Honey von SaKi_612 ================================================================================ Kapitel 4 - „And now I’m sitting here again“ -------------------------------------------- Unglaublich, aber ich habe nach über einem Monat mal wieder weitergeschrieben ... _________________________________________________________________________ Kapitel 4 „And now I’m sitting here again“ Der neue Morgen kam viel zu bald. Als ich die Augen aufschlug, lagst du längst nicht mehr neben mir, deine Seite des Bettes war kalt. Schwerfällig erhob ich mich – schließlich hatte ich die halbe Nacht kein Auge zugetan – und machte mich auf die Suche nach dir. Zufällig blieb mein Blick an meinem Wecker hängen, der mir ein nüchternes halb elf entgegen warf. In der Küche wurde ich schließlich fündig. Du saßest am Küchentisch, vor dir eine dampfende Tasse Kaffee, von deinen etwas strubbeligen Haaren löste sich gerade ein kleiner Wassertropfen, der kurz darauf auf der Tischplatte aufschlug. „Morgen“, lächeltest du mir entgegen und ich erwiderte den Gruß. „Ich hab ein wenig nachgedacht“, begannst du, während ich mir auch einen Kaffee nahm und mich zu dir setzte. „Ich werde gleich noch einmal zu ihm gehen und ihm ... das Ganze noch einmal sagen.“ Ich nickte nur und nahm einen Schluck aus meiner Tasse. „Ich bekomme ihn sowieso nicht aus meinem Kopf ... und so – so will ich das nicht stehen lassen zwischen uns“, setztest du fort und ich sah die alte Entschlossenheit in deinen Augen glimmen. Wieder nickte ich nur. Was sollte ich auch erwidern? Es war gut, dass du nicht aufgabst. Es war gut, dass du ihm erneut deine Gefühle zeigen wolltest. Es war gut, denn so merkte er vielleicht doch, dass es dir ernst war mit dem Gesagten. Du erhobst dich, trankst den letzten Schluck Kaffee aus und stelltest die Tasse in die Spüle. Dann verließest du meine Küche und ich hörte dich bald darauf im Bad klappern. Es war gut. Nach ein paar Minuten stecktest du deinen Kopf in die Küche – du hattest dich natürlich perfekt gestylt und auch deine Kleidung hattest du sorgsam gewählt, soweit ich das im Türspalt erkennen konnte. „Bis später, ja?“ „Ja, bis dann. Meld dich“, erwiderte ich monoton, lächelte aber, bis die Wohnungstür nach deinem „Natürlich!“ hinter dir ins Schloss gefallen war. Ich entschloss mich, die Zeit, in der du nicht da warst, mit Schreiben zu verbringen. So begab ich mich, diesmal mit einer Tasse Tee bewaffnet, in mein Schlafzimmer zurück und setzte mich an den großen Schreibtisch, auf dem noch immer alles so lag, wie ich es am Vortag verlassen hatte. Alles war bereit dafür, wie immer meine Gefühle in sich aufzunehmen. Gefühle, die niemals den Weg über meine Lippen, meine Fingerspitzen, meine Augen oder ein ähnlich verräterisches Körperteil finden würden. Nicht in deiner Gegenwart. Früher als ich gedacht hatte, klingelte mein Handy. Ich legte meine Schreibutensilien zur Seite und stand auf, um das Mobiltelefon vom Boden neben Nachttisch aufzuheben. Warst es wirklich du, der da mit plötzlich unterdrückter Nummer anrief? Doch wer sollte es sonst sein? Leicht verwirrt hob ich ab. „Ja?“ „Luminor?“ Etwas in deiner Stimme alarmierte mich. Sie klang brüchig. „Kannst du ... mich abholen?“ „Wo bist du?“ „In einer Telefonzelle in der ...“ – du schienst dich umzusehen, denn du machtest eine kurze Pause – „weiß ich nicht, nicht weit von dir. Wenn du in die Richtung des Clubs von gestern gehst, siehst du sie.“ Telefonzelle?! Wieso riefst du nicht von deinem Handy aus an? Ich erwiderte allerdings nur ein „Ok, ich werd das schon finden“ und war schon dabei, meinen Mantel überzuwerfen. Gerade wollte ich auflegen, um in meine Stiefel schlüpfen zu können, als ich noch einmal deine leise Stimme an meinem Ohr vernahm: „Und kannst du ... meine Kapuzenjacke mitbringen? Sie liegt im Schlafzimmer.“ Etwas perplex bejahte ich auch diese Frage und legte nach einem „Bis gleich“ auf. Wozu brauchtest du deine Jacke mit der weiten Kapuze jetzt? Ein Blick aus dem Schlafzimmerfenster bestätigte mir, dass es in den nächsten Stunden wohl nicht mal ansatzweise regnen würde, ziemlich warm war es außerdem. Ohne weiter darüber nachzugrübeln, nahm ich die Jacke mit in den Flur, zog meine Stiefel an, griff Jacke, Schlüssel und Handy und machte mich auf den Weg zu dir. Die Telefonzelle sah ich schon von weitem. Ich beschleunigte etwas meinen Schritt, bis ich endlich neben dem gelben, mit unzähligen Schmierereien übersäten Kasten ankam. Du schienst dich nach unserem Telefonat nicht von der Stelle gerührt zu haben, denn du standest ziemlich zusammengekauert in einer Ecke und hattest die Arme um deinen Oberkörper geschlungen, den Kopf gesenkt. Vorsichtig zog ich die zerkratzte Tür auf und fragte leise: „Kiro?“ Du hobst den Kopf und fast wäre mir das Herz stehen geblieben. Dein linkes Auge war blutunterlaufen, die ganze Gesichtshälfte unschön geschwollen, deine Schminke an mehreren Stellen unrettbar. Ein paar Schrammen zogen sich über deine Stirn und aufgrund deiner gekrümmten Körperhaltung konnte ich mir ausmalen, dass es unter deiner – wie mir erst jetzt auffiel – verschmutzten Kleidung nicht besser aussah. „Kiro, wer ...?“, begann ich, doch mehr brachte ich angesichts deines zerschundenen Körpers vorerst nicht zustande. „Die Typen ... von gestern ... die vom Club. Sie sind mir zufällig über den Weg gelaufen und haben mich dann in eine ... Seitenstraße gedrängt, um ... um das nachzuholen, was sie gestern nicht tun konnten.“ Deine Stimme zitterte ein wenig, doch du hattest dich ansonsten gut im Griff. „So ... so kann ich doch unmöglich ...“, fingst du nach ein paar Sekunden erneut an und sahst in die Richtung, in die dich dein Weg eigentlich hätte führen sollen. „Sshh, zieh dir erstmal die hier an“, gab ich zurück, als du erneut ansetzen wolltest und hielt dir die Kapuzenjacke hin. Umständlich schältest du dich aus der schmutzigen und an einer Stelle sogar eingerissenen Jacke, die du gerade trugst und zogst dann die bequeme schwarze an, die ich dir mitgebracht hatte. „Danke.“ Kaum waren wir durch die Wohnungstür getreten und hatten uns unserer Schuhe entledigt, verschwandest du sofort in mein Schlafzimmer. Ich folgte dir nach ein paar Augenblicken und fand dich auf meinem Bett liegend, das Gesicht in ein Kissen gedrückt. „Kiro? Soll ich einen Arzt rufen?“, fragte ich vorsichtig, ließ mich dann neben dir auf die Bettkante sinken. „Nein“, nuscheltest du, hobst deinen Kopf dabei nicht einmal. „Es geht schon.“ „Dann lass mich wenigstens deine Verletzungen anschauen.“ Widerwillig drehtest du dich nach einer Weile um und setztest dich auf. Ich reichte dir meine Hand und zog dich behutsam auf die Beine, als du deine Hand in meine legtest. Dann gingen wir ins Bad, wo ich nach Verbandszeug, Desinfektionsmittel und Heilsalbe suchte, während du dich deiner Jacke und deines Shirts entledigtest. Mit einem missmutigen Gesicht setztest du dich auf den Badewannenrand und sahst mich mit einer Mischung aus Ärger, Trauer und Gleichgültigkeit an, als ich endlich alles gefunden und neben uns abgelegt hatte. An deinen Rippen hatte sich ein großer Bluterguss gebildet, einige Schrammen und Wunden verunzierten deine helle, weiche Haut. Zum Glück sah nichts gebrochen aus, auch wenn du immer wieder scharf die Luft einzogst, als ich die Verletzungen desinfizierte. Wenig später hatte ich das Gröbste versorgt und du hattest dich sofort auf direktem Wege in mein Schlafzimmer zurückbegeben. Nachdem ich alles wieder verstaut hatte, ging ich dir nach, und fand dich in genau derselben Position auf meinem Bett wieder, in der du dich vorhin schon befunden hattest. Erneut ließ ich mich auf die Bettkante sinken und strich dir liebevoll über deinen leicht zerzausten Haarschopf. „Wenn ... wenn das so weitergeht ... wird das nie was ...“, wispertest du, sodass ich Mühe hatte, dich zu verstehen. „Ich glaube, es soll einfach nicht sein. Ich darf nicht glücklich werden ...“ Sanft strich ich noch immer über dein Haar, gab nur ein leises „Das glaube ich nicht“ zurück. Zaghaft schütteltest du den Kopf, fast unhörbar drang deine Stimme durch das Kissen: „Lass mich jetzt bitte kurz allein ...“ Ich schloss leise die Tür hinter mir, ließ mich dann kurz darauf etwas verwundert und verunsichert zugleich auf mein Sofa im Wohnzimmer fallen und atmete tief aus und ein. Es kam sehr selten vor, dass du mich wegschicktest. Meistens war gerade ich es, an den du dich in solchen Situationen, bei diesen Gedanken klammertest. Es musste dich wirklich schwer mitnehmen, was gerade geschehen und nichts als ein dummer, ein wirklich dummer Zufall gewesen war. Doch ich wusste, wie leicht dich so etwas aus der Bahn werfen und verzweifeln lassen konnte. In diesem Moment bemerkte ich dein Handy, das vor mir auf dem niedrigen Couchtisch lag. Deswegen hattest du dich aus der Telefonzelle gemeldet. Wahrscheinlich war es ganz gut gewesen, dass du es hier vergessen hattest, wer weiß, ob diese Typen es nicht gestohlen hätten. Je länger ich das Handy anstarrte und mir immer wieder deinen verletzten Körper, dein trauriges Gesicht vor Augen führte, desto mehr reifte eine Idee in meinem Kopf. Wie von selbst flogen meine Finger über die Tasten, ich wühlte mich durch dein Telefonbuch, bis ich die richtige Nummer gefunden hatte. Entschlossen drückte ich auf Wählen und lauschte auf das Tuten am anderen Ende. „Ja, bitte?“ – „Strify?“ – „Kiro?!“ – „Nein, aber ein Freund von ihm. Du musst hierher kommen. Kiro muss mit dir reden.“ Am anderen Ende der Leitung herrschte komplette Funkstille, während ich ihm meine Adresse durchgab und kurz erwähnte, dass Kiro zwar schon auf dem Weg zu ihm gewesen war, es jedoch einen Zwischenfall gegeben hätte, weswegen er nun wieder in meiner Wohnung war. Mehr sagte ich nicht, schließlich sollten die beiden selbst reden. „Kiro wird dich so ... sicher nicht sehen wollen, doch du musst herkommen und mit ihm reden. Bis gleich, ja?“ Ich konnte förmlich sehen, wie Strify am anderen Ende abgehackt nickte, bevor er ein „Ok“ von sich gab und dann auflegte. Während ich darauf wartete, dass es an der Tür klingelte, nahm ich mein eigenes Telefon zur Hand und wählte die Nummer der Polizei, um eine Anzeige wegen Körperverletzung und eine dazugehörige Personenbeschreibung aufzugeben. ______________________________________________________________________ [Musik: Cinema Bizarre – How does it feel] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)