Lass mich atmen... von -Miaka- (Yami x Yugi) ================================================================================ Kapitel 1: Versuche, mich zu verstehen -------------------------------------- Lass mich atmen… Chapter 1 - Versuche, mich zu verstehen Ich laufe am Strand entlang, spüre den Sand zwischen meinen Zehen. Er ist nass, wieder und wieder von Wasser berührt. Manchmal wird es bis zu meinen Füßen gespült, tränkt den Strand von Neuem. Das Meer wischt sie alle fort: Jede einzelne meiner Spuren. Die Sonne ist noch am aufgehen und die Luft angenehm warm. Es dauert sicher keine zwei Stunden mehr bis sie heiß auf der Haut brennt, wahrscheinlich zu heiß. Dann kommen die Badegäste, die lauten Kinder und die glänzenden, sonnengebräunten Mädchen. Und der Geruch von hundert verschiedenen Sonnencremes wird sich abermals mit dem von nassem Gummi vermischen. Wie konnte es jemals anders sein? Vielleicht geht der Tauchkurs auf Station, denke ich. Ich wollte dort auch einsteigen. Aber irgendwie finde ich nicht die Zeit dazu. Vielleicht schwimmen heute zwei Luftmatratzen weg, überbieten die gestrige Tagesbilanz. Oder das Herrchen eines Hundes wird vom Bademeister vom Strand verwiesen, weil sein tierischer Freund andere Badegäste belästigt. Oder aber diesmal sind die Wellen nicht hoch genug und der Surfclub zieht traurig davon. Vielleicht. Vielleicht passiert aber auch gar nichts, denn ist das nicht auch gestern schon so gewesen? Jetzt aber ist es noch nicht so weit, noch liegt der Schleier der Stille über dem blauen Ozean und der Strand erholt sich vom Vortag. Irgendwo hinter mir hallt das stetige -Plop- eines Volleyballes, durchbricht die Stille und drückt höchst subtil auf meine Nerven, doch ich versuche jegliche Gefühle zu unterbinden. Ich ignoriere sie einfach. Heute wird ein schöner Tag. Ich denke, ich werde noch eine halbe Stunde hier bleiben bevor ich Anzu aus dem Hotelzimmer hole. Sie wollte ja unbedingt erst Neun Uhr geweckt werden. Dann werden wir im Restaurant frühstücken. Unser Restaurant ist wirklich schön. Anzu mag vor allem die bunten Blumen auf den Tischen, jeden Tag sind es andere. Den ganzen Tag noch schwärmt sie von ihnen. Ich sollte ihr einen Strauß schenken, doch ich weiß nicht, wo ich hier einen Blumenladen finden soll. Ich beschließe, nach dem Mittagessen in der Innenstadt vorbeizuschauen. Es muss doch irgendwo einen Blumenladen geben. Jetzt, plötzlich, dreht sich der Wind und weht mir ins Gesicht. Ich muss mit meinen Haaren kämpfen, denn immer wieder fallen sie mir ins Gesicht. Dann grinse ich. Und breite meine Arme aus. Ich genieße die warme Sommerluft und die Tatsache, dass alles in meinem Leben stimmt. Ich habe Anzu und ich liebe sie. Und mein Abitur habe ich vor drei Wochen bestanden. Was will ich mehr? Jetzt sind wir für drei Wochen im Urlaub. Nur Anzu und ich. Und bisher waren alle Tage einmalig, jeder Strandspaziergang mit ihr unvergesslich. Jedes Mal, wenn sie meinen Namen ruft, klingt er samtig weich, wie von einem Wesen ausgesprochen, dass von einer verzauberten-, aber nicht von dieser Welt stammt. „Yugi!“ Anzu. Sie ist ein wundervolles Mädchen. Aber manchmal brauche ich meine Einsamkeit, manchmal will ich nur alleine sein und nachdenken, so wie jetzt. Mein Glück in Frage zu stellen ist nötig, damit ich mich wieder und wieder daran erinnern kann, was ich habe. Aber vielleicht sollte ich irgendwann sicher sein. Ja, ich sollte mir langsam sicher sein. Mir fehlte es doch an nichts. Und dann überkommt es mich, das Gefühl, dass doch etwas fehlt. Etwas, dass meinem Leben Leben einhaucht. Etwas, dass meinem Atem Luft verleiht. Meinem Herzen ein Klopfen. Ich denke, dass Anzu mein Glück ist. Es muss doch einfach wahr sein. Jedoch holt sie mich immer wieder ein, die eine Vision, die schon lange Zeit in mir wohnt. Eine Idee vom Glück, ein Wunsch, eine anhaltende Sehnsucht: Wie gern möchte ich verstanden werden. Ich sehne mich nach einem Menschen, dem ich mein Leben anvertrauen kann. Anzu versteht mich nicht. Sie liebt mich, aber sie versteht nicht den Sinn in meinen Worten. Sie kann nicht zwischen meinen gesprochenen Zeilen hören. Sie hört nicht den traurigen Touch in meiner Stimme, schätzt unsere Stille nicht. Sie ist ein wundervolles Mädchen, aber laut. Laut und grellbunt. Wie Tage, an denen die Sonne blendet. Ich habe den Wunsch nach dieser einen Person längst aufgegeben, doch manchmal steigt er wieder aus meinem Unterbewusstsein empor und hinterlässt erneut Eindrücke in mir, solch eine traurige Erinnerung an Glück, das niemals in dieser Form da gewesen ist. Ich kehre um, laufe den Strand in entgegengesetzter Richtung zurück. Der Wind streichelt meinen Nacken, haucht meine Gedanken fort. Sie schweben davon wie weiße Schäfchenwolken. Jetzt höre ich auf zu denken, denke ich und denke doch weiter daran. Jetzt muss Schluss sein mit dem Gefrage, mit dem Selbstmitleid. Denn ich habe Alles in meinem Leben und soviel mehr noch, als so viele andere Menschen! Mir fehlt es an nichts und ich darf das nicht vergessen! Wie oft schon habe ich das gedacht, es mir eingeredet? Eine endlose Suggestionskette. Ja, ich höre meine sich stetig wiederholende Stimme, bin mir ihrer hypnotischen Kraft völlig bewusst, doch will ich auch nicht wahrhaben, dass ich mich nur selbst zu manipulieren versuche. Ich laufe den Rest des Weges über die Promenade zurück. Viele Läden haben noch geschlossen, nur Vereinzelte bauen schon die Außenständer auf. Von hier aus sehe ich nur zwei jüngere Frauen, wahrscheinlich Freundinnen und zudem Fans von allerlei kitschigem Krimskrams. Und da kommt mir noch ein Liebespaar entgegen. Und schon laufen sie an mir vorbei, unterbrechen kurz ihre geflüsterten Liebesgedichte und starren mich von der Seite an. Denken sie, ich spüre das nicht? Denken sie, ich sei allen Blicken völlig gleichgültig? Dass ich verliebt bin, aber unglücklich? Ja, sicher. Vielleicht sieht es seltsam aus, wie ich hier alleine laufe, vernarrt in meine Gedanken und den Klang meiner Schritte auf dem betonierten Promenadenweg. Vielleicht lässt es sich nicht deuten, warum ich denn hier alleine und ganz ohne Freundin bin. Ich mache einen Schritt nach vorn, eine gezielte Bewegung die für sich selbst erklären will, dass meine Freundin noch schläft und nicht vor Neun Uhr geweckt werden will. Und dass ich alleine bin, weil ich mein Glück täglich in Frage stellen muss. Weil ich mir in Gedanken vorbete, wie wunderbar alles in meinem Leben ist. Doch das Paar ist schon vorbei, ehe ich den Mund auftue. Ich spüre nur den parfümierten Luftzug am mir vorbeirauschen. Ich gehe schneller. Ich fühle mich plötzlich nicht mehr wohl. Ich spüre plötzlich, dass etwas nicht stimmt. Die Welt stimmt nicht. Oder etwas stimmt nicht mit mir. Einmal mehr ist dies die letzte Erkenntnis. Jedes Mal wieder stelle ich fest wie dumm ich bin. Wie dumm, dass ich nicht zufrieden sein kann. Wie dumm, dass ich mir selbst nicht eingestehen kann, wie schlimm es wirklich in mir aussieht. Wie dumm nur, dass jetzt nicht der Bademeister pfiff und mich aus dem Leben verwies. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist Zehn vor Neun. Ich bin fast an unserem Hotel. Nur noch ein paar Schritte und ich sehe die grünen Palmen und die gepflegte Anlage unseres Hotels. Dieses hübsche, romantische Hotel. Ich komme am frisch gestrichenen Zaun an, laufe durch das offene, mit Pflanzen bewachsene Tor und laufe die Treppe hinauf. Diese gewundene Treppe, die scheinbar ebenfalls nicht von dieser Welt ist. Am anderen Ende befindet sich unser Zimmer, es liegt im fünften Stock. Ich könnte auch den Fahrstuhl nehmen, aber dazu bleibt mir keine Zeit. Ich muss meine Anzu wecken. Sie muss die frischen Blumen auf dem Tisch sehen. Auf dem Weg nach oben, mitten in unserem Gang, kommen mir plötzlich drei Jungen -etwa in meinem Alter- entgegen. Sicher sind sie unterwegs zum Frühstücksbuffet. Zwei stürmen voraus, während der dritte -ein für meine Begriffe ziemlich großer Typ- gemütlich hinter ihnen herläuft. Das Erste, was mir auffält, ist seine Ähnlichkeit zu mir. Und seine Größe und diese funkelnd roten Augen. Eine Hand hält er in der Tasche seiner blauen Jacke verborgen, während er mit der anderen durch sein Haare -meinen so unglaublich ähnlich- fährt. Aus mir unergründlichem Affekt will ich ihm sofort im Vorbeigehen sagen, dass es zu warm draußen ist für diese Jacke. Ich laufe also auf ihn zu. Er erblickt mich, öffnet weit die Augen und bleibt stehen. Die Anderen laufen weiter. Ich erkläre ihm lächelnd, dass er die Jacke im Zimmer lassen kann. Doch alles, was ich zurückbekomme ist jene Kälte eines Fremden. „Und du kannst mich in Ruhe lassen.“ Dann streift er sich erneut durchs Haar und läuft an mir vorbei. Ich lächle noch immer, auf diese unbewusste, völlig künstlich Art, blicke auf den roten Teppich zu meinen Füßen und versuche abermals meine Gefühle zu missachten. In mir tobt es. Innerhalb wenigen Sekunden ist etwas in mir gefroren, doch ich denke nicht daran. Ja, eigentlich denke ich nicht daran. Ich denke einfach an Anzu und dass ich sie jetzt wecken muss, weil vielleicht sonst nachher die Tische besetzt sind. Um Neun ist eine beliebte Frühstückszeit hier im Hotel. Ich stürze weiter den Gang entlang bis an unsere Zimmertür, ziehe die weiße, schon mit einer leichten Fettschicht überzogenen Schlüsselkarte durch das Lesegerät und trete in unser kleines gemietetes Wohnzimmer ein. Ich muss nur ein paar Schritte tun, um in den Schlafbereich zu kommen. Und dort liegt sie, Anzu. Ihre langen, braunen Haare sind über dem weißen Kissen gebreitet, bilden den perfekten Kontrast zu den braunen, holznachgeahmten Wänden. Ich lächle unbewusst. Ich möchte sie nicht wecken, aus ihren Träumen aufscheuchen und für ihr unausgeschlafenes Gesicht verantwortlich sein, ehe sie sich waschen geht. Ich möchte sie in den Arm, nehmen und sie küssen, doch ich weiß, wie schnell sie aufwacht, wenn man nicht leise genug ist. Ich fasse Mut und rüttle sie ein wenig. Ganz sanft, denn ihr Schlaf ist ja leider nie sehr tief. Sie schlägt die Augen auf. Als sie mich erkennt, lächelt sie. „Guten Morgen, Yugi.“, begrüßt sie mich und ich lächle noch eine Spur breiter. „Es ist Neun.“, erwidere ich und zwinkere mit einem Auge. Sie setzt sich auf, küsst mich sanft auf die Wange und steht dann aus dem Bett auf. Wie benebelt von ihrem Kuss stehe ich noch immer neben ihr. Sie läuft vorsichtig mit nackten Füßen über die Fließen bis zum Bad. Dort verschwindet sie wortlos und ich setzte mich auf ihr Bett, um zu warten. Sicher schminkt sie sich auch heute. Das ist etwas, was ich an Mädchen wirklich nicht schön finde. Aber Anzu übertreibt es nicht mehr so wie damals in der Schule. Sie macht nur eine dünne schwarze Spur unter ihren Augen und lässt es dabei. Jedoch dauert selbst das seine Zeit und so warte ich. Und während ich warte, steigt wieder sein Bild in mir auf: Wer war der Junge von vorhin, der mir so ähnlich war und doch so fremd...? Wenn ich mich frage, muss ich zugeben, zu glauben, dass er ein eingebildeten Schnösel ist, so ein egoistischer, selbstverliebter, nicht ganz richtig tickender, angeberischer Wichtigtuer. Ich weiß natürlich, dass dies Vorurteile sind, doch kann ich nicht wirklich etwas gegen diesen ersten Eindruck tun. Und doch, seltsamerweise sagt mein Gefühl mir etwas völlig Anderes. Dass ich diese ausdrucksstarken, roten Augen wieder sehen muss. Dass 'fremd' in 'vertraut' umgeschrieben werden kann. Leider aber verdränge ich -wie immer- schon im nächsten Moment jedes meiner Gefühle in die letzte Schublade meines Unterbewusstseins. Und betrachte die Kunstwände, von denen ich umzingelt bin. In diesem kleinen, nach Wärme duftenden Zimmer. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)