Körperkontakt schier unmöglich war.

Beide Augenpaare suchten die Landschaft nach Hinweisen ab, während die Langweile Überhand gewann.

In der weiten Ferne sahen sie nur einen gebeugten Schatten über die Wiesen hetzen.

(Anmerkung:Es sei weiterhin nicht erwähnt, dass dieser Schatten sich mehr oder weniger versuchte, auf die Fresse zu legen, aber das tut der Geschichte keinen Abbruch.)

"Mir ist, als hätten wir etwas vergessen, Lord Innozenz.", sprach Kaliban nachdenklich.

"So? Was könnte es denn sein?"

"Ich habe nicht den blassesten Schimmer!"
 

Nach tiefem Schlaf ist die Gewissheit, gleich aufstehen zu müssen und sein Tagwerk zu verrichten, für viele Menschen die Horrorvorstellung, die einen jeden Tag heimsucht.

So auch Vincent.

Unser lieber Freund war nämlich nicht nur chronischer Langschläfer, sondern man kann ihn durchaus als Morgenmuffel bezeichnen.

Er erinnerte sich, wie ihn selbst Meister Kaliban des Morgens gemieden hatte, um nicht Opfer der manisch schlechten Launen seines Lehrling zu werden.

Magnus und Sand Witch waren bereits auf den Beinen und hatten sich bereits daran gegeben, das Lager abzubauen und alles für die Weiterreise vorzubereiten.

"Wach endlich auf, du Penner!", fauchte Sand ihm liebevoll ins Ohr.

Welcher Junge würde so nicht gerne geweckt werden?!

Richtig! Niemand!

Vincent erwachte aus einem traumlosen Schlaf und blickte blinzelnd mitten in die heiße Sonne, die ihren Zenit wohl schon überschritten hatte.

Sein Rücken schmerzte aus unerfindlichen Gründen, ehe ein ersticktes Krähen ihm den Grund nannte.

Hugin zappelte unter seinem Steißbein und pickte ihn regelmäßig in den Oberschenkel.

Dies erklärte auch seinen Traum mit einem fleischfressenden Riesenvogel!

(Anmerkung: Allerdings blieb ihm der Traum von der laufenden Riesentomate und dem Bordell seines Bruders verschleiert. Aber unser lieber Freund hatte diesen Traum ohnehin längst vergessen.)

"Was is' los? Schon Morgen?!", fragte Vincent und gähnte.

Magnus lachte nur als Antwort und Sand Witch funkelte ihn böse an.

"Morgen?! MORGEN??? Soll ich dir was sagen, du penibler, dummer Sack?! Du hast die ganze Zeit über gepennt, während der Kurze und ich" - Protestruf von Seiten Magnus; im Keim erstickt mit einem Brotkrumen - "hier aufgeräumt haben!!! Und du fragst, ob Morgen ist???"

"äh...Ja?"

Dafür setzte es einen Hieb auf die Nase.

Es war wie in einem Schaukampf. Man sieht seinen Gegner wie in Zeitlupe ausholen und macht sich bereit, in der gleichen Geschwindigkeit auszuweichen, als einem plötzlich die gute Freundin eines jeden Schaulustigen, die Physik, einen optischen Streich spielte.

In diesem Fall krachte Sand Witchs Faust ungebremst in das erstaunte Antlitz unseres Freundes und verursachte vor seinen Augen ein Fortissimo-Feuerwerk des Schmerzes.

Zwei Minuten, nachdem der Schlag verklungen war, brannte Vincents Gesicht immer noch.

Verflucht seien die Götter in ihrer 'Großzügigkeit', den Frauen nicht nur starke Rechte, sondern auch eine starke Linke gegeben zu haben.

Magnus und er tapsten wieder wie die Schuljungen hinter ihrer Führerin her und versuchten sich, an der Umgebung zu erfreuen.

(Anmerkung: Hier sei gesagt, dass es dort wenig erfreuliches gab. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass das Wort 'karg' für die große Treppe Longrun neu definiert werden musste!)

Die Steine stachen ihnen nach gut fünfzehn Minuten durch die Stiefel und verursachten bei jedem Schritt einen stöhnenden Unterton.

Jeder Sklaventreiber auf den großen Schiffen von Abu-Dun hätte gerne ein solches Geräusch gehört.

Aber die Führerin der Gruppe, Sand Witch, schien es einfach nur zu nerven.

"Sagt mal...Was seid ihr eigentlich für Waschlappen?"

Vincent blickte sie an.

"Halt die Klappe und führ uns!"

"Amen!", pflichtete Magnus bei. "Gut gesprochen, Winfried!"

"Vincent."

"Wie auch immer."

Der Lehrling und der Zwerg blickten zeitgleich nach oben.

Ein Ende der Treppe war zwar in Aussicht, aber die Vorstellung, bald durch einen dichten Nebel zu marschieren, bereitete keinem der beiden große Freude.

Immerhin hatten sie sich nicht für feuchte Gegenden gekleidet.
 

Die Kutsche kam ratternd zum Stehen.

Innozenz und Kaliban lagen sich beide, mehr oder weniger freiwillig, in den Armen, als der Kutscher die Tür öffnete.

"Mylord! Wir sind an der Zwergenstadt angekommen!"

Kaliban blickte auf.

Sein Gesicht war runzliger denn je und die weißen, krausen Bartstoppeln wippten fröhlich mit dem Mund mit.

"Schon? Haben wir den Pass des Leidens denn schon überquert?!"

Innozenz richtete sich auf.

Ein Anhängsel von einem Teddybären ging an seinem einen Ohrring und ziepte den Meister der aalglatten Worte sichtlich.

Der Kutsche verneigte sich.

"Ich habe mir erlaubt, einen anderen Weg auszuwählen, Mylord!"

"Was is' los? Is' was runtergefallen?!", kommentierte Innozenz.

"Nein, Sir. Ich..."

"Warum machst du dann 'nen Bückling?! Geh schon. Kündige uns an!"

Kaliban seufzte und streichelte seinen Lieblingsbären.

Ein ausgesprochen hässliches Vieh, wie Innozenz befand, denn es hatte kaum mehr künstliches Fell am Körper und einige offene Stellen beliebten über die sexuellen Vorlieben des Erzmagiers eine eventuelle und absolut spekulative Aussicht zu geben.

"Seid Ihr sicher, dass wir mit dem König reden sollten?!", fragte Kaliban. "Zwerge gelten als...barbarisch"

Er hatte das letzte Wort verschwörerisch geflüstert, während er einen Finger in ein Loch in dem Teddy schob.

(Anmerkung: Wohlgemerkt: ein rektales Loch!)

"Na und?! Wie sollen wir sonst erfahren, wo es zum Damnhot geht, Euer Gescheitheit!"

"Nun...das ist ein Argument.", sagte der Erzmagier und lehnte sich zurück.

Jetzt hieß es warten.
 

Endlich.

Die Treppe lag hinter ihnen und Vincent fühlte sich wie ein Sonnenanbeter, als er die letzte Stufe bestieg und beinahe wieder herunter fiel.

Im letzte Moment packte ihn eine kräftige,. raue Hand und zog ihn mit Urkraft wieder nach oben.

"Sag danke, Winfried!", knurrte Magnus und legte die Finger verschwörerisch an die Axt auf seinem Rücken.

"Danke...Und ich heiße..."

"Hey seht mal!"

Sand Witch stand etwas weiter von ihnen weg.

Vor ihren grazilen Füßen und ebenso wunderbaren Beinen, die in die prachtvollen Strapsen gehüllt waren, breitete sich eine Nebelbank aus.

Nun...Nebel war auf Bergspitzen sicherlich keine Seltenheit.

Man sah sie häufig.

Wenn man in die Roten Berge beispielsweise ging, so fand man dort die größten und prachtvollsten Nebelbanken der bekannten Welt.

Man konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen und hatte Glück, wenn man von den Nebelmonstern nicht aufgefressen wurde und an einem Stück wieder herauskam.

Aber hier????

Vincent blickte erstaunt auf die dichte Nebelbank, die sich auf einem Vulkan erhob.

"Nee, oder?"

Diese Phrase war durchaus treffend für eine Zustand, der rein physikalisch und auch chemisch nicht möglich war.

Auf einem Vulkan konnte doch keine Nebelbanken entstehen. Oder doch?!

Sand Witch war mutig und tat einen Schritt in die Nebelbank.

"Halt!!!", rief Vincent und stürzte mitsamt Hugin und dem Zwerg zu ihr.

"Was ist denn jetzt schon wieder?!"

Vincent sah sie an.

"Tu's nicht!"

Sand Witch blickte genervt.

"Und warum nicht, wenn ich fragen darf?!", mäkelte sie.

"Ich...Ich hab ein mieses Gefühl."

Zack!

Die zweite Ohrfeige war schon wesentlich weniger hart, weil die linke Wange unseres Lehrlings noch immer taub war.

"Wer wollte denn unbedingt auf diesen beschissenen Vulkan und wer wollte zu dieser verkalkten Mumie, um den Weg ins Paradies zu erfahren??? Warst das nicht du??"

"Ja, aber..."

"Und wenn ich jetzt herausfinden sollte, dass ich diesen verfluchten Weg ganz umsonst gegangen bin, dann schwöre ich dir: Du erlebst die Hölle auf Erden!!!"

Vielleicht war es ihm vorher nicht aufgefallen, aber diese Worte klangen aus Sands Mund absolut überzeugend und unantastbar wie die Worte eines Königs.

Die Frau hatte eindeutig ein Jähzornproblem.!

Magnus hatte sich hinter Vincent versteckt und ein Bartzipfel lugte hervor.

Wie ein Wetterprüfer schien der Zwerg erst mal die Temperatur der Umgebung prüfen zu wollen, ehe er sich auf das Terrain zurückwagte.

Und scheinbar war ihm die Luft eindeutig zu dick.

"Ist ja gut...", verteidigte sich Vincent und hob beide Hände. "Dann geh halt in dein Verderben!"

"Ja, Klaustrophobos!"

(Anmerkung: Klaustrophobos war ein bekannter Philosoph, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, bei Reichen und Adeligen zu schnorren und für sie zu denken.

Leider beschränkten sich seine Gedanken meistens auf das vielfältige Innenleben seiner Nase und/oder den Weltuntergang.

Über letzteres schrieb er das Buch 'de Apokalypsis', wobei hier anzumerken ist, dass der gute Mensch nicht ein Wort Latein beherrschte.

Deswegen blieb das Buch auch weitestgehend unbeachtet in der wissenschaftlichen Welt. Jedes Kapitel begann mit dem Satz "Wir rennen alle in unser Verderben!")

Wie auch immer.

Vincent kam sich ungeheuer wichtig und umsichtig vor, während er tollpatschig in den Nebel stolperte, weil ihm der gute Magnus einen Schubs gegeben hatte.

Und drinnen sah es nicht besser aus als draußen.

Weiße Schleier umhüllten ihn wie eine Fangopackung aus den Sümpfen von Gugelhupf. Sand Witch konnte er schemenhaft erkennen, aber der Zwerg war ihm optisch vollkommen abhanden gekommen.

Aber das interessierte ihn nicht.

Immerhin dachte der Kurze immer nur ans Geld und war nicht fähig, seinen Namen auszusprechen, geschweige denn zu lernen.

Und schon bald stach ein bahnbrechendes Geräusch an die Ohren unseres Freundes.

"Hey..."

Sand Witch wandte sich um.

"Was ist jetzt schon wieder?"

Mit verschränkten Armen und dem ständig auf den Boden schlagenden Schuhen sah sie bedrohlicher aus als jedes Nebelmonster, welches Vincent aus den Sagen her kannte.

"Hört ihr das nicht?"

Die Ohren gespitzt standen die drei eine Minute lang wie eine Kolonie Pinguine, die an Land geschwemmt wurde und nun auf ein Wunder lauschte.

Magnus verzog nach drei weiteren Minuten das Gesicht.

"Also ich glaube ja...", begann er. "Dass Vincent nicht mehr alle Räder an der Kutsche hat! Ich höre null Komma nichts."

"Was ist ein Komma?", fragte Sand.

"Was ist ein Null?", fragte Vincent.

Der Zwerg seufzte und setzte zu einer Erklärung an, als ihm ein altbekannter Gesichtsausdruck in eben jenes feuchte Gesicht mit den ebenso feuchten Barthaaren kam.

"Hab ich vergessen...", meinte er verlegen und sah mit hochrotem Kopf nach unten.

Die anderen konnten diesen natürlich nicht sehen, da der Nebel inzwischen nicht viel durchlässiger geworden war.

"Da ist ein Summen!"

"Klar...", sagte die Führerin liebevoll und tippte sich wissend mit dem Zeigefinger an den Kopf.

"Meine Fresse! Ich lüge nicht, ihr verdammten PENNER!!!", schrie Vincent durch den Nebel und das Echo hauchte diesem beinahe Leben ein.

PENNER...ENNER...NNER...NER...ER...

Ein lustiges Spiel.

(Anmerkung: Ein sicherlich lustiges, aber auch sehr gefährliches Spiel.

Malus der Dumme war an dem Lapsus gestorben, eben jene Nebelspiele bis zum Erbrechen zu spielen.

Er rief irgendwann aus Lust und Laune heraus den Befehl "Töte mich!" in eine Nebelbank hinein, bis er merkte, dass es die Manifestation eines Gottes war, der ihn daraufhin mit Watte zu Tode steinigte!)

Vincent betrachtete die bläulichen Schimmer noch, als Sand Witch und Magnus plötzlich beide einen erstickten Schrei verlauten ließen.

"Magnus! Blöde, jähzornige Ziege!", rief Vincent voller Sorge.

Als er sie endlich gefunden hatte, lag der Zwerg auf den Knien und versuchte doch tatsächlich, den feurig heißen Boden des Vulkans zu küssen.

"Endlich die Spitze erreicht...", jauchzte er und küsste den Boden letztlich doch.

Großer Fehler!

Millisekunden später schoss er wie eine Rakete in die Höhe und schrie das Leid, dass seine Lippen umspielte heraus...

"Das ist ja schlimmer, als einem Drachen einen zu blas..."

Sand drückte ihn beiseite, als er gelandet war.

"Jähzornige Ziege?!"

Ihre Stimme war wie ein Messer.

Vincent blickte zu Hugin, doch der Vogel war wieder mal geflohen.

Scheinbar ein natürlicher Urinstinkt der Vögel, immer zu den dümmsten Augenblicken auf- und zu den schlechtesten Augenblick abzutauchen.

"Äh...ich...äh..."

"Ja??!!"

"Es war...", Vincents Stimme wurde ganz leise und piepsig. "blöde, jähzornige Ziege!"

Die nächste Ohrfeige!

Wesentlich härter und dazu noch gezielt!

Der Schlag durchtrennte die Verteidigung aus Knorpel und Sehnen (zu deutsch: Hand!) und Vincent schlug sich somit selbst.

Dem Zwerg bereitete dies ungemein vergnügen, wobei Sand Witch nicht wusste, ob er nun darüber lachte, dass sie Vincent geschlagen hatte, oder ob er sich über den Spitznamen amüsierte, den er ihr gegeben hatte.

Zur Sicherheit schlug sie ihn auch nochmal!

"Okay...Fie haff iff verffient!", nuschelte Vincent und richtete sich auf.

"Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.", philosophierte Sand.

"KÖNNTET IHR ENDLICH MAL RUHIG SEIN???"

Die Stimme war gruselig.

Sie klang wie ein Kind, aber der strenge Ton und die draufgängerische Art zu sprechen, erinnerte Vincent und, komischerweise, auch Magnus an eine Domina aus einem Bordell.

(Anmerkung: Oder natürlich wahlweise an Sand Witch in Hochform!)
 

Alle drei traten nun aus der Nebelbank heraus.

Sie endete in einem Kreis um ein Haus, dass das Auge des Nebelsturms über dem Damnhot bildete.

Die Erde war auch hier kohlig schwarz und roch stark nach Verbranntem, aber der Himmel war ganz anders.

Über dem Haus der Hexe schien es zu regnen. Aber nur in diesem bestimmten Kreis, den die Nebelbank zog.

Das Haus war nicht mehr als eine Bruchbude, wie es Vincent sah. Gebaut aus modrigem Holz auf porösen Balken mit einem ebenso modrigem Untergrund. Jedenfalls brauchte man sich keine Sorgen um die Wärme zu machen.

Vincent schwitzte und sah, dass es Magnus nicht viel besser ging. Sein kahler Kopf schien in Flammen zu stehen und fleißig Schweiß aus den Mienen seines Inneren zu fördern.

Und hier ereilte unseren Protagonisten eine weitere, wichtige Erkenntnis, die ihn sein Leben lang begleiten sollte:

Zwerge stinken wie ungewaschene Iltisse!

Vor dem Haus, dass nur aus einer dunklen, hölzernen Wand und einer Steintür bestand, war eine Art Totenbahre aufgebaut.

Eigentlich war es ein bequemer Sessel, den man in eine Liegestatt umgebaut hatte. Darauf lag in vollendeter Schönheit eine morbide und verwesende Alte, die starr zum Himmel blickte.

Der Metallfuß stand sicher auf dem Vulkanboden und zitterte leicht, als sich über ihnen das Phänomen der Blitze entlud.

Ein Mädchen tänzelte um die Bahre herum.

Sie war bestimmt an die zwanzig bis dreißig Frühlinge alt und ihr ebenmäßiges, elfenbeinfarbenes Gesicht spiegelte sich im Widerschein der Blitze, die immer näher an den Erdboden kamen.

Sie trug einen Silberdolch mit sich herum, der deutlich sichtbar an ihrem grünen Kleid hing.

Die schwarzen Haare waren lang gewachsen und zu einem Pferdeschwanz gebunden, der ihr wie ein Strom aus flüssigem Pech über den Rücken floss.

Um ihre Beine huschte eine schwarze Katze.

Sie hatte ein Auge offen und das andere war einfach nur existent. So wie es sich für eine Hexe gehörte, hatte auch dieses Exemplar komische Tiere mit noch komischeren Eigenschaften.

Vincent trat einen Schritt vor und wollte sprechen, als die Katze zu ihm huschte und sich an seinen Beinen rieb.

Er beugte sich hinab, um sie zu streicheln.

"Das solltest du lassen...", tönte das Mädchen mit einer operösen Stimme.

"Wieso? Sie ist doch niedlich."

"Erstens: Cesspool ist ein Er und zweitens: Er ist nicht stubenrein und hat sich heute morgen bepisst!"

Die Hand war schneller wieder in Vincents Tasche als gedacht.

Cesspool verschwand und hinterließ eine feuchte Spur auf dem dunklen Boden.

Sand Witch regte sich.

"Das...ist...ja...ekelhaft...", ließ sie verlauten und zündete sich eine Zigarette an.

(Anmerkung: Sie zündete sie an, indem sie an den Rand des Vulkans ging, wo gerade eine Hitzeblase geplatzt war. Die Brocken flüssiger Lava schossen herauf und setzten den Glimmstängel in Brand.

Man muss nicht erwähnen, dass Magnus diese Geste für anbetungswürdig hielt?! Immerhin: Die Traumfrau aller Zwerge!

Handgreiflich und keine Angst vor dem Feuer!)

"Cesspool ist nicht ekelhaft...Er ist nur alt! Ihr seid schließlich hier um das Alte und Geheimnisvolle zu suchen, nicht oder?"

"Es heißt 'oder nicht'!", korrigierte Vincent.

"Sag das nochmal und ich schwöre dir, du singst die vierte Arie von 'La Danza' auf dem dreifach gestrichenen C!"

Ein Schritt zurück.

"Und jetzt geduldet euch einen Moment, dann bin ich voll und ganz für euch da!", sagte das Mädchen und wandte sich dem Leichnam auf der Bahre zu.

"Sag mal...Bist du sowas wie ein Grabschänder?", fragte Magnus und wagte sich weiter vor.

"Nein. Das ist meine Mutter! Und sie ist nicht tot. Sie ist nur...naja...äh...fast tot!"

Die junge Frau verband einige komisch aussehende längliche Gerätschaften mit der Bahre der Mutter und ging ein paar Schritte zurück.

Sie summte wieder.

Magnus wollte gerade3 zu pfeifen beginnen, da entlud sich ein gewaltiger Blitz neben ihm.

Schicksal, dachte Vincent. Die Götter wollten jetzt wohl keine Pfeifklänge eines Zwergen hören. Er konnte es glatt verstehen.

(Anmerkung: In Fachkreisen war noch immer die Legende von von Falk-Irmenfried von Hasen-Mümmelstein bekannt, der einstmals den Gott Shalom tot gequatscht haben soll.

Somit waren Zwerge dort oben schon einmal unbeliebt. Noch schlimmer wurde es, als Katharsis der Tausendvierundzwanzigste mit seinen Lippen eine Arie pfeifen wollte.

Der Gott ließ es zu und starb an einer Ohrenkrankheit.

Bis heute gilt dies als Legende, aber Kenner wissen, dass Zwerge entsetzlich schlechte Musiker sind.)

Das Mädchen lachte.

"Endlich, endlich ist es so weit!!!"

Sie tanzte umher und begann mit schmetternder Stimme zu singen:

"An electrifying tapestry,

if it could only be controlled.

The sheer strength and the majesty...

Think of the power we could hold!
 

I want the world to see

Where my research has led.

Electricity's the key

To reanimate the dead!"
 

Mit dem letzten Wort entlud sich ein Blitz gewaltigen Ausmaßes auf die Bahre und der Körper der Alten hatte Ähnlichkeit mit einem Hund, dem man einen Stock in den Hintern schob!

Sand Witch und Magnus versteckten sich hintereinander, während Vincent gebannt auf das Schauspiel starrte.

Die Arme der Alten zuckten und schienen wie von selbst zu leben. Der Kopf war zwar mehr ein Spielball der Elemente, aber irgendwie kam ein bisschen Leben in die blassen Augen.

Dann war es vorbei.

Der Blitz stoppte sein Werk und verschwand und der alte Körper fiel wie ein schwerer Stein auf das Bett zurück und dampfte genüsslich vor sich hin.

Vincent und der Zwerg hielten sich die Nasen zu, weil ihnen ein starker Verwesungsgeruch in jene gestiegen war.

Die Katze schnüffelte am Kadaver der Alten und machte es sich darauf bequem.

"Ach nee!", seufzte das Mädchen und ließ den Kopf hängen. "Nich' schon wieder..."

Vincent wollte sie trösten und hatte sie gerade erreicht, um ihr eine Hand auf die kleine Schulter zu legen, als sie wie eine Furie herum fuhr.

Der starke Pferdeschwanz schlug ihm ins Gesicht und ließ ihn zur Seite stolpern.

Sand Witch prustete.

"Also! Was kann ich für euch tun?!"

Magnus trat vor.

"Wir suchen...äh...Wir suchen...äh...", er stockte. "...äh...Moment...ich hab's gleich!"

"Wir suchen die Hexe!", sagte Sand Witch genervt.

"Nun...Ihr habt sie gefunden!", sagte das Mädchen vergnügt. "Ich heiße Loo. Ich bin die Tochter von...Morgana, der Hexe von Damnhot. Aber...naja, ihr seht ja selbst, dass die Gute im Moment nicht gerade gesund ist."

"Gesund?", zischte Magnus Vincent zu.

"Von daher bin ich ihre Vertretung. Was wollt ihr von der Hexe?"

Vincent erhob sich und baute sich auf.

"Ich suche das Paradies. Und man sagte mir, die Hexe wüsste einen Weg!"

Loo nickte.

"Ich kenne den Weg, ja! Aber du musst drei Prüfungen vorher bestehen..."

"Ich weiß.", nickte Vincent.

"Sehr schön! Dann wären die Formalitäten ja geklärt!", frohlockte die junge Hexe und trat näher an Vincent heran.

"Hm...Lass mal sehen...Breite Schultern, weißes, fast blondes Haar...Guter Brustkorb...starke Lenden...Perfekt!"

Vincent sah bedröppelt zu dem Zwerg, aber der zuckte mit den Schultern.

"Mein Freund Magnus wird mich begleiten!", sagte der Lehrling und wies auf den Zwerg.

"Ich auch!", rief Sand Witch und alle sahen sie an. "Was denn?"

"Du...auch???"

"Ja!", intonierte sie freudig grinsend. "Ich kann euch Vollidioten doch nicht alleine lassen!"

"Aber..."

"Ein Widerwort, Zwerg, und ich kastriere dich!"

Daraufhin war Ruhe.

"Gut gut...Also Sand Witch kommt auch mit.", schloss Vincent und sah zur Hexe.

Loo lächelte.

"Gut...Hier kommen also die Prüfungen. Bestehe sie alle drei, und bringe mir, was ich fordere und ich zeige dir den Weg ins Paradies. Deal?"

"Deal!", sagten die drei aus einem Mund.

"Gut...So höre:"

Und wieder begann sie mit Opernstimme zu singen:

"Bring mir den härtesten Fels auf Erden,

Bring mir den hellsten Strahl,

Bring mir den Quell des Lebens,

Löse deine Qual!"

Alle drei starrten die Hexe an und seufzten.

Drei unmögliche Prüfungen. Super!, dachte Vincent und sah die Hexe an.

Loo lächelte.

"Viel Glück!", sagte sie und wandte sich um, um ihre Mutter erneut zu reanimieren.

Sand Witch, Magnus Amnesius und Vincent gingen zurück zur Treppe Longrun.

Sie alle waren ratlos, wo sie die Dinge denn finden konnten. Aber Vincent besaß die Hoffnung, dass ihm irgendwann ein rettender Schimmer kommen möge.

Seine Freunde waren da nicht so optimistisch.

Man hörte die Schläge Sand Witchs noch viele Momente lang.

Schließlich kann der Kopf eines Zwerges sehr hohl sei. Und begleitet von einem Fortissimo "Verdammte Scheiße!" ist es doch vielleicht sogar als Musik zu bezeichnen.
 

Loo blickte den Reisenden, nach als eine kalte, knorrige Hand sie an der Schulter berührte.

"Du bist nicht tot?!", fragte sie und strahlte.

Ihre Mutter grinste ein zahnloses Grinsen.

"Ach i wo! Ich hatte mich nur ein paar Stunden hingelegt. Hatte ich doch gesagt!"

"Hin..."

Loo errötete. Sie hatte es doch tatsächlich vergessen.

"Und? Ist irgendwas passiert?"

Erneutes Erröten.

"Äh...ja...Drei Reisende waren hier und fragten nach den Prüfungen."

"Das ist gut!", schloss die Hexe.

"Ja. Ich gab ihnen die drei Prüfungen der Morgana."

Die Hexe stutzte. Ihr grauer Dutt vibrierte, wenn sie sprach.

"Morgana?? Warum hast du nicht meinen richtigen Namen benutzt?!"

Das Mädchen sah sie entsetzt an.

"Weil sich bei dem sogar der Kater übergibt!"

"Froschquark!"

Die Hexe beugte sich hinunter zu Cesspool, der friedlich auf der Bahre schlummerte und die Reststrommassage genoss.

"Hey Cesspool. Du magst meinen Namen, nicht wahr? Du magst den Namen Howly Latrina von Scheißhaus..."

Die Katze übergab sich!

"Hm...", sagte Howly. "Vermutlich was schlechtes gegessen. Wie dem auch sei: Was hast du ihnen denn gesagt?"

"Ich äh...Gab ihnen die drei Prüfungen."

"Gut! Dann sind sie jetzt auf dem Weg zur Göttertreppe und steigen sie bereits hinauf?"

Loo errötete erneut.

"Nicht ganz..."

"Sondern?"

Der Tonfall der Mutter wurde zunehmend strenger.

"Naja...Ich sagte ihnen sie sollten die drei Prüfungen des...des..."

"Des?"

"Die Prüfungen des Voldon bestehen!!!", rief Loo und rannte fort.

Howly Latrina von Scheißhaus stand da und blinzelte.

Diese Prüfungen durften niemals ausgegeben werden. Sie waren gefährlich und nicht schaffbar.

Sie sah in den Vulkan hinein.

"Der arme Junge...", murmelte sie, als sie Vincents verschwitztes Gesicht sah.
 

© by Charon777



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mara_Black
2008-04-30T17:41:28+00:00 30.04.2008 19:41
XDDDD

Wieder einmal äußerst geistreich^^

Mir gefällt Kaliban (trotz Plüschtierfetisch) zunehmend gut (O///O?)!

Aber auch mit Sand Witch kann ich mich allmählich anfreunden... auch wenn mir ihre Gesundheit zu denken gibt...

Außerdem habe ich da glaube ich etwas nicht verstanden:

Warum ist Sand der Traum aller Frauen, nur weil sie sich eine Kippe an einem Vulkan anzünden kann?

Hö?
Um nicht zu sagen: MÖK?

Ich bin auf jeden Fall mal gespannt darauf wie es weiter geht, sobald du dein "Krea-Tief" überwunden hast!!!
^^

Ild


Zurück