Hot N' Cold von schmoergelmotte ((ehem. Melting)) ================================================================================ Prolog: Im Krankenhaus ---------------------- Hallo! Und willkommen zu meiner neuen Geschichte "Melting". Um ein paar Dinge gleich von Anfang an zu klären, bitte ich eben kurz auf eure Aufmerksamkeit. Ich kenne die Comics und Zeichentrickserien von X-Men nicht. Daher können sich alle meine Informationen und Ansichten nur auf die drei X-Men-Filme und das Buch zum dritten Film "Der letzte Widerstand" beziehen. Natürlich habe ich einiges über die Comics im Internet gelesen, doch ich will mich auf keine Informationen daraus berufen, da ich sie nicht kenne. Die Rechte an den hier vorkommenden Personen liegen natürlich bei Marvel Comics und 20th Century Fox. So, das war's auch schon. Und nun viel Spaß mit dem Prolog zu "Melting": Prolog: Im Krankenhaus Der sterile Krankenhausgeruch drang in Bobby Drakes Nase und ließ ihn leicht schaudern. Er mochte Krankenhäuser nicht. Diese weißen, kahlen Wände, die ganzen kranken und gebrechlichen Menschen und die gehetzten Pfleger und Ärzte. Alles in allem waren Krankenhäuser kein Ort mit angenehmer Atmosphäre. Besonders nicht, wenn man jemanden besuchte, der seit genau fünfzehn Minuten und dreiundzwanzig Sekunden beharrlich schwieg. John Allerdyce war immer schon störrisch und eigen gewesen. Aber auch jemand, der ziemlich viel Scheiße an einem Stück labern konnte. John war als Angeber und Großmaul bekannt, als jemand, der bei jeder Gelegenheit sarkastische und provozierende Sprüche fand. Als sie sich vor noch nicht allzu langer Zeit vor der Klinik, in der Mutanten das Heilmittel bekommen konnten, getroffen hatten, hatte Bobby sich sehr gewünscht, John hätte den Mund gehalten. Doch nun war die Stimmung so drückend und distanziert, dass selbst Bobby als Eismutant sagen konnte, er hatte noch nie eine frostigere Atmosphäre erlebt. Ein leises Seufzen drang über seine Lippen, während seine hellen, blauen Augen zu seinem ehemals besten Kumpel blickten, welcher stur auf die weiße Wand ihm gegenüber starrte. „John…“, begann er den anderen Jungen ein weiteres Mal anzusprechen und an dem leichten Zucken in dessen Gesicht, bemerkte er, dass John ihn durchaus gehört hatte. „Wenn du nicht mit mir reden willst… dann sag es. Wäre es dir lieber, wenn ich wieder geh?“ Er sah wie die braunen Augen des Feuermutanten über die Wand huschten, doch kein Wort kam über seine Lippen. Bobby strich sich mit Zeige- und Mittelfinger über die Stirn. Er konnte ja verstehen, wenn John in gewisser Weise unter Schock stand. Immerhin hatte er in den letzten drei Tagen alles verloren, woran er die Monate zuvor geglaubt hatte. Bobby hatte zwar nie verstanden, was John auf die Seite von Magneto und der Bruderschaft gezogen hatte, aber nun war Magneto – seiner Kräfte beraubt – weg und die Bruderschaft bestand nicht mehr. Storm hatte ihm erzählt, dass John einen Arzt nach Magneto gefragt hätte und dieser ihm das erzählt hatte, was mittlerweile auch in den Medien bekannt war: Magneto, der ’große’ Feldführer der Mutanten, der so viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatte, war nun nichts weiter als ein gewöhnlicher Sterblicher – so wie sie. John hatte von alle dem nichts mehr mitbekommen. Immerhin hatte Bobby ihn nach ihrem Zweikampf ausgeknockt und bewusstlos auf dem Boden liegen lassen, bis Jean angefangen hatte, Alcatraz zu zerstören. Bobby hatte nicht fliehen können, ohne sich John zu schnappen und ihn mitzunehmen. Auch wenn sie in diesem Kampf Feinde gewesen waren; sie waren auch einmal Freunde gewesen. Sie kannten sich schon mehrere Jahre. Er hätte John nie einfach so wehrlos zurück- und sterben lassen können. Und nun saß der Feuermutant auf seinem Bett, mit einem Jogginganzug bekleidet und starrte mittlerweile auf seine Bettdecke. „Okay, John… ich werd’ jetzt gehen“, begann Bobby erneut den anderen anzusprechen, auch wenn er es als sinnlos befand. „Aber eine Frage bist du mir schuldig. War ich… war ich für dich wirklich immer nur ein Klassenkamerad, mit dem du dir ein Zimmer geteilt hast? Hast du das auf Alcatraz ernst gemeint, als du sagtest, wir seien nie Freunde gewesen?“ Er konnte sehen, wie Johns Haltung sich anspannte, doch erneut bekam er keine Antwort. Nicht, dass er damit gerechnet hätte. Einige Augenblicke lang blieb Bobby noch wartend in der Mitte des Raums stehen. John hatte ein Einzelzimmer bekommen. Bobby wusste nicht, warum. Vielleicht wollte das Krankenhaus ihn vor neugierigen Mitpatienten abschirmen oder niemand hatte mit einem ’Terroristen’, der Feuer beherrschen konnte, in einem Zimmer sein wollen. Langsam ging Bobby einige Schritte auf John zu und zog dabei etwas aus seiner Hosentasche. Es war ein Zippo-Sturmfeuerzeug mit Haifischzähnen auf der Klappe. Johns Zippo-Feuerzeug. Es war aus der hinteren Tasche von Johns Hose gefallen, als sie ihn bewusstlos auf die Trage und in den Krankenwagen gehievt hatten. Bobby hatte es aufgehoben. Er spürte das kühle Metall an seiner Haut, als er das Zippo schließlich ganz aus seiner Hosentasche zog und den letzten Schritt ging, der ihn noch von Johns Krankenbett trennte. Wortlos reichte er ihm das Feuerzeug; hielt seine Hand so, dass John das Zippo gar nicht übersehen konnte. Er spürte, wie in John etwas reagierte. Die braunen Augen wurden etwas größer und der schmale Körper spannte sich weiter an. Als John es ihm allerdings nicht aus der Hand nahm, ließ Bobby es in seinen Schoß fallen. Für einige Sekunden starrte John auf das gräuliche Feuerzeug mit dem Haimaul, ehe er hochblickte und in Bobbys blaue Augen starrte. Das war das erste Mal, dass er ihn offen ansah, seit Bobby das Krankenzimmer betreten hatte. „Warum?“, fragte John leise und blickte wieder auf das Feuerzeug in seinen Schoß. Liebevoll als wäre es sein größter Schatz, nahm er es in die Hand und strich mit den Fingern über das glatte Metal. „Du weißt, dass ich damit das ganze Krankenhaus zu Asche niederbrennen könnte“, fuhr John weiter fort und Bobby war erstaunt, dass er auf einmal gleich so viel sprach. Bobby lächelte leicht. „Ja, ich weiß“, sagte er und steckte seine Hände in seine Jeanstaschen. „Aber ich vertrau dir, dass du es nicht tust, John.“ Ein leichtes Nicken war das Einzige, was Bobby als Antwort erhielt. Langsam wandte er sich zum Gehen. „Bis demnächst“, verabschiedete er sich, als er schon die Klinke der Tür in der Hand hielt. Langsam drückte er sie runter. „Bobby“, hörte er Johns Stimme und er drehte sich wieder um. Der Feuermutant sah ihn nicht an, sondern blickte in seinen Schoß. „Was ich da gesagt hab… auf Alcatraz… das… hab ich nicht ernst gemeint.“ Erneut schlich sich ein breites Lächeln auf Bobbys Gesicht, ehe er die Klinke runter drückte und den Raum verließ. TBC Danke für's Lesen. Ich hoffe, euch hat der Prolog gefallen. Natürlich ist er recht kurz, aber das ist ja auch nicht der Sinn eines Prologs ;) Für diejenigen, die das Buch zum dritten Film nicht gelesen haben (das leider nur in amerik. Englisch veröffentlicht wurde), möchte ich kurz erwähnen, dass die Tatsache, dass Bobby John gerettet hat, nicht auf meinem Mist gewachsen ist. Im Buch wird das beschrieben, was der Film vorenthält: Nämlich, dass John gerettet wird - von Bobby. Was danach allerdings mit ihm passiert, wird auch im Buch nicht erwähnt. Auch das, was John auf Alcatraz zu Bobby sagte, kommt im Buch vor. "We were never friends, Bobby, just classmates for a while." Ich fand es ganz gut, diesen Satz in die Geschichte mit einzubauen. So, und nun höre ich mal mit dem Gelaber und den Erklärungen auf. Kommis, Kritik und was immer ihr auch anmerken wollt, tut euch keinen Zwang an ;) Bis dann, motte Kapitel 1: Gespräch in der Cafeteria ------------------------------------ Hallöchen! Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat. Diejenigen, die schon einige von meinen Geschichten gelesen haben, wissen, dass es eigentlich nicht soooo~ lange dauert, wie dieses Mal. Aber im Moment bin ich in der Abschlussprüfungs-Phase und das geht vor. Also war ich die letzte Zeit kaum bis gar nicht online und habe nicht daran gedacht, das Kapitel hochzuladen. Sorry! Jetzt aber viel Spaß beim Lesen! Kapitel 1: Gespräch in der Cafeteria Es war bereits eine Woche vergangen seit Bobby John das erste Mal im Krankenhaus besucht hatte. Zu Bobbys Erleichterung war John mittlerweile wieder gesprächiger geworden. Er legte sogar wieder Verhaltensweisen an den Tag, die John-typisch waren. Zum Beispiel das Spielen mit seinem Zippo-Feuerzeug, wenn er die Klappe aufklappte, die Flamme mit dem Rädchen entzündete und dann schließlich erstickte, in dem er die Klappe wieder zufallen ließ. Das Klickgeräusch, welches dabei entstand, hatte schon einigen die Nerven geraubt. Bobby war jedes Mal erstaunt, wie schnell John diese Bewegungen ausführen konnte, aber wenn er länger darüber nachdachte, war es wahrscheinlich nur die jahrelange Übung. Doch Bobby konnte nicht leugnen, dass er froh war, diese Wesenszüge wieder zu sehen. In gewisser Weise bedeutete es, dass „Pyro“ ging und „John“ zurückkam. Dem Eismutant war durchaus bewusst, dass beide ein und dieselbe Person waren, doch nur allzu gern trennte er John, seinen ehemals besten Freund, und Pyro, den Terroristen, in Gedanken voneinander. „Pyro“ war vielleicht Johns Mutantenname, sowie er selber sich schon länger „Iceman“ genannt hatte, aber John hatte sich diesen Namen erst gegeben, als seine Faszination für Magneto und dessen Vorhaben begonnen hatte. „Pyro“ war für Bobby im Bezug auf John der Anfang vom Ende gewesen und er war froh, dass Pyros terroristische Züge immer mehr zu schwinden begannen. Doch während er mit Scotts ehemaligem Wagen (der seit Scotts Tod so niemandem richtig gehörte) zu einem erneuten Krankenbesuch fuhr, ahnte er nicht, das in der Schule eine Diskussion ausgebrochen war, die Pyro und John nicht so differenzierte wie er. „Er hat uns damals alle verraten!“, sagte Kitty empört und lehnte sich etwas von dem Sofa hervor. „Es ist nicht so, dass ich vorher irgendwas gegen ihn gehabt hätte, aber er wäre bereit gewesen zu töten. Er hätte Bobby auf Alcatraz umbringen können!“ „Das weißt du nicht genau“, erwiderte Rogue bissig. Sie hatte es Kitty immer noch nicht vollständig verziehen, dass sie und Bobby sich geküsst hatten und manchmal, wenn sie gereizt war, so wie jetzt, reagierte sie dementsprechend. Kitty hatte Rogues Unterton durchaus rausgehört und es verärgerte sie, dass Rogue immer noch wütend wegen eines kleinen Kusses war. „Du warst nicht dabei! Du hast nicht gesehen wie John oder Pyro oder wie auch immer drauf war!“, erwiderte Kitty. Rogues Gesicht verzog sich. „Ich bestreite ja nicht, dass John abgedreht war! Sehr sogar. Und ich finde es scheiße, dass er versucht hat, meinen Freund zu verkokeln!“, erklärte sie und ihre Wangen spannten sich an. „Aber ich war auch mal mit John befreundet. Auch wenn ich nie so dicke mit ihm war wie Bobby und seine angeberische Art mich manchmal echt angekotzt hat, glaube ich nicht, dass er einen von uns töten könnte!“ Ihre Stimme bebte, jedoch blickte sie Kitty standhaft in die Augen. „Ihr beiden, hört auf!“, unterbrach Storm schließlich den kleinen Krieg der beiden Mädchen. Kitty senkte den Blick auf den Boden und Rogue verschränkte die Arme. „Na, der Kleine ist ein Terrorist, wie Kitty schon sagt“, mischte sich nun Logan ein und zündete sich mit einem Streichholz eine seiner Zigarren an. „Andererseits haben viele von uns eine Vergangenheit, die weitaus schattiger ist, als Schlittschuh fahren im Norden.“ Rogue lächelte süffisant, während Kitty darauf keine Regung zeigte. Piotr räusperte sich. „Ich kam mit John eigentlich immer gut aus. Man ist zwar nie wirklich schlau aus ihm geworden, aber er hat seine guten wie schlechten Seiten“, sagte er diplomatisch. „Nur kann ich Kitty schon verstehen. Er war mal einer von uns, dann ist er plötzlich zur Bruderschaft gewechselt und hat Krieg gegen uns geführt. Er hat ein Gebäude mit Menschen in Brand gesetzt! Selbst wenn er wirklich wieder wie früher ist, wird man diesen Gedanken doch nicht einfach los!“ „Ich kann euch durchaus verstehen. Als Schüler war er nicht immer pflegeleicht gewesen, hat im Unterricht häufig mit seinen Kräften gespielt“, gab Storm zu. „Aber dennoch müssen wir überlegen, was wir mit ihm machen. Wir können ihn schlecht sich selbst überlassen. Mir wäre es schon lieb, wenn er in die Schule zurückkehren würde. Was sollen wir sonst machen? Ihn verstecken?“ Ungläubig schaute sie in die Runde, die zu schweigen schien. „Das… ähm… ist nicht sehr… angenehm“, sagte Warren schließlich nach einer Weile leise. „Ich kenn das aus… Erfahrung. Ähm… irgendwann fängt man dann an, sich zu schämen, für das, was man ist.“ Logan grinste schief. „Ich würde mal behaupten, dass sich das bei dem kleinen Feuerteufel genau anders auswirkt!“ Er lachte leise auf, bis Storm ihn wartend und strafend zugleich ansah. „Was?“, fragte er irritiert. „Das ist jetzt nicht das Thema, Logan.“ Für einige Augenblicke starrten sie aneinander schweigend an, bis Logan sich schnaubend abwandte und an seiner Zigarre weiterpaffte. „Ich wäre dafür, dass wir abwarten, was Bobby heute Abend sagt, wenn er von John zurückkommt“, warf Rogue plötzlich ein. Doch Storm schüttelte nur den Kopf. „Nein, ich habe keine Lust bis heute Abend zu warten“, sagte sie ungewohnt forsch. „Die Meinungen gehen sehr auseinander. Syren meinte heute zu mir, man solle ihm noch eine Chance geben. Kitty ist komplett dagegen. Ich habe keine Lust mehr zu diskutieren. Da wir ja gemeinsam anscheinend keine Lösung finden werden, bestimm ich jetzt einfach eine. Dies war immer ein Ort für Mutanten und John ist einer von uns. Ich denke, Charles Xavier hätte es nicht anders gemacht.“ Mit diesen Worten verließ sie den Aufenthaltsraum und für jeden war klar, dass sie gerade bereitwillig John wieder aufgenommen hatte und dabei keinen Widerspruch duldete. Die Sonne stand hoch am Himmel und warf ihre hellen, warmen Strahlen durch die riesigen Fenster der Krankenhaus-Cafeteria, die sich vom Boden bis zur Decke erstreckten. Die gebotene Panorama-Aussicht aus dem fünften und damit höchstem Stock des Gebäudes über den anliegenden Park war überwältigend. Doch Bobby wandte seinen Blick wieder von den Vögeln, die hoch über den Baumkronen in dem sanften Wind tanzten, ab und beobachtete John dabei, wie er seinen Strohhalm lustlos in dem mit Coca Cola® gefüllten Glas kreisen ließ. „Freust du dich schon, wenn du bald wieder hier raus kannst?“, fragte Bobby interessiert und John hob seinen Blick. „Nein, Drake, ich würde zu gern länger in diesem Hospital bleiben. Ich steh’ drauf, wenn diese pickelige Krankenschwester reinkommt und mir Essen bringt, dass ich nicht mal meinem Hund geben würde!“, antwortete er in seinem typischen Sarkasmus. Bobby lachte auf. „Du hast nicht mal einen Hund, John!“ John verzog das Gesicht. „Wenn ich einen hätte, du Trottel“, erwiderte er gespielt bissig und nahm einen Schluck seiner Cola. „Aber eine Katze wäre eh toller. Die sind unabhängiger, eigensinnig, meist undurchschaubar und haben noch Jagdinstinkt.“ Der Eismutant musste bei den Ausführungen grinsen. „Schon klar, du willst ein Tier, das dir ähnlich ist.“ „Genau“, sagte John und spielte wieder mit dem Strohhalm. Für einen kurzen Moment schwiegen sie und Bobby beobachtete die merkwürdigen Schattenmuster, die durch eine kleine vorbeiziehende Wolke auf dem Tisch entstanden. „Weißt du denn schon, wann du raus kannst?“, fragte er schließlich und bemerkte, dass John daraufhin seufzte. „In ein paar Tagen, denk ich“, sagte der Feuermutant schließlich leise und blickte aus dem Fenster. „Ich weiß eh nicht, warum die mich überhaupt so lang hier behalten. Ich hatte nichts außer stark unterkühlte Handgelenke. Ich frag mich, woran das bloß gelegen hat.“ Bei den letzten Worten hatte er wieder zu Bobby geblickt, welcher ihn nun entschuldigend ansah. „Das ging leider nicht anders“, sagte Bobby und wirkte verlegen. John grinste schelmisch. „Ich hoffe, du hattest wenigstens nette Brandblasen am Arsch!“ Bobby musste ebenfalls grinsen. „Natürlich, ich konnte tagelang nicht sitzen!“, log er und John verstand den Scherz. Gespielt befriedigt spielte der Feuermutant mit seinen blonden Strähnen. „Viel schlimmer war die Beule an meiner Stirn“, beschwerte er sich unverhohlen weiter. „Du hast einen echt eisigen Dickschädel, Mann!“ Bobby nickte langsam. „Klar! John,… du hattest nicht mal eine Beule.“ „Doch natürlich! Das war ein totales Horn!“, sagte John übertreibend und machte große Augen. Bobby schmunzelte. Genau diese kleinen Gespräche und Scherze hatte er vermisst. „Na, sollte der Film ’Das letzte Einhorn’ jemals real verfilmt werden, können sie dich ja als Einhorn nehmen!“, gab er zurück. John verzog das Gesicht. „Genau, und du spielst dann diesen komischen, kleinen Jungen.“ Bobby zog die Augenbrauen hoch. „Gerne doch.“ Noch immer lag ein breites Grinsen auf seinen Lippen, welches seine Grübchen hervorblitzen ließ. „Ich glaub, ich lass sie mir in meine Naturhaarfarbe färben“, wechselte John plötzlich abrupt das Thema und drehte eine seiner blonden Strähnen zwischen Daumen und Zeigefinger. „Der Ansatz ist eh allzu deutlich und das Blond kotzt mich an! War eh ’ne Scheißidee!“ „Ja, mach das“, sagte Bobby. „Klebst du dir dann die Haare wieder mit Gel an deine Kopfhaut?“ Bobby fand, dass Johns ehemalige Frisur ihm viel besser gestanden hatte, als die blondierte, verwuschelte Mähne. „Sicher“, bejahte John seine Frage. „Wunderbar. Dann hab ich ja bald den guten, alten John Allerdyce wieder!“, meinte Bobby zufrieden. Ein breites Grinsen schlich sich auf Johns Lippen. „Gib es zu, du hast mich doch vermisst, du elender Eisklotz!“, platzte es aus ihm heraus. Bobby antwortete nicht; schenkte ihm nur ein Lächeln. „Wohin wirst du gehen, wenn du entlassen wirst?“, fragte er schließlich und Johns Blick senkte sich auf die Tischplatte. Schweigend drehte er das Cola-Glas in seinen Händen. „Hm, keine Ahnung“, sagte er nach einer Weile leise. „Zu Magneto kann ich schlecht zurück. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist und außerdem ist er ja jetzt ein gewöhnlicher Mensch, ohne seine Kräfte.“ Aufmerksam sah Bobby ihn an. „Warum… kommst du nicht zurück? Zurück zur Schule, John?“, fragte er. „Es war jahrelang dein Zuhause. Ich mein, du könntest zurück, wenn du willst.“ Langsam hob John seinen Kopf. Er lächelte leicht – etwas, das man bei John eher selten sah –, aber antwortete nicht. Es war bereits dämmerig, als Bobby wieder die Schule erreichte. Ein wenig müde stieg er in der Garage aus Scotts Wagen und rieb sich die Augen, als er die dunkle Treppe zum Hauptflur der Schule hinaufging. Als er schließlich das Zimmer erreichte, welches er sich mit John geteilt hatte und seitdem allein bewohnte, sah er Rogue auf seinem Bett sitzen. „Hi“, sagte sie mit sanfter Stimme und schenkte ihm ein Lächeln, welches er matt erwiderte. „Du siehst müde aus. Wie geht es John?“ Bobby grinste ein wenig schief und warf seine Jacke auf Johns unbenutztes Bett. „Ich denke, da er schon wieder eine Menge Scheiße labern kann, wird es ihm wohl nahezu prächtig gehen.“ Rogue strich sich eine weißblonde Strähne aus dem Gesicht. „Bald wirst du sein Bett nicht mehr als Ablage nutzen können.“ Bobby sah sie zunächst verdutzt an, dann jedoch hellte sich seine Miene auf. „Sie haben also entschieden, dass er wieder hierher kann?“ „Na ja, entschieden ist vielleicht das falsche Wort“, sagte Rogue mit einem Räuspern. „Storm hat nachher sozusagen ein Machtwort gesprochen. Wir wurden uns irgendwie nicht einig. Kitty war die ganze Zeit dagegen, Peter so halb, Logan schien es egal zu sein und ich… nun, ich war dafür, wenn auch nicht hundertprozentig.“ Bobby schluckte leicht. „Na, wenigstens etwas.“ Begeistert klang er nicht gerade. Das blieb auch Rogue nicht verborgen. „Aber er kann hier bleiben“, versuchte sie ihn aufzumuntern. Bobby schnaubte leicht. „Toll, und trotzdem sind die meisten dagegen“, sagte er abwehrend und blickte sie beinahe schon trotzig an. Rogue seufzte leise. „Nach all dem, was er sich geleistet hat, kannst du es keinem verübeln, oder?“, erklärte sie leise und vorsichtig. „Ich versteh, dass du enttäuscht bist, Bobby, aber du selber warst doch auch total sauer auf ihn, als er gegangen ist und sich Magneto angeschlossen hat. Dass du ihm jetzt schneller verzeihst, als Kitty zum Beispiel, liegt daran, dass ihr befreundet gewesen seid und euch so lange ein Zimmer geteilt habt. Wenn er wieder hier ist, gewöhnen sich auch die anderen wieder an ihn. Die Zeit wird das schon machen!“ Bobbys Miene verzog sich ein wenig, doch er wusste, dass sie Recht hatte. Als er damals bei diesem Regierungsgebäude, in dem man das Heilmittel ausgegeben hatte, nach ihr gesucht und John getroffen hatte, war er geschockt über das Verhalten des anderen Mutanten gewesen und als dieser schließlich einen riesigen Feuerball in das Gebäude geschmettert hatte, hatte er neben dem Schock auch Abscheu empfunden. Langsam ging er auf sein Bett zu und setzte sich neben sie. Ohne etwas zu sagen, zog er sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie lächelte ihn verliebt an. „Was hältst du davon, wenn ich heute bei dir übernachte?“ Seit sie endlich wieder Menschen berühren und fühlen konnte, ohne diesen gleich starke Schmerzen zuzufügen oder sie sogar ins Koma zu schicken, hatte Rogue ein völlig neues Lebensgefühl wiedererlangt. Bobby erwiderte ihr Lächeln und küsste ihre Lippen. „Das halte ich für eine gute Idee!“ Sanft streichelte sie seine Wange. „Schön, dann musst du mir aber ein T-Shirt leihen, es sei denn, du willst, dass ich nackt schlafe.“ Der Eismutant konnte sich ein schmutziges Grinsen nicht verkneifen. „Och, dagegen hab ich nichts“, sagte er und bevor er noch etwas hinzu setzen konnte, hatte Rogue schon sein Kissen gegriffen und gegen seinen Kopf geknallt. Spielend griff er ihre Handgelenke und drückte sie zurück auf das Bett. Kämpfend wand sie sich unter ihm, unterlag ihm aber und lachte, was sie noch schwächer werden ließ. „Bobby!“, rief sie und versuchte mit ihren Füßen seinen Oberschenkel zu treten. Auch er lachte, ließ aber von ihr ab und stand auf. Die Müdigkeit überkam ihn plötzlich wieder. „Lass uns schlafen gehen, ja?“, fragte er und sah ihr Nicken. Während er ihr ein Shirt aus seinem Schrank holte, beobachtete er in den Augenwinkeln, wie sie sich umzog. Wenn man sich erst seit weniger als zwei Wochen „fühlen“ konnte, gab es noch an eine ganze Menge, die man zu entdecken hatte… TBC Danke für's Lesen und die Kommis zum Prolog *oben ganz vergessen hatte* Das Kapitel gefällt mir persönlich nicht allzu gut. Wahrscheinlich war es nur ein Lückenfüller, aber so genau weiß ich es nicht mehr. Es ist schon etwas länger her, dass ich das Kapitel geschrieben habe (Prolog und Kapitel 1 wurden vor mehr als einem Jahr geschrieben, ehe ich die Story jetzt wieder aufgenommen habe) und irgendwie finde ich, merkt man das. Kapitel 2, das bereits in der Mache ist, gefällt mir doch wesentlich besser ^^" Trotzdem dürft ihr mir natürlich gerne postive wie negative Kommis zurücklassen. Ich denke, das nächste Kapitel wird in ca. zwei Wochen online sein. Danke und bis dann, motte Kapitel 2: Rückkehr zur Schule ------------------------------ Moin moin! Tut mir wirklich Leid, dass es schon wieder so lange gedauert hat. Das Kapitel war eigentlich schon fertig, aber ich habe total vergessen, es hochzuladen. Das ist mir so noch nie passiert, aber momentan ist aufgrund der Urlaubsphase viel los auf der Arbeit, da ist man schon mal froh, wenn man Zuhaus ist und an nichts mehr denken muss *lol* Trotzdem danke für die Kommis und viel Spaß beim Lesen! ;) Kapitel 2: Rückkehr zur Schule Dieser beißende Krankenhausgeruch. Überall roch es nach Desinfektionsmittel und auf den Toiletten und in manchen Patientenzimmern nach Urin und Erbrochenem. Und dann war da noch etwas, das man schlecht definieren konnte. Man empfand es nur als unangenehm. Und das machte einen wahnsinnig. Oder zumindest empfand John Allerdyce dies so. Mit gepackter Lederreisetasche saß er auf seinem Bett in seinem Einzelzimmer, in dem es zum Glück weder nach Urin noch nach Erbrochenem , aber dafür nach allen anderen typischen Krankenhausgerüchen, einschließlich des schlechten Essens, roch. Er wartete darauf, dass jemand – er nahm an, Bobby – ihn abholen würde, um ihn zurück zu Xaviers Schule zu bringen. Sein Gefühl dem gegenüber war sehr gemischt. Eigentlich wollte er nicht in die Schule zurückkehren, zu all den Leuten, die er zurückgelassen hatte, ohne es wirklich zu bedauern. Außer bei Bobby vielleicht. Dennoch hatte er trotz Bobby nicht gerade das Verlangen, zur Schule zurückzukehren. Er war nicht ungern dort gewesen, das musste er zugeben. Doch er hatte sich freiwillig auf Magnetos Seite geschlagen und die anderen verlassen. Er wusste, dass nicht alle so großzügig wie Bobby darüber hinwegsahen. Die meisten würden ihn hassen oder verabscheuen, und das mit Grund, denn immerhin hatte er gegen sie gekämpft. Viele dachten sicher auch, er hätte Bobby auf Alcatraz umbringen wollen. Ob er es wirklich getan hätte, wusste er selbst nicht. In dem Moment war er so von Macht durchströmt und von dem Willen, Bobby zu besiegen, besessen gewesen, dass er eventuell den Tod des Eismutanten in Kauf genommen hätte – oder er hätte es letztendlich doch nicht gekonnt und aufgehört, bevor Bobby nicht mehr hätte atmen können. Wie auch immer, wäre Bobby durch ihn gestorben, hätte er es später sicher schwer bereut. Selbst bei Storm oder Kitty und sogar Rogue hätte er es bereut, denn immerhin kannte er sie; viele Jahre hatten sie miteinander verbracht, auch wenn er sicher nicht jedermanns Freund gewesen war. Aber er war nicht der eiskalte Mörder und Terrorist, für den manche ihn nun vielleicht hielten. Müde strich John sich mit seinem Zeige- und Mittelfinger über Stirn und Auge. Er sollte nicht allzu viel darüber nachdenken; es würde ja doch nichts bringen. Das hatte er sich allerdings auch schon öfter gesagt, ohne Erfolg, die Gedanken verdrängen zu können. Denn wenn auch viele dachten, John würde allgemein kopflos handeln und sich um nichts scheren, so konnte er manchmal sehr grüblerisch sein. John, jetzt hör endlich damit auf! Es reicht, Bobby ist gleich hier und holt dich ab und alles andere kannst du dann sehen, wenn du da bist!, dachte er sich und zuckte zusammen, als im selben Augenblick die Tür zu seinem Zimmer geöffnet wurde. Doch es war nicht Bobby, der in der Tür stand. Blaue Jeans, dunkelbraune, verwegen aussehende Lederjacke und ein weißes Hemd – das war nicht gerade Bobbys Stil. Und der kräftige Körperbau, sowie Wolverines Kopf passten auch nicht so ganz zu dem Eismutanten. Johns Gesicht verdüsterte sich augenblicklich. Dass es ihm missfiel, ausgerechnet von Wolverine abgeholt zu werden, war nur zu eindeutig. Wolverine jedoch schien das nicht zu merken oder – und das war wahrscheinlicher - er ignorierte es. Grinsend sah er John an und nickte schließlich zu der Lederreisetasche, die farblich gut zu seiner Jacke passen würde. „Na, Kleiner“, sprach er John an und dessen Gesicht verdüsterte sich um eine weitere Nuance, „alles gepackt?“ John kräuselte die Lippen. „Wo ist Bobby?“, fragte er ohne auf Wolverine näher einzugehen. Das Grinsen auf dessen Zügen wurde breiter. „Beschäftigt“, sagte er nur, als hielte er es nicht für nötig, John zu erklären, warum Bobby ihn nicht abholen kam. Es war natürlich klar, dass John davon ausgegangen war und eigentlich war Bobby auch als Fahrer eingeplant gewesen, doch dann hatte Jubilee sich heute Morgen schwer am Herd verbrannt und wenn – wie immer, wenn man welche brauchte – kein Kühlakku zu finden war, konnte ein Eismutant im Auto sehr praktisch sein. Und so war Bobby nun mit Jubilee auf dem Weg zum Arzt und nicht zu John zum Krankenhaus. Wolverine konnte nicht behaupten, sich freiwillig gemeldet zu haben, um John abzuholen. Viel mehr hatte Storm ihm im Vorbeigehen gesagt, dass er es tun sollte. Erst hatte er protestieren wollen, doch dann hatte er es im Anbetracht von Storms schlechter Laune lieber gelassen. (Seine Vermutung: Sie hatte ihre Tage!) „Willst du noch hier bleiben oder kommst du jetzt mit?“, meinte Logan schließlich und sah John wartend an. Dieser rümpfte die Nase und griff nach seiner Tasche. Ohne ein Wort zu sagen, stand John auf und ging langsam auf Logan zu, sah ihn dabei jedoch nicht richtig an. Als er schließlich an Logan vorbei durch die Tür gehen wollte, bewegte sich dieser kein Stück, um ihn durchzulassen. Johns Stimmung sank beträchtlich in Richtung Keller. Sein Blick fiel auf Wolverines raue Hand, die sich ihm mit der Innenseite nach oben entgegenstreckte. „Was?“, fragte John gereizt nach, was der Mann ihm gegenüber von ihm wollte. „Dein Feuerzeug“, antwortete Logan ohne große Umschweife. „Denkst du, ich bin blöd? Ohne das Ding bist du nicht gefährlicher als jeder andere Teenager auch, also gib mir das Feuerzeug.“ Nun blickte John doch auf und sah das erste Mal, seit Stryker in die Schule eingefallen war, wieder offen in das Gesicht des störrischen Mannes, der Wolverine nun einmal war. Rein theoretisch müssten John und Logan sich prächtig verstehen. Sie waren beide eher Einzelgänger, die zwar nichts gegen zwischenmenschliche Beziehungen hatten, aber auch gut allein zurechtkamen. Sie waren beide rebellisch und aufmüpfig; ließen sich eben nicht gerne etwas sagen. Wie schon gesagt: rein theoretisch müssten sie wirklich gut miteinander auskommen. Rein praktisch und real sah die Sache jedoch ganz anders aus. John hatte Wolverine noch nie wirklich leiden können, schon allein, weil Rogue ihn so anhimmelte und so viel von ihm sprach, dass es John beinah „zum kotzen“ brachte. Rogue konnte er immerhin auch nicht leiden. Was Wolverine anging, so war John für ihn nicht mehr als ein jugendliches, angeberisches Großmaul und spätestens seitdem John all die Polizeiwagen vor Bobby Drakes Haus in Brand gesetzt hatte, während Logan bewusstlos am Boden gelegen hatte, hielt er ihn für völlig übergeschnappt. Dennoch herrschte zwischen beiden ein gewisser Respekt. John hatte nicht vergessen, dass Wolverine nach einem Kopfschuss, der ihn eigentlich sicher hätte umbringen müssen, aufgestanden war, als wäre nichts gewesen. Und Wolverine wusste ebenso, dass John ein sehr mächtiger Mutant der Klasse 4 war und für einen 19-Jährigen unvorstellbare Kraft hatte. „Hast du etwa Angst, dass ich dir Feuer unterm Arsch mach’ und das im wahrsten Sinne des Wortes?“, vernahm er Johns sarkastische Stimme und sah die braunen Augen vergnügt aufblitzen. Genervt griff Logan nach Johns Hand, in der er das Feuerzeug bereits hielt, und griff nach dem Handgelenk. Er drückte absichtlich hart zu, sodass er John zischend und schmerzlich Luft einatmen und das Gelenk leise knacken hörte, während er ihm das silbern glänzende, mit Benzin gefüllte Metallstück abnahm. „Wohl kaum“, sagte er ebenso spöttisch und verstaute das Feuerzeug in seiner Hosentasche. Finster blickte John ihn an und wollte protestieren, doch Logan kam ihm zuvor. „Mach mal keinen Aufstand, Kleiner“, sagte er, im Gegensatz zu John mittlerweile in bester Stimmung, „du bekommst es wieder, sobald wir in der Schule sind.“ Das schien Johns Laune nicht gerade zu bessern, doch er sagte kein Wort mehr. Schweigend verließen sie den Raum und folgten dem Gang runter zum Fahrstuhl. Zusammen mit einer Frau und einem jungen Mädchen traten sie in den engen Raum des Aufzugs. „Warum musstest denn ausgerechnet du mich abholen?“, meinte das Mädchen mit einem Gips am rechten Arm und sah die Frau mittleren Alters trotzig an. Irgendwie hatte John das Gefühl, das Mädchen könnte seine Gedanken lesen und widerspiegeln. „Peinlicher geht es ja wohl kaum! Von der Mutter, wie ein Kleinkind! Es wäre viel cooler, wenn Jake mich mit seinem Motorrad abgeholt hätte!“, sagte das Mädchen weiterhin maulend und nun hatte John nicht mehr das Gefühl, etwas mit ihr gemeinsam zu haben. Irgendwie nervte ihn das Mädchen jetzt schon und er hoffte, sie würden bald im Erdgeschoss ankommen und aussteigen können. Doch der Fahrstuhl bewegte sich für Johns Geschmack furchtbar langsam. „Ach, Kinder werden doch meist von ihren Eltern abgeholt, daran ist doch nichts peinlich“, erwiderte die Mutter liebevoll, als ob dies etwas bei ihrer pubertierenden Tochter nützen würde. „Guck doch mal, der Junge hier wird auch von seinem Vater abgeholt.“ Es dauerte einige Momente, bis John realisierte, dass die Frau damit ihn und Wolverine meinte. Oh man, was für eine Vorstellung… was für eine Beleidigung…, dachte John und verdrehte die Augen. Er war froh, als der Fahrstuhl stehen blieb und die Türen sich öffneten. Schnell trat er, gefolgt von Logan, auf den Flur und hörte hinter sich Mutter und Tochter immer noch streiten. Schnellen Schrittes gingen sie durch die Drehtür hinaus auf den sonnenerhellten Parkplatz. Es dauerte nicht lange, bis sie bei dem metallicblauen Mazda RX-8, der John verdächtig bekannt vorkam, angekommen waren. „Ist das nicht Mr Summers’ Wagen?“, fragte er verdutzt. Logan kramte den Schlüssel aus seiner Jeanstasche und drückte auf den Knopf für die automatische Fernöffnung des Wagens. „Ja, Problem damit?“ John schüttelte den Kopf. „Nein, ich wunder mich nur, warum ausgerechnet du damit unterwegs bist.“ Obwohl er alle Erwachsenen in Xaviers Schule stets gesiezt hatte, auch Logan zu Beginn, hatte John nach ihrer gemeinsamen Flucht aus der Schule aufgehört, Wolverine wie einen Erwachsenen zu behandeln. Und spätestens nachdem er ihnen allen auf Alcatraz gegenüber gestanden hatte, in einem Kampf, wo man auf solch höfliche Floskeln verzichtet, fiel es schwer, jemanden wieder zu siezen, es sei denn, man hatte es jahrelang getan. „Es gibt keinen, der es mir verbieten würde“, meinte Logan Schulter zuckend und öffnete die Fahrertür, während er über das Wagendach hinweg zu John sah, der ebenfalls einstieg. „Der Wagen gehört keinem mehr, seit Scott tot ist.“ Überrascht sah John den älteren Mutanten an, während er Platz nahm. „Mr Summers ist tot?“, fragte er und konnte ein leichtes Schockgefühl nicht unterdrücken. Da hatte Bobby wohl vergessen, etwas zu erwähnen. Logan nickte. „Ja, schon länger. Schon vor Alcatraz. Er ist am Alkali Lake gestorben, als Jean wieder aufgetaucht ist.“ John zog die Tür zu, während Logan den Zündschlüssel umdrehte und der Motor laut surrend ansprang. „Dann hat Dr. Grey ihn umgebracht?“, fragte John und lehnte sich tiefer in den Beifahrersitz. Er sah, wie Wolverines Gesichtszüge sich anspannten und seine Hände das Lenkrad ein wenig fester umgriffen. „Ja, scheint so.“ Immer noch ungläubig schnallte John sich an, während der Wagen über den Parkplatz fuhr. „Na, das nenn ich mal Liebe“, entfuhr es ihm ein wenig sarkastisch, denn immerhin waren Scott Summers und Jean Grey ein Paar gewesen. Wütend stoppte Logan den Wagen wieder, noch bevor sie das Ende des Parkplatzes erreicht hatten. Der Blick, den er John zuwarf, war fast so tödlich wie der eines Basilisks. „Hör mal zu, Kleiner. Was wirklich derbe an dir stört, ist deine große Klappe, und wenn du nicht willst, dass eine von denen hier“ – seine Stahlkrallen kamen aus den Lücken zwischen seinen Fingerknöcheln geschossen – „gleich dich trifft, dann sagst du besser jetzt nichts mehr über Jean Grey und was sie alles getan hat.“ Für einen Moment blickte John wie erstarrt auf die stählernen Waffen, bis diese sich wieder in Logans Hand zurückzogen. Langsam entspannte er sich wieder und sein Blick wurde erneut gleichgültig. „Ich habe durchaus miterlebt, wie sie kurz vor ihrem Tod war“, zischte er wütend zurück; so hatte Bobby ihm erzählt, dass Wolverine Jean schließlich auf Alcatraz töten konnte, bevor sie alles zerstörte. Von all dem hatte John allerdings nichts mehr mitbekommen. „Ich weiß, dass sie absolut nicht mehr sie selbst war, denn zufällig habe ich sie auch gekannt!“ Lange Jahre war Jean Grey seine Lehrerin gewesen und obwohl John meist nicht sehr interessiert am Unterricht gewesen war, war er gut mit ihr ausgekommen. Doch als sie zusammen mit Magneto zur Bruderschaft gekommen war, hatte er kaum glauben können, dass dies wirklich Dr. Jean Grey sein sollte. Auch wenn er es ungern zugab, so hatte er nicht nur großen Respekt vor ihr und ihrer Mutation gehabt, sondern auch Angst. Nicht nur ihre erstaunliche Kraft, die er sich vorher kaum hatte vorstellen können, sondern auch die komplette Wesensänderung in ihr hatte ihn erschrocken. Sie war ein Monster geworden. Ein Monster, das sich Phönix nannte und durch das die eigentliche Jean Grey nur noch in wenigen schwachen Momenten durchblitzte. John schauderte, als er sich erinnerte und schüttelte dann den Kopf, um die Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Er blickte nach links zu Wolverine, der nun wieder anfuhr, aber kein Wort mehr sagte. Schweigend wandte John sich wieder ab und blickte aus dem Fenster, beobachtete die Bäume, die an ihnen vorbeizogen, bis sie auf den Freeway fuhren. Neben sich hörte er ein vertrautes Klicken und spürte für einen kurzen Moment die Gegenwart von Feuer, ehe diese wieder fast erlosch und ein rauchiger Geruch zu ihm herüber drang. Auch ohne hinzusehen wusste er, dass Logan sich eine seiner berühmt-berüchtigten Zigarren angezündet hatte. Genervt kräuselte John die Lippen. Auch wenn er stets ein Feuerzeug mit sich trug, war er kein Raucher. Er brauchte ein Feuerzeug, da er Feuer nicht selbst erschaffen konnte. Das war alles. „Muss das sein?“, fragte er, ohne Wolverine anzusehen. Dieser grinste, die Zigarre zwischen die Lippen geklemmt, und bog auf die linke Spur, um einen Lastwagen zu überholen. „Hey, ich fahre. Ich kann machen, was ich will.“ John verdrehte die Augen und wandte seinen Kopf nun nach links, um Logan zu fixieren zu können. „Dann halt an und lass mich fahren.“ Logan ließ durch eine Bewegung seiner Lippen die Zigarre ein wenig wackeln, nahm sie schließlich in die Hand und lachte. „Vielleicht nächstes Mal!“ John schnaubte verächtlich. „Warum kommt mir das bloß so bekannt vor?!“ Er erinnerte sich nur allzu gut an ihre Flucht in eben diesem Wagen, wo Logan ihn mit den gleichen Worten auf den Rücksitz verfrachtet hatte. „Du warst halt zu jung“, meinte Logan abweisend; erinnerte er sich ebenfalls an diesen Moment. „Und jetzt bist du’s auch noch.“ „Ich bin neunzehn“, protestierte John und klang dabei wie jeder jugendliche Junge in diesem Alter, der nicht hören wollte, dass er für irgendetwas zu jung war. Und schon gar nicht für das Autofahren. Immerhin hatte er seinen Führerschein schon seit drei Jahren. „Und außerdem war ich nicht der Technik-Trottel, der nicht wusste, wie man ein Funktelefon benutzt. Irgendwie kommt mir das alles wie ein Déjà-vu vor.“ „Stimmt, aber letztes Mal saß Rogue neben mir und du hinten mit Bobby“, sagte Logan. John ließ einen verächtlichen Laut erklingen. Das Letzte, was er wollte, war, mit Rogue verglichen zu werden. „Mach das Scheißding jetzt endlich aus!“ Wolverine schüttelte sichtlich amüsiert über Johns Wut den Kopf. „Vergiss es.“ „Jetzt. Sofort!“ Johns Stimme wurde immer aggressiver. Mittlerweile störte ihn kaum noch der ekelig riechende Qualm der Zigarre, sondern viel mehr Logans Verhalten. Doch Logan schien das alles recht unterhaltsam zu finden. Seine Hand glitt in seine Hosentasche und zog Johns Feuerzeug heraus. „Das ist sicher bei mir verwahrt“, sagte er und es war klar, dass er John nur provozieren wollte. Zufrieden stellte er fest, dass Johns Blick immer düsterer wurde, während er die Abfahrt vom Freeway auf einen recht verlassen Highway nahm. Dann ging plötzlich alles rasend schnell. Er sah ein helles Aufflackern aus der Zigarre, die mittlerweile wieder in seinem Mund steckte, sah einen hellen, heißen Strahl nach unten wandern und spürte als nächstes einen brennenden, wahnsinnigen Schmerz an seinem rechten Unterarm. In seine empfindliche Nase drang der Geruch von verkohlten Haaren und verbranntem Fleisch. Der Wagen geriet ein wenig ins Schleudern, bevor Logan hart auf die Bremse trat und den Wagen quietschend zum Stehen brachte. Sein Blick wanderte nach unten zu seinem Arm, wo er eine pulsierende Wunde aus dunkel gebranntem, rohem Fleisch und zerfetzter Haut sah. Vor Schmerz zischend atmete er aus. „Du verdammtes Arschloch“, presste er mühevoll hervor und warf einen Blick zu John. Langsam verheilte die Verbrennung an seinem Unterarm, bis die Wunde wieder rötlich war und die Haut sich darüber schloss, als wäre nichts gewesen. Logan wusste, dass er einen verheerenden Fehler gemacht hatte, indem er sich die Zigarre angesteckt hatte. Er hatte Johns Kräfte unterschätzt und vergessen, dass dieser Junge selbst aus dem kleinsten Fünkchen ein großes Inferno veranstalten konnte, wenn er es nur wollte. Tief einatmend strich er über die verheilte Haut an seinem Arm und drehte sich dann wieder zu John. Er wollte ihm irgendwas an den Kopf werfen, ihm sagen, wie idiotisch er war, doch John hatte seinen Blick schon wieder abgewandt und sah mit leeren Augen aus dem Fenster. Wolverine merkte ihm an, dass er diesen Feuerangriff bereits bereute. Schweigend legte er wieder den ersten Gang ein und fuhr weiter. Vorher jedoch drückte er die Zigarre aus. Sicher war sicher. Mit einem Verband und einer kühlenden Salbe gegen Verbrennungen ausgestattet, trat Jubilation Lee, kurz Jubilee, aus dem Ärztehaus und seufzte schwer. „Hoffentlich dauert es nicht zu lange, bis es verheilt ist“, sagte sie zu Bobby Drake, welcher neben ihr lief und ihr die Tür zum Beifahrersitz auf hielt. „Der Arzt meinte doch, mit der Salbe würde es täglich besser werden“, munterte Bobby sie auf und lächelte warmherzig. Schnell ging er um den Wagen herum und stieg auf den Fahrersitz ein. „Nun, lass uns mal beeilen, dass wir zur Schule zurückkommen“, meinte er, während er die Zündung umdrehte und den Wagen startete. „Oder musst du noch irgendwo hin?“ Jubilee schüttelte den Kopf, sodass ihr einige der feinen, schwarzen Haarsträhnen ins Gesicht fielen. „Von mir aus können wir sofort fahren.“ Mit einem schnellen Satz fuhr Bobby rückwärts aus dem Parkplatz auf die Straße. „Super!“, meinte er erfreut und lächelte weiterhin. „Vielleicht ist John auch schon da.“ Sich die Strähnen aus dem Gesicht streichend sah Jubilee wieder auf. Ihre dunkelbraunen, mandelförmigen Augen blickten interessiert. „Du freust dich sehr, dass er wieder da ist, oder?“, fragte sie nach und zupfte mit ihrer freien Hand an dem Verband herum. Irgendwie saß er furchtbar unbequem und bei dem warmen Wetter wirkte er so unangenehm erhitzend. Das Lächeln auf Bobbys Gesicht wurde breiter, sodass sich Grübchen an seinen Mundwinkeln bildeten. In solchen Momenten verstand Jubilee stets, was Rogue und Kitty an Bobby fanden, doch ansonsten war er nur ein sehr liebenswerter, guter Freund und Schulkamerad für sie, an den man sich immer wenden konnte, wenn man ein Problem hatte. Mittlerweile hatte aber auch Kitty, mit der Jubilee sich ein Zimmer teilte, sich Bobby aus dem Kopf geschlagen. Wahrscheinlich war es eh nur eine Aktion aus Verzweiflung durch Professor Xaviers Tod und der Einsamkeit nach der Trennung von Piotr gewesen. „Ja, auf jeden Fall“, hörte sie Bobbys Stimme nun antworten und eindeutige Freude schwang darin mit. „Ich hätte ihn auch gerne selbst abgeholt, aber-“ „Tut mir Leid“, unterbrach Jubilee ihn und bekam plötzlich den Anflug eines schlechten Gewissens, weil Bobby sie hatte fahren müssen. Doch Bobby schüttelte nur den Kopf. Es schien wie immer, dass er kaum böse oder nachtragend sein konnte. „Nicht so schlimm. Ich seh’ ihn ja gleich“, meinte er freundlich und lächelte Jubilee zu, bis sein Gesicht plötzlich ein wenig geschockt wirkte, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. „Was ist?“, fragte Jubilee besorgt. „Oh nein, ich weiß gar nicht, ob ich sein Bett wieder abgeräumt habe! Seit er nicht mehr da war, habe ich es total als Ablage benutzt! Oh fuck!“, regte Bobby sich plötzlich auf. Jubilee erlaubte sich ein kurzes Auflachen. „Ich glaube, er wird es überleben. Wahrscheinlich sieht es jetzt eh ordentlicher aus, als wenn er selbst da wohnen würde. Außerdem dauert es sicher auch noch was, bis er und Wolverine wieder da sind.“ Bobby sah Jubilee mit einer Mischung aus Staunen und Schock an. „Logan holt ihn ab? Oh, hoffentlich kommen sie dann überhaupt wieder lebend zurück!“ Mit schweren Schritten ging Logan durch den dunklen Flur zu der schweren Holztür, hinter der das Büro lag, das mal Professor Xavier gehört hatte, nun aber von Storm besetzt wurde. Ohne zu zögern drückte Logan die Klinke herunter und trat ein. Ororo Munroe saß hinter dem schweren Schreibtisch aus edlem Holz, wahrscheinlich Eiche, und brütete offensichtlich über ein paar rein formellen und rechtlichen Sachen, die mit dem Institut zusammenhingen. Das war ein Grund, warum Logan diesen Job nie hätte machen wollen. Es gab einfach zu viel Verantwortung und zu viel zu organisieren. Als er die Tür schließlich wieder hinter sich schloss, blickte Storm auf und lächelte ihm zu. Wie immer fand er, dass sie auffallend hübsch war und das Lächeln auf ihren wohlgeformten Lippen trug dazu bei, dass er die Keilerei mit John schon fast wieder vergaß. Auch wenn sie nicht Jean war, war sie dennoch schön zum … angucken. „Das verlorene Schäfchen wieder eingefangen?“, fragte sie und lehnte sich in dem bequem aussehenden Ledersessel zurück. Überrascht wurde Logan wieder aus seinen Gedanken geholt und sah sie ein wenig verwirrt an. „Wie meinen?“ Ororo Munroe rollte leicht die Augen. „Ob du John heil hier hin gebracht hast?“ „Ah“ – Logan sah schon das imaginäre Glühbirnchen vor sich aufschweben – „jaaah, ja, er wartet draußen auf dem Flur.“ Ororo nickte lächelnd. „Sehr gut, wie war die Fahrt?“ „Gut“, sagte Logan. Storm schien überrascht zu sein. „Keine besonderen Vorkommnisse?“ Logan schüttelte den Kopf. „Nein, war alles sehr entspannt.“ Das Staunen schien nicht von Storms Gesicht weichen zu wollen. „Und wie habt ihr euch verstanden?“, fragte sie skeptisch nach. „Prächtig“, antwortete Logan schnell; fast schon zu schnell. Mit hochgezogenen Augenbrauen nickte Storm ein weiteres Mal. „Wenn du das sagst, wird es schon stimmen.“ Aus ihrer Tonlage heraus konnte man jedoch erkennen, dass sie ihm kein einziges Wort glaubte. „Danke, dass du ihn abgeholt hast, Logan“, sagte sie schließlich und faltete ihre Hände ineinander. Logan grinste schwach. „Ach, der Kleine ist ja so ein… netter Kerl.“ „Schön, dass du das so siehst“, merkte Storm an. Ihr Gesicht war angespannt, so als würde sie mit sich kämpfen, um nicht loslachen zu müssen. „Dann kannst du den lieben, kleinen Kerl ja jetzt reinlassen – und genüsslich ein Bier trinken.“ Logan nickte und drehte sich um, um wieder aus dem Büro zu verschwinden, als er kurz innehielt. „Wir haben Bier?“ Er klang so erstaunt, wie Storm vor wenigen Sekunden. Immerhin gab es hier sonst kein Bier und er erinnerte sich daran, dass Bobby ihm grinsend gesagt hatte, dass es in Schulen nun mal keinen Alkohol gäbe. Storm sah ihn ausdruckslos an und legte den Kopf ein wenig schief. „Ich dachte, du wolltest dir welches mitbringen, wenn du John abholst.“ Für einen Moment schien Logan wie erstarrt, bis er sich schließlich räuspernd abwandte. Doch Storm konnte genau hören, wie er leise „Scheiße“ fluchte, ehe er durch die Tür trat und den Raum verließ. Das Lächeln auf Ororo Munroes Lippen wurde zu einem breiten Grinsen, während sie immer noch ein lautes Auflachen unterdrückte. Der Kerl ist einfach zu göttlich. Logan war ihr wirklich eine große Hilfe, wo sie nach dem Tod des Professors und dem von Jean und Scott die Einzige von den ehemaligen Lehrkörpern war, die noch existierte. Demnach waren ihr gleich mehrere Aufgaben praktisch über Nacht in den Schoß gefallen und sie war froh, dass Logan noch da war, der zwar organisatorisch katastrophal und als Lehrer überhaupt nicht geeignet war, dafür aber ebenso gut ein bisschen auf vor allem die jüngeren Kinder aufpassen konnte und ebenso bei den Größeren einen gewissen Respekt besaß. Es war einfach gut zu wissen, dass er ihr helfen konnte und anscheinend nicht vorhatte, in nächster Zeit mal wieder zu verschwinden. Als die nur leicht angelehnte, schwere Tür sich wieder öffnete, zog es sie aus ihren Gedanken zurück. Vor ihr stand John Allerdyce und es kam ihr so vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Es war nicht der John Allerdyce, den sie von Alcatraz in Erinnerung hatte. Sein Haar war nicht mehr mit blonden Strähnen durchsetzt, sondern mittelbraun und nach hinten gestrichen wie eh und je. Sie sah, wie er seine Hände in die Taschen seiner dunklen Stoffhose steckte, nachdem er die Tür geschlossen hatte, und wie seine Zunge seine Lippen befeuchtete. Wie öfters sah Johns Gesicht neutral aus, so als könnte ihm die ganze Welt nichts anhaben, doch seine Augen verrieten, dass er unsicher war. „Hallo John“, begrüßte Storm ihn schließlich und sie selbst wunderte sich, wie warm und sanft ihre Stimme klingen konnte. Ihr kam es ein bisschen so vor, als hätte sie einige Eigenschaften des Professors bereits übernommen. „Setz dich doch.“ Sie deutete auf den Stuhl ihr gegenüber und beobachtete, wie John langsam einige Schritte näher zu ihr ging und Platz nahm, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. „Ich darf dich doch immer noch John nennen, … oder soll ich lieber Pyro sagen?“, fragte Storm und versuchte so, einen neutralen Gesprächsanfang zu finden. John zog die Hände wieder aus seinen Taschen und legte seine Arme auf die dafür vorgesehenen Lehnen am Stuhl. „Nein, John ist okay. Ist schließlich mein Name“, antwortete er. Pyro war der Name, den er sich bei Magneto ausgedacht hatte, denn in der Bruderschaft hatten fast nur solche Codenamen existiert. Doch die Bruderschaft gab es nicht mehr. Zwar würde er deshalb den Namen Pyro nicht vollkommen ablegen, doch wieder John genannt zu werden, erfüllte ihn mit einem leichten Gefühl von Vollkommenheit. John und Pyro waren wieder eine Person – er war wieder komplett. Das hörte sich für ihn selbst ziemlich komisch an, denn er hatte nie zwischen Pyro und John differenziert, so wie Bobby es manchmal gerne tat. Als er auf Magnetos Seite gestanden hatte, war ihm durchaus bewusst gewesen, was er tat und John hätte all das genauso getan wie Pyro. Doch es war schön, nach all der Zeit mal wieder bei dem Namen genannt zu werden, der einen immer schon begleitet hatte. Storm schien auch glücklicher zu sein, ihn mit diesem Namen ansprechen zu können. Sie lächelte ihm zu und beugte sich ein wenig vor, stützte sich dabei auf den Schreibtisch. „Wie geht es dir, John?“, fragte sie weiter, erhielt als Antwort jedoch nur ein Schulterzucken. „Die Fahrt mit Logan gut überstanden?“ Johns Gesicht verzog sich auffallend und er rümpfte kurz die Nase. Das war Storm schon Antwort genug. War ja klar gewesen…, dachte sie sich. Logans Worte hatte sie eh nicht ernst genommen. „Es tut mir Leid, dass Bobby dich nicht wie geplant abholen konnte“, fuhr sie fort. „Falls das okay für dich ist, wollten wir dich wieder in deinem alten Zimmer unterbringen, immerhin sind auch all deine Sachen noch dort. Ich glaube kaum, dass Bobby irgendetwas davon wirklich weggeschmissen hat. Du wirst dir natürlich wieder ein Zimmer mit ihm teilen. Ich denke, das wird kein Problem darstellen.“ John nickte zustimmend. Er wirkte immer noch recht ausdruckslos, doch seine Gesichtszüge und der Blick in seinen Augen waren wesentlich entspannter geworden. „Miss Munroe“, sprach John Storm plötzlich selbst an und bei ihr verfiel er im Gegensatz zu Logan sofort wieder in das Schema des Siezens, „wissen Sie, ob Bobby schon wieder da ist?“ Storm lächelte leicht. „Nein, ich glaube nicht. Ansonsten wäre er sicher schon hier aufgetaucht. Aber ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis er und Jubilee zurückkommen.“ Ein leichtes, kaum wahrnehmbares Lächeln schlich sich auf Johns Lippen, doch Ororo Munroe hatte es gesehen. „Was den Unterricht angeht, so ist das alles gerade etwas konfus“, begann sie zu erklären. „Wie du siehst, bin ich momentan allein hier“ – ihr Gesicht wirkte für einen Augenblick etwas betrübt – „deswegen gibt es zurzeit nur wenige Unterrichtsstunden. Aber wenn ich dich als Schüler recht in Erinnerung habe, dürfte dich das eh weniger stören.“ Ororo grinste leicht und John konnte sich ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. „Stimmt genau“, antwortete er ihr und nun erinnerte er sie immer mehr an den John Allerdyce, den sie kannte. Einen selbstbewussten Teenager mit einem etwas zu großem Mundwerk. „Aber danke für die Info.“ Er zwinkerte ein wenig und fast hätte Ororo nun auch lachen müssen. Doch sie beließ es bei einem erneuten Lächeln. „Wenn du willst, kannst du jetzt in dein bzw. euer Zimmer gehen“, sagte sie. „Ich denke, den Weg kennst du noch.“ John nickte und stand aus dem Stuhl auf. „Allerdings.“ Er griff nach der Reisetasche, die er neben sich auf dem Boden abgesetzt hatte, und wandte sich der Tür zu. Kurz bevor er die kühle Metallklinke berührte, hörte er noch einmal Storms Stimme hinter sich ertönen. „Willkommen zurück in Xaviers Schule für begabte Jugendliche, John Allerdyce.“ Er lächelte, drehte sich jedoch nicht mehr zu ihr um, und drückte schließlich die Klinke herunter, um durch die Tür zu treten. TBC Kleine Anmerkungen am Rande: 1. dass John sehr viel Respekt und auch ein wenig Angst vor Jeans Kräften hatte, konnte man meiner Meinung nach im Film auch schon recht an seinen Blicken sehen, aber im Buch wird dies noch mal bestätigt. 2. dass Kitty mal mit Piotr (Colossus) zusammen gewesen ist, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern wird ebenfalls im Buch erwähnt, auch, dass sie schon getrennt sind. Am besten mach ich jetzt keine Versprechungen mehr, wann Kapitel 3 das Licht der Online-Welt erblickt ^^" Nachher kann ich es wieder nicht einhalten *blush* Über Kommis - positiv wie konstruktive Kritik - würde ich mich wie immer natürlich freuen :) Bis zum nächsten Mal, motte Kapitel 3: Dasselbe Zimmer -------------------------- Tag auch! Hiermit breche ich jetzt mal meine Freitags-Regel (meist lade ich freitags oder am Wochenende ein Kapitel hoch) und lade schon Donnerstag hoch, weil ich Samstag wegfahre und morgen noch so viel zu erledigen hab, dass ich es vermutlich vergessen würde ^^" Danke für die Kommis bisher und viel Spaß beim Lesen! Kapitel 3: Dasselbe Zimmer Mit einem merkwürdig flauen Gefühl, das er nicht beschrieben konnte, ging John Allerdyce durch den abgedunkelten Gang der Schule. Er war auf dem Weg vom Direktorenbüro, in dem nun Storm saß, zu dem Zimmer, das er sich jahrelang mit Bobby geteilt hatte und nun wieder beziehen würde. Es war sonderbar, wieder durch die vertrauten Flure zu laufen und einen ganz bestimmten Weg zurück zu einem vertrautem Raum zu gehen. Ihm kam es so vor, als wäre er Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen. Als hätte er nur ein paar wenige Jahre seiner Kindheit hier verbracht und würde jetzt als alter Mann zurückkehren. Doch es war noch nicht so lange her, dass er das letzte Mal hier durch diesen Korridor gegangen war, zusammen mit Bobby und Piotr, nachdem sie mit einigen anderen Schülern ihres Alters ein Gespräch über den Missbrauch von Macht in Professor Xaviers Büro geführt hatten. Seufzend und die Gedanken verbannend setzte John seinen Weg fort. Er begegnete einigen jüngeren Mutanten, die er noch aus der Zeit kannte, bevor er zur Bruderschaft gewechselt war. Sie grinsten ihm zu, waren aber zu sehr damit beschäftigt, Fangen zu spielen und sich dabei gegenseitig mit ihren Kräften auszutricksen, dass sie nicht anhielten, um ihm etwas zu sagen. Ein wenig amüsiert blickte John ihnen hinterher. Als er sich wieder umdrehte und dabei ohne zu gucken einige Schritte ging, prallte er plötzlich gegen etwas, das sich warm und menschlich anfühlte. Instinktiv wich er wieder zurück. Vor ihm stand ein hoch gewachsener, junger Mann mit kurzen, blonden Haaren und schlichter Kleidung. John schätzte, dass diese Person in etwa genauso alt war, wie er selbst auch, allerhöchstens nur wenige Jahre älter. Sein Körperbau war kräftig, aber nicht so aufdrängend wie der von Wolverine, und das Lächeln auf dem sanften Gesicht wirkte eher etwas zurückhaltend. „Hi, du bist dann wohl der Neue“, sprach er John plötzlich an und seine Stimme klang auffallend weich. „Oder viel mehr der Alte. Oder der alte Neue. Ähm, wie auch immer“ – er schien etwas verlegen zu werden – „du wirst wohl John sein.“ Skeptisch schulterte John seine Tasche etwas höher und sah den Jungen abschätzend an. Er hatte ihn noch nie gesehen oder zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. „Allerdings, und wer bist du?“, fragte John und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warren“, antwortete der blonde Junge und hielt John freundlich die Hand hin. „Warren Worthington III.“ John hob verwundert beide Augenbrauen hoch und dachte nicht einmal daran, Warren die Hand zu reichen. Das schien auch Warren zu merken und er zog seine Hand langsam wieder zurück. „Aha… John Allerdyce, vermutlich der Erste und Einzige“, stellte John sich mit gewohntem Sarkasmus vor und beäugte Warren kritisch. „Kennen wir uns?“ Für einen Moment wirkte Warren ein wenig ratlos und unsicher, was er antworten sollte. „Nicht persönlich“, sagte er dann und lächelte erneut schüchtern. „Ich habe dich auf Alcatraz und in den Medien gesehen. Und die anderen erzählen viel von dir.“ Die Skepsis und der Unwollen in John schienen immer höher zu treiben. Seine Augen musterten Warren erneut und dieser fühlte sich sichtlich unwohl unter dieser genauen Betrachtung. „So, so“, sagte John schließlich und blickte wieder in Warrens Augen. „Worthington… das sagt mir doch was. – Hey, war das nicht der Typ, der das Heil-“ Warren unterbrach ihn hastig. Auf seinen leicht gebräunten Wangen zeichnete sich ein leichter Rotschimmer ab. „Ja, ja, das war mein Vater. Er hat die Erforschung des Heilmittels finanziert und wollte ausgeben lassen.“ Johns Augen spiegelten eine gewisse Abscheu wieder. Warren wusste, dass John zu den Leuten gehört hatte, die das Heilmittel zerstören wollten. „Und was macht dann sein Sohn in einer Mutantenschule?“ Johns Abneigung war kaum zu überhören. „Ich lebe hier“, antwortete Warren wahrheitsgemäß. Er war hierher gekommen, weil er damals, als er vor seinem Vater und dem Heilmittel geflohen war, nicht gewusst hatte, wohin er sonst sollte. Mittlerweile hätte er ohne Probleme zu seinem Vater zurückkehren können, doch er fühlte sich hier wohl und hatte andere Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen wie seiner eigenen um sich. „Das Heilmittel wurde für mich erfunden. Mein Vater wollte mich damit von meiner Mutation befreien“, erklärte Warren. „Aber ich wollte nicht. Deswegen bin ich hierhin gekommen und jetzt lebe ich hier, weil es mir gefällt.“ John blickte Warren schweigend an. Dann war dieser blonde Junge also der Auslöser für die Suche nach einem Heilmittel gewesen oder zumindest der Auslöser, dass diese Suche finanziert worden war. Wenn John so darüber nachdachte, hätten seine Eltern eher Geld dafür geboten, dass Mutanten vernichtet werden, anstatt sie heilen zu wollen. Nachdenklich zog er das Feuerzeug, das Logan ihm mittlerweile wiedergeben hatte, aus seiner Hosentasche. Das Zippo mit den Haifischzähnen war schon seit Jahren sein ewiger Begleiter. Leichte Kratzspuren auf dem edlen Metall zeugten davon, wie alt es schon war und doch war John nie auf die Idee gekommen, es zu ersetzen. „Du beherrschst das Feuer, richtig?“, hörte er Warren fragen und blickte auf. John nickte und ließ das Feuerzeug aufklicken, drehte das Rädchen und entzündete eine kleine Flamme, die er langsam auf seine freie Hand zog und ein wenig größer werden ließ, sodass sie einen kleinen Feuerball in seiner Hand darstellte. „Ich manipuliere es“, erklärte er. „Ein kleiner Funke reicht aus und ich kann damit machen, was ich will. Ich kann es größer werden und Formen annehmen lassen oder ich kann es vernichten. Aber ich kann es nicht erschaffen.“ Mit einem leicht getrübten Blick, denn er hasste die Tatsache, dass er ohne Feuerquelle machtlos war, ließ er die Flamme wieder schrumpfen und erstickte sie schließlich mit seiner Handfläche. „Beeindruckend“, meinte Warren und es klang ernst gemeint. „Du giltst als einer der mächtigsten Mutanten.“ John zog beide Augenbrauen hoch. „Tatsächlich?“ Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Auch wenn er so tat, als würde es ihn nicht interessieren, befriedigte ihn die Tatsache, dass seine Kraft beeindruckend und bekannt zu sein schien. Vielleicht sogar ein bisschen gefürchtet. „Was ist deine Mutation?“, fragte er Warren schließlich und seine Stimme klang nun etwas freundlicher als vorher. „Das könnte jetzt etwas komplizierter werden“, sagte Warren und räusperte sich verlegen. John sah, wie Warren sich vor ihm seinen dünnen Kapuzenpullover über den Kopf zog, sodass er nur noch in einem weißen Unterhemd vor John stand. Unter dem Hemd schien ein Gebilde aus Lederriemen mit Schnallen zu verlaufen. Seine Kraft ist es, sich vor anderen auszuziehen? Skeptisch blickte John sein Gegenüber an und wollte schon gerade etwas sagen, als die Schnallen an den Riemen aufklicken hörte. Er hörte das Reißen von Stoff und sah plötzlich das weiße Unterhemd vor sich liegen. Er zieht sich tatsächlich aus! Was für… eine Schwuchtel! Doch als John wieder aufblickte, sah er wie sich zwei übermäßig große Flügel, so seidenweiß wie man sie sich bei Engeln vorstellen würde, vor ihm aufragten. Sie passten nicht einmal halb in den Flur und Warren musste sie offensichtlich anwinkeln und nach hinten ausstrecken und dennoch berührten die Spitzen der äußersten Federn die mit Holz verkleidete Wand. Erstaunt betrachtete John die Flügel und stellte sich vor, wie sie wohl aussehen würden, wenn sie ihre komplette Spannweite entfalten könnten. Die Faszination war ihm wohl auch ohne Worte anzumerken, denn Warren lächelte leicht, ehe er seine Flügel wieder an seinen Körper zog und sich hinhockte, um die Reste seines Unterhemds hochzuheben. „Du bist ja ein Piepmatz“, platzte es aus John heraus, als die leicht erstaunte Starre verflog. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Warren, der aus der Hocke zu ihm aufblickte, sah perplex aus. Doch dann schien er zu begreifen und lächelte so offen, wie John es in den wenigen Minuten bei dem Mutanten noch nicht gesehen hatte. „Irgendwie ja.“ „Kannst du auch singen?“, fragte John offensichtlich scherzend. Warren deutete es als eine Frage, die keine Antwort verlangte. „Zieh dir lieber wieder was an, sonst denken die sich hier sonst noch was!“ Ein wenig errötend begann Warren, die Riemen wieder festzuziehen. Vergnügt ging John an ihm vorbei und klopfte ihm dabei auf die nackte Schulter. „Beeindruckend“, setzte er schließlich noch leise hinzu und ließ Warren dann allein im Gang stehen. Als er schließlich vor der dunklen Holztür zu dem Schlafraum, den er sich mit Bobby geteilt hatte und wieder teilen würde, stand, überkam John eine leichte Nervosität. Es kam ihm vor, als wäre er ewig nicht mehr hier gewesen und die leichte Vorahnung, welche Erinnerungen auf ihn einprasseln könnten, machte ihn unruhig. Zögerlich öffnete er die Tür, schob das Türblatt langsam in den Raum und blickte – begleitet von einem lauten Herzklopfen, von dem er meinte, die ganze Schule müsste es hören können – in den Raum, den die Tür nun immer mehr freigab. Tief durchatmend versuchte er sich zu beruhigen und trat schließlich ein. Seine Augen richteten sich wie von allein auf den vertrauten Anblick seines alten Bettes, das anscheinend während seiner Abwesenheit Bobby als Ablage gedient hatte. Am Fußende lagen ein paar von Bobbys Büchern und die Mitte diente offenbar als Zwischenlagerung für gewaschene Wäsche, die noch nicht wieder in den Schrank einsortiert war. Es störte John nicht sonderlich, sein Bett so vorzufinden. Bobby würde es sicher abräumen, sobald er wieder hier war. Natürlich wäre es schöner gewesen, es so vorzufinden, wie er es verlassen hatte, doch wenn er sich recht daran erinnerte, wäre es sicher zerknittert gewesen und neben dem Bett hätten ein paar Pärchen Socken gelegen. Ein schwaches Lächeln legte sich auf Johns Lippen und er ging etwas näher auf sein Bett zu. Es sah aus, als wäre es erst vor wenigen Tagen frisch bezogen worden und die Bettwäsche war offenbar seine eigene. John ließ die Lederreisetasche auf den Boden gleiten und wandte sich um. Sein Weg führte ihn zu dem großen Kleiderschrank, von dem die linke Seite stets ihm gehört hatte. Sollte Ororo Munroe Recht haben und Bobby hatte wirklich nichts entsorgt, so würde er dort sicher all die Kleidung vorfinden, die er bei der Flucht vor Stryker und dem Wechsel zu Magneto zurückgelassen hatte. Erwartungsvoll öffnete er eine der Schranktüren und blickte auf die Regalleisten, auf denen sich Unterwäsche, T-Shirts und Pullover stapelten. Kurz strich er nachdenklich über den Stapel seiner Oberteile, ehe er die Schranktür wieder schloss und die andere öffnete. Vor ihm hingen ein paar Hosen, Hemden und Jacken, darunter auch seine Lieblingslederjacke. Helles Braun; weiches, geschmeidiges Material. Er erinnerte sich, dass er sie das letzte Mal bei dem Ausflug in das Naturkundemuseum getragen hatte. Damals hatte er aus Spaß einen Jungen in Brand gesetzt, weil dieser ihm sein Feuerzeug geklaut hatte, als John ihm kein Feuer geben wollte. Er lächelte ein wenig süffisant. Solche Dinge würden ihm auch heute noch passieren. Gerade wollte er nach eben jener Jacke greifen, als er hörte, wie sich die Tür wieder öffnete und jemand eintrat. Leicht erschrocken drehte er sich um – und sah Bobby vor sich stehen. Langsam ließ John seine Hand wieder sinken und schloss die Schranktür, während Bobby ebenfalls die Tür zu ihrem Zimmer schloss. Auf dem Gesicht des Eismutanten lag ein leichtes Lächeln. Obwohl sie sich schon im Krankenhaus wieder gesehen hatten, machte die Umgebung die Situation ein wenig befremdlich. „Hey John“, begrüßte Bobby ihn und klang ein wenig unsicher. Es war lange her, dass er das letzte Mal mit John in diesem Raum gestanden hatte und wenn er sich recht erinnerte, hatte er sich an diesem Abend mit ihm gestritten. Danach hatte John sich schlafen gelegt und Bobby war zum Eisessen in die Küche gegangen, ehe Strykers Männer die Schule gestürmt hatten. Johns Gesicht wirkte ein wenig so, als würde ihn die Situation hier nicht betreffen; so als wäre er nur ein stummer Betrachter. „Hey Bobby“, antwortete er und steckte seine Hände in die Taschen seiner Hose. Bobby trat etwas näher in den Raum und nickte in Richtung von Johns Bett. „Ich räume das gleich ab, keine Sorge“, sagte er hastig und sah etwas verlegen aus. John lachte leise. Bobby war immer schon so führsorglich gewesen und John wusste, dass es ihm peinlich war, das Bett nicht vorher abgeräumt zu haben. „Schon okay, bei mir sah es noch schlimmer aus“, meinte John ehrlich und gab erneut ein leises Auflachen von sich. „Aber trotzdem wäre es ganz toll, wenn du’s wegräumen könntest, sonst musst du auf dem Boden schlafen, weil ich dann dein Bett beanspruche.“ Bobby schmunzelte ein wenig. „Der Boden sieht nicht allzu bequem aus“, meinte er mit einem gespielt prüfendem Blick nach unten. „Also räum ich es wohl doch lieber weg.“ Langsam löste sich die Anspannung zwischen ihnen und für einen Moment kam es Bobby so vor, als wäre John nie weg gewesen. „Sehr brav, Iceman“, sagte John und schnappte sich seine Tasche, die neben dem Bett auf dem Boden stand und stellte sie auf die noch freie Fläche am Kopfende. Schnell zog er den Reißverschluss auf und nahm die wenige Kleidung, die er aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte, heraus. „Deine Haare… du hast sie ja wirklich wieder so wie früher“, sagte Bobby schließlich, als er John dabei beobachtete, wie dieser seine Kleidung in den Schrank einräumte. „Ja, das Blond gefiel mir nicht mehr sonderlich“, sagte John. Immerhin hatte er schon bei ihrem Gespräch in der Cafeteria angedeutet, dass er lieber wieder zu seiner alten Frisur zurückkehren wollte. Nickend ging Bobby ein paar Schritte näher und begann damit, seine Kleidung von Johns Bett zu nehmen und ebenfalls in seinen Schrank zu räumen. „Eigentlich ist es schade um die Ablage, dass du wieder da bist“, meinte er und nun kam es ihm ihr Verhältnis endgültig wieder wie früher vor. Er hörte John lachen und blickte dann zu diesem. „Tja, Bobby-Schätzchen, da kann ich dir auch nicht helfen. Ich habe jedenfalls nicht vor, in nächster Zeit wieder zu verschwinden.“ Bobby lächelte breit. „Das ist auch besser so.“ Er schloss die Tür von seinem Schrank und ging zurück zu Johns Bett, um auch noch die Bücher von diesem abzuräumen. Ordentlich gestapelt stellte er sie vorerst neben sein eigenes Nachtschränkchen und sah John wieder an. „Siehst du, der Boden wird mich nicht kriegen.“ John grinste breit und nickte zustimmend. „Ich hätte es auch kaum verschmerzen können, dich auf dem Boden schlafen zu sehen“, sagte er theatralisch und ließ sich mit Wucht auf sein Bett fallen, sodass die Matratze ihn zunächst ein wenig hoch federte. „Aber ich hätte dich dazu zwingen müssen.“ Vergnügt, aber ohne etwas darauf zu erwidern, setzte Bobby sich auf sein Bett links neben dem von John. Der Feuermutant hatte schon immer näher am Fenster geschlafen, während Bobby das Bett, das näher an der Tür lag, besetzt hatte. Dieses Zimmer teilten sie sich, seit Bobby in diese Schule gekommen war. John war schon etwas mehr als ein halbes Jahr hier gewesen und am Anfang war er nicht sehr erfreut gewesen, einen Zimmergenossen zu bekommen. Doch trotz ihrer Gegensätzlichkeiten, was ihre Kräfte und auch ihren Charakter betraf, waren sie recht gut miteinander ausgekommen und hatten sich mit der Zeit eng angefreundet. Nie hatte Bobby vor John jemanden als seinen besten Freund bezeichnet. „John“, sprach Bobby ihn plötzlich wieder an und hatte das Gefühl, sagen zu müssen, was ihm auf der Zunge lag. „Es ist schön, dass du wieder da bist.“ Es war ihm ein wenig peinlich, das so offen zu sagen, doch John lächelte nur leicht und nickte. „Ja, ich weiß.“ Als John zusammen mit Bobby später hinunter in die Küche zum Abendessen ging, saßen einige Schüler schon an dem eckigen Holztisch und unterhielten sich miteinander. Doch kaum hatte John den Raum betreten, erstarb das Gemurmel so plötzlich als hätte man einen Ausschaltknopf gedrückt. Einige blickten auf und sahen ihn an, doch die meisten blickten stumpf auf den Tisch oder die Teller, die vor ihnen standen. Schweigend betrat John den Raum und obwohl er äußerlich lässig und unberührt schien, machte diese vollkommene Stille ihn nervös. Seine braunen Augen huschten über die einzelnen Schüler, die am Tisch saßen, und er schluckte unauffällig. Er versenkte seine Hände in seine Taschen und griff nach seinem Feuerzeug. Als seine Finger das von seiner Körperwärme erhitzte Metall berührten, entspannte er sich wieder ein wenig. Das Zippo-Feuerzeug hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt. Es machte ihm klar, wie mächtig er war. Und Macht stärkte das Selbstbewusstsein. Nicht, dass John es wirklich nötig gehabt hätte, selbstbewusster zu werden. Doch jeder Mensch – selbst der tapferste Krieger – fühlte irgendwann mal Unbehagen oder Furcht. Und dann brauchte man eben etwas, das einen wieder aufbaute und Zuversicht gab. Früher hatten die Menschen in schwierigen Situationen an Gott geglaubt, zu ihm gebetet und auf ihn vertraut. Doch John glaubte nicht, dass Gott überhaupt existierte. Sein Zippo – das war Etwas, das es wirklich gab. Etwas Handfestes, an dem man sich halten konnte. Und es konnte in seinen Händen zu einer gewaltvollen Waffe werden. Nein, John hatte keinen Grund, nervös zu sein. Das wurde ihm jetzt klar. Er bemerkte, dass Bobby immer noch hinter ihm lief und als er über seine Schulter hinweg zu dem Eismutanten blickte, sah er, dass dieser Rogue einen auffordernden Blick zuwarf. John drehte sich wieder nach vorn und öffnete den Kühlschrank, um sich eine Flasche Coca Cola® herauszunehmen. Hinter sich hörte er das Rücken eines Stuhls. Als er die Kühlschranktür wieder schloss, merkte er, dass Rogue neben ihm stand. „Hey John“, sprach sie ihn freundlich an und ihr Südstaaten-Akzent war nur allzu deutlich herauszuhören. Ein Lächeln umspielte ihre vollen, rosafarbigen Lippen. John fragte sich, ob es echt war. Es wirkte so aufgesetzt. Aber er hatte stets alles an Rogue aufgesetzt empfunden. „Wie geht’s dir?“, fragte sie ihn nun, während John sich noch ein Glas aus einem der Hängeschränke über der Küchentheke nahm. „Gut“, antwortete er knapp und vergaß absichtlich aus Höflichkeit zu fragen, wie es ihr ging. Doch ihr Lächeln schien nicht aus ihrem Gesicht weichen zu wollen. Ob sie das geübt hatte? Plötzlich bemerkte er, wie sie ihm ihre Hand entgegenstreckte. Skeptisch blickte er auf diese herunter. „Willkommen zurück, John“, meinte sie und ihr Lächeln wurde noch etwas breiter, auch wenn John sich nicht sicher war, ob er es sich vielleicht nur eingebildet hatte. Anstatt ihre Hand zu nehmen, ließ er seine eigene wieder in seine Hosentasche sinken. „Danke“, meinte er, ohne jegliche Emotion in diesem Wort, und wandte sich dann von ihr ab. Am Tisch konnte er Kitty leise stöhnen hören. „Du hast dich ja wirklich gar nicht verändert.“ Ihre Stimme klang verärgert. Doch John sah lässig darüber hinweg. Sein Verhältnis zu Kitty, bevor er sich Magneto angeschlossen hatte, war schwer zu beschreiben gewesen. Manchmal hatten sie sich verstanden und zusammen gelacht, doch oft waren sie voneinander genervt gewesen. Es hatte sie schon immer gestört, wenn John sich so respektlos verhielt wie jetzt gegenüber Rogue. „Nein, stört es dich?“, fragte er Kitty nun und ein provozierendes Grinsen schlich sich auf seine Lippen, während Rogue neben ihm ihre Arme vor der Brust verschränkte. Kittys Gesicht verdüsterte sich merklich. „Irgendwie schon.“ Sichtlich gereizt stand sie auf und ihr Löffel fiel aus ihrer Hand. Beinahe hätte John laut aufgelacht. Irgendwie fand er, sie sah ein wenig lächerlich aus, wie sie nun ihre Hände in die Hüften stemmte. Ein paar Pfund mehr und eine etwas dunklere Haut und sie würde ihn glattweg an eine hispanische, ältere Klischee-Frau erinnern, die temperamentvoll und wütend einen ihrer Schützlinge zurechtwies – zumindest der Gesichtsausdruck passte ganz gut. Doch bevor John auch nur ein Wort, das Kitty wahrscheinlich noch mehr gereizt hätte, erwidern konnte, kam Bobby ihm zuvor. „John, hör auf“, meinte er beschwichtigend und trat etwas näher auf ihn zu. John rollte die Augen, sagte jedoch kein Wort mehr. Kitty blickte ihn weiterhin finster an und setzte sich wieder, murmelte jedoch noch etwas Verdrießliches, was aber keiner verstand. Immer noch belustigt nahm John wieder sein Glas und die Flasche Coca Cola® in seine Hände und wandte sich an Rogue. „Sorry, Babe. Ist auch ganz nett, dich wieder zu sehen“, sagte er, wobei auf dem Wort ’nett’ ein leicht ironischer Ton lag. Rogue rollte die Augen und Bobby seufzte leise. Johns Arschloch-Attitüde hatte mal wieder Überhand gewonnen. Aber das Spielchen kannten sie ja schon. Immerhin war John schon so gewesen, seit sie ihn kannten, auch wenn Bobby aufgefallen war, dass es mit den Jahren immer deutlicher geworden war. An einem ganz bestimmten Zeitpunkt hatte es angefangen, dass Johns Sprüche immer offensiver wurden und er von diesem Trip immer langsamer runterkam. Doch er konnte nicht genau definieren, wann das gewesen war. Er wusste nur, dass John seitdem dieses Verhalten öfter und intensiver an den Tag gelegt hatte, als zuvor. Aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet. John war immer schon ein Angeber und Großmaul gewesen. Er beobachtete den Feuermutant, wie dieser sich nun zum Tisch begab und zwischen Warren und Jubilee niederließ. Beide schien das wenig zu stören, doch Kitty, welche gegenüber von Jubilee saß, warf John immer noch böse Blicke zu. Bobby wandte sich an Rogue und legte einen Arm um sie. „Nimm dir das bloß nicht zu Herzen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Am liebsten würde er John für sein Verhalten lynchen, doch wie schon vor Johns Verschwinden, saß er zwischen den Stühlen, was John und Rogue anbelangte. Sie blickte lächelnd zu ihm auf und schüttelte den Kopf. „Mach dir nur keine Sorgen, ich kenn-“ Der restliche Teil von ihrem Satz ging in einem zischenden Schmerzenslaut unter. Abrupt wandten sich Bobby und Rogue dem Tisch zu; Bobby befürchtete schon fast, John und Kitty wären doch aufeinander losgegangen. Doch es sah ganz friedlich aus. Bis auf Kitty, die sich ihre eigene linke Hand vor ihr Gesicht hielt. Am Zeigefinger klaffte eine stark blutende, offenbar recht schmerzhafte Wunde. Das Brotmesser war neben ihr Glas gefallen. „Was ist passiert?“, fragte Bobby besorgt, als Kitty sich den blutenden Finger aus Reflex in den Mund schob. „Sie hat sich geschnitten“, antwortete Jubilee ihm und stand auf, um ein Pflaster aus einem der Küchenschränke zu holen. „Sie wird es wohl überleben, auch wenn sie es gleich sicher überdramatisiert.“ Sie lachte leise und auch Bobby konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Kitty rollte leicht mit den Augen. Sie war es eben nicht gewohnt, sich zu schneiden, denn normalerweise war ihr geisterhafter Körper nur allzu durchlässig für solche Dinge. Sie konnte schnell genug reagieren, um Gefahren – oder eben kleinen Schnitten – zu entgehen. Darin lag ihre Kraft und deswegen hatte sie sich nicht mehr geschnitten, seit sie ein Kind gewesen war, auch wenn sie beim Karotten- und Gurkenschneiden sicher häufiger ihre Finger gleich mit geteilt hätte. Doch nun drang der eintönige, aber starke, eiserne Geschmack von Blut in ihren Mund und vermischte sich mit der Nudelgemüsesuppe und dem Brot, das sie eben noch gegessen hatte. Eine wirklich widerliche Mischung. „Seit wann kannst du dich überhaupt schneiden?“, fragte John sie verwundert und Kitty warf ihm anstatt einer Antwort lieber einen weiteren bitterbösen Blick zu. Seine dummen Sprüche wollte sie nun wirklich nicht hören. „Ihre Kraft wirkt momentan nicht“, erklärte Warren an ihrer Stelle und John wandte sich ihm verwundert zu. „Weil Jimmy mit am Tisch sitzt.“ Erst jetzt fiel John auf, dass die Ausbeulung, die Warrens Flügel unter seinem Pullover bildeten, verschwunden war. Warren bemerkte seinen Blick und lächelte leicht. „Kann manchmal ein ganz erleichterndes Gefühl sein.“ Nickend ließ John seinen Blick über den Tisch wandern und bemerkte nun einen Jungen mit kaum erkennbaren, dunklen Haarstoppeln, der Kitty entschuldigend ansah. John verstand sofort. „Das Heilmittel“, flüsterte er ehrfürchtig und griff nach dem Feuerzeug in seiner Tasche. Als er es aufflammen ließ und versuchte, die Flamme in seine Hand zu ziehen, bemerkte er, dass sich nichts tat. Tatsächlich… er eliminiert die Kräfte anderer Mutanten. „Tut mir Leid“, hörte er jemanden sagen und als John wieder hochblickte, bemerkte er, dass der Junge namens Jimmy ihn ansah. Offenbar gefiel es ihm selbst nicht, dass er die Kräfte anderer Mutanten bannen konnte. Er konnte seine Kraft wohl ebenso wenig kontrollieren, wie Rogue, doch John musste sagen, dass Jimmys Kraft wenigstens keine Schmerzen verursachte. Sie löschte seine Kraft aus, aber sie zerrte nicht an seiner Lebensenergie. Er wusste nicht, was er Jimmy sagen sollte. Ein sarkastischer Spruch schien selbst ihm fehl am Platz. Doch zu sagen, es wäre okay, wäre ebenfalls gelogen gewesen, denn John hing viel zu sehr an seiner Macht, als dass er auf sie verzichten wollen würde. Selbst wenn Rogues Kraft sie von körperlichen Hautkontakten jeder Art abgehalten hatte, fand er es immer noch erbärmlich, dass sie sich hatte heilen lassen. Er fragte sich, wie lange das Mittel wohl anhalten würde. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Kräfte für ewig verschwanden. Jubilee hatte Kitty derweil ein Pflaster gereicht. Mit einem leicht mürrischen Blick klebte Kitty es um ihren Finger und seufzte. „Will noch jemand Blut?“, fragte sie resignierend und bemerkte im selben Augenblick, was sie gesagt hatte. „Äh, ich meine natürlich Brot!“ John grinste leicht. „Du meinst Brot mit deinem Blut? Aber gerne doch!“ Auffordernd hielt er ihr seinen Teller hin. Für einen Moment blickte Kitty ihn verwirrt an, doch dann konnte selbst sie sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Ohne noch ein Wort zu sagen, reichte sie ihm zwei Scheiben Brot, an denen sich natürlich kein Blut befand. Bobby, der sich nun mit Rogue ebenfalls an den Tisch setzte, war erleichtert, dass sie endlich aufgehört hatten, sich anzukeifen. Vielleicht würde ja doch alles wieder wie früher werden. TBC Sodele, das war's mal wieder. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Johns Gedanken bezüglich Warrens Entkleidungsaktion sollten in keinem Fall homo-feindlich sein, aber ich denke, es gibt genug Menschen, die schnell so was denken, ohne das böse zu meinen oder generell etwas dagegen zu haben. Und jetzt genieße ich Phil Collins "Another Day In Paradise" - der Mann ist großartig, auch wenn er wirklich einen starken Kontrast zu Rammstein bildet, die ich vorhin noch gehört hab ^^" (warum zum Teufel erzähl ich das eigentlich x_X" - vermutlich weil Phil so toll singt) Bis zum nächsten Mal, motte Kapitel 4: Differenzen ---------------------- Hallöchen! Hier meldet sich motte wieder mit einem neuen Kapitel. Vielen Dank für eure Kommis zum Letzten und ich hoffe natürlich, dass euch auch dieses gut gefällt :) Viel Spaß beim Lesen also! Kapitel 4: Differenzen „Musste das eigentlich sein?“ John seufzte und rollte leicht die Augen, als er seinen Weg zu seinem und Bobbys Zimmer fortsetzte. Hinter sich hörte er, wie Bobby seine Schritte beschleunigte und in einen regelrechten Laufschritt zu verfallen schien. Zumindest klang der Lärm, den er dabei verursachte, so gar nicht nach Bobbys gewöhnlicher Gangart. Eher nach der eines wutschnaubenden Nashorns, was eigentlich zum Lachen war. Doch John ließ sich nicht beirren und ging ebenfalls die letzten Schritte ein wenig schneller, bis er die hölzerne Tür zu ihrem Zimmer erreichte. Erst kam ihm der Gedanke, er könnte sie genau vor Bobbys Nase wieder zufallen lassen, doch er hatte nicht vor, sich auf irgendeine Weise emotional zu zeigen. Und kaum hatte er sich etwas weiter in den Raum Richtung seines Betts begeben, stand Bobby auch schon im Türrahmen. „Kannst du mal stehen bleiben, wenn ich mit dir rede?“ Bobbys Stimme klang gereizt, doch als John sich zu ihm umdrehte, sah sein Gesicht relativ normal und weich – eben Bobby-typisch – aus. John zuckte mit den Schultern. „Kann ich“, antwortete er gelassen und grinste schließlich. „Wollte ich aber nicht.“ Nun verdüsterte Bobbys Gesicht sich doch merklich. „Verdammt, John, für was hältst du dich? Rogue wollte nur nett zu dir sein und du lässt sie doof da stehen.“ Johns Züge wirkten ausdruckslos; das Grinsen schien die einzige Regung von ihm zu sein. „Warum hast du das gemacht?“, fragte Bobby und sah John abwartend an. John jedoch wandte sich ab und ging auf seinen Kleiderschrank zu. Beim Gehen zog er sich sein T-Shirt über den Kopf und schmiss es in die Ecke neben seinem Bett. In den wenigen Tagen, in denen er wieder hier war, hatte sich schon ein erheblicher Kleiderhaufen in dieser Ecke angesammelt. Bobby wunderte es nicht, denn John war ein Chaot, was aufräumen und Ordnung anging. „Weil ich es so wollte“, antwortete John schließlich und öffnete die Schranktür, um sich einen Pullover herauszunehmen. Bobby verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn verständnislos an – oder viel mehr sah er auf Johns nackten Rücken, über den jetzt der dunkelblaue Stoff des Kapuzenpullovers rutschte. „Macht dir das eigentlich Spaß?“, fragte er. Sein Gesicht verzog sich ein wenig, als er John glucksen hörte. „Manchmal“, sagte dieser und schien Mühe zu haben, nicht allzu amüsiert zu wirken und ein Lachen zu unterdrücken. Bobby gab es auf. Er würde mit John wohl kaum ein vernünftiges Gespräch führen können. Dabei verstand er nicht, warum der Feuermutant sich so verhalten musste. Eigentlich hatte Bobby gedacht, wenn John zurückkommen würde, würde sich die Zeit zurückdrehen und alles wäre vergessen. Nun, eigentlich war es genau wie vor Alkali Lake. John war auch früher schon öfter so provozierend gewesen. Doch gerade bei der angespannten Situation im Moment, wo John nun mal zu ihren Feinden gehört hatte, hätte Bobby gedacht, er würde sich etwas mehr Mühe geben und sich in einigen Punkten, eben z.B. seiner großen Klappe, zurückhalten. Zumindest hätte er so gehandelt, wenn er an Johns Stelle sein würde. Doch wahrscheinlich war das der springende Punkt. Er war nicht John – und John war nicht wie er, Bobby. Er dachte und handelte anders. Und er würde ihm nicht zuhören, wenn Bobby ihm jetzt Ratschläge geben würde, wie er am besten wieder einen guten Kontakt zu den anderen Bewohnern des Internats herstellen könnte. Und selbst wenn er ihm zuhörte, würde er keinen einzigen Ratschlag befolgen; da war Bobby sich sicher. Fast könnte man John für ein trotziges Kind halten, doch Bobby konnte nicht einschätzen, ob es wirklich Trotz oder einfach nur Desinteresse war. Kopfschüttelnd blickte er zu John, der sich mittlerweile auf sein Bett gelegt hatte und wie gewöhnlich mit seinem Zippo-Feuerzeug spielte. „Okay, ich lass dich jetzt in Ruhe“, meinte Bobby und konnte den resignierenden Ton in seiner Stimme nicht verhindern. „Ich wollte eh noch mal zu Rogue.“ Abwartend, irgendwie schon fast auf eine Reaktion hoffend, sah er John an, doch sein Wunsch blieb unerfüllt. John hatte offensichtlich nur noch Augen für die kleine Flamme, die immer wieder aus dem Feuerzeug stieg und dann erstickt wurde, nur um Sekunden später neu zu entflammen – Ah, seine große Liebe... irgendwann treten er und sein Feuerzeug noch vor den Traualtar –, während ein leichtes Nicken der Kenntnisnahme die einzige Reaktion war, zur der John sich herabließ. Bobby seufzte lautlos und beschloss den Raum zu verlassen, bevor seine Laune durch Johns abweisendes, ignorantes Verhalten nur noch ein paar Stufen weiter in den Keller purzelte. Eine Woche war bisher vergangen, seit John zu Xaviers Schule zurückgekehrt war. Die Situation – sprich: Johns aufmüpfiges Verhalten gegenüber allen anderen – hatte sich etwas entschärft, auch wenn immer noch oftmals gemeine, treffende Sprüche aus seinem Mund entkamen. Erst gestern hatte er Syren fast zum Weinen gebracht, als er sich über ihre knallbunte Bluse mit Blumenmuster lustig gemacht hatte. Zugegeben: Die Bluse würde wahrscheinlich besser zu einer älteren Dame als zu einem Teenager passen. Es sah altbacken und lächerlich aus; das hatten an dem Tag, an dem Syren die Bluse das erste (und offensichtlich auch letzte) Mal getragen hatte, alle gedacht. Doch keiner hatte etwas gesagt, außer John natürlich. Irgendwie war es fast schon klar gewesen, dass irgendein Kommentar von ihm hatte kommen müssen. Syren hatte ihm allerdings schnell wieder verziehen und so war das Thema ebenso schnell unter den Tisch gekehrt worden. Dennoch hatte Syren die Bluse ab diesem Tag nicht mehr getragen. Das war zwar eine Erleichterung für die Augen aller, aber man fragte sich trotzdem, ob Syren eingesehen hatte, dass die Bluse ihr nicht stand oder ob sie die Bluse aus Angst vor neuen Kommentaren nun im Schrank versauern lassen würde. Nun saßen sie – Bobby, Rogue, Kitty, Syren und John – in der Sitzecke des Aufenthaltsraums auf den Sofas, während einige der anderen Schüler am Tisch saßen und lasen oder durch den Raum wuselten und kamen und gingen. Und wie der Zufall es wollte – oder eher hatte Kitty mit einem süffisanten Grinsen in Richtung John damit begonnen – war ihr Thema nun ’Alcatraz’: „Ich kann nicht verstehen, wie du gegen uns kämpfen konntest“, meinte Kitty zum wiederholten Mal und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. John grinste leicht. Bobby fragte sich, ob er die Fragestellung wirklich so gelassen hinnahm, wie es den Anschein machte. Ihm selbst wäre bei dem Thema recht mulmig zumute, wenn er John wäre, und am liebsten würde er Kitty sagen, sie solle aufhören, über das Thema zu sprechen, doch das konnte er nicht. Zudem hatte Storm ihm gesagt, das Thema sei kein Tabu und man sollte lieber darüber sprechen und es klären, anstatt es zu verdrängen. Doch Bobby fragte sich, ob eine Aussprache so aussehen würde, wie das jetzige Gespräch zwischen Kitty und John. „Na, ich stand auf der anderen Seite, da ist es einfach gegen jemanden zu kämpfen. Die Frage könnte ich ja auch zurückgeben, immerhin hast du doch selber auch gekämpft“, erklärte John in einem ruhigen, fast schon amüsierten Ton. Kittys Gesicht verdunkelte sich merklich. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie aber auf der richtigen Seite gestanden hatte, doch das wäre kindisch und albern gewesen. Also versuchte sie ihren Ton ebenso ruhig wie Johns zu halten, dabei aber ernst zu klingen. „Nun, ich dachte, du und Bobby und auch Rogue wärt mal Freunde gewesen?“ Bobby spürte, wie ihm ein wenig warm in den Wangen wurde und er hoffte, der leichte Rotschimmer auf seiner blassen Haut würde den anderen nicht auffallen. Das Thema war wirklich unangenehm für ihn und er hoffte, dass dieses Gespräch bald beendet sein würde. John jedoch schien die gesamte Situation relativ unterhaltsam zu finden. „Tja, und dann haben Iceman und Miss Rühr-mich-nicht-an-sonst-fällst-du-tot-um beschlossen, ihre eigene, private Loveparade zu gründen.“ Johns Stimme klang weiterhin belustigt und das Grinsen auf seinen Lippen wurde immer breiter. Sein Blick schweifte zu Bobby, der nur den Kopf schüttelte. Er konnte nicht verstehen, was John sich von solchen Äußerungen versprach. Dachte er überhaupt darüber nach, wie solche Worte verletzen konnten? Bobby Blick schweifte zu Rogue, welche neben ihm saß. Ihr Blick ging stur geradeaus, doch ihre vollen Lippen waren so fest aufeinander gepresst, dass sie nur noch zwei schmale, blasse Steifen bildeten. „Mensch, John, red nicht so über Rogue“, nahm er seine Freundin schließlich in Schutz. „Außerdem ist das Problem gelöst. Sie ist geheilt.“ Unabsichtlich war seine Stimme etwas lauter geworden und anscheinend auch auf eine gewisse Art wütend. Das schien auch John bemerkt zu haben. Plötzlich war dieses amüsierte Grinsen und das provozierende Gehabe von ihm abgefallen. Seine Züge wirkten gereizt und seine Augen funkelten ein wenig wütend. „Was?! Deine Freundin hätte mich in Boston fast umgebracht!“, meinte er empört. Offensichtlich spielte er auf das Geschehen bei Bobbys Familie in Boston an, bei dem Ronny, Bobbys jüngerer Bruder, aus Gründen, die Bobby bis heute nicht verstand, die Polizei gerufen und John schließlich in einem Anflug einer Mischung aus Panik und Tobsucht sämtliche Wagen in Flammen aufgehen lassen hatte. Schließlich hatte Rogue Johns Fußknöchel umfasst, seine Kraft absorbiert und die Flammen gelöscht – und ihn eben während dieser Zeit des Hautkontaktes lahm gelegt. Doch Johns Worte waren natürlich absichtlich übertrieben gewesen. Bobby kräuselte die Lippen. „Weil du im Garten meiner Eltern ja auch mehrere Polizeiwagen in die Luft sprengen musstest!“, gab er mit einem kurzen Aufflackern der Augen zurück. „Verdammt, John, meine Familie steht heute noch unter Schock deswegen!“ Natürlich war auch diese Aussage leicht übertrieben. Sicherlich waren seine Eltern und Ronny längst über Johns Ausraster hinweg. Aber genau wusste er es auch nicht. Seit diesem bestimmten Tag hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt oder eher gesagt: egal, was er getan hatte, sie hatten ihm nicht geantwortet. All seine Briefe und Pakete waren ebenfalls ungeöffnet zurückgekommen. Und er war sich sicher, dass Johns Verhalten die Vorurteile seiner Eltern gegenüber Mutanten und die Angst seines Bruders nur noch verstärkt hatte. „Das tut mir aber Leid“, erwiderte John nun und seine Stimme hätte nicht sarkastischer sein können. Bobby rollte die Augen. Seine Wut nahm genauso schnell ab, wie sie gekommen war. „John…, bitte...“ Er hätte längst keine Lust mehr, über das Thema zu diskutieren oder sich mit John zu streiten. Doch John schien das anders zu sehen. Ja, er schien neuen Schwung bekommen zu haben und dieses Gespräch wieder amüsant zu finden. Bobby merkte, wie die Blicke der anderen gespannt von ihm zu John und zurück wechselten. „Nein, Iceman“, antwortete John leise kichernd. „Und noch was…“ – Bobby sah gespannt auf und ahnte bei dem feurigen Glimmern in Johns Augen nur Schlimmes – „schon mal daran gedacht, dass die Heilung nicht dauerhaft hält? Aber vielleicht kannst du ja Jimmy fragen, ob er sich beim Sex neben euch legen kann.“ – John lachte laut auf – „Das wäre doch die Lösung!“ Über seinen eigenen Witz grinsend sah er in die Runde und stand dann auf. „So, ich geh dann mal duschen.“ Rogue blickte ihm wütend hinterher, als er den Raum verließ, und als er sich noch einmal umdrehte und ihrem Blick begegnete, kam erneut ein Kichern über seine Lippen. Doch er sagte kein Wort mehr; schien er doch überaus zufrieden mit sich selbst zu sein. Rogue biss sich auf die Lippen. „Das hast du jetzt davon, Bobby“, meinte Kitty und lehnte sich an die Sofarückenlehne. „Aber du wolltest ihn ja unbedingt wieder hier haben.“ Bobby blickte sie kurz an, sagte aber nichts. Er merkte, dass Rogues Augen auf ihm ruhten, doch er wagte es nicht, ihren Blick zu erwidern. Er fühlte sich schuldig und noch dazu fiel ihm nichts ein, was er ihr Tröstendes hätte sagen können. Schließlich merkte er, wie sie aufstand. Er griff nach ihrer Hand und kurz hielt Rogue sie fest, ehe sie sich aus seinem Griff löste und den Raum verließ. Mit einem leichten Grinsen stand John unter der Dusche in dem Dusch- und Toilettenraum auf dem Flur, auf dem auch seins und Bobbys Zimmer lag. Er genoss das Prasseln des warmen Wassers auf seiner blassen Haut und das Gefühl seiner durchnässten Haare, die an seiner Kopfhaut klebten, ohne dass er mit Gel oder Haarspray nachhelfen musste. Und ebenso sehr genoss er den Gedanken an das kleine Wortgefecht, das er vorhin im Aufenthalts- bzw. Gemeinschaftsraum mit Bobby gehabt hatte. Es hatte Spaß gemacht, Bobby durch Beleidigungen gegenüber Rogue zu provozieren und Sachen auszusprechen, die für ihn ganz offensichtlich wahr waren und ihm ständig auf der Zunge lagen, seit er Rogue kannte. Schon als sie auf die Schule gekommen war und Bobby langsam mit ihr angebandelt hatte, hatte John sich gefragt, was Bobby bloß an Rogue fand; an einem Mädchen, das er nicht mal berühren konnte, ohne all seiner Kräfte beraubt zu werden und bei längerem Kontakt ernsthafte Schäden, bis hin zum Tod, zu nehmen. Sex wäre sich einer dieser längeren, intensiven und dadurch tödlichen Kontakte gewesen. Und nur weil Rogue nun – und John dachte wirklich so – „gebumst“ werden konnte, hieß das nicht, dass bis ans Ende aller Zeiten Friede-Freude-Eierkuchen sein würde. John hatte das einfach mal sagen müssen. Und Bobby war wie üblich darauf angesprungen. Gerade darin lag der Reiz der Sache für John. Er wusste nicht genau, warum das so war, doch vermutlich lag es daran, dass Bobby sonst so ruhig war, besonders im Vergleich zu ihm selbst. Ruhig bedeutete bei Bobby nicht, dass er ein schüchternes Mauerblümchen war und sich nicht traute auch nur ein Wort zu sagen – im Gegenteil: mit Bobby konnte man sich wirklich gut unterhalten. Er war einfach nur nicht so schnell zu provozieren wie zum Beispiel Kitty. Bobby versuchte eher zu schlichten und ruhig und besonnen zu antworten. Doch es gab Punkte, bei denen er sich nicht zurückhalten und überlegt handeln konnte, sondern auf Johns Provokation einging, ja fast schon reinfiel. Einer dieser Punkte waren eben seine Freunde, und vor allem Rogue als seine feste Freundin. Doch trotz des Grinsens auf seinen Lippen und dem offensichtlichen Genuss, Bobby aus der Reserve gelockt zu haben, merkte John, dass diese Provokation einen, wenn auch nur leichten, aber dennoch bitteren Beigeschmack hatte. Ein Beigeschmack, der sich schlechtes Gewissen nannte. Es war wirklich selten, dass John mal Rückmeldung von seinem Gewissen bekam. Wieder ein Unterschied zu Bobby, der oft versuchte, sich anzupassen und es allen recht zu machen. Trotz all der Unterschiede waren sie Freunde geworden und waren es immer noch. Manchmal wusste John nicht, warum das so war und warum sie sich bei all den Gegensätzen nicht mit Abneigung begegneten. Doch es gab wohl kaum für alles im Leben einen klar erkennbaren Grund. Entschuldigen würde John sich trotzdem nicht. Dafür war sein schlechtes Gewissen nicht stark genug. Mit einem abwesenden Blick stand Bobby am Geländer der Terrasse, von der aus es in den Garten und zu den Sportplätzen des Instituts ging und starrte auf die leicht verdörrten, aber immer noch offensichtlich grünen Blätter und Grashalme, die sich im Spätsommerwind hin und her wiegten. Seit der Auseinandersetzung mit John, die ihn immer noch innerlich aufwühlte, hatte er Rogue nicht mehr gesehen. Er wusste, dass sie vermutlich bei Logan war und sich entweder bei ihm über Johns Verhalten beschwerte oder sich von ihm ablenken ließ. Vermutlich war allerdings eher das Zweite der Fall, denn hätte Rogue Logan erzählt, was John über sie gesagt hatte, hätte man mehrere Türen laut zuknallen und Logans Gebrüll nach John durchaus gehört. Der ältere Mutant hatte einen wahren Beschützerinstinkt gegenüber Rogue entwickelt, was sicher daran lag, dass sie die Erste war, der er sich nach langer Zeit des einsamen Umherwanderns geöffnet hatte. Durch das, was die beiden zusammen erlebt hatten, bevor Storm und Scott Summers sie zu Xaviers Schule gebracht hatten, fühlte Logan sich wohl für Rogue verantwortlich und die beiden waren fest zusammengewachsen. Auch wenn Rogue anfangs etwas für Logan geschwärmt hatte und das vielleicht auch immer noch tat, war Bobby sich sicher, dass sie ihn mittlerweile eher als eine Art Familie ansah. Er war schon lange nicht mehr eifersüchtig auf Logan, so wie er es damals war, als Logan nach seiner Suche nach Antworten am Alkali Lake zurückkam und Rogue ihm sofort um den Hals fiel. Und dennoch erweckte der Gedanke an Logan nun ein ungutes Gefühl in ihm. Es war etwas zwischen Betroffenheit und schlechtem Gewissen. Davon abgesehen, dass Bobby sich immer noch ärgerte, auf Johns Provokation hereingefallen zu sein, war ihm bei dem Gedanken an Logan und seinen Beschützerinstinkt bewusst geworden, dass er Rogue viel zu wenig gegenüber John verteidigt hatte. Anstatt John den Mund zu verbieten oder zumindest Johns Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen, hatte er nur wenig unternommen, um sie vor Johns dummen Sprüchen zu schützen. Das war eigentlich nicht das, was man von einem festen Freund erwarten würde. Zu sagen, John hätte sich eh nicht den Mund verbieten lassen, war bloß eine faule Ausrede und Bobby wusste das. Denn es ging ums Prinzip; darum, dass man seine Freundin nicht von jemand anderem, auch wenn dieser Jemand ebenfalls ein Freund – vielleicht sogar der beste Freund – war, beleidigen lassen sollte. Ebenso hatte er nicht versucht, sie aufzuhalten, als sie aus dem Raum geflüchtet war; vor den mitleidigen Blicken der anderen und vor der drückenden Stille, die sich nach Johns Worten unter ihnen ausgebreitet hatte. Er hätte ihr zumindest nachgehen und sie aufmuntern sollen, anstatt sie zu Logan gehen zu lassen und ihm nun diese Arbeit zuzuschieben. Und nun stand er hier auf der Terrasse mit einem schlechten Gewissen und doch nicht dem Verlangen, sie aufzusuchen und mit ihr zu reden. Was lief bloß falsch bei ihnen? Lag es an ihm? Vermutlich schon. War ihre Beziehung überhaupt noch eine oder waren sie nur noch Freunde, die ab und zu mal Sex hatten? Nein, das war es auch nicht. Doch irgendwie hatte er nicht mehr das Gefühl, dass es das Gleiche war, seit sie von ihren Kräften geheilt war und sie nun eigentlich alles tun konnten, was alle normalen Paare taten. Händchen halten ohne Handschuhe, Küssen, Streicheln, Anfassen, miteinander schlafen. Aber ihm war bewusst, dass ihre Beziehung nicht mehr so fest war, wie er gedacht hatte. Es war nicht so, dass sie ihm weniger wichtig war als vorher, nur irgendwas löste sich zwischen ihnen und er wusste nicht was. Er fragte sich, ob sie das auch so sah und ob das der Grund war, warum er sie nicht genug verteidigt hatte und nun nicht zu ihr ging. Schwer seufzend löste er sich von dem Geländer und warf noch einen letzten Blick in den strahlend blauen Himmel, in dem sich nur wenige, weiße Wattewolken tummelten, ehe er sich abwandte und zurück in das Gebäude ging. In seinem und Johns Zimmer angekommen, setzte Bobby sich auf sein Bett und zog die Beine dicht an seinen Oberkörper. Er hatte vermutet, dass John hier sein würde, doch von dem Feuermutanten war nichts zu sehen. Erst nach wenigen Augenblicken erinnerte er sich daran, dass John gesagt hatte, er wolle duschen gehen. Es war seltsam, dass er ausgerechnet in ihr Zimmer zurückgegangen war, wo er doch eigentlich im Moment kaum erpicht darauf sein sollte, John zu sehen. Doch schon auf der Terrasse war ihm klar geworden, dass er lieber wieder mit John konfrontiert werden wollte, als mit Rogue. Lag es daran, dass sein schlechtes Gewissen gegenüber ihr ihm schon Kopfschmerzen bereitete? Er wusste es nicht. Erneut seufzend strich er sich durch seine dunkelblonden Haare. Eigentlich wusste er schon, was der Grund war. Er wollte sich lieber erneut mit John streiten, als sich bei Rogue zu entschuldigen. Und das lag nicht daran, dass das Streiten vermutlich der einfachere Weg sein würde, denn Bobby würde sein schlechtes Gefühl viel lieber durch eine Entschuldigung begraben und sich für ihn typisch aufführen; nämlich so, dass er sowohl mit Rogue als auch John wieder im Klaren sein würde. Sein ewiger Drang eben, es allen recht zu machen. Doch nun stand er vor dem Problem, dass er offensichtlich seine Zeit lieber mit seinem besten Freund, der vermutlich kein bisschen untröstlich über das vorherige Gespräch war, verbringen wollte, als mit seiner Freundin, die ihm vermutlich verzeihen und vorschlagen würde, etwas zusammen zu unternehmen. Sein schlechtes Gewissen gegenüber Rogue verstärkte sich. Wie konnte er nur so denken? Vielleicht war es ja auch normal, dass man sich zu seinem besten Freund stärker gebunden fühlte, als zu seiner festen Freundin, wenn man ihn – so wie in ihrem Fall – schon länger kannte. Immerhin sagten weise Menschen auch „Beziehungen kommen und gehen, aber gute Freundschaften halten ein Leben lang“. Andererseits gab es so viele weise Sprüche, die zwar allesamt richtig waren, aber dennoch nicht in der Realität selten umgesetzt anzutreffen waren. Schließlich verbrachte die Mehrheit aller Menschen in Beziehungen mehr Zeit mit ihrem Partner als mit ihren Freunden, ganz besonders, wenn man „frisch verliebt“ war. Und auch stellte man sich schneller auf die Seite seines Partners, als auf die seiner Freunde, wenn diese kritisch über den Partner urteilten, auch wenn sie eigentlich wussten, dass es falsch war und dies auch später schmerzhaft zu spüren bekamen. Das war dann wohl allgemein die berüchtigte „rosarote Brille“, die man anfangs aufhat und sonst die negativen Seiten des Partners vollkommen ausblenden kann. Oder es war der zwanghafte Drang, in allem nur das Gute zu sehen. Doch Bobby war weder frisch verliebt, noch trug er eine rosarote Brille und auch wenn er stets versuchte, jedem freundlich zu begegnen, gehörte er nicht zu dieser Art von Weltverbesserern, die stets nur das Gute in jedem Menschen sahen, auch wenn zweifellos jeder seine guten Seiten hatte. Und noch dazu war es ja nicht so, dass Rogue eine wirklich schlechte Seite besaß. Sie hatte ihre Macken wie jeder Mensch, aber sie war durchaus liebenswürdig und es gab kaum jemand, der nicht mit ihr auskam. Bobby schüttelte seinen Kopf. Seine Gedanken waren reine Zeitverschwendung und führten zu nichts. Sie nahmen ihm weder sein schlechtes Gewissen gegenüber Rogue noch die Tatsache, dass John ihm anscheinend wichtiger war als sie, was ihm vor über einem Jahr noch anders erschienen war. Vielleicht sollte er sich keine Gedanken darüber machen. Es war ganz normal, in manchen Momenten lieber bei seinem besten Freund zu sein, als bei der festen Freundin. Es war nur sein Gewissen, das störte. Als sich schließlich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und John hinein trat, zuckte Bobby kaum merklich zusammen. Nun stand John in Boxershorts vor ihm und strich sich durch seine noch nassen Haare, schenkte Bobby jedoch nur kurz einen Blick. Es verwunderte Bobby, dass John nichts mehr sagte und nicht noch einen dummen Spruch von sich ließ, sondern schweigend zu seinem Kleiderschrank ging und sich ein T-Shirt heraussuchte. Aber Johns Verhalten war noch nie gradlinig oder einfach zu durchschauen gewesen. Von den zurückgestrichenen Spitzen des braunen Haars fielen noch einige Wassertropfen hinab auf Johns Rücken, auf dem sie sich langsam ihren Weg abwärts bahnten und durch die Sonnenstrahlen, die durch das geschlossene Fenster schienen, wie flüssige, glitzernde Perlen aussahen. Als Bobby bewusst wurde, dass er gerade wirklich auf Johns Rücken starrte, wandte er sich ab und sah schnell auf seine Bettdecke, als wäre die furchtbar interessant, obwohl sie einheitlich blau und ohne Muster war. Was bitteschön war das denn jetzt?!, fragte er sich selbst und hoffte, dass seine Wangen nicht auffällig erröteten. Für ein typisches Vergleichen, um zu sehen „was der andere so hat“, wie Jugendliche das oft in ihrer Pubertät taten, war er doch nun wirklich zu alt. Verwirrt ließ er sich auf seine Matratze sinken und starrte an die Decke. Er hörte, wie John sich neben ihm ebenfalls auf sein eigenes Bett fallen ließ, doch er wagte nicht, hinüber zu sehen. War es normal, dass man beobachtete, wie Wassertropfen über den Rücken eines Freundes kullerten? Nachdenklich biss er sich auf die Lippen. Du solltest nicht so viel nachdenken, Bobby, ermahnte er sich selbst. Du machst dir zu viele Gedanken. Was soll das schon bedeuten? Das ist John. Einfach nur John. Und das waren Wassertropfen auf seinem Rücken. Du hast die Wassertropfen beobachtet. Nicht John. Sie hätten auf jedem Rücken sein können. Also wirklich, das hat bestimmt jeder schon mal gemacht! Ja, das war wohl so. Es gab wohl ein paar dutzend Menschen, die schon mal irgendetwas an einer bekannten oder fremden Person beobachtet hatten, ohne dabei über die Person selbst nachzudenken oder dies auf die Person zu beziehen. Das ist vollkommen normal! Und jetzt denk nicht weiter drüber nach! Doch ein mulmiges Gefühl blieb. TBC So, ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen. Dass Bobby keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hat bzw. sie alle seine Versuche abschmettern, ist übrigens auch eine Information aus dem Buch zum dritten Film. Da wurde das mal kurz erwähnt, dass sämtliche Anrufe und Briefe unbeantwortet blieben bzw. zurückgeschickt wurde, etc. Ich hab mich ja immer schon gefragt, was wohl in der Hinsicht aus Familie Drake geworden ist; ich konnte mich nämlich ganz ehrlich nie wirklich entscheiden. Zum einen konnte ich mir vorstellen, dass zumindest Bobbys Mum doch versucht hätte, irgendwie wieder Kontakt zu bekommen, zum anderen konnte ich mir anhand ihrer Reaktion und der Sache mit John aber auch vorstellen, dass sie eben überhaupt nichts mehr damit zu tun haben wollen. Ist offenbar - der arme Bobby - auch so. Na ja... ihr wisst ja, Kommis, Kritik oder was ihr sonst noch anmerken wollt, ist immer willkommen. Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 5: Verwirrende Gefühle ------------------------------ Tag auch! ENDLICH WIEDER FREITAG. Diesen Tag hab ich seit Montag herbeigesehnt *drop* Auch wenn ich immer finde, dass die Woche unheimlich schnell vergeht, wenn man arbeiten muss ^^" Jedenfalls hab ich in der Zeit auch mal ein neues Kapitel "zusammengezaubert" und auch wenn ich glaube, dass es irgendwie voller Fehler steckt (die ihr bitte übersehen mögt), wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen :) Kapitel 5: Verwirrende Gefühle Zwei Wochen später hatte Bobby sein mulmiges Gefühl bezüglich John und ihrer Freundschaft bereits begraben und dank der menschlichen Fähigkeit, Unangenehmes zu verdrängen, hatte er auch längst vergessen, dass er sich überhaupt Gedanken über seine Beziehung zu John gemacht hatte. Nun ja… fast vergessen. Eher konnte man sagen, er hatte diese Gedanken verdrängt, sodass sie nun im Unterbewusstsein schlummerten und nur darauf warteten, ihn wieder zu plagen, sobald irgendetwas ihn daran erinnern sollte. Bis jetzt war jedoch noch nichts passiert, dass ihn an diese kuriosen Gedanken erinnern könnte und Bobby war froh darum. Im Moment hatte er andere Probleme – und die endeten alle mit einem einzigen Namen: Rogue. Er hatte das Gefühl, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Nicht körperlich, denn sie verbrachten immer noch viel Zeit miteinander. Eher auf der spirituellen Ebene. Schon vor zwei Wochen hatte er erstmals das Gefühl gehabt, dass irgendetwas in ihrer Beziehung nicht stimmte. Und dieses Gefühl war immer stärker geworden. Es war, als hätte jemand ihm die berüchtigte rosarote Brille abgenommen, durch die man den Partner in einem besseren Licht sieht und all seine schlechten Seiten ausblendet, sodass man ihn für das Tollste der Welt hielt. Nur mit dem Unterschied, dass er Rogues schlechte Seiten schon kannte und sie seine ebenso und keiner von ihnen sich verändert hatte – zumindest war es Bobby wenn nicht aufgefallen. Und dennoch schien ihre Beziehung sich zu ändern. Er fragte sich, ob sie das auch so empfand oder ob er allein so dachte. Seufzend lehnte er sich an die Wand des Brunnens, auf dem er mal mit Kitty Schlittschuh gefahren war. Hinter ihm hörte er den Schotter knirschen. Er hoffte, dass es nicht Rogue war, die vom Haus aus auf ihn zukam. Er wüsste nicht, was er ihr sagen sollte, nachdem er gerade so über ihre Beziehung gedacht hatte. Als die Schritte schließlich erstarben und er neben sich große, schwarz-weiße Jungenturnschuhe, unter dem Saum einer grauen, weiten Skaterhose versteckt, sah, war ihm klar, dass es nicht Rogue sein konnte. Es sei denn, sie trug neuerdings Männerkleidung und dann auch noch ausgerechnet die von John. Bei dieser Vorstellung bildete sich ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen. Als er schließlich hochsah, blickte er wie erwartet in Johns Gesicht. Gelangweilt blickten die braunen Augen des Feuermutanten auf ihn hinunter. „Was machst du hier?“, fragte Bobby, denn er hätte nicht gedacht, dass John ihm folgen würde. Aber vielleicht war John auch eher unabsichtlich hier vorbeigekommen und hatte ihn zufällig gesehen. „Ich langweile mich“, antwortete John mit regungsloser Miene und ließ sich neben Bobby auf dem Rand des Brunnens nieder. „Und warum sitzt du hier und starrst in den klaren, blauen Himmel? Wartest du auf Schäfchen-Wolken zum Zählen, oder was?“ Bobby verzog seine Lippen zu einem leicht schrägen Grinsen. „So ungefähr“, meinte er und schwieg für einen Moment, ehe er weiter sprach. „Eigentlich denke ich nur ein wenig nach.“ Sein Blick schweifte wieder über die grünen Rasenflächen des Schulgartens und die Bäume, deren Blätter sich bereits gelblich verfärbten. Doch er merkte, dass Johns Blick immer noch auf seinem Profil ruhte. „Und worüber denkst du nach?“ „Ist nicht so wichtig“, wehrte Bobby schnell ab. Er hatte keine Lust, sich mit John über seine Beziehungsprobleme zu unterhalten, zumal er nicht einmal wusste, ob er und Rogue wirklich ein Problem hatten oder nicht seine Gedanken das einzige Problem waren. „Du denkst zu viel nach, Iceman“, hörte er John sagen und ihm war klar, dass John durchaus bemerkt hatte, dass er schon wieder in diesen Gedanken versunken war. „Vergiss es einfach“, sagte Bobby und er wusste nicht, ob er dabei wirklich so genervt klang, wie es sich in seinen eigenen Ohren angehört hatte. John schnaubte leise. „Mach ich, keine Sorge.“ Langsam stand er wieder auf und Bobby sah, wie seine Hände in die weiten Taschen der Skaterhose wanderten. „Ich geh wieder rein“, meinte er. „Vielleicht läuft ja was Gescheites im Fernsehen.“ Mit gemischten Gefühlen sah Bobby John hinterher. Zum einen war er froh, nun wieder allein zu sein und sich ungestört seinen unbeugsamen Gedanken hingeben zu können. Doch andererseits wäre ein bisschen Ablenkung nicht schlecht gewesen – keiner konnte so gut ablenken wie John, und wenn es nur ein dummer Spruch war, über den man sich wieder aufregen konnte – und außerdem hatte er John nicht so abweisen wollen. Das schlechte Gewissen überrollte ihn wieder, wie so oft. Er mochte keinen Streit oder jede andere, negative Zwischenmenschlichkeit. Das war immer schon so gewesen. Vermutlich würde sich das auch nicht mehr ändern. Wenn er jetzt aufstehen und zu John gehen würde, um sich zu entschuldigen, würde dieser nur sagen, dass Bobby sich nicht immer bei jedem für alles entschuldigen sollte. John würde nie zugeben, dass er wegen etwas eingeschnappt war, geschweige denn, dass etwas ihn verletzt hatte. Und deshalb würde er auch nie eine Entschuldigung annehmen, es sei denn, er regte sich künstlich über irgendeine Lappalie auf und verlangte plötzlich eine Entschuldigung. Bobby schüttelte den Kopf. Er sollte wirklich nicht so viel nachdenken. Dennoch… er hatte für ein paar Sekunden nicht mehr an Rogue und ihre Beziehung gedacht. Wenigstens etwas. Mit einem leichten Lächeln stand Bobby auf und bewegte sich langsam zurück in Richtung Haus. Laut dröhnte die Techno-Musik in Bobbys Ohren, als er dem Barkeeper laut seine Bestellung entgegen schrie und hoffte, dass dieser ihn wenigstens ansatzweise verstanden hatte. Es war Rogues Idee gewesen, mal wieder auszugehen. Er war sich zwar nicht sicher, ob sie dabei nicht eigentlich nur ihn und sich selbst gemeint hatte, doch kaum hatte sie das Wort „feiern“ ausgesprochen, hatten sich prompt nahezu alle älteren Schüler gemeldet, um sich anzuschließen (die Jüngeren hatten es natürlich auch versucht, wurden aber sofort abgewürgt und zurechtgewiesen). Und so kam es, dass er, Rogue, Piotr, Kitty, Syren und (zwangsweise auch) John sich auf den Weg in die Stadt gemacht hatten. Warren und Jubilee hatten nicht mitgewollt – John eigentlich auch nicht, doch Bobby hatte ihn mehr oder weniger überzeugen können (unter dem Versprechen, dass sie bestimmt in eine Bar gehen würde, in der auch Alkohol an Minderjährige ausgegeben wurde). Schließlich hatte Piotr sie vor einer halben Stunde in diesen Club gelotst, in der anscheinend rund um die Uhr gesanglose, ab und zu mit lauten Rufen bestückte Musik aus etlichen möglichen Techno-Genres lief, die Bobby bei der für das Trommelfell schmerzhaften Lautstärke schon jetzt an die Nerven ging. Aber alle anderen, bis auf John, schienen die Stimmung hier zu genießen und hatten sich bereits auf die Tanzfläche verzogen, also würde Bobby niemals sagen, dass es ihm hier nicht so gut gefiel. Sein Blick schweifte nach links und er sah, dass John es sich bereits auf einem Barhocker an der Theke gemütlich gemacht hatte. Oh, es war so klar, dass du dich in die hinterletzte Ecke verdrückst, Johnny… Er gab dem Barkeeper, der gerade dabei war, seine Cola einzuschütten, ein Zeichen, dass er sich ebenfalls in diese mit einer Trennwand von der Tanzfläche abgeschirmte Ecke begebenen würde und ließ sich schließlich nach ein paar Schritten neben John nieder. „Sag mal, hattest du nicht gesagt, wir gehen in eine Bar, in der wir auch Alkohol bekommen können?“, fragte John, kaum hatte Bobby sich neben ihn gesetzt und seine Cola in Empfang genommen. „Das dachte ich ja auch“, verteidigte Bobby sich. Eigentlich hatte er keine Lust, jetzt mit John zu diskutieren. „Aber dann hat Pete eben die Bar hier vorgeschlagen und alle waren einverstanden.“ John rümpfte die Nase. „Klar, der ist ja auch schon einundzwanzig“, murrte er. „Der kann sich ja hier besaufen, bis er keinen Schritt mehr gehen kann.“ Bobby lachte leise über Johns Meckerei, sodass dieser ihn wegen der lauten Musik nicht hören konnte. „Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt. Keiner von uns könnte ihn wirklich stützen, denn der Kerl ist reichlich schwer! Aber komm schon, ist das mit dem Alkohol denn wirklich so schlimm? Wir können doch alle nichts trinken, außer Pete, und die anderen meinten, wir könnten uns auch ohne Alkohol einen schönen Abend machen.“ Doch John schüttelte nur den Kopf und drehte frustriert sein Glas zwischen seinen Händen. „Du hättest mir nicht versprechen sollen, dass wir richtig einen trinken gehen, Bobby-Boy, dann wäre ich nämlich gar nicht erst mitgekommen!“ Bobby rollte die Augen, sagte aber nichts. „Und jetzt sitz ich hier mit ’ner Coke, die ich auch sonst wo hätte haben können“, führte John weiter aus und klang zusehends dramatischer, „und höre mir diese ätzende Musik an. Warum leben wir nicht in Europa? Da ist man schon mit achtzehn Jahren volljährig.“ Bobby lachte und nahm einen Schluck von seiner Cola. „Dafür kannst du da nicht schon mit sechzehn deinen Führerschein machen“, erwiderte er und sah kurz zu Rogue, die ausgelassen mit Kitty tanzte. Zum Glück verstanden die beiden sich mittlerweile wieder besser. Auch wenn Rogue manchmal noch recht genervt reagierte, wenn das Gespräch der beiden Mädchen auf Bobby kam, hatte sie doch im allgemeinen Umgang mit Kitty vergessen oder vielleicht eher verziehen, dass sie und Bobby sich geküsst hatten. „Stimmt“, hörte er John neben sich sagen und dieser trank den Inhalt seines Glases in einem Zug leer. „Aber ich habe eh kein eigenes Auto, mit dem ich durch die Gegend fahren kann, also würde ich die zwei Jahre vielleicht verschmerzen, zumal ich ja jetzt schon neunzehn bin und damit auch in Europa längst meine Lizenz hätte.“ Mit einer groben Handbewegung winkte John den Kellner wieder zu sich und bestellte, mit sichtlich unerfreuter Miene, eine Sprite. Bobby sah dem Kellner nach und stützte sein Kinn in seine Handfläche. „Vielleicht verschmerzt du dann ja auch noch die zwei Jahre, die dich hier von dem exzessiven Alkoholkonsum trennen“, sagte er ironisch und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Johns Gesicht noch weiter in Richtung Missmut verzog, was er eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. „Nein, niemals“, zischte John gereizt und sah seufzend auf die Sprite, die nun vor seiner Nase abgestellt wurde. „Dann bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dich umzubringen. Vielleicht kannst du ja ein bisschen Holz und Stroh stapeln und dich selbst anzünden. Wäre doch ein passender Abgang“, meinte er nicht weniger sarkastisch als zuvor und war sichtlich von John schlechter Laune genervt. „Mensch John, echt, du hörst dich an, als wärst du ein Alkoholiker!“ „Jeder braucht seine Droge“, erwiderte John prompt und nahm einen Schluck von seiner Sprite. „Wodka hat die gleiche Farbe und wäre mir lieber gewesen.“ Auf Johns zweiten Satz gar nicht eingehend, meinte Bobby: „Du hast doch schon dein Feuerzeug.“ Er merkte, wie Johns Blick auf ihn richtete und dieser ihn für einen Moment perplex anblickte, ehe er so laut auflachte, dass Bobby es sogar bei dieser Musik deutlich hören konnte. „Oh man, Bobby… was hast du genommen?“, fragte er, atemlos vom Lachen. Seine Hand wanderte hoch, um durch Bobbys Haar zu wuscheln und dabei den Kopf etwas zu rütteln, während er selbst ungläubig den Kopf schüttelte. Schließlich ließ er seine Hand wieder sinken, wobei seine Finger zufällig Bobbys Wange berührten, ehe er sich wieder seiner Sprite zuwandte. Bobby war glücklich darum, dass John ihn nicht mehr anblickte, denn er spürte die Hitze in seinen Wangen so deutlich, dass er befürchtete, seine Wangen könnten selbst bei dem dämmerigen Licht des Clubs so rot glühen, dass John es bemerkte. Unwillkürlich erinnerte er sich daran, dass er vor wenigen Tagen beobachtet hatte, wie unbedeutende Wassertropfen über Johns Rücken gekullert waren und er dabei fasziniert den Verlauf angestarrt hatte. Er merkte, wie sein Bauch von einen irren Kribbeln beherrscht wurde und er konnte nicht deuten, ob das daran lag, dass er sich an die Tropfen auf Johns Rücken erinnerte oder an Johns Berührungen von eben. Doch eins wusste er, und zwar, dass er dieses Gefühl nicht mochte. Zumindest nicht bei John. Er wunderte sich, warum ihn ein paar Wassertropfen oder eine zufällige Berührung überhaupt interessierten. Erneut breitete sich ein mulmiges Gefühl in ihm aus und er hatte das Verlangen, schnellstens von Johns Seite zu verschwinden. Schnell nahm er noch einen Schluck aus seinem Glas und merkte, als er nach diesem griff, dass seine Hände leicht schwitzig geworden waren. Er stellte es wieder ab und stand auf. Ohne John anzusehen, bat er ihn auf sein Glas aufzupassen, während er „mal kurz“ zu Rogue und den anderen gehen würde und wartete auch gar nicht erst die Antwort des anderen Mutanten ab. Als er bei Rogue und den anderen auf der Tanzfläche ankam, hörte Rogue langsam auf, sich zu bewegen und legte ihre Hände in seinen Nacken. Als sie ihn küsste, schwirrten seine Gedanken noch um John und diese merkwürdigen Gefühle, die er für seinen besten Freund empfand. Es war weit nach Mitternacht, fast schon zwei Uhr, als sich die sechs Mutanten-Schüler wieder auf den Weg zurück zu Xaviers Institut machten. Bobby hatte den restlichen Abend kaum noch in Johns Nähe verbracht und auch wenn dieser ihm manchmal einen skeptischen Blick zugeworfen hatte, hatte er sich nicht anmerken lassen, ob er Bobbys Verhalten in irgendeiner Weise komisch oder gar verletzend fand. Vermutlich war es ihm egal, dachte Bobby und war froh, dass Piotr sich (als Einziger) so sehr betrunken hatte, dass er den zweiten Wagen, mit dem sie hier her gefahren waren, nicht mehr zurückfahren konnte und so John diesen Wagen steuern musste, da die Mädchen befürchteten, Piotr könnte sich während der Fahrt noch übergeben und daher keine Lust hatten, mit diesem in einem Auto zu sitzen. Als sie schließlich nach fast einer dreiviertel Stunde Fahrtzeit wieder in der Schule ankamen, verschwanden alle möglichst schnell in ihre Zimmer, wobei Bobby und John Piotr stützen mussten, damit dieser nicht eine Wand nach der anderen einrannte. Sichtlich geschafft öffnete Bobby die Tür zu ihrem Zimmer und ließ John an sich vorbeihuschen, ehe er selber eintrat. „Wie kann ein Mensch nur so viel trinken wie Peter?“, fragte Bobby sich leise, obwohl er durchaus wusste, dass der kolossale, junge Mann schlucken konnte wie ein Loch, das ewig brauchte um „voll“ zu werden. „Frag mich was Leichteres“, antwortete John ihm, der offenbar gehört hatte, was Bobby gesagt hatte und dachte, dieser würde mit ihm reden. „Eigentlich unfair, dass er sich besäuft, wo wir anderen nicht einmal einen Schluck trinken durften.“ Bobby zuckte mit den Schultern, ehe er sich sein T-Shirt über den Kopf zog. Es stank furchtbar nach Rauch und Alkohol, besonders Bier, obwohl er davon nichts getrunken hatte. Kurz überlegte er, ob er noch duschen gehen sollte, aber die Schüler, deren Zimmer direkt neben dem Bad lag, würden ihn vermutlich morgen dafür killen. Und abgesehen davon hatte er keine Lust, um knapp 3 Uhr nachts über den Flur zu huschen und sich nachher noch in der Tür zu verirren, so müde wie er war. Nachher hielten sie ihn noch für einen Perversen, der nachts in die Zimmer der anderen schlich, um sie beim Schlafen zu beobachten. Kurz schüttelte er den Kopf über seine eigenen Gedanken und zog schließlich seine Jeans aus. Sein Blick schweifte noch einmal zu John, welcher sich aber schon ein frisches T-Shirt übergezogen hatte und nun in seinem Bett lag; die Decke trotz der etwas kühleren Temperaturen nur halb auf der Hüfte hängend. Seine Hose und sein Oberteil lagen – wie immer – zerknüllt vor seinem Bett und am liebsten hätte Bobby sie, weil sie ebenso sehr stanken wie seine eigenen Klamotten, genommen und in den Wäschekorb befördert, aber er ließ es, denn sonst würde John ihn morgen nur korrigieren, dass er keine „Mutter“ bräuchte, die hinter ihm her räumen würde. An den tiefen, leise hörbaren Atemzügen merkte er, dass John schon tief und fest schlief, und das trotz des Cola-Koffein-Konsums den ganzen Abend über. Beneidenswert, dachte Bobby, denn ihm war klar, dass er noch lange brauchen würde, bis sein Körper verstand, dass all das aufputschende Koffein nicht mehr gebraucht wurde und er endlich ausruhen konnte. Lächelnd blickte er auf Johns Gesichts, das ihm zugewandt war und bemerkte nach einiger Zeit, dass das rechte Augenlid zwischendurch immer mal wieder zuckte, als würden die Lider gleich wieder aufgeschlagen werden, was allerdings nicht geschah. Der Brustkorb des Feuermutanten hob sich unter dessen weißen T-Shirt stetig tief und gleichmäßig, während die blassen Lippen sich bei jedem Ausatmen leicht öffneten, nur um sich dann wieder kurz zu schließen. Es war faszinierend, John beim Schlafen zuzusehen. Erneut verspürte Bobby dieses Kribbeln in seinem Körper und bemerkte das Verlangen, eine der braunen Strähnen, die sich Johns Gel-Anklatsch-Frisur nun zu widersetzen schien, wieder aus dem Gesicht des Feuermutanten zu streichen. Fahrig ließ Bobby seine Zunge über seine Lippen gleiten, welche sich merkwürdig trocken anfühlten, ebenso wie seine Kehle und sein Mund. Oft hatte er Rogue in den letzten Wochen ebenso beim Schlafen beobachtet, wenn er selber keine Ruhe finden konnte. Anfangs hatte er auch dieses Kribbeln empfunden, was langsam aber nachgelassen hatte, doch das Lächeln auf seinen Lippen war geblieben. Er wusste, was dieses Kribbeln und dieses fast schon verträumte Lächeln auf seinen Lippen zu bedeuten hatten. Er wusste es ganz genau. Und mit einem Mal verschwand das Lächeln, und auch das Kribbeln, was recht schnell durch ein Gefühl der Übelkeit ersetzt wurde. Unwillkürlich zuckte er zusammen und wandte sich von seinen Freund ab. Das war John Allerdyce, den er schon seit Jahren kannte. Einfach nur John. Nichts Neues, nichts Unbekanntes. Einfach nur John. Die innere Müdigkeit schien ihm einen Streich spielen zu wollen; ja, so musste es sein. Oder vielleicht hatte er einfach nur einen leichten Zuckerschock von der vielen Limonade, die er heute im Laufe des Abends getrunken hatte. Es konnte nie und nimmer das sein, was er dachte, was er befürchtete Das war nicht möglich. Er war mit Rogue zusammen, einem Mädchen, und er liebte sie. Auch wenn wir vielleicht ein paar Probleme haben – genau, diese „Probleme“ mit Rogue, die seine Gedanken beherrschten. Sie machten ihn vollkommen wirr und das war alles. Das musste alles sein. Eine ganz einfache Erklärung. Ja, es musste so sein. Wahrscheinlich würde morgen alles anders aussehen. Aber Bobby wusste, wenn er ehrlich zu sich wäre, dass all das nicht stimmte, denn dieses Kribbeln, das Starren... das war zu oft passiert, um Zufall sein zu können. Doch es war schön, sich einzureden, dass morgen alles anders, besser, sein würde; sich in diese Ausrede, dieses Gedankenspiel, zu flüchten. Auch wenn es ihm trotzdem in dieser Nacht keinen Schlaf bringen würde. TBC Jaaaaah... der arme, arme Bobby *pat* Ist schon ein armes Ding, ne? Habe ich eigentlich schon mal gesagt (bestimmt *drop*), dass ich es total unsinnig finde, dass in den USA die Leute schon mit 16 Auto fahren, aber nach dem Gesetz her erst mit 21 Jahren was trinken dürfen? Meiner Meinung nach sollte man ja eher oder meinetwegen zeitgleich lernen, wie viel man verträgt, bevor man mit dem Auto durch die Gegend düst und sich zu sicher wird... aber na ja. Das hab ich bestimmt schon mal erwähnt ^^" Im Übrigen vielen Dank für ihre Kommis. Die sind natürlich jedes Mal gern wieder gesehen :) Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 6: Zerbrochen --------------------- Tag auch! Da bin ich wieder. Seit ein paar Tagen habe ich wieder Netz und nun kann ich endlich mal dieses Kapitel hochladen. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber im Moment bin ich immer recht lange auf der Arbeit und danach habe ich selten Lust, mich noch hinzusetzen und zu schreiben. Trotzdem danke für die Kommis und viel Spaß beim Lesen :) Kapitel 6: Zerbrochen Schweiß bedeckte seine Stirn und seinen restlichen Körper; ein klebriger, kühlender Film, von dem sich nur ab und zu ein kleines Tröpfchen löste, um auf den Körper unter ihm zu fallen, der jedoch ebenso mit einem feuchten Schweißfilm bedeckt war. Seine leicht zitternden Hände wanderten über die blasse Haut unter ihm, über die schlanken Arme bis hin zu den kurzen, brauen Haaren, während braune Augen ihn liebevoll und begierig zugleich ansahen. Er lächelte leicht, wurde jedoch gleich wieder durch ein Stöhnen seinerseits unterbrochen. Hitze wallte in ihm auf und er wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis er seinen Höhepunkt erreichen würde. Sein Herz pochte wie wild an seine Brust, während er sein Gesicht in die vor ihm freiliegende Halsbeuge drückte, um seine eigenen Laute etwas zu dämpfen. Er schmeckte die salzige Flüssigkeit an seinen Lippen, was ihn jedoch nicht störte, sondern in diesem Moment sogar fast noch anreizender wirkte. „John“, stöhnte er leise und wollte sich wieder etwas aufrichten, um in das Gesicht seines Freundes sehen zu können, als sich der Körper unter ihm plötzlich versteifte. Überrascht blickte er in das Gesicht unter ihm, das nun weiblichere Züge annahm. Das Haar wurde länger, die vorderen Haare wurden weiß. Die braunen Augen blieben, doch sie wurden etwas dunkler und sahen ihn nicht mehr zärtlich und erregt an, sondern mit einer Mischung aus Erstarrung, Wut und Schock. Unvermittelt sah er Rogue in die Augen und hoffte, dass das, was er glaubte, gesagt zu haben, nicht wirklich aus seinem Mund gekommen war. „Ähm… Schatz, alles okay?“, fragte er unsicher und hoffte, dass es irgendeinen anderen Grund für ihren Blick und ihre abwehrende Körperhaltung gab, als das, was er befürchtete. Doch anstatt ihm zu antworten, starrte sie ihn nur ungläubig an. Dann schien sie den Schock, der sie an Ort und Stelle verharren ließ, zu überwinden und drückte ihn bestimmt, fast schon grob von sich. Schließlich drängte sie sich unter ihm vom Bett und hob ihre Kleidung auf. Bobby raufte sich die Haare. Das ungute Gefühl in ihm wuchs, dass er sich Johns Namen, aus seinem Mund gesagt, nicht nur eingebildet hatte. Eigentlich sah er sich durch Rogues Verhaltensweise schon darin bestätigt. „Können… können wir…“, begann er und verfluchte sich selbst, dass seine Stimme plötzlich so heiser und brüchig klang. „Können wir darüber reden?“ Kaum zu glauben, dass er diese vier Worte wirklich plötzlich ohne zu stocken hatte sagen können. Wäre der Zeitpunkt nicht dermaßen unpassend, würde er sich selbst dafür auf die Schulter klopfen, denn so wie sein Herz raste und sein Verstand sich überschlug, hatte er das Gefühl, seine Zunge würde taub in seinem Mund liegen und jedes Wort blockieren, bevor es über seine Lippen kommen konnte. Rogue, die sich gerade hastig ihren Pullover überstreifte, wandte ihren Blick nur kurz zu ihm, ehe sie ihn wieder abwandte, so als könnte sie es nicht ertragen, ihn anzusehen. „Nein“, sagte sie und ihre Stimme klang auf merkwürdige Weise gleichzeitig kalt und doch zittrig. Ohne ihn noch mal einmal anzusehen oder auf ein weiteres Wort von ihm zu warten, begab sie sich zu der Tür, die aus ihrem eigenen Zimmer führte. Doch ehe sie die Klinke herunterdrückte, hielt sie inne. „Nicht jetzt“, sagte sie so leise, dass Bobby sie kaum verstanden hatte. Er merkte, wie sie tief durchatmete. Ihre Stimme wurde wieder etwas gefasster. „Wir müssen darüber sprechen, aber nicht jetzt. Ich werde ein bisschen im Garten spazieren gehen und wenn ich wieder komme… bist du aus meinem Zimmer verschwunden, okay?“ Bobby nickte, auch wenn sie es nicht sehen konnte. Aber ihm war klar, dass sie wusste, dass er sie verstanden hatte. Während Rogue das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss, griff er nach seiner Kleidung. Verdammte Scheiße! Kaum war Rogue aus dem Raum gegangen, hatte Bobby sich auch schon angezogen und war so schnell wie es ihm möglich gewesen war aus dem Zimmer verschwunden. Keine Sekunde länger hätte er in diesem Raum sein wollen. Seufzend lehnte er nun an der Innenseite der Tür seines eigenen Zimmers und atmete tief durch. Er fühlte sich miserabel. Nie hätte er gedacht, dass ihm so etwas mal passieren könnte. Immer, wenn solche Situationen in Filmen gezeigt wurden, hatte Bobby es für unmöglich gehalten, dass ein Mensch vergessen konnte, mit wem er schlief bzw. sich dabei jemand anders vorstellen konnte. Doch nun war es ihm selber passiert. Und zwar ohne dass er es bemerkt hatte. Fast so, als hätte sein Hirn sich selbstständig gemacht und ihn mit Bildern gefüttert, die er anscheinend lieber sehen wollte. Eine Gänsehaut überkam ihn, als er an Johns verschwitztes, erregt blickendes Gesicht zurückdachte, das in Wahrheit nur ein Trugbild gewesen war. Er schluckte. Er konnte nicht einmal einordnen, ob er eine Gänsehaut bekam, weil er es selbst so anregend empfand oder weil es ihn gruselte, dass er überhaupt an so etwas in Bezug auf John gedacht hatte. Doch wer ihm mehr Leid tat, als er sich selbst – und er tat sich selbst, wenn er ehrlich war, wirklich sehr Leid – war Rogue. Sie hatte einfach nicht verdient, so verletzt und beschämt zu werden, nur weil er… ja, weil er sich in letzter Zeit ganz offensichtlich mehr zu John hingezogen fühlte. Er hatte ihr nie wehtun wollen. Selbst wenn sie sich getrennt hätten, hätte er versucht, es ihr so schmerzlos wie möglich beizubringen. Der Schuss war nun aber offensichtlich nach hinten losgegangen. Er hatte wohl kaum noch Gelegenheit, ihr schonend beizubringen, dass er an ihrer Beziehung zweifelte und dass es ihn sich merkwürdiger Weise zu John hinzog. Er wusste nicht einmal, ob er ihr es überhaupt jemals gesagt hätte. Zumindest hatte er noch keinen Plan gefasst, das zu tun. Doch jetzt fühlte er sich mehr als schuldig. Er versuchte sich auszumalen, wie Rogue sich nun fühlen musste, doch immer, wenn er auch nur ansatzweise soweit kam, sich dies auszumalen, überwog ihn wieder eine Welle von Schuldgefühlen und Selbstmitleid. „Verdammte Scheiße“, murmelte er leise und ließ sich an dem Türblatt nach unten auf den Boden sinken. Niemand würde hier reinkommen können, solange er hier sitzen würde. Und das war ihm ganz recht so, denn er wollte auch niemanden sehen. Dennoch würde Rogue wissen, dass er hier sein würde und wenn sie mit ihm sprechen wollte, konnte er sich selbst kaum verleugnen. So sehr er auch vor einem Gespräch flüchten wollte, wusste er doch, dass es besser war, es jetzt schnell hinter sich zu bringen, als es tagelang vor sich her zu schieben. Genauso wenig konnte er John den Eingang in das eigene Zimmer versperren. Vermutlich würde dieser eher die antike Holztür in Flammen setzen und sich so Zutritt verschaffen, als sich aussperren zu lassen. Erneut überkam Bobby ein ungutes Gefühl. John wollte er nun wirklich nicht sehen. Er wusste nicht, ob er dem Feuermutant überhaupt in die Augen blicken können würde. Vermutlich nicht. Zu sehr schämte er sich für das, was er sich vorgestellt hatte. Nicht nur, weil es sein bester Freund war, sondern auch weil John ein Mann war. Niemals zuvor hatte er bei so etwas an einen Mann gedacht. Und irgendwie widerstrebte es ihm selbst, dass er es nun tat. Er erinnerte sich noch gut daran, als er das erste Mal bemerkt hatte, dass er über Kräfte verfügte. Damals war er 12 Jahre alt gewesen. Anfangs hatte er sich sehr darüber erschrocken, Gegenstände nach seinem Willen einfrieren lassen zu können. Eigentlich hatte er sogar ein kleinwenig Angst vor sich selbst gehabt. Ein Kleinwenig? Total! Er hatte einfach nur normal sein wollen. Wie jedes Kind in seiner Schule in Boston. Er hatte damals an Superhelden wie Spider-man gedacht und obwohl er manchmal gerne Comics darüber gelesen hatte, wollte er nicht so sein wie sie. Schlagartig musste er an ’Brokeback Mountain’ denken. Und obwohl ihm die beiden Cowboys durchaus Leid getan hatten, als Rogue ihn gezwungen hatte, diesen Film mit ihr, Kitty und Piotr zu gucken, hatte er niemals gedacht, dass ihm so etwas passieren könnte. Und gewollt hatte er es schon gar nicht. Warum konnte er nicht normal sein? Das war doch alles, was er wollte. Es reichte schon, dass er ein Mutant war, auch wenn er diesen Umstand mittlerweile in vielen Lebenslagen praktisch fand. Aber sollte er jetzt auch noch ein schwuler oder wohl eher bisexueller Mutant sein? Für die pubertäre Ausprobier-Phase war er doch wohl definitiv zu alt. Verzweifelt raufte er sich die Haare. Warum musste das Leben so unfair sein? Tropfend stieg Rogue aus der Dusche des Mädchen-Duschraums auf ihrem Flur und band sich schnell ein langes, breites Handtuch um, ehe sie ihre nassen Haare mit einem Haargummi zu einem Knoten zusammenband. Zunächst hatte sie einfach nur aus ihrem Zimmer gehen wollen, weg von Bobby, ohne ein Ziel. Doch dann war ihr klar geworden, dass sie keine Sekunde länger diese leichte, klebrige Schweißschicht und den Gedanken von seinen Händen auf ihrer Haut ertragen konnte. Sie hatte einfach alles von sich wegspülen wollen. Innerlich wie äußerlich. Doch abgesehen davon, dass sie nun frisch geduscht roch und körperlich rein war, hatte ihr die Dusche nicht viel gebracht. Noch immer spürte sie seinen Körper an sich, was sie eigentlich eher angeregt hätte, würde sich damit verbunden nicht automatisch wieder Johns Name, gestöhnt aus Bobbys Mund, in ihre Erinnerung setzen. Sie konnte kaum leugnen, schon gar nicht vor sich selbst, wie verletzt und zurückgewiesen sie sich fühlte. Und das, obwohl sie in den letzten Wochen das Gefühl gehabt hatte, ihre und Bobbys Beziehung würde nicht mehr richtig laufen. Sie konnte nicht genau bestimmen, was es war, doch sie hatte eine leise Ahnung. Es war schleichend gekommen, doch sie hatte selbst bemerkt, wie ihre Gefühle für Bobby langsam, aber stetig abgeschwächt waren. Natürlich empfand sie auch jetzt noch viel für ihn, mehr als nur für einen Kumpel. Doch es war nicht mehr dieses Kribbeln vorhanden, dass sie sonst immer bei ihm gespürt hatte und auch fühlte sie sich nicht mehr vollkommen ausgefüllt, wenn sie zusammen waren. Dennoch hatte sie es nicht gewagt, mit ihm darüber zu reden. Sie hatte ihn schon oft, bevor sie sich hatte heilen lassen, in den Ohren gelegen, dass ihr irgendetwas fehlte und ihm sogar bei Kitty unterstellt, wie alle Männer nur an Sex zu denken und sie vielleicht zu hintergehen, weil sie ihm das nicht bieten konnte. Und so hatte sie jetzt nicht undankbar erscheinen wollen, denn er hatte all die Zeit zu ihr gehalten und sie nicht ein einziges Mal betrogen – wenn man den Kuss mit Kitty mal ausnahm, aber den zählte sie mittlerweile schon gar nicht mehr und ein Betrug war es eh nicht gewesen. Doch jetzt… nun dachte er beim Sex an jemand anderen. Und auch wenn sie selbst nicht mehr so viel für ihn empfand, wie sie es eigentlich müsste, verletzte es sie, dass er sie offenbar nicht einmal mehr ansprechend genug fand, um bei so etwas nur an sie zu denken. Und dann ausgerechnet John. Nicht, dass John ein schlecht aussehender Kerl war. Auf seine Art und Weise sah er sogar ganz gut aus. Er hatte eine gewisse Art von Charme und Ausstrahlung, zumindest solange, wie er seinen Mund hielt und nicht entweder die Macho- oder Arschloch-Tour rauskehrte. Hätte irgendjemand anders, z.B. Syren, ihr gesagt, dass sie auf John stände, hätte sie es irgendwie sogar verstehen können. Aber Bobby? Nicht nur, dass er selbst auch ein Junge war, so hätte sie von Bobby nie gedacht, dass dieser mal auf das eigene Geschlecht und dann auch noch gerade auf John stehen würde. Sie atmete tief durch und ließ das Handtuch wieder sinken, um ihre Unterwäsche anzuziehen. Vermutlich würde sie das alles nicht mal stören, wenn sie nicht zusammen wären. Sie seufzte leise. Sie würde mit Bobby sprechen müssen. Sie wollte dies nicht ungeklärt lassen, auch wenn sie sich jetzt am liebsten bei Logan verkrochen hätte. Dabei wusste sie nicht einmal, ob dieser überhaupt im Haus war. Schnell zog sie das Gummi aus ihrem Haar. Sie würde sich beeilen und dann mit Bobby sprechen; so hatte sie es wenigstens bald hinter sich. Es dauerte nur wenige Minuten – Bobby kam es vor, als wären es nur Sekunden gewesen – bis jemand versuchte, die Tür von außen zu öffnen und damit das Türblatt unsanft gegen Bobbys Rücken schob. Er schluckte hart, dachte jedoch nicht daran, sich zu bewegen. Irgendwie fühlte er sich wie versteinert. Wer auch immer da draußen war, es würde sicher jemand sein, den er jetzt nicht sehen wollte. „Was für eine Scheiße“, hörte er eindeutig Johns Stimme auf der anderen Seite der Tür, die sich nur einen zentimeter-dicken Spalt geöffnet hatte, fluchen. „Bobby, bist du da drin? Warum klemmt die Scheißtür?“ Er bemerkte wie John sich stärker gegen die Tür lehnte und er wusste, dass er alles nur noch schlimmer machte, wenn er John nicht in ihr gemeinsames Zimmer ließ. Doch er wollte ihn nicht sehen. Nicht jetzt schon. Das Türblatt knallte härter gegen seinen Rücken, sodass Bobby nur mühsam ein schmerzvolles Zischen unterdrücken konnte. Er hatte keine Wahl. Holprig stand er auf und entfernte sich schnell von der Tür. John, der abermals viel Kraft hatte aufwenden wollte, um die Tür zu öffnen, flog durch den eigenen Schwung, der nun nicht mehr abgefangen werden konnte, fast in das Zimmer hinein. Kaum hatte er sich gefangen, blickte er verwundert von der Tür zu Bobby. „Was war mit dem Ding los?“ Offenbar nahm er an, dass die Tür wirklich geklemmt hatte und Bobby nur in der Nähe stand, weil er sie von der Innenseite geöffnet hatte. Bobby beschloss, ihn in dem Glauben zu lassen. „Keine Ahnung“, meinte er. „Als ich vorhin rein kam, war das noch nicht.“ Aus den Augenwinkeln sah er eins von Johns alten, zerkratzten Feuerzeugen auf dem Boden liegen. Die Rettung! „Das lag vor der Tür. Vermutlich hat es sich dann zwischen Schwelle und Türblatt verklemmt“, sagte er schließlich schnell und zuckte mit den Schultern. Ohne ein Wort zu sagen, bückte John sich und nahm das Feuerzeug in die Hand. „Tja…“, sagte er lang gezogen. „Vielleicht sollte ich doch mal wieder aufräumen.“ Würde er nicht innerlich zittern und sich furchtbar unwohl in Johns Nähe fühlen, hätte Bobby jetzt laut aufgelacht. John war und blieb ein Chaot und dass er dies jetzt endlich selbst einsah, grenzte fast an ein Wunder. Doch in diesem Moment bekam Bobby gerade mal ein schiefes Lächeln zustande. Johns Gegenwart ließ ihn noch mehr verzweifeln und obgleich sein Herz so schnell schlug, als hätte er einen Sprint hinter sich, hatte er gleichzeitig das Gefühl, ein schwerer Bleiklotz würde darauf liegen. Nur kurz wagte er es, den Blick zu heben und zu John zu gucken, welcher nun weiter in Richtung seines Bettes ging. Von dem Gesicht des Feuermutanten sah er gerade mal etwas mehr als das Profil. Doch das genügte schon, um Bobby heißes Blut in die Wangen schießen zu lassen. Dass er sich wirklich dieses Gesicht lustvoll blickend und verschwitzt vorgestellt hatte, ließ seinen Hals trocken und schmerzhaft rau werden. Schnell senkte er seinen Blick wieder, als er bemerkte, dass John sich halb zu ihm umdrehte, um die Schublade in seinem Nachttisch zu öffnen. „Wolltest du nicht eigentlich den Nachmittag mit Rogue verbringen?“, hörte er schließlich John sagen und merkte, wie dieser sich auf sein Bett setzte. Bei dem Gedanken an Rogue und ihrem Namen aus Johns Mund wurde ihm schlagartig wieder bewusst, wie sehr er sie verletzt hatte. Nicht, dass er dies auch nur für seine Sekunde wirklich vergessen hatte. Es war über Johns Auftauchen nur etwas in den Hintergrund geraten. Das schlechte Gewissen nagte erneut an ihm. „Hat sich was geändert“, presste er mühsam heraus und hoffte, dass John nicht weiter fragen würde. Eigentlich war es nicht mal gelogen. Es hatte sich tatsächlich viel geändert, auch wenn John vermutlich eher davon ausging, dass sich nur der Tagesablauf, den er und Rogue geplant hatten, geändert hatte. „Das heißt, ihr geht heute Abend nicht aus?“ Ein weiterer Stich. Warum musste John einem auch jedes Detail aus der Nase ziehen? Aber so war es ja immer schon gewesen. Und dabei eher weniger auf neugierige Art und Weise, sondern eher auf spöttische, bedrängende. Bobby fühlte sich schlecht. Am liebsten würde er sich übergeben. Oder zumindest fühlte sich sein Magen so verkrampft an, dass er alles Essen sicher am liebsten loswerden würde. „Vermutlich nicht“, sagte Bobby, auch wenn er sich ganz sicher war, dass er und Rogue heute Abend nicht mehr zusammen weggehen würden. Wenn sie überhaupt jemals wieder etwas miteinander unternehmen würden. Dass er sie als feste Freundin verloren hatte – das war ihm klar. Denn selbst wenn sie ihm das verzeihen würde – und er könnte sie gut verstehen, wenn sie das nicht tun würde – wäre für ihn klar, dass ihre Beziehung kaum noch einen Sinn hatte. Das hatte er in den letzten Wochen gemerkt und dass er jetzt, während er mit ihr schlief, an jemand anders dachte – er versuchte vehement zu verdrängen, dass dieser Jemand gerade im selben Raum war – bewies, dass er nicht mehr genug für sie empfand. Doch noch bevor John eine weitere Frage stellen konnte, hörten die beiden jungen Männer ein Klopfen an der Tür, die sich Bruchteile einer Sekunde später auch öffnete, ohne dass einer von ihnen etwas gesagt hatte. Wie Bobby befürchtet hatte, stand Rogue im Türrahmen. Sie sah frischt geduscht aus und an ihrem recht neutralen Gesichtsausdruck hätte niemand sehen können, dass sie etwas bedrückte. Doch Bobby wusste, dass dies nur Fassade war. „Kannst du mal eben mitkommen?“, fragte sie an Bobby gerichtet und er war sich sicher, dass nur er merkte, dass sie wenige Millimeter an ihm vorbeiblickte. Am liebsten hätte er „Nein“ gesagt, doch er wollte nicht mit ihr streiten. Das hatte sie nicht verdient. Er nickte nur wortlos und ging ihr langsam hinterher, als sie sich wieder von der Tür entfernte. Doch er merkte, wie Johns Blick skeptisch auf seinem Rücken ruhte. Stillschweigend folgte Bobby Rogue, wohin auch immer sie mit ihm gehen wollte. Mit jedem Schritt jedoch sank sein Herz wie von einem Bleiklotz gezogen weiter nach unten. Der Drang, einfach umzukehren und wegzulaufen, war stetig da, doch er wusste selbst, dass er das nie tun würde. Verdutzt folgte er ihr in den Aufzug, der nach unten zu den Trainings- und Ausrüstungsräumen, sowie Cerebro und dem Labor führte. Er wusste ebenso gut wie sie, dass man im oberen Bereich der Schule immer Gefahr lief, dass jemand in ein Zimmer rein kam und Syren, die sich mit Rogue ein Zimmer teilte, würde sicherlich auch bald aus der Stadt zurückkommen. Aber an einem Sonntag wie heute würde sich unten im Keller keiner aufhalten, seit Scott und Jean nicht mehr lebten. Storm hielt sich meist oben im Direktorenbüro auf, Logan war momentan unterwegs. Früher war Jean oft im Labor gewesen und Scott als kleiner Workaholic hatte manchmal sogar sonntags an einigen technischen Ausrüstungen oder am Jet gebastelt. Ohne die beiden war es im Keller praktisch wie ausgestorben. Als die Aufzugtüren sich öffneten, trat Rogue als Erste heraus und Bobby hatte fast das Gefühl, dass sie es möglichst eilig hatte, den engen Raum, den sie ein paar Sekunden mit ihm hatte teilen müssen, zu verlassen. Verdenken konnte er es ihr nicht. Nach ein paar Schritten jedoch hielt sie wieder an und setzte sich auf eine kleine Aushöhlung in der Wand. Bobby blieb aus Anstand einige Schritte vorher stehen. Nun, wo sie nicht mehr liefen, schien die Stille zwischen ihnen noch drückender zu sein. „Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll“, begann Rogue, doch Bobby – überrascht von sich selbst – unterbrach sie recht schnell. „Es tut mir Leid“, sagte er und schaffte es nicht, sie dabei anzusehen. „Ich hab keine Ahnung, wie das passieren konnte.“ Rogue sah auf und blickte zu ihm, ehe sie sich wieder der Wand ihr gegenüber zuwandte. „Ich denke, das weißt du durchaus.“ Ihr Ton war schneidend und verletzt. Bobby fühlte sich, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. „Wir sollten ehrlich reden“, sagte sie schließlich ruhiger und wesentlich leiser. Bobby nickte. Nervös strich Rogue sich durch die Haare, nahm schließlich eine ihrer vorderen, fast weißen Strähnen und drehte sie um ihren Zeigefinger, nur um sie wieder locker in Kringeln ausschwingen zu lassen. „Es geht nicht nur um das, was heute passiert ist“, begann sie erneut und es schien, als würde sie durch ihre eigenen Worte zusammenzucken. „Ich hatte schon seit längerem das Gefühl, dass…“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippen. Doch Bobby hatte das Gefühl, er wusste genau was sie sagen wollte. „Dass irgendetwas sich verändert hat?“, fragte er leise und erschrak etwas darüber, wie sehr seine Stimme zitterte. Rogue nickte nur. „Unsere Beziehung ist nicht mehr so wie früher“, meinte sie und sprach damit das aus, was Bobby die letzten Wochen gedacht hatte. „Und ich denke, es hat angefangen, als ich mich habe heilen lassen.“ Bobby schwieg und überlegte kurz. Er hatte nie einen bestimmten Zeitpunkt festmachen können, ab wann sich ihre Beziehung verändert hatte bzw. ab wann seine Gefühle für Rogue nachgelassen hatten. Aber er war sich sicher, dass dieser Zeitpunkt ungefähr hinkommen könnte. „Meinst du, dass das der Grund war?“ Rogue schüttelte den Kopf. Bobby sah sie verwirrt an. „Der Grund nicht unbedingt“, sagte sie und zog eins ihrer Beine hoch, um ihre Arme darum zu schlingen und ihr Kinn auf das Knie zu stützen. „Vielleicht war es auch schon viel früher so, wie wir es jetzt empfinden und wir haben es nur nicht gemerkt.“ „Was meinst du?“, fragte Bobby, der ihr nicht ganz folgen konnte. Natürlich hatten sie auch schon vorher ihre Differenzen und Probleme gehabt, aber er hatte damals nicht so wie jetzt gedacht, dass er zu wenig für sie empfand. „Alle Probleme, die wir damals hatten und alles, was zwischen uns nicht richtig lief, haben wir auf meine Kräfte geschoben“, erklärte sie und ihre Stimme klang ernst und einsichtig zugleich. „Immer, wenn wir unzufrieden mit uns waren, haben wir es darauf geschoben, dass wir uns nicht berühren konnten. Wir haben einfach gedacht, das wäre das einzige Problem und wenn ich geheilt wäre, würde alles super sein. Und das war es ja auch… für eine kurze Zeit. Aber ich denke, mittlerweile wissen wir beide, dass es nicht genug ist.“ Mit ’es’ meinte sie eindeutig ihre Gefühle zueinander. Bobby verstand langsam, was sie meinte. „Vermutlich hast du Recht“, gab er zu und lehnte sich seufzend gegen die Wand. „Aber ich war nicht nur aus Mitleid mit dir zusammen und hab auch nicht nur zu dir gehalten, weil du unberührbar warst und ich dachte, ich könnte dich deshalb nicht verlassen.“ „Das habe ich auch nicht behauptet“, gab Rogue zurück und hörte sich ein wenig beleidigt an. „Hat sich aber so angehört“, erwiderte Bobby und ließ sich auf den Boden sinken. Er hatte viel zurückgesteckt die letzten Jahre und oft ihre Launen über sich ergehen lassen müssen, wann immer sie unzufrieden mit sich und ihrer Beziehung und der Tatsache, dass sie niemanden berühren konnte, gewesen war. „Ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, beleidigt zu sein, Bobby“, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. Bobby schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß durchaus, dass ich Mist gebaut habe…“, sagte er. „Trotzdem bin ich nicht allein Schuld, dass wir jetzt hier sitzen.“ Rogue seufzte hörbar und stand auf. „Badest du gerade im Selbstmitleid, Bobby?“, fragte sie ihn und klang genervt. „Mit welchem Wort habe ich behauptet, dass du an allem Schuld bist? Mit keinem einzigen. Du interpretierst meine Worte so, wie du sie gerade hören willst. Ich könnte ja jetzt auch mal anfangen, zu interpretieren, warum du Johns Namen rufst, anstatt meinen, denn ich denke, ich habe gerade wesentlich mehr Recht auf dich sauer zu sein, als du auf mich! Ich weiß durchaus, dass ich nicht immer einfach gewesen bin, aber tu nicht so, als wärst du der Einzige, der verletzt ist!“ Bobby zuckte zusammen. Mit jedem Wort war Rogue ein wenig lauter geworden. Die Erinnerung daran, dass er vorhin Johns Namen gerufen hatte, aus ihrem Mund zu hören, tat noch mehr weh, als seine Gedanken, die ihn stetig daran erinnerten. „Also dann ist es jetzt vorbei?“, fragte er leise und konnte nicht umhin, das Ende ihre Beziehung trotz allem als schmerzhaft zu empfinden. Rogue musste hart schlucken. Ihr war anzusehen, dass sie verletzter war, als sie zugeben würde. „Ich denke schon.“ „Nur wegen der Sache mit John?“ Rogue schüttelte den Kopf und ließ sich neben Bobby auf den Boden sinken. „Nein, nicht nur deswegen“, antwortete sie leise. „Wir wissen doch beide, dass wir nicht mehr genug empfinden, um die Beziehung weiterzuführen, oder nicht?“ Bobby nickte leicht. Ja, das war ihm durchaus bewusst und wenn er ehrlich war, dann war es das auch schon länger. „Sonst hätte ich dir das mit John wahrscheinlich verziehen“, gab sie leise zu und wirkte nun wesentlich entspannter als zuvor. „Auch wenn es mich verletzt hat.“ „Es tut mir Leid“, wiederholte Bobby erneut, doch diesmal sah er sie an. Ihre braunen Augen sahen ihn nicht mehr so wütend aus, wie vor wenigen Minuten, doch er bemerkte, dass sie sich tapferer gab, als sie war. „Aber vielleicht hättest du mich ja auch trotzdem nicht mehr gewollt“, meinte sie schließlich und ein leicht schräges Lächeln huschte über ihre Lippen. „Was ist das mit dir und John?“ Leicht erschrocken über die Frage wandte Bobby den Blick wieder ab. „Zwischen mir und John ist gar nichts“, sagte er prompt und merkte zu spät, wie verbittert er dabei klang. „Er weiß nicht mal etwas davon und ich… ich hab keine Ahnung, was mit mir los ist. Ich komm mir vor, wie in einer schlechten Comedy, in der der Prinz zu spät merkt, dass seine Prinzessin auch ein Prinz ist.“ Er hörte Rogue neben sich auflachen. „Hat er denn auch ein rosa Kleidchen getragen?“, stichelte sie und schien gar nicht aufhören zu können zu lachen. „Hör auf damit“, meinte Bobby gequält. „Das ist nicht lustig.“ Er merkte, wie sie eindeutig versuchte, ihr Lachen zu unterdrücken, doch das gelang ihr nicht vollkommen. „So schlimm?“ Bobby nickte nur, auch wenn er nicht genau wusste, was sie meinte. Aber er fand im Moment alles an dem Thema ’John’ schlimm, von daher war es zumindest nicht gelogen. „Liebst du ihn?“ Bobby zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Eigentlich weiß ich gar nichts mehr.“ Rogue legte ihm kurz die Hand auf die Schultern, stand dann aber wieder auf. Bobby tat es ihr gleich. Ehe sie einen Schritt machen konnte, hatte er seine Arme um sie gelegt. „Denkst du, wir können wenigstens wieder Freunde sein?“, fragte er leise. Rogue verspannte sich leicht in seinen Armen, stieß ihn aber dennoch nicht weg. „Ich denke schon. Es wäre zumindest schön.“ TBC So ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Der arme Bobby ^^" - Aber ich kenne wirklich jemanden, dem das mal passiert ist und ihm sei hiermit gesagt, dass ich ihn auf alle Zeit bemitleiden (und auslachen) werde. Aber na ja... Dinge passieren. Allerdings hab ich im Nachhinein das Gefühl, dass diese Szene zu abrupt bzw. zu früh passiert ist und auch denke ich, merkt man im Kapitel vielleicht nicht unbedingt, dass wieder einige Tage/Wochen vergangen sind. Na ja... nichts ist perfekt. Ich hatte keine Lust mehr, es umzuändern. Ägern tut es mich trotzdem... ^^" Wenn ihr möchtet, könnt ihr gerne wieder einen Kommi hinterlassen. Vielleicht wollt ihr mir ja zustimmen, dass das alles wirklich zu früh war. Oder ihr überzeugt mich vom Gegenteil oder zumindest davon, dass es nicht schlimm ist *lol* Bis zum nächsten Kapitel, das - in der Hoffnung auf weniger Überstunden - vielleicht etwas schneller als dieses hier kommen wird, motte Kapitel 7: Der Tag danach ------------------------- Halli hallo hallöchen... ENDLICH GESCHAFFT! Es tut mir wirklich Leid, dass ich zwei Monate nichts mehr hochgeladen habe. Irgendwie habe ich es nie geschafft, zum Schreiben zu kommen. Zum einen fehlte die Zeit, zum anderen die Lust. Aber ich denke, dafür ist das Kapitel etwas länger geworden, als geplant, also hat es doch sein Gutes. Ich bedanke mich also noch mal für all die Kommis bisher und hoffe, dass ihr auch diesmal Spaß beim Lesen habt :) Kapitel 7: Der Tag danach Als Bobby einige Minuten später wieder zu seinem und Johns Zimmer zurückkehrte, fühlte er sich ein wenig erleichtert. Er hätte nicht gedacht, dass Rogue so einsichtig und vor allem auch vergleichsweise verständnisvoll sein würde. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn anschreien und ihm Vorwürfe machen würde. Doch offensichtlich hatte sie die letzte Zeit ebenso über ihre Beziehung gedacht, wie er, und eingesehen, dass sie einfach nicht mehr genug empfanden, um ihre Liebe aufrecht zu erhalten. Dennoch fühlte es sich merkwürdig an, nun nach so langer Zeit von ihr getrennt zu sein; zu wissen, dass es zwischen ihnen nie wieder so werden würde, wie vorher. Mit einem Mal kam ihm Rogues Verhalten merkwürdig vor und er war sich nicht mehr sicher, ob sie das, was sie gesagt hatte – dass sie ihm verzeihen würde – wirklich ernst gemeint hatte. Er kannte sie zu gut, um zu wissen, dass sie den Schmerz, den sie vielleicht als Schwäche und Demütigung empfand, nicht zeigen konnte. Vielleicht waren die Worte, die vor wenigen Minuten aus ihrem Mund gesprudelt waren, nur zum Schutz ihrer selbst gewesen. Mit einem Mal verschwand das Gefühl der Erleichterung und erneut erdrückte ihn das Gefühl, einen Betonklotz auf seiner linken Brust liegen zu haben. Immer mehr verankerte sich der Verdacht, Rogues Worte seien nur Fassade gewesen, in seinem Kopf. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie wirklich weniger wütend auf ihn war, als er es an ihrer Stelle wäre. Er hatte zwar bemerkt, dass sie sich tapferer gab, als sie es gewesen war und auch, dass sie ihm noch nicht gänzlich verziehen hatte und doch war sie seiner Meinung nach zu versöhnlich gewesen. Er zweifelte nicht daran, dass sie meinte, was sie sagte und war sich sicher, dass sie selber auch daran glaubte, doch seine innere Stimme sagte ihm, dass sie sich nur selbst betrog. Vielleicht war ihr dies noch gar nicht so bewusst. Vielleicht aber auch hatte sie einfach nicht so viel für ihn empfunden, wie er gedacht und gehofft hatte. Überraschender Weise merkte er, wie dieser Gedanke ihm trotz ihrer Trennung einen kleinen Stich versetzte. Bobby, du solltest aufhören nachzudenken, ermahnte er sich selbst. Du kannst nichts tun, um zu ändern, was passiert ist. Dennoch tat es ihm Leid, wie schrecklich er sie gekränkt haben musste. Sie selbst, ihre Weiblichkeit, ihre Gefühle. In einem erneuten Versuch, seine Gedanken loszuwerden, schüttelte er den Kopf, als hoffte er, sie würden so hinausfliegen und ins Nichts verpuffen. Schließlich trat er in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie John auf der etwas breiteren Fensterbank saß und hinaus schaute, wobei er sich bei der Dunkelheit draußen und dem hellen Licht drinnen wohl hauptsächlich nur selbst widergespiegelt sehen konnte. Ohne etwas zu dem Feuermutanten zu sagen, drehte Bobby ihm den Rücken zu. Wenn es jemanden gab, auf dessen Gesellschaft er gerade überhaupt nicht erpicht war, dann war es John. Zu sehr erinnerte ihn sein Freund an das, was zwischen ihm und Rogue passiert war und ebenso sehr an die Gefühle, die er sich zwar eingestanden hatte, aber deshalb noch lange nicht haben wollte. Doch er konnte nicht verhindern, dass John ihn ansprach. Mit welcher Begründung sollte er das auch tun. „Hey“, erwiderte er leise und betont emotionslos den Gruß des Feuermutanten und versuchte sich eine Beschäftigung zu suchen, die es rechtfertigte, dass er mit dem Rücken zu ihm stand. Ohne irgendetwas von dem sich darin befindenden Inhalt zu wollen, zog er die oberste Schublade seines Nachttischchens auf. „Na, alle Beziehungsstreitigkeiten erledigt?“ Johns Frage war wie ein Stich direkt ins Herz und Bobby hatte um ein Haar erschrocken aufgekeucht, konnte den Laut jedoch gerade noch zurückhalten und tat so, als hätte er sie nicht gehört. Er hörte wie John von der Fensterbank rutschte und einige Schritte Richtung Raummitte ging. „Hat die kleine Ex-Miss-rühr-mich-nicht-an-sonst-bist-du-tot dich so zur Schnecke gemacht, dass du jetzt taub bist? Ich hab ja immer schon gesagt, die Kleine ist viel zu hysterisch… das Gesicht, das sie gezogen hat, als sie hier rein gekommen ist. Hat die ihre Tage oder-?“ Weiter kam John nicht, als Bobby – der das Gefühl hatte, mit jedem Wort würde ihm schlechter werden – die Hände zu Fäusten ballte und sich umdrehte. „Verdammt John, halt deine Schnauze“, fuhr er ihn an und sah ehrliches Erstaunen in den braunen Augen, die sich leicht vergrößerten, aufblitzen. Noch nie hatte er John derart angeblafft – oder zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Normalerweise lag es eher an John, schnell aufbrausend zu werden und Bobby war stets der ruhigere Part von ihnen gewesen. „Wir sind nicht mehr zusammen“, setzte er schließlich leise hinzu und wählte bewusst diese Formulierung, um nicht festzulegen, wer von ihnen beiden die Beziehung beendet hatte oder gar um John einen Grund zu geben, nach dem Warum zu fragen, auch wenn er zweifellos wusste, dass dies vermutlich ohnehin kommen würde. Dennoch konnte er sehen, wie John ihn nun noch überraschter und sogar etwas ungläubig anblickte. „Wirklich?“ Was für eine dumme Frage, dachte Bobby sich und wandte sich wieder von John ab. „Denkst du, ich würde das einfach nur so sagen, oder was?“, gab er zurück und klang weiterhin wütend und mürrisch. Er hatte keine Lust, über dieses Thema zu reden, wo es ihn doch ohnehin schon nicht mehr losließ. Und gerade John war der schlechteste Gesprächspartner, den er sich im Moment vorstellen konnte. „Nein, es wundert mich nur“, hörte er John hinter sich antworten. „Hätte ich eben einfach nicht gedacht. Dachte, bei euch ist alles im Lot oder so.“ Bobby atmete tief ein und versuchte sich beruhigen. Er fragte sich, ob John wirklich jede normale, empathische Fähigkeit, wie sie die meisten Menschen haben, verwehrt geblieben war und er tatsächlich nicht merkte, dass Bobby über dieses Thema nicht sprechen wollte. „Falsch gedacht“, meinte er nur kühl und tat so, als wäre der Inhalt seines Nachtschränkchens, der sich auf ein paar Taschentücher, ein altes Armband, einen Wecker ohne Batterien und zwei Fotos beschränkte, unheimlich wichtig und interessant. „Verstehe. Hat wohl nicht so geklappt, wie du’s dir gedacht hast, hm?“, führte John das Gespräch gnadenlos weiter und spielte, dem Klicken nach zu urteilen, wieder mit seinem Feuerzeug. „Merk schon, willst wohl nicht drüber reden.“ Na, das hast du aber früh gemerkt. Am liebsten hätte Bobby diese Worte nicht nur gedacht, sondern auch gesagt, doch er schluckte sie herunter, noch ehe sich seine Lippen öffnen konnten. „Hab mir ja irgendwie gedacht, dass es früher oder später so kommen musste“, fing John dann entgegen Bobbys Hoffnungen erneut an. „Tatsächlich?“ Eine Frage voller Ironie. Eins der Fotos in der Schublade bildete ihn und Rogue ab; damals waren sie zusammen in einem Freizeitpark gewesen. Offensichtlich glücklich. Es war schmerzlich, dies nun zu sehen. Schnell drehte er das Bild wieder um, ebenso wie das, was ihn mit seiner Familie zeigte. John gab ein bestätigendes „Hm-hm“ von sich. „Ihr passtet einfach nicht zusammen. Das hat man auf den ersten Blick gemerkt. Die Kleine ist einfach viel zu anstrengend und ach… bestimmt schwärmt sie immer noch für Wolverine oder so. Jedenfalls… das hätte nie gut gehen können. Kannst ja froh sein, dass es jetzt zu Ende ist und-“ Es kostete Bobby eine Menge Energie, nicht auf John zuzugehen und ihm eiskalt eine Faust auf diesen einfach nicht schweigenden Mund zu schlagen. Doch er tat es nicht, wusste auch nicht, ob er es wirklich je getan hätte. Dennoch drehte er sich zu ihm um und unterbrach ihn. „John, halt endlich die Klappe! Kannst du nicht einmal aufhören, über Dinge zu reden, von denen du nichts weißt und absolut keine Ahnung hast?! Du hast kein Recht, dir hier über irgendetwas eine Äußerung zu erlauben, geschweige denn, Rogue anzuklagen.“ – mit jedem Wort kochte die Wut in ihm höher – „Und nur falls es dich interessiert: es war meine Schuld, dass wir nun getrennt sind und nein, ich werde dir nicht verraten, was passiert ist, weil es dich einen Scheißdreck angeht – und jetzt tu mir einen Gefallen, und verpiss dich aus dem Zimmer.“ Sein Atem ging schneller, als er aufhörte zu sprechen. Er fühlte sich, als hätte er einen Marathon gelaufen. Vor ihm stand John und blickte ihn mit einer Mischung aus Schock und Wut an. „Das ist auch mein Zimmer, verdammt“, sagte er und seine Stimme klang verwirrt. Auf all die anderen Dinge, die Bobby gesagt hatte, wollte er offensichtlich nicht eingehen. Vielleicht fiel ihm auch – vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben – nichts ein, was er hätte sagen können. Oder vielleicht wollte er auch einfach nur keinen ernsthaften Streit mit Bobby riskieren. „Du kannst mich nicht einfach rausschmeißen.“ Bobby merkte, wie sein Atem sich langsam wieder beruhigte und mit ihm sich auch sein Zorn zu drosseln schien. „Dann sei wenigstens still.“ John blinzelte einige Male heftig. „Schon gut, ich sag nichts mehr.“ Er senkte den Blick und verweilte kurz in dieser Position, wandte sich dann aber von Bobby ab und ging schließlich doch aus dem Zimmer. Bobbys Blick folgte ihm, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte. Dann ließ er sich frustriert auf sein Bett fallen. Sanft und kühl zugleich schimmerte das Mondlicht durch die zugezogenen Gardinen und hüllte das Zimmer in einen bläulich-silbernen Schimmer. Rogue drehte sich auf die andere Seite. Sie wusste nicht, wie lange sie schon umherwälzte und wie oft sie sich nun schon umgedreht hatte. Seit Syren das Licht ausgemacht und ihr Gespräch mit einem leisen, bedauernden „Gute Nacht“ beendet hatte, hatte Rogue die Unruhe in sich hinauf kriechen fühlen können. Die Gefühle, die sie seit ihrem Gespräch mit Bobby zu verdrängen versuchte, schienen sie um den Schlaf zu bringen. Immer wieder fühlte sie den Schmerz tief in sich und zog ihre Bettdecke höher und enger an sich, doch die Wärme wollte nicht zu ihr durchdringen. Alles fühlte sich so taub und kalt und doch so schmerzvoll an. Immer wieder drängten sich Bilder von ihr selbst und Bobby in den Kopf; Bilder, auf denen sie miteinander gelacht, gescherzt, sich geküsst, umarmt und geliebt hatten. Und jedes Mal wurden diese Bilder von seinem erröteten Gesicht, dessen Lippen leise und doch klar vernehmbar Johns Namen stöhnten, unterbrochen. Sie wusste nicht mal, ob er wirklich so geklungen hatte, wie es sich nun immer wieder vor ihren inneren Augen und Ohren wiederholte, doch erneut überwog sie eine Welle von Demütigung und Schmerz. Sie hatte so sehr versucht, diese Gefühle zu verdrängen. Stark zu sein. Zu vergessen, wie sehr er sie verletzt hatte. Egal, ob ihre Gefühle langsam abgeflaut waren. Sie hatte noch genug für ihn empfunden, dass er sie mehr hatte verletzt, als sie sich hatte vorstellen können. Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so hilflos und zurückgewiesen gefühlt zu haben; selbst damals nicht, als sie von Zuhause abgehauen war, nachdem sie ihren Bekannten ins Koma geküsst hatte. Bobby war der Erste gewesen, dem sie sich – abgesehen von Logan – wieder geöffnet hatte. Der Erste, bei dem sie die Angst, jemanden mit ihren Kräften zu verletzen, zumindest ein wenig abgelegt hatte. Sie merkte, wie ihre Augen begannen, unangenehm zu brennen und ihr Körper trotz der wärmenden Decke anfing, zu zittern. Ein leises, unterdrücktes Schluchzen entkam ihrem Mund und sie schloss die Augen. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie ihm wirklich hätte verzeihen können, selbst wenn ihre Gefühle noch stark genug gewesen wären, um eine Beziehung aufrecht zu erhalten. Sicher hätte sie es versucht, aber im Moment hatte sie das Gefühl, dieser Schmerz würde nie aufhören können. Es tat weh, so gedemütigt worden zu sein. Doch sie war sich bewusst, dass eine Trennung eh nur noch eine Frage der Zeit gewesen wäre. Wie sie heute festgestellt hatten, zweifelten sie beide schon länger an ihren Gefühlen. Ihr war bewusst, dass eine Trennung selbst ohne „diese Sache mit John“ nicht einfach gewesen wäre und sie sich sicher genauso elend fühlen würde. Doch dann wären ihr wenigstens diese lästigen Bilder erspart geblieben. Diese Bilder, die jedes Mal aufs Neue schwer auf ihre Brust drückten und ihr fast die Luft zum atmen nahmen. „Rogue…?“ Sie zuckte zusammen, als sie Syrens Stimme hinter sich vernahm. „Rogue? Bist du das?“ Sie hörte wie Syren sich in ihrem Bett aufsetzte und bemerkte erst jetzt, dass ihr Gesicht schon ganz feucht war. Offensichtlich hatte sie angefangen zu weinen und es selbst nicht bemerkt. „Weinst du…?“ Rogue versuchte tief einzuatmen und sich schlafend zu stellen, doch ihr Atem war ein einziges Rasseln. Sie hörte, wie Syren aufstand und langsam auf ihr Bett zuging. Als sie bemerkte, wie die Matratze am Rand ihres Bettes leicht einsackte und schließlich eine Hand sich sanft auf ihre Schulter legte, konnte sie ein lautes Aufschluchzen nicht mehr verkneifen. „Wegen Bobby?“ Syrens Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Rogue war nur zu einem stummen Nicken fähig. Sie hörte Syren hinter sich seufzen und bemerkte, wie der Griff um ihre Schulter sich Halt gebend verstärkte. „Es tut mir Leid“, sagte Syren leise. „Wirklich so Leid.“ „Ich war so ein Idiot“, hauchte Rogue leise, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte. Doch sie erschrak, als sie hörte, wie gebrochen und tränenerstickt sie klang. Sie machte eine kurze Pause, als hoffte sie, ihre Stimme würde sich dadurch stärken. „Ich habe versucht…, mir nicht anmerken zu lassen… wie… wie weh es tut. Habe sogar …noch… gelacht und … einen Witz gemacht… aber es tut so weh.“ Die Worte strömten fast einzeln zwischen hohen Schluchzern über ihre Lippen und erneut packte sie ein Zittern. „Vielleicht wolltest du ihm einfach nicht zeigen, wie sehr dich die Trennung doch verletzt“, meinte Syren leise und ließ ihre Hand langsam über Rogues Schulter streichen. „Das ist doch verständlich. Viele reagieren so.“ Rogues Lippen verzogen sich zu einem schrägen Lächeln. Syren konnte ja nicht ahnen, was passiert war. Sie hatte ihr lediglich erzählt, dass Bobby und sie sich getrennt hätten, weil es einfach zwischen ihnen nicht mehr klappen würde. Ein Trennungsgrund also, der nicht allzu selten vorkam. Dass Bobby sie zusätzlich noch gekränkt hatte, indem er, während er mit ihr schlief, an jemand anderen dachte, hatte sie keinem erzählt. Zum einen wollte sie es John ersparen, dass sein Name da mit rein gezogen werden würde, denn man hätte sicherlich gefragt, wessen Name Bobby anstatt ihrem gerufen hatte. Zum anderen fand sie es nicht sonderlich fair, Bobby so bloßzustellen, auch wenn er es vielleicht irgendwie verdient hätte. Sie wollte ihm die komischen Blicke und die stichelnden Sprüche ersparen. Aber vor allem wollte sie sich selbst davor schützen, noch mehr gedemütigt zu werden. Allein der Gedanke, jemand außer ihr und Bobby wüsste, was zwischen ihnen vorgefallen war, wirkte beschämend. Sie stellte sich die Blicke vor, mit denen die anderen sie angucken würden. Halb mitleidig, halb amüsiert. Scharf sog sie Luft ein und presste die Lippen wieder aufeinander, um ihr Schluchzen auf ein leises Wimmern zu reduzieren. „Ach, Rogue“, hörte sie erneut Syrens Stimme nah bei sich. „Wenn ich nur irgendwas für dich tun könnte…“ Sie hörte Syren an, dass diese wirklich besorgt um sie war. Sie klang voller Mitgefühl und dem Verlangen, ihr irgendwie helfen zu können. Doch sie klang auch gleichzeitig müde und Rogue war sich bewusst, dass sie ihre Zimmergenossin aufgeweckt hatte. „Nein, schon okay“, sagte sie daher und versuchte so bestimmt wie nur möglich zu klingen. „Geh wieder schlafen.“ „Wirklich?“ Rogue lächelte leicht, doch ihre Mundwinkel zitterten. Sie hob einen Arm etwas und pellte diesen aus der Decke, die sie umgab, um ihre Hand kurz auf die von Syren zu legen. „Ja“, bestätigte sie, schaffte es jedoch nicht, sich zu dem rothaarigen Mädchen umzudrehen. „Aber danke…“ Sie merkte, wie Syren noch einen Moment zögerte, ob sie sie wirklich allein lassen sollte, dann aber doch aufstand und zu ihrem Bett zurückkehrte. Rogue zog die Decke wieder höher und war mit ihren Gedanken wieder allein. Sie fragte sich, ob Bobby in dieser Nacht schlafen konnte. Sie war sich sicher, sie würde es nicht können. Ein leichter, aber dennoch aufdringlicher Geruch nach Alkohol ging von Wolverine aus, als er das Direktorenbüro betrat und mit einem leichten Straucheln die Tür wieder hinter sich schloss. „Logan“, hörte er Storm seinen Namen sagen, die offenbar von ihrem Schreibtisch zu ihm hochblickte, um zu sehen, wer ihr Büro betreten hatte. „Was verschafft mir die Ehre?“ Logan zog seine Nase hoch, auch wenn er sinnloser Weise nicht das Gefühl hatte, sie wurde laufen und strich mit seinen Fingern kurz darüber. „Ich wollte mich nur zurückmelden“, meinte er und hatte das Gefühl, in Storms gut durchlüftetem, angenehm klarem Büro würde er nur noch mehr nach Bier, Schnaps und Zigarren riechen. Wirklich kein angenehmer Geruch, der ihn da umgab. Er sah wie Storm ihm gegenüber überrascht die Augenbrauen hochzog. Lässig ließ sie den Kugelschreiber in ihren Fingern schwingen und blickte ihn unverwandt an, als er näher auf sie zuging. Er bemerkte, dass sie kurz die Nase rümpfte, als sie offensichtlich seinen Geruch wahrnahm, doch sie sagte nichts. „Das ist nett von dir, Logan“, sagte sie schließlich und klang dabei, als würde sie mit einem ihrer Schüler anstatt mit ihm reden. „Und trifft sich gut. Ich wollte mich noch mit Hank treffen und du hättest doch sicher nichts dagegen, auf die Kinder aufzupassen?“ Logan legte den Kopf schief und hatte das Gefühl, sein Hirn würde heute ganz besonders langsam arbeiten. Langsamer, als es das sonst tat, wenn er getrunken hatte. „Öhm, ja, kann ich. – Aber Ororo, meinst du nicht,… das könnten auch mal die älteren Schüler übernehmen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Sicherlich. Dennoch ist es nicht schlecht, wenn jemand im Haus ist, der...“ „Der…was?“ Wolverine blickte sie irritiert an. Ororo Munroe zögerte ein wenig und räusperte sich schließlich. „Ich wollte eigentlich sagen, der vernünftig ist und keine wilde Party mit ihnen feiert, aber wenn ich mir dich so angucke, bin ich mir nicht mehr sicher, ob das auch wirklich auf dich zutrifft.“ Entrüstet blickte Wolverine sie an. Von einen auf den anderen Moment schien er wieder wacher zu werden (was dazu beitrug, dass er seinen unangenehmen Geruch mit seinen überstarken Sinnen noch heftiger wahrnahm). „Also wirklich…ich habe nie wilde Partys mit ihnen gefeiert“, entgegnete er. „Und ich habe es auch nicht vor.“ Ororo lächelte süffisant und Logan hatte das Gefühl, dass sie ihn nur auf den Arm hatte nehmen wollen. Sie sagte jedoch nichts mehr, sondern blickte eine Weile gedankenverloren vor sich hin. Ihr Blick war zwar noch auf ihn gerichtet, schien aber durch ihn hindurch zu gehen. Schließlich, gerade als Logan das Schweigen von sich aus beenden und das Zimmer verlassen wollte, seufzte sie leise und schien ihren Blick wieder bewusst auf ihn zu richten. „Hast du Rogue heute schon gesehen?“, fragte sie ihn und suchte mit ihren Augen eindeutig die Seinigen. Logan zuckte mit den Schultern. „Nein, ich bin gerade erst wieder hier und direkt in dein Büro. Wieso? Ist irgendetwas passiert?“ Storm lehnte sich in ihrem Sessel ein wenig zurück. „Nun ja, wie man es nimmt“, begann sie, als wäre sie sich nicht sicher, ob es etwas Schlimmes oder weniger Schlimmes war, was sie zu berichten hatte. „Offensichtlich ist es zwischen ihr und Bobby aus.“ Es dauerte einen Moment, bis Logan verstanden hatte, was sie gesagt hatte. Das lag weniger an seinem noch etwas müden Gehirn, als viel mehr daran, dass ihm diese Worte so komisch vorkamen. „Woher weißt du das?“, fragte er schließlich, als zweifelte er an ihrer Aussage. Ororo senkte leicht den Blick. „So etwas macht schnell die Runde, Logan. Besonders in einem Internat, wo man sich täglich sieht.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ich fand es zunächst auch etwas komisch, als ich heute Morgen davon gehört habe. Aber vielleicht war es auch schon länger absehbar gewesen.“ „Findest du?“ „Im Nachhinein irgendwie schon, ja.“ Logan sah sie für eine Weile schweigend an. Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich werde mal mit ihr reden, denke ich.“ Ororo lächelte sanft. „Ja, tu das. – Aber Logan…?“ Gerade als er sich umdrehen wollte, hielt er noch einmal inne und brummte ein „Hm-hm“. „Geh lieber vorher noch duschen“, riet sie ihm und unterdrückte offensichtlich ein Grinsen. „Sonst fällt sie ja noch um, bevor du auch nur ein Wort sagen kannst.“ Logan rollte die Augen und brummte noch etwas, was weder sie und noch er selbst wirklich verstanden, ehe er schließlich ihr Büro verließ und sein Zimmer anpilgerte. Ein leichter Geruch von Seife und Shampoo umgab ihn nun, als er über den abgedunkelten Flur schlich. Trotz des relativ geringen Duftstoffanteils kribbelte es ihn in seiner überempfindlichen Nase. Doch daran hatte er sich längst gewöhnt. Es störte ihn nicht mehr, dass seine Sinne stärker und effizienter arbeiteten als die von gewöhnlichen Menschen. Manchmal kam er sich deswegen vor wie ein Tier. Wie ein Wolf vielleicht. Dabei konnte man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Sinne der „früheren“ Menschen nicht auch wesentlich besser ausgeprägt gewesen waren. Durch die fortschreitende Zivilisation waren sie immer weniger verwendet worden und schließlich abgestumpft. Und nun mit einem Sprung zur „nächsten Stufe der Evolution“ – zumindest hatte Professor Xavier die Mutanten gerne so bezeichnet – kehrten sie wieder zurück. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er setzte seinen Weg zu Rogues Zimmer fort. Durch seine empfindlichen Ohren konnte er bereits kurz vor ihrer Zimmertür hören, dass sie allein im Raum war, obwohl sie sich kaum rührte. Einer der Vorteile, solche Sinnesleistungen zu haben. Ohne anzuklopfen, da er ja wusste, dass sie allein war, öffnete er langsam die Tür. Er sah sie auf dem breiten Fenstersims sitzen, das Gesicht von ihm abgewandt und aus dem Fenster blickend. Leise schloss er die Tür wieder und ging in gemächlichen Schritten auf sie zu. „Hey Kleines“, sprach er sie schließlich an und blieb kurz vor ihr stehen. Er merkte, dass sie ihn wahrgenommen hatte, da sie den Blick von der Landschaft draußen abwandte und ihn auf ihren Schoß senkte. „Ich habe gehört, was passiert ist“, sagte er schließlich ohne Umschweife. Er fand es besser, sie direkt darauf anzusprechen, als lange um den heißen Brei zu reden. „Es tut mir Leid für dich, das mit Bobby.“ Er sah sie merklich zusammenzucken, doch sie sagte weiterhin kein Wort. Tief einatmend schloss er schließlich die letzte Distanz zwischen ihnen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Nun wandte sie ihm doch ihr Gesicht zu und er sah, dass ihre Augen gerötet waren und sich unter ihnen dunkle Ringe abzeichneten. Ihm war klar, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte. Sanft strich er durch ihr Haar und setzte sich zu ihr auf den Fenstersims, nachdem sie ihre Beine etwas angezogen hatte, um ihm Platz zu machen. „Was ist passiert?“, fragte er leise und sah zu, wie sie sich etwas drehte, um ihren Kopf an seine Schulter lehnen zu können. „Hat er mit dir Schluss gemacht?“ Sie schüttelte den Kopf. Logan beschloss, nichts zu sagen und zu warten, bis sie weiter sprechen würde. Er beobachtete, wie ihre Hände mit dem Schnurband ihres Kapuzenpullovers spielten und sie auf ihre Unterlippe biss. Er verspürte großes Mitleid mit ihr. Sie und Bobby waren lange ein Paar gewesen und er wusste, was es ihr bedeutet hatte, dass Bobby mit ihr zusammen sein wollte, obwohl ihre Mutation sie von allen Hautkontakten abgehalten hatte. Sie hatte zwar nie wörtlich erwähnt, dass ihre Mutation sie in dieser Hinsicht verunsichert hatte, aber das hatte man auch so gesehen. Ja, es war so offensichtlich gewesen, dass sogar Logan es bemerkt hatte und er gab ja zu, in solchen Dingen nicht immer der Schnellste zu sein. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht“, sagte sie schließlich und ihre Stimme klang so leise, dass Logan sich nicht sicher war, ob er sie gehört hätte, hätte er sich nicht auf sie konzentriert. „Oder… viel mehr… ich weiß nicht, ob überhaupt einer… von uns beiden… ich denke, wir waren… uns einig.“ Sie unterbrach sich selbst kurz und presste ihre Lippen erneut aufeinander. Logan meinte zu sehen, dass ihre Augen ein wenig wässerig wurden. „Aber es tut trotzdem weh“, sagte sie und es hörte sich an, als unterdrücke sie ein Schluchzen. Er zog sie näher an sich und strich erneut durch ihr Haar. „Hat er dich verletzt?“ Sie reagierte für einen Moment überhaupt nicht, als würde sie irgendwelchen Gedankengängen nachhängen. Doch dann nickte sie. „Ja.“ Logan spürte leichte Wut in sich aufsteigen. Wenn er Bobby nachher über den Weg laufen sollte, würde er dringend ein Wort mit diesem reden müssen. Rogue schien zu ahnen, an was er dachte, denn er sah plötzlich ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen. „Was ist?“, fragte er sie. Sie schüttelte nur den Kopf. „Du solltest ihn nicht darauf ansprechen, Logan. Ich denke, er und ich… wir sind alt genug, um das selbst zu klären.“ Sie lehnte ihren Kopf wieder an seine Schulter. „Wenn du das sagst“, erwiderte er und legte einen Arm um sie, zog sie näher zu sich. „Aber niemand hat das Recht, dich zu verletzen, okay?“ Er bemerkte, wie sie nickte, doch spürte er gleichzeitig plötzlich etwas Nasses an einer kleinen Stelle durch sein weißes Shirt dringen. Sanft drückte er sie von sich weg und beugte sich etwas, um in ihr Gesicht sehen zu können. Einzelne Tränen hatten salzige, glänzende Bahnen auf ihrer blassen Haut hinterlassen. „Hey…, hey…“, sagte er sanft und legte seine Hände an ihr Gesicht. Sie blickte ihn nicht an, sondern atmete nur flach und rasselnd ein und aus. „Logan…?“ „Was ist, Kleines?“ Er sah sie verwundert an; merkte, wie sehr sie mit dem haperte, was sie ihm offensichtlich sagen wollte. „Hältst du mich… für… unattraktiv?“ Die Worte kamen erneut so leise und von Schluchzern unterbrochen aus ihrem Mund, dass er sich zunächst nicht sicher war, ob er sie richtig verstanden hatte. „Was?“, fragte er verwundert nach. Er verstand nicht, wie sie auf einmal auf diese Frage kam, doch er merkte, dass sie ihr ernst gewesen war. „Hey Kleine, wie kommst du auf so was? Weil mit Bobby Schluss ist? – Hör mal zu, du bist ein sehr hübsches Mädchen. Ich dachte, das wüsstest du.“ Erneut war ein Schluchzen zu vernehmen und er sah, wie einige weitere Tränen über ihre Wangen den anderen folgten. „Denkst du das…?“ Er lächelte leicht und strich ihr mit seinen Daumen einige Tränen aus dem Gesicht. „Natürlich, sonst würde ich das nicht sagen“, erwiderte er und es war durchaus ernst gemeint. „Hör mal, Rogue… Marie. Du bist ein wirklich hübsches, kluges, nettes Mädchen mit dem richtigen Humor. Wieso solltest du unattraktiv sein? Wäre ich in deinem Alter, würde ich mich instinktiv an dich ranschmeißen.“ Er vernahm ein leichtes Schnauben ihrerseits, was sich wie ein kurzes Auflachen anhörte. Zufrieden stellte er fest, dass sie zumindest wieder leicht lächelte. „Danke“, hörte er sie leise murmeln. Er lächelte ebenfalls. „Da nicht für, Kleine. Und du bist dir sicher, dass ich nicht doch mal mit Bobby sprechen sollte?“ Er sah sie schnell den Kopf schütteln. „Ja. Unsere Beziehung war irgendwie vor dem, was passiert ist, schon… tot. Vermutlich hätten wir uns also… eh in absehbarer Zeit… getrennt.“ Er nickte. „Willst du mir erzählen, was passiert ist?“ „Nein“, erwiderte sie recht schnell und sicher. „Es wäre nicht gerade fair gegenüber Bobby. Es ist nur eine Sache zwischen uns beiden. Und… außerdem möchte ich auch nicht darüber reden.“ „Gut“, sagte er. „Aber du weißt, dass ich ihm jederzeit in den Hintern treten würde, wenn du mich lässt, okay?“ „Okay.“ Ihr Lächeln wirkte immer noch betrübt, aber er war froh, dass sie wenigstens nicht mehr weinte. „Es ist schon fast Mittag. Ich sollte schauen, ob ich Syren und Jubilee irgendwo finde. Wir wollten eventuell zusammen lernen.“ Es war offensichtlich, dass sie das Thema wechseln wollte, aber Logan hatte trotzdem das Gefühl, ihr etwas von ihrer Betrübtheit genommen zu haben. Wenn Ororo das jetzt gesehen hätte… Ha! Ich bin doch pädagogisch gesehen ein Genie! – Na gut… eigentlich liegt’s nur an Rogue. Er war sich bewusst, dass er ihr gegenüber einen wirklichen Beschützer-Instinkt entwickelt hatte und dass er sehr an ihr hing, so wie er wusste, dass auch sie sehr an ihm hing. Es war wie ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Irgendwie war er froh, dass sie sich damals auf den Motorradanhänger seines Wohnwagens geschlichen hatte. Es hatte sein bis dahin eher einsames Nomaden-Leben wesentlich geselliger gemacht. Er bereute es nicht, ein „einsamer Wolf“ gewesen zu sein. Doch er bereute es auch nicht, in dieses Institut gekommen zu sein. Kurz musste er an Jean denken, doch er schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken schnell wieder zu vertreiben. Er wollte jetzt nicht über sie nachdenken. Er hatte mit ihrem Tod abgeschlossen und auch damit, dass sie sich vorher für Scott und nicht für ihn entschieden hatte. Aber dennoch tat es manchmal weh, an sie zu denken. Er blickte zu Rogue, die sich nun langsam von ihm löste. „Ja, dann lern du mal. Wir wollen ja nicht riskieren, dass ihr schlechte Noten bei Ororo bekommt.“ Er grinste leicht und stand auf. „Das Fach wird von Hank unterrichtet.“ Verdutzt sah er sie an. „Von Hank?“ Er hatte gar nicht gewusst, dass der blaue Politiker-Mutant überhaupt am Institut unterrichtete. „Ja, aber er gibt nur alle zwei Wochen Stunden. Man hat also lange Zeit, sich darauf vorzubereiten“, erklärte sie ihm leise und schwieg dann für einen Moment. Dann streckte sie sich zu ihm hoch und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke. Für alles.“ Liebe war immer ein Thema, über das viel geredet wurde. Fanden zwei Menschen zueinander und wurden ein Paar, wurde das erst mal jedem mitgeteilt. Doch wie mit allen Dingen, die es in der Welt gab, ließen sich schlechte Nachrichten immer noch besser erzählen. Und wenn dann eine Beziehung in die Brüche ging, war das noch erzählenswerter als wenn sie entstehen würde. Das war bei Stars und Sternchen in Zeitschriften so und warum sollte es dann bei weniger bekannten Menschen anders sein. Gut, bei „normalen“ Menschen interessierten sich vielleicht nicht so viele für das jeweilige Liebesleben und es würde auch sicher keine Zeitschrift darüber schreiben, aber dennoch machte eine solche Nachricht unter Leuten, die mit dem Paar bekannt oder befreundet waren, schnell die Runde. Das hatte auch Bobby heute feststellen müssen. Kaum war er zum Frühstück gekommen, hatte er die verwunderten, aber scheinheilig unschuldigen, leicht gesenkten und doch immer wieder hochblickenden Blicke der anderen auf sich gespürt, sobald sie dachten, er würde sie nicht ansehen oder es gar nicht erst bemerken. Ohne auch nur ein Wort mit den anderen darüber zu sprechen oder darauf angesprochen zu werden, hatte er realisiert, dass sie bereits alle wussten, wie es um seine und Rogues Beziehung stand. Und nach dem Frühstück waren schließlich die Ersten zu ihm gekommen und hatten ihn darauf angesprochen. Von den jüngeren Schülern und denen, mit denen er weniger zu tun hatte, hatte es keiner gewagt, ihn zu fragen. Aber natürlich hatten seine Freunde nicht so tun wollen, als hätten sie es noch nicht gehört und vermutlich dachten sie, es würde desinteressiert wirken, wenn sie ihn nicht fragten, doch er wäre ihnen dankbar gewesen, wenn sie es nicht getan hätten. Als Erstes war Kitty kurz nach dem Frühstück zu ihm gekommen und hatte ihn gefragt, ob es denn stimmen würde, dass er und Rogue kein Paar mehr seien. Sie hatte ihm gesagt, dass es ihr Leid täte und er jederzeit mit ihr darüber sprechen könnte und dass es sie wirklich im ersten Moment geschockt hätte, da sie damit überhaupt nicht gerechnet hätte. Piotr hatte ihm schließlich auf die Schulter geklopft und ihm nur gesagt, er kenne das Gefühl und wenn er mal etwas Ablenkung brauchen würde, dann könne er gerne mal vorbeischauen. Heute käme ein guter Film im Fernsehen. Jubilee sagte ihm, sie hätte es von Syren erfahren. Er und Rogue täten ihr wirklich sehr Leid und sie wäre wirklich verwundert, dass sie sich getrennt hätten, denn sie hätte immer gedacht, bei ihnen wäre alles okay. Warren war einer der wenigen, die sich indirekt dazu äußerten, und ihm nur sagte, er könne das Thema für Hanks Unterricht auch alleine bearbeiten, wenn Bobby „sich heute nicht dazu in der Lage“ sehen würde. Auch Storm ließ nur nebenbei einfließen, dass sie es gehört hatte, als sie ihm sagte, er und Rogue bräuchten heute nicht mit in den Gefahrenraum, um dort zu trainieren und schließlich irgendetwas von Wolverine murmelte und wenn dieser zurückkäme (genau hatte Bobby sie nicht verstanden). Wolverine hatte – was Bobby wunderte – nichts zu ihm gesagt, doch er hatte den stechenden Blick des älteren Mutanten auf sich gespürt. Allerdings hatte er ihn sonst weitestgehend ignoriert. Dennoch hatte Bobby sich wirklich gewundert, woher sie alle das gewusst hatten. Gut, so etwas machte schnell die Runde, aber außer John hatte er es keinem erzählt und er konnte sich nicht vorstellen, dass Rogue, die sich bis dahin den ganzen Tag nicht hatte blicken lassen, es irgendwem außer Syren erzählt hatte. Als sie dann später im Gefahrenraum trainiert hatten (Bobby hatte gedacht, etwas Abwechslung würde ihm gut tun, doch wirkliche Konzentration hatte er sich nicht abverlangen können, weshalb er einmal beinah von einer schweren Eisenstange erschlagen worden wäre), hatte er John darauf angesprochen. Er hatte ihn kräftig am Arm zur Seite gezogen und ihn anfaucht, was das denn solle. „Was soll was?“, hatte John ebenso wütend erwidert. „Du hast allen das von mir und Rogue erzählt“, hatte Bobby erwidert und John ein wenig von sich gestoßen. „Spinnst du? Ich habe es niemanden erzählt!“, hatte John zurückgekeift und nebenbei einen ihrer Angreifer verbrannt. „Ich bin keine Tratschtante, Drake. Such dir wen anders, dem du das in die Schuhe schieben kannst! Außerdem interessiert mich das nicht, was zwischen dir und Rogue läuft. Beziehungsweise wohl eher was da nicht mehr läuft!“ Bobby hatte die Augen gerollt und den Kopf geschüttelt. „Oh man, John, du bist so ein Arsch!“ „Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?!“ „Ach, halt einfach die Klappe!“ Mit diesen Worten hatte Bobby sich von ihm abgewandt. „Du hast mich angesprochen, Drake!“ „Ja, kann schon sein, Allerdyce!“ Langsam war er von ihm weg gegangen. „Das kann nicht nur sein, das ist so, und bleibst du wohl gefälligst stehen, wenn ich mit dir rede!“, hatte John ihm hinterher gebrüllt und er war stehen geblieben. Doch irgendwie war nicht sein Tag gewesen. Alle die Ruhe, die er sonst an sich hatte, war auf einmal wie weggeblasen gewesen. „Oh, kannst es wohl auch nicht haben, wenn man dich einfach stehen lässt, was, Johnny? Ich sag dir nur, das machst du immer, wenn du nicht reden willst oder deine Ego-Nummer durchziehen willst, ja, so ist das!“ „Was für ein Problem hast du eigentlich?“ Es war deutlich gewesen, dass John immer wütender geworden war. „Was hab ich eigentlich mit dem ganzen Scheiß zu tun? All die alten Kammellen, die du jetzt ausgräbst! Du hättest damals die Klappe aufmachen sollen, wenn dich mein Verhalten so gestört hat.“ Die Trümmer, die hinter ihm in dieser falschen Realität des Gefahrenraums, nur ein wenig am unteren Ende gebrannt hatten, hatten plötzlich lichterloh in Flammen gestanden. „Ach, als ob du dich deswegen geändert hättest!“, hatte Bobby dann nur abweisend gesagt und hatte sich endgültig von John abgewandt. „Da hast du allerdings Recht!“, hatte er den Feuermutanten noch hinter sich rufen hören, doch darauf hatte er nicht mehr reagiert. Später am Tag war Rogue ihm noch kurz über den Weg gelaufen, doch bis auf einen ausweichenden Blick und die recht allgemeine Frage, ob er schon etwas für Hanks Unterrichtsthema getan hätte, hatten sie nicht viel Kontakt miteinander gehabt. Damit hatte sich wieder seine Vermutung bestätigt, dass sie sich gestern nur tapferer gegeben hatte, als sie wirklich gewesen war. Oder vielleicht hatte sie auch erst später realisiert, was wirklich passiert war. Er konnte nicht nachvollziehen, was in ihr vorging. Doch er wusste, dass es ihm Leid tat, sie so zu sehen, dass es ihm Leid tat, was passiert war und dass es ihm Leid tat, dass sie kein Paar mehr waren. Zwar sah er ein, dass es besser so war, doch das machte es nicht gerade leichter. Immerhin hatten sie die letzten zwei Jahre miteinander verbracht und ihm lag immer noch viel an ihr. Mit einem Blick auf die Uhr merkte er, dass in wenigen Minuten ein neuer Tag anbrechen würde, doch er konnte nicht die Ruhe finden, um sich hinzulegen und zu schlafen. Aufrecht in seinem Bett sitzend und an die Wand gelehnt starrte er in dem beinahe fast gänzlichen dunklen Raum umher. Nur das Mondlicht, das durch die halb zugezogenen Vorhänge drang, spendete ein wenig bläulich-silbernes Licht. Sein Blick kam schließlich auf Johns Silhouette in dessen Bett zu ruhen. Der Feuermutant lag mit dem Rücken zu ihm und Bobby konnte beobachten, wie sich die Bettdecke bei jedem Atemzug ein wenig bewegte. Er fühlte sich schuldig, heute so mit John gestritten zu haben. Normalerweise waren Gespräche eigentlich andersherum verlaufen bzw. hatte John ihn angemault und Bobby entweder versucht, ihn zu beschwichtigen oder geschwiegen. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er im Moment für seine Verhältnisse so aggressiv reagierte, ganz besonders gegenüber John. Natürlich ging ihm das Ende seiner und Rogues Beziehung nahe, ebenso wie seine Gefühle für John an ihm nagten. Und vielleicht war er indirekt wütend auf John, weil dieser ihn dazu gebracht hatte, Rogue so weh zu tun. Ihm war natürlich klar, dass John nichts dafür konnte, aber jedes Mal, wenn er ihn sah, erinnerte es ihn an das, was er Rogue angetan hatte und wie sie sich jetzt fühlen musste. Und es erinnerte ihn daran, dass er für John etwas fühlte, was er für ihn, eigentlich für keinen Jungen, fühlen wollte. Und das Schlimmste daran war, dass er das Gefühl hatte, dieses Verlangen nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Er hatte sich John vorgestellt, während er mit Rogue geschlafen hatte. Es war für ihn immer noch unverständlich, wie ihm das passieren hatte können. Und er hatte Angst, dass er noch mehr Schaden anrichten könnte. Das ihm irgendwann so etwas vor John passieren und ihn damit entlarven könnte. Er könnte es ihm natürlich auch einfach sagen, doch… nein, das wollte er nicht. Er hatte keine Ahnung, wie John darauf reagieren würde. Er war sich zwar sicher, dass John generell nichts gegen Homosexuelle hatte, doch es war ein Unterschied, ob man nur allgemein damit konfrontiert wurde oder ob der beste Freund, von dem man dachte, er sei an Mädchen interessiert, sich plötzlich einem zuwandte. Nein, er würde es ihm nicht sagen. Er konnte nur hoffen, dass diese Gefühle irgendwann wieder verschwinden würden, so wie seine Gefühle für Rogue langsam abgeschwächt waren. Allerdings hatte es zwei Jahre gebraucht, um das zu realisieren und zwei Jahre waren eine lange Zeit. Er wandte seinen Blick wieder von dem schlafenden John ab. Seine Gedanken wanderten zurück zu Rogue. Sie war seine erste richtige Freundin und die Zeit mit ihr war wirklich schön gewesen. Er fühlte sich umso schuldiger, dass es nun so hatte enden müssen. Er wusste, dass ihre Gefühle für ihn auch nachgelassen hatten, doch das wohl kaum ein Trost dafür, dass ihm nun noch so etwas passiert war. Vielleicht sollte er sie einfach mal ansprechen. Vielleicht sollten sie darüber reden. Aber vielleicht sollte er sie auch lieber in Ruhe lassen und warten, bis sie den Schritt von sich aus machte. Seufzend ließ er sich auf den Rücken sinken. Dies würde wieder eine schlaflose Nacht werden. TBC Ich hoffe, es hat euch gefallen. Der Titel heißt zwar "Der Tag danach", aber wie ihr sicher gemerkt habt, behandelt es auch noch einige Stunden nach dem Gespräch zwischen Bobby und Rogue nach dem sechsten Kapitel. Es sollte vor allem auch die Niedergeschlagenheit der beiden zeigen und ich hoffe, dass ich den Fehler, den ich mir mit dem Ende von Kapitel 6 immer noch nicht verzeihen kann [dass Rogue zu "locker" war], damit wenigstens etwas beschwichtigen konnte. Der Titel ist übrigens relativ spontan entstanden und daher nichts Besonderes. Ich bin auch gerade erst mit dem Kapitel fertig geworden. Daher... solltet ihr Fehler gefunden haben, dann ignoriert sie bitte ^^" Bis zum nächsten Kapitel dann, wobei ich hoffe, dass dieses etwas schneller kommt. Versprechen kann und will ich aber nichts. motte Kapitel 8: Blaue Tinte und ihre Folgen -------------------------------------- Hallöchen! Willkommen zurück und danke für all die Kommis zum letzten Kapitel. Mal wieder hat's etwas länger gedauert, bis das Kapitel fertig war. Irgendwie hat es gedauert, bis ich mal einen einigermaßen gescheiten Anfang gefunden hatte. Offensichtlich befinde ich mich gerade etwas in einem Krea-tief. Ihr werdet euch jetzt sicher wundern, warum die Geschichte auf einmal "Hot N' Cold" heißt und nicht mehr "Melting". Nun, die Umbenennung erfolgte aus dem einfachen Grund, dass "Melting" für mich eher ein Arbeitstitel war, den ich aber von Anfang an nicht mochte. "Hot N' Cold" ist für mich zwar auch nicht das Perfekte, aber mir fällt es diesmal unheimlich schwer, einen Titel zu finden, der mich zufrieden stellt. Das habe ich so auch noch nie bei einer Geschichte gehabt. Nun, wie dem auch sei. Der neue Titel gefällt mir zumindest um einiges besser und dann kann ich auch nachts besser schlafen, wenn ich nicht mehr an diesen schrecklichen Titel denken muss *lol* (war jetzt etwas übertrieben ^^") Ich wünsche euch aber nun viel Spaß beim Lesen! Kapitel 8: Blaue Tinte und ihre Folgen Die Tage wurden kühler und kürzer, während das Laub so langsam von den kahler werdenden Bäumen fiel. Der Herbst neigte sich zu Ende und bei einigen Schülern schien das grau-dunkle Wetter schon auf die Gemüter umgesprungen zu sein. Gelangweilt saß Bobby in Storms Unterricht und achtete nur wenig auf das, was seine Lehrerin gerade vorne an der Tafel demonstrierte. Normalerweise war es eigentlich nicht seine Art, im Unterricht unachtsam vor sich hin zu starren. Er war eigentlich eher der Traumschüler aller Lehrer gewesen, weil er mitmachte, ohne aufgefordert zu werden, zuhörte und vor allem nicht laut dazwischen redete, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde. Neben ihm vernahm er das gewohnte Klicken von Johns Zippo®-Feuerzeug. Mittlerweile hatte er sich über all die Jahre so an dieses Geräusch gewöhnt, das es ihm manchmal gar nicht mehr störte, es sei denn, er war in gestressten Situationen oder von allgemein gereizter Stimmung. Nun aber schien das Klicken etwas Beschwörendes zu haben. Immer wieder ertönte dieser kleine Laut; dann das Surren des Rädchens, wenn John mit seiner Daumeninnenseite daran drehte und schließlich das Zischen der kleinen Flamme, die bereits beim nächsten Klicken, wenn die Abdeckung des Feuerzeugs sich wieder senkte, erlosch. Entspannt lehnte Bobby sich ein wenig zurück, ließ seinen Blick kurz zur Seite schwenken und auf Johns Hand, in dem sich das kleine metallene Stück befand, ruhen. Normalerweise hätte der andere Mutant die kleinen Flammen in seine Hand gezogen, sie größer werden und wieder schrumpfen lassen, mit ihnen gespielt und ihnen die kuriosesten Formen gegeben, ehe Bobby eventuell aus Spaß die kleinen Flammen eingefroren hätte, sodass sie John erschrocken aus der Hand fielen. Da nun aber auch Jimmy in diesem Raum saß, war das nicht möglich. Er blockte ungewollt ihre Kräfte und so konnte weder John mit seiner Flamme spielen, noch konnte Bobby diese einfrieren. Eigentlich wirkte diese Klasse durch Jimmys Anwesenheit fast wie eine ganz normale Klasse in einer ganz normalen Schule. Wenn man mal von dem Altersunterschied der einzelnen Mutantenschüler untereinander absah. Interessant war es besonders in ihrer ersten Stunde bei Hank geworden, als die bläuliche Farbe aus seiner Haut und seinen Haaren gewichen war und seine kräftige Statur sich etwas verschmälert hatte, sodass er wie ein gewöhnlicher Mensch mit dunklen Haaren und Bart ausgesehen hatte. Doch auch an den Anblick hatte Bobby sich mittlerweile gewöhnt. „John…?“, hörte er plötzlich, wie Miss Munroe sich selbst unterbrach, was ihn dazu brachte, wieder zu ihr aufzublicken. „Könntest du dieses Klicken endlich mal sein lassen?“ Bobby konnte förmlich spüren, wie John neben ihm die Augen rollte. Er wusste, dass dieser das tat. Er tat es immer, wenn er dazu aufgefordert wurde, etwas sein zu lassen, was er gerne tat oder was ihm die Langeweile vertrieb. Dennoch steckte John sein geliebtes Spielzeug weg, jedoch nicht ohne zu murren und Storm eindeutig zu zeigen, wie sehr es ihm missfiel, ihr diesen Gefallen zu tun. „Danke“, sagte Miss Munroe und ihren Unterton durchzog eine leichte Ironie. Bobby blickte zu John neben ihm und sah diesen die Lippen kräuseln, während er seinen Ellebogen auf den Tisch stützte, um sein Kinn in seine Handfläche legen zu können. Sein Blick wanderte dumpf durch den Klassenraum und er zeigte nur allzu auffällig, dass er nun noch gelangweilter war als zuvor. Bobby wusste, dass dies Absicht war. John spielte das schmollende Kind, dem man den Lolli weggenommen hatte. Das war sozusagen eine unterschwellige „Rache“ an Storm, die in dieser Hinsicht dann die tadelnde Mutter darstellte, die einem sagte, man solle keine Lutscher lutschen, denn davon bekäme man Karies. Er bezweckte damit – das wusste Bobby nach all den Jahren, die sie sich nun kannten, genau –, dass man entweder Mitleid bekam (was eher selten passierte) oder aber so genervt von seiner offensichtlichen Show war, dass man ihm wieder erlaubte, das zu tun, was man ihm verboten hatte. Erstaunlicher Weise klappte dieser Trick bei John meistens ganz gut. Bobby hatte nie versucht, ob er das selber auch schaffen würde, aber zum einen hätte er nicht das Durchhaltungsvermögen, dies so lange vorzuspielen bis der andere resignierte, und zum anderen würde man es ihm wohl eh nicht abnehmen. Er blickte nach vorne zur Tafel, auf der Ororo Munroe nun einige geschichtlich bedeutsame Daten des Sezessionskriegs, der besser bekannt war als „amerikanischer Bürgerkrieg“, aufgelistet hatte; der, obwohl er vor gut 140 Jahren endete, immer noch im allgemeinen Gedächtnis der Amerikaner, besonders in den Südstaaten, präsent war. An sich ein sehr spannendes Thema, wie Bobby fand, doch sie hatten bereits die ganzen letzten zwei Stunden Gründe des Bürgerkriegs ausgearbeitet und so langsam war bei ihm in dieser Hinsicht die Luft raus. Nach Rogues Meinung lag dies daran, dass er als Bostoner ein „Yankee“ sei und daher weniger Interesse daran habe, als sie als Südstaatlerin. Doch er wusste, dass sie das nicht ernst meinte und damit nur das Klischee bedienen und den Unterricht ausdehnen wollte. In den letzten Tagen hatten sie langsam wieder begonnen, einigermaßen offener miteinander zu reden. Zuvor waren sie sich größtenteils aus dem Weg gegangen und hatten nur miteinander gesprochen, wenn es nötig war oder ohne auffälliges Ausweichen nicht möglich. Ihr großes Vorhaben, wieder Freunde zu werden, schien sich schwerer zu gestalten als gedacht. Noch immer lag eine gewisse Anspannung zwischen ihnen, was Bobby aber auch nicht wunderte. Anfangs war es immer schwer, mit jemanden umzugehen, dem man mal näher gestanden hatte, als man es jetzt war. Noch dazu kam, dass – da war Bobby sich sicher – Rogue noch immer verletzt war wegen dem, was passiert war. Doch das konnte Bobby ihr nicht verdenken. Er war schon froh, dass sie überhaupt noch mit ihm sprach und sie sich wenigstens beide bemühten, eine freundschaftliche Beziehung wieder aufleben zu lassen. „Wer kann uns denn an der Tafel die wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Aspekte der Sklavereifrage, die ein Hauptauslöser des Kriegs war, auflisten?“ Ororo Munroes Stimme durchbohrte die Stille und Bobby stellte mit leichtem Verdutzen fest, dass sie dabei ihn ganz genau anblickte. Mist! Ausgerechnet jetzt, wo er einmal nicht aufgepasst hatte. Na gut, etwas würde er sich schon aus den letzten beiden Stunden und seiner Allgemeinbildung zusammenbasteln können. Seufzend stand er auf und bemerkte Johns Grinsen neben ihm; offensichtlich froh, selbst nicht derjenige zu sein, der nun nach vorne zur Tafel musste. Auch Piotr schien eine Art selbstgefälliges Grinsen auf seinen Lippen zu haben und streckte unüberlegt seine langen Beine aus, als Bobby in seine Richtung kam. Das nächste, was er spürte, war ein leichter Stoß gegen seinen Unterschenkel und schon sah er Bobby nach vorne stolpern. Doch ehe er realisieren konnte, was passierte und den Eismutant vielleicht hätte auffangen oder helfen können, war dieser weiter nach vorne gestolpert und mit der Schulter an Warrens Tisch gestoßen, welcher im Unterricht neben Piotr saß. Das alles war so schnell gegangen, dass kaum einer richtig realisiert hatte, was passiert war. Doch nun saß Bobby leise stöhnend auf dem Boden und war vom Haarschopf über die rechte Gesichtshälfte bis hin zu seinem T-Shirt von blauer Tinte begossen. Offensichtlich war das kleine Fässchen, das auf Warrens Tisch gestanden hatte, bei Bobbys Zusammenstoß heruntergefallen und hatte sowohl diesen als auch den Boden besudelt. „Oh, Bobby, hast du dir was getan?“ Miss Munroe kam mit besorgtem Gesicht zu ihnen gelaufen und blickte zu dem jungen Mutanten herunter, während Piotr aufstand und Bobby wieder aufhalf. „Tut mir echt Leid, Mann“, entschuldigte er sich bei seinem Freund und klopfte diesem leicht auf die Schulter, wobei ein leichter Schlag von Piotr auch ohne Einsatz seiner speziellen Kräfte eher wie ein knallender Klaps wirkte. „Schon okay“, murmelte Bobby, als er sich ächzend wieder aufrichtete. Er fühlte sich, als wäre eine Eisenbahn über ihn gefahren; ganz zu schweigen von dem pochenden Schmerz an seiner Schulter und dem klebrigen Gefühl der stinkenden Tinte auf seiner Haut, in seinen Haaren und seiner Kleidung. Noch dazu spürte er die Blicke sämtlicher Schüler auf sich und wäre allein dafür schon am liebsten in Grund und Boden versunken. Er konnte förmlich spüren, wie die Mädchen zwischen Mitleid und Amüsement schwankten und wie Johns Grinsen bei seinem Anblick immer breiter wurde. „Miss Munroe, haben Sie was dagegen, wenn ich jetzt gehe?“, fragte er leise und fühlte sich immer noch etwas benebelt von seinem Sturz. „Nein, natürlich nicht, Bobby“, meinte sie und konnte sich nun, nachdem sie sich versichert hatte, dass es ihm soweit gut ging, wohl auch ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Und noch ehe jemand anders etwas sagen konnte, verließ Bobby den Raum. Mit geschlossenen Augen stellte Bobby das Wasser ab und griff nach dem Handtuch, um sich die störenden Tropfen aus dem Gesicht zu wischen. Er fühlte sich entspannter und sauberer, nachdem er sich der tintenbesudelten Kleidung entledigt und das angenehm warme Wasser auf seinen Rücken hatte prasseln lassen. Es hatte lange gedauert, bis er das Gefühl gehabt hatte, all die Tinte sei von seiner Haut und aus seinen Haaren verschwunden. Immer noch perlten Wassertropfen von seiner Haut, als er aus der Dusche stieg und sich dürftig abtrocknete, ehe er nach seinen Shorts griff. Dummerweise hatte er vergessen, sich frische Kleidung mitzunehmen und so würde er mit nacktem Oberkörper über den Flur rennen müssen. Er merkte, als er sich seine Jeans überzog und den Gürtel schloss, dass ihm dieser Gedanke nicht unbedingt gefiel, aber andererseits würden seine Mitschüler noch im Unterricht sein. Kein Grund also, peinlich berührt zu sein. Seine restliche Kleidung aufsammelnd, hängte er noch schnell sein Handtuch über eine der dafür vorgesehenen Stangen (im Gegensatz zu manch anderen, wie z.B. John, ließ er seine Sachen nicht einfach auf dem Boden liegen, damit andere Leute, wie z.B. Bobby, diese hinter ihm herräumten). Mit tapsenden Schritten auf nackten Füßen verließ er das Bad und konnte nicht verhindern, sich umzusehen, als er auf den Flur trat. Über sich selbst schmunzelnd huschte er bis zu ihrer Zimmertür und drückte die Klinke herunter. Doch kaum hatte er die Tür geöffnet und den ersten Blick in das Zimmer geworfen, gefror das Lächeln auf seinem Gesicht. Vor seinen Augen tanzten zwei kleinen Flammenbälle und er konnte nur allzu gut ahnen, wer diese kreiert hatte, auch wenn er John im ersten Moment nicht ausmachen konnte. Ohne seine Miene zu ändern hob er seine Hand und benutzte seine Kraft, um die beiden Feuerbälle zu vereisen, sodass sie mit einem lauten Krach auf dem Boden aufkamen und zerbarsten. „Hey!“, hörte er John mehr oder weniger ernsthaft empört sagen und entdeckte ihn schließlich halb zwischen Schrank und Fenster versteckt stehend. „Was soll das?“ Doch Bobby nahm seine Worte gar nicht erst richtig wahr. Ihm wurde schlagartig klar, dass er mit nacktem Oberkörper vor John stand und auch wenn das unter Jungs sicherlich nichts Ungewöhnliches war (eigentlich war es nicht mal vor Mädchen ungewöhnlich) spürte er, wie sein Puls sich beschleunigte und er peinlich berührt seinen Blick senken musste. „Was machst du hier?“, fragte er, ohne auf Johns Worte einzugehen und wandte sich notgedrungen diesem zu, um an den Kleiderschrank zu kommen, nachdem er sein schmutziges Oberteil in den Wäschekorb befördert hatte. „Miss Munroe hat mich geschickt“, antwortete John, während er Bobby dabei beobachtete, wie dieser sich ein dünnes, langärmeliges Shirt aus dem Schrank nahm. Irgendwie fand er, dass er der Eismutant sich momentan merkwürdig verhielt. Das war ihm schon vor mehreren Tagen aufgefallen und manchmal hatte John das Gefühl, es hätte mit ihm zu tun. Andererseits wirkte Bobby so oft allgemein gereizt, dass er sich nie sicher war, ob er sich das nicht nur einbildete. Er hatte beschlossen, Bobby nicht darauf anzusprechen und einfach die Zeit abzuwarten. Er war eh nicht so der Typ für großartige „Wie-geht-es-dir/-hast-du-etwas-auf-dem-Herzen“-Gespräche. Sicherlich, er konnte besser zuhören, als viele es von ihm erwarten würden und er würde es auch tun, würde Bobby jemals etwas sagen, doch er würde sich sicher nicht darum reißen, den Seelsorger zu spielen. Und vielleicht war es auch gar nichts von solcher Bedeutung, dass es nötig war, darüber zu reden. Wer weiß schon, was in dem Hirn von diesem Eisklotz vorgeht… John musste ein wenig schief über seinen eigenen Gedanken grinsen. Abgesehen davon, dass er genau so geduldig und vom Gemüt her ruhig war wie Eis, hatte Bobby mit seinem Element nicht viel gemeinsam. Er war nicht unnachgiebig und auch nicht kalt. Da fand John, dass er seinem Element, dem Feuer, schon wesentlich mehr entsprach. Er war temperamentvoll, leicht reizbar, manchmal unberechenbar und konnte gefährlich sein, wenn er es wollte. Und natürlich bist du heiß! – Na ja, hört sich an, als würde ich mich selbst total geil finden – Ah ja, ich führe Selbstgespräche in meinen Gedanken… huch, ich glaube, Bobby hat was gesagt… Kurz blinzelnd blickte John den Jungen ihm gegenüber an und ließ seinen Blick über die blasse, glatte Haut des anderen gleiten. „Hattest du noch etwas gesagt?“, fragte er ihn und seine braunen Augen fixierten wieder Bobbys Gesicht. Dieser drehte sich von ihm weg, was John ein wenig befremdlich fand, und antwortete: „Ich hab gefragt, warum Miss Munroe dich geschickt hat.“ John zuckte mit den Schultern. Ja, woher sollte er das denn wissen? „Vermutlich wollte sie, dass ich nach dir sehe, … denk ich mal.“ – sein Blick heftete sich auf Bobbys Rücken – „Vielleicht hat sie sich Sorgen gemacht, dass du dir doch etwas getan hast.“ – als seine Augen plötzlich an einer leicht bläulich-violetten Färbung unter der Haut hängen blieben. – „Hey, hast du da einen blauen Fleck?“ Seine Hand streckte sich aus, um die wunde Stelle zu berühren, als der Stoff des dunkelblauen Shirts über die blasse Haut sank und ihm zuvorkam. „Was sagst du?“, fragte Bobby, obwohl John sich sicher war, dass dieser ihn blendend verstanden haben müsste und drehte sich halb zu ihm um. „Ich meinte, dass du einen blauen Fleck auf dem Rücken hast“, antwortete John ihm trotzdem. Bobbys Atem stockte für einen Moment und er war sich nicht sicher, ob man den leichten rötlichen Schimmer auf seinen Wangen sehen konnte oder nicht. „Verdammt John, wo guckst du denn hin?“ In seinem Hals bildete sich ein dicker Kloß und sein Herz ging so rasend schnell, dass man meinen müsste, John hätte es laut und deutlich hören können. Doch stattdessen runzelte der Feuermutant nur die Stirn und blickte Bobby verwundert aus seinen dunklen Augen an. „Auf deinen Rücken…?!“ Offensichtlich verstand er nicht, was Bobby auf einmal hatte und Bobby musste zugeben, dass es natürlich auch wirklich schwer zu verstehen war. John konnte – und sollte – ja nicht ahnen, was er fühlte und er an Johns Stelle hätte sich vermutlich auch gewundert. „Sind wir nicht etwas zu alt für dieses Vergleichen?“, fragte er und versuchte ein etwas unbeholfenes Lachen. John erwiderte dies mit einem schiefen Grinsen. „Bobby, ich hab auf deinen Rücken gestarrt. Er war direkt vor mir und da war ein blauer Fleck…“ Nun war es an Bobby, ebenfalls schief zu grinsen. Verlegen merkte er, wie seine Mundwinkel ein wenig zuckten. „Hat wohl nichts mit Vergleichen zu tun, hm?“ John lachte leise auf. „Nicht so wirklich. Ich denke, aus dem Alter sind wir echt raus, Mann!“ Dann schien er für einen Moment in Gedanken versunken zu sein, ehe er anfing, laut loszulachen. Verwundert zog Bobby die Augenbrauen hoch und kam nicht um das kränkende Gefühl umhin, sich ausgelacht zu fühlen. „Was hast du?“ Johns Grinsen war nun so breit, dass sich tiefe Grübchen an seinen Mundwinkeln bildeten. „Erinnerst du dich noch als wir vor ein paar Jahren diesen Ausflug – eigentlich den einzigen Ausflug, den wir je gemacht haben – in diese kanadische Jugendherberge…“, begann er und ließ Bobby gerade mal genug Zeit zum Nicken, ehe er fortfuhr. „…und als wir dann in dieser Gemeinschaftsdusche standen…“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter und Bobby zog seine Augenbrauen zusammen. Er nutzte die Gelegenheit, um John kurz zu unterbrechen. „Was war damit?“ Oh bitte, sag mir jetzt nicht, dass ich irgendwo bei dir hingestarrt hab oder du bei mir… ich glaub, ich möchte im Boden versinken. Jetzt! Sofort! Irgendwie hatte Bobby das Gefühl, etwas leicht Fieses oder Versautes in Johns Grinsen entdecken zu können. Oh Gott, was kommt jetzt? „Na, ich meine, wer hat damals denn nicht auf Petes Teil geguckt...?!“, sagte John schließlich und konnte sich ein Zwinkern nicht verkneifen. Bobby war so perplex, dass er einen Moment brauchte, um zu realisieren, was sein Gegenüber ihm gesagt hatte. Er hatte mit so viel Schlimmerem gerechnet, dass er in seiner Erleichterung kaum begreifen konnte, dass es das nun gewesen sein sollte. Natürlich erinnerte er sich daran, als sie sich alle – damals waren sie alle so um die 15 Jahre alt gewesen – gefragt hatten, ob „alles“ an Piotr so groß war, wie der Rest seines Körpers und dabei natürlich an eine bestimmte Stelle in der Körpermitte gedacht. „Oh ja, ich erinner’ mich“, antwortete Bobby leise und atmete hörbar langsam aus. Seine allgemeine Erleichterung war ihm wohl eindeutig anzumerken, denn John legte plötzlich einen Arm um seine Schulter und drückte sich ein wenig gegen ihn, als wollte er ihn anstoßen. „Mensch, Bobby, woran hast du denn gedacht?“ Es war wohl eindeutig, dass er irgendetwas anderes befürchtet hatte. „Dachtest du, du hättest vergessen wachsam zu sein, als du dich nach der Seife bücktest?“, fragte John neckend und kniff Bobby spielerisch in die Seite, während er über seinen eigenen Witz lachte. Bobby schloss resignierend die Augen. Was sollte er darauf denn jetzt sagen? Er beschloss, zu schweigen, als er plötzlich einen flapsigen Klaps auf seinem Hintern fühlte und zusammenzuckte. „Na ja, dein Hintern hat dieses Jugendabenteuer doch unbeschadet überlebt, oder nicht?“, witzelte John weiter und ließ Bobby endlich wieder los. Bobby seufzte leise und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die geschlossenen Augenlider. „Allerdings.“ Nur langsam öffnete er seine Augen wieder und stellte beinahe erschrocken fest, dass sie genau in die Braunen Johns blickten. Der Feuermutant stand direkt vor ihm, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Nicht so nah, dass es intim wirkte, aber nah genug, dass es Bobbys Brust fast zum platzen brachte. Er hatte das Gefühl, ihm würde heiß und kalt zu gleich werden. Immer wieder rannten Schauer über seinen Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass er John so nah war. Im Gegenteil. Schon oft hatten sie, das war normal bei Freunden, eng aneinander gesessen, zusammen gestanden und gemeinsam im Gras oder auf ihren Betten gelegen und den Himmel oder einfach nur die Zimmerdecke angestarrt, während sie miteinander geredet hatten. Auch da waren oft nur wenige Zentimeter zwischen ihnen gewesen, manchmal vielleicht noch weniger Abstand als jetzt. Doch nie war diese Nähe so unmittelbar und plötzlich und unvorhersehbar gewesen. Oder zumindest kam es Bobby so vor. Tief atmete er ein und merkte unterschwellig, dass er weiter in Johns braune Augen starrte; merkte, wie das Licht, das je nach dem aus welchem Winkel man es betrachtete, sie erhellte, dem dunklen Brauen verschiedene Nuancen verlieh. Er hatte das Gefühl, sich in diesen Augen zu verlieren. Sein Herz schien krampfhaft, aber schnell und fordernd zu schlagen. Er merkte nicht, wie er den Atem anhielt, während Johns Augen ebenso in seine eigenen starrten, was ihm ein leichtes Kribbeln verlieh. Fast kam es Bobby so vor, als wären ihre Blicke fest miteinander verankert, doch dann sah er im Augenwinkel, wie Johns Augenbrauen sich ein wenig kräuselten und dieser den Blick schließlich abwandte. Stoßend atmete Bobby aus, als John schließlich an ihm vorbeiging und sich räusperte. „Ähm ja...“, begann er langsam und Bobby wagte nicht, sich zu ihm umzudrehen. Hatte John irgendetwas gemerkt? Hatte er sich verraten, indem er einige Sekunden zu lange in die Augen seines besten Freundes gestarrt hatte? Bobby hatte das Gefühl, ihm würde schlecht werden. Tief atmete er ein und versuchte sich ein wenig zu beruhigen, wieder klar zu denken und irgendetwas sagen zu können, dass die ganze Situation entschärfen würde. Doch ihm fiel nichts ein. Für einen Moment standen sie schweigend mit dem Rücken zueinander da. Dann räusperte John sich erneut. „Hey… wir haben noch… uhm… ungefähr eine halbe Stunde, bis der Unterricht wirklich zu Ende ist. Ich hab keinen Bock mehr, zurückzugehen, du etwa?“, fragte er und Bobby hörte, wie er sein Feuerzeug herauskramte und zwischen seinen Fingern drehte. „Wir könnten uns in den Gemeinschaftsraum setzen und ausnutzen, dass wir um die Uhrzeit mal keine Scheiß-Teenie-Sendung gucken müssen, was meinst du?“ Bobby fuhr sich durch das langsam bereits angetrocknete Haar und versuchte sich zu sammeln. Offensichtlich schien John nicht näher auf das Thema eingehen zu wollen oder er hatte sich schon wieder umsonst verrückt gemacht. „Klar, gute Idee“, sagte er und setzte gekonnt seine fröhlichste Stimme auf. Noch einmal einen tiefen Atemzug nehmend – keep cool, Bobby, du bist der Iceman! – drehte er sich schließlich zu John um, welcher schon einladend die Tür offen hielt. Lächelnd ging er an diesem vorbei und merkte, wie John dies mit einem Schmunzeln erwiderte. Doch diese Geste verschwand für einen Moment, als Bobby ihm den Rücken zugekehrt hatte. Was ist bloß mit dem los? Ist dem die Tinte ins Hirn gesickert, oder was? John fand es verwirrend, wie Bobby sich momentan verhielt. Er hatte keine Ahnung, wo dieser mit seinen Gedanken war. Nur ihm fiel auf, dass es immer merkwürdiger wurde. Was war das gerade gewesen? Er hatte ihn angestarrt, als wäre er mit seinen Gedanken ganz weit weg gewesen. Auf irgendeinen anderen Planeten, weit ab von diesem Sonnensystem. Er wusste nicht, wie er darüber denken sollte. Oder was er dazu sagen sollte. John beschloss, Bobby nicht darauf anzusprechen, doch ein merkwürdiges Gefühl blieb. TBC So, ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. Kommis, Kritik und was euch sonst so einfällt wie gewohnt bitte zu mir *lol* Bis zum nächsten Kapitel dann, motte Kapitel 9: Eisskulpturen lebensecht ----------------------------------- Hallo Leute, tut mir wirklich Leid, dass ich so lange nichts mehr hier hochgeladen habe. Aber zum einen hatte ich oft keine Zeit und zum anderen hatte ich irgendwie die Lust an der Geschichte verloren ._. Das hat sich zwar immer noch nicht ganz eingestellt, aber ich konnte mich zumindest aufraffen, das Kapitel hier on zu stellen. Es ist schon etwas länger fertig gewesen, aber ich bin nicht wirklich zufrieden damit (gewesen) und wollte es umschreiben, doch mir ist bisher nichts Besseres eingefallen =_=" Ich hoffe, ihr mögt das Kapitel trotzdem und es fällt nicht allzu sehr auf, wie lustlos ich in der Hinsicht im Moment bin. Sorry. Nun aber trotzdem viel Spaß beim Lesen! Kapitel 9: Eisskulpturen lebensecht Es war Anfang Dezember und die Temperaturen waren bereits unter 50°F geschritten. Das nasskalte Wetter tat sein übriges, um selbst durch dicke Pullover und warme Jacken zu schlüpfen und die Schüler bibbern zu lassen. Seit Tagen hatte man deswegen keinen Schüler mehr freiwillig draußen gesehen, doch das würde sich sicher bald ändern, wenn die Wettervorhersage hielt, was sie versprach: nämlich Schnee. Und das nicht nur ein bisschen, sondern zentimeterdick. Bobby freute sich schon auf den ersten Schnee in diesem Jahr. Winter war seine liebste Jahreszeit, insofern es kalt und trocken und mit Schnee und Eis verbunden war. Wie John – der Winter nicht ausstehen konnte – früher immer gemeckert hatte, wäre das bei seiner Mutation wohl nicht verwunderlich. Allerdings hatte Bobby Schnee und Eis auch schon gemocht, als er noch nicht wusste, dass er diese Kräfte besaß. Eigentlich mochte er den Winter, seit er denken konnte. Mittlerweile hatte sich die Situation zwischen ihm und Rogue auch wieder gebessert. Sie gingen wesentlich entspannter miteinander um; konnten auch wieder zusammensitzen, sich ganz normal miteinander unterhalten und zusammen lachen. Es war befreiend, diese Trennungsspannung zwischen ihnen langsam zu verlieren und ohne mulmiges Gefühl und irgendwelche nervösen Gedankenspiele miteinander umgehen zu können. Dennoch war Bobby klar, dass sie die größte Hürde, einfach Freunde zu sein, noch nicht überwunden hatten. Das Vertrauen war einfach noch nicht wieder da und das merkte man am deutlichsten daran, dass sie nur über allgemeine, oberflächliche Themen sprachen. Es waren Smalltalks und sinnlose Gespräche, fast so, als wären sie nur gute Bekannte oder Schulkameraden. Aber nach einer Trennung - und dann auch noch bei einem solch bitteren Beigeschmack – war es normal, dass man erst wieder Vertrauen neu schöpfen musste. Und das ging oft langsamer, als wenn man sich neu kennen lernen würde. Es würde noch dauern, bis sie wieder Freunde sein konnten. Aber Bobby war schon zufrieden, dass es in dieser Hinsicht überhaupt vorwärts ging und alles sich langsam normalisierte, wenn man mal von seinen Gefühlen für John absah. Doch darüber wollte er lieber gar nicht nachdenken. Mit den Wochen, die bisher vergangen waren, hatte er auch gelernt, seine Gedanken über und seine Gefühle für John soweit zu unterdrücken, dass er nicht permanent von ihnen heimgesucht wurde. Die meiste Zeit des Tages schaffte er es, all das zu verdrängen und darüber war er froh. Dennoch passierte es ihm immer noch oft, dass er, gerade dann wenn John ihm für seine Verhältnisse zu nah kam, dieses Verlangen nach dem anderen Mutanten spürte und dann stundenlang von diesem Gefühl und den dadurch ausgelösten Gedanken beherrscht war. Zum Glück war John gerade nicht mal in seiner Nähe. Bei dem feuchten, kühlen Wetter hatte der Feuermutant es vorgezogen, keinen einzigen Schritt nach draußen zu wagen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Selbst das Fenster in ihrem Zimmer wollte er erst dann öffnen, wenn Bobby das Gefühl hatte, sie würden schon fast ersticken. Der Vorteil an Johns Abscheu gegenüber kaltem Wetter war, dass er so nicht fürchten musste, dass John nach draußen käme und ihn damit an seine Gefühle für ihn erinnern würde, während er hier mit Kitty stand. Froh darüber lächelte er und beobachtete wie Kitty ihre Hand durch das kalte Wasser gleiten ließ. Ihr machte Kälte ebenso wenig aus wie ihm. Er wusste nicht, ob das eventuell an ihrer Mutation liegen konnte, aber er vermutete eher, dass sie einfach ein Winter-Typ war. Er erinnerte sich noch, als sie auf diesem Brunnen Schlittschuh gefahren waren. Dass sie sich kurz geküsst hatten, war für sie beide mittlerweile abgehakt. Es war nichts gewesen, nur ein kleiner Kuss, und auch wenn Kitty – was sie Bobby niemals sagen würde – wirklich etwas mehr als Freundschaft für ihn empfunden hatte, hatte sie akzeptiert, dass er mit Rogue zusammen war. Mittlerweile hätte sie natürlich „freie Bahn“, was Bobby anging, doch diese „Schwärmerei“, wie sie es heute nannte, war längst vorbei. Von Piotr zu Bobby… das wäre aber auch ein mächtiger Sprung gewesen. Und als guter Freund, auf den sie sich verlassen konnte, war er ihr eh viel lieber, als in einer Beziehung. „Hoffentlich stimmt es und es schneit nächste Woche wirklich!“, sagte sie hoffnungsvoll und setzte sich auf den Rand des Brunnens. Bobby, der tief in Gedanken versunken zu sein schien, blickte sie für einen Moment etwas perplex an, bis er offensichtlich verstand, was sie gesagt hatte. In letzter Zeit ist er immer so abwesend, wunderte Kitty sich. Das war nicht nur ihr aufgefallen, sondern auch anderen. Zusammen mit Jubilee hatte sie zig Möglichkeiten durchdacht, warum Bobby auf einmal so abwesend und gedankenverloren wirkte, doch ihr war kein plausibler Grund eingefallen, außer dass es vielleicht an der Trennung von Rogue lag. Doch sie wollte ihn nicht darauf ansprechen und würde es auch nicht tun. „Haben sie nicht schon für diese Woche Schnee gemeldet?“ Kitty zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Hauptsache, es gibt überhaupt Schnee! Vielleicht friert ja auch der See hier in der Nähe zu oder der Brunnen.“ Sie zwinkerte mit ihrem rechten Auge und lachte. Bobby grinste leicht. „Ansonsten kann ich ja wieder nachhelfen.“ Kitty nickte begeistert. „Au ja, mein persönlicher Eislieferant.“ Neckend versuchte Bobby sie zu erwischen, um in ihre Seite zu kneifen, doch sie war schneller und wurde immateriell, sodass er durch sie hindurch ins Leere griff. „Das hättest du wohl gerne“, meinte er scherzend. „Wenn dann bin ich für alle zuständig und nicht nur für dich.“ Sie grinste leicht. „Tja, wenn du dir so viel Arbeit auflasten willst. Bietest du denn auch noch mehr an, als nur zugefrorene Brunnen? Wie wäre es mit… hm…“ – sie schien spielerisch kurz zu überlegen, obwohl sie schon wusste, was sie sagen würde – „…lebensnahen Eisskulpturen.“ Bobby zog beide Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. „Lebensnahe Eisskulpturen?“, fragte er noch einmal nach. „Wen hättest du denn gern?“ Sie lachte laut auf und stellte sich in eine lachhafte Diva-Position. „Natürlich mich.“ Bobby grinste breit. „Geht klar. Wie lange gibst du mir Zeit?“, meinte er scherzend. Grübelnd tippte Kitty sich an ihr Kinn. „Oh, nicht allzu lange“, sagte sie dann und wog ihren Kopf abschätzend hin und her. „Zwei Tage vielleicht?“ „Na, hoffentlich bezahlst du dann wenigstens gut“, sagte Bobby gespielt schwermütig und legte einen Arm um ihre Schulter. „Wenn die Qualität stimmt… es soll so aussehen, dass mich niemand verwechseln kann und man sofort sieht, dass ich es bin. Jede Kleinigkeit originalgetreu bitte!“ Bobby schüttelte den Kopf, während er sie mit sich zurück zum Haus zog. „Alles klar, Miss Pryde.“ Nur wenige Tage später saß Bobby auf seinem Bett; die Beine angewinkelt, die Arme auf die Knie abgelegt. Heute war wieder einer dieser Tage; dieser Tage, an denen er es kaum aushielt, in Johns Nähe zu sein. Wann immer er ihn sah, klopfte sein Herz so stark, dass er das Gefühl hatte, es würde seine Brust zersprengen. Dazu kam noch dieses Kribbeln in seiner Magengegend, fast wie, als würden dort Ameisen Polka tanzen. Er konnte es einfach nicht abstellen, egal wie sehr er sich bemühte. Wenn John ihm näher kam, als zwei Meter Abstand zwischen ihnen, wurde ihm merkwürdig heiß und er hatte das Gefühl, zu schwitzen, und das nicht nur, weil Johns Nähe an sich ihn nervös machte, sondern auch, weil er krampfhaft versuchte, sich zu beherrschen und sich nicht zu verraten. Die ganzen letzten Wochen hatte er verzweifelt versucht, sich so normal wie möglich zu verhalten, doch ihm war klar, dass dies nicht sonderlich gut gelungen war. John war längst aufgefallen, dass mit Bobby etwas nicht stimmte. Erst letzte Woche hatte er ihn genervt darauf angesprochen. „Verdammt noch mal, was ist denn los mit dir? Du benimmst dich ja, als hätte ich die Pest!“, erinnerte Bobby sich noch gut an Johns Worte. „Hab ich dir eigentlich irgendetwas getan?“ In einem kitschigen Liebesfilm hätte Bobby an dieser Stelle sicher den berühmt-berüchtigten Spruch „Ja, du hast mein Herz gestohlen“ gesagt. Doch er lebte in keinem Liebesfilm, sondern in der Realität. Niemals würde er so etwas sagen, zumal er eh nicht vorhatte, John zu gestehen, was er für ihn empfand. Mittlerweile war er sich sicher, dass er John liebte. Mehr als einen Kumpel oder einen besten Freund. Es ließ sich auch nicht mehr abstreiten. Er konnte sich nicht selbst belügen. Das Kribbeln in seinem Bauch, wenn er an ihn dachte, die Versuchung, ihn zu küssen, wenn sie sich nah waren und die prickelnden Träume, aus denen er mit fleckiger, klebender Unterwäsche aufwachte, sprachen für sich. Doch es hatte lange gedauert, bis er sich selbst dies eingestanden hatte. Am liebsten würde er diese Gefühle immer noch verdrängen, doch er hatte gemerkt, dass es zumindest für ihn selbst einfacher war, damit umzugehen, seit er sich selbst nichts mehr vorspielte. Dennoch hatte sich dadurch der Umgang mit John nicht verändert. Manchmal wunderte Bobby sich, dass es nicht längst schon mehr Leute gemerkt hatten, denn so distanziert, wie er sich in manchen Fällen benahm, müsste es manche eigentlich wundern. Aber vielleicht dachten sie auch, John hätte mal wieder einen dummen Spruch von sich gelassen, und nun hätten sie sich unterschwellig in die Haare gekriegt. Schon früher, als sie noch jünger gewesen waren, hatten sie aufgrund von Johns losem Mundwerk öfters eine Zeit lang kein Wort miteinander gesprochen. Doch das war schon lange her und dementsprechend auch nicht mehr vorgekommen. Sie waren älter geworden und John weniger dreist, auch wenn er trotzdem noch viel dummes Zeug redete. Genau dieser John stand nun aber mit dem Rücken zu ihm am Fenster. „Es hat tatsächlich geschneit“, meinte er, während er auf den weißbedeckten Rasen schaute. Seine Stimme klang dabei so erstaunt wie unzufrieden. Er drehte sich zu Bobby, doch dieser hatte bisher keine Reaktion gezeigt. Innerlich rollte John die Augen. Mittlerweile ging Bobbys Verhalten ihm gehörig auf die Nerven. „Was ist los, du Eiszapfen?“, meinte er betont locker. „Draußen ist alles weiß und du willst es dir nicht einmal angucken? Bist du krank?“ Erneut bekam er keine Antwort, doch schließlich stand Bobby mit einem undeutbaren, aber genervten Blick auf. Oh nein, bitte nicht so viel Enthusiasmus, dachte John sich. Mit leichten, aber doch für John auffälligen Abstand zu ihm, stellte Bobby sich ebenfalls ans Fenster. „Ja, sieht gut aus“, meinte Bobby und seine Stimme klang vergleichsweise emotionslos. „Winter ist eine schöne Jahreszeit.“ Verwundert hob John eine Augenbraue an. „‘Winter ist eine schöne Jahreszeit?‘ “, wiederholte er Bobbys Worte skeptisch und legte bewusst dieselbe Tonlage auf wie der Eismutant. „Willst du mir nicht wieder die Freuden des Winters näher bringen, mir zeigen, wie toll Schnee und Eis sein können und mich zum hundertsten Mal versuchen zu überreden, mit dir eine Schneeballschlacht zu machen?“ Bobby schüttelte nur den Kopf und John hatte erneut das Gefühl, dass er sich nicht sonderlich wohl in seiner Nähe fühlte. „Das habe ich aufgegeben“, sagte Bobby schließlich. „Du wirst es eh nie verstehen.“ John grinste ein wenig schräg und blickte noch einmal aus dem Fenster über die zugeschneite Landschaft. „Da wirst du vermutlich Recht haben.“ Dann drehte er sich wieder zu Bobby, dessen hellblauen Augen immer noch auf das grelle Weiß starrten. Weiterhin grinsend ging er einen Schritt auf ihn zu und bevor dieser reagieren konnte, piekte er ihn spaßeshalber in die Seite. Wie er erwartet hatte, zeichnete sich für einen flüchtigen Moment ein Lächeln auf Bobbys blassen Lippen ab und seine Augen blickten aus Reflex ins Johns Gesicht. Als seine hellblauen Augen jedoch auf Johns Braune trafen, erstarrte Bobby für einen Moment. In den letzten Tagen und Wochen hatte er es vermieden, dem Feuermutanten direkt in die Augen zu sehen, schon gar nicht, wenn sie sich so nah waren, wie jetzt. Die Intensität, die Bobby in diesen Blick interpretierte, schien seine komplette Gedankenwelt mit einem Schwung wegzufegen. Es kam ihm so vor, als würden sie schon ewig so verharren und er bemerkte auch nicht, wie Johns Blick immer verwirrter wurde. Bobbys gesamte Sorgen schienen sich in den Hintergrund zu drängen. Es war, als gäbe es überhaupt kein Problem. So als wäre das hier, dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – Augenblick, einfach das Richtige, das Normale. Seine Gedanken standen quer; er schien kaum noch fähig zu sein, zu denken. Nur zögerlich beugte er sich vor, bemerkte nicht, wie John langsam zurückwich. Doch noch bevor John sich irgendwie abdrehen konnte, lagen Bobbys Lippen auf seinen. Das Gefühl von Johns warmen, weichen Lippen auf seinen eigenen, etwas kühleren ließ Bobbys Herz für einen Moment lang stehen, ehe es noch schneller zu schlagen begann als zuvor. Er merkte nur unterschwellig, dass John sich versteifte und sah aufgrund seiner halb geschlossenen Augen nicht, wie die des Feuermutanten sich geschockt weiteten. Schließlich bemerkte er ein bekanntes, aber merkwürdig fern klingendes Klicken. Es folgten ein leises Zischen, der kurz aufsteigende Geruch von Benzin und schließlich eine leichte Erwärmung in der Nähe seines rechten Arms. Obwohl er im ersten Moment nicht zuordnen konnte, was er war, reagierte Bobby instinktiv. Er ließ nur wenige Zentimeter von John ab; seine Hand immer noch ans Johns rechten Arm gelegt, was er zuvor gar nicht bemerkt hatte. Er ließ sich selber zu Eis werden, ein reiner Schutzmechanismus aus Affekt. Zu spät bemerkte er, als er wieder aufblickte, dass vor ihm ein erstarrter John stand, ebenfalls von einer dünnen Eisschicht überzogen. Nur vage konnte man darunter noch die Farben seiner Haut, seiner Haare und seiner Kleidung ausmachen. In seiner linken Hand hielt er das glühende Feuerzeug. Das Hochgefühl, das Bobby noch gerade verspürt hatte, ließ augenblicklich nach. Ihm war klar, dass er es nur Johns vermutlicher Verwirrung zu verdanken hatte, dass der Feuermutant nicht schneller gewesen war und ihn gegrillt hatte. Verdammte Scheiße! Er besah sich den eingefrorenen John vor sich. Er hatte ihn wirklich geküsst. Das allein hätte Bobby zurück in diese kribbelige, phantastische Welt des Verliebt-Seins katapultieren können, doch die Ernüchterung traf ihn recht schnell. Wenn John wieder enteist sein sollte, würde er ihm Feuer unterm Hintern machen und das vermutlich im wahrsten Sinne des Wortes. Lassen wir ihn erst mal so!, dachte Bobby und versuchte sich mehr Zeit zu schaffen, einen Plan zu entwickeln, der ihn vielleicht etwas aus dieser misslichen Lage herausholen könnte. Doch ihm wollte nichts einfallen. Sein Kopf war durchzogen von wirren Gedankengängen und er schien keinen von ihnen ordnen zu können. Von seinem eigenen Körper hatte er das Eis mittlerweile wieder verschwinden lassen, doch er wusste, dass er nicht die Macht dazu hatte, andere Vereisungen aufzuheben, selbst wenn er sie eigenhändig erschaffen hatte. Du bist so egoistisch! Schuldgefühle drohten ihn zu unterdrücken. Verdammte Scheiße, was hast du nur getan? Doch noch bevor Bobby darüber nachdenken konnte, wie er John aus diesem Eisüberzug befreien noch wie er sich selbst aus dieser verfahrenen Situation retten konnte, öffnete sich die Tür. Oh scheiße, nein! Blitzschnell stellte er sich vor den eingefroren John, um ihn möglichst gut zu verdecken, doch ihm war klar, dass er dies nicht gänzlich klappen würde. Was hast du nur getan? Innerhalb von wenigen Bruchteilen einer Sekunde schlüpften Rogue und Kitty durch den Türrahmen. „Hey, wir wollten euch fragen, ob ihr Lust habt heute-“, begann Rogue, stockte jedoch aber und runzelte die Stirn. Bobby merkte, dass sie an ihm vorbei sah und bereits John entdeckt haben musste, dessen Eisschicht in der tiefen Wintersonne ein wenig glitzerte. „Was hast du denn da?“, fragte sie verwundert und auch Kitty versuchte nun, an Bobby vorbeizugucken. Bobby hatte das Gefühl, alles würde über ihn herabstürzen. Ein Angstgefühl beschlich ihn, sein Herz klopfte schneller; er wollte fliehen. Doch das konnte er nicht. Das wusste er. „Sieht aus wie eine Eisskulptur“, meinte Rogue verwundert. Kitty grinste schräg. „Das habe ich doch nicht ernst gemeint.“ Bobby wusste nicht, was er sagen wollte. Nichts hätte erklären können, was passiert war, außer, dass er dumm, unvorsichtig und vollkommen kopflos gehandelt hatte. Doch er wollte weder Kitty noch Rogue erzählen, dass er John geküsst hatte – eine Tatsache, die ihm nun kein Hochgefühl mehr bescherte. Rogue kam näher und als sie schließlich neben Bobby stand, merkte dieser wie ihre Augen größer wurden. Ihr Blick wirkte geschockt. „Ist das John?“ Kitty lachte leise. „Wirklich lebensnah, Bobby, aber du wolltest doch mich machen.“ Sie schien Rogues Aussage für einen Scherz zu halten. Offensichtlich konnte sie aus ihrer Entfernung nicht sehen, dass die Farben von Johns Kleidung, Haaren und seiner Haut durchschimmerten. „Ich würde eher sagen, lebensecht“, korrigierte Rogue und zog beide Augenbrauen zusammen. „Oh mein Gott, Bobby, ist das wirklich John?“ Bobby merkte, wie sich Hitze und Nervosität in ihm ausbreiteten. Er merkte wie er leicht zu schwitzen begann. Er bemerkte, wie Kittys Gesicht nun auch zu einer Mischung aus Verwunderung und Erschrockenheit wurde. „Wie? Meinst du… darin steckt der echte John?“ Bobby atmete tief durch. Er bemerkte, dass sein Atem rasselnd erklang. „Ja... schon“, gab er zu. Es nützte eh nichts, zu lügen. „Es ist einfach so passiert.“ Mit jedem Wort fühlte er sich schlechter. Rogue beäugte ihn skeptisch. „Wie ’einfach so passiert’? So einfach passiert so was nicht!“ Bobby fühlte sich, als hätte sich ein Kloß in seinem Hals festgesetzt und würde ihm Atem und Sprache verschlagen. Sein Herz pumpte krampfhaft so schnell, dass er das Gefühl hatte, es würde in seinem ganzen Kopf pochen. Kitty ging derweil näher auf John zu. Ihr Blick war erschrocken und neugierig zugleich. Langsam hob sie ihre Hand, ehe sie ihren immateriellen Finger durch Johns Stirn piekte. „Na, wenigstens kann er einen jetzt nicht in Feuer setzten, wenn man so was macht“, sagte sie und konnte sich ein kleines Kichern nicht verkneifen. Bobby verzog leidig das Gesicht. „Das ist nicht lustig“, sagte er gequält und fühlte sich mittlerweile von seinen Schuldgefühlen überrannt. Soweit hatte er es nicht kommen lassen wollen. „Aber ich weiß nicht, wie ich ihn da wieder rausholen soll“, gab er ehrlich zu und seufzte schwer. Warum hatte er sich auch so von seinen Gefühlen leiten lassen? „Also ich auch nicht. Könntest du ihn nicht da rausholen, Kitty?“, fragte Rogue und besah sich ein weiteres Mal Johns eingefrorenen Körper genauer. Kitty schüttelte den Kopf. „Er ist ja nicht in einer Eisschicht, die ihn umrundet, gefangen, sondern sie sitzt ja an seinen Körper. Ich bezweifle, dass das gehen würde. Und ausprobieren möchte ich es auch nicht, sonst bring ich ihn noch zerfleischt zurück.“ Rogue nickte, um zu zeigen, dass sie Kitty gehört hatte, doch ihr Blick lag weiterhin auf John, während sie sich nachdenklich auf die Lippe biss. Bobby stand neben ihr und er fühlte sich, als sei er nicht wirklich hier. So als wäre das eine Traumwelt, an der er nur mäßig teilhaben konnte. Alles um ihn herum wirkte stumpf und unecht auf ihn. Sein Kopf tat weh und es war schwer, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Eisschicht schmelzen zu lassen“, meinte Rogue. „Jetzt wäre es natürlich praktisch, wenn er uns seine Feuerkraft leihen könnte, aber vielleicht versuchen wir es mit ein paar von seinen Feuerzeugen?“ „Das würde viel zu lange dauern“, meinte Kitty. Bobby, der bisher immer noch nichts gesagt hatte, fühlte sich, als würde er an einem Abgrund stehen, der immer tiefer wurde, je länger er hineinblickte. Nur noch wenige Zentimeter seiner Schuhsohlen schienen ihn auf dem sicheren Grund zu halten, doch bald würde er hineinfallen, wenn er sich noch weiter vorbeugte. „Das ist alles nur meine Schuld…“, murmelte er leise und ließ sich verzweifelt auf der hinteren Ecke von Johns Bett nieder. Ihm war zum Heulen zumute, auch wenn er das jetzt nicht tun würde. „Das stimmt, aber das hilft uns auch nicht weiter“, sagte Kitty und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „John hat auch schon einigen von uns wehgetan, ob jetzt mit Worten oder mit seinen Kräften. Ich denke nicht, dass du dich jetzt so schuldig fühlen solltest. Er ist ein mächtiger Mutant und auch wenn Eis nicht gerade sein Element ist, wird es bei ihm wohl weniger ausrichten, als bei einem normalen Menschen.“ Bobby nickte knapp. Auch wenn er wusste, dass John keine bleibenden Schäden davontragen würde, beruhigte ihn das kaum. Er würde schrecklich unterkühlt sein, vermutlich ein paar Tage krank sein und noch schlimmer: er würde furchtbar wütend sein. Die Vereisung allein würde ihn schon rasend machen, doch Bobby bezweifelte, dass John den Kuss vergessen hatte. Das konnte Kitty nicht wissen und er hoffte, würde er es ihr auch nie erzählen müssen. „Ich hab eine Idee“, meinte Rogue plötzlich. Sofort blickten Kitty und Bobby zu ihr und Bobby spürte augenblicklich ein merkwürdiges Gefühl in sich. Zum einen freute er sich natürlich, dass sie anscheinend eine Lösung gefunden hatten, doch zum anderen müsste er sich so schneller wieder mit John auseinandersetzen, und davor fürchtete er sich ungemein. „Logan hat so einen Heizstrahler oben“, erklärte Rogue. „Den hatte er sich mal gekauft, als er öfters unterwegs war. Wenn wir den auf volle Pulle stellen, wird es hier drin zwar wie in der Wüste, aber schmelzen würde die Eisschicht alle mal.“ Sie lächelte und war offensichtlich froh, dass ihr doch noch etwas eingefallen war. Kitty nickte ihr zu. „Tolle Idee! Dann lass ihn uns mal sofort holen.“ Sie ging ein paar Schritte auf Rogue zu, doch diese blieb noch einmal im Türrahmen stehen und blickte zu Bobby. Er hatte das Gefühl, dass sie ahnte, was ungefähr zwischen ihm und John vorgefallen war. Sicherlich wusste sie nicht, dass Bobby John geküsst hatte, aber sie vermutete sicherlich, dass es etwas mit der Tatsache, dass Bobby mehr für John empfand, zu tun hatte. Doch sie sagte kein Wort, wandte sich unter einem irritierten Blick von Kitty wieder ab und schließlich verließen die beiden Mädchen das Zimmer. Bobby war froh, als sie dabei die Tür hinter sich zuzogen. Nicht noch mehr Schüler sollten sehen, was hier passiert war. Es war ihm schon unangenehm genug, dass Rogue und Kitty nun davon wussten. Doch auch wenn ihm das immer noch Magenschmerzen bereitete und es ihm peinlich war, war er mittlerweile froh, dass sie ihm halfen. Nun, wo er wieder allein mit dem zugefroren John war, fühlte sich sein Körper wieder schwer und träge an. Kurz blickte er hoch und bemerkte das Feuerzeug, welches John kurz zuvor geöffnet hatte und welches nun immer noch als kleines Flämmchen im Raum brannte. Das Eis direkt an Johns Hand, welche das Feuerzeug umschlossen hielt, war langsam etwas getaut, jedoch reichten die kleine Flamme und die kurze Zeit nicht aus, um die ganze Hand eisfrei zu machen. Du bist so ein Idiot, Bobby. Nun, wo der erste Schockmoment etwas verklungen war, fühlte Bobby Mitleid mit John, der vermutlich fürchterlich frieren würde, wenn er wieder bei Bewusstsein war. Was hast du nur getan…? Es war ein Reflex gewesen. Ein Schutzmechanismus, als er das Feuerzeug hatte klicken hören. Doch er hätte John gar nicht erst in diese Lage bringen dürfen. Er hätte ihn nicht küssen dürfen. Warum hat das Leben beschlossen, mich zu hassen? TBC Sodele, das war's. Ich hoffe, es hat euch trotz allem gefallen und ein wenig für die lange Wartezeit entschädigt. Kommis, Anregungen, Kritik... alles zu mir. Vielleicht find ich ja so auf den Pfad des Schreiberlings zurück *lol* Ich versuch wirklich, das nächste Kapitel etwas schneller fertig zu stellen, aber versprechen kann ich nichts. Was meine eigenen Geschichten angeht, hab ich nämlich im Moment wohl echt ein richtiges Krea-tief. Danke schon mal und bis zum nächsten Mal, motte Kapitel 10: Fehler ------------------ Aloha he! Liebe, liebe Leute... Es tut mir so Leid! - Ehrlich. Dass es so lange gedauert hab, bis hier ein neues Kapitel hochgeladen wird. I'm sorry T_T Ich weiß auch nicht, was dieses Jahr mit mir los war, aber dies hier ist das erste Kapitel, was mir wirklich wieder Spaß gemacht hat, zu schreiben. So langsam verabschiedet sich mein Krea-tief wohl. Gott sei Dank. Ich hoffe, ihr habt trotzdem noch Spaß beim Lesen :) Kapitel 10: Fehler Laut surrte der Heizstrahler und verströmte im ganzen Zimmer zunächst angenehm sommerliche, mittlerweile aber schweißtreibende, stickige Luft. Bobby kam sich vor, als wäre er in der Sahara gelandet, nur ohne all den Sand. Er hatte mal in einem Buch über Afrika gelesen, dass es dort bis zu 140°F heiß war, doch mittlerweile kam es ihm so vor, als wäre es in seinem und Johns Zimmer schon wesentlich heißer. Die Beschreibung eines Backofens kam ihm treffender vor. Er hatte bereits seine eigene Körpertemperatur etwas abgesenkt, doch das spürte er mittlerweile kaum noch. Vielleicht war es auch die Nervosität, die ihm den Schweiß auf der Stirn trieb. Sie konnten John nicht ewig in diesem Eisgefängnis lassen, doch Bobby hätte jeden Moment der Konfrontation am liebsten hinausgezögert, wenn nicht gleich umgangen. Doch ihm war klar, dass John weder vergessen haben würde, dass er ihn in Eis gefroren, noch dass er ihn geküsst hatte. Und er war sich nicht einmal sicher, was schlimmer für den Feuermutanten sein würde. Er fürchtete sich vor dessen Reaktion, die er sich bereits in den schlimmsten Facetten ausmalte. Ein wütender John konnte gefährlich sein; körperlich wie verbal – und beides konnte schmerzhaft sein. Die Eisschicht auf Johns Körper begann langsam zu tauen. Immer mehr Tropfen bildeten sich an diversen Körperstellen, wie den Händen, dem Kinn und den Haaren und tropften immer schneller zu Boden, an dem sich schon eine sich weiter ausbreitende Pfütze im Teppich gebildet hatte. Dennoch dauerte es länger, als Bobby bei dieser Hitze vermutet hätte. „Das war wirklich eine gute Idee, Rogue“, hörte er Kitty neben sich sagen, die erleichtert aufseufzte. Trotz allen Streitereien, die sie mit John sonst immer hatte, sorgte sie sich um ihn. „Ich versteh wirklich nicht, wie dir das passieren konnte.“ Bobby brauchte eine Weile, bis er realisierte, dass sie damit ihn meinte. Ihr Ton hatte weniger etwas Anklagendes, als dass er einfach nur verwundert klang. Dennoch traute Bobby sich nicht, ihr in die Augen zu schauen, sondern blickte zu einem unbestimmten Punkt dicht neben ihr. „Ich auch nicht“, antwortete er leise und wusste selbst nicht, ob er damit die Vereisung oder den Kuss meinte. Vermutlich beides. Kitty sagte nichts mehr, doch er bemerkte ihren verwunderten Blick auf sich. Vermutlich hatte sie erwartet, dass er ihr nun erzählen würde, wie es überhaupt zu diesem „Unfall“ gekommen war. Doch er dachte nicht einmal daran, auch nur einer Menschenseele davon zu erzählen. Viel zu peinlich war ihm die Tatsache, dass er sich so hatte gehen lassen. Er, Bobby, der sonst immer so beherrscht war und den man selbst bei einem Streit lange reizen musste, bis er seiner Wut Luft machte und lauter wurde. Wäre es nur die Tatsache, dass er John in ein Eisgefängnis gesperrt hatte… nun, das wäre vermutlich nicht mal halb so pikant. Immerhin war Johns provozierende Art allseits bekannt und es würde wohl niemanden ernsthaft wundern, wenn man da mal die Beherrschung verlor. Doch der Kuss… Gott, was war da bloß in ihn gefahren gewesen? Was hatte er sich bloß dabei gedacht? – Gar nichts. Das war es ja. Hätte er dabei nur einmal sein Hirn genutzt, dann wäre ihm das nie passiert. Denn die Konsequenzen wären ihm dann klar gewesen. Früher oder später würde John fragen, warum er ihn geküsst hatte. Und was sollte er dann sagen? Die Wahrheit? Das wäre vermutlich das Sinnvollste, aber nichts wäre Bobby unangenehmer. John könnte ihn ablehnen, es als widerlich empfinden. Das stellte er sich viel schlimmer vor, als diese Gefühle auszuhalten, bis sie hoffentlich irgendwann wieder so schnell gehen würden, wie sie gekommen waren. Die andere Alternative war, dass John ihn gar nicht drauf ansprach, sondern stattdessen ignorierte, ihm aus dem Weg ging und ihn mied. Sah auch nicht wirklich rosiger aus. Wie Bobby es auch drehte und wendete, es stand einfach scheiße für ihn, um das jetzt mal mit aller Deutlichkeit zu sagen. Gerade war er schon bereit, wieder in Selbstmitleid zu versinken, als er unterschwellig ein leises Klicken vernahm und doch – es überraschte ihn selbst – reagierte er instinktiv und ließ sich selbst zu Eis werden. Dennoch reagierte er viel zu langsam, denn wie er Bruchteile einer Sekunde später feststellen musste, hatte ein Feuerball groß wie ein Medizinball ihn bereits erreicht und seinen linken Ärmel in Brand gesetzt, bevor dieser zu Eis hatte werden können. Er spürte, wie die oberste Eisschicht an seinem Körper bereits anfing, zu schmelzen, als er eine Art Mini-Blizzard auf seinen eigenen Arm lenkte, um diesen zu löschen. Nur Augenblicke später sah er bereits die nächste feurige Kugel auf sich zurasen kommen, doch diesmal war er schneller und wehrte sie mit seiner eigenen Kraft ab, auch wenn sie ihn ohnehin verfehlt hätte. Er hörte Rogue neben sich aufschreien und blickte erschrocken zu ihr, bemerkte aber erleichtert, dass Kitty sie an sich gezogen und mit sich immateriell hatte werden lassen. Nur zögerlich wagte er es, in die Richtung zu blicken, aus der die beiden Feuerbälle gekommen waren. Was er erblickte, ließ seine Kehle trocken und rau werden, sodass er es fast als unmöglich empfand, zu schlucken. Vor ihm stand John, kreideweiß im Gesicht, den Finger an das Rädchen seines Feuerzeugs gelegt und schwer atmend. Seine dunklen Augen blickten Bobby finster und wütend an; hatten ein Funkeln, das ihn fast schon dämonisch wirken ließ. Seine sonstige Erscheinung wirkte, durchnässt wie er war, einfach nur jämmerlich. Ihm war anzusehen, dass er fror. An einigen Stellen war er nicht nur unglaublich blass, sondern sah fast aus wie ein Eimer voll Kalk. Seine Lippen waren bläulich. Die Haut hatte sich zusammengezogen und ließ sie unheimlich schmal wirken. Trotz seiner sichtlichen Bemühung um Stärke, zitterte er erbärmlich. Bobby fühlte sich bei Johns Anblick von einer Woge der Schuld überrannt. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Kitty einige Schritte auf den Feuermutanten zuging. Fast hatte er gedacht, sie würde ihn wegen der Feuerbälle zurechtweisen, doch stattdessen sprach sie in den sanftesten Tönen zu ihm: „Gott sei Dank bist du da ja wieder raus. Wie geht’s dir jetzt, John?“ Bobby fand diese Frage ziemlich dumm, denn es war doch unübersehbar, wie schlecht es ihm ging. John schien das ähnlich zu sehen, denn er beachtete Kitty nicht einmal. „Drake!“, schnauzte er ihn plötzlich an. Seine Stimme klang gerissen und heiser, doch dadurch nicht minder bedrohlich. „Du… verdammtes Arschloch!“ Bobby war sich sicher, dass John einige viel härtere Worte auf der Zunge gelegen hatten, doch der Kleinere schien sie nicht fokussieren zu können. Er hatte das Gefühl, sein Magen würde sich zusammen ziehen. Sein Herz klopfte wie wild an seine Brust. Er wollte John beruhigen, ihm etwas sagen, irgendetwas, das vielleicht erklären würde, was er getan hatte. Spätestens jetzt wünschte er sich, Kitty und Rogue würden aus dem Raum verschwinden, auch wenn sie ihm noch so sehr geholfen hatten. „Wie konntest du es wagen… wagen ! … mich – mich! … in Eis einzufrieren?!“, zischte John zornig und drehte erneut das Rädchen seines Zippo-Feuerzeugs®, um eine weitere kleine Flamme zu entzünden und in seiner Hand wachsen zu lassen, bis sie ungefähr so groß wie seine Handfläche war und neben seinem Gesicht in der Luft schwebte. „Und glaub bloß nicht, dass ich vergessen hab, was vorher passiert ist!“ Bobby schluckte und sein Hals fühlte sich an, wie von tausend kleinen Rissen durchzogen. Er kam sich vor, als wäre er in einem schlechten Film. Nur leider war es real. „John, bitte, lass mich…“, begann er vorsichtig und ging einen Schritt näher auf den anderen Jungen zu. „Lass mich das erklären.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein leises Murmeln und er war sich nicht sicher, ob überhaupt jemand ihn verstanden hatte. Je näher er John kam, desto irritierter wurde dessen Blick und er wich schließlich einen Schritt zurück. „Vergiss es, Drake!“, wehrte er ab und seine Stimme kochte vor Wut. „Du packst mich nicht noch mal an!“ Er wich weiter von Bobby zurück und wandte sich von diesem ab. Der Feuerball, der neben seinem Gesicht geschwebt hatte, raste in Richtung Bobby los, knapp an dessen Kopf vorbei und verpuffte schließlich hinter diesem in der Luft. Er wollte einfach nur noch raus hier. Weg von Bobby, weg von den Mädels. Das wurde ihm hier alles zu viel. Er wollte keine Erklärungen, keine Entschuldigungen hören. Er war wütend und das, wie er fand, durchaus zu Recht. Mit großen Schritten wandte er sich der Tür, die aus seinem und Bobbys Zimmer führte, zu. Er merkte, wie ihm wieder ein wenig schwindelig wurde. Sein Gang wurde schwankend. Sein Kopf schmerzte heftig; instinktiv griff er sich an die Stirn. Seine Beine fühlten sich an als wären sie aus Wackelpudding und das Atmen fiel ihm zusehends schwerer. Seine Sicht verschwamm und klärte sich wieder, nur um wieder zu verschwimmen. Abstützend versuchte er, an der nächstgelegenen Wand Halt zu finden, doch die Kräfte schienen immer schneller aus seinem Körper zu schwinden. Bevor er noch die stützende Wand erreichte, wurde ihm plötzlich schwarz vor Augen und er kippte um. Das Letzte, was er hörte, war, wie mehrere Stimmen seinen Namen riefen. Kaum eine halbe Stunde später konnte Bobby sehen, wie sich die schweren Türen zur Krankenstation vor seinen Augen verschlossen und ihm den Blick auf John verweigerten. Rogue hatte darauf bestanden, Storm zu rufen und wahrscheinlich hatte sie gut daran getan. John sah fürchterlich aus. Sein Zustand war einfach erbärmlich. Storm war zunächst sehr erschrocken gewesen, als sie das Zimmer betreten und den Feuermutanten kraftlos am Boden hatte liegen sehen. Bobby hatte immer noch das Gefühl, ihren fragenden Blick auf sich zu spüren. Doch sie hatte kein Wort ihm gegenüber verloren; nicht gefragt, was passiert sei oder um eine Erklärung gebeten, wie es soweit hatte kommen können. Darüber war Bobby sehr dankbar. Er hätte auch nicht gewusst, was er ihr hätte sagen sollen. Die Wahrheit? Konnte er nicht. Zum einen war es ihm peinlich, erklären zu müssen, dass er Gefühle für John hegte, die seiner Meinung nach nicht da sein sollten, und er ihn aus reiner Nicht-Beherrschung heraus geküsst hatte. Zum anderen wusste er nicht einmal selbst, wieso ihm die Kontrolle so entglitten war, wieso er sich so hatte von seinen Gefühlen leiten lassen. Vielleicht hatte Storm irgendwie gespürt, dass dies kein Thema war, über das er vor Rogue, Kitty und Wolverine – den Storm dazu gerufen hatte, um John zu tragen – diskutieren wollte. Weibliche Intuition oder so. Vielleicht aber auch hatte sie für sich entschlossen, dass die genauen Hintergründe sie nichts angingen. Vielleicht wusste sie, dass es bei Bobby schon viel verlangte, damit er sich selbst vergaß. Er war nicht so leicht reizbar wie John, dem in der Vergangenheit schon häufiger die Kräfte durchgegangen waren und der nicht selten zu seiner großen Klappe auch seine Mutation nutzte, um sich durchzusetzen oder einfach – wie er es nannte – „seiner Meinung Nachdruck zu verleihen“. Oder vielleicht einfach auch, weil er manchmal ein richtiger Mistkerl sein konnte. Offenbar jedenfalls hielt Storm Bobby nicht für einen solchen „Mistkerl“. Zwar bezweifelte Bobby, dass sie nicht doch irgendwann das Gespräch mit ihm suchen würde, doch sie schien nicht wütend auf ihn zu sein. Zumindest noch nicht. Vielleicht war das auch nur die Ruhe vor dem großen Storm-Sturm. Wenn dem so wäre, könnte sich bald die ganze Umgebung um das Institut herum auf große Unwetter einstellen. Oder so ähnlich. Welch blöder Gedanke eigentlich. Storm war kein Kleinkind, das seine Kräfte nicht unter Kontrolle haben und von seinen Gefühlen trennen können würde. Dachte Bobby so. Na ja, vielleicht war dem so. Doch von all den ganzen „Vielleichts“ und der Nachdenkerei bekam er schon Kopfschmerzen. Und bringen tat es auch nichts. Es nahm ihm nicht die Unsicherheit und auch nicht das schlechte Gewissen; ebenso wenig den Scham, dass ihm so etwas passiert war. Seufzend drehte er sich langsam von dem Edelstahltor weg und begab sich zu den Aufzügen, die zurück in die oberen Stockwerke des Internats führten. Nun lag John in einer Wärmetruhe. Logan hatte gemeint, es hätte ein bisschen was von Schneewittchen, doch Bobby hatte das nicht sonderlich lustig gefunden. Johns Haut war nicht weiß wie Schnee; sie hatte eher einen Graustich, als ob man durch den Schnee noch eine Prise Asche gezogen hätte. Für Bobby hatte er fast tot ausgesehen, hätte er nicht noch das stetige, wenn auch schwache Heben und Senken der Brust gesehen, das ihm versicherte, dass John noch atmete. Seine Haut hatte geglüht und war von einem glänzenden Schweißfilm überzogen gewesen. Laut Storm hatte er ziemlich hohes Fieber und war sehr schwach. Ein paar Körperstellen waren definitiv unterkühlt und würden auch sicher noch einige Tage schmerzen. Doch er war nicht in Lebensgefahr und dank seiner übermenschlichen Kraft würde er all dies vermutlich ohne Folgeschäden wegstecken. Das hatte Storm Bobby noch gesagt, ihm dabei auf die Schulter gefasst und zuversichtlich gelächelt, ehe sie ihn rausgeschickt hatte. In gewisser Weise hatte Bobby das erleichtert. Würde John durch seine Aktion ernsthafte Schäden nehmen, würde er sich das nie verziehen. Doch trotzdem fühlte er die Schuld schwer auf seinen Schultern lasten. Innerhalb kürzester Zeit hatte er John zwei Mal mit seinen Kräften so stark geschwächt, dass er auf die Krankenstation des Instituts bzw. ins Krankenhaus musste. Es war nicht so, dass es in der Vergangenheit nicht ein dutzend Vorfälle gegeben hätte, bei denen es umgekehrt gewesen war. Bobby erinnerte sich noch gut an seine Ankunft in Xaviers Schule. Er war verängstigt und vollkommen durcheinander gewesen. Er hatte Kräfte an sich entdeckt, von denen er nicht wusste, dass er sie auch kontrollieren konnte (wie ihm der Vorfall heute gezeigt hatte, konnte er das offensichtlich doch nicht so sehr, wie er die Jahre über bei Xavier gelernt hatte). Noch dazu hatte er immer „normal“ sein wollen. Wie jeder andere Junge in Boston. Vielleicht hätte er im Schulteam Basketball gespielt oder wär in einen Musikkurs gegangen. Irgendwie so was. Doch ganz bestimmt hatte er kein Mutant mit der Fähigkeit, Eis erschaffen und formen zu können, werden wollen. Und dann war er auch noch ausgerechnet mit John in ein Zimmer gesteckt worden. Schon auf dem Flur, als er von Xaviers Büro auf Einlass gewartet hatte, hatte ein Junge ihn angesprochen, dass er sich auf jeden Fall vor diesem „feuerspuckenden Drachen“, ein Junge namens John Allerdyce, in Acht nehmen sollte. Unter einem „feuerspuckenden Drachen“ hatte Bobby sich etwas anderes vorgestellt, als einen damals recht hageren Pimpf, allerdings inklusive beachtlichem Mörderblick. Mit John war damals in der Pubertät wesentlich schwerer umzugehen gewesen, als heute. Er war gereizt von allem und jedem. Er hatte diesen Streit mit seinen Eltern gehabt, die im Gegensatz zu Bobbys Eltern schon damals von seiner Mutation gewusst hatten und froh gewesen waren, ihn in diese Schule „los geworden“ zu sein. Den Zwist gab es heute noch. Nur schien nach all den Jahren von Johns Seite aus eine gewisse Gleichgültigkeit zu herrschen. Wenn Bobby sich recht erinnerte, hatte John auch keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Zumindest wusste er nichts Gegenteiliges. Man musste damals aber praktisch nur seine eigenen Eltern erwähnen oder sonst etwas, was John auf die Palme brachte – und das war damals viel – um zu riskieren, entweder von seiner allzu großen Klappe erdrückt oder von einem Feuerball verschlungen zu werden. Bobby hatte also gleich am ersten Abend, als er doch noch von ziemlichem Heimweh geplagt gewesen war und allein mit John in ihrem Zimmer gesessen hatte (das John vorher übrigens eine Zeit für sich allein gehabt hatte, weswegen er allgemein von Bobby nicht begeistert gewesen war) den Fehler gemacht, das Tabu-Thema ‘Eltern‘ anzusprechen. Wenige Minuten später hatte er auf der Krankenstation gelegen, mit einem verbrannten Oberarm, und war von Dr. Grey untersucht worden. In den nächsten Jahren waren viele Blessuren gefolgt, allerdings nicht nur gegenüber ihm, sondern auch gegen viele anderen Menschen im Institut. Mit sechzehn hatte John dann den absoluten Ausraster gegenüber Professor Xavier gehabt und sogar gegenüber diesem seine Kraft anwenden wollen. Mit dem Ergebnis, dass Xavier John mittels Gedankenkraft dazu gebracht hatte, sich selbst in Brand zu setzen. Danach hatten Johns Krafteinsätze erheblich nachgelassen. Sie waren praktisch kaum bis gar nicht mehr vorgekommen. John hätte es also durchaus mal „verdient“, ebenfalls von der Mutationskeule geschlagen zu werden. Doch Bobby war nie der Typ gewesen, der auf solche Art und Weise seine Probleme geregelt hätte. Beim ersten Mal auf Alcatraz, das war Ablenkungsmanöver und Notwehr zugleich gewesen. Doch heute… das konnte er keinem mit Sinn und Verstand erklären. Klar, es war in gewisser Weise auch Notwehr gewesen, immerhin hatte John das Feuerzeug gezückt gehabt. Doch erst nachdem Bobby ihn geküsst hatte. Und das war seine Schuld gewesen. Er konnte sich immer noch nicht erklären, wie er sich so hatte gehen lassen können. In ihrer jahrelangen Freundschaft war er immer der Ruhigere von ihnen gewesen; der, der mehr überlegt hatte und weniger, so wie John, aus dem Bauch heraus gehandelt hatte. In der Zeit hatten sie viel von einander übernommen. Bobby war etwas selbstsicherer und meinungsfreudiger geworden. Und John im Gegenzug etwas ruhiger und „zahmer“. Vielleicht bildete er sich auch nur ein, dass es sein Einfluss und nicht ein ganz normaler Akt des Älter-Werdens gewesen war, aber fest stand: Sie waren beste Freunde gewesen. Das hätten sie auch bleiben sollen. Einfach nur beste Freunde. Und dann musste er wegen dieser Verliebtheit auch noch den Verstand verlieren. Die große Frage war wohl: waren sie noch beste Freunde? Oder hatte Bobby das mit seiner Aktion verspielt? Am liebsten würde er die Krankenstation stürmen und John wachrütteln, nur um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Und auf viele andere, die ihm auf der Zunge brannten. Die Ungewissheit fraß an ihm. Doch er konnte ihn jetzt nicht fragen. Er musste ihm seine Ruhe lassen. Die weibliche Elektrostimme aus dem Aufzug vor ihm sagte nun mindestens schon zum fünften Mal: „Bitte treten Sie ein.“ Vielleicht sollte er ihr mal Folge leisten. Hoffentlich war oben auf dem Flur keiner. Denn auch wenn er nicht dachte, dass Rogue oder Kitty jemanden etwas erzählt hätten, … … solche Geschehnisse verbreiteten sich in einem Internat eben wie ein Lauffeuer. Seine Glieder schmerzten fürchterlich, als er langsam zu sich kam. Doch eine wohlige Wärme umgab ihn und kreierte ein Gefühl von Geborgenheit, das ihn gar nicht so recht aufwachen lassen wollte. So wie früher, wenn er in seinem Elternhaus im Bett gelegen und seine Mutter ihn hatte wecken wollen. „Nur noch fünf Minuten, Mama.“ Und so hielt er seine Augen geschlossen und gab sich diesem Gefühl der einlullenden Wärme hin, versuchte seine schmerzenden Glieder so gut es ging zu ignorieren. Um sich herum hörte er ein stetiges Surren, das sich blechern und automatisch anhörte, fast wie bei einem Kühlschrank. Undeutlich drangen ebenso Stimmen an sein Ohr, die sich jedoch für ihn noch nach einem murmelnden Mischmasch anhörten. Es klang irgendwie dumpf, fast als würde etwas sie dämmen. Nur langsam schienen sie Farbe zu gewinnen und sich in zwei Stimmen aufzuteilen. „… hat sie angeschafft. Offensichtlich eine gute Investition“, konnte John langsam die Worte entziffern, die eindeutig von einer weiblichen Stimme kamen. „Das wundert mich nicht“, antwortete daraufhin eine leicht rauchige Männerstimme. Für einen kurzen Moment sagte keiner etwas, ehe die weibliche Stimme wieder zu sprechen begann: „Du vermisst sie sehr.“ Von dem Mann kam ein leicht rümpfender Ton. Offensichtlich wollte er das Thema nicht besprechen. „Sie war ja auch eine tolle Frau“, sagte die weibliche Stimme weiter und John hörte über sich etwas klimpern. „Das war sie.“ „Es tut mir sehr Leid für dich.“ Die weibliche Stimme klang mitfühlend. „Ich weiß“, sagte die männliche Stimme. „Aber sie war auch deine Freundin.“ Ein Klackern von Schuhen war zu hören; langsame, bedächtige Schritte. „Ja, manchmal fehlt sie mir schon. Wie zum Beispiel jetzt. Ich bin keine Ärztin. Sie hätte vielleicht noch besseren Rat gewusst.“ „Du machst das schon. Du bist eine intelligente Frau. – Und außerdem bin ich ja auch noch da.“ Die Stimme des Mannes klang zuversichtlich und langsam hatte John das Gefühl, dass sie ihm seltsam bekannt vorkäme. In der Stimme der Frau war ein eindeutiges Lächeln zu hören, als sie antwortete. „Und dafür bin ich dir dankbar. Sag, ist es nicht mittlerweile für dich auch ein Zuhause geworden?“ John kräuselte leicht die Stirn. Die beiden Stimmen störten definitiv seine Ruhe und sein Wohlbefinden. Seine Augenbraue zuckte. Am liebsten hätte er sich lauthals beschwert, doch seine Kehle fühlte sich ganz rissig an. Was war bloß los mit ihm? Er hörte die Frau noch etwas sagen und ihre Stimme erinnerte ihn an die… Moment! – er unterbrach sich in Gedanken selbst. Das war die Stimme von Ororo Munroe, Storm, seiner Lehrerin. „Ach, Ororo, du weißt doch, wie das mit den schönen Frauen ist…“, hörte er die männliche Stimme mit einem eindeutigen Schmunzeln sagen – und da war wieder dieses Klimpern. Wenn die Stimme zu Miss Munroe gehört… Nun, dann musste die andere Stimme wohl – „Logan!“ John riss erschrocken von dieser Erkenntnis und Miss Munroes Ausruf die Augen auf. Skurriler Weise sah er über sich eine durchsichtige Scheibe. Was hatte das zu bedeuten? Über der Scheibe sah er Wolverines Kette baumeln, die immer wieder dieses Klimpern erzeugte, wenn der kleine Army-Blechanhänger hin und her schwankte. Er hatte sich zu Storm rüber gebeugt und sah diese mit einem breiten Grinsen an, während sie mit einer Mischung aus Tadel und Vergnügen zu ihm zurück blickte. John rollte leicht mit den Augen. Was für ein Albtraum. Wer wollte denn schon aufwachen und dann ausgerechnet Mr. „Ich-bin-haarig-und-allein-wie-ein-Wolf“ im Flirt mit seiner Schulleiterin vorfinden? War er wirklich wach oder hatte irgendein Mutant ihn in einer schrecklichen Vision gefangen? – Das war ja… widerlich. „Oh Gott, ich glaub, ich kotz gleich“, murmelte John und merkte unangenehmer Weise bei jedem Wort, wie sein Hals schmerzte. Doch schien er nun die Aufmerksamkeit von Storm und Wolverine auf sich zu ziehen. Sofort änderte sich der Ausdruck auf Storms Gesicht und sie blickte besorgt zu ihrem Schüler hinunter. „John“, nannte sie ihn mit Nachdruck bei seinem Namen, als wollte sie verhindern, dass er wieder einschlief. „Wie geht es dir?“ Aus halb geöffneten Augen starrte John seine Lehrerin an. Was war das denn bitteschön für eine blöde Frage?! – Da sie ja hier neben diesem Kasten, in dem er skurriler Weise lag, stand, wusste sie wohl doch offensichtlich mehr als er. Denn John… wusste gerade ehrlich nicht einzuordnen, was passiert war. „Wozu lieg ich in diesem… Sarg?!“, fragte er und obwohl er noch geschwächt war, war der Trotz und Unwille in seiner Stimme nicht zu verkennen. „Du bist tot“, antwortete Logan ihm nüchtern, doch noch bevor er etwas Weiteres sagen oder John etwas erwidern konnte, funkte Storm dazwischen. „Logan! Das ist nicht lustig! – John, du bist natürlich nicht tot. – Logan, also ehrlich!“, fuhr sie den kräftigen Mann ihr gegenüber an, der daraufhin unbeteiligt mit den Schultern zuckte. Ihm noch ein Augenrollen zuwerfend, wandte sie sich schließlich wieder an John. „Erinnerst du dich gar nicht mehr, was passiert ist?“, fragte sie ihn sanft und ihr Ton sollte offenbar eine beruhigende Wirkung auf John haben, was jedoch ziemlich fehlschlug. „Nein, sonst würd ich ja nicht so blöd fragen“, gab der Feuermutant gereizt zurück und ärgerte sich innerlich, dass seine Stimme so schwach klang. Wütend wollte er sich aufsetzen, vergaß aber den Kasten um sich herum und stieß sich erst einmal kräftig den Kopf. Aua. Kunststoff. Kein Glas. Das hätte er jetzt nicht gedacht. Egal, es tat trotzdem weh. „Könnt mal jemand dieses Ding öffnen?!“ „Wir müssen erst noch deine Werte überprüfen, John, bevor wir sicher gehen können, dass du nicht wieder umkippst, immerhin warst du stark unterkühlt“, sagte Storm und legte ihre Hand auf die klare Kunststoffscheibe. Logan gab ein leises Schnauben von sich. „Dem Jungen geht es offensichtlich wieder prächtig. So frech, wie der schon sein kann…“ John warf ihm einen gereizten Blick zu. „Hätt ich Bitte bitte sagen sollen?“ Schwer ausatmend beugte Logan sich über die Wärmetruhe und John rutschte instinktiv mehr an die Seite, an der Storm stand. „Ich wäre zumindest etwas dankbarer, wenn man mich in total unterkühltem Zustand gefunden hätte. Mit so einer Vereisung ist immerhin nicht zu spaßen. Wir haben dich aufgepäppelt und Tag und Nacht an dieser Truhe gewacht“, erzählte Logan und genoss es offensichtlich von oben auf John herab blicken zu können. „Sei also gefälligst etwas höflicher.“ „Logan!“, unterbrach Storm ihn abermals empört. Hatte der Mann eigentlich gar kein Taktgefühl? Sie wusste, dass er es nicht so meinte und John vermutlich nur auf die gleiche rotzige Art begegnen wollte, die der Junge selber an den Tag legte. Vielleicht war diese Art auch genau das, was John brauchte, aber dennoch fand sie sein Verhalten in der Situation einfach unmöglich. „Übertreib es nicht, es sind gerade mal vier Stunden vergangen, seit wir ihn hierhin gebracht haben.“ Logan erwiderte noch etwas, doch John hörte ihnen gar nicht mehr richtig zu. Vereisung. Starke Unterkühlung. Logans Worte ließen Fetzen der Erinnerung zurückkehren. Wie er völlig geschwächt und wütend aus dem Zimmer gestapft war. Wie er Feuerbälle auf Bobby geschleudert hatte. Wie er diese kriechende Kälte gespürt hatte, die seinen Körper einnahm und die er nicht stoppen konnte. Es war, als erlebe er das Geschehene noch einmal rückwärts. Wie er sein Feuerzeug gezückt hatte. Die Erinnerung war wieder da. Wie Bobby ihn geküsst hatte. John atmete schwer aus; ließ sich, als hätte er die Last von tonnenschwerem Stahl auf sich zu tragen, auf den weichen Untergrund in der Truhe zurücksinken. Sein Kopf fühlte sich plötzlich so viel schmerzender an als der Rest seines Körpers. Seine Gedanken standen Kopf. Wieso war das passiert? Mit leicht zittrigen Händen strich er sich über seine geschlossenen Lider. Er hustete und es klang sehr bronchial. War sein Brustkorb die ganze Zeit schon so verstopft gewesen? Er hatte das Gefühl, alles würde sich noch mehr zusammenziehen. „John, alles in Ordnung mit dir?“, hörte er Storm fragen und es klang wie aus der Ferne. Aus trüben Augen blickte er sie an, unschlüssig, ob er etwas sagen, mit dem Kopf nicken oder schütteln sollte. „Wenn du möchtest, können wir jetzt mit der Untersuchung anfangen. Es wird wohl nicht ganz so reibungslos vonstatten gesehen wie mit Dr. Grey, aber…“ Doch John hörte ihr nicht weiter zu. Er brauchte die Begründungen und Vorwarnungen, die sie eventuell äußern würde, nicht hören. Die Untersuchung musste gemacht werden. Was nützte es da, ob er das wollte oder nicht? Ob sie es gut konnte oder nicht. Es gab ja keinen anderen, der mit diesen Instrumenten umgehen konnte. Und er vertraute ihr, auch wenn er es ihr nie so genau sagen würde. Ähnlich war es mit Mystique gewesen. In der Bruderschaft war sie für ihn ebenso eine Ankerperson gewesen wie Magneto. Dass Magneto sie einfach so rausgeschmissen hatte, nachdem sie – um ihn zu retten – vom Heilungsmittel getroffen worden war, hatte ihn ziemlich aus der Bahn geworfen. Loyalität und persönliche Bindungen hatten sie nicht gerettet. Und trotzdem war er geblieben. Aus Überzeugung? Weil er nirgendwo anders hingekonnt hatte? Er hätte zu Storm gekonnt, oder? Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr. Sein Kopf war so überfüllt, dass er nicht mal mitbekam, wie der Kunststoffabschluss über ihm sich langsam zur Seite schob. Die wichtigste Frage überhaupt war doch: Warum hatte Bobby ihn geküsst? Es war bereits weit nach Mitternacht, als Bobby wieder aufsetzte. Er hatte sich die ganze Zeit von einer Seite auf die andere gewälzt, keinen Schlaf gefunden. Was heute passiert war, ließ ihm keine Ruhe. Er hätte sich nie so gehen lassen dürfen. Aber wie oft hatte er sich das heute schon gesagt? Er konnte es doch nicht mehr ändern. Er konnte nur weiter in Schuldgefühlen und Selbstmitleid versinken, doch das nahm ihm seine Unruhe nicht. Er brannte auf ein Gespräch mit John, auch wenn er sich zugleich davor fürchtete. Storm hatte ihn gebeten, John noch etwas in Ruhe zu lassen. Vermutlich ging sie von einem „ganz normalen“ Streit zwischen ihnen aus. Doch wie sollte sie auch ahnen, was wirklich passiert war? Wie sollte sie wissen, dass Bobby diese Ungewissheit einfach nicht mehr aushielt? Er hatte keine Ahnung, wie John reagieren würde. Dass er ihm um den Hals fallen und seine Gefühle erwidern würde, glaubte er nicht. Vielleicht würde er verstört sein, vielleicht wütend. Vielleicht würden sie sich streiten. Bobby wusste es nicht. Doch er musste es erfahren. Kribbelig fuhr er sich selbst über die Oberschenkel, biss sich auf die Lippen. Dieses ungeduldige, nagende Gefühl kannte er von sich gar nicht. Sein Puls raste und doch hatte er das Gefühl, in seinem Brustkorb sei es wie ausgestorben. Fahrig stand er schließlich doch auf und ehe er sich versah und realisieren konnte, was er tat, war er auch schon auf dem Flur vor dem Fahrstuhl. Gott, Bobby, was tust du hier?! Die Zweifel, ob es richtig war, was er hier tat, nagten an ihm. Das letzte Mal, das er allein nachts durch die Schule geschlichen war, lag schon so lang zurück, dass er sich gerade nicht einmal mehr daran erinnern konnte. Doch seine Hand hatte schon wie von allein die Taste gedrückt, welche die Tür zum Aufzug öffnete. Noch etwas zögernd trat er ein. Ein Ruckeln signalisierte ihm, dass der Aufzug sich in Bewegung gesetzt hatte. Je weiter er nach unten kam, desto nervöser wurde er. Als die Tür sich schließlich wieder öffnete und ihm den Blick auf den verlassenen, dunklen Korridor freigab, hielt er den Atem an. Er kam sich vor, als würde er hier etwas Verbotenes tun und müsste aufpassen, nicht erwischt zu werden. Fast so, als würde er in einem Museum ein wertvolles Relikt stehlen. Und so schnell schlug auch sein Herz, als er sich der Tür zur Krankenstation näherte. Seine Hand zitterte stärker als zuvor, als er sie auf den Schalter legte, der die beiden schweren Stahlhälften auseinanderfahren ließ. Seine Augen gewöhnten sich nur schwer an das Dunkle, doch er wollte nicht gleich die volle Beleuchtung aufdrehen. Er hörte ein Rascheln aus dem hinteren Teil des Raumes und schließlich wurde dort ein kleines Lämpchen angeknipst. Sein Körper fühlte sich plötzlich bleischwer an, als Bobby John aufrecht auf einer Art Bett liegen sah, das nicht sonderlich anders aussah, als ein OP-Tisch, auch wenn Bobby wusste, dass es weitaus bequemer war. Offensichtlich hatte der Feuermutant die Wärmetruhe verlassen dürfen, doch es waren noch einige schmale Kabel mit ihm verbunden, die seinen Zustand überwachten. Im matten Schein der Lampe konnte Bobby das dumpfe Glänzen eines Infusionsbeutels erkennen. Johns Gesicht lag für ihn im Dunkeln. Das Licht schien auf seinen Hinterkopf und beleuchtete seine Züge nur spärlich. Das war vielleicht auch besser so, denn sonst hätte Bobby gleich den schweren Ausdruck auf Johns Gesicht bemerkt; eine Mischung aus Unwillen und Resignation. „Was willst du?“, unterbrach der Feuermutant schließlich die Stille zwischen ihnen. Seine Stimme klang immer noch ziemlich kraftlos, was merkwürdiger Weise seinen leichten Akzent mehr betonte. Dass John von der Westküste stammte, fiel ihm sonst mittlerweile kaum noch auf. Nur zögerlich ging Bobby einige Schritte näher auf den anderen zu. „Reden“, murmelte er leise. John entfuhr ein seufzender Laut. „Worüber?“ Es war eine Frage, die eigentlich keine Antwort brauchte. Worüber sollten sie sonst reden, wenn nicht über das, was heute zwischen ihnen vorgefallen war? Über das Wetter vielleicht? „Wie geht es dir?“, fragte Bobby beinahe schon zaghaft, als wollte er dem eigentlichen Thema noch etwas ausweichen. Doch da hatte er die Rechnung ohne John gemacht. „Das ist wohl kaum das, worüber du reden willst, Bobby“, meinte er in einem scharfen Ton, der Bobby zusammenzucken ließ, „also tu nicht so, als würde dich das interessieren.“ „Natürlich interessiert mich das!“, erwiderte Bobby getroffen. „Denkst du, du bist mir egal, oder was?!“ John schnaubte ein wenig verächtlich. „Oh nein, das hast du ja heute bewiesen.“ Dieser Kommentar traf Bobby wie ein Schlag. Wieder einmal hatte John gezeigt, wie sehr er einfach nur mit Worten verletzen konnte. „Sei nicht so scheiße, John“, gab Bobby zurück, wirklich gekränkt durch die Worte des anderen. Musste er sich diesen Zynismus gefallen lassen? Am besten sollte er einfach jetzt gehen, doch das wollte er nicht – und er konnte es auch nicht. „Ach, meinst du, ich hab nicht das Recht, wütend zu sein?“ Bobby atmete tief durch. Es fiel ihm schwer, sich nicht auf das gleiche Niveau wie John zu begeben. „Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen und mit dir darüber zu sprechen“, sagte er in einem bemüht ruhigen Ton. „Nicht, um mich von dir beleidigen zu lassen.“ „Dann hättest du besser nicht kommen sollen.“ John blickte Bobby fest ins Gesicht, doch dieser wandte seinen Blick dem Fußboden zu. Die Worte und die Art, wie John sie sagte, so sarkastisch und kühl –das traf ihn ungemein. Doch was hatte er erwartet? Dass er mit John vernünftig reden konnte? Ja, vielleicht schon. Dabei kannte er ihn doch und wusste, wie John sein konnte. Für eine Weile wurde es sehr still zwischen ihnen und ihr Schweigen wirkte sich fast drückend aus. John wandte seinen Blick von Bobby ebenso ab und starrte der Länge nach auf seinen Bettersatz; beobachtete die Falten, die die Decke warf, als er seine Schenkel an den Oberkörper zog. Bobby verschränkte die Arme vor der Brust. Er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde unwohler. Am liebsten würde er gehen. Schließlich unterbrach John ihr Schweigen: „Warum hast du mich geküsst?“ Seine Stimme klang weniger wütend, viel mehr leise und ehrlich fragend. Doch Bobby sah den Unterschied zu den vorher stichelnden Tönen seines Freundes nicht. Zu angegriffen und wütend war er mittlerweile. „Ich dachte, das hättest du dir gerade selber beantwortet“, gab er dementsprechend zurück und sah wieder auf. John wandte sich ihm ebenfalls wieder zu. „Jetzt komm mir nicht so blöd, Drake“, erwiderte er und seine Stimme verlor wieder jegliche Unsicherheit. Am liebsten hätte Bobby jetzt gesagt „Blöde Fragen verlangen blöde Antworten“, doch er war mehr als froh, dass diese Worte nicht den Weg über seine Lippen fanden. „Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst“, kam es schließlich wieder von John und in seinem gereizten Ton schwankte auch ein Stück Resignation mit. Bobby presste die Lippen aufeinander, seine Fingernägel krallten in seinen Oberarm. „Ja, vielleicht hast du Recht.“ Er blickte zu John, doch dieser hatte sich bereits abgewandt. Tief durchatmend wandte Bobby sich ab und ging die Schritte durch das Halbdunkel zurück zur Tür. Kurz hielt er noch inne. „Gute Besserung“, sagte er leise, ehe er sich abwandte und die Türen sich hinter ihm schlossen. Bebend lehnte er sich an die Wand neben ihm. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Bei allem, was hätte kommen können, bei allem, was er befürchtet hatte, hatte er dennoch nicht gedacht, dass es in der Realität so schlimm werden würde. Er lehnte seinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Verzweiflung kam in ihm auf. Was sollte er denn jetzt machen? „Verdammte Scheiße.“ Das Geräusch der sich schließenden Türen ließ John wieder in Bobbys Richtung blicken. Noch kurz sah er dessen Silhouette im Dunkeln des Flurs verschwinden, ehe das Metall ihm die Sicht raubte. Das war definitiv anders gelaufen, als er gedacht hatte. Doch was hatte er erwartet? Er hätte Bobby vielleicht zu Wort kommen lassen sollen. Doch der Eismutant hatte jede Gelegenheit gehabt, etwas zu sagen. Seufzend ließ John sich wieder auf den Rücken sinken, starrte an die schwach beleuchtete Decke über ihm. So zynisch hatte er eigentlich gar nicht sein wollen. Aber es war einfach so passiert. Seine Wut und Verwirrung (ein Zustand, den er gar nicht leiden konnte) hatten es ihm beinah unmöglich gemacht, anders zu reagieren. Wollte er überhaupt wissen, was Bobby ihm zu sagen hatte? Eigentlich schon. Und eigentlich auch nicht. Verärgert raufte John sich die Haare. „Ach, verdammte Scheiße!“ TBC Also es ist sicher nicht perfekt und auch nicht mein bestes Kapitel, aber ich bin trotzdem ganz zufrieden damit. Ich hoffe, ihr seht das auch so :) Neben Kommis wären auch gern Zigaretten, Minz-Kaugummis und schwarzer Johannisbeersaft. Drogen, von denen ich immer zu wenig daheim hab *LOL* Im Übrigen wollte ich schon bei beim letzten Kapitel "Eisskulpturen" lebensecht schreiben, was es mit der Fahrenheit auf sich hat. Zwar wird weltweit mit Celsius gerechnet, aber meiner Erkenntnis nach ist Fahrenheit in den USA dennoch gängiger, weswegen ich mich dann aus Schönheitsgründen für diese Einheit entschieden hab. Die 50°F aus dem letzten Kapitel entsprechen 10°C, die 140°F im Bezug auf die Saraha sind umgerechnet 60°C. Interessiert jetzt zwar keinen Arsch, aber ich wollt es trotzdem mal erwähnt haben xD Dass John über Mystiques Rauswurf aus der Bruderschaft bestürzt war, wurde meiner Meinung nach auch im Film schon gut von Aaron Stanford dargestellt. In dem bereits erwähnten Buch zum dritten Film wird aber auch noch mal deutlich beschrieben, dass John davon wirklich sehr geschockt war. Ansonsten weiß ich, dass John in den Comics eigentlich aus Australien stammt. Da ich diesen Kontinent ehrlich liebe, hätt ich auch gern zu einem Aussie gemacht, aber ich wollte mich auf die Filme beziehen und in denen schien mir John immer eher ein US-amerikanischer Junge zu sein. Dass er von der Westküste stammt, hab ich mir jetzt ausgedacht. Aber ich fand es ganz passend, da Boston ja an der Ostküste liegt und John und Bobby damit noch einen Punkt hätten, in dem sie sich sehr unterscheiden würden ;) @Caliena: Tut mir Leid, dass es nun doch keinen Bobby im Vollbrand gibt. Aber es passte irgendwie nicht so recht in die Storyline, so wie ich sie nachher geschrieben hab. Ich hoffe, du magst das Kapitel dennoch, auch wenn es kein Brathähnchen Bobby am Spieß gibt xD Großer Gott, was bin ich nur für eine Labertasche in meinen Nachworten geworten ôO - Tschüss! Und schnell weg hier, bevor mir noch was einfällt *hust* Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 11: Konfrontation ------------------------- Tag auch :) Nein, diesmal werd ich mich nicht wieder entschuldigen, dass es so lange gedauert hat (auch wenn das hier indirekt so was ist *LOL*), sondern einfach nur DANKE sagen für die vielen Kommis. Es freut mich, dass die Story trotz der langen Wartezeiten auf ein neues Kapitel immer noch gern gelesen wird :) So... viel Spaß beim Lesen von: Kapitel 11: Konfrontation Abwesend stocherte Bobby mit dem Löffel in der weißen, kalten Masse herum und starrte auf die chrombesetzte Kühlschranktür ihm gegenüber. Nach seinem ernüchternden Gespräch mit John hatte es ihn in die Küche gezogen, auch wenn er um die Uhrzeit sicher besser beraten wäre, wieder zurück ins Bett zu gehen. Doch ihm war einfach nach einem großen Pott Vanille-Eiscreme gewesen. Nicht, dass Bobby ernsthaft vorhatte, all diese Eiscreme zu essen. Davon würde ihm nur schlecht werden, ganz zu schweigen davon, dass er nicht vorhatte, irgendwann die gleiche Kilo-Zahl wie Piotr auf die Waage zu bringen. Das würde bei ihm allerdings bedeuten, dass er bestimmt fast genauso breit sein würde wie hoch. John hätte darauf wahrscheinlich so was wie „quadratisch, praktisch, gut“ gesagt oder ihm einen neuen Spitznamen wie „Schneekugel“ gegeben. John. Womit Bobby auch schon wieder bei dem Menschen angekommen wäre, der ihm zurzeit am meisten zu schaffen machte. Es waren weniger seine Gefühle für den Feuermutanten, die ihn gerade so runterzogen, als viel mehr die Situation, die sich deswegen zwischen ihnen ergeben hatte. Dieser Kuss; einen größeren Fehler konnte Bobby sich kaum ausmalen (wenn man mal von der Tatsache absah, dass er beim Sex mit Rogue Johns Namen gestöhnt hatte). Seufzend versenkte Bobby den Löffel im Eis, zog ihn wieder heraus und betrachtete für einen Moment die weiße Creme, als könnte darin die Antwort auf all seine Probleme liegen. Jedoch kam keine. Mit einem weiteren Seufzer schob er sich den Löffel in den Mund. Der Vanille-Geschmack hatte etwas Tröstendes an sich; was genau, wusste Bobby auch nicht. Vermutlich war er der einzige Mann, der verstehen konnte, warum Frauen in amerikanischen Schnulzen-Filmen sich immer bei einem großen Pott Eiscreme ausweinten. Ob das schon ein Anzeichen gewesen war, dass er zudem auch noch auf Männer stand? Vielleicht kam in dem Punkt ja schon die kleine Schwuchtel in ihm heraus. Jetzt sei nicht albern, Bobby, ermahnte er sich selber. Schließlich mochte er auch Eiscreme, wenn er gute Laune hatte. Die Frauen in den Hollywood-Filmen vermutlich ebenfalls. Auch wenn es immer so wirkte, als ob sie haufenweise Eiscreme nur deswegen horteten, weil sie befürchteten, sie irgendwann für einen solch tragischen Moment zu brauchen, um ihr gebrochenes Herz wieder zu flicken. Das war ja auch nur allzu logisch. Schließlich verlief bei ihnen keine Beziehung ohne großen Herzschmerz und die Suche nach Mr. Right konnte nicht glücklich ausgehen, wenn sie nicht vorher von herben Enttäuschungen und Missverständnissen geprägt war. Aber genau das war es ja, wie Rogue ihm immer versucht hatte, weiszumachen, was die Filme so „liebenswert“ machte. Mädchenfilme, wie „Maid In Manhattan“ oder „Two Weeks Notice“, obwohl Bobby gestehen musste, dass er echt hatte lachen müssen, als Sandra Bullock in diesem Wohnwagen nicht gerade leise ihr Geschäft erledigt hatte. Rogue hatte das natürlich peinlich gefunden – und mindestens drei Mal betont (und Kitty hatte ihm später erzählt, dass sie das ähnlich sah), dass Hugh Grants britischer Akzent ehrlich sexy war. Doch wie das in solchen Filmen immer endete, hatten sich Danny und Sandy dann doch gefunden. Oder war es Harry und Sally gewesen? Ah, Johnny und Baby! Nein, das war ein anderer Film gewesen. Aber irgendwie so hatten sie bestimmt geheißen. Aber was dachte er jetzt überhaupt über irgendwelche Hollywood-Romanzen nach? Seine eigene – was man nicht mal Romanze nennen konnte – ging jedenfalls gehörig schief. John hatte nur allzu deutlich seine Abneigung gezeigt. Er hatte Bobby praktisch aus der Krankenstation geschmissen, womit eigentlich alles eingetreten war, was Bobby seit Wochen befürchtet hatte: John wusste von seinen Gefühlen und erwiderte sie nicht (womit Bobby, wenn er ehrlich war, auch nur in seinen Träumen gerechnet hatte), er war stinksauer auf ihn, und das zu Recht. Noch dazu war das wohl das Ende ihrer Freundschaft. Und obwohl diese oft Höhen und Tiefen durchlaufen hatte, war sie fabelhaft gewesen. Das wurde ihm jetzt, wo er sie als verloren ahnte, bewusst. Sie waren sich über Jahre so nah gewesen, fast wie Brüder. Ja, manchmal hatte Bobby sich John näher gefühlt, als Ronny. Hinter Johns abgedroschener Fassade steckte ein Junge, mit dem man sich entgegen aller Vermutungen gut unterhalten konnte und es war nicht selten gewesen, dass er Bobby mit irgendeinem lockeren Spruch aus einer betrübten Stimmung gerissen und gleichzeitig klar gemacht hatte, dass er für ihn da war. Und andersherum war es genauso gewesen. Er erinnerte sich an eine Phase, da waren sie 14 oder 15 gewesen, da war John der absoluten Überzeugung gewesen, zu seinem coolen Feuerzeug und seinem coolen Gehabe, würde es noch cooler aussehen, wenn er auch Raucher wäre. Und so hatten sie bei einem Ausflug in die Stadt einen älteren Jungen angequatscht, ob dieser ihnen nicht Zigaretten besorgen könnte. John hatte gleich eine ganze Stange kaufen lassen. „Na, ich muss doch einen Vorrat haben“, hatte er gesagt. Und so kam es, dass John für kurze Zeit zum Raucher wurde. In ihrem Zimmer stank es damals fürchterlich, auch wenn sie das Fenster geöffnet hatten. Doch Bobby hatte nichts gesagt. Wie so oft, wenn John irgendetwas tat, was ihm nicht passte oder Scheiße baute (John im Gegenzug hatte jedes Mal etwas gesagt, wenn Bobby etwas tat, was ihm nicht gefiel). Aber damals war es noch ratsam gewesen, John nicht unnötig zu reizen. Trotz allem hatte Bobby ihn gemocht. Die charakterlichen Unterschiede hatten sie nicht davon abgehalten, Freunde zu werden. Doch schließlich war John ein, wie er es heute nannte, „Malheur“ passiert. Bobby würde es eher „Großunfall“ nennen. Er hatte auf seinem Bett gesessen, eine Zigarette im Mundwinkel, und über einer Zeitschrift („Sichtung von Aliens in Tennessee – gab es Elvis wirklich?“) gebrütet, als Bobby irgendetwas gesagt hatte, was John zum Lachen gebracht hatte – und dazu, sich am Rauch zu verschlucken. Er hatte fürchterlich gehustet und dabei intelligenter Weise die Zigarette auf sein Bett fallen lassen. Und während diese ein kleines, schwarzes Löchlein in seine Decke gefressen hatte, hatte John sich gar nicht mehr einkriegen können, was dazu geführt hatte, dass er sein Bett schließlich vollständig in Brand gesetzt hatte (damals hatte John seine Kräfte noch nicht so sehr unter Kontrolle gehabt, wie heute). Bobby hatte es zwar geschafft, die Flammen zu löschen, ehe sie noch mehr anrichten konnten, doch Johns Fußende war komplett verkokelt gewesen (die Zeitschrift hatte es leider auch getroffen, wodurch sie nie geklärt hatten, ob Elvis wirklich ein Alien war oder nicht. Die Diskussion gab es aber Jahre später wieder mit Michael Jackson). Natürlich hatten sie es ihren Lehrern sagen müssen. Scott Summers hatte sie beide ziemlich schräg angeblickt und gefragt, wie das passieren konnte. John hatte schon zuvor gejammert, dass sie ihn sicher von der Schule schmeißen würden, immerhin hatte Professor Xavier ihn vorher schon mal ermahnt, dass es so mit Johns Verhalten und dem Einsatz seiner Kräfte nicht weitergehen konnte (es ging noch länger so weiter und Xavier schmiss ihn nie raus). „Aber es war doch nur ein Zigarettenunfall!“, hatte Bobby gesagt, doch John hatte erwidert: „Das glauben die mir doch nie!“ Und in Angesicht dessen, dass er vielleicht seinen besten Freund verlieren würde, hatten sie ihre Matratzen getauscht und der junge Bobby hatte Scott allen Ernstes erzählt: „Ich hab geraucht, Mr Summers.“ Zu schade, dass Scotts Augen damals schon immer hinter dieser Sonnenbrille versteckt gewesen waren. Sein Blick wäre sicher köstlich gewesen (wenn auch tödlich). „Du hast geraucht, Bobby?!“ „Ja, Mr Summers, es tut mir wirklich Leid.“ Und wie zur Bestätigung hatte sich Bobby Johns Zigaretten, die sie natürlich auf Johns Nachttisch hatten liegen lassen, gegriffen und sich eine angezündet. Sowohl Scott Summers als auch John hatten ihn verwundert wie interessiert angeblickt. Nie in seinem Leben hatte Bobby so gehustet, wie als er seinen ersten Zug genommen hatte. Er war sich sicher, dass Scott durchaus gewusst hatte, wer in diesem Zimmer wirklich rauchte, doch er hatte sie damals in dem Glauben gelassen, dass er Bobby sein Getue abnahm und lediglich gesagt: „Im Haus wird nicht geraucht, Bobby. Und sei das nächste Mal vorsichtiger.“ Dann hatte Bobby eine neue Matratze bekommen. Und das Gefühl gehabt, seinen besten Freund vor einem Rauswurf beschützt zu haben. Auf Bobbys Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab, was jedoch schnell wieder verschwand. Wie hatte er all das nur aufs Spiel setzen können, für so etwas wie diesen kleinen Kuss, der ihm im Endeffekt nichts weiter gebracht hatte. Du bist so ein Idiot. So ein verblödeter, riesiger Idiot. „So spät noch auf?“ Eine Stimme von der Tür aus ließ ihn hochblicken und für einen Moment hatte er gehofft, es wäre John, doch dann realisierte er, dass die Stimme viel weiblicher klang und schon rückte Storm in sein Blickfeld. Er sagte nichts und senkte seinen Blick wieder. Er war sich sicher, die Frage bedurfte keiner Antwort. Für einen Moment lang schien sie ihn schweigend zu beobachten, doch dann betrat sie die Küche und öffnete die Kühlschranktür. „Ich konnte auch nicht schlafen“, erzählte sie ihm und er sah auf; beobachtete, wie sie sich eine Flasche Wasser aus dem Fach an der Tür nahm. „Ist irgendwie komisches Wetter heute, nicht wahr?“ Er starrte wieder in seinen Becher, in dem das Eis mittlerweile zum Teil geschmolzen war. Er fragte sich, was das sollte. Sie wusste doch wohl genau, dass er nicht wegen irgendeiner Wetterfühligkeit oder Vollmond oder sonstigen „Schlafstörern“ auf war. „Irgendwie schon“, meinte er dennoch. Schweigen entstand zwischen ihnen. Lediglich das Kühlschrankbrummen und das Geräusch, als sie sich das Wasser in ein Glas füllte, brachen die Stille. Er merkte ihr an, dass sie auf etwas hinaus wollte, doch sie machte noch keine Anstalten, etwas zu sagen, sondern nahm einen Schluck der kühlen Brause und drehte sich langsam zu ihm um. Ihre Blicke begegneten sich, doch Bobby senkte seinen schnell wieder. Es war ihm unangenehm, in ihre Augen zu sehen, nach all dem, was heute passiert war und was sie davon mitbekommen hatte. Zwar wusste sie nicht die genauen Umstände, aber es war auch so peinlich genug. „Was heute passiert ist…“, begann sie, doch Bobby nutzte den Moment ihrer stilvollen Pause und unterbrach sie. „…das war vollkommen für den Arsch, das weiß ich“, sagte er und er wusste nicht, warum sie ihn nun so verwundert ansah, aufgrund seiner Selbsteinsicht oder seiner Wortwahl. Doch falls sie ernsthaft überrascht war, ließ sie sich das nicht anmerken. „So hätte ich es nicht formuliert, aber ja… Bobby, das war wirklich nicht in Ordnung. Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass es in einer anderen Situation, bei einem anderen Menschen vielleicht ganz anders hätte ausgehen können.“ Mit „anders“ meinte sie gefährlicher. Ein normaler Mensch hätte vielleicht mehr Schäden davon getragen als „bloß“ ein paar unterkühlte Glieder und eine Fiebererkältung. Das wusste er selbst. Doch mit einer anderen Person als John wäre all das auch gar nicht passiert. Ehe er sich versah, hatte er diese Worte auch schon ausgesprochen. Auf seine Wangen legte sich ein leichter Rotschimmer. Das hatte er nicht sagen wollen. „Was ist zwischen dir und John vorgefallen?“, sagte sie nun und Bobby wunderte sich, dass diese Frage nicht schon viel früher gestellt worden war. Sein Körper spannte sich an und trotz des Eises in seiner Hand wurde ihm ziemlich warm. Er wollte es ihr nicht sagen. Und er würde es auch nicht tun. Dennoch konnte er ihr nicht in die Augen sehen, während er sagte: „Bei allem Respekt, Miss Munroe, aber ich glaube… das geht Sie nichts an.“ Seine eigenen Worte erschraken ihn und wohl auch sie, denn für einen Moment sagte Storm gar nichts. Ihre Reaktion konnte er nicht sehen. Seinen Blick hielt er weiterhin gesenkt. Normalerweise hätte er sich nie so ausgedrückt. Solche direkten Aussagen gehörten zu John, nicht zu ihm. Was war bloß in ihn gefahren, dass er nach allem, was sie für ihn getan hatte, nach all der Diskretion, die sie ihm heute erteilt hatte, so mit ihr sprach? Auch wenn es sie wirklich nichts anging, hatte er seiner Meinung nach nicht das Recht, ihr das so zu sagen. Doch Storm schien es lediglich zu verwundern, dass diese Worte aus seinem Mund kamen. Die Worte an sich schien sie ihm nicht sonderlich übel zu nehmen. „Du willst nicht darüber sprechen“, stellte sie fest und ließ ihm einen kurzen Moment, um etwas zu sagen, der jedoch ungenutzt verstrich. „Das ist dein gutes Recht, Bobby, und du musst es mir auch nicht erklären.“ Ihre Worte erleichterten ihn. Sie würde nicht weiter nachbohren. Und auch wenn er es befürchtet hatte, hatte er es dennoch nicht ernsthaft erwartet. Storm war wirklich ein sehr ausgeglichener Typ und akzeptierte die Privatsphäre ihrer Schüler. Ihre Worte deuteten allerdings ein „Aber“ an, das auch zugleich folgte. „Trotzdem… was auch immer zwischen euch los war, Bobby, das heute hätte nicht passieren dürfen.“ „Ich weiß“, sagte er demütig und biss sich auf die Lippen. Seine Schuldgefühle hatten mit keinem Moment aufgehört, doch nun wurden sie wieder stärker. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und blieb vor der Theke, an der er saß, stehen. „Ich weiß, dass John nicht gerade einfach ist und selber auch oft genug mit seinen Kräften Schaden angerichtet hat, aber-“ Bobby unterbrach sie erneut. „Er kann nichts dafür. Die Schuld… liegt allein bei mir.“ Überrascht sah sie ihn an. Vermutlich dachte sie, John hätte ihn provoziert. Dass er nun gar nichts getan haben sollte, verwunderte sie offensichtlich. Doch sie ließ sich dadurch nicht beirren. „Wie auch immer. Ich weiß, dass unsere Kräfte sehr verführerisch sind.“ – sie lehnte sich an die Theke, was Bobby dazu brachte, zu ihr aufzusehen – „Gestern hab ich mich fürchterlich über Wolverine aufgeregt. Ehrlich, als er mir dann den Rücken zugedreht hat und über das Schulgelände davon gedackelt ist, hatte ich wirklich große Lust, einen Blitz in ihn einschlagen zu lassen.“ Bobby verschluckte sich an seinem Eis. Perplex starrte er sie an und sie zuckte verlegen mit den Schultern. „Was ich damit sagen wollte: Ich hab es nicht gemacht.“ – (Bobby kam der Gedanke, dass John hier vermutlich gesagt hätte, es könnte auch eine Lüge sein, immerhin würde man so etwas bei Wolverine eh nie bemerken) – „Und das ist es, worauf es ankommt, Bobby. Wir müssen lernen, dass unsere Kräfte nicht dazu da sind, Leute zu bestrafen, wenn wir wütend auf sie sind oder sie als Ventil für unsere Gefühle zu nutzen. Wir müssen uns beherrschen und unsere Probleme auf die Art zu lösen, wie es normale Menschen auch tun würden. Es ist nicht immer leicht, aber ich dachte nicht, dass du ein Schüler wärst, dem ich das noch extra erklären müsste.“ Bobby wich schuldbewusst ihrem Blick aus. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm, was ihn dazu brachte, auf die schmalen Finger zu schauen, die so viel dunkler waren als seine blasse Haut. „Ich denke, das war ein einmaliger Ausrutscher, der nicht wieder passieren wird“, sagte sie schließlich und ihre Finger drückten kurz sanft zu. Sie ließ von ihm ab und trank ihr Glas leer. Es berührte ihn, dass sie so großes Vertrauen in ihn hatte. Er würde es sicher nicht noch mal enttäuschen. Schweigen legte sich erneut über sie, als er ihr dabei zusah, wie sie das Glas in die Spüle stellte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie nur wegen ihm noch auf war. Er musste zugeben, dass er diese mütterliche Art an ihr früher nie wahrgenommen hatte. Es war immer Professor Xavier gewesen, an dem man sich gewandt hatte, wenn es Probleme gab. Lediglich Jean Grey hatte auch mal solche Gespräche geführt. Storm und Cyclops jedoch hatten sich aus solchen Angelegenheiten meist rausgehalten. Zumindest war es ihm immer so vorgekommen. Dafür waren sie auch immer die „cooleren“ Lehrer gewesen. Doch er musste sagen, sie machte ihren neuen Job wirklich gut. Er wusste, dass es nicht immer einfach für sie war. Auch wenn Logan und die älteren Schüler wie er zumindest auf die Kleineren Acht gaben und Hank sie mit dem Unterricht unterstützte, stand sie doch ziemlich allein da. „Bleib nicht mehr zu lange auf“, hörte er sie schließlich noch sagen und war sich nicht sicher, ob dies ein Rat oder eine Bitte sein sollte. Er hob seinen Blick und rang sich ein leichtes Lächeln ab. Sie erwiderte es, ehe sie langsam aus der Küche ging und ihn wieder mit seinen Gedanken allein ließ. John blieb einige Tage auf der Krankenstation. Storm hätte gedacht, er würde darauf bestehen, möglichst schnell diese kahlen, sterilen Räume wieder verlassen zu dürfen, doch er unternahm nichts in dieser Richtung. Fast kam es ihr manchmal so vor, als wollte John sogar hier bleiben, unten im Keller, fernab von all den anderen. Und damit hatte sie gar nicht so Unrecht, auch wenn sich „die anderen“ einzig und allein auf Bobby beschränkte. Dabei würde John diese Räume gerne verlassen. Zwar war es hier wenigstens etwas wohnlicher als in einem normalen Krankenhaus und Piotr hatte ihm in einem Anflug von väterlicher Fürsorge eigens einen Fernseher nach unten gebracht, doch wer würde sich schon in Räumen wohlfühlen, die bis auf einen Stapel Klamotten nichts Eigenes, nichts Persönliches enthielten; deren Wände kahl und nichtssagend waren, sodass die stickige Atmosphäre einen fast erdrückte. Ganz abgesehen von der Langeweile. Denn wie sagt man so schön: Die beste Krankheit taugt nichts. Und auch kein Fernseher, wenn morgens doch nur Wiederholungen von irgendwelchen Soaps und Real Life-Dokus liefen, von denen man sich dann im Nachmittagsprogramm die neuen Folgen anschauen konnte. Einzig und allein die Shoppingkanäle konnten amüsant sein, wenn mal wieder irgendein tuntiger Pseudo-Designer meinte, seine neue Allerweltskollektion vorstellen zu müssen oder man mit Haushaltsgeräten überschwemmt wurde, die alle einen Zweck zu haben schienen: nämlich keinen. Johns Favorit über all die Zeit waren aber sämtliche Produkte zur Diät, zum Abnehmen oder sonstigen Verbesserung der körperlichen Figur geworden. Besonders die Vorher-Nachher-Bilder waren so prickelnd unglaubwürdig, dass es fast schon wieder komisch war. Aber vielleicht sah er sich das auch alles nur gerne an, weil die Frauen bei diesen „Trainier-dir-deinen-Po-in-Form“-Geräten immer so knappe Bodys trugen. Nichtsdestotrotz: Der Fernseher ersetzte einfach keine Unterhaltung. John sah sich seufzend in dem Raum um, der ihn in all diesen Tagen so vertraut geworden war, als hätte er hier bereits die ganzen neunzehn Jahre seines Lebens verbracht. Er hatte nie in diese Schule zurückkehren wollen, zumindest oberflächlich betrachtet nicht. Er hatte gedacht, er hätte mit seinem Fortgang all das hinter sich gelassen und würde es nicht vermissen, doch jetzt, wo er wieder hier war und in diesem Raum einsam und allein vor sich hinvegetierte, merkte er, dass er sich getäuscht hatte. Nicht nur Bobby hatte ihm gefehlt, sondern auch all die anderen Schüler und Storm. Vielleicht sogar Wolverine – obwohl nein, das würde zu weit gehen. Sogar der Tod von Professor Xavier schien ihn nun rückblickend irgendwie zu betrüben. Wäre er noch am leben, wäre er sicher zwei Mal am Tag hier runter gerollt und hätte John mit irgendwelchen tollen Ratschlägen und Weisheiten vollgepumpt, was John nur dazu gebracht hätte, den Professor für einen noch größeren Quacksalber zu halten und ihn dafür noch mehr zu verachten – und unterschwellig doch an ihm zu hängen. Mit halb geschlossenen Augen lehnte John sich an die Wand hinter ihm. In letzter Zeit wuselte es in seinem Kopf nur von solchen Gedanken, was im Wesentlichen daran lag, dass er hier einfach zu viel Zeit zum nachdenken hatte. Etwas Abwechslung würde ihm sicher gut tun. Doch John klagte jedes Mal, wie schlecht es ihm immer noch ginge. Und gelogen war das noch nicht einmal. Bei jedem Atemzug spürte er, wenn er bewusst darauf achtete, immer noch dieses Ziehen im Brustkorb. Wenn er hustete, hatte er das Gefühl, er würde zerspringen. Seine Glieder schmerzten, wenn er sich auch nur leicht bewegte und sein Körper wurde zwischenzeitlich im Wechsel von Hitze- und Kälteschauern überrannt. Manchmal hatte er immer wieder für kurze Zeit Fieber und alles in allem fühlte er sich ausgelaugter denn je. Nie hätte er gedacht, dass Bobby ihn mit seiner Fähigkeit so Schachmatt setzen könnte, doch nur weil er der Herr über das Feuer war, hieß das wohl noch lange nicht, dass er auch gegen Frostbeulen immun war. Träge schloss John seine Augen wieder und ließ sich auf die Matratze seines improvisierten Bettes zurückfallen. Wenn er ehrlich wäre, könnte er sich genauso gut in ihrem Zimmer auskurieren. An medizinischen Geräten hing er ohnehin nicht mehr und für etwaige Untersuchungen könnte er auch herkommen. Doch der wirkliche Grund, warum John die Krankenstation noch nicht verlassen hatte, waren nicht seine körperlichen Gebrechen, sondern Bobby. Seit dieser in der Nacht direkt nach diesem „Unfall“, wie Storm es immer nannte, zu ihm gekommen war, hatte er ihn nicht mehr gesehen. Zwar bekam John hin und wieder Besuch von anderen Schülern des Instituts – ja, zu seiner Verwunderung war sogar Kitty unter ihnen gewesen –, doch Bobby hatte sich nicht mehr hier her verirrt. Eigentlich auch nicht besonders verwunderlich, wenn man bedachte, wie John das letzte Mal reagiert hatte, als Bobby versucht hatte, mit ihm zu sprechen. Und dennoch hatte John gedacht, der Eismutant hätte wenigstens den Schneid, es nochmal zu versuchen. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er das auch wirklich gewollt hätte. Was Bobby anging, wusste John eh nicht mehr, was er noch denken sollte. Zum einen war da sein bester Freund. Vielleicht sogar sein einziger Freund, denn die losen Freundschaften, die John mit anderen Schülern wie Piotr pflegte, hatten in ihm nie das Vertrauen entwickeln können, das er Bobby entgegenbrachte. Auf der anderen Seite war da aber der Bobby, der ihn geküsst hatte. Der Bobby, der ihn in Eis eingesperrt hatte. Der Bobby, der offensichtlich mehr für ihn empfand, als es für einen besten Freund üblich wäre. Und John wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Auf eine Art müsste er sich wohl geschmeichelt fühlen, immerhin hatte er stets gedacht, Bobby wäre bloß an Mädchen interessiert. Dass er nun so unwillkürlich auf Männer, auf John, stand, sprach doch eigentlich für den Feuermutanten. Und ein winzig kleiner Teil in ihm fühlte sich auch irgendwie beflügelt, wenn er daran dachte, dass Bobby anscheinend in ihn verliebt war. Denn dass Bobby diesen Kuss ernst gemeint hatte, daran hegte John keinen Zweifel. Viel zu bestürzt hatte er über sein eigenes Verhalten gewirkt, als dass er damit einfach nur hatte ausprobieren wollen, wie es ist, einen Jungen zu küssen – was außerdem, da war John sich sicher, sonst eh nie in Bobbys Sinn kommen würde. Doch der größte Teil in ihm fühlte sich eher bedroht, verletzt und irgendwie auch angewidert. Es war nicht so, dass John irgendwie etwas gegen „anders Orientierte“, so hatte seine Mutter das immer genannt, hatte. Er war beim besten Willen nicht für sie, aber eben auch nicht gegen sie. Eigentlich waren sie ihm so ziemlich egal. Er hatte sich nie wirklich Gedanken um dieses Thema gemacht. Natürlich hatte er sich, wie fast jeder andere Teenager auch, in der Pubertät mal Gedanken darüber gemacht, ob er nicht vielleicht schwul war; dann aber doch mit Erleichterung festgestellt, dass er auf Frauen stand – auch wenn ihm jetzt namentlich keine einfallen würde, in die er wirklich mal verliebt gewesen wäre. Resignierend öffnete John seine Augen wieder und starrte an die helle Decke, an der er doch tatsächlich meinte, einen neuen Fliegenschiss zu erkennen. Wenn man so oft an die Decke gestarrt hatte, wie er die letzten Tage, dann kannte man sie irgendwann in- und auswendig und bemerkte jede kleine Veränderung an ihr. Ob sie nun eingebildet war oder nicht. Das hat doch alles keinen Sinn. Zu oft hatte er all diese Gedanken in den letzten Tagen durchgekaut. So langsam hingen sie ihm selbst zum Halse heraus. Doch sie ließen sich einfach nicht verbannen. Und obwohl der Hauptkern in ihm von diesem Kuss und dem, was er bedeutete, alles andere als begeistert war und dieses Thema am liebsten verdrängen wollte, schaffte es dieser kleine Teil in ihm, dem dies zu gefallen schien, es immer wieder hartnäckig in seine Gedanken. Es war wie als hätte man etwas getan, was vielleicht nicht ganz richtig, aber auch nicht wirklich schlimm war. Man wusste, dass man es locker sehen konnte und jeder es locker sehen würde und doch verfolgte das schlechte Gewissen einen endlos und warf immer wieder Zweifel auf. Nur hatte John nichts getan und auch kein schlechtes Gewissen. Warum, verdammte Scheiße… musste er dann immer wieder daran denken? „John Allerdyce, jetzt reiß dich zusammen“, murmelte er sich selbst zu, doch diese Worte hatte er in den letzten Tagen schon zu oft aus seinem eigenen Mund gehört, als dass sie Wirkung zeigen würden. Er fragte sich, warum ihn all das so beschäftigte. Vielleicht, weil er nicht wusste, ob er seinen besten Freund eventuell verloren hatte? Weil er nicht wusste, ob er normal mit ihm umgehen können würde, wenn er wieder hier rauskäme? (Noch ein Grund, sich weiter in der Krankenstation zu verstecken) Doch das sollte ihn eigentlich betrüben, nicht beglücken. Was also sollte dieses kribbelige Gefühl, wenn er darüber nachdachte, was Bobby für ihn empfand? Was sollte dieser Klumpen im Magen, wenn er sich vorstellte, Bobby würde ihn noch einmal küssen (und das hatte er getan, nicht nur einmal), der vielleicht schwer war, aber ihm dennoch ein positives Gefühl gab? John fuhr sich mit den Fingern über das Nasenbein. „Noch mal: Reiß dich zusammen, verdammt!“ Wenn er nicht bald hier rauskäme, würde er verrückt werden. Doch Bobby begegnen – das wollte er auch nicht. Leises Gemurmel herrschte im Gemeinschaftsraum. Die meisten Schüler saßen über den Hausaufgaben, die sie für Hank zu erledigen hatten. Der blaue Politiker-Mutant unterrichtete kein wirkliches Fach. Dazu, fand er selbst, hatte er einfach viel zu wenig Zeit, die er mit den Kindern verbringen konnte. Damit der Unterricht wirklich sinnvoll war, brauchten Kinder eine feste Struktur und die konnte er ihnen nicht geben, wenn er nie wusste, wann sein Terminkalender es zuließ, ins Institut zu kommen. Mindestens einmal in vierzehn Tagen war er hier. Selten auch zwei Tage pro Woche. Daher beschränkte er sich mittlerweile darauf, mit ihnen diverse Themenbereiche zu bearbeiten, die ihre Allgemeinbildung stärken oder ihnen menschliche Werte vermitteln sollten. Im Moment bearbeiteten die Schüler mit Hank „wichtige, historische Persönlichkeiten“. Dazu hatte Hank die Schüler in Gruppen von drei-vier Leuten eingeteilt, die dann in der nächsten Unterrichtsstunde etwas zu der ihnen zugeilten Person vorstellen mussten. Bobby bearbeitete zusammen mit Warren und Jubilee den ersten Präsidenten der USA, George Washington. Jeder kannte ihn und selbst im Ausland war sein Name jedem bekannt, und wenn auch nur durch die Hauptstadt der USA, die nach ihm benannt worden war. Doch Bobby war nicht so wirklich bei der Sache. Er konnte sich einfach nicht auf den Text, den Warren ihnen aus dem Internet ausgedruckt hatte, konzentrieren und so war sein Blatt noch nahezu unbefleckt, während das von Warren und Jubilee mit dicken, leuchtenden Textmarker-Streifen übersät waren. Seufzend lehnte er sich an die Rückenlehne seines Stuhls. Jubilee und Warren sahen kurz zu ihm auf, sagten jedoch nichts und arbeiteten einfach weiter. Bobby war mehr als froh, die beiden in seinem Team zu haben. Sie stellten wenigstens keine Fragen und auch wenn sie sich vielleicht ärgerten, dass er im Moment kaum etwas zu ihrer Gruppenarbeit beisteuerte, so ließen sie sich das dennoch nicht anmerken. Vielleicht aber auch hatten sie sich einfach nur resignierend daran gewöhnt, dass Bobby in der Woche, die seit dem „Unfall“ mit John vergangen war, ständig in Gedanken versunken war und abwesend vor sich hinstarrte. Natürlich hatte er auch seine „wachen“ Momente, in denen er voller Konzentration war und manchmal sogar Elan zeigte, so wie es eigentlich bei ihm üblich war. Doch meist schweiften seine Gedanken irgendwann von allein zurück zu John. Dabei hatten sie kaum noch etwas mit ihm zu tun. Zumindest nicht direkt. Mittlerweile war Bobby an dem Punkt angekommen, in dem das Selbstmitleid größer geworden war, als die Schuldgefühle. Er verdammte sich für den Kontrollverlust, der ihm passiert war und noch mehr, in was für eine Situation ihn das gebracht hatte. Jetzt, knapp sieben Tage nach dem Vorfall, hatte die Fragerei und Tuschelei langsam aufgehört. Das Thema wurde uninteressant, weil es keine neuen Informationen zu verarbeiten gab und John nicht wieder aufgetaucht war, während Bobby sich hartnäckig weigerte auch nur ein Wort zu sagen, wenn nach dem Grund für seinen und Johns Streit gefragt wurde. Die ersten Tage waren die reinste Hölle gewesen. Bobby war sich nicht sicher, was schlimmer gewesen war: das nervige Aufdrängen von Mitgefühl und Verständnis, die gierigen Fragen oder die dummen Vermutungen. Doch auch die gut gemeinten Hilfsangebote und Ablenkungsversuche waren nicht gerade einfach zu ertragen gewesen, auch wenn es vielleicht unfair war, so darüber zu denken. Doch was ging es sie schon an, was zwischen ihm und John vorgefallen war? Hätte er ihnen erzählen sollen: „Hey, sorry Leute, ich steh schon seit Wochen total auf John und irgendwie ist mir dann eine Sicherung durchgeknallt. Ich hab ihn geküsst, er wollt mich in Brand setzen, ich hab ihn vorher vereist und deswegen gab es statt Bobby das Brathähnchen dann John das Eisbein.“ Klasse. Genau so! … natürlich nicht! Er konnte es ihnen einfach nicht sagen. Es war schon schwer genug gewesen, mit John darüber zu sprechen (was auch immer man da „Gespräch“ hatte nennen können), der wenigstens ein Anrecht auf ein Gespräch hatte, was man von ihren Freunden nicht behaupten konnte. Noch dazu wusste er nicht, wie sie darauf reagieren würden, wenn er sich plötzlich als „Schwuli“ zu erkennen gäbe. Bobby blickte auf zu Warren, dessen blaue Augen sich konzentriert über die vollen Zeilen bewegten. Würde dieser von ihm abrücken, wenn er wüsste, dass Bobby an einem Jungen interessiert war? Konnte Bobby sich eigentlich nicht vorstellen. Warren wirkte viel zu verständnisvoll, so wie ein guter Zuhörer eben, jemand, auf den man sich auch in schlechten Zeiten verlassen konnte, egal, wie tief unten man war. Doch waren es gerade oft solche Menschen, die dann mit Abscheu reagierten. Und wie stand es mit Pete? Der kräftige Russe wirkte nicht gerade wie jemand, der gerne mal eine Gay Bar von innen sehen würde. Und doch wusste Bobby es auch hier nicht wirklich einzuschätzen. Das Gleiche galt für die Mädels, auch wenn man da potenziell weniger Angst hatte, abgelehnt zu werden. Trotzdem… ein mulmiges Gefühl blieb. Nicht mal, als Rogue ihn angesprochen hatte, hatte Bobby ihr erzählt, was vorgefallen war. Und dabei wusste sie als Einzige, abgesehen von ihm und nun auch John, was er für diesen empfand. War ja auch nur allzu offensichtlich, wenn er schon beim Sex mit ihr dessen Namen stöhnte. Bobby rollte die Augen über sich selber. Er war so ein Riesen-Idiot. Aber die Suppe hatte er sich selber eingebrockt und er würde sie auch selbst auslöffeln müssen, so scheußlich sie auch schmeckte. Jetzt bräuchte er einen Pflanzenkübel, in den er sie rein schütten könnte! In seinen Gedanken versunken merkte er nicht, wie alle um ihn herum plötzlich erstarrten. Erst als das Gemurmel erstarb und es fast totenstill im Raum wurde, schien Bobby wieder aufzuwachen. Verwundert blickte er in die Runde seiner Mitschüler, bis er dann ihrem Blick zur Tür des Gemeinschaftsraums folgte. Bobby wurde schlecht. Im Türrahmen stand John, der sich nun langsam in den Raum bewegte. Nichts an seinem Verhalten ließ darauf schließen, dass es ihm noch irgendwie schlecht ging. Er gab sich lässig wie immer. Nur die tiefen Augenringe und die fahle Haut zeugten davon, wie schlecht es ihm in den letzten Tagen gegangen war. „Hey, was starrt ihr denn alle so? Ich bin’s. John Allerdyce – nicht Jesus“, sagte er in einem gewohnt gereizten Ton und ging schleppend langsam auf die Gruppe zu, in der Bobby saß. Piotr fand als Erster seine Sprache wieder. Auf seinem Gesicht bildete sich ein breites Grinsen; froh, den anderen gesund und munter wiederzusehen. In der Zeit, in der John krank gewesen war, war Bobby erstaunlicher Weise aufgefallen, wie gut der Feuermutant sich wieder eingegliedert hatte. Obwohl zunächst viele gegen seine Wiederaufnahme an der Schule gewesen waren, hatten sich nun alle um ihn gesorgt. Fast schien es, als wäre John nie weg gewesen, als wäre er nie Terrorist auf Alcatraz gewesen. „Ey, Johnny! Ehrlich? Du bist nicht Jesus? Na, auferstanden von den Toten bist du doch trotzdem, oder was hast du die letzten sieben Tage gemacht? Fliegen gezählt, huh?“, kam es polternd von Peter, der trotz seiner massigen Gestalt extrem lässig auf seinem Stuhl hing. Kaum einer hätte gewagt, John so anzusprechen. Und vielen wäre das wohl als etwas unfreundlicher Willkommensgruß vorgekommen, wenn sie krank gewesen wären. Doch Piotr wusste, dass er das mit John machen konnte. Auf dessen Gesicht zuckten die Mundwinkel, der Schalk sprach aus seinen Augen und ließ sie mit einem Mal wieder lebendiger, weniger kränklich, wirken. „Du hast Recht, Pete! Komm rüber, knie vor mir und küss mir die Füße!“ Den meisten Schülern entkam ein kurzes Auflachen. Bobby spürte, wie Johns Blick nun zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, zu ihm wanderte. Er schluckte hart, als er das Provozierende in dessen Augen erkannte. Johns ganze Haltung und Mimik sprach dafür, dass er es auf eine öffentliche Auseinandersetzung anlegte. „Oder Pete, nein, warte“, sagte er, obwohl Piotr nicht mal Anstalten gemacht hatte, aufzustehen. „Lass Bobby den Vortritt.“ – er ließ den Eismutanten nicht aus den Augen – „Er ist schon ganz heiß darauf, … nicht wahr, Bobby?“ Bobby fühlte wie sein Herz begann, schneller zu schlagen. Ihm wurde unglaublich warm und Hitze strömte in seine Wangen. Er fragte sich, ob John es wirklich darauf anlegte, ihn öffentlich zu demütigen. Wenn ja, dann war er auf dem beste Wege, das zu schaffen. John wusste, dass Bobby allein das nun schon unangenehm war. Das Schweigen im Raum war drückend. Alle schienen zu warten, was als Nächstes passieren würde und Bobby merkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Es wäre sein Part, nun etwas zu tun, doch er wusste nicht, wie er reagieren sollte. John blickte derweil in die Gesichter ihrer Mitschüler, wie sie Bobby fragend ansahen und zwischendurch mal zu ihm blickten, als erhofften sie sich eine Antwort auf die Frage, was hier eigentlich gespielt wurde. Und da dämmerte John es: sie hatten keine Ahnung. „Du hast es ihnen nicht erzählt“, stellte er nüchtern fest und sein Blick ruhte starr auf Bobby, von dem er sich erhoffte, dass er endlich mal aufschauen würde, doch der andere tat ihm diesen Gefallen nicht. Für einen Moment schwieg John, doch noch bevor er selbst überlegt hatte, ob es klug war oder nicht, sprach er weiter: „Und ich dachte immer, diese Schule sei ein offenes Buch. Als Ashlee damals versucht hat, es sich in der Dusche selbst zu besorgen, hat das doch nachher auch jeder gewusst.“ „John!“, unterbrach Kitty ihn empört und starrte ihn Kopf schüttelnd an. „Du erzählst vollkommenen Unsinn. Halt einfach die Klappe. Wenn du so bist, will dir eh keiner zuhören.“ John zuckte mit den Schultern. Kittys harsche Worte interessierten ihn nicht. Zu jeder anderen Zeit wäre er vielleicht darauf angesprungen, doch hier ging es nicht um sie. Und auch nicht um Ashlee, die schon seit Jahren wieder bei ihren Eltern wohnte, weil ihr das Internatsleben zu „wenig privat“ war – was die Gerüchteküche natürlich nur unterstrichen und die Geschichte zu einem echten Running Gag an der Schule gemacht hatte. Damals hatten einige Mädchen behauptet, sie angeblich gehört oder sogar dabei überrascht zu haben. Aber es ging hier um Bobby. Nur um Bobby. John konnte nicht einmal selbst sagen, warum er sich plötzlich so verhielt, doch er wollte ihn „bluten“ sehen. Es war, als wäre er in all den Tagen auf der Krankenstation so auf Bobby fokussiert gewesen, dass er sich nun mit einem großen Knall davon befreien musste. Es war ein Ventil, das er brauchte, um seine unsägliche Frustration über die Langeweile, die körperliche Gebrechlichkeit und vor allem diese nicht enden wollenden Gedankengänge und Gefühlsregungen, loszuwerden. Dabei hatte John das Gefühl, bloß Zuschauer in seinem eigenen Kopf zu sein und merkte nicht einmal, wie er langsam zu weit ging. „Aber Kitty, du hast Recht. Ashlee ist out. Das wird langsam alt. Also Bobby, denkst du, die Schule ist bereit für eine neue Sensation?“ Unverfroren sah er ihn an, die Augenbrauen hochgezogen und sichtlich auf eine Reaktion wartend, als Bobby ihm endlich den Gefallen tat und aufblickte. „John…“, sagte er leise und stand auf, was John unübersehbar verdutzte. „Wenn du über das sprechen willst, was passiert ist, können wir das gerne tun.“ Bobby gratulierte sich innerlich dafür, dass er es schaffte, so klare Worte zu finden, wo alles in ihm vollkommen durcheinander war. Sein Herz brachte ihn fast um, so schnell pumpte es das Blut durch seine Venen. Seine Hände waren so feucht, als hätte er durch das Morgentau im Gras gestrichen und auf seinem Rücken stand der Schweiß. Ihm war heiß und fast schwindelig. „Aber nicht hier“, setzte er hinzu und blieb kurz vor John stehen. Er versuchte ihm, in die Augen zu blicken, doch er konnte ihm nicht standhalten; immer wieder suchten seine Augen etwas anderes in ihrem Blickfeld, um nicht in die von John blicken zu müssen. In einem kurzen Moment jedoch bemerkte er, dass auch John seinem Blick immer wieder kurz auswich. „Wieso denn nicht hier, Bobby?“, fragte John und seine Stimme verriet kein bisschen die Unsicherheit, die mittlerweile in seinen Augen zu lesen war. Eins musste man John lassen: Er war der Meister der Show. Für die anderen nicht hörbar setzte er schließlich hinzu: „Was willst du mir schon sagen, was ich nicht eh schon weiß, hm? Ich hab keine Lust, dir eine Chance zu geben, mir in den Arsch zu kriechen, auch wenn du das… sicher gerne würdest.“ Für einen Moment starrte Bobby John ungläubig an. Er hatte mit dummen Sprüchen gerechnet – es ging immerhin um John –, aber es so direkt aus dessen Mund zu hören, traf ihn wie ein Schlag, als er die Zweideutigkeit dieser Aussage begriffen hatte. „Gottverdammt, bist du scheiße“, murmelte er ihm leise zu und wandte sich von ihm ab, doch John hielt ihn am Unterarm fest. Wieder in einer Lautstärke, die für alle verständlich war, meinte er: „Was soll das, Bobby? Denkst du, du kannst hier jetzt die Regeln aufstellen?“ Bobby blickte ungläubig in seine Augen und schüttelte den Kopf. Nicht als Antwort auf Johns Frage, sondern darüber, dass dieser es für sie beide gerade so peinlich machte. „John Allerdyce!“, rief jemand, bevor Bobby auch nur die Chance hatte, etwas zu antworten und diesmal war es nicht Kitty. Es war Rogue. „Lass den Scheiß, verdammt! Es reicht.“ Es wunderte Bobby, dass ausgerechnet Rogue diese Persiflage unterbrach, wo sie doch vielleicht nach dem, was zwischen ihm und ihr passiert war, Genugtuung empfinden könnte, ihn so vorgeführt zu sehen. Doch sie war nicht so selbst- oder rachsüchtig, dass sie darüber hinaus Anstand und Moral vergaß. Bobby versuchte ihr, so gut es ging, ein dankbares Lächeln zu schenken, was jedoch nicht erwidert wurde. Ihre Miene wirkte wie versteinert. Wahrscheinlich hatten sich mit dieser Auseinandersetzung nur ihre Vermutungen bestätigt, die sie ohnehin schon die ganze Zeit gehabt hatte. Sie war nicht dumm und hatte sicher 1 und 1 zusammenzählen können, wenn es Bobby eindeutig zu John hinzog und dieser dann plötzlich in Eis eingefroren war. Der Feuermutant drehte sich ebenfalls zu ihr um, sagte jedoch kein Wort. Bobby wusste nicht zu sagen, ob dies daran lag, dass er langsam zur Besinnung kam oder im gleichen Moment Logan in den Raum gestürmt war. Sicherlich hatte man sie bis weit auf den Flur hören können. „Was zum Teufel ist hier eigentlich los?“, fragte er und seine ernste Stimme durchschnitt die Stille, die sich breit gemacht hatte. Bobby blickte noch einmal zu John, machte sich dann aber von diesem los und quetschte sich an Logan vorbei auf den Flur hinaus. Keiner der verbleibenden Schüler sagte etwas, doch dass alle Augen auf John gerichtet waren, verriet, was hier passiert war. Ohnehin hätte Logan es sich auch so zusammenreimen können. Wer John einmal kannte, der brauchte nicht zu fragen, wer Unruhe gestiftet hatte, wenn dieser mit im Raum war und Bobby sich fluchtartig aus dem Staub machte. „Arbeitet weiter, los“, meinte Wolverine mit halbem Befehlston in Richtung der anderen Schüler, die daraufhin erschrocken zusammenzuckten und sich wieder ihren Blättern widmeten, auch wenn sie nicht wirklich lasen, was da stand. Wolverine griff John an der Schulter und zog ihn zu sich. Der muskulöse, wuchtige Oberkörper drückte sich dem Jungen fast ins Gesicht. „Hör mir zu, was auch immer passiert ist, lass es nicht noch mal passieren. Ansonsten garantier ich dir, wirst du die Krankenstation bald wiedersehen“, zischte er ihm leise zu und erwartete seine Reaktion. In Johns Augen war ein Funken Angst zu sehen. „Willst du mir etwa drohen?“, meinte er dennoch betont emotionslos. Logan lächelte leicht. Das war nicht ernst gemeint, aber… das muss er ja nicht wissen. „Vielleicht“, sagte er und schubste ihn sanft, aber bestimmt in die Richtung der anderen Schüler. Dann wandte er sich ab, warf noch einen prüfenden Blick durch den Raum und ging. John blieb perplex dort stehen, wo Logan ihn zurückgelassen hatte. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder fing. Seine Worte an Bobby klangen ihm noch mal durch den Kopf und ihm kam der Gedanke, dass er vielleicht diesmal zu weit gegangen war. Nachdenklich setzte er sich auf den Stuhl, den Bobby bis eben noch besetzt hatte. Warren und Jubilee blickten kurz zu ihm auf, sprachen ihn jedoch nicht an. Vielleicht wollten sie nicht riskieren, auch Opfer von seinen taktlosen Sprüchen zu werden oder sie hatten einfach entschieden, aus Loyalität zu Bobby nicht mehr mit ihm zu sprechen. Vielleicht aber auch merkten sie, wie John langsam zur Besinnung kam, langsam realisierte, was er getan hatte, und wollten ihn nun in Ruhe lassen. John blickte starr auf Bobbys Ausdrucke, nahm aber nicht einmal das Thema wahr. Zu sehr nahm die Auseinandersetzung mit ihm Bobby ihn nun ein. John Allerdyce, manchmal… bist du echt ein Arschloch. TBC Das war lang, gell? Ich hab ja das Gefühl, dass es zu lang ist bzw. einige Szenen oder Gedankengänge der beiden sich unnötig in die Länge ziehen. Allerdings hab ich im Nachhinein auch nicht so recht gewusst, wo ich kürzen soll, also musstet ihr da jetzt durch xD Übrigens: "Maid In Manhattan" und "Two Weeks Notice" sind die englischen Originaltitel der Filme "Manhattan Love Story" und "Ein Chef zum Verlieben". Danny und Sandy sind die Hauptcharaktere in "Grease", Harry und Sally im gleichnamigen Film und Johnny und Baby entstammen "Dirty Dancing", was einfach nur beweist, dass Bobby von Rogue durch sämtliche "Mädchen"-Filme geschleust wurde *LOL* In Punkto Elvis Presley und Michael Jackson: Im Gegensatz zu Michael wüsste ich Elvis nicht, dass es da jemals Gerüchte gegeben hätte, er wäre ein Alien. Das hab ich frei erfunden. Bei dem gibt es nur die Gerüchte, dass er noch lebt - wie bei Michael Jackson jetzt auch. Da fragt man sich: Haben die Leute eigentlich sonst nichts zu tun? Irgendwann sollte man sie auch mal in Frieden ruhen lassen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass John sich so etwas durchliest - um sich im Endeffekt dann darüber zu amüsieren. Tja, und nachdem Johnny-Boy jetzt am Ende seiner Arschloch-Attitüde wieder Freilauf gegeben hat, könnt ihr gespannt sein, was Bobby im nächsten Kapitel dazu sagt. Eine Idee hab ich schon. Aber ich mach hier trotzdem mal lieber keine Aussage, wann ich dazu komm, das auch zu schreiben. Mit viel Glück geht's vielleicht etwas schneller xD" Jedenfalls hat es mir ehrlich Spaß gemacht, die beiden zu schreiben. Sodele, ... Kommis sind immer gern gesehen, ebenso wie Eis, kühle Getränke, Handventilatoren... auch wenn ich jetzt freiwillig zurück in die Hitze springe (und wieder viel zu viel rede). Bis denne, motte Kapitel 12: Der wunde Punkt --------------------------- Willkommen, willkommen! Hat hier jemand noch gedacht, dass die Story weiter geht?! - Na, ich hoffe doch! xD~ Ich muss mich entschuldigen, dass ich so lange nichts mehr hochgeladen habe. Das letzte Kapitel ist fast ein halbes Jahr her und das ist eigentlich nicht meine Art. Aber irgendwie war ich in einem ziemlichen Krea-tief und habe überhaupt nichts Gescheites zustande gebracht. Dieses Kapitel ist sicher nicht perfekt, aber dennoch ein deutliches Zeichen, dass es wieder bergauf geht (hoffe ich zumindest xD"). Ich bedanke mich hier noch mal für all die netten Kommentare bisher und wünsche euch viel Spaß beim Lesen :) Kapitel 12: Der wunde Punkt Aufgebracht ließ Bobby die Tür zu seinem und Johns Zimmer hinter sich zufallen. Der dabei entstehende, laute Knall fühlte sich wie eine kurze Erleichterung an, die jedoch viel zu schnell wieder verflog, so dass Bobbys Gemüt gar keine Chance hatte, diesen Schwall an Wut, Verzweiflung und Verletzung zu kompensieren. Das Verlangen, die Tür zu nehmen und immer wieder gegen Johns Kopf schlagen zu lassen, wurde größer und auch wenn er sich selbst gut genug kannte, um zu wissen, dass er dieses Vorhaben niemals in die Realität übertragen würde, so war allein die Vorstellung doch schon irgendwie genugtuend. Seine Hände legten sich auf sein Gesicht; gepresst atmete er in sie, ehe er sie über seine Haare zurück in seinen Nacken wandern ließ. Was fand er bloß an diesem Kerl? Über sich selbst den Kopf schüttelnd ging er ein paar Schritte weiter in den Raum herein. Die Worte des Feuermutanten hallten in seinen Gedanken nach und ließen ihn kurz die Augen schließen. Ja, er hatte einen verdammt großen Fehler gemacht, als er John einfach geküsst hatte. Dieser hatte jedes Recht auf ihn wütend zu sein. Das sah Bobby ja ein. Aber hatte er denn deswegen solche Aussagen verdient? Solche dummen, wirklich verletzenden Anspielungen auf die Tatsache, dass er sich neuerdings zu einem Jungen hingezogen fühlte? Bei aller Schuld, die Bobby sich selbst für diese Situation zugestand, so fand er doch, dass es nicht mal für John nötig gewesen wäre, ihn so vor all den anderen vorzuführen. Seine Wangen färbten sich vor Scham deutlich rot, als er sich fragte, was ihre Mitschüler von diesem Zwischenfall halten mochten; was sie darüber dachten, was für eine Gerüchteküche dies nun wieder in Gang setzen würde. Tief atmete Bobby ein, oder zumindest versuchte er es, aber sein Atem war stockend, als sich all die widersprüchlichen Gefühle in ihm betonschwer auf seine Brust legten. Sein Blick glitt durch das Zimmer, das in Johns Hälfte schon wieder deutlich unordentlicher aussah, als zu der Zeit, in der Bobby den Raum allein bewohnt hatte. Es erstaunte ihn immer wieder, wie schnell der Feuermutant es verstand, an jedem Ort irgendwie Chaos zu hinterlassen. Ein wehmütiges, schiefes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als er bemerkte, dass er trotz all der Gemeinheiten und Sticheleien, die John ihm gerade an den Kopf geworfen hatte, noch Zuneigung zu dem anderen empfand. Er fragte sich, ob er nun wütend auf sich selbst sein oder sich selbst dafür bemitleiden sollte. „Du blödes Arschloch“, zischte er leise und trat gegen einen der Bettpfosten, als könnte dieser persönlich etwas dafür, dass John so harsch gewesen war. Erneut kam in ihm das Verlangen hoch, in irgendetwas reinzuschlagen. Komm runter, Bobby, versuchte er sich selbst zu beruhigen, was ihm jedoch kaum gelang. Sein Blick fiel auf die Digitalanzeige seines Weckers. Es war 16:47 Uhr. Bobby hatte keine Ahnung, was er mit sich anfangen sollte. Unmöglich konnte er in den Gemeinschaftsraum zurückkehren. Zum einen war er nicht gerade scharf darauf, allzu schnell wieder John zu begegnen, auch wenn dieses Zimmer hier der beste Ort war, ihm über den Weg zu laufen, schließlich würde der Feuermutant spätestens zum Schlafengehen herkommen. Zum anderen aber wollte Bobby auch nicht die Blicke der anderen auf sich spüren, fragend oder mitleidig, das war egal. Er hatte weder die Kraft bohrende Nachforschungen noch irgendein Mitgefühl zu ertragen. Vielleicht sollte er einfach erst einmal duschen gehen. Zur Ruhe kommen. Oft sah danach die Welt gleich besser aus. Wenn du ganz unten bist, dann kann es nur noch besser werden, tröstete er sich selbst, auch wenn er bezweifelte, dass eine Dusche all den Groll und Schmerz mit einem Mal wegfluten würde. Dennoch ging er zum Schrank, nahm sich Handtücher, seinen Bademantel und frische Shorts heraus sowie seine Hygieneartikel und verließ damit wieder das Zimmer. Abwesend ließ John die Spitze seines Zeigefingers über den schmalen Rand des Glases vor ihm wandern, während er weiter aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte, in der man nur noch vage die winterliche Schneelandschaft erkennen konnte. Seit ihrer Auseinandersetzung im Gemeinschaftsraum hatte er Bobby nicht mehr gesehen, dabei hatte er ihn kurze Zeit später in der Küche und in ihrem Zimmer gesucht. Ja, sogar nach draußen war John gegangen, in diese nasse Eiseskälte. Das war seiner Meinung nach ein solcher Freundschaftsbeweis, dass er dafür fast einen Orden verdient hätte. Doch im Moment war ihm nicht wirklich nach Scherzen. Ihm war klar geworden, wie ernst die Situation zwischen ihnen war, als Bobby nicht einmal zum Essen erschienen war. Einen erneuten Versuch, den Eismutanten zu finden, hatte John gar nicht erst gestartet. Ihm war klar, dass Bobby gar nicht gefunden werden wollte – zumindest nicht von ihm. Seine Zähne bohrten sich zum wiederholten Male am heutigen Abend tief in seine Unterlippe. Er selber würde sich auch nicht sehen wollen, wenn er an Bobbys Stelle wäre. Leise seufzend wandte er seinen Blick von dem Fenster ab und schwenkte ihn flüchtig in die Richtung des Fernsehers, vor dem Jones mal wieder blinzend durch alle Programme zappte. Der bläuliche Schimmer des ständig wechselnden Bildes war das einzige Licht, das die Ecke, in der John sich niedergelassen hatte, schwach beleuchtete. Das Leder des alten Sessels, in dem er saß, knarzte, als er ein Bein anzog und sein Kinn auf sein Knie stützte. Er wünschte sich, er könnte die nervenden Gedanken abstellen, die seinen Kopf seit Stunden heimsuchten. Es war selten, dass sich bei John ein schlechtes Gewissen ankündigte. Würde man jemanden von seinen Mitschülern fragen, würden diese wohl behaupten, dass John gar kein Gewissen hätte. Er selbst räumte sich zumindest eine 0,05%ige Chance ein, eine Rückmeldung von seinem Moralempfinden zu bekommen. Nicht gerade wirklich viel, aber sein Streit mit Bobby hatte in der Hinsicht wohl einen „Volltreffer“ gelandet. Und John wusste, wenn er einmal ein schlechtes Gewissen hatte, dann würde es ihn auch nicht so schnell wieder loslassen. Bisher hatte er sich nicht einmal ansatzweise zurechtgelegt, was er Bobby sagen wollte. Dadurch, dass er sich selten für etwas entschuldigte, war er auch nicht sonderlich gut darin. Er war nicht wie Bobby mit seinem ach-so-großen Einfühlvermögen. Dem Eismutanten schien immer in jeder Situation das Passende einzufallen, wenn es darum ging, seine Mitmenschen zu beschwichtigen oder sie um Verzeihung zu bitten. Man konnte Bobby dementsprechend auch nicht ernsthaft und schon gar nicht lange böse sein, wenn es denn mal zu dem seltenen Fall kam, dass man überhaupt wütend auf ihn war. John hingegen fand eigentlich nur dann passende Worte, wenn es darum ging, Scherze auf Kosten anderer zu machen oder passende Sprüche zu allen möglichen, noch so absurden Situationen zu finden (nun gut, zugegeben, mit der Meinung, diese seien passend, stand er in einigen Fällen auch allein da). Aber was er nun sagen sollte, wenn er auf Bobby traf… dazu fiel ihm gerade nichts ein. Natürlich könnte er einfach sagen, dass es ihm Leid tue und er es nicht so gemeint hätte. Aber stimmte das eigentlich? Und war das überhaupt so einfach? Sicherlich tat es ihm Leid. Er wollte Bobby nicht verletzen. Zumindest nicht auf lange Sicht gesehen. Aber in diesem Moment hatte er ihn verletzen wollen, ja, bestrafen wollen. Dafür, dass er ihn einfach mit seinem Kuss überrumpelt hatte. Dafür, dass er ihn vereist und ihm damit schreckliche Schmerzen bereitet hatte. Dafür, dass er ihm langweilige, nicht enden wollende Tage in der Krankenstation beschert hatte, die erfüllt waren von verwirrenden Gedanken, die für ihn langsam einen Sinn ergaben, über den er lieber nicht näher nachdenken wollte. Laute Schussgeräusche rissen ihn aus seinen Gedanken und einen Moment lang beschlich John das – im Nachhinein lächerliche – Gefühl der Angst, es würde erneut irgendein Sondereinsatzkommando ihre Schule stürmen. Erst nach einem kurzen Augenblick realisierte er, dass Jones mal wieder einfach das Programm weitergezappt hatte. Laut erfüllte das ballernde Geräusch der Maschinengewehre und das Aufschreien der verwunderten Männer den Kriegsschauplatz im Film und John befand ja, dass Jones eigentlich zu jung war, um sich so etwas reinzuziehen. Komisch… früher bist du immer heimlich länger aufgeblieben, um so etwas gucken zu können und jetzt denkst du schon so wie deine Eltern. Das war ja mal… voll dämlich. John beschloss, nichts zu sagen und erhob sich aus seinem Sitzplatz. Wenn Storm und Wolverine Jones schon nachts fernsehen ließen, war es wohl kaum seine Aufgabe, den Jungen zurechtzuweisen, was für Programme er gucken durfte und welche nicht. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es bereits kurz vor 1 Uhr war. Verdammt… hab ich nicht morgen sogar Unterricht?! Dadurch dass Storm den Unterricht immer noch größtenteils allein managte und Hank momentan mehr auf politischer Ebene unterwegs war, verlief der Unterricht so unregelmäßig, dass John sich das beim besten Willen nicht merken konnte – eigentlich hatte er nicht einmal den Willen, sich das zu merken. Für so etwas hatte er schließlich sonst immer Bobby! Dennoch sollte er zusehen, dass er langsam mal ins Bett kam. Mit langsamen Schritten lief er durch den Gemeinschaftsraum und blieb noch einmal auf der Höhe des Sofas stehen. „Nacht, Jones. Und verdammt, schalt einen Cartoon drauf oder so. Wenn ich das Geballer bis in mein Zimmer hör, kannst du dich bei den nächsten Olympischen Spielen selbst im Fernsehen wiederfinden – und zwar als Fackel!“, wies er ihn nun doch zurecht; zum Glück nicht allzu spießig… Jones erwiderte darauf nichts, aber John stellte mit einem zufriedenen Grinsen fest, dass nun Bugs Bunny über den Bildschirm hüpfte. Eine gewisse Müdigkeit spürend tapste John schließlich durch den dunklen Flur und hoffte, dass sie über seine Gedanken siegen und ihn in Ruhe schlafen lassen würde. Er öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und spürte einen kühlen Luftzug, der ihm entgegen strömte. Das Fenster stand offen und John hatte automatisch das Gefühl, einen Gefrierschrank zu betreten. Das Mondlicht beleuchtete das Zimmer nur schwach, aber dennoch konnte John Bobbys Silhouette auf dem Bett ausmachen. Eigentlich wunderte es ihn nicht wirklich, den anderen hier vorzufinden. Es war klar gewesen, dass Bobby wohl irgendwann in dieses Zimmer zurückkommen und sich schlafen legen würde. Er war nicht der Typ, der sich ewig irgendwo verschanzen würde. Es war schon sonderbar genug gewesen, ihn nicht beim Essen anzutreffen. Dennoch konnte John nicht verhindern, dass sich eine leichte Nervosität in ihm breit machte, als er die Tür leise hinter sich schloss. Zögerlich ging er einige Schritte in den Raum und blieb kurz vor dem Bett des Eismutanten stehen. Vorsichtig flüsterte er dessen Namen. „Bist du noch wach?“ Schweigend verharrte er in seiner Position, doch es kam keine Antwort. Ruhig hob und senkte sich Bobbys Brust in stetigen Zügen. Die Geräusche des gleichmäßigen Atems drangen an Johns Ohr. Bobby schien offensichtlich wirklich zu schlafen. Müde raufte John sich die Haare, die heute – am Tag seiner Entlassung aus dem Krankenflügel – mal nicht mit einem Pfund Gel an seinen Kopf geklatscht waren. Er konnte im Moment nichts tun. So sehr alles in ihm danach drängte, sich jetzt mit dem Eismutanten auszusprechen, konnte er ihn nicht deswegen einfach aufwecken. Mit einem Ruck setzte er sich selbst wieder in Bewegung und schloss zunächst das Fenster, bemerkte das leichte Frösteln seines Körpers und beeilte sich, in das wärmende Bett zu kommen. Eine gefühlt meterdicke Gänsehaut überzog seinen Körper, als er in Jogginghose und langärmeligen Shirt – er verstand nie, wie Bobby in diesem Eiskasten in Shorts und T-Shirt schlafen konnte – unter seine Decke schlüpfte. Seine Hand griff nach seinem Zippo®-Feuerzeug, das wie üblich auf seinem Nachttisch deponiert war. Ein Zischen erfüllte den Raum und wenig später tanzte eine fußballgroße Feuerkugel zwischen Wand und seinem Bett auf und ab. Sein Blick war starr auf die rötlichen Flammen gerichtet, die eine angenehme Wärme zu ihm transportierten. Den Rücken zu Bobby gewandt, bemerkte er nicht, wie dieser vorsichtig und langsam die Augen öffnete, um einen Blick auf die leuchtende Digitalanzeige seines Weckers zu richten. 1:07 Uhr. Innerlich seufzte Bobby auf. Die Nacht schien für ihn genauso schlaflos zu werden wie für John. Im Endeffekt war John dann dennoch eingeschlafen. Die Müdigkeit schien ihn langsam übermannt zu haben. Bobby hatte es gemerkt, als die Flamme immer kleiner geworden war. Zum Glück hatte der Feuermutant diese noch erlöschen lassen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass irgendetwas in ihrem Zimmer ankokelte. Bobby selber fühlte sich, als hätte er die ganze Nacht wach gelegen. Da er sich nicht erinnern konnte, zwischen 3 und 5 Uhr auf seinen Wecker geblickt zu haben, schloss er daraus, doch um die zwei Stunden geschlafen zu haben. Als John vor einer halben Stunde aufgestanden war, war Bobby einfach noch liegen geblieben. Geduscht hatte er schließlich gestern Abend. Er hatte gemerkt, wie der Feuermutant zögernd vor seinem Bett stehen geblieben war, als Bobby sich erneut einfach schlafend gestellt hatte. Normalerweise war er es, der von ihnen beiden zuerst erwachte. Er war zwar kein notorischer Frühaufsteher, aber im Gegensatz zu John eben auch kein Langschläfer. Als sie noch jünger gewesen waren, hatte Bobby den anderen beinah schon gewaltvoll wachrütteln müssen, damit dieser nicht zu spät zum Unterricht kam. Vermutlich hatte John überlegt, ob er nun dasselbe bei Bobby machen sollte, als dieser nicht wie üblich vor ihm aufgestanden war. Anscheinend hatte er sich aber dann dazu entschlossen, es sein zu lassen und war aus ihrem Zimmer in Richtung Bad verschwunden. Nun stand Bobby vor dem Spiegel zwischen ihren beiden Schrankhälften und brachte die letzten Strähnen seines verwuschelten Haares in Form. Auch wenn er es gern getan hätte, war ihm klar, dass er sich nicht ewig schlafen stellen konnte. Irgendwann musste er sich wieder John und ihren Mitschülern stellen. Mit etwas Glück jedoch würden er und John sich verpassen und erst beim Frühstück wieder aufeinandertreffen. Da waren sie dann nicht allein und somit würde John ihren Streit sicher auch nicht ansprechen. Zwar merkte er an der Art, wie John sich verhielt, dass dieser sich sicher entschuldigen wollte, doch dieser Umstand allein war keine Garantie dafür, dass dem Feuermutanten deshalb nicht trotzdem weitere dumme Sprüche entwichen, auf die Bobby gut und gerne verzichten konnte. Schwer ausatmend blickte er seinem Ebenbild im Spiegel ins Gesicht. Zerknirscht starrte es zurück. Er hatte im Moment nicht das geringste Interesse mit John zu sprechen. Das war eigentlich nicht die Art des lieben, netten Bobbys, der jedem die Chance gab, sich zu entschuldigen, sich auszusprechen, der schnell verzieh und noch schneller sagte: „Schon okay, Schwamm drüber.“ In den vielen Jahren ihrer Freundschaft hatte er diese Worte zu John öfter gesagt, als er es hätte zählen können. Doch diesmal war es anders. Vielleicht lag es nun daran, dass seine Gefühle zu John sich geändert hatten. Vielleicht war es aber auch nur die Tatsache, dass er früher selten der Mittelpunkt von Johns Keifereien gewesen war und selbst wenn, dann waren diese selten so persönlich und tiefgehend gewesen, wie die Sprüche, die seinem losen Mundwerk am Vortag entkommen waren. Diese Anspielungen vor allen Leuten auf die Tatsache, dass er – was er sich im Moment wirklich selbst nicht erklären konnte – in diesen Idioten verliebt war… das war wirklich verletzend gewesen. Bei allem, was Bobby schon mit John erlebt hatte, mit ihm mitgemacht hatte, fand er, dass er eine solche Behandlung nicht einmal dann verdient hätte, wenn er etwas wirklich Abstoßendes getan hätte. In seinem Bauch war so viel Wut. Das kannte er von sich selbst eigentlich gar nicht. Doch in ihm herrschte eine Unruhe, die ihn fast zum Explodieren brachte. Eine Unruhe, die er gar nicht so recht zu kontrollieren wusste. Innerlich zuckte er zusammen, als er das Geräusch der sich öffnenden Tür vernahm. Im Augenwinkel sah er, wie John den Raum betrat. Er war bereits fertig angezogen; seine brünetten Haare klebten wie immer fest an seinem Kopf. Alles schien so normal zu sein, wenn man mal von der schier unerträglichen Spannung absah, die sich mit einem Mal im Zimmer breit machte. John schien ebenso verdutzt wie überrascht zu sein, Bobby im Raum vorzufinden. Offensichtlich hatte er sich eben solche Ausweichpläne zurechtgelegt wie der Eismutant. In Wirklichkeit aber hatte John einfach nur nicht damit gerechnet, dass Bobby noch im Raum sein würde, wenn er zurückkehrte. Er fragte sich, ob Bobby ihn wirklich für so dumm hielt. Natürlich war John längst aufgegangen, dass Bobby sich bloß schlafend gestellt hatte. Er hatte ihn in der Nacht, nur wenig später, nachdem er den Feuerball hatte verschwinden lassen, aufstehen und aus dem Raum tapsen gehört. Doch John hatte nichts gesagt, hatte Bobby ebenfalls in dem Glauben gelassen, er würde schlafen. Ihr Verhalten würde ihm höchst albern vorkommen, wäre er es nicht selbst, der dieses Spielchen mitspielte. Bobby jedoch schien seinem Blick nun auszuweichen. Die blauen Augen des Eismutanten schauten auf die Uhr an seinem Handgelenk. Mit einem leichten Schock bemerkte er, dass es nur noch etwas mehr als fünf Minuten bis zum Unterricht waren. Hatte er die Zeit hier vor dem Spiegel tief in Gedanken so vertrödelt? Jetzt noch zum Frühstück zu gehen, lohnte sich nicht wirklich. Richtig Hunger hatte er nicht einmal. Es wäre allerhöchstens ein Fluchtpunkt vor John gewesen, doch dieser schloss bereits die Tür hinter sich und wenn Bobby nicht wie ein panisches Mädchen wirken wollte, dann würde er jetzt wohl kaum Hals über den Kopf aus dem Raum stürmen. „Morgen“, hörte er John leise sagen. Falls dieser nervös oder betrübt war, so merkte man das seiner Stimme jedenfalls nicht an. Mühsam versuchte Bobby, darauf etwas zu sagen. Gerne hätte er so barsch das Wort erwidert, dass John es nicht wagen würde, ihn noch einmal anzusprechen. Doch nicht eine Silbe wollte über seine Lippen nach außen dringen. Der Groll in ihm schien ihm jedes Wort abzuschnüren, das nicht in irgendwelchen Verwünschungen endete, die er John gern an den Kopf werfen wollte. Wie erwartet wirkte sich sein Schweigen nicht gerade positiv auf die Atmosphäre in dem kleinen Raum aus und veranlasste John dazu, einen weiteren Schritt auf ihn zuzugehen und sich dabei auffällig unauffällig zu räuspern. „Bobby, hör zu“, war dies der berüchtigte Anfang einer jeden Entschuldigung, die Bobby sich beim besten Willen gerade nicht anhören konnte. Sich die Ohren zuzuhalten, war keine Lösung, also verwarf er den Plan gleich wieder und ließ die folgenden, üblichen Worte wie eine Windböe einfach an sich vorbeiziehen. Als Bobby daraufhin immer noch nichts erwiderte, bemerkte er einen verdutzten Ausdruck auf Johns Gesicht. Offensichtlich hatte dieser nicht damit gerechnet, dass Bobby seiner Entschuldigung mit Schweigen begegnen würde. „Was ich gesagt habe-“, begann John, doch Bobby unterbrach ihn schnell. „… war vollkommen scheiße!“ Die ungewohnte Härte seiner eigenen Worte überraschte sogar ihn. Das war sonst so gar nicht seine Art, doch die Wut in ihm schien langsam Überhand zu nehmen. „Ich weiß, ich hätte das vielleicht nicht so sagen sollen“, begann John mühsam und abermals ließ Bobby ihn nicht ausreden. Verzweifelt versuchte er, den aufkeimenden, ihm so unbekannten Zorn zurückzuhalten, doch die Worten platzten einfach aus ihm heraus: „Vielleicht?! Vielleicht?! – Sonst geht es dir aber noch gut, oder was?! Da gibt es kein Vielleicht, John, das war absolute Scheiße. Was glaubst du, wie sich das anfühlt, he?! So vor allen Mitschülern…“ John holte tief Luft und versuchte, zwischen die Flut von Bobbys Worten zu kommen, doch da schien keine Chance zu sein. Es tat ihm aufrichtig Leid und ihm war klar, dass er gestern den falschen Weg gewählt hatte, um diese „Sache“ zwischen ihnen zu klären. Doch Bobby ließ ihm ja nicht einmal die Möglichkeit, dazu wirklich etwas zu sagen! „Du hast kein Recht, so mit mir umzuspringen, John!“, knallte Bobby ihm ruhelos vor den Kopf. „Glaubst du, mir fällt das alles leicht, ja? Bist du auch schon mal morgens aufgewacht und hast festgestellt, dass du in deinen Kumpel verknallt bist? Nein?! – Sieh einer an. Dann hast du auch nicht die geringste Ahnung, wie ich mich auch ohne deine miesen, dummen Sprüche fühle, die mir mittlerweile so was von zum Hals heraushängen!“ Perplex starrte John ihn an. Nie hatte er einen Emotionsausbruch in diesem Ausmaß bei dem anderen Mutanten mitbekommen. Eigentlich kannte er Bobby ebenso wie alle anderen nur als ausgeglichen und um Frieden bemüht. Selbst in deutlich angespannten Situationen hatte er nie so losgepoltert. Sein Ton klang anklagend und John passte die Art nicht, wie Bobby mit ihm sprach. Nun, richtig, er hatte gestern einen Fehler gemacht. Aber was war mit all den Fehlern, die Bobby vorher gemacht hatte?! Sollte John jetzt Mitleid mit ihm haben? Und wer hatte Mitleid mit ihm? Wer war denn hier das Opfer? Doch wohl er und nicht Bobby! Sein schlechtes Gewissen gegenüber dem anderen rückte in weite Ferne; Verwirrung und Trübsal verwandelten sich in Wut. „Verdammt Bobby, du solltest dich selber reden hören“, zischte er ihm zu und klang dabei ungewollt abschätzig. „Du tust fast so, als wäre ich an deiner Situation Schuld, aber ich kann wohl kaum etwas dafür, dass du offensichtlich was von mir willst! Was willst du von mir hören, he?! Dass ich ach-so-großes Verständnis für dich habe und du dich gern an meiner Schulter ausweinen kannst?! Sorry, aber dann geh nach Boston, zurück zu Mami und heul dich bei ihr aus über deinen bösen, bösen Zimmernachbarn!“ Die Worte klangen gewohnt schneidend. In Johns Augen leuchtete wieder diese freche Überheblichkeit, die immer in ihnen aufglimmte, sobald er seinem Gegenüber mit einer – wie Bobby es gerade empfand – gnadenlosen Arroganz Worte entgegenwarf, um einen Streit zu provozieren. Er wusste nicht, was ihm mehr den Atem nahm. Dass John sich abermals so unverschämt rücksichtslos über seine Gefühle ausließ oder dass er ausgerechnet seine Mutter in dieses Streitgespräch mit einbeziehen musste. Die Erwähnung ihrer Person aus Johns Mund ließ Bobby gepresst keuchen. Nie hatte er John auch nur darauf angesprochen, was in dem Vorgarten seiner Eltern in Boston passiert war. Wirklich Gelegenheit dazu hatte er auch nicht gehabt, als John nur wenig später mit Magneto am Alkali Lake verschwunden war. Er erinnerte sich an das gute Verhältnis, das er früher zu seinen Eltern, besonders zu seiner Mutter, gehabt hatte. Auch wenn er John nicht allein die Schuld dafür geben konnte, so war dieser dennoch nicht ganz unbeteiligt daran, dass er nun keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hatte. „Weißt du was?! Ich frag mich gerade, wie um alles in der Welt ich so verdammt blöd sein konnte, mich ausgerechnet in so ein Arschloch wie dich zu verlieben!“ Die Worte polterten lauter als geplant durch den Raum und hinterließen einen kurzen Moment des Schweigens, ehe Bobby John die Chance nahm, darauf etwas zu sagen und einfach weitersprach: „Und sorry, nein, ich kann leider nicht zu meiner Mami zurück, um mich bei ihr auszuweinen. Irgendwie haben die brennenden Polizeiwagen in ihrem Vorgarten ihr nicht so gefallen!“ Man brauchte kein Genie zu sein, um diese Anspielung zu verstehen. Johns Mund klappte für einen Moment sprachlos auf. In einer anderen Situation hätte Bobby das vielleicht als Triumph gesehen. Die Nasenflügel des Feuermutanten öffneten sich schnaubend. „Ach? Familie Drake hat also ihr Bobby-Schatzi-Hasi-Mausi nicht mehr lieb?!“ Es war erstaunlich, wie sehr Johns Gehässigkeit doch treffen konnte, selbst wenn man wie Bobby mit solchen Sprüchen schon gerechnet hatte. „Das passt aber gar nicht in das Bild der ach-so-perfekten amerikanischen Musterfamilie“, fuhr John düster fort und leckte sich über die trockenen Lippen. Es war unübersehbar, dass dies hier ihm irgendwie Spaß zu machen schien. „Ich bezweifle aber, dass das ausgerechnet meine Schuld sein soll. Irgendwie habe ich wohl die Jubelstürme verpasst, als du ihnen verkündet hast, du seiest nicht hochbegabt, aber dafür ein Mutant.“ Bobby schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht fassen, wie dreist John sein konnte. Gerade eben hatte er sich doch offensichtlich noch bei ihm entschuldigen wollen und nun… Der andere widerte ihn einfach nur an. Hast du eigentlich irgendeinen Sinn für Anstand? Hast du keinerlei Verständnis dafür, was deine Worte manchmal ausrichten können?! Am Anfang hatte Bobby sich so überlegen gefühlt, doch nun war John deutlich dabei, diese Konversation zu gewinnen. Verbal hatte man gegen John keine Chance. Immer wieder schienen diesem neue Gemeinheiten einfach so von der Zunge zu springen, als ob er nicht einmal darüber nachdenken musste. Ja, es schien, als hätte John ein ganz besonderes Talent, immer genau die Worte zu finden, die sein Gegenüber aus der Bahn werfen konnten. Leider war es nicht einmal gelogen, dass seine Eltern auf sein „Outing“ als Mutant ‘eher‘ geschockt reagiert hatten. Doch Bobby war sich sicher, dass sie mit der Zeit gelernt hätten, damit umzugehen und den Kontakt nicht hätten abreißen lassen, wenn John in ihrem Garten nicht dieses psychotische Inferno gestartet hätte, das seinen Eltern nur unterstrichen hatte, wie gefährlich Mutanten sein konnten. Doch Bobby wusste, dass er noch eine letzte Karte hatte. Einen letzten Trumpf, den er eigentlich nie ausspielen würde, wenn Wut und Verzweiflung in ihm nicht gerade wieder Überhand nehmen würden. „Hm… wenn ich jetzt so darüber nachdenke, John“, begann er langsam und war erstaunt darüber, wie betont neutral seine Stimme plötzlich klingen konnte. „… wundert es mich eigentlich nicht mehr, dass deine Eltern auf einen Sohn wie dich verzichten konnten.“ Seine Familie war Johns wirklich wunder Punkt, das wusste Bobby genau. Für einen kurzen Moment spürte er die Genugtuung und die Energie, die auch John beflügeln musste, wann immer er solche Gemeinheiten von sich gab. Doch kaum sah er den Ausdruck auf dem Gesicht des anderen, verging dieses kurze Gefühl des Sieges wieder. Wo vorher noch Provokation und Wut gewesen waren, sah man in den dunklen Augen nun Fassungslosigkeit und etwas, das Bobby bei John so noch nie gesehen hatte: wirkliche, tiefe Verletzung. Es war nicht das erste Mal, dass jemand John auf seine Familie angesprochen hatte. Gelegentlich machte der Feuermutant sogar selbst Scherze über sein zerrüttetes Verhältnis zu seinen Eltern. Doch offensichtlich kam es darauf, wie man es sagte und wie man ihn daran erinnerte, das seine eigenen Eltern schon lange Zeit nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Unübersehbar hatte Bobby genau dieses Wie gefunden. Mit einem Mal fühlte er sich so schlecht. All das, was John ihm gerade an den Kopf geworfen hatte, rückte in den Hintergrund, als ihm klar wurde, dass er sich gerade entgegen seiner eigentlichen Natur auf Johns Niveau runter gelassen hatte, wenn nicht noch tiefer. „John, ich-“, wollte er sich entschuldigen, doch ihm fiel nichts ein, womit er das Gesagte wieder gutmachen könnte. Sein Hals war so trocken, das es schmerzte. John entwich ein heiseres Lachen, das sich gar nicht wie eins anhörte. Eher wie die Geräusche eines Erstickenden. „Und ich dachte, ich wäre das Arschloch von uns beiden“, murmelte er leise und senkte seinen Blick, wollte Bobby nicht länger die Gelegenheit geben, ihn so getroffen zu sehen. „Es-“, begann Bobby erneut, doch John schüttelte nur den Kopf. Er wollte keine Entschuldigungen hören, er wollte eigentlich nur noch weg hier. Ein wenig steif vor Schock drehte er sich von dem Eismutanten weg und schritt auf die Tür zu. Dass Bobby ihn davon nicht abhielt, zeigte ihm nur, dass dieser ebenso erschüttert war, wie er selbst. Doch darüber konnte und wollte John gerade nicht nachdenken. Als er die schwere Holztür zum Flur öffnete, blickte er zu seinem Entsetzen in die Gesichter von zwei jüngeren Schülern in Jones‘ Alter, deren Namen ihm jedoch nicht einfallen wollten. Ertappt starrten sie ihn an, ehe sie sich gegenseitig anblickten, offenbar eine stille Übereinkunft trafen und plötzlich wegrannten, ehe John auch nur irgendetwas sagen konnte. Oh Gott, … sag mir nicht, dass die uns belauscht haben…?! Ihm wurde klar, dass längst Unterrichtszeit war. Storm gab heute Naturwissenschaften. Aus Zeitgründen hatte sie nun Themen angeschnitten, die auch von unterschiedlichen Altersklassen bearbeitet werden konnten und so waren diese Kinder sich auf dem Weg zum Unterricht gewesen, als sie… Wie viele sind hier noch vorbei gekommen, während wir uns gestritten haben?! Flüchtig warf er einen Blick zurück zu Bobby, der noch wie versteinert dort stand, wo er ihn zurückgelassen hatte. Auch er schien dasselbe gesehen zu haben wie John und ihm schienen die gleichen Gedanken durch den Kopf zu gehen. Doch John konnte selbst angesichts dieser Erkenntnis nicht zu ihm zurückgehen. Schluckend wandte er sich ab und überlegte, wo er nun hinsollte. Im Institut gab es keinen Ort, von dem er wirklich dachte, dass Bobby ihn dort nicht finden könnte. Auch wenn es genug ausgestorbene, selten besuchte Räume des alten Gebäudes gab, wo man lange allein sein konnte, gab es keine Garantie, dass man nicht doch schneller gefunden wurde, als einem lieb war. Unweigerlich führte sein Weg zur Garage. Gott, ich muss einfach nur raus hier! TBC Oops,... I dit it again xD~ Oder eher: Oops, das Blatt hat sich wohl gewendet. Verdammt, es hat so SPAß (!!!) gemacht, dieses Arschloch John zu schreiben, das Bobby so lange reizt, bis dieser seine Zurückhaltung über Bord wirft und plötzlich etwas sagt, das gar nicht zu ihm passt ;) Wie schon oben erwähnt, ist das Kapitel nicht wirklich perfekt. Meiner Meinung ist es an einigen Stellen etwas "stelzern" (sprich = irgendwie steif). Aber so eine extreme Schaffenskrise wie diese hatte ich auch nicht. In den Monaten hat sich wirklich GAR NICHTS bei meinen Geschichten getan. Na ja... jetzt kann ich wohl sagen: I'M BACK AGAIN ;) Und ich hoffe, dass das so bleibt... *~* Jones ist im Übrigen der Name des schlaflosen Kindes, dem Wolverine in "X-Men 2" nachts vorm Fernseher begegnet, bevor Stryker in die Schule einfällt. Dürfte wohl aus dem Kapiteltext auch klar hervorgegangen sein, wen ich meine. Den Namen habe ich im Übrigen aus dem Buch zum Film, in denen eben auch solche Randcharaktere benannt wurden. Kommis, Beglückwünschungen oder auch Verwünschungen... immer her damit! Und wenn jemand ein Sturmfeuerzeug mit einem kleinen Headbanger drauf finden sollte... DAS IST MEINS! Ich würd nur mal gern wissen, wo ich das wieder hingepackt hab =_=" Dementsprechend sag ich da nur: Klick-zisch-klack *LOL* Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 13: Erinnerungen ------------------------ Hallihallo zusammen! Jaaah, es geht auch mal wieder weiter! Man mag es ja kaum glauben =_=" Dabei hatte ich meine Schaffenskrise mutmaßlich überwunden und dieses Kapitel hier - das mir übrigens Spaß gemacht hat, zu schreiben xD - schon kurz nach meiner letzten Veröffentlichung fertig. Warum's dann nicht eher erschienen ist, erklär ich euch im Nachwort. Ansonsten würde ich dem Kapitel zu viel vorweg greifen. Kapitel 13: Erinnerungen Die heruntergefallenen Äste knirschten unter den schweren Reifen des metallic-grauen Sportwagens, als der Fahrer sie in einem abgelegenen Waldstück geschätzte 30 Kilometer entfernt vom Institut zum Stehen brachte. Das stetige, angenehm monotone Brummen des Motors verstummte. Seufzend ließ John sich in den Sitz zurücksinken. Ziellos war er über die verlassenen Highways gerast; er hatte einfach nur möglichst weit weg von der Schule sein wollen. Er war sich sicher, dass ihn hier keiner seiner Lehrer oder Mitschüler finden würde. Eigentlich wusste er ja nicht einmal selbst, wo er gerade war. Tief einatmend schloss er die Augen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, den Sicherheitsgurt zu lösen; das Radio hatte er bereits kurz nach seiner übereilten Abfahrt stumm geschaltet. Jetzt, wo er zur Ruhe zu kommen schien, verstärkten sich seine Gedanken um Bobby und ihren Streit nur noch. Die ganze Fahrt über hatten sie ihn nicht losgelassen. Nie hätte er gedacht, ausgerechnet von Bobby so verletzt zu werden. Es war einfach nicht die Art des Eismutanten, mit solchen eindeutig auf Verletzung ausgerichteten Worten um sich zu werfen. So etwas… war Johns Part gewesen. Bobby hätte einfach nur da sein müssen, um ihn wieder zu beschwichtigen. Ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf Johns Lippen. Ihm war klar, dass vermutlich selbst Bobby irgendwann mal die Kraft ausging, seine sarkastische, stichelnde Art schweigend hinzunehmen. Vermutlich hatte es einfach so kommen müssen. Doch warum hatten sie nicht vorher erkannt, dass sie sich auf einen Abgrund ihrer Freundschaft zubewegten? Gerne würde John all dies auf den Umstand schieben, dass Bobby nun anders für ihn empfand und ihm einfach diesen Kuss aufgedrängt hatte. Wenn er allerdings nun in Ruhe darüber nachdachte, dann wurde ihm klar, dass dies bloß ein Tropfen in einem eh schon überlaufenden Fass gewesen war. In seiner Erinnerung waren zwei Jungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die sich manchmal gegenseitig nervten, aber dennoch die besten Freunde waren. Gab es sie noch? Er hatte sich unterschwellig so gefreut, wieder zur Schule zurückzukehren. Er gestand es sich ungern ein, aber dies war nun mal das einzig wirkliche Zuhause, das er jemals gehabt hatte, seit seine Mutation ausgebrochen war und seine Eltern bei seinem Anblick nur noch Furcht und Abscheu empfanden. Ein wesentlicher Grund dafür, dass er sich in diesen Gemäuern wohl gefühlt hatte, war Bobby gewesen. Doch wann hatten sie angefangen, sich zu entzweien? War es nur ein ganz normaler Prozess des Älterwerdens gewesen, der langsam einen Keil in ihre Freundschaft getrieben hatte? Warum aber dann hatte er sich dem Eismutanten so nah gefühlt, als er in die Schule zurückgekehrt war? Tief in seinem Inneren wusste John, dass es eigentlich einen anderen Grund gab; einen, den Bobby die ganze Zeit über nie gesehen, den John wiederum nie erwähnt hatte. Seufzend lehnte er seine Stirn an das Lenkrad. Der Sicherheitsgurt zog unangenehm an seinem Oberkörper und doch machte John immer noch keine Anstalten, sich abzuschnallen. Hatte er vor Alkali Lake nicht genug über diese „Sache“, diesen Grund, nachgedacht? Musste er sich das erneut antun? Er wollte sich nicht mehr die Schwächen der bloßen Eifersucht eingestehen, aber seine Gedanken wanderten weiter, ohne dass er sie aufhalten konnte: Rogue. Derweil hatte Bobby es mit ganz anderen Problemen zu tun. Nachdem John ihn einfach so in ihrem Zimmer zurückgelassen hatte, waren einige starre Sekunden vergangen, ehe er sich an den Kopf gepackt und versucht hatte, das Geschehene zu fassen. Die Kraft, dem anderen hinterher zu rennen, hatte er nicht aufbringen können. Nun befand er sich auf dem Weg zu ihrem Klassenraum. Obwohl er nun schon fast zehn Minuten zu spät war, wusste er nicht, was er sonst mit sich anfangen sollte. Seine Gefühle waren aufgewühlt und durcheinander. Johns Worte hatten ihn verletzt, seine eigenen ihn geschockt. Dazu fühlte er eine schwelende Angst in sich, was ihn im Klassenraum erwarten würde. Er hatte nicht vergessen, wie John vor ihrer Tür auf die beiden Jungen getroffen war, die sie offensichtlich belauscht hatten. Selbst wenn sie, was Bobby nicht einmal glaubte, die Einzigen gewesen wären, die ihren Streit mitbekommen hätten, so würden es nun dennoch fast alle wissen. In einer Schule verbreiteten sich Nachrichten nun einmal schnell, besonders, wenn sich über ein Thema eh schon das Maul zerrissen wurde. Zunächst hatte Bobby daher gar nicht in den Unterricht gehen wollen, doch er hatte sich klargemacht, dass er es damit nur noch schlimmer machen würde. Wie sagte man so schön? „Angriff ist die beste Verteidigung.“ Dennoch legte sich Bobbys Hand nur zögerlich auf die Klinke der dunklen, zweiflügeligen Tür. Ein Teil seines Kopfes sagte ihm: „Drück sie endlich runter!“ Ein anderer sagte: „Verzieh dich doch lieber in dein Schneckenhäuschen.“ Bobby hörte auf die Erste. Seine Anspannung wuchs, als die Tür sich langsam öffnete und er Storm in dem abgedunkelten Raum nur schwach vor der Leinwand ausmachen konnte. Er konzentrierte sich darauf, seine Augen nur nach vorne zu ihr zu richten und nicht zu seinen Mitschülern zu blicken, deren Blicke er instinktiv auf sich spürte. „Oh… Bobby“, hörte er Storm erstaunt sagen. Offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, ihn noch in ihrem Unterricht anzutreffen. Vermutlich waren also auch ihr schon die Neuigkeiten zu Ohren gekommen. „Sorry, ich… ich hab verschlafen“, sagte Bobby leise und spürte, wie ihm von dieser Lüge ganz warm wurde. Wenn Ororo Munroe wusste, was zwischen ihm und John vorgefallen warum, so ließ sie es sich in diesem Moment nicht anmerken. Stattdessen meinte Bobby, ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen. „Schon okay, setz dich hin“, sagte sie in einem bestimmten, aber warmen Ton und wandte sich dann wieder ihrem Vortrag zu, für den sie nun ein neues Bild auf der Leinwand erscheinen ließ. So unauffällig wie möglich ließ Bobby sich neben Warren nieder, der ihn nur schwach anlächelte und sich dann wieder interessiert dem Thema der Stunde widmete. Immer noch hatte Bobby das Gefühl, sämtliche Aufmerksamkeit seiner Mitschüler, von Warrens mal abgesehen, auf sich zu ziehen. Sein Herz schlug schnell gegen seine Brust, die ihm so schwer vorkam. Er hatte das unangenehme Gefühl zu schwitzen. Ein Griff in seinen Nacken bewies ihm, dass dem auch so war. Rogue und Kitty, die vor ihm saßen, drehten sich flüchtig zu ihm um. Ihr Blick fiel fragend auf den leeren Platz links neben ihm, doch Bobby wandte sich von ihnen ab, ehe sie ihn auf Johns Fehlen ansprechen konnten. Starr blickten seine hellen Augen auf die Projektion der menschlichen Evolutionstabelle, doch er nahm die Zeichnungen, Buchstaben und Zahlen nicht wirklich wahr. Ebenso drangen die Worte aus Storms Mund lediglich wie ein fernes Rauschen an sein Ohr. Umso klarer hörte er jedoch das Flüstern hinter sich, erst leise, dann auffordernder: „Hey… hey, Drake.“ Bobby merkte, wie ihm ein unangenehm heiß-kalter Schauer über den Rücken rann. Genau das war so ein Moment, vor er dem er sich gefürchtet hatte. Er wünschte sich in diesem Augenblick, so abgebrüht wie John zu sein, der so etwas immer ignorieren konnte. Doch sein Kopf drehte sich wie von allein in die Richtung der Stimme. Hinter ihm saßen Piotr und sein wesentlich jüngerer Zimmerkamerad. Früher hatte der hoch gewachsene Russe ebenso wie Bobby mit einem Gleichaltrigen in einem Zimmer gewohnt, doch dann war dieser Junge – Bobby konnte sich gerade nicht einmal an seinen Namen erinnern – von der Schule gegangen. Piotrs jetziger Zimmergenosse, Flea, sollte eigentlich nur übergangsweise in seinem Raum schlafen, doch dann hatten die beiden sich so gut verstanden, dass man es seit Jahren nicht geändert hatte. „Hey Drake…“, hörte er die nervige Stimme nun abermals sagen. Das von vorne dringende Licht beleuchtete seine Augen in einem Winkel, der sie fast schon diabolisch aussehen ließ. „Sag mal…, stimmt es, dass du in Allerdyce verknallt bist?“ Bobby hatte das Gefühl, ihm würde die Luft wegbleiben. Hitze strömte erneut durch seinen Körper, ließ ihm fast schwindelig werden. Er war wie erstarrt, als Piotr seinen Nachbarn unsanft in die Seite stieß. „Halt die Klappe und guck nach vorne“, murmelte er ihm zu, vermied es aber eindeutig, Bobby anzusehen. Dieser schluckte. Es lag auf der Hand, dass auch Piotr bereits gehört hatte, was zwischen ihm und John vorging. Ekelte er sich nun vor ihm? „Verdammt, ich will das aber wissen“, flüsterte Flea zurück und warf dem Größeren einen bitterbösen Blick zu, ehe er sich wieder begierig an Bobby wandte. Dieser wusste nicht, wie er reagieren sollte. „Und? Sag schon!“ „Das… das geht dich überhaupt nichts an“, erwiderte er leise, aber kräftig. Dennoch schlug er sich innerlich vor die Stirn. Seine Antwort würde wohl nur unterstreichen, was auch immer die beiden Jungen, die sie belauscht hatten, erzählt haben mochten. In einer solchen Situation hätte er Johns flapsige Sprüche durchaus gut gebrauchen können. Auf Fleas Gesicht zeichnete sich ein zufriedenes Grinsen ab. Was auch immer er dachte, er sah sich wohl in seinen Vermutungen über Bobby und John bestätigt. „Seid leise dahinten!“, drang Storms Stimme durch den Raum. Die Unruhe in den letzten Reihen war auch ihr nicht entgangen. „Flea, einige möchten hier sicher zuhören. Wenn es dich also schon nicht interessiert, wie die Menschheit zu dem geworden ist, was sie heute ist, dann setz dich wenigstens gerade hin und sei still.“ Eine solche Strenge passte eigentlich gar nicht zu Ororo Munroe. Doch sie wirkte, denn Flea, der vorher halb über seinen Tisch gehangen hatte, ließ sich nun an die Rückenlehne seines Stuhls sinken. Bobby wandte sich wieder nach vorn und die beige Oberfläche seines Tisches. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was alles auf ihn zukommen würde, wenn der Unterricht vorbei war. Resignierend strich John sich über die geschlossenen Lider. Er konnte die sich aufdrängenden Empfindungen einfach nicht aus seinem Kopf verbannen. Eigentlich hatte er das leidige Thema „Rogue“ längst abgehakt – zumindest hatte er so gedacht. Doch nun schlich es sich zurück in seine Gedanken, ohne dass er darum gebeten hatte. Zu gut erinnerte er sich an die Zeit, als Rogue plötzlich mit Wolverine in ihrer Schule aufgetaucht war und langsam, aber stetig einen größer werdenden Keil zwischen ihn und Bobby getrieben hatte. Nicht selten war sie das Thema ihrer sich damals anhäufenden Streitereien gewesen. Ihre pure Präsenz, ob nun körperlich oder in ihren Worten, hatte immer zwischen ihnen gestanden. Argwöhnisch hatte John beobachtet, wie die Bindung zwischen Rogue und Bobby immer enger geworden war. Sie hatten mehr Zeit miteinander verbracht und dann waren da diese ersten Anzeichen des Verliebt-Seins gewesen. Die schüchternen Blicke, die zaghaften Lächeln. Wäre John an Bobbys Stelle gewesen, hätte er eher versucht, Rogue mit irgendeinem coolen Spruch auf sich aufmerksam zu machen – und dann an ihr rumgegraben wie ein Bergbaubagger. Doch er war nicht an Bobbys Stelle gewesen. Nein, er hatte nur das leidige Los gezogen, der stille Zuschauer sein zu müssen – nur, dass er nicht wirklich still gewesen war. Absichtlich hatte er sich angestrengt, noch lauter und noch provokativer zu sein. Verglichen zu seinen Wutausbrüchen die Jahre zuvor, würde sein Geplänkel vor Bobby und Rogue vielleicht harmlos wirken, doch John war sich bewusst, dass er oft einfach nur genervt hatte. Er hatte sich bereits eingestanden, eigentlich nur die Aufmerksamkeit gesucht zu haben, die ihm entzogen worden war. Man konnte nun vielleicht meinen, John wäre eifersüchtig auf Bobby gewesen, doch dem war nicht so. Gewiss, Rogue sah nicht schlecht aus. Eigentlich war sie sogar ganz hübsch. Nicht so auffallend wie Ororo Munroe vielleicht oder Jubilation Lee, aber dennoch konnte John Rogue leider nicht mit Recht als „hässlich“ bezeichnen, auch wenn er es in Gedanken oft genug getan hatte. Was Bobby jedoch an ihr fand oder nun wohl eher ‘gefunden hatte‘, war jedoch stets über Johns Vorstellungsvermögen hinausgegangen. Als sie auf Xaviers Schule gekommen war, war sie für John ein stinknormales Mädchen gewesen. Sie war zurückhaltend, fiel nicht wirklich auf. Gut, vielleicht hatte ihre Mutation sie etwas interessanter gemacht. Denn selbst an einer Schule voller Kinder mit unterschiedlichen Kräften war es schon sonderbar, selbst im Hochsommer mit langer, bedeckender Kleidung herumzulaufen, weil der bloße Hautkontakt schon tödlich sein konnte. Aber ansonsten hatte John nichts finden können, was an ihr so außergewöhnlich, so wunderbar war, um zu rechtfertigen wie oft Bobby über sie sprach. Oft war eigentlich gar kein Ausdruck dafür. Ständig würde es eher treffen. Denn kaum hatte das ach-so-arme Ding die Pforten ihrer Schule durchquert, war Bobby vor Mitleid fast zerflossen. Zumindest war es John so vorgekommen. Sie hatte Bobby so Leid getan, mit ihrer schrecklichen Mutation. Und schwups, hatte er entschieden, ihr die Schule zu zeigen, den Einstieg einfacher zu machen und ihr zu helfen, sich in die Gruppe der Schüler zu integrieren. Ganz nette Idee, wenn Rogue sich zu dem Zeitpunkt mal für uns interessiert hätte, ging es John bissig durch den Kopf und es war nicht gerade das erste Mal, dass er so dachte. Für Rogue hatte es anfangs nur Wolverine gegeben. Was eigentlich auch nicht sonderlich verwunderlich war, wenn man bedachte, dass er ihr einziger Halt in dieser Zeit gewesen war. Doch Bobby hatte ja nicht locker gelassen; nein, er hatte es auf seine liebe, nette, rücksichtsvolle Art dann doch langsam geschafft, für Rogue ebenfalls eine Vertrauensperson in der Schule zu werden. Als Wolverine dann schließlich auf Erkundungstour seines eigenen Gedächtnisses gegangen war, hatte Rogue die Zeit genutzt, sich wirklich in das Institut und seine Schüler einzufügen. John musste sogar gestehen, dass einige Momente mit ihr ganz amüsant gewesen waren. Vielleicht würde er sie sogar etwas mehr mögen, wenn sie ihm nicht seinen besten, einzig richtigen Freund genommen hätte. Schluckend lehnte John seinen Hinterkopf an die Stütze des Fahrersitzes. Für Bobby hatte es fast nur noch Rogue gegeben. Nicht gerade ungewöhnlich bei Verliebten, doch das war John bloß ein schwacher Trost gewesen. Wann immer sie zusammen gehockt hatten, war Rogue dabei gewesen. Waren sie irgendwo zu zweit, kam Rogue nach wenigen Minuten dazu. Und sollte sich mal der seltene Fall ereignet haben, dass John und Bobby wirklich mal allein unter sich gewesen waren, so hatte Bobby nahezu nur ein Thema gekannt: Rogue. Es war also nicht gerade verwunderlich, dass John nur noch genervter von ihr wurde; dem Mädchen an der Seite seines besten Freundes. Sein eigenes, immer reizbareres Verhalten dürfte wohl auch nicht gerade geholfen haben, das Auseinanderbrechen ihrer Freundschaft zu verhindern. Rückblickend fragte John sich, ob er der Einzige von ihnen war, der das gespürt hatte. Wäre Bobby sonst so überrascht gewesen, als er sich auf Magnetos Seite geschlagen hatte? Noch jetzt vertrat John die Meinung, dass Menschen wie er, Mutanten, etwas Besonderes waren – einzigartig. Sich zu verstecken, die eigenen Kräfte zu leugnen, nur um einem von den anderen Menschen aufgestellten Gesellschaftsschema treu zu werden, treu zu bleiben – das sah er nicht ein. Xaviers Weg war ihm wie ein Versteckspiel vorgekommen; nur ohne, dass man gefunden werden wollte. Magnetos Weg dagegen schien ihm richtig zu sein. Ob all ihre brutalen Aktionen, die terroristischen Züge und die Opfer, die ihr Kampf gefordert hatte, wirklich den Zweck einer besseren Zukunft für Mutanten rechtfertigten – diese Frage hatte John sich selbst verboten. Würde er hinterfragen, was er getan hatte, wüsste er nicht, ob er wirklich mit der Antwort klarkommen würde. Er seufzte leise. Seine Hand legte sich kühlend auf seine Stirn, die ihm glühend vorkam; als würden seine brodelnde Gedanken ihre Hitze nach außen strahlen. Obwohl sein Kopf schmerzte, konnte er diese Nachdenklichkeit nicht abstellen. Er wusste nicht, ob er im Institut geblieben wäre, wenn es Rogue nicht gegeben hätte. Als er zu Magneto und Mystique in den Helikopter gestiegen war, hatte er jedoch nicht das Gefühl gehabt, irgendetwas zurückzulassen. Wäre seine und Bobbys Freundschaft damals noch so fest gewesen wie vor der Beziehung mit Rogue… nun, vielleicht wäre er dann nie gegangen. Hör auf darüber nachzudenken, ermahnte er sich. Was wirklich passiert wäre, konnte nun eh keiner mehr sagen. All das lag in der Vergangenheit, die er ruhen lassen sollte. Doch die Empfindungen von Wut, Schmerz und Einsamkeit drückten sich mit aller Macht wieder in seine Brust. Gleichzeitig spürte er abermals die Genugtuung, die damals durch ihn geflossen war, als er seine Mitschüler am Alkali Lake zurückgelassen hatte. Als er Bobby zurückgelassen hatte. Es war ein wenig so gewesen wie: „Siehst du, das hast du jetzt davon. Jetzt bin ich weg und ich komme nicht wieder.“ Doch er war wieder gekommen. Ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf seinen trockenen Lippen ab. Als er im Krankenhaus nach dem Alcatraz-Kampf wieder aufgewacht war, hatte er zunächst das Gefühl gehabt, seine ganze Welt würde zusammenbrechen. Und dann schien plötzlich alles wieder so zu sein wie früher. Bobby hatte plötzlich, trotz Rogue, wieder mehr auf ihn geachtet. Er war es gewesen, dem nun diese Aufmerksamkeit, diese Fürsorglichkeit des Eismutanten zuteil geworden war. Dann hatten Bobby und Rogue sich plötzlich getrennt. John musste zugeben, im ersten Moment doch sehr überrascht gewesen zu sein. Schließlich hatte nichts darauf hingewiesen, dass sie nicht glücklich wären. Andererseits hatte auch nichts darauf hingewiesen, dass Bobby in ihn verliebt war. Nur langsam dämmerte John, dass beides durchaus miteinander zu tun haben könnte. Auch wenn er es nicht wollte, konnte er nicht verhindern, dass sich ein siegreiches Grinsen auf seinem Gesicht breit machte. Er hatte gewonnen. Sein Grinsen wirkte fast schon ein wenig selbstzufrieden. Er liebt mich, nicht mehr dich, schoss es ihm durch den Kopf und im selben Moment kam ihm dieser Gedanke so unglaublich absurd vor. Er musste wieder an Bobbys Kuss denken und fragte sich, was er selbst dabei eigentlich empfand. War er vielleicht eifersüchtig auf Rogue gewesen? Wenn er ehrlich zu sich war, konnte er das vor sich selbst nicht einmal abstreiten. Je länger er seit Tagen über den Kuss nachgedacht hatte, desto prickelnder war er ihm vorgekommen – oder zumindest der Gedanke daran, wie er sich hätte anfühlen können, wenn er ihn nur länger zugelassen hätte. Doch er konnte diese Gefühle nicht einordnen. Bedeutete das, er könnte das Gleiche empfinden wie Bobby? Oder war es bloß der Reiz einer neuen Erfahrung mit jemandem, der einem so vertraut war? Großer Gott, denk nicht einmal weiter drüber nach! Sein Kopf meldete sich abermals mit einem schmerzenden Stich, als wollte er ihn darauf aufmerksam machen, dass sein Gehirn mit all den Gedanken vollkommen überlastet war. Kopfschüttelnd versuchte er sich von seinem inneren Gefühlsknäuel zu lösen. Komm mal runter, John, versuchte er sich gedanklich zu beruhigen und richtete sich im Fahrersitz wieder etwas auf. Eine plötzliche Kälte zog sich durch seinen Körper und ihm wurde klar, dass er auch die Heizung ausgeschaltet hatte. Ohne Jacke und richtige Schuhe fühlte sein Körper sich mit einem Mal entsetzlich durchgefroren an. Sein Blick fiel auf die Display-Anzeige in der Armatur. Ein wenig geschockt stellte er fest, dass er fast schon anderthalb Stunden von der Schule fern war. Vielleicht sollte er sich langsam wieder auf den Rückweg machen. Zwar brannte er nicht gerade darauf, seine Mitschüler, Lehrer oder Bobby allzu schnell wiederzusehen, doch er wollte auch nicht mit seinen erdrückenden Gedanken allein in diesem Waldstück bleiben. Die mit einer kleinen Zapfsäule versehene Tankanzeige sagte ihm, dass sich auch nicht mehr allzu viel Sprit im Wagen befand. Das hättest du vorher auch mal überprüfen können… Sinnloses Herumfahren war also nicht wirklich drin, wenn er nicht gerade irgendwo stehen bleiben und dann Storm, oder noch schlimmer: Wolverine, anrufen wollte, um ihn aus der Pampa wieder abzuholen. Noch einmal tief Luft holend und sich selbst Kraft zusprechend drehte er den Zündschlüssel wieder nach rechts. Mit einem leisen Surren sprang der Motor an. John löste die Handbremse und atmete abermals tief durch, ehe er den Wagen auf dem schmalen Waldweg in mehreren Zügen zurücksetzte und den Weg folgte, den er gekommen war. Hoffentlich weißt du überhaupt noch, wie du wieder zurück kommst… „Irgendwann vergess ich noch mal meinen eigenen Kopf“, hörte man Jubilation Lee leise stöhnen, als Kitty mit einer schon etwas abgewetzt aussehenden Umhängetasche aus braunem Leder durch die geschlossene Tür gehuscht kam. „Danke, Kitty“, meinte Jubileee und ärgerte sich immer noch wegen ihrer Vergesslichkeit. Dass sie ihre Tasche im Klassenraum zurückgelassen hatte, war ihr erst fünfzehn Minuten nach Unterrichtsschluss aufgefallen. Storm hatte den Raum vorsorglich abgeschlossen, seit einige der jüngeren Schüler in einer nächtlichen Aktion unter jedem Tisch Kaugummis angeklebt hatten. Die in ihrer Funktion als Schulleiterin, Lehrerin, Betreuerin und Aufsichtsperson momentan eh etwas überforderte Storm hatte sie nun wegen einer solchen Kleinigkeiten nicht aus dem Büro holen wollen. Zum Glück aber gab es ja ihre Zimmergenossin, die durch Wände gehen konnte. Diese zuckte leicht grinsend mit den Schultern. „Kein Problem“, meinte sie und ging mit Jubilee langsam zurück in Richtung Gemeinschaftsraum. „Heute ist einfach nicht mein Tag“, sagte Jubilee leise jammernd und warf sich den Tragegurt ihrer Tasche über die Schulter. „Irgendwie vergess ich heute einfach alles. Es fing schon damit an, dass ich von unserem Zimmer aus ins Bad gehen wollte und mein Haargummi vergessen hatte. Ich war schon kurz vorm Bad und dann fiel es mir auf. Und dann wollte ich plötzlich aus dem Bad gehen, ohne mir die Zähne geputzt zu haben. Keine Ahnung, was heute mit mir los ist. Aber als ich es dann gemerkt hab, war schon-“ Sie brach mitten im Satz ab, als Rogue ihnen entgegenkam. Ihr Gesicht wirkte verhärmt, fast wie das einer alten Frau, die in bitteren Erinnerungen ihres glücklosen Lebens schwelgte. Offensichtlich war sie aus dem Gemeinschaftsraum gekommen. Oder ihrer betrübten Laune, die sie umgab wie eine düster scheinende Aura, nach zu schließen, war sie wohl eher geflohen. Kitty konnte sich schon denken, weshalb. Nach dem Unterricht hatte sich dort sicher die Mehrheit ihrer Mitschüler niedergelassen und es war nicht schwer zu erraten, welches Thema wohl gerade ganz hoch im Kurs der anderen Jugendlichen stehen dürfte. Kitty musste zugeben, selbst überrascht gewesen zu sein, als Piotr ihr heute Morgen erzählt hatte, worüber John und Bobby sich gestritten hatten. Der hoch gewachsene Mutant hatte geschockt gewirkt und Kitty konnte es ihm durchaus nachempfinden. Wer hätte schon geglaubt, Bobby Drake wäre schwul – und dann auch noch ausgerechnet in John Allerdyce verliebt. Nun ja… wenn man es sich so überlegt… sie hängen ständig zusammen, verstehen sich eigentlich ganz gut. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, dachte sie sich. Vielleicht war es in Anbetracht dessen doch nicht so verwunderlich, dass Bobby sich zu John hingezogen fühlte. Theoretisch war das plausibel. Praktisch jedoch konnte Kitty sich dennoch nicht mit dem Gedanken anfreunden, Bobby und John miteinander rumturteln zu sehen. Allerdings wusste ja keiner, wie John überhaupt dazu stand. Piotr und die anderen hatten lediglich mitbekommen, dass Bobby in John verliebt war; was nicht hieß, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhen musste. Wenn Kitty so darüber nachdachte, wurde sie zusehends verwirrter. Ihr Blick fiel auf Rogue, die nun vor ihr und Jubilee stehen geblieben war. Sie fragte sich, wie sie sich an ihrer Stelle fühlen würde. Auch wenn Bobby und Rogue längst getrennt waren, konnte Kitty sich vorstellen, dass das Gerede der anderen für sie nicht gerade einfach zu ertragen war. Sie stellte sich vor, es wäre herausgekommen, dass Piotr auf einen männlichen Mitschüler stehen würde. Das würde ihr jetzt noch ein merkwürdig minderwertiges Gefühl geben, obwohl sie und Piotr sich schon vor langer Zeit getrennt hatten. „Alles klar bei dir?“, fragte sie Rogue, auch wenn die Antwort bereits auf der Hand zu liegen schien. Der Blick, den das andere Mädchen ihr daraufhin zuwarf, schien sagen zu wollen: Seh ich so aus?! „Ich wollte eigentlich gerade mal in die Küche gehen und mir einen heißen Kakao machen“, sagte Rogue jedoch stattdessen und sparte sich damit eine Antwort auf Kittys Frage. „Hat einer von euch Theresa gesehen?“ Für einen Moment stutzte Kitty ein wenig. Dass man Siryn bei ihrem richtigen Namen nannte, kam in etwa so oft vor, wie das einer der Schüler Rogue mit ‘Marie‘ ansprach. Meist nannte man Siryn bei ihrem Spitznamen Tracy, oder eben auch bei ihrem Codenamen. Und so hatte Kitty sogar einen Moment überlegen müssen, wen Rogue denn überhaupt meinte. „Die ist noch bei Storm. Ihre Großmutter hat doch am Wochenende Geburtstag und sie wollte nach Hause fahren“, erklärte Jubilee, bevor Kitty irgendetwas sagen konnte. Rogue seufzte leise. Wie hatte sie das nur vergessen können? Siryn hatte es ihr doch gestern Abend erst noch erzählt. Ihre Großmutter bestand selbst bei den lausigen Temperaturen auf eine Feier in ihrem Garten und hatte extra ein großes Zelt und Heizstrahler besorgen lassen. Ich würd auch gern hier abhauen können… Das Getuschel über Bobbys Sexualität, seiner Zuneigung zu John… es fiel ihr schwer, darüber hinwegzugehen. Bisher hatte sie – zum Glück – noch keiner der anderen Schüler darauf angesprochen. Sie wüsste eh nicht, was sie sagen sollte. Sie mochte Bobby immer noch zu sehr, um ihn vor den anderen bloßzustellen. Doch es tat weh, die immer wieder zu ihr schielenden Blicke der anderen zu spüren und daran erinnert zu werden, dass Bobbys Gefühle für John keinen unwesentlichen Anteil an ihrer Trennung hatten. „Stimmt, das hat sie mir erzählt“, sagte sie schließlich leise, als sie Kittys und Jubilees Blicke auf sich spürte. Sie atmete hörbar tief ein und wagte es nur langsam, ihren Blick in die Gesichter der beiden Freundinnen zu lenken. Mit nur schwacher Erleichterung merkte sie, dass die beiden sie lediglich besorgt ansahen und in diesem Moment nicht zu fragen schienen, was sie denn zu Bobby und John wusste oder zu sagen hatte. „…wollt ihr auch einen Kakao?“ Eigentlich wollte sie gerne allein sein, doch sie wusste, dass ein wenig Ablenkung ihr ganz gut tun würde, um die sich aufdrängenden, schmerzenden Gedanken zu unterbinden, die sie daran erinnern wollten, wie sehr Bobby ihr wehgetan hatte. Kitty warf einen kurzen Blick zu Jubilee, ehe sie Rogues Vorschlag zustimmte. „Ja, gute Idee. Es ist so kalt im Moment. Lasst uns in die Küche gehen und einen warmen Kakao trinken“, meinte sie und fasste Jubilee an den Armen, um sich zum Gehen zu animieren. Schweigend folgte Rogue ihnen. Sie wusste nicht, ob die beiden wirklich Lust auf einen Kakao hatten; aber sie war ihnen dankbar, sollten die beiden das nur für sie machen. Ihre Gedanken schwenkten zurück zu Bobby. Sie fühlte sich abermals so billig. Egal, wie oft Bobby beteuern würde, dass er sie geliebt habe, es blieb doch der bittere Beigeschmack, dass er sich zum Schluss beim Sex mit ihr jemand anderen vorgestellt hatte. Gefühle für John hin oder her. Zwar hatte sie es Bobby verziehen; sie wusste, dass er es aufrecht bedauerte. Doch vergessen konnte sie es deshalb noch lange nicht. Trotzdem spürte sie eine leichte Woge von Mitleid bei dem Gedanken, wie Bobby sich nun fühlen musste. Sie wusste, dass es ihm am liebsten gewesen wäre, wenn niemand von seinem „kleinen Geheimnis“ erfahren hätte. Nun aber wusste es die ganze Schule. Es zu leugnen, wäre das Dümmste, was Bobby tun könnte. Dennoch wollte sie nicht in seiner Haut stecken. Es musste ein schreckliches Gefühl sein, zum einen diesen Streit mit John zu haben und zum anderen das Gerede ihrer Mitschüler ertragen zu müssen. Seit Unterrichtsschluss hatte sie Bobby nicht mehr gesehen; John war ihr heute noch gar nicht begegnet. Vermutlich gingen sie sich gerade gegenseitig aus dem Weg. Gerne würde sie Bobby als Freundin nun mit Rat und Tat zur Seite stehen oder ihm zumindest zuhören. Doch die Kraft dazu konnte sie in Anbetracht ihrer eigenen Situation nicht aufbringen. Eisig zog der Wind um die Ecken des alten Gemäuers und zog heute besonders schneidend durch die Kleidung der Schüler, die sich beeilten, zurück in die schützende Wärme des Instituts zu kommen. Ororo Munroe dagegen schien die Kälte gar nicht zu spüren. Schon länger war sie nicht mehr hier gewesen, im Hof vor den Gedenksteinen ihrer Freunde und ihres Mentors. Und dabei hatte sie so oft das Bedürfnis verspürt, ihnen nahe zu sein. Doch die kalten, grauen Steine vermochten ihr nun auch nicht die Hilfe und die Antworten zu geben, nach denen sie momentan so dringend suchte. Die Leitung der Schule, der Unterricht, die alleinige Verantwortung über die Schüler… all das schien ihr manchmal wahrlich über den Kopf zu wachsen. Sie war froh, dass Wolverine in ihrer Nähe war und ihr half. Auch Hank war eine Stütze, wenn auch eine recht wackelige, wenn er weiterhin so viele politische Termine wahrzunehmen hatte. Doch sie konnte immer und jederzeit auf seinen Rat vertrauen und dafür war sie ihm dankbar. Storm wusste, dass Xavier sie vor seinem Tod als seine Nachfolgerin vorgeschlagen hatte. Nie hatte sie vorher darüber nachgedacht, denn diesen Posten hatte seit jeher immer Cyclops inne gehabt. Nach Jeans Tod war dieser zunehmend depressiver, zurückgezogener und unverlässlicher geworden. Storm war sich sicher, mit der Zeit hätte sie gelernt, sich auf den Job als Schulleiterin und Elternersatz für die Kinder, von denen viele nicht mehr nach Hause konnten, einzustellen. Doch Professor Xavier war zu schnell von ihr gegangen. Alle beteuerten ihr, dass sie den Job gutmache, doch gerade jetzt, wo sich um Bobby und John ein neues Melodram anzukündigen schien, fühlte sie sich fast ohnmächtig. Überall auf den Gängen waren ihr die Tuschelei entgegengeschlagen; all die Mutmaßungen, die sie mit strengen Blicken und zurechtweisenden Worten zumindest für einen Moment unterbunden hatte. Wen interessierte es schon wirklich, ob Bobby Drake schwul war und sich in John verliebt hatte? Und ob dieser vielleicht dasselbe empfand. Auch wenn die Reaktion ihrer Schüler sicher etwas vollkommen Natürliches war, so musste sie dennoch gestehen, dass sie es gerade von ihnen als Mutanten ziemlich albern fand. Schließlich gehörten sie selbst zu einer Randgruppe. Hank leistete zwar starke Arbeit, dies zu ändern, doch deswegen wurden nicht von heute auf morgen alle Menschen zu Mutantenliebhabern. Und nun begegneten ihre Schüler Bobby mit derselben Intoleranz, die auch ihnen schon als Mutant entgegengeschlagen war. Dabei sollte man doch meinen, bei all den unterschiedlichen, oft unglaublichen Kräften, die sie besaßen, sei Homosexualität doch wesentlich unspektakulärer. Vielleicht urteile ich auch zu schnell… Vielleicht war es auch einfach nur das Neue, das Brisante, was ihre Schüler im Moment an dem Thema so faszinierte; das Unwissen, die Mutmaßungen, die ihnen Spaß machten – wie Rätselraten vielleicht, nur dass es am Ende keine Kreuzfahrten zu gewinnen gab. Seufzend atmete sie aus. Die kleine Dunstwolke, die ihr heißer Atem in der kalten Luft erschaffen hatte, wabberte vor ihr ins Leere. Sie wünschte sich dennoch, Xavier wäre hier. Seine sanftmütige, weise Art würde die Schüler sicher mehr zu nachdenken bringen, als ihre schroffen Zurechtweisungen. Ihre Arme verschränkten sich vor ihrer Brust und sie hörte Schritte hinter sich. Sie brauchte sich nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, wer es war. „Kannst du nicht mal schöneres Wetter machen, Storm?“, erklang Wolverines Stimme, als er ein paar Schritte hinter ihr zum Stehen kam. Sie schüttelte den Kopf und blickte über die Schulter in sein mürrisches Gesicht. „So einfach ist das leider nicht, Logan“, sagte sie und strich eine widerspenstige Strähne aus ihrem Gesicht. „Wir sollten unsere Kräfte nicht dazu nutzen, unsere Umgebung zu manipulieren.“ „Ich wette, das hat er mal gesagt“, erwiderte Wolverine und nickte in Richtung des Steins, auf dem Xaviers Namen stand. Storm antwortete darauf nicht, wandte sich stattdessen wieder zu den Gedenksteinen ihr gegenüber. Sie hörte das Knirschen des gefrorenen Bodens, als Logan ihr näher kam und sah ihn schließlich mit ihr auf einer Höhe stehen. „Hast du das mit Bobby und John gehört?“, fragte sie ihn leise und ihre Stimme klang resignierend, fast so als sei dieses Thema eine große Aufgabe, die sie schon aufgab, ohne es versucht zu haben. Wolverine ließ ein grunzendes Brummen verlauten. „War unmöglich darüber hinwegzuhören“, erklärte er und stemmte seine groben Hände in seine Hüften. Storm wandte ihren Blick zu ihm, sah den anderen Mutanten prüfend an. „Was hältst du davon?“ „Kann mir Erotischeres vorstellen“, antwortete dieser ihr gewohnt dröge, doch Storms böser Blick ließ ihn mit den Schultern zucken. „Na ja, ist ja deren Sache.“ Ororo Munroe rollte mit den Augen. Diese Aussage war typisch Mann; nein, sie war typisch Wolverine. Selbst Scott hätte dazu mehr zu sagen gehabt… Scott hatte allerdings auch gern diskutiert. Manchmal vielleicht etwas zu gern. Logan war da eher der Typ „stark und schweigsam“. „In solchen Situationen merk ich immer, was für einen Verlust wir eigentlich durch ihren Tod haben“, gestand sie mit schwacher Stimme und blickte wieder zu den Gedenksteinen vor ihnen. „Ich bin froh, dass du da bist, Logan, aber…“ Sie brach ab und senkte ihren Blick. „…ich kann sie nicht ersetzen“, führte er stattdessen ihren Satz zu Ende. „Schon klar.“ Bedauernd sah sie ihn an. So hatte sie das nicht gemeint. Doch zu ihrem Erstaunen schien er nicht einmal beleidigt zu sein. Vermutlich wusste er selbst, dass er nicht gerade den besten Lehrer und Erzieher abgab. Er strahlte zwar eine natürliche Autorität aus, die Kinder hatten Respekt vor ihm, doch ihm fehlten einfach Geduld und Einfühlvermögen. Dennoch wollte sie ihn hier auf keinen Fall missen. „Machst du dir etwa Sorgen wegen Bobby und John?“, fragte Wolverine sie nun offen, doch er ahnte wohl, dass es ihr eigentlich mehr um die allgemeine Situation der Schule ging. Dennoch beschloss Storm, das Thema nicht weiter anzuschneiden, sondern nach dem Fluchtseil zu greifen, das man ihr reichte. Schließlich machte sie sich selbst schon genug Gedanken um die Schule, als dass sie nun auch noch Wolverine damit hineinziehen musste. „Nein, eigentlich eher nicht. Wie es auch ausgeht, ich denke, Bobby und John schaffen es schon, damit klar zu kommen. Und der Rest von unseren Schülern auch“, sagte sie optimistisch. „Es erzeugt nur eine unnötige Unruhe, die vielleicht nicht entstanden wäre, wenn Xavier hier wäre… oder wenn die Schüler einfach nur mehr Hausaufgaben hätten, über die sie nachdenken könnten.“ Wolverine schnaubte leicht. „Glaubst du das wirklich? Ich denke, sie würden in jedem Fall darüber tratschen. Getratscht wird doch immer!“ Womit er allerdings recht hat, dachte Storm sich. Jeder Mensch tratschte manchmal gern, besonders eben über die Fehler und Probleme anderer Leute. Und gerade in der Pubertät lenkte man so auch gern von den eigenen schwierigen Angelegenheiten ab. Mit einem leichten Schmunzeln musste sie sich an ihre Schulzeit erinnern, in der sie mit Jean manchmal wirklich fies über andere Mitschüler gelästert hatte – manchmal sogar über Scott. Auch wenn Jean eigentlich damals schon einen Faible für ihn hatte. Ihr Schmunzeln verschwand langsam. Jean hatte Scott wirklich geliebt. Mehr als ihr eigenes Leben, mehr als alles auf der Welt. Natürlich hatte sie sich auch sehr zu Logan hingezogen gefühlt. Wer konnte ihr das verdenken? Aber im Endeffekt hatte sie sich für Scott entschieden, für den Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens hatte verbringen wollen – und dann hatte sie ihn getötet. Manchmal gruselte es Storm immer noch bei der Vorstellung, zu was für einem Menschen, was für einem Monster ihre Freundin geworden war. Schnell schüttelte sie den Kopf, um die aufkommenden Gedanken abzuschüttelten. Sie wollte Jean in Erinnerung behalten, wie sie wirklich gewesen war. Nicht als zerstörungswütiger Dämon. Sie wandte sich wieder an Logan und amtete tief ein, versuchte zum Thema zurückzukommen. „Stimmt, da hast du wohl Recht.“ Einen letzten Blick auf die Gedenksteine werfend, ging sie langsam wieder in die Richtung des Hauses. Nach einigen Schritten spürte sie Logans Arm an ihrem Rücken, seine Hand auf ihrer Schulter. „Ich denke, Schulleiterin Munroe macht ihre Sache schon ganz gut.“ Der sanfte Ton ließ seine raue Stimme ein wenig kratzig klingen. Seine Hand drückte ein wenig zu, als wollte er ihr Kraft geben, dabei hatte sie eher das Gefühl, ihr würde ihr Schultergelenk zertrümmern. Aua. „Danke“, sagte sie dennoch und lehnte sich ein wenig an ihn. Wenn ich den Idioten nicht hätte…, begann sie innerlich lächelnd. „Jetzt, wo wir übrigens von Scotts Grabstein weg sind…“, begann Logan sich räuspernd. „Hm?“ „…ich hab sein Motorrad gegen eine Wand gefahren.“ Storm seufzte hörbar. …wär alles einfacher. TBC Ach ja, da wollte doch die gute Storm gerade in Gedanken dankbar für Wolverine sein und schon entpuppt er sich wieder als Idiot *LOL* Ursprünglich war hier nach dieser Szene noch eine mit Bobby und John geplant, aber irgendwie hatte ich nicht den Elan oder die kreative Idee dazu, etwas zu schreiben. Mir schwebte zwar was vor, aber in Worte fassen konnte ich es nicht. Daraufhin hat sich die Veröffentlichungen des Kapitels mal wieder verschoben (und durch meine - ich geb's ja zu - grenzenlose Faulheit, mir das Kapitel auch nur noch mal anzugucken) mit dem Ergebnis, dass ich das Ende so, wie es jetzt ist, besser finde, als alles, was ich noch hätte schreiben können ;) Im Übrigen mag ich das Kapitel recht gern. Für meinen Geschmack zwar an manchen Passagen etwas zu lang geworden, aber im Endeffekt mag ich Johns gedanklichen Szenen. Ich hoffe, euch haben sie auch gefallen! Noch zwei Anmerkungen zu den anderen Schülern in diesem Kapitel: Flea ist der Teenie-Junge aus dem zweiten Film, der neben im Gemeinschaftsraum neben Piotr sitzt, als Logan wieder kommt. Piotr zeigt ihm seine gezeichnete Karikatur von Rogue und Bobby - den Namen hab ich aus dem Buch zum zweiten Film. Das Gleiche gilt für den Namen von Siryn, die ich im Übrigen in den ersten Kapiteln falsch geschrieben habe. So, ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen :) Anregungen, Kritik - immer raus damit! Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 14: Nicht fair ---------------------- Hallo und willkommen zum neuen Kapitel von HNC ;) Danke für all die Kommis bisher und ich bin froh, dass ich es diesmal wenigstens etwas schneller geschafft hab *LOL* Viel Spaß beim Lesen :) Kapitel 14: Nicht fair Die gelblichen Lichter des Instituts leuchteten vom Weiten in die Dunkelheit. Es war bereits weit nach 6 Uhr p.m. als John endlich durch das Einfahrtstor lief. Ja, lief. Er hatte doch weit weniger Erinnerungen an den Hinweg gehabt, als er es sich gewünscht hätte. Mit einem guten Orientierungssinn hatte John noch nie glänzen können und so hatte er sich gründlich verfahren. So hatte er dann auch das letzte bisschen Sprit verbraucht, das noch im Tank gewesen war. Etwa sechs Meilen von der Schule entfernt hatte der Wagen schließlich schlapp gemacht und John hatte die kurvenreiche Strecke zu Fuß zurücklegen müssen. Ihm war furchtbar kalt. Das Hemd, das er trug, war nicht einmal ansatzweise warm genug und seine Hausschuhe waren mittlerweile durchnässt. Unter der Vorbelastung seiner Erkältung hätte jeder normale Mensch vermutlich den Weg bis hierhin gar nicht mehr geschafft, doch seine Mutation und das Sturmfeuerzeug in seiner Hosentasche hatten ihn vor dem bewahrt, was John jetzt gedanklich „Eistod“ schimpfte. Natürlich war das weit übertrieben. Auch ohne seine Mutation wäre er nicht so schell erfroren, zumal es nicht einmal mehr schneite und die Temperaturen wieder über 32°F gestiegen waren. Doch die Erschöpfung nagte an ihm. Er war es nicht gewohnt, eine solche Strecke zu laufen, wo das Höchstmaß sonst vielleicht bei dem Weg von seinem Zimmer bis in den Schulgarten lag – und das kam John schon manchmal weit vor. Seine Füße waren von der Kälte fast taub und doch schmerzten sie so sehr, dass er sich auf einen Stein setzen musste, der am Rand der Auffahrt stand. Schnaufend atmete er ein. Sein Blick wanderte zu den Lichtern, die durch die Fenster der Schule nach draußen drangen. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Am liebsten würde er wieder kehrt machen. Der Schotter knirschte, als er seine Füße von sich streckte. In ihm kam die Frage auf, was die anderen wohl denken mochten, seit er einfach so abgehauen war. Storm würde wohl wenig begeistert sein. Doch das interessierte ihn eigentlich nicht wirklich. Sollte sie ihm ruhig eine Strafpredigt halten. Es hatte Zeiten gegeben, in denen hätte er in Xaviers Büro praktisch übernachten können. Es war also nicht so, als wäre er das nicht gewohnt. Nein, er wusste genau, wo die Ursache seines Gefühls lag und für einen Moment blickte er resignierend zu Boden. Ihm blieben nicht viele Möglichkeiten, Bobby aus dem Weg zu gehen, doch er wollte sich einer Konfrontation mit dem Eismutanten möglichst lange entziehen. Jedoch hatte er kaum Alternativen zu seinem und Bobbys Zimmer, wo vermutlich dieser schon auf ihn warten würde. Den ganzen Vormittag hatte er damit verbracht, über sich und Bobby nachzudenken. Über das was passiert war, jetzt und in der Vergangenheit. Über seine Gefühle damals und dem Rätsel, was er nun eigentlich empfand. All diese Gedanken hatten ihn auf seinem endlos scheinenden, einsamen Rückweg begleitet und mittlerweile fand er seine eigene Gedankenwelt nur noch verkorkst. Zwar hatte ihm dieser Tag einige Einsichten beschert, aber auch genauso viele Fragen aufgeworfen, auf die John noch selbst keine Antwort fand. Er war verwirrt und frustriert – kein Wunder, dass er in dem Zustand immer weniger den Drang verspürte, auf Bobby zu treffen. Ihm kam die Idee, bei Storm vielleicht nach einem anderen Zimmer zu fragen. Es war vielleicht gar keine so schlechte Idee, ein wenig Abstand von Bobby zu gewinnen. Warum bist du da eigentlich nicht vorher drauf gekommen? Vermutlich, weil die Alternativen nicht allzu rosig aussahen. Piotr schnarchte entsetzlich. Der Russe könnte in einer Nacht den ganzen brasilianischen Regenwald absägen, so viel war klar. Und Flea? Der würde niemals freiwillig mit John in ein Zimmer gehen, denn auch wenn er ein Großmaul war, hatte er Angst vor John. Was seinen guten Grund hatte, den eine kleine Brandnarbe an Fleas Unterarm bezeugte. Nichtsdestotrotz würde das Flea nicht abhalten, irgendwelche Geschichten zu erzählen, denn der Junge konnte wie ein tratschendes Waschweib sein; nichts, was John jetzt gebrauchen könnte. Warren? Nein, so wie er diesen einschätzte, würde er wohl eher Bobby als ihm Unterschlupf gewähren. Das wäre in Ordnung, so hätte John das eigene Zimmer für sich, doch Bobby würde dieses kaum räumen. Jimmy? Nein, das würde ihn vollkommen hilflos machen. Sogar jemand wie Rogue könnte ihn dann im Schlaf überfallen und ihm vielleicht aus Rachelust ein Messer an den Hals halten. Gott, der Gedanke war scheiße!, sagte er sich, konnte aber dennoch nicht umhin, seine Lippen zu einem schwachen Grinsen zu formen. Wehrlos wie er wäre, könnte ihn dann allerdings auch Bobby überfallen. Oder sollte er besser sagen, übermannen?! Okay… der Gedanke war jetzt noch beschissener! – das Grinsen verschwand. Gestresst strich er sich das mittlerweile feuchtkalte Haar nach hinten. Gedanklich ging er weiter die männlichen Mitschüler ihrer Schule durch, doch ihm fiel niemand Brauchbares ein. Artie hing viel mit Flea zusammen und blickte dermaßen zu diesem auf, dass es John wunderte, dass Artie sich nicht längst vor Flea in den Staub geschmissen und ihn als seinen einzig wahren Gott gepriesen hatte. Würde John auch nur einen Gedanken daran verschwenden, wie Jungs in diesem Alter eben waren, würde ihm das vermutlich nicht halb so ‘krank‘ vorkommen. Letzter Zufluchtspunkt wäre ja eventuell Jones, der stellte wenigstens keine Fragen und interessierte sich für nichts als Technik, doch das Kind war zu jeder Tages- und Nachtzeit aktiv. Da würde er ja nie Schlaf finden! Es gab keine Alternative zu Bobby. Oder viel mehr wollte John diese nicht sehen. Wäre er ehrlich zu sich selbst, wüsste er, dass seine Argumente in Wirklichkeit ziemlich lauwarm waren. Doch Fakt war, dass er eigentlich gar nicht das Zimmer wechseln wollte. Mit Bobby als Mitbewohner war er schließlich jahrelang gut ausgekommen und er wollte niemand anderen. Doch das gestand er sich selbst in diesem Moment nicht ein. Stattdessen seufzte er aufgrund dieser Aussichtslosigkeit und allein die Tatsache, dass ihm, nun wo er sich nicht mehr bewegte, zusehends kälter würde, ließ ihn wieder aufstehen. Mühsam bewegte er sich vorwärts und freundete sich mit dem Gedanken an, dass es in der Schule wenigstens warm war und heiße Schokolade geben würde, die er genießen könnte, während er seine Füße hochlegte. Seine schrecklich brennenden Füße, die nicht bereit zu sein schienen, ihn noch länger zu tragen, schmerzten, doch er hielt sich wacker und schließlich erreichte er nach einer gefühlten Ewigkeit die doppelflügelige Eingangstür zum Haupthaus. Davon abgesehen, dass er dachte, er würde es niemals die Treppe hochschaffen, führte ihn der Gedanke an den warmen Trunk direkt in Richtung der Küche. Gleich leg ich erst mal die Füße hoch, redete er sich gutmütig zu, als wollte er seine Füße bestärken, noch die letzten paar Meter durchzuhalten. Doch kaum war die Küche in sein Blickfeld geraten, hörte er hinter sich eine Stimme, mit der er nun nicht gerechnet hatte. Dennoch verwunderte es ihn nicht, zu hören, wie sie seinen Namen rief. Mit einem gefrusteten Seufzen blieb John stehen und warf einen Blick hinter sich. Und da stand er: Bobby Drake, Iceman, der in diesem Moment so unglücklich aussah, wie einSchneemann, der in der Sonne schmilzt. Ha ha, guter Gedanke, John! Trotz des Sarkasmus fühlte John sich nicht wirklich bestärkt. Im Gegenteil. Er hatte das Gefühl, mit jedem Schritt, den Bobby näher kam, fühlte er sich mehr in die Enge getrieben. Wie ein wildes Raubtier, vom Jäger mit der Schrotflinte immer näher in Richtung Käfig geschoben. Es gefiel ihm gar nicht, auf Bobby zu treffen, kaum dass er durch die Tür getreten war, wo er doch eigentlich einen großen Bogen um diesen hatte machen wollen. Er fragte sich, wo Bobby so plötzlich hergekommen war. Es war ein bisschen zu viel des Zufalls, fand John. „Hast du mir etwa aufgelauert?“, fragte er ihn daher mit müder, aber deutlich gereizter Stimme, noch ehe Bobby den Mund aufmachen konnte, um selber etwas zu sagen. Es war nicht so, als hätte Bobby sich auch nur einen Moment entspannt gefühlt, doch seine Anspannung nahm mit einem Mal bis zur Unerträglichkeit zu, sodass selbst John sie fühlen könnte, wie Regen, der kalt und schwer auf die Haut fällt. Tief holte Bobby Luft, doch er hatte das Gefühl, der Atem würde gar nicht richtig in seine Lunge kommen. „Nein, habe ich nicht“, antwortete er, doch John glaubte ihm nicht. Es kam ihm zu unwahrscheinlich vor, dass Bobby genau in den Moment in diesem Flur auftauchte, in dem er wiederkam. Dabei war Bobby in der Tat bloß ebenfalls auf dem Weg zur Küche gewesen. Seine Frustration hatte mal wieder den Grad erreicht, bei dem ihm einfach nach Vanilleeis war, dessen Kühle ihn zu beruhigen schien (würde das mit John und ihm so weiter gehen, würde Bobby sicher irgendwann verfetten). John jedoch schenkte ihm nur ein abwertendes Schnauben. „Nein, natürlich nicht“, gab er bissig zurück und fühlte sich gestört durch Bobbys leichtes Augenrollen. „Was ist?!“ Bobby atmete hörbar gestresst ein, offensichtlich bemüht, nicht erneut die Beherrschung zu verlieren, was in Johns Nähe nicht immer ganz einfach war. Der Ton des Feuermutanten war schon wieder so eindeutig auf Streit ausgelegt, dass es Bobby schwer fiel, ruhig zu bleiben, besonders bei dem, was an diesem Morgen vorgefallen war. „Nichts“, sagte er daher leise, doch seine Stimme klang gepresst; angestrengt von den unterdrückten Emotionen. „Wo warst du überhaupt?“ John senkte den Blick und kräuselte die Stirn. „Bin so rumgefahren.“ „Gefahren?“ Bobby ließ seinen Blick über Johns Körper gleiten und die schlechte Verfassung, in der sich sein Freund befand, rief Besorgnis in ihm hervor. „Du siehst eher aus, als hättest du die Zeit draußen-“ Johns eiserner Blick ließ ihn verstummen. Bobby konnte ihm ansehen, dass er recht lag. Die Sorge war seinem Gesicht nur allzu deutlich anzusehen, doch genau das reizte John in diesem Moment bis aufs Blut. Er wollte nicht mit diesem lieben, netten, aufopfernden Bobby konfrontiert werden, wo er sich doch gerade daran gewöhnt hatte, auf Bobby das Arschloch wütend zu sein. Bobby das Arschloch, das er bis heute Morgen gar nicht gekannt hatte und mit dem er gedanklich noch lange nicht fertig war. Und er wollte nicht nachgeben. Er wollte nicht, dass Bobby sich um ihn kümmerte und er darüber seine Wut auf ihn vergaß. Bobby hatte seinen wunden Punkt getroffen und ihn mehr verletzt, als er es für möglich gehalten hatte; mehr als er jemals zugeben würde. Doch das brauchte er gar nicht. Bobby wusste das durchaus selbst. Er hatte es in Johns Blick gesehen. Und er kannte ihn lang genug, um zu wissen, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Er hatte das falsche zum falschen Zeitpunkt gesagt – oder war es das Richtige gewesen? So sehr Bobby auch dachte, dass John es verdient hatte, auch mal so behandelt zu werden, auch mal diese Demütigung zu spüren, so wenig war das doch er selbst gewesen, der da über Johns Eltern gesprochen hatte. Das war einfach nicht seine Natur, nicht seine Art. Und dementsprechend war Bobby mittlerweile beherrscht von seinem schlechten Gewissen, das danach schrie, sich bei dem Feuermutanten zu entschuldigen. Doch Bobby wusste nicht, wie er es anfangen sollte und ein bronchial klingendes Husten von John riss ihn aus seinen Gedanken. „Du bist verrückt. Du hättest dir da draußen den Tod holen können“, sagte er fassungslos, doch seine Sorge klang in diesem Moment mehr wie ein Vorwurf. Johns Gesichtszüge verhärteten sich. „Was geht es dich an, he?!“, gab er abweisend zurück und wollte noch etwas hinzusetzen, als plötzlich Artie hinter Bobby um die Ecke laufen sah und seinen Blick mit einem gereizten Augenaufschlag an die nächstbeste Wand heftete. Bobby war seinem Blick gefolgt und hatte Archie ebenfalls bemerkt. Während dieser näher kam, senkte Bobby seinen Kopf und bemerkte alarmiert, dass Johns Hausschuhe feucht waren. Doch in Arties Gegenwart wagte er es nicht, das aufgekommene Schweigen zwischen ihm und John zu durchbrechen. Er wollte es für sie nicht unnötig peinlich machen. Deswegen hoffte er, dass der junge Mutant möglichst schnell weitergehen würde, doch zu Bobbys Verwunderung und Enttäuschung blieb er bei ihnen stehen. Er schien ein wenig bedrückt und blickte unsicher von Bobby zu John. Schließlich konnte man seine blaue, gespaltene Zunge kurz hervor blitzen sehen, als er zu sprechen begann: „Ähm… stör‘ ich?“ In dem Moment, in dem Bobby ehrlicherweise „Ja“ gesagt hatte, sagte John „Nein“. Ihre Blicke begegneten sich und Bobby schaute ihn fragend an, den Kopf leicht schief gelegt. Was soll das, John? Willst du das zwischen uns etwa nie klären? Wollte der Feuermutant, dass die Situation zwischen ihnen so blieb? Es war doch klar, dass sie nicht drum herum kommen würden, sich mit dem Geschehenen auseinander zu setzen. Doch unglaublicher Weise hob sich Johns rechter Mundwinkel zu einem fast schon befriedigtem Grinsen, als würde er es Bobby von ganzem Herzen gönnen, dass ihr Gespräch unterbrochen worden war. Er wandte sich an Artie und sagte mit künstlicher, fast schon zu nett klingender Stimme: „Nein, Artie, du störst überhaupt nicht.“ Ein wenig perplex sah Artie schon aus, als wüsste er nicht richtig, wie er Johns plötzliche Freundlichkeit deuten sollte. Sie wirkte so aufgesetzt, wie sie war. „Ah, äh… gut“, schien er sich wieder etwas zu fangen und räusperte sich. „Zu dir wollte ich nämlich.“ Dies sagte er an John gewandt, der ihn darauf überrascht, aber auch interessiert anblickte, was in seiner momentanen Verfassung aber etwas finster wirkte. Wäre dies ein Ritterfilm würde man Johns Blick wohl als Aufforderung auffassen, schnell zu sprechen, wenn einem das Leben lieb war. Und Artie war sein Leben offensichtlich lieb. „Storm hat mich geschickt. Du sollst in ihr Büro kommen“, erklärte er hastig und blickte dabei unsicher zu Bobby, als würde er Hilfe von diesem erwarten, sollte John ihm ins Gesicht springen. Doch John gab nichts weiter von sich, als ein leicht genervtes Brummen und ein geschnaubtes „Alles klar“, ehe er sich aus der Runde löste. Bobby warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Was jetzt?! Jetzt ließ er ihn hier einfach so stehen? Er konnte es nicht fassen und setzte einen letzten Versuch, den anderen aufzuhalten. „John-“ Doch dieser drehte sich kurz um und warf ihm einen Blick zu, der so viel versprach wie: „Ein Wort und du endest als menschliche Fackel.“ Das beeindruckte Bobby reichlich wenig. Im Gegensatz zu den jüngeren Schüler hatte er keine Angst vor John. Doch er schwieg. Er sah ein, dass es besser war, ihre Probleme für sich zu behalten. An diesem Tag war bereits genug geredet worden und er wollte Artie nicht die Chance geben, noch mehr von ihrer Auseinandersetzung aufzuschnappen, als er es vielleicht schon getan hatte. In stiller Übereinkunft sahen John und Bobby sich für einen Moment lang an und es war unklar, welche Emotionen sich in ihren Gesichtern widerspiegelten. Beide wirkten versteinert und doch vergrämt, als sie sich wie auf ein stummes Signal hin umwandten und in unterschiedliche Richtungen verschwanden. Für einen Moment lang sah Artie beiden verwundert hinterher und überlegte, ob er Bobby in die Küche folgen sollte, doch dann beschloss er, dass dies keine gute Idee war. Selbst der Eismutant schien für seine Verhältnisse ziemlich unausgeglichen zu sein und das letzte, was Artie wollte, war, irgendwann zwischen die Fronten zu geraten. Das Büro von Ororo Munroe lag im Halbdunkeln. Nur die Lampe auf dem Schreibtisch spendete gedämmtes Licht, doch das reichte ihr. Sie mochte es, in diesen dunklen Wintermonaten von schummerigem Licht umgeben zu sein, während der Ledersessel weich unter ihren kaum merklichen Bewegungen knarzte. Ihr Blick richtete sich auf das Fenster, in dem sie eine schwache Spiegelung des Raums und sich selbst sehen konnte, soweit das Licht der Lampe sie erreichte. Doch es war dämmerig genug, dass sie noch schemenhafte Eindrücke der Landschaft draußen erkennen konnte. So wie John Allerdyce, den sie vor wenigen Minuten die spärlich beleuchtete Auffahrt hatte hinauflaufen sehen. Sich im Sessel zurücklehnend versuchte sie, ihre Gedanken wieder auf die Themen zu lenken, die sie morgen in ihrem Biologieunterricht erarbeiten wollte, als es plötzlich an der Tür klopfte. Der schwere Eichenflügel öffnete sich, bevor sie „Herein“ sagen konnte und es verwunderte sie ein wenig, John in der Tür stehen zu sehen. Natürlich hatte sie nach ihm schicken lassen, aber nicht erwartet, dass er so schell herkommen würde. Er sah dermaßen erbärmlich aus, dass sie für einen kurzen Moment den Drang verspürte, ihn bemuttern zu wollen anstatt mit ihm über sein Verhalten zu sprechen, das an diesem Tag einfach nicht tragbar gewesen war. Interessant eigentlich, dass er nicht einmal anwesend zu sein braucht, um eine Menge Chaos zu verursachen, dachte sie sich, als sie ihn begrüßte und ihm den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches anbot. „Du hättest dich gern auch erst umziehen oder dich ausruhen können, John“, begann sie möglichst freundlich, schließlich sah man ihm allzu deutlich an, dass er erschöpft war. John zuckte mit den Schultern. „Artie hat es ziemlich eilig dargestellt.“ Man könnte wohl auch sagen, Artie und sein Auftrag waren die willkommene Möglichkeit gewesen, um Bobby zu entfliehen. Doch er sagte nichts davon, sondern schaute Storm erwartend an, als wollte er ihre Moralpredigt möglichst schnell hinter sich bringen. Sie tat ihm den Gefallen und kam ohne lauwarmes Geplänkel zur Sache. „Du warst heute mit dem Wagen unterwegs?“, begann sie mit einer Frage, die aber eher eine Feststellung war, und John wohl dazu ermutigen sollte, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Doch John hatte nicht im geringsten Lust, ihr zu erklären, was zwischen Bobby und ihm im Moment vorging. So beließ er es bei einer einfachen, unverfänglichen Antwort. „Ich musste mal hier raus.“ Die Ellbogen auf den Schreibtisch gelehnt, legten sich ihre Fingerspitzen aneinander, als Storm John für einen Augenblick auffordernd anblickte, als erwarte sie eine nähere Ausführung. Doch ihr wurde recht schnell klar, dass sie John nicht dazu bewegen konnte, von sich aus mehr zu erzählen. Das wunderte sie allerdings nicht. „Wegen Bobby, nehm ich an?“ John musste gestehen für einen Moment überrascht zu sein. Ihm war nicht der Gedanke gekommen, dass die Geschichte bereits bis zur ‘Lehrerschaft‘ durchgedrungen sein könnte. Hättest du dir eigentlich auch denken können, sagte ihm eine spöttische Stimme in seinem Kopf und er wollte sich gar nicht ausmalen, was nun alles in der Schule über sie erzählt wurde. Er wusste durchaus, dass Gesprächsfetzen gerne zu haarsträubenden Szenarien ausgeschmückt wurden. Vielleicht war Bobby auch deshalb so angespannt gewesen. Seine Aufmerksamkeit wanderte zurück zu Storm, die ihn mit einer Mischung aus Strenge und Fürsorglichkeit anblickte, die ein wenig merkwürdig wirkte, aber einfach Storms Art war. „Irgendwie schon“, gab John zu, denn er empfand es als zwecklos, über etwas zu lügen, das Storm offensichtlich eh schon wusste. Aber sein danach folgendes Schweigen und seine abwehrende Körperhaltung machten klar, dass er nicht bereit war, mehr dazu zu sagen. Sie schien das ebenfalls zu bemerken und falls sie das ärgern sollte, merkte man ihr das nicht ein. Sie respektiere schließlich seinen Wunsch, schlug die Beine übereinander und kam zu dem Punkt, den John schon vorher erwartet hatte. „Was auch immer zwischen euch vorgefallen ist, John, berechtigt dich nicht, dir einfach einen Wagen zu nehmen und damit den ganzen Tag von der Schule fernzubleiben, ohne jemanden etwas zu sagen“, erklärte sie ihm mit einer gewissen Bestimmtheit in der Stimme. „Wenn dir etwas passiert wäre, hätte keiner gewusst, wo er dich suchen soll.“ Falls sie erwartete, dass John darauf etwas sagte, wurde sie enttäuscht. Emotionslos ließ er ihre Zurechtweisung über sich ergehen, und auch wenn er Verständnis für sie hatte, würde er das nicht zugeben, geschweige denn ihr Einsicht zeigen. Er hatte zu viele Gespräche dieser Art mit Professor Xavier hinter sich, auch wenn dieser immer versucht hatte, an seine Vernunft zu appellieren. Etwas, das John in seiner Pubertät unbekannt gewesen war. Vernunft kannte er heute, doch gegen seine Hitzköpfigkeit kam sie dennoch nicht an. Und gegen seine Sturheit auch nicht. Storm schien es bei diesen kurzen Worten belassen zu wollen. „Wo ist der Wagen jetzt?“, fragte sie ihn, denn schließlich hatte sie gesehen, dass er zu Fuß zurückgekommen war. Er erklärte ihr seine Situation und wo er den Wagen ungefähr gelassen hatte. „Eigentlich sollte ich dir einen Benzinkanister in die Hand drücken und dich den ganzen Weg noch einmal laufen lassen, John Allerdyce“, sagte sie ihm ein wenig verärgert und schüttelte den Kopf. „Aber morgen wirst du mit Wolverine den Wagen holen fahren.“ Allein, dass sie Wolverine erwähnte, war schon Strafe genug, wie John fand. Und er hatte das Gefühl, dass Storm dies ganz genau wusste. Nickend zeigte er ihr, dass er sie verstanden hatte und wollte schon aufstehen, als sie erneut zu sprechen begann. „Außerdem wirst du bis Ende der Woche den Abwasch machen“, erklärte sie ihm und brachte John damit vollkommen aus dem Konzept. Abwasch? Davor hatte er sich als Verfechter der Unordentlichkeit stets gedrückt. Das war echt eine Strafe, denn die Hände wurden davon immer schrumpelig und weich, man roch auch drei Stunden später noch nach Spülmittel und wenn er den Abwasch für all die Schüler allein machen sollte, dann würde das seine Abende wohl fast ausfüllen. Lieber würde er mit Wolverine eine Woche zelten gehen! Doch vielleicht sollte er es optimistisch sehen. Immerhin hatten sie schon Mittwoch und es schien nicht so, als müsste er heute noch anfangen. „Okay“, sagte er und erhob sich aus seinem Stuhl, als sie nun nichts mehr zu sagen haben schien. Sie nickte ihm zu. „Geh warm duschen und leg dich ins Bett. Nicht, dass du dich noch mehr erkältest“, riet sie ihm in einem wärmeren Ton als zuvor und John schenkte ihr ein kaum sichtbares Lächeln. Dann verließ er den Raum und begab sich zurück zu ihren Schlafräumen. Das allgemeine, neugierig-aufgeregte Geschnatter schien fast unerträglich. Seufzend versuchte Kitty sich auf das Buch in ihrer Hand zu konzentrieren; kein schwerer Schmöker, aber ein fesselndes, tief greifendes Buch über den amerikanischen Bürgerkrieg. Angesichts der erzählten Schicksale kam ihr eigenes Leben ihr nahezu sorglos vor. Umso mehr störte sie die Lautstärke, die nun den Gemeinschaftsraum beherrschte. Waren bis vor wenigen Augenblicken lediglich flüsternde Stimmen und das leise Hintergrundgeplänkel des Fernsehers zu hören gewesen, war seit Arties Ankunft ein wahrer Sturm losgebrochen. Man konnte ihre Mitschüler mit dem Meer vergleichen, das zunächst nur von sanften Wellen durchwogt wurde, die plötzlich zu einem Tsunami explodierten. Zunächst hatte Flea einfach nur wissen wollen, wo Artie denn gewesen war und als dieser dann berichtet hatte, dass John wieder zurück war und er ihn auch noch mit Bobby auf dem Flur gesehen hatte, war es um ihre Mitschüler geschehen. Besonders Flea bedrängte Artie begierig, ihm mehr zu erzählen und die jüngeren Schüler drängten sich um die beiden, wie Durstende um das einzige Wasser nach Stunden in einer trockenen, sandigen Wüste. Es hatte sich wahrlich eine Traube um Artie gebildet, als dieser zu erzählen begann, dass er von Storm geschickt worden war, um John in ihr Büro zu zitieren. Und dann hatte er den Feuermutanten und Bobby auf den Flur stehen sehen. „Und dann?“, fragte Flea drängend, und man merkte ihm nur allzu deutlich an, wie sehr er darauf brannte, jedes Detail zu erfahren. Kitty rollte entnervt ihre Augen und senkte ihr Buch resignierend in ihren Schoß. Sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr auf die schwarz gedruckten Zeilen konzentrieren. Ihr Blick wanderte zu Piotr; mit ihr der Einzige der älteren Schüler im Gemeinschaftsraum. Stumm blickte sie ihn an, als erwarte sie, dass er seinen Zimmergenossen zurechtwies oder zumindest dessen unbarmherzig neugieriges Reden unterbrach. Doch Piotr begegnete ihrem Blick nicht. Seine Augen waren starr auf seinen Zeichenblock gerichtet, fast schon ein wenig zu konzentriert. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er das Gleiche dachte, wie sie. Es war ein merkwürdig beklemmendes Gefühl, dabei zu sein, während das Privatleben von guten Freunden so schamlos besprochen wurde, als wäre es eine öffentliche Seifenoper, an der jeder teilhaben konnte. Zumal sich all die ganzen Diskussionen nur auf Spekulationen stützen, die weder Hand noch Fuß hatten und immer absurder wurden. „Na ja, eigentlich hab ich nicht wirklich viel mitbekommen, was sie gesagt haben“, erklärte Artie ein wenig unsicher und versuchte vor Flea zurückzuweichen, der seinem Gesicht immer näher kam. „Irgendetwas musst du doch gehört haben!“, meinte der leicht ältere Junge und sah Artie verständnislos und ein wenig entrüstet zugleich an. Artie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich denke, sie haben sich gestritten.“ Auf Fleas Gesicht erschien ein triumphierendes Grinsen. Kitty sah es, und ihr wurde fast schlecht dabei. „Was hab ich euch gesagt? Ich wusste doch, da ist was im Busch“, meinte Flea selbstzufrieden und genoss es offensichtlich, dass die jüngeren Schüler ihn nun fast schon bewundernd ansahen. Kitty schüttelte den Kopf. Bei den Jüngeren konnte sie fast noch verstehen, warum sie sich so benahmen. Das Thema war neu und aufregend, auch wenn sie vielleicht nicht genau verstanden, was es für Bobby bedeutete und all diejenigen, die damit drin hingen, wie John und Rogue. Doch von Flea hatte sie erwartet, dass er langsam alt genug war, um zu verstehen, dass es auch so schon schwierig genug für Bobby sein musste, ohne dass er noch all ihre blöden Kommentare brauchte. Auch für Kitty war es merkwürdig, sich vorzustellen, dass ausgerechnet der Bobby, den sie kannte, mit dem sie mal geflirtet hatte, Traummann aller Mädchen, Traumschwiegersohn aller Mütter, schwul sein sollte. Sie musste gestehen, anfangs ein wenig beleidigt gewesen zu sein, nichts davon gewusst zu haben. Schließlich hatte sie gedacht, sie und Bobby wären Freunde. Doch dass er trotzdem nicht den Mut gefunden hatte, ihr davon zu erzählen, erfüllte sie nun eher mit Mitleid und einer gewissen Schuld, dass sie ihm vielleicht auch nie die Möglichkeit dazu gegeben hatte. „Ärger im Paradies, würde ich sagen“, meinte Flea vorlaut, hörbar amüsiert und schnalzte mit der Zunge. „Wer weiß, wie lange das schon zwischen den beiden geht. Jetzt wissen wir ja auch, warum Bobby so scharf darauf war, dass Johnny wieder zurück zur Schule kommt und warum er Rogue abgeschrieben hat.“ „Meinst du, er hat deswegen mit Rogue Schluss gemacht?“, fragte eines der Mädchen unsicher und Flea lachte leise auf. „Aber klar! Oder wohl eher sie mit ihm. Hat es bestimmt rausbekommen!“, mutmaßte Flea und Kitty fragte sich still, wie viel Rogue davon wohl wirklich wusste. „Meinst du, Bobby und John sind wirklich so was… na ja, meinst du die gehen miteinander?“ Flea zog die Augenbrauen hoch, als wäre dies eine besonders dumme Frage gewesen, deren Antwort offen auf der Hand lag, auch wenn niemand von ihnen wusste, was wirklich zwischen Bobby und John vorgefallen war. „Hey, ich will mir das gar nicht vorstellen, wenn es so ist! Drake und Allerdyce knutschend, bah, das will sich doch keiner vorstellen!“, höhnte er und schüttelte sich demonstrativ angewidert. Jetzt reicht’s!, dachte Kitty sich und schlug das Buch mit einem leisen Knall zu. Als sie aufstand, atmete sie angespannt aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. „Sei doch mal still, Flea!“, sagte sie und wie auf ein geheimes Kommando drehten sich alle Köpfe mit einem Ruck zu ihr. Sie spürte unzählige Augenpaare auf sich, als die traute Tratschrunde zerstörte und weitersprach: „Red nicht über Dinge, von denen du eh keine Ahnung hast.“ Einige Schüler blickten sie irritiert an, andere wichen ihrem Blick aus, doch sie konnte einen Anflug von Schuldgefühlen in manchen Gesichtern erkennen. „Oh, da haben die beiden Schwuchteln wohl ihr erstes Fangirl!“, gab Flea vorlaut zurück und zeigte ein aufgesetzt selbstbewusstes Grinsen. Doch Kitty wusste genau, dass sie ihn eiskalt erwischt hatte. Nur bremste dies nicht ihre Wut, als Flea weiter höhnte: „Stellst du dich jetzt wie ein Cheerleader mit Poms hinter sie?! Gebt mir ein B, gebt mir ein O, gebt mir ein-“ Doch mitten in seiner sarkastischen Tirade verstummte er, sein Blick war auf etwas gerichtet, das sich hinter Kitty befand. Als sie sich umwandte, sah sie, dass Piotr aufgestanden war und Flea einen strengen Blick zuwarf. „Halt endlich die Klappe, Flea“, durchbrach seine tiefe, bedrohlich klingende Stimme die angespannte Stille, die sich nun im Raum breit gemacht hatte. „Ehrlich, sonst schwör ich dir, dass ich dich heut Nacht im Schlaf eigenhändig erwürge!“ Unruhig, aber schweigend blickten die Schüler zwischen Piotr und Flea hin und her. Die Blicke des hünenhaften Russen und des schmächtigen, pubertierenden Jungen waren fest miteinander verankert. Piotrs Miene wirkte steinern. Das selbstgefällige Grinsen war aus Fleas Gesicht gewichen. „Aber-“ „Das ist nicht unsere Sache.“ Kopfschüttelnd wandte Piotr sich wieder ab und schnappte sich seinen Zeichenblock, offensichtlich in der Absicht, den Gemeinschaftsraum zu verlassen. Schamesröte ließ Fleas Wangen erglühen. Gedemütigt blickte er zu Boden. Langsam trat Kitty an Piotr heran, verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Du hättest vorher etwas sagen können“, meinte sie, sich durchaus bewusst, dass Flea zu Piotr aufsah. Mit einem kurzen Zögern drehte Piotr sich zu ihr um und sie war erstaunt, wie verhärtet seine Gesichtszüge noch immer waren. „Ich kann nichts dafür, dass sie so reden. Bobby ist selber Schuld, wenn er solange nichts gesagt hat.“ „Findest du das wirklich?“ Kitty konnte nicht glauben, dass der junge Mann so dachte. Es klang so, als hätte Bobby verdient, dass über ihn geredet wurde. Piotr wich ihrem Blick aus. Er hatte es noch nie leiden können, wenn sie ihn so prüfend ansah, schon nicht, als sie noch ein Paar gewesen waren. „Keine Ahnung.“ Eigentlich wollte er gar nicht weiter darüber nachdenken. Ebenso wenig wie die anderen konnte auch er nicht wissen, was zwischen Bobby und John ablief. Ob das bloß eine Sache von Bobbys Seite aus war oder ob die beiden wirklich eine Beziehung führten oder ob es vielleicht ganz anders war, als es schien. Doch es wirkte so befremdlich, sich vorzustellen, dass zwei Menschen, die man so viele Jahre kannte und von denen man gedacht hatte, sie wären ‘ganz normale‘ Kerle, plötzlich schwul waren. Ebenso wie Kitty hatte Fleas Gerede ein mulmiges Gefühl in ihm hervorgerufen. Trotz allem war Bobby sein Freund, ebenso wie John. Und wer mochte es schon, wenn jemand anders so über seine Freunde sprach, selbst wenn dieser Jemand ebenfalls ein Freund war? Doch noch schändlicher fühlte Piotr sich, wenn er zugeben musste, dass ihn der Gedanke an Bobby und John als schwules Pärchen selbst abschreckte. Allein die Vorstellung, die beiden irgendwann küssend sehen zu müssen, ekelte ihn. Zwar war Piotr ein offener Mensch und respektierte die Vorlieben anderer, doch es war ein Unterschied, ob irgendein Star im Fernsehen sich zu seiner Homosexualität bekannte oder man zwei ‘davon‘ im Freundeskreis hatte. Er war sich nicht sicher, ob er es ertragen könnte, die beiden zusammen zu sehen oder in ihrer Nähe zu weilen. Natürlich hatte er keine Angst, dass Bobby ihn hinterrücks im Bad überfallen könnte oder von der ‘Schwulenkrankheit‘, wie sein Vater es immer genannt hatte, infiziert zu werden, doch er war Russe. Er kam aus einem Land, das gerade mal vor weniger als einem Jahrzehnt zu der Erkenntnis gekommen war, dass Homosexualität keine Geisteskrankheit war – und das galt vielerorts auch nur im Gesetz. Und so vorurteilsfrei Piotr als Mitglied einer Randgruppe auch sein sollte, so konnte er nicht abstreiten, dass ihn dieses Denken geprägt hatte. Er schämte sich dafür und wollte, es wäre anders, doch er konnte nicht leugnen, dass er an diesem Tag absichtlich einen Bogen um Bobby gemacht hatte. „Ich will einfach nicht drüber sprechen, okay?“, sagte er an Kitty gewandt, die schon wieder ansetzte, etwas zu sagen. Vermutlich irgendetwas, um ihn zu überzeugen. Ehe sie noch etwas sagen konnte, wandte er sich von ihr ab und ging aus dem Zimmer, bemerkte noch, wie ihre Hand nur unschlüssig nach seinem Ellbogen griff, als er an ihr vorbeiging. Die Lichter der Schule erreichten diesen hohen Raum nicht und so war es allein das fahle Licht des Mondes, das silbern durch das Fenster drang. Dies und das schwache, gedimmte Licht der kleinen Wandlampe waren die einzigen Lichtquellen, die den großen, urigen Raum in ein schummeriges Dämmerlicht tauchten. Müde Augen blickten aus dem Fenster in den bedeckten Himmel, an dem hell einige Sterne durch die dunklen Wolkengebilde erstrahlten. Manchmal wünschte John sich in diese endlose Weite des Universums. Sie wirkte so ruhig und so füllend, dass man sich kaum vorstellen konnte, sich in dieser Wunderwelt jemals einsam zu fühlen, selbst wenn man es war. Ja, man war allein. Für sich. Unerreichbar. Mehr Luxus, als er sich in dieser Schule jemals gönnen konnte. Man wurde nicht gestört, musste sich keiner Auseinandersetzung stellen. Man konnte keine Fehler machen, niemanden verletzen und selbst nicht verletzt werden. Das ewige Funkeln der Sterne würde eine beruhigende Sicherheit ausstrahlen. Man würde nie traurig werden. John lächelte ein wenig bitterlich. Natürlich war das blasse Theorie. Das war ihm klar. Doch die Sterne und die endlose Weite dahinter hatten seit jeher eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt. Nie hätte er es zugegeben, doch wann immer Professor Xavier sie zu einer kleinen Astronomiestunde in diesen Turm im mittleren Teil des Schulgebäudes geführt hatte, hatte John sich zur eigenen Verwunderung fast schon auf den Unterricht gefreut. Natürlich war er nicht wirklich wissenschaftlich an der Erkundung des Kosmos interessiert. Ebenso wenig erfüllte ihn der Anblick der Sterne mit neuromantischen Vorstellungen. Es war lediglich der vertraute Anblick des Unbekannten und diese vollkommene Stille, die im Gegensatz zu seinem sonst so feurigen, niemals ruhigen Gemüt standen und ihm die Gelegenheit gaben, in Ruhe nachzudenken. Und genau das war es, was er jetzt brauchte. Er musste klare Gedanken fassen, die Verwirrung in seinem Kopf lösen, die sich wie eine Schlange um ihn wand und ihn zu erdrücken versuchte. Doch diesmal schien es nicht zu wirken, der Trick mit den Sternen ging nicht auf. John seufzte leise und fuhr sich mit der Hand durch das trockene, dünne Haar, das ihm nur ohne das ganze Gel, das es sonst an seine Kopfhaut pappte, ins Gesicht fiel. Er musste an seine Eltern denken und an Bobby, der immer noch darunter zu leiden schien, dass der Kontakt zu seiner Familie abgebrochen war. Was war bei ihm und seinen Eltern schief gelaufen, dass er ihnen nicht einmal mehr nachtrauerte? Er hatte mit seinen Eltern vor langer Zeit abgeschlossen, nachdem sie ihm jegliche Chance verwehrt hatten, auf sie zuzugehen. Mittlerweile würde er sie nicht einmal mehr dann sehen wollen, wenn sie bereitwillig vor seiner Türschwelle stehen und ihn um Vergebung bitten würden. Was sie, wie ihm klar war, nie tun würden. Sie hatten mit ihm gebrochen, in dem Moment, in dem aus ihm das geworden war, was er heute war. Ein Mutant, der das Feuer beherrschte. Es war kein Versehen gewesen, dass er die Gardinen seiner Mutter in Brand gesteckt hatte. Doch es war ein Versehen gewesen, dass dieses Feuer sich seiner Kontrolle entzogen und auf das ganze Wohnzimmer übergegriffen hatte. Er war zu jung gewesen, zu unerfahren, zu überheblich. Wie ein Feuerteufel hatte er gewirkt und war zu stolz gewesen, zu bockig, um Reue zu zeigen. Dieses Erlebnis hatte seine Eltern endgültig davon überzeugt, dass er gefährlich war, nicht zu kontrollieren. Es hatte sie in ihrer Angst bestärkt, dass ihr Sohn ein Monster war. Seine Mutter hatte ihre Abneigung nicht so deutlich gezeigt wie sein Vater. Aber sie hatte ihm auch nie gesagt, dass sie ihn trotzdem lieben würde. Und selbst wenn es bei Bobbys Mutter eher gezwungen geklungen hatte, so hatte sie wenigstens versucht, auf ihren Sohn zuzugehen. Es war eine tiefe Wunde, über die sich hartnäckiger, schützender Schorf gebildet hatte. Langsam entstand eine neue, heile Haut unter diesem Schorf, doch sie war so dünn, dass man die Wunde wieder aufbrechen konnte, wenn man nur fest genug zustach. Und Bobby hatte fest genug zugestochen. Zu gerne hätte John ihm heute erlaubt, sich zu entschuldigen. Zu gern hätte er sich mit ihm ausgesprochen. Doch John konnte nicht so einfach verzeihen. Da war dieser Stolz. Da war diese Mauer, die er stets um sich aufbaute, um seine Verletzlichkeit durch forsche Sprüche zu schützen. Und auch wenn alles in ihm danach schrie, sich mit dem Eismutanten zu versöhnen, so schien ihm diese Mauer doch zu hoch, als dass er sie überwinden könnte. Gestresst fuhr John sich mit der Hand über das Gesicht. Er wusste nicht, was er für Bobby empfand. Konnte seine Gefühle nicht mehr einordnen in Freundschaft, Brüderlichkeit oder… so etwas wie Liebe. Da war der Wunsch, dem anderen ganz nah zu sein, ihn an sich zu ziehen; ihre Körper so dicht beieinander, dass er die Wärme durch den Stoff ihrer Kleidung spüren konnte. Es kam ihm absurd vor. Und da war das Verlangen, weit auszuholen und Bobby seine Faust ins Gesicht zu rammen, für den Kuss, für die Vereisung. Dafür, dass er ihn verletzt hatte, als er seine Eltern erwähnt hatte. Und dafür, dass er ihn allein gelassen hatte, bevor John auf Magnetos Seite gewechselt war. John wandte seinen Blick von dem Sternengebilde ab, als eine massige Wolke sich vor den Mond schob und sein Gesicht in Dunkelheit tauchte. Er hatte dieselben Gefühle wie damals, als ihm klar geworden war, dass es zwischen Bobby und Rogue keinen Platz für ihn gab. Dabei war es diesmal ganz anders; diesmal wollte Bobby ihn. Hatte er damit nicht alles, was er wollte? „Aber was willst du eigentlich, Johnny?“, fragte er sich selber mit leiser Stimme und hatte keine Ahnung, wie er die Antwort darauf finden könnte. Er biss sich auf die Unterlippe, nagte und kaute darauf herum, bis sie sich ganz wund anfühlte, doch das bemerkte er kaum. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht einmal bemerkte, wie die Tür sich hinter ihm öffnete und eine große, schlanke Gestalt den Raum betrat. Erst als die Tür mit einem lauten Klack wieder ins Schloss fiel, wachte John auf. Sein Herz schlug schneller, doch er zeigte nicht, dass er erschrocken war, als er hinter sich blickte. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, fragte er und seine Stimme verriet nicht die Enttäuschung darüber, dass er gefunden worden war. Diese Räumlichkeiten waren seit Xaviers Tod ebenso ausgestorben wie der Kellertrakt. Astronomie war eben nicht das Wichtigste, wenn es schon zu wenige Lehrer gab, um richtig Mathematik und Physik zu lehren. John wandte sich wieder ab. „Nachdem du unten nirgendwo warst, konntest du eigentlich nur hier sein“, hörte er Bobbys Stimme hinter sich sagen und das Knarzen der Dielen verriet ihm, dass der Eismutant einige Schritte auf ihn zugegangen war. Doch er hielt einen gewissen Abstand und John war froh darum. „Du kennst mich ja ziemlich gut“, meinte John fast schon ein wenig anerkennend, auch wenn er gleichzeitig resignierend klang. Vor Bobby davon zu laufen schien nicht so zu klappen, wie er es sich vorgestellt hatte. Bobby ließ ein nachdenkliches „Hm“ verlauten, ehe er sagte: „Ja, offensichtlich.“ Sie verfielen in ein Schweigen. John wusste nicht, was er darauf sagen sollte und es kam ihm selber gruselig vor, dass dem so war. Nach einer Weile hörte er erneut ein kurzes Knarzen, das die drückende Stille so scharf durchzog, dass John auf der Fensterbank fast zusammengezuckt wäre. Anscheinend hatte Bobby sein Gewicht verlagert bei dem Vorhaben, einen weiteren Schritt auf John zuzugehen, doch er hatte ihn nicht ausgeführt, war an der Stelle verweilt, an der er gestanden hatte. „John“, sprach er ihn mit seinem Namen an, als versuchte er damit, den Feuermutanten dazu zu bringen, sich zu ihm umzudrehen. Doch das tat John nicht. Beide fühlten die unerträgliche Spannung, die den Raum zwischen ihnen füllte; so schwer, dass sie ihnen auf die Brust drückte. „Was ich gesagt habe-“, begann Bobby, doch John unterbrach ihn, bevor er die Gelegenheit hatte, irgendwelche zurechtgelegten Worte zu sagen. „… war ziemlich scheiße“, beendete der Feuermutant seinen Satz und ließ seine starrte mit einer grimmigen Entschlossenheit nach draußen, als könnte man dort den Untergang der Welt erblicken. Der Mond kam hinter der Wolke wieder hervor und warf seinen silbrigen Schein auf Johns blasses Gesicht. Er hörte Bobby tief Luft holen. „Das weiß ich“, sagte dieser und John hörte ein leises Rascheln, als Bobby seine schwitzenden Hände in seine Hosentaschen steckte. „Und es tut mir Leid. Ich wollte das nicht sagen. Es ist einfach so… rausgerutscht. Wirklich. Es war nicht so gemeint.“ John hörte die Worte, während er weiter vehement in die Dunkelheit blickte. Er sah eine Katze durch den Lichtkegel der Laterne schnellen, fast wie ein Schatten, und wünschte sich, er könnte ihr folgen. Kein Wort verließ seine Lippen. Er spürte ein verräterisches Brennen in seinen Augen, merkte, wie sie trüb wurden, doch nicht feucht genug, um Tränen zuzulassen. „Willst du… willst du meine Entschuldigung nicht annehmen?“, hörte er Bobby hinter sich sagen, und dann, mit einer leichten Verzweiflung in der Stimme: „Willst du nicht wenigstens irgendetwas dazu sagen?“ Doch John schwieg beharrlich. Die Anspannung zwischen ihnen nahm zu bis in die Unerträglichkeit und John konnte spüren, wie Bobby danach verlangte, irgendetwas zu tun. Er erwartete, dass er der Eismutant kommen würde, um ihn vielleicht durchzurütteln, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen hörte John erneut das Knarzen der Dielen; Schritte, die sich von ihm entfernten. Die Klinke wurde heruntergedrückt. Er hob seinen Kopf und wollte sich schon umwenden, als er erneut Bobbys Stimme erklingen hörte. Sie klang ein wenig verzerrt, fast wie von bitterer Belustigung erfüllt. „Weißt du, alles, was dir jemals aus dem Mund gefallen ist, in all den Jahren, … all die beschissenen Sprüche, die du mir die letzten Woche um die Ohren gehauen hast… ich hab immer nur da gestanden und gesagt: ‚Ist okay, John‘. Ich hab dir echt jeden Scheiß verziehen. Und dann mach ich einmal, einmal in so vielen Jahren einen Fehler und du bringst es nicht mal fertig, mir auch nur ein kleines Stück entgegen zu kommen… Das ist echt nicht fair, John.“ Die Worte bohrten sich in Johns Kopf. Sie taten weh. Lähmten ihn so sehr, dass er nichts darauf zu sagen wusste. „Denk einfach mal drüber nach.“ Die Tür fiel erneut ins Schloss und auch wenn Bobby sie nicht zugeschlagen hatte, kam es John doch so laut vor, dass er zusammenzuckte. Zitternd atmete er ein, bewegte seinen Kopf ruckartig in die Richtung der Tür und starrte auf das dunkle Holz, das nur schwach von der Wandlampe erhellt wurde. „Bobby…“, sagte er leise und erschrocken den Namen des anderen, als wollte er nach ihm rufen, auch wenn dieser ihn nicht mehr hören konnte. Hilflosigkeit spiegelte sich in seinen Augen wider, als er ihren Blick erneut zum Fenster richtete. Sein selbst aufgebautes Schutzschild war mal wieder zu stark gewesen, um von außen gebrochen werden zu können. Ihm wurde klar, dass es nur er selbst daran etwas ändern konnte, wenn er ihre Freundschaft nicht verlieren wollte. Konnte er die innere Mauer schon nicht überspringen, so musste er sie eben hochklettern, auch wenn er sich dabei Hände und Füße aufschürfen würde. TBC Das Kapitel war irgendwie ein Selbstläufer gewesen. Die Szenen waren so geplant, aber es sollte wesentlich kürzer ausfallen und jetzt platzt es fast schon aus allen Nähten *LOL* Besonders aber die letzte Szene hat mir beim Schreiben wirklich gefallen. Noch kurz einige Umrechnungen, weil ich ja ach-so-schön finde, in US-amerikanischen Einheiten zu schreiben. 32°F = 0°C 6 Meilen = etwas mehr als 9,5 km (John ist also schon ein ganzes Stück gelaufen) Ich hoffe, es hat euch gefallen :) Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 15: Ein Herz aus Wackelpudding -------------------------------------- Hallihallo! motti meldet sich pünktlich zur Adventszeit zurück! xD Es ist jetzt nicht unbedingt so, als hätte ich extra darauf gewartet, aber irgendwie... fehlte vorher die Motivation. Daher mach ich es jetzt auch kurz (das nachfolgende Kapitel ist lang genug xD) und wünsch euch viel Spaß beim Lesen ;) Kapitel 15: Ein Herz aus Wackelpudding Photosynthese. Chlorophyll. Die Begriffe kamen ihm bekannt vor. Auf seiner alten Schule, vor Jahren ehe er hierher gekommen war, hatte er diese Begriffe schon einmal im Biologieunterricht gehört – und nicht verstanden. Er wusste lediglich, dass es etwas mit Pflanzen und Licht zu tun hatte. Und mehr interessierte ihn auch nicht wirklich. Doch sein Desinteresse am Unterrichtsstoff war nicht der einzige Grund, warum John Storm nur halbwegs lauschte. Seine Aufmerksamkeit und sein Blick galten nicht der schrumpeligen Alge, die von dem Overheadprojektor an die Leinwand geworfen wurde, sondern dem Hinterkopf des jungen Mannes vor ihm. Dunkelblonde, kurze Haare mit einigen leicht helleren Strähnen, doch auch das nahm John kaum war. Üblich saßen Bobby und er im Unterricht, wenn er denn teilnahm, nebeneinander. Doch diesmal hatte der Eismutant es vorgezogen sich in die Reihe vor John zu setzen – zu Rogue. John konnte nicht behaupten, dass es ihn kalt ließ. Ausgerechnet Rogue. Bobbys Exfreundin. Das Mädchen, das sie sich seiner Meinung nach damals in ihre Freundschaft gedrängt und sie wie eine Schere in zwei Teile zerschnitten hatte, bis sie nur noch von einem kleinen letzten Papierzipfel zusammengehalten worden war. Für John war Rogue der Anfang aller Katastrophen in seiner und Bobbys Freundschaft, doch ihm war auch bewusst, dass er nicht ihr allein die Schuld dafür geben konnte. Denn das Problem lag nicht bei ihr, sondern bei Bobby und vor allem ihm selbst. Es war bereits zwei Tage her, seit er nach ihrer Auseinandersetzung aus der Schule gestürmt war. Seitdem hatte sich ihr Verhältnis zueinander verändert. Natürlich sprachen sie noch miteinander, doch ihre Gespräche waren auf ein Minimum reduziert. Nach außen hin mochte es vielleicht nicht allzu sehr auffallen, doch John spürte genau, dass es nun eine Distanz zwischen ihnen gab, die sie davon abhielt, frei und offen miteinander umgehen zu können. Jedes Wort wirkte wohl gewählt, jedes Lachen aufgesetzt und unsicher. Es ging längst nicht mehr allein um die Gründe ihrer Auseinandersetzung. Fehler hatte jeder von ihnen gemacht. Dass Bobby ihn geküsst und vereist hatte, dass er seine Eltern erwähnt hatte – darüber war John längst hinweg. Ebenso sicher war er sich, dass es auch Bobby nicht mehr um all die – zugegeben – unmöglichen Dinge ging, die John ihm wie schon so oft in einem Anfall von Wut und Zynismus an den Kopf geworfen hatte. Früher hätte John seine Fehler einfach mit einem „Hey sorry, Mann“ abgetan, und Bobby hatte vermutlich etwas wie „Ist schon okay“ geantwortet. Doch in den letzten Tagen war einfach zu viel auf einmal passiert. Sie waren an einem Punkt angekommen, an dem eine halbgare Entschuldigung auch nicht mehr half. Bobby hatte versucht, einen Schritt in diese Richtung zu gehen, doch John hatte nicht mitziehen wollen. Nun lag es an ihm, einen Anfang zu machen. John wusste das. Bobby erwartete keine großen Gesten, keine endlosen Bekenntnisse. Ein aufrichtiges „Es tut mir wirklich Leid“ wäre vielleicht schon ein Anfang. So simpel. Und doch überhaupt nicht so einfach. Als er vor zwei Tagen spätabends vom Astronomieturm zurückgekehrt war, hatte John sich fest vorgenommen, sich zu entschuldigen. Er hatte den Raum betreten und „Hey“ gesagt. Bobby hatte sich zu ihm umgedreht und „Hey“ geantwortet. In seinen Gedanken hatten sich all die Worte gedreht, die John sich auf seinem Weg zu ihrem Zimmer zurechtgelegt hatte, doch keins davon hatte über seine Lippen kommen wollen. Schweigend waren sie ins Bett gegangen. Am nächsten Tag hatten sie so getan, als wäre nichts gewesen, mit dem Ergebnis, dass John nun das Gefühl hatte, sie wären weiter voneinander entfernt als je zuvor. Über die Jahre hatte sich in seinem Innern eine Mauer gebildet; ein Schutzwall, entstanden aus der Angst vor Nähe, die ihn verletzen könnte, und aus Stolz. Lange Zeit hatte er die Mauer gar nicht als solche wahrgenommen, doch nun schien sie so hoch, dass John an manchen Tagen das Gefühl hatte, er könnte nicht einmal den Horizont dahinter sehen. Er hatte keine Ahnung, wo er ansetzen sollte, um das zu vollbringen, was so einfach schien und doch so kompliziert war: den eigenen Stolz zu überwinden und Schwächen zu zeigen und vor allem sie auch zuzugeben. Stattdessen war er dazu verdammt, tatenlos zusehen zu müssen, wie Bobby sich immer weiter von der anderen Seite der Mauer entfernte. Er hatte Angst, ihn irgendwann nicht mehr erreichen zu können. Sehr lange war es her, dass John das letzte Mal solch schwarze Gedanken gehabt hatte. So lange, dass es ihm schwer fiel, sich überhaupt an das Wann zu erinnern. Er hatte sie einfach nicht zugelassen. Seine Mauer hatte ihn davor beschützt. Plötzlich meldete sich verstärkt sein Gewissen. Bekam seine Mauer Risse? Wenn ja, wo war der Spalt, durch den er mal entfliehen konnte? Wenigstens nur für einen kurzen Moment, um sich zu entschuldigen. Er war stets ein Kämpfer gewesen. Er konnte sich durchsetzen. Doch das eigene Selbst war ein harter Gegner. Dabei wollte er einen Schritt auf Bobby zugehen. Er wollte ihre Freundschaft nicht aufgrund von Missverständnissen, Uneinsichtigkeiten und dummen Sprüchen verlieren. Er wollte diese Vertrautheit zwischen ihnen wieder. Er wollte mit Bobby wieder unbefangen Scherze machen. Er wollte mit Bobby vorm Fernseher hängen und sich niveaulose Talkshows reinziehen, um mit ihm über die dummen Gäste herziehen zu können. Er wollte sich mit Bobby im Training auspowern, bis sie nicht einmal mehr genug Kraft hatten, um den kleinsten Muskel zu bewegen – so wie früher. Er wollte Bobby nah sein. Seelisch wie körperlich. Seit Bobby ihm mied, klammerte er sich wie ein Ertrinkender an die wenigen Momente, die sie zusammen verbrachten. Er vermisste ihn. So sehr, dass es manchmal wehtat. So sehr, dass er eifersüchtig wurde, wenn Bobby sich nun neben seine Exfreundin setzte, die ihn im Grunde eigentlich wegen ihm, John, verlassen hatte. Je länger er über seine Gefühle nachdachte, desto deutlicher wurde ihm, dass sie über das Maß des Freundschaftlichen hinausgingen. Sie waren stärker. Bobby war mit dem Gefühl nicht allein. John war mittlerweile klar: auch von seiner Seite aus war da mehr. Doch er war längst nicht bereit, sich selbst einzugestehen, dass er Bobbys Gefühle erwidern könnte. Denn… er und Bobby als Liebespaar? Händchenhaltend in pinken Klamotten? Ihm wurde ja schon schlecht, wenn er nachts versehentlich in Sendungen wie „Queer As Folk“ zappte. Er war nicht schwul. Er war ein Mutant, ein Freak, ja, vielleicht auch ein Arschloch. Nein, ganz sicher war er ein Arschloch. Aber eben nicht schwul. Er stand nicht auf Brad Pitt. Er stand auf Angelina Jolie. Er wollte Brüste und Kurven, keine kratzigen Bartstoppel beim Kuss. Doch wenn er in ruhigen Momenten an eine weniger überdrehte Version von sich und Bobby dachte, verspürte er eine gewisse Sehnsucht, diese Vorstellung in die Realität umzusetzen. Jemand klatschte in die Hände. Das Licht im Raum ging an. John schreckte hoch. Er sah zu Storm, die den Overheadprojektor ausschaltete. War die Stunde etwa schon vorbei? Ein Blick auf die Analoguhr neben der Leinwand verriet ihm, dass es 14:30 Uhr war. Tatsächlich. Kein Wunder, dass er solche Kopfschmerzen hatte. Seine Grübelei war mindestens genauso anstrengend wie Storms Vortrag über die Photosynthese. Er stand auf und sah, wie Bobby vor ihm das gleiche tat. Sein Herz sank tiefer. Heute hatten sie noch kein Wort miteinander gesprochen, abgesehen von einem halbherzigen „Guten Morgen“. Stattdessen hatte er gerade die letzte halbe Stunde damit zugebracht, über ihre Misere nachzudenken. Das musste er ändern. Er spürte wie eine unangenehme Nervosität sich in ihm breit machte, die ihm eigentlich gänzlich unbekannt war. Ebenso sehr wunderte es ihn, dass er sich plötzlich räusperte, was er sonst nie tat. „Hey Bobby“, sprach er den Eismutanten an und war froh, dass seine Stimme ihm noch gehorchte. Sie verfiel automatisch in diesen coolen, lockeren Ton, den er sich über die Jahre angeeignet hatte. Zu seiner Erleichterung blieb Bobby tatsächlich stehen und drehte sich zu ihm um. „Gott sei Dank ist es vorbei, he? Mein Gott, ich wäre fast eingeschlafen!“ Was nicht ganz stimmte. Seine Gedanken hatten ihn ganz gut wach gehalten. Vom Unterricht hatte er dennoch ebenso wenig mitbekommen, als wenn er geschlafen hätte. Aber war es ein neutrales Thema, mit dem man ein Gespräch beginnen konnte – oder auch nicht. Denn Bobbys Gesichtszüge blieben unbewegt. Etwas, das für Bobby eher untypisch war und Johns Nervosität mit einem Schlag zurückkehren ließ. „Ich fand es eigentlich ganz interessant“, entgegnete Bobby. Eine Feststellung. Diesmal jedoch ohne auch nur den Hauch eines Ansatzes, John davon überzeugen zu wollen, dass Mutter Natur einfach faszinierend war. Es war schließlich bei weitem nicht das erste Mal, dass ihre Meinungen zum Unterrichtsstoff so weit auseinander lagen wie Nord- und Südpol. Bobby interessierte sich für die meisten Themen, während John zu 90% alles abgrundtief langweilig fand. Abgesehen natürlich die früheren Technik-Stunden mit Cyclops und die Stunde Ethik mit dem Thema „Gewaltverherrlichung“, in der sie sich als Exempel ein gutes Dutzend Ausschnitte aus diversen Horrorfilmen angesehen hatten. John hatte da seinen Heidenspaß gehabt, während Bobby die meisten Szenen nur abstoßend gefunden und nach einem näheren Sinn hinter all der Gewalt gesucht hatte. „Und was machst du heute noch so?“, fragte John schließlich in einem kläglichen Versuch, das Gespräch in Gang zu halten. Immerhin hatten sie den Nachmittag frei. Bobby schulterte seine Tasche. „Hm, ich wollte mit Kitty an den See. Schlittschuhfahren.“ – und dann, bevor John die Chance hatte, etwas zu erwidern: „Ich würde ja sagen, du kannst mitkommen, aber Schnee und Eis sind ja nicht dein Ding.“ Damit hatte er natürlich Recht, doch so wie er es sagte, klang es, als wollte er John auch gar nicht erst dabei haben. Das traf John wie einen Schlag in den Magen, denn so offensichtlich abweisend hatte Bobby sich in all den Jahren noch nicht gegenüber ihm benommen. Perplex wie er war, brachte John es lediglich fertig zu sagen: „Ach so, ja, okay… dann wünsch ich euch mal viel Spaß.“ Seine Stimme klang nun überhaupt nicht mehr nach dem coolen John, sondern viel mehr merkte man ihr an, dass John sich gerade wirklich hilflos vorkam. Vielleicht war es das, was Bobby für einen Moment bei ihm stehen blieben ließ, doch falls er vorhatte, noch irgendetwas zu John zu sagen, so wurde es durch Kittys Ruf abgebrochen. „Hey Bobby, kommst du jetzt mal?“ John blickte in die Richtung, aus welcher der Ruf gekommen war, und sah Kitty in der Tür zum Unterrichtsraum stehen. Er wünschte ihr, sie würde ins Eis einbrechen. Und Bobby gleich mit. Er fühlte sich so zurückgesetzt und ja, die Eifersucht kochte in ihm. Bobby sollte den Nachmittag mit ihm verbringen wollen und nicht mit Kitty Pirouetten auf dem Eis drehen gehen. „Schön, wenn man immer noch eine Notlösung parat hat, nicht wahr, Bobby?“, kam es zischend aus seinem Mund und sollte irgendjemand Zweifel an Johns Gehässigkeit bekommen haben, so wischte er sie nun allemal weg. Bobbys Gesicht bekam nun einen Ausdruck, doch es war nicht der, den John sich ursprünglich gewünscht hatte. Kein Lächeln. Stattdessen blanke Wut. John spürte, wie es um sie herum deutlich kühler wurde und sah, wie Bobbys Hand und Unterarm sich bläulich färbten. Kein Zweifel, dass die Kälte von Bobby ausging. Seinerseits griff John nun in seiner Hosentasche nach seinem Zippo®-Feuerzeug. Das kühle Metall fühlte sich wie immer beruhigend und stärkend an. „Bobby?!“, ertönte ein weiteres Mal die Stimme von Kitty, die sich wohl zu wundern schien, warum Bobby sich nicht zu ihr bewegte, geschweige denn eine Reaktion auf ihren ersten Ruf zeigte. Die Kälte um sie herum ließ spürbar nach. Johns Finger um sein Feuerzeug entspannten sich ein wenig. Der kühle Ausdruck in Bobbys Blick jedoch blieb. John schluckte, als der Eismutant sich von ihm abwandte und sich zu der wartenden Kitty begab. Mit einem verächtlichen Schnauben stellte er fest, wie Bobby dem Mädchen einen Arm um die Schultern legte. War das jetzt Absicht? Wenn ja, so hatte John das vermutlich verdient. Soeben hatte er sich selbst vom ersten Platz des „Arschloch des Jahres“ geschlagen. Toll, wenn man immer noch eins draufsetzen konnte. Ein stetiges Kratzen war zu hören, als die Kufen über die bläulich-weiße, festgefrorene Eisschicht glitten. Jetzt im Winter war es nicht mehr nötig, den Springbrunnen auf dem Institutsgelände erstarren zu lassen. Seit Tagen waren die Temperaturen kaum über 32°F geklettert, meist hatten sie sich weit darunter befunden und so war der See, der sich zwei Kilometer vom Institut entfernt am Waldrand befand, zugefroren und konnte nun als natürliche Eislaufbahn benutzt werden. Raureif, der sich wie eine dünne Pulverschicht auf dem Eis befand, wirbelte hoch als Kitty an Bobby vorbeisauste. Sie hatte ihm zum letzten Geburtstag Schlittschuhe geschenkt, vermutlich damit er sich nicht mehr Kufen aus Eis an seine Turnschuhe zaubern musste. Und heute sollten diese eingeweiht werden! Doch Bobby hatte das Gefühl, dass er sich in seinen selbstkreierten Schuhen wesentlich wohler gefühlt hatte. Es war nicht so, als würde er jeden Moment das Eis küssen können, er war hier schließlich in seinem Element, doch irgendwie war er nicht ganz bei der Sache. Er war wütend. „Schön, wenn man immer noch eine Notlösung parat hat.“ Johns Worte spukten immer noch in seinem Kopf und er wusste nicht, was ihn mehr erschreckte: die Gehässigkeit, mit der John ihm so etwas an den Kopf werfen konnte oder dass der Feuermutant es überhaupt immer wieder fertigbrachte, solche Kommentare in den Raum zu werfen, selbst die Situation schon angespannt genug war. John wusste von dem Kuss mit Kitty. Es war schon lange her, doch er hatte die Spannungen zwischen Rogue und Kitty durchaus mitbekommen, als er zur Schule zurückgekehrt war. Und natürlich hatte er nachgebohrt. Wie John eben nun mal war. Er wollte ja immer alles wissen – um es dann so wie jetzt gegen Bobby verwenden zu können? Es war bloß ein kleiner Kuss gewesen. Nichts von großer Bedeutung. Zumindest nicht für Bobby und da Kitty sich dazu ebenfalls nicht mehr geäußert hatte, ging er davon aus, dass sie es ähnlich sah. Sie war eine gute, treue Freundin, auf die er sich verlassen konnte, und das gleiche hatte er für sie damals sein wollen. Umso wütender machte es Bobby, dass John über sie sprach, als wäre sie lediglich das Mädchen, auf das Bobby zurückgriff. Klappte es mit Rogue nicht, gab es ja Kitty. Kam er mit John nicht weiter, gab es wieder Kitty – sah John das wirklich so? Bobby ließ sich über das Eis gleiten und schaute zu der jungen Mutantin, die am anderen Ende des Sees über die glatte Fläche jagte. Es tat ihm Leid, dass überhaupt so über sie gedacht wurde. Vermutlich war John da der Einzige, doch Kitty hatte das nicht verdient. Am liebsten hätte Bobby John dafür endgültig in eine lebende Eisstatue verwandelt. Doch es ging nicht nur um Kitty. Es ging auch um ihn. Um ihn und John und die Situation, in der sie gefangen waren. Sie kamen einfach nicht weiter. Manchmal fragte Bobby sich, ob ihre Freundschaft für John so egal war, dass er sie eher in die Brüche gehen ließ anstatt sich zu entschuldigen. Doch Bobby hatte sich geschworen, diesmal nicht nachzugeben. Natürlich, auch er hatte Fehler gemacht. Er hätte John gar nicht erst küssen sollen, und vor allem nicht einfrieren. Und er hätte sich, egal wie provozierend John sein konnte, nicht dazu hinreißen lassen sollen, etwas über dessen Eltern zu sagen. Er bereute es und hatte sich dafür entschuldigt. Doch was war mit all den Fehlern, die John gemacht hatte? Nein, er hatte ihn nicht ohne Vorwarnung einfach geküsst und er hatte auch nicht Bobbys wunden Punkt getroffen, doch er hatte ein Fass, das sich über die letzten Jahre stetig gefüllt hatte, schlagartig zum Überlaufen gebracht.. Irgendetwas sehr Schlimmes musste er in einem früheren Leben verbrochen haben, dass er jetzt damit bestraft wurde, die wohl komplizierteste Person, die er kannte, zu lieben. Er schreckte aus seinen Gedanken hoch, als plötzlich etwas von hinten gegen ihn knallte. Beinahe hätte er sich aufs Eis gelegt, doch zwei Arme legten sich um seinen Oberkörper und zogen ihn wieder in eine aufrechte Position. „Der Sinn des Schlittschuhfahrens ist nicht, nur auf dem Eis zu stehen, Bobby“, hörte er Kittys Stimme neckend hinter sich sagen und konnte kurz darauf ihr Gesicht erblicken, als sie ihn los ließ und um ihn herum stakste, sodass sie sich gegenüber standen. Ihm war gar nicht bewusst geworden, dass sie sich ihm genähert hatte, geschweige denn, dass er selber stehen geblieben war. Als er nicht antwortete, bemerkte er einen besorgten Blick auf Kittys Gesicht und ehe er ihr versichern konnte, dass alles in Ordnung war, sprach sie ihn von sich aus an: „Es ist wegen John, oder? Ich hab gesehen, wie ihr euch im Klassenzimmer unterhalten habt.“ Bobby seufzte leise. Hatten Frauen eigentlich besondere Augen, mit denen sie in die Köpfe anderer gucken und so deren Gedanken erraten konnten? Es war nervig, aber den meisten weiblichen Freunden konnte er nichts verheimlichen. Vielleicht war er auch deshalb schwul geworden? – Dummer Gedanke. „Was hat er denn gesagt?“, fragte Kitty und stupste mit ihren behandschuhten Fingern gegen seinen Unterarm, um ihn zum Reden zu animieren. Bobby schüttelte den Kopf und mied ihren Blick. „Nur wieder Scheiße gelabert.“ Er wollte Johns Worte nicht wiedergeben. Auch wenn er nicht glaubte, dass Kitty dies sonderlich verletzen würde. Sie kannte John immerhin auch schon eine ganze Weile. Dennoch schien sie ihm anzumerken, wie sehr ihn das Gesagte zu beschäftigte. „Nimm es dir nicht zu sehr zu Herzen, Bobby. Du weißt doch, wie John ist“, riet sie ihm und zog sich ihre bunte Plümmelmütze ein wenig tiefer über die Ohren. Bobby seufzte schwer. Es kostete ihn unheimlich viel Willenskraft, Kitty nicht auf eine Weise anzupflaumen, die er später bereuen würde. Er war so gereizt; wegen Johns Verhalten, wegen der dummen Situation, in die er sich selbst gebracht hatte und weil John einfach John war. Und es ärgerte ihn, dass nun auch Kitty meinte, er sollte das Nachsehen haben. Ausgerechnet Kitty, die doch sonst nicht viel von John und seinen Äußerungen hielt. Als Bobby ihr immer noch nicht antwortete, schien Kitty sich dazu berufen zu fühlen, nun ein tiefgründiges Gespräch über seine Gefühlslage zu führen. Es fiel ihr offenbar nicht leicht, denn er hörte sie tief einatmen, bevor sie zu sprechen begann. „Es…“ – sie schien nicht recht zu wissen, wie sie beginnen sollte. Sie räusperte sich. „Ich mein, du willst doch selbst nicht, dass es so weitergeht, oder? Und er ist eben ein dummer Sturkopf. Du kennst ihn doch.“ Bobby verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Es wirkte nicht nur wie eine Abwehrhaltung, es war auch eine. Was wurde das? Eine Beziehungsberatung? Er wollte dieses Gespräch mit Kitty nicht führen. Er hatte sich an diesem Nachmittag vorgenommen, mit Kitty Schlittschuh zu fahren; Spaß zu haben und nicht an John zu denken. Doch der Feuermutant hatte ihm den Nachmittag mit seiner großen Klappe mal wieder gründlich versaut! „Ja, ich kenn ihn“, bestätigte Bobby; seine Stimme klang dabei ungewollt so negativ, dass Kitty zusammenzuckte. Sie steckte ihre Hände in die Taschen ihrer Winterjacke. „Tja, und trotzdem l-liebst du ihn.“ – das Wort „liebst“ klang zögerlich, als käme es ihr selbst komisch vor, es auszusprechen. Bobby fühlte mit einem Mal ein mulmiges Gefühl in seinem Magen. Natürlich war er sich seiner Gefühle zu John längst bewusst, doch es war das erste Mal, dass jemand anders sie aussprach. „Frag mich manchmal, warum eigentlich…“, brummelte er und starrte an Kitty vorbei zu den im Winter trostlos aussehenden Bäumen am Waldrand. „Bobby, das fragen wir uns alle!“, meinte sie in einem möglichst trockenen Ton, doch ihr Grinsen verriet, dass sie ihn bloß necken wollte. Sie schlug ihn mit einer Hand auf den Oberarm und entlockte ihm damit ein schwaches Lächeln. Bobby hatte sich bisher keine Gedanken darüber gemacht, wie Kitty wohl darüber denken mochte, dass er plötzlich auf einen Jungen stand. Doch sie schien dem nicht allzu negativ gegenüber zu stehen. Und wenn doch, so zeigte sie es ihm zuliebe zumindest nicht und allein dafür war Bobby dankbar. Überhaupt hatte Bobby das Gefühl, das Interesse an ihm und John hätte wieder nachgelassen. Ab und zu begegneten ihnen noch neugierige, merkwürdige Blicke einiger Mitschüler, doch die dummen Sprüche und nervigen Befragungen blieben aus. Sicherlich auch etwas, was er seinen Freunden zu verdanken hatte. Er gab sich Mühe, Kitty nun ein breiteres Lächeln zu schenken. Sie erwiderte es ihrerseits. „Red doch einfach noch mal mit ihm“, schlug sie ihm vor, doch Bobby schüttelte nur den Kopf. „Ich bin ihm schon oft genug hinterher gelaufen.“ „Hm, diesmal würdest du nicht hinterherlaufen, sondern einen Schritt auf ihn zugehen. Das ist etwas anderes.“ Bobby schwieg für einen Moment. Doch wirklich nachdenken über ihre Worte wollte er nicht. Er hatte sich entschlossen, diesmal John den ersten Schritt machen zu lassen. Warum sollte er sich selbst zum Deppen machen? Er hatte sich bereits entschuldigt und versucht, mit dem Feuermutanten zu sprechen. „Weißt du, irgendwann muss auch mal von ihm was kommen“, meinte er und klang dabei endgültig, sodass Kitty bewusst wurde, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. Sie zuckte mit den Schultern. „Deine Entscheidung.“ Bobby nickte. Schließlich schlug Kitty ihm erneut gegen die Oberarm. „Komm schon, wir waren eigentlich fürs Eislaufen hier. Wer zuerst am anderen Ende des Sees ist, hat gewonnen.“ „Und was ist der Preis?“ „Das erzähl ich dir, wenn ich angekommen bin!“, erwiderte sie schelmisch und drehte sich mit einem Mal um, um los zu laufen. Bobby hatte seine liebe Mühe, noch hinterher zu kommen. Natürlich hatte er Kitty nicht mehr einholen können. Einen Gewinn hatte sie dennoch nicht eingefordert. Nun saß er im Wohnzimmer, das früher oft von Xavier für Besprechungen benutzt wurde. Soeben hatte er für sich entschlossen, dass er als älterer Schüler durchaus das Recht hatte, den Fernseher in diesem Raum zu benutzen. Es war zwar nicht wirklich verboten, aber die meisten Schüler sahen im Gemeinschaftsraum fern. Dieser wirkte um diese Zeit – ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits nach 10 p.m. war – zwar meist ausgestorben, doch Bobby konnte im Moment gut auf die Gesellschaft seiner Mitschüler verzichten. Er griff nach der Fernbedienung und ließ sich auf dem Sofa nieder. Es wunderte ihn kaum, dass er auf einem Nachrichtenkanal landete. Dort stritt man sich gerade über Truppeneinsätze im Nahen Osten. Kaum hatte sich das Mutantenproblem weitestgehend gelöst, hatte die „normale“ Menschheit wieder Zeit, sich untereinander zu bekriegen. Bobby zappte weiter und sank dabei tief ins Polter. Seine Hand strich über seinen Bauch, der ihn mit einem unwohlen Völlegefühl plagte. Er hatte nicht allzu viel gegessen, doch angesichts der Tatsache, dass er im Moment kaum Appetit hatte, war es beim Abendessen wohl doch noch zu viel gewesen. John und er hatten am Tisch so weit wie nur eben möglich voneinander entfernt gesessen. Bobby konnte nicht behaupten, sich dabei wohl gefühlt zu haben. Die Spannungen waren über den Tisch hinweg deutlich spürbar gewesen. Flüchtig schaute er auf das flimmernde Bild im Fernsehen: eine Musiksendung über Rock-Hits der 70er- und 80er-Jahre, in der gerade „Jump“ von Van Halen vor sich hin dudelte. Bobby musste zugeben, die Blicke genossen zu haben, die John ihm während des Abendessens immer wieder zugeworfen hatte. Zu gern hätte er vielleicht ein Wort mit ihm gewechselt, doch warum sollte er? Dafür gibt es zig gute Gründe, erinnerte er sich selbst in Gedanken und verfluchte sich dafür, nun ins Zweifeln zu geraten. Kittys Ratschlag spukte ihm immer noch im Kopf, doch er konnte sich nur schwerlich mit ihm anfreunden. Immerhin hatte er John doch klar gemacht, dass er für ein Gespräch offen war, oder nicht? Und es war nicht zu viel verlangt, auch mal den Feuermutanten den ersten, unangenehmen Schritt des Anfangs machen zu lassen, fand er. Es enttäuschte ihn, dass John bisher nicht einmal versucht hatte, ihn anzusprechen. Stattdessen ruhte er sich vermutlich wieder auf der Sonnenseite des Lebens aus, in der Annahme, Bobby würde schon irgendwann wieder auf ihn zugehen. Aber nein, diesmal nicht! Soll er ruhig sehen, wie er da selber rauskommt, dachte Bobby sich bissig und umschloss die Fernbedienung ein wenig fester. Er spürte wieder Wut in sich aufkommen. Ein Teil von ihm wollte John durchaus leiden sehen; wollte, dass er sich abstrampelte, um Bobby von seiner Reue zu überzeugen. Insofern John überhaupt etwas bereute. Ein anderer Teil in ihm wollte jedoch einfach nur Frieden schließen, denn die Spannungen zwischen ihnen fingen langsam an, ihn zu zermürben. Er spürte ein krampfhaftes Ziehen in seinem Magen. Vielleicht war die gefühlte Tonne Eiscreme, die er heute aus Frust – mal wieder – in sich reingeschaufelt hatte, doch keine so gute Idee gewesen. Kein Wunder, dass er beim Abendessen keinen Hunger mehr gehabt hatte. Er ließ sich noch tiefer ins Polster sinken und legte die Füße auf den Tisch; hoffentlich würde Storm ihn nun nicht dabei erwischen. Mit einem Blick an die Zimmerdecke fragte er sich, ob er vielleicht zu hart war. Doch die Holzbalken schienen ihm keine Antwort zu geben. Stattdessen ertönte aus dem Fernseher die Stimme von Lou Gramm: „You’re as cold as ice.“ – Ja, danke! Missmutig starrte Bobby auf den Fernseher und betätigte dann demonstrativ den ON/OFF-Knopf auf der Fernbedienung – Stille. Er hatte auf eine göttliche Eingebung gewartet, nicht auf Foreigner. Vielleicht war das aber auch Gottes Art, ihm zu zeigen, dass er im Moment dieselbe Sturheit an den Tag legte, die ihn bei John so in den Wahnsinn trieb. Seufzend raufte er sich die Haare. Es war doch nicht so, als würde er neben John stehen und diesem dabei zusehen, wie er sich zu Tode strampelte, nachdem er ins Eis eingebrochen war. Er wollte doch nur eine Entschuldigung. Wenn er nun aber an Johns verletzten Blick dachte, als er ihn auf seine Eltern angesprochen hatte und die abweisende Haltung auf dem Astronomieturm, kam er sich vor wie ein Monster. Bobby rollte die Augen. Nein, du hast kein Herz aus Eis. Dein Herz ist aus Wackelpudding, Bobby, resignierte er in Gedanken. Er war einfach viel zu weich. Warum bekam er jetzt Mitleid mit John, obwohl dieser ihn die Tage zuvor schikaniert hatte? Die Antwort war ihm eigentlich klar: tief im Innern wusste er, wie schwer es John fiel, sich aufrichtig für etwas zu entschuldigen oder überhaupt etwas zuzulassen, das hinter seine Fassade des „coolen Johns ohne schwächliche Gefühle“ ging. Doch musste Bobby sich deshalb immer alles gefallen lassen? War es nur deswegen jetzt wieder an ihm, ihren Streit abzuhaken, wie eine Mutter, die ihrem pubertierenden, aufsässigen Kind alles verzieh? Bobby strich sich über die geschlossenen Augenlider. Seine Zweifel frustrierten ihn. Er war hin und her gerissen, zwischen der Möglichkeit, zu John zu gehen und einen Anfang zu machen und seinem Stolz, der sich nun einmal in die Idee gesteigert hatte, diesmal abzuwarten. Gott, ich glaub, ich brauch Vanilleeiscreme. Sein Magen gab ein blubberndes Geräusch von sich, als wollte er sagen: Bloß nicht! Aber Eiscreme war sein Allzweckheilmittel gegen jedwede Seelenkrankheit. Ich muss ja nicht wieder so viel essen…, meinte er eher halbherzig zu sich selbst, als er aufstand. Sein Magen gab erneut ein ungutes Geräusch von sich. Übersetzt sollte es wohl so etwas heißen wie: Nicht mal einen Löffel, sonst streik ich! Bobby stand auf und gab ein erneutes, schweres Seufzen von sich. Vielleicht diesmal Schokoladeneiscreme. Sein Magen verstummte. War Schokoladeneiscreme gut oder war er in eine Schockstarre verfallen? Vermutlich das Zweite. Aber Bobby war sich sicher: Man sagte, Schokolade macht glücklich. Und Eiscreme machte ihn glücklich. Da konnte bei Schokoladeneiscreme doch gar nichts mehr schiefgehen! Mit einem erschöpften Seufzen zog John Allerdyce einen Teller aus dem Spülbecken und legte ihn auf den Stapel links neben ihm. Wie auch schon den Abend zuvor musste er Storms Strafe abarbeiten, weil er sich unerlaubt mit dem Wagen vom Schulgelände entfernt und diesen dann auch noch irgendwo draußen stehen gelassen hatte, weil ihm der Sprit ausgegangen war. Er blickte auf seine Hände, die bereits so schrumpelig waren, wie sie sich anfühlten. Storm hatte doch keine Ahnung, was sie ihm hiermit antat! All die Teller, Töpfe, Schüsseln, Gläser, das Besteck für so viele Schüler… – es war ja nicht so, als hätten sie keine Spülmaschine. Doch diese durfte John natürlich nicht benutzen. Gestern hatte es ihn um die zwei Stunden gekostet, bis er endlich fertig war. Nun war es schon nach 10 p.m. und er war immer noch nicht fertig. Zwar näherte er sich langsam dem Endspurt, doch er musste die Sachen auch noch abtrocknen und einräumen. Hätte er nicht nach dem Essen fast eine dreiviertel Stunde damit verschwendet, über sich und Bobby zu sinnieren, könnte er schon längst in seinem Zimmer sein und an die Decke starren, … um dabei, nun ja, weiter über sich und Bobby zu sinnieren. John seufzte und nahm den Spüllappen wieder in die Hand, schruppte damit angewidert über einen besonders verdreckten Teller, an dem sich Soßen-Reste festgeklebt hatten. Oder wohl eher eingebrannt!; denn er rubbelte und rubbelte, doch die Flecken waren hartnäckig und wollten kaum nachgeben. „Steck den Teller noch mal ins Wasser, dann kann das einweichen“, vernahm er plötzlich eine Stimme hinter sich und beinahe hätte John den Teller fallen gelassen. Über seine Schulter blickend sah er Bobby am Türrahmen lehnen. „Wie lange stehst du schon da?“ Bobby stieß sich vom Türrahmen ab. „Lange genug, um deinen Kampf mit der Tomatensoße zu beobachten.“ John hatte irgendwie ein Lächeln erwartet, vielleicht ein mattes Grinsen, doch in Bobbys Gesicht regte sich nichts. Selbst seine Stimme klang ähnlich emotionslos. Die braunen Augen folgten dem Eismutanten, als dieser sich zum Kühlschrank begab und das Gefrierfach öffnete. Er nahm einen kleinen Pott mit Schokoladeneiscreme heraus. John rollte mit den Augen. Er selber mochte ebenfalls Eis, doch Bobbys Konsum war in der Tat unnatürlich. Dass der davon nicht fett wird! Er erwartete, dass sich nun vielleicht ein Gespräch zwischen ihnen entwickeln würde, doch Bobby schien den Eisbecher interessanter zu finden als ihn. Na klasse… John wandte sich wieder zu seinem mammuthaften Berg an schmutzigem Geschirr (in Wahrheit war es gar nicht mehr so viel, aber er konnte einfach keine dreckigen Teller mehr sehen). Bobbys Schweigen trug nicht gerade dazu bei, seine aufkommende Verzweiflung angesichts dieser nicht enden wollenden Arbeit zu mildern. Unmotiviert tauchte er den Teller mit der Tomatensoße in das Spülbecken und hielt ihn dabei so verkrampft unter Wasser, als hätte er ihn zu seinem persönlichen Feind auserkoren. Doch in Wirklichkeit ging es ihm nicht um diesen hartnäckigen Fleck auf dem Teller. Er konnte die Spannung im Raum spüren, seit Bobby ihn betreten hatte. Zu gerne wollte er etwas sagen, doch er wusste nicht was. Alles hörte sich in seinen Ohren so dumm und belanglos an, dass er gar nicht erst wagte, es auszusprechen. Früher hätte er sich um so etwas nie Gedanken gemacht. Er sprach für gewöhnlich immer frei nach Schnauze, aber in dieser Situation hatte er Angst, es bloß zu vermasseln. Diese Unsicherheit kannte er nicht und sie machte ihn fertig. Der Teller rutschte ihm aus der Hand. John stöhnte leise. Hinter sich konnte er Bobby seufzen hören. Vermutlich rollte dieser gerade seine Augen, doch er sagte nichts. Wahnsinnig hilfreich bist du da, Bobby Drake, zischte er ihm gedanklich zu. Er fühlte sich von dem Eismutanten beobachtet, doch als er sich zu ihm umwandte, blickte dieser bloß in eine Zeitschrift, die auf der Küchentheke lag und schaufelte dabei das Schokoladeneis in sich. Erstick doch dran! Er fischte den Teller wieder aus dem schaumigen, vom Fett schon glibberigen Wasser und stellte widerwillig erfreut fest, dass der Fleck sich im Wasser aufgeweicht und nahezu selbstständig gelöst hatte. Wenigstens etwas! Verspannt blickte er zu dem restlichen schmutzigen Geschirr und nahm sich einen weiteren Teller vom Stapel. Er hatte immer noch das Gefühl, Bobbys Blick in seinem Rücken zu spüren, doch er wandte sich nicht ein weiteres Mal um. Dass der Barhocker an der Theke über die Fliesen geschoben wurde, nahm er nur unterschwellig wahr. Zu sehr war er mit dem Teller in seiner Hand beschäftigt, und damit, möglichst nicht über Bobby nachzudenken. Entsprechend erschrak er, als er ihn plötzlich aus den Augenwinkeln neben sich stehen sah. Fast hätte er wieder einen Teller fallen lassen. Diesmal wäre er jedoch nicht im Spülbecken gelandet. John blickte auf Bobbys Hand, die sich ihm geöffnet entgegen streckte, ehe seine Augen zu dessen Gesicht wanderten. Bobby sah resigniert aus, so als hätte er irgendetwas aufgegeben – oder vielleicht konnte er es auch bloß nicht mehr ertragen, John beim Spülen zuzusehen. Zugegeben, in Haushaltsangelegenheiten war er nicht gerade vorzeigbar. „Gib schon her“, meinte Bobby auf den Spüllappen deutend. Es war das erste Mal, dass er mit John sprach, seit er das Klassenzimmer verlassen hatte. John schluckte. „Du brauchst mir nicht helfen.“ Er konnte das hier auch allein. Er brauchte keine Almosen. Andererseits, wenn er sich den Stapel schmutzigen Geschirrs neben Bobby genauer ansah und an den noch größeren Stapel sauberen Geschirrs hinter sich dachte, der teils noch abgetrocknet und in die Schränke sortiert werden wollte, wusste er, dass er ein wenig Hilfe ganz gut gebrauchen könnte. Kapitulierend reichte er Bobby das Spültuch und wich einen Schritt zur Seite. „Das ist reiner Eigennutz“, meinte Bobby, wohl zu sich selbst nickend und nahm einen weiteren Teller vom Stapel. „Eigennutz?“ „Äh… ja.“ – Bobby zögerte einen Moment, dann sprach er weiter: „Nicht, dass du noch Albträume über schmutziges Geschirr bekommst. Dann wälzt du dich die ganze Nacht von links nach rechts und ich kann nicht schlafen.“ Johns Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. Das war eine der faulsten Ausreden, die er jemals gehört hatte. Doch es fühlte sich verdammt gut an, dass Bobby ihm nun half. „Du könntest abtrocknen, John.“ Der Feuermutant schreckte hoch. Das war ihm irgendwie gar nicht in den Sinn gekommen. „Ja, … klar!“ Er schnappte sich ein Handtuch und stellte zufrieden fest, dass ebenso wie gestern die meisten Teller und Töpfe bereits getrocknet waren. Also entschied er sich, damit anzufangen, diese schon mal in die Schränke zu räumen. „John?“ Bei der Nennung seines Namens zuckte er innerlich zusammen. Erwartungsvoll drehte er sich zu Bobby um, doch dieser schenkte ihm nur einen höchst irritierten Blick. „Nur mal so ne Frage… hast du all das mit demselben Wasser gespült?“ John nickte. „Klar.“ Bobby zog die Augenbrauen hoch und aus irgendeinem Grund blickte er höchst skeptisch und ein wenig angewidert ins Wasser. John kräuselte die Stirn. War daran jetzt irgendetwas falsch gewesen? Bobby murmelte undeutlich etwas vor sich hin, doch John meinte so viel wie „na, auf die letzten zehn Teller kommt es auch nicht mehr an“ verstehen zu können. Vielleicht hätte er das Wasser zwischendurch mal wechseln sollen? Die Idee war ihm gar nicht gekommen. Im Nachhinein kam es ihm aber gar nicht so dumm vor, wenn er bedachte, wie schmierig und schmutzig das Wasser bereits nach den ersten Minuten gewesen war. Doch das Spülwasser und das Geschirr interessierten ihn gerade reichlich wenig. Innerlich wollte er schon in Höchststimmung auflaufen. Dass Bobby ihm half, erleichterte ihn ungemein. Es nahm ihm zwar nicht gänzlich diese nervige Unsicherheit, doch es war schon mehr, als sie die letzten Tage vollbracht hatten. So wütend konnte Bobby also nicht mehr sein, oder? Die Tatsache, dass sich dadurch nicht ihre momentanen Probleme lösten, verpasste ihm allerdings einen Dämpfer. Er räumte die Töpfe in den Schrank und schloss die Tür. Nachdenklich kehrte er zu Bobby zurück, nahm sich erneut das Handtuch und begann, die verbleibenden Teller und Gläser abzutrocknen. Sie arbeiteten einige Augenblicke schweigend vor sich hin, ehe John plötzlich in seinen Bewegungen innehielt. Seine Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Das hier war seine Chance! Er sollte sie nutzen. Doch er wollte es nicht vermasseln; wie sollte er bloß anfangen? Er spürte Bobbys verwunderten Blick auf sich. „Was ist los?“ Du musst was sagen, ermahnte John sich und atmete tief ein, während er sich zu Bobby drehte. Sein Herz schlug schnell gegen seine Brust; ein Klumpen bildete sich in seinem Hals und er holte ein weiteres Mal tief Luft, als wollte er sich davon befreien. Sein Hals fühlte sich mit einem Mal kratzig und schwer an. „Es… es tut mir Leid, … was ich gesagt habe“, purzelten die Worte plötzlich stockend aus seinem Mund. „Und auch… wie ich dich behandelt hab.“ Schweigen. Das war es jetzt gewesen? Für die mickrigen 15 Worte hatte er sich die letzten beiden Tage abgemüht und fast graue Haare vom Grübeln bekommen? War ja jetzt gar nicht so schwer, gestand er sich anerkennend und musste aufpassen, dass er vor Erleichterung nicht gleich in Ohnmacht fiel. Auch Bobby sah ein wenig so aus als, als hätte man ihm soeben eröffnet, dass Hank und Wolverine in Wahrheit Frauen waren und eine lesbische Beziehung führten. Er blickte John vollkommen perplex an und stand so schockgefroren da, als könnte er kaum fassen, was er soeben gehört hatte. John war ebenso erstaunt über sich selbst. Er hätte niemals gedacht, dass er es fertigbringen würde, diese Worte zu sagen. Doch mit einem Mal hatte sein Hirn ausgesetzt und die Worte waren einfach aus seinem Mund gekommen. Wie war das passiert? Er wusste es nicht. Er hatte sich nur so erleichtert, so beflügelt gefühlt, als Bobby ihm plötzlich seine Hilfe angeboten und ihm damit gezeigt hatte, dass die Distanz zwischen ihnen doch nicht unüberbrückbar war. Bobby war einen Schritt auf ihn zugegangen. Offensichtlich bedurfte es manchmal Hilfe von der anderen Seite der Mauer, um sie zum Bröckeln zu bringen und den Stolz zu überwinden. „O-okay“, entkam es Bobby und er schien fast fragen zu wollen, ob John dies noch mal wiederholen könnte, doch er tat es nicht. Und John war froh darum, denn er war sich nicht sicher, ob er es noch mal geschafft hätte. Irgendwie wartete John innerlich auf eine Antwort von Bobby, doch dieser schien nichts sagen zu wollen oder zu können. Er wandte sich offenbar lieber wieder dem Spülbecken zu. John fühlte sich unbehaglich. Er hatte das Gefühl, noch etwas sagen, mehr erklären zu müssen, doch es war ihm schon schwer genug gefallen, sich zu entschuldigen. Das auszuführen, brachte er nicht über sich. „Ich meine es ernst“, beteuerte er und konnte die Unsicherheit in seiner Stimme nicht ganz verstecken. Bobby blickte auf und drehte seinen Kopf zu ihm. Er mühte sich ab, John ein Lächeln zu zeigen. „Ich weiß.“ Er schlug John mehrmals federleicht auf die Schulter, als wollte er ihm versichern, dass alles in Ordnung war. John entspannte sich ein wenig. Bobbys Berührung fühlte sich gut an. Doch als Bobby sich wieder dem Spülen zuwandte, hatte er das Gefühl, seine Entschuldigung würde nicht genügen, um die Situation zwischen ihnen zu kitten. Er versuchte sich darauf zu besinnen, warum in den letzten Wochen so viel zwischen ihnen falsch gelaufen war und kam bei dem Kuss an, den Bobby ihm so unvorhersehbar aufgedrückt hatte. Er war so wütend gewesen. Doch seitdem hatte er viel über diese flüchtige Berührung ihrer Lippen nachgedacht und sich gefragt, wie es sich wohl angefühlt hätte, wenn er darauf vorbereitet gewesen wäre. Sein Blick wanderte zu Bobby, der nun den letzten Teller aus dem Wasser zog und nach dem Schrank über der Spüle griff, um die Trinkgläser einzuräumen. Dann hielt er in seiner Bewegung inne. Er drehte sich ein wenig, sein Blick fiel auf seinen Ellenbogen. Als John diesem Blick folgte, sah er, dass er wohl ohne es zu bemerken seine Hand auf Bobbys Arm gelegt hatte. Sie sahen beide wieder auf und ihre Blicke begegneten sich. John spürte, wie sein Herz begann schneller gegen seine Brust zu schlagen und sich in seinem Magen ein nervöses Gefühl breitmachte. „Ich mein es wirklich ernst“, versicherte er ihm ein weiteres Mal mit Nachdruck. Bobby wirkte immer noch recht irritiert, doch seine Lippen zeichneten ein leichtes Lächeln, das nun authentischer wirkte als zuvor. „Ja, ich glaub dir das.“ Falls er noch etwas hinzufügen wollte, so verstummte er nun, als John ihm näher kam. Ohne darüber nachzudenken legte der Feuermutant seine Hand in Bobbys Nacken. Bobby war nur unwesentlich größer als er, doch die paar Zentimeter zog John ihn zu sich herunter. Ehe einer der beiden darüber nachdenken konnte, was hier geschah, lagen ihre Lippen aufeinander. Das Gefühl war elektrisierend, doch verschwand auch ebenso schnell wieder, als Bobby überrascht zurückzuckte. John vernahm ein schmerzerfülltes Stöhnen von seinem Gegenüber. Bobby hatte sich offenbar den Kopf an der geöffneten Schranktür gestoßen. So dumm es in dieser Situation wirkte, John musste sich wirklich zusammenreißen nicht loszulachen, als er Bobbys zerknirschtes Gesicht sah. Die Augenbrauen des Eismutanten waren zusammengezogen, die Hand auf die schmerzende Stelle an seinem Hinterkopf gepresst. „Du willst mich küssen und ich ende im Eis. Ich will dich küssen und du stößt dir den Kopf. Wir müssen etwas falsch machen, Drake, wenn sich einer von uns immer weh tut“, platzte es fast schon amüsiert aus ihm heraus. Wäre er in diesem Moment innerlich nicht viel zu aufgeregt, würde er sich vermutlich beglückwünschen, dass „Old Bad Boy John“ seinen Weg zurück gefunden hatte – oder zumindest seine große Klappe. Bobby schenkte ihm ein trockenes „Ha ha“ und zog einen Mundwinkel hoch. Offensichtlich tat sein Kopf wirklich weh. John jedoch konnte dies nicht trüben. Er griff an dem anderen vorbei und schloss die Schranktür, trat dabei wieder einen Schritt näher an den Eismutanten heran. Die Nähe zwischen ihnen wirkte anregend. Die Luft knisterte. Bobby hob seinen Blick langsam wieder, um den von John zu treffen. Seine Hand sank langsam von seinen Kopf hinab. John hatte das Gefühl, ihm würde die Luft wegbleiben. Er schluckte trocken, ehe er sich abermals vorlehnte und seine Hand wieder in Bobbys Nacken legte, wo sie auf die es Eismutanten traf. Ihre Lippen trafen aufeinander und lagen für einen Moment dicht aneinander gepresst. John entkam ein leises Seufzen, doch es fühlte sich an, als würde mit einem Mal alle Luft aus seinen Lungen gepresst. Er löste sich kurz wieder von Bobby, lediglich wenige Millimeter, um ein wenig Atem zu bekommen. Dann vereinte er ihre Lippen erneut miteinander. Er begann seine Lippen zu bewegen, spürte wie Bobby dies nach wenigen Augenblicken erwiderte. Sein Herz überschlug sich fast. Er spürte Bobbys Hand auf seinem Rücken. Er lehnte sich vor. Der Kuss intensivierte sich. Ihre Lippen küssten einander zärtlich, jeder versuchte den anderen ein wenig zurückzudrängen und die Dominanz zu wahren. Bobbys Lippen fühlten sich kühl an, aber weich und samtig. John spürte wie Bobbys Finger ihren Griff ein wenig verstärkten und ihn näher an den Eismutanten zogen. Atemlos löste er ihren Kuss langsam und öffnete seine Lider, von denen ihm gar nicht bewusst gewesen war, dass er sie halb geschlossen hatte. Bobbys Wangen wirkten leicht gerötet und John hatte das Gefühl, ihm ging es nicht anders. Zumindest war ihm recht warm geworden. Sich auf die Lippen beißend spürte er plötzlich wieder diesen Klumpen in seinem Magen. „Wow“, murmelte er leise. Mit einem Mal wusste er nicht mehr, ob es wirklich richtig gewesen war, Bobby zu küssen. Er konnte nicht einmal einschätzen, was er bei diesem Kuss empfunden hatte. Ihm war bewusst, dass er diesen Kuss initiiert und bestärkt hatte, doch alles in ihm schien plötzlich so taub zu sein. Mit einem Mal fühlte er sich nicht mehr sonderlich wohl in der Gegenwart des anderen. „Ähm…“ Er hatte das Gefühl, etwas sagen und diesen Kuss erklären zu müssen, doch ihm fiel nichts ein. Instinktiv trat er einen Schritt von Bobby zurück. In dem Blick des anderen sah er die gleiche Verwirrung, die er auch selbst fühlte. Fahrig strich er sich über das mit einer Gelschicht an den Kopf gepappte Haar. Bobbys Anwesenheit wirkte erdrückend. Er fühlte sich unwohl und wollte raus hier. Alles in ihm schrie nach Flucht. Und Bobby schien zu überrascht, um reagieren zu können. „Mir fällt gerade ein, ich hab in unserem Zimmer die Heizung noch gar nicht angemacht!“, sagte John schnell und ging zwei weitere Schritte rückwärts. Er sah Bobby die Stirn runzeln. „Ich… ich denke, ich geh eben schnell und dreh sie auf. Ist ja so kalt draußen… und so“, erklärte John hastig und zögerte noch einen unschlüssigen Moment lang, ehe er sich umdrehte und sich eilig aus der Küche entfernte. Bobby starrte ihm ungläubig hinterher. Was war das denn nun gewesen? Seine Lippen fühlten sich merkwürdig fremd an, seine Brust war schwer. Tief atmete er ein, doch so recht wollte er nicht zu Luft kommen. Er drehte sich wieder, um sich mit den Händen auf die Theke stützen zu können. Dabei fiel das saubere, teils noch mit Wasser und Schaum bedeckte Geschirr in seinen Blick. „Na toll“, murmelte er seufzend. John würde wohl kaum wieder kommen. Resignierend griff er nach dem Handtuch und begann damit, die noch nassen Sachen abzutrocknen. Ermattet machte Bobby sich zurück auf den Weg in sein und Johns Zimmer. Seine Hände fühlten sich so schrumpelig an, als wären ihm Schwimmhäute gewachsen. Bis zum Frühstück wollte er jedenfalls keine Teller und Tassen mehr sehen, nicht einmal einen Löffel! Er konnte durchaus verstehen, warum John gestern Abend so entnervt und schweigend in ihr Zimmer zurückgekehrt war. Spülen, Abtrocknen, Einräumen – das war auch nicht sein Traum-Job. Aber es war Johns Strafe, nicht seine. Doch Bobby versuchte nicht einmal, dem Feuermutanten ernsthaft böse zu sein. Er hatte heute Nachmittag bereits gemerkt, dass er sich nicht dazu eignete, andere Leute zappeln zu lassen oder ihnen gar die kalte Schulter zu zeigen. Seine Gefühle fuhren mit ihm Achterbahn. Daher war ihm auch jetzt schon klar, dass John ihn vermutlich gleich einfach nur einmal scheel angrinsen musste und schon würde er wieder vergessen, warum er eigentlich wütend auf ihn sein wollte. Du bist zu gutherzig, Bobby, einfach zu gutherzig, sagte er sich selbst innerlich seufzend und setzte seinen Weg fort. John derweil hatte die Zeit mit etwas sehr Sinnvollem verbracht: aus dem Fenster zu starren und dabei nachzudenken – etwas, das er in letzter Zeit ja ach-so-selten getan hatte! Könnte glattweg sein neues Hobby werden, wenn es mal zu etwas Produktivem führen und nicht immer nur Kopfschmerzen verursachen würde. Dass er Bobby dem Geschirr überlassen hatte, kümmerte ihn reichlich wenig. Um ehrlich zu sein, war es ihm nicht einmal aufgefallen, als er Hals über Kopf aus der Küche gestürmt war. Ihm war klar, dass dies nicht sonderlich nett war, doch er hatte Bobbys Nähe einfach nicht mehr aushalten können. So komisch es klang, der Kuss mit Bobby hatte ihm Angst gemacht. Und dabei hatte er ihn selbst gewollt und die Initiative ergriffen. Wenn er jetzt im Nachhinein darüber nachdachte, bescherte es ihm augenblicklich ein kribbelndes, warmes Gefühl in der Magengegend. Es hatte sich toll angefühlt, Bobbys Lippen an seinen eigenen zu spüren. Und vielleicht war es genau das, was ihm solche Angst machte. Der Kuss hatte ihm gefallen. Aber was bedeutete das? War Bobby bloß einfach gut im Küssen oder hieß das, er war schwul? John war sich durchaus im Klaren darüber, dass er für Bobby mehr empfand als nur Freundschaft und auch, dass dieser Kuss nicht bloß so aufregend gewesen war, weil er neu war. Doch warum sollte er sich plötzlich für einen Jungen interessieren? Und dann ausgerechnet auch noch für Bobby, den er seit Jahren kannte. Er hatte ja nicht einmal das Gefühl, für Bobby großartig anders zu empfinden als sonst. John raufte sich die Haare, welche nassfeucht an seinem Kopf klebten, in einzelnen Strähnen aber immer wieder in sein Gesicht rutschten. Es war verrückt. Zum einen wollte er nichts lieber, als Bobbys Nähe und zum anderen wünschte er sich, er könnte ewig vor ihm davonlaufen. Seine Gefühle überforderten ihn. Sich das einzugestehen, fiel ihm schon schwer. Die Möglichkeit aber, dass er schwul war oder zumindest bisexuell, kam ihm so weit hergeholt vor, dass er nicht verstand, was genau er nun an Bobby fand. Das ist doch alles Scheiße, verfluchte er sich und das Gefühlschaos, in dem er sich befand. Lethargisch blickte er aus dem Fenster. Er zuckte nicht einmal zusammen, als sich die Tür öffnete. Auch ohne sich umzudrehen, wusste er, dass es Bobby sein musste. Bobby entdeckte John auf der breiten Fensterbank sitzend. Offensichtlich blickte er hinaus in die Dunkelheit des Schulgeländes, doch Bobby bezweifelte, dass John mehr sehen konnte, als die Reflexion seiner Selbst, die sich aufgrund der Beleuchtung im Zimmer im Fenster spiegelte. Er schloss die Tür hinter sich und starrte auf Johns Rücken. Er erwartete eine Erklärung für all das, was in der Küche passiert war. Dass John sich entschuldigt hatte, war schon wie ein kleines Weltwunder gewesen. Er hatte die Hoffnung ja schon beinahe aufgegeben, so etwas jemals aus Johns Mund zu hören, doch die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Doch der Kuss? Bobby konnte sich kaum einen Reim darauf machen. Ein kleiner Teil in ihm hoffte natürlich, dass John die gleichen Gefühle empfand wie er auch. Doch der größere Teil in ihm war verwirrt. John hatte schließlich bisher nicht einmal ansatzweise etwas in der Richtung angedeutet, zumindest nichts, was für Bobby ersichtlich gewesen wäre. Und nun dieser Kuss; nicht bloß ein kleines Küsschen, sondern ein richtiger Kuss. Natürlich könnte Bobby sich jetzt sagen, es war genau das, was er gewollt hatte und ja, in gewisser Weise war es das auch. Der Kuss war toll gewesen. Viel mehr wollte er aber nun Klarheit. Als er jedoch nun so auf Johns Rücken starrte, wurde ihm klar, dass dieser sich vermutlich wieder in Schweigen hüllen würde. Warum sollte er ihn auch jemals an seiner Gedanken- und Gefühlswelt, – von der Bobby wenigstens ausging, dass John sie hatte, immerhin war kein Roboter – teilhaben lassen? Nein, das wäre ja zu einfach!, dachte Bobby zynisch und erschrak selbst darüber, wie frustriert er schon wieder in seinen Gedanken klang. Vielleicht hätte er den Becher Schokoeiscreme gleicht mit nach oben nehmen sollen (angemerkt sei: sein Magen meldete sich daraufhin mit einem wütenden Gluckern!) Und während er so auf den stummen und bewegungslosen John starrte, bemerkte er dessen nasse Haare. Ne! Der war jetzt nicht allen Ernstes seelenruhig duschen, während ich da unten seinen Kram weggeräumt hab?! – er sollte John etwas an den Kopf werfen, definitiv! Doch ehe er wirklich den Entschluss dazu fassen konnte (er hätte es ja doch nicht getan), drehte John sich um und rutschte von der Fensterbank hinunter. Oh – mein – Gott! Es – lebt ! Herrlich, wie sarkastisch man werden konnte, wenn man sich nur lang genug in Johns Nähe aufhielt. Ach ja, da isser ja wieder!, schoss es John – gemeiner Weise – durch den Kopf. Der Egoismus hatte ihn wieder, denn er fand, Bobby hätte ihm ruhig noch etwas mehr Zeit mit sich und seinem rotierenden Gehirn lassen können. Reichte ja schließlich schon, wenn er seine Gedankenwelt beherrschte, da musste er nicht auch noch in Person stören. Als Bobby ihm jedoch ein „Hey John, die Küche ist jetzt übrigens aufgeräumt“ zuwarf, wurde ihm schlagartig bewusst, dass er Bobby mit seiner Strafarbeit hatte sitzen lassen. Und ja, da war jetzt die Spur eines schlechten Gewissens. Auch so ein Nebeneffekt, den Bobby auf ihn hatte. Nicht, dass sein Gewissen sich nicht auch früher schon mal in unregelmäßigen Abständen gemeldet hatte, aber seit es Bobby und diese Gefühle gab, war es wesentlich anhänglicher geworden. Theatralisch gesehen: Bobby machte aus ihm einen Softie! Er macht aus dir einen schwulen Softie, John, erinnerte ihn eine hämische Stimme in seinem Kopf und war es ein erstes Anzeichen von Wahnsinn, dass er dachte, sie könnte boshaft lachen?! Doch zurück zu Bobby, welcher ihn – zurecht – ein wenig gereizt ansah. „Ähm ja, sorry. Das war… irgendwie… also keine Ahnung“, gab er zusammenhanglos von sich und sah Bobby mit den Augen rollen. „Na ja, ich fand eh, du konntest besser spülen als ich!“ Falls das ein Kompliment sein sollte, empfand Bobby dies wohl keinesfalls so. Stattdessen winkte er ab und ging auf sein Bett zu. Bei Bobby war es nie ein gutes Zeichen, denn diese abfällige Abwink-Geste hieß nur, dass er ihm zu blöd war, weiter zu diskutieren. Leider nicht, dass er nicht mehr wütend war. Dazu kannte John ihn mittlerweile zu gut. „Okay, ich weiß, das war scheiße. Immerhin war das mit dem Spülen mein Problem“, sagte er und es wäre wohl der perfekte Zeitpunkt gewesen, sich bei Bobby für dessen Hilfe zu bedanken, doch John verpasste seinen Einsatz. Er hörte den Eismutant seufzen. „Schon in Ordnung.“ „Wirklich?“ „Ja, ja.“ – wie schon gesagt, Bobby konnte eh nicht lange böse sein. Erschöpft von dem ganzen Tag und ihren Problemen drehte er sich um, und erblickte John, der mittlerweile in der Mitte des Raumes stand. Wenn er ihn da so stehen sah und an den Kuss zurückdachte, wollte er am liebsten zu ihm marschieren, ihn an sich reißen und in einen erneuten Kuss ziehen. Es kam ihm vor, als hätte er nun Blut geleckt und wäre gleich süchtig danach geworden. Die ganze Zeit hatte er sich mit seinen Gefühlen zurückgehalten, was ihm, bis auf das eine Mal, auch gut gelungen war. Doch nun hatte John ihn geküsst, nicht andersherum. Und die Sehnsucht, es wieder zu erleben, machte ihn nun fast wahnsinnig. Langsam ging er auf John zu und blieb schließlich mit einem leichten Abstand vor ihm stehen. „Vergiss es einfach, okay? Ich räum dir immerhin auch manchmal deine Klamotten hinterher.“ Das entsprach der Wahrheit, aber Bobby wollte schließlich manchmal auch den Teppichboden sehen. „Stimmt schon“, meinte John ein wenig amüsiert und zeigte ein für ihn so typisches Grinsen. Bobby hatte das Gefühl, sein Herz würde Flügel kriegen. Sich zusammennehmend wagte er es, einen Schritt näher auf John zuzugehen und so die natürliche Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. Doch noch ehe er ihm wirklich zu nah kommen konnte, wich John ihm zur Seite aus. Bobby konnte sein Verhalten nicht deuten. Erst küsste er ihn und nun wich er zurück, wenn Bobby ihm auch nur einen Zentimeter zu nah kam? Was fürchtete er? Dass Bobby ihn noch mal küssen würde? Nach dem, was Bobby beurteilen konnte, schien John von ihrem Kuss nicht allzu abgeneigt zu sein. Wieso also flüchtete er nun vor ihm? „Alles okay?“, fragte er nach und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme ein wenig argwöhnisch dabei klang. John dagegen wirkte nervös. „Ja klar, hm, ich hab nur gedacht, ich könnt im Wohnzimmer noch etwas durch das Nachtprogramm zappen. Vielleicht läuft ja etwas Gutes.“ Bobby nickte. John floh also mal wieder aus der Situation. Das war so typisch! Doch er würde ihn nicht aufhalten. Er sah keinen Vorteil für sich, wenn er ein Gespräch erzwang. Es würde nur wieder darin enden, dass sie genau da ankamen, wo sie heute Morgen noch gewesen waren. Er vermied es, John anzusehen, doch er merkte, wie dieser sich der Tür näherte und die Klinke betätigte. Doch dann schien John innezuhalten. Neugierig wandte Bobby sich um und merkte, wie auch John seinerseits sich wieder zu ihm drehte. „Lust, mitzukommen?“, fragte John ihn schließlich und Bobby war davon so überrascht, dass er erst nicht wusste, was er sagen sollte. „Allein über all die Idioten im Fernsehen zu lachen, ist doch langweilig.“ Bobby schmunzelte ein wenig. Vielleicht war es nicht seine Anwesenheit, die John störte, sondern die Nähe, die sich durch den Kuss zwischen ihnen gebildet hatte. Vielleicht verwirrte es ihn selbst genauso sehr wie Bobby. Vielleicht brauchte er einfach nur Zeit. Vielleicht sollten sie an diesem Abend einfach nur mal Freunde sein. „Klar“, war seine Antwort. Er setzte er sich in Bewegung. Late Night Talkshows mit John – das waren doch rosige Aussichten. TBC Gänzlich überzeugt bin ich ja selbst noch nicht von diesem Kapitel, aber ich bin mal gespannt auf eure Kommentare. Es tut mir Leid, dass ihr mal wieder solange hierauf wartet musstet. Hoffentlich hat es euch dann wenigstens gefallen :) Ich versuche das nächste Kapitel noch dieses Jahr fertigzustellen, vielleicht zu Weihnachten. Vorher steht jedoch noch ... **blink, blink: hier ist Platz für Ihre Schleichwerbung** ... ein "Supernatural"-OneShot auf dem Plan (*Jele zuwink*) und angesichts der letzten Wartezeiten möchte ich auch hier lieber nichts versprechen xD" So langsam nähern wir uns aber dem Endspurt. Ich denke, es werden noch 2-3 Kapitel und ein Epilog folgen. Wer mich kennt, hat vielleicht verstanden, was ich durch Bobbys Zwiegespräch mit seinem Magen andeuten wollte xD Im Übrigen frage ich mich, was aus Bobbys Pott Eis geworden ist, den er sich aus dem Kühlschrank geholt hatte. Irgendwie hab ich den danach nicht mehr erwähnt. Sagen wir einfach, er hat ihn zurück ins Gefrierfach gesteckt und John hat es nicht mitbekommen *LOL* Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Bobby ihn draußen stehen lassen würde. So ne Verpeiltheit ist Johns Aufgabe xD Jetzt wünsch ich euch jedenfalls erst mal eine schöne Woche! Bis zum nächsten Kapitel, motte Kapitel 16: Annäherungen ------------------------ Hallöchen zusammen! Oh Gott, mal wieder hat es gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis das Kapitel fertig war und zu meiner Schande muss ich gestehen, es dann auch noch eine Woche liegen lassen zu haben. Aber ich bin beruflich in letzter Zeit einfach zu sehr eingespannt und dazu auch noch zu unmotiviert, zu schreiben. SORRY. Jedenfalls... nun ist das Kapitel fertig und hui, es schrieb sich schneller runter als erwartet. Ich hoffe trotzdem, dass es der Qualität des Kapitels keinen Abbruch getan hat ;) Wünsch euch viel Spaß beim Lesen und danke für die Kommis zum letzten Kapitel, obwohl ich hier so lahm voran komm wie eine Schnecke am Weinberg. Kapitel 16: Annäherungen Der Himmel war voller dicker, weißer Wolken als Bobby am Fenster seines Zimmers stand und starr hinaus blickte, ohne auch nur wirklich etwas von der weißen Pracht wahrzunehmen, welche die Welt um ihn mittlerweile überzogen hatte. Allein in der Nacht hatte es so stark geschneit, dass nun mindestens 7 Zentimeter Schnee lagen. Eigentlich ein Grund für Bobby, nach draußen zu gehen und dem geliebten Knirschen unter seinen Schuhen zu lauschen, doch die Motivation konnte er nicht aufbringen. Es war bereits zwei Tage her, seit John ihn in der Küche geküsst hatte, doch seitdem hatte der Feuermutant das Thema beharrlich gemieden. Bobby konnte sich vorstellen, was seit dem Kuss in John vorging. Immerhin war er selbst lang genug verwirrt gewesen, als er seine Gefühle für John bemerkt hatte. Er hatte sich geschworen, John alle Zeit der Welt zu geben, doch die Ungewissheit nagte an ihm. Was hatte dieser Kuss zu bedeuten? Erwiderte John seine Gefühle nun? Oder war es ein einmaliger Ausrutscher gewesen? Insgeheim hatte Bobby sich erhofft, dass der Kuss die Dinge zwischen ihnen klären würde, doch stattdessen hatte er alles nur komplizierter gemacht. Ihr Streit hatte sich zwar gelöst und sie gingen weitestgehend normal miteinander um, doch ob zwischen ihnen wirklich mehr war als bloß Freundschaft – das stand weiterhin in den Sternen. Die Tür hinter ihm öffnete sich und Bobbys Rücken spannte sich an. „Gott, irgendwer hat ein furchtbar pervers stinkendes Duschgel. Irgendwie nach Rosen, Tulpen oder so was… ich dachte, das wäre ein Jungenbad!“, hörte er John mosern und musste innerlich mit den Augen rollen. Solche Aussagen waren zwar typisch John, aber nicht das, was Bobby eigentlich aus dem Mund des Feuermutanten hören wollte. „Und du hast es trotzdem überlebt, in diesem mit Rosenduft verpesteten Raum zu duschen?“, gab er trocken zurück und drehte sich langsam zu John. Dessen Haare waren zwar schon trocken, offensichtlich hatte er sie – oh Wunder – mal geföhnt, doch sie waren noch nicht mit seiner Megaschicht Gel an seinen Kopf gepappt. Ein seltenes Bild. Aus irgendeinem Grund fiel Bobbys Blick auf den kaum sichtbaren Ansatz in Johns Haaren. Normalerweise fiel es unter all dem Gel nicht sonderlich auf, dass John sich seine Haare brünett gefärbt hatte, um das Blond aus seinen Haaren zu bekommen; zumal der Braunton dem glich, den John schon von Natur aus hatte. Doch das Licht der Deckenlampe ließ sie unterschiedlich schimmern. Bobby wusste nicht warum, aber er fand es irgendwie interessant. „Oh ja, aber nur unter Aufbietung meiner gesamten, männlichen Kampfeskraft – und unter Zuhalten meiner Nase“, erwiderte John mit einem scherzenden Grinsen auf dem Gesicht und brachte Bobby somit doch zum Schmunzeln. In seinem Kopf entstand ein Bild von John unter der Dusche, wie er sich mit nur einer Hand die Haare schamponierte, weil er sich mit der anderen Hand die Nase zuhalten musste. Und nein, er dachte nun nicht weiter an Johns nackten Körper, obwohl er über diesen schon oft genug fantasiert hatte. Innerlich räusperte er sich und lehnte sich gegen die Fensterbank. Schweigen legte sich über sie, während Bobby John dabei beobachtete, wie dieser auf den Kleiderschrank zuging und Jeans und Pullover herausnahm. Frustriert stellte Bobby fest, dass der Kuss wohl wieder kein Thema werden würde. Dabei fand er, war John ihm durchaus eine Erklärung schuldig. Er wusste wie Bobby für ihn empfand und hatte ihn trotzdem geküsst. Es war vielleicht unfair von ihm, doch seine Geduld neigte sich langsam dem Ende zu. Er wollte Antworten. Er fürchtete zwar, diese könnten negativ ausfallen, doch selbst eine erneute Abweisung wäre besser, als dauernd darüber zu sinnieren, was der Kuss bedeuten könnte. Bobby seufzte innerlich. Er wollte John nicht bedrängen, doch sein Wunsch nach zumindest einem kleinen Zeichen war in den letzten beiden Tagen so groß geworden, dass er es kaum noch aushielt. Er blickte zu John, der gerade die Schnalle an seinem Gürtel schloss. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt… Tief einatmend entschloss er sich, selbst einen Schritt zu wagen und löste sich von der Fensterbank. Er ging einige Schritte in Richtung John, als er ihn mit seinem Namen ansprach. „Hm?“, kam es fragend von diesem, ohne jedoch dabei zu Bobby zu blicken. Bobby bemerkte, wie eine gewisse Nervosität sich in ihm breit machte. Sein Herz schlug schneller gegen seine Brust und sein Atem stockte für einen Moment. „John, wegen dem Kuss… wir haben nicht mehr darüber gesprochen, seit es passiert ist“, versuchte er das Thema so sachte wie möglich anzufangen und meinte doch, John kurz zusammenzucken zu sehen. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Über die Schulter halb in Bobbys Richtung blickend ließ John die Hand, in der er seinen Pullover hielt, sinken und vermied es offensichtlich, Bobby direkt ins Gesicht zu sehen. „Bobby…“ – seine Stimme klang gequält, so als würde er das Thema hiermit am liebsten wieder abbrechen. „Denkst du nicht, wir sollten da mal drüber sprechen?“, fragte Bobby unbeirrt und ging einen weiteren Schritt auf John zu. Dieser ließ den Kopf wieder sinken und starrte auf den dunkelblauen Stoff in seiner Hand. Für einen Moment glaubte Bobby, John würde seine Frage einfach ignorieren, doch dann hörte er die Antwort: „Nicht jetzt.“ Bobby atmete seufzend aus. Er machte sich nicht mal die Mühe, es leise zu tun. So kommen wir doch nie weiter… „Wann denn dann?“, wollte er wissen und überbrückte mit dieser Frage die letzte Distanz zwischen ihnen. Zwischen seinem Oberkörper und Johns Rücken war nun vielleicht noch eine Hand breit Platz. Er merkte, wie John sich verspannte, doch er wich nicht zurück. „Ich weiß es nicht.“ „Wir können das Thema doch nicht totschweigen. Es ist okay, wenn du“ – Bobby zögerte einen Moment – „nicht so empfindest wie ich. Aber du hast mich geküsst.“ Mit einem leichten Klumpen im Magen spürte er Johns feine Haare seine Wange streifen, als dieser den Kopf seufzend ein wenig in den Nacken legte und an die Decke starrte. „Ich weiß.“ „Aber das muss doch einen Grund haben. Oder hast du mich einfach nur so geküsst?“ Seine Stimme klang fordernder als beabsichtigt. „Nein!“, antwortete John und klang dabei abweisend und beleidigt zugleich, doch auch so, als würde ihm bei diesem Gespräch nicht wohl sein. Bobby legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Es tat ihm Leid, gerade so harsch geklungen zu haben, doch auch er war frustriert. „Aber warum dann?“ Zaghaft versuchte er mit seiner Hand John dazu zu bewegen, sich zu ihm umzudrehen und war erstaunt, als der Feuermutant dies tatsächlich tat. Als er antwortete, starrte er auf einen Punkt unterhalb von Bobbys Schlüsselbein. „Ich bin mir nicht sicher.“ Bobby biss sich auf die Unterlippe. Er wusste nicht so richtig, was er darauf antworten sollte. Unbewusst wanderte seine Hand von Johns Schulter in dessen Nacken und strich dort leicht mit den Kuppen über die kleinen Härchen. Es fiel ihm erst auf, als John plötzlich seinen Kopf hob und ihre Blicke sich trafen. Da war es wieder. Dieses kribbelnde Gefühl, das er empfunden hatte, als er John das erste Mal halsüberkopf geküsst hatte. In sich spürte er wieder die Sehnsucht, John nah zu sein. Es war wie ein Déjà-vu, mit nur einem Unterschied: diesmal meinte Bobby, in Johns Augen das Gleiche zu sehen, was er selber empfand. Er zögerte nicht und beugte sich vor, vereinte ihre Lippen miteinander. Die Nähe fühlte sich so richtig an. Das Gefühl war berauschend, als John seinen Kuss plötzlich erwiderte und die warmen, weichen Lippen sich mit seinen bewegten. Seine Hand in Johns Nacken zog dessen Kopf näher zu sich, als ihre Lippen sich langsam öffneten. Es fühlte sich besser an als der Kuss in der Küche. Befreiender. Die ungeklärte, unbefriedigende Situation schien für einen Moment aus Bobbys Kopf zu verschwinden. Er hatte das Gefühl, sich in diesen Kuss fallen lassen zu können. Unbemerkt waren sie beide ein wenig zurückgetaumelt. Johns Rücken lehnte nun an den Regalbrettern des geöffneten Schrankes. Bobby spürte wie Johns Hand in den Stoff seines Oberteils griff und den Stoff ein wenig hochzog. Er spürte die kühle Luft an seiner Haut. Es war ein prickelndes Gefühl und er sehnte sich danach, Johns Finger dort zu spüren. Haut an Haut. Doch ein lautes Klopfen ließ sie aus ihrer Wattewelt fallen. Sie zuckten zusammen. „Jungs, beeilt euch. Frühstück!“, hörte Bobby draußen eine Mädchenstimme rufen und war sich, noch vollkommen benebelt von diesem kribbeligen Kuss, nicht ganz sicher, ob es wirklich die von Rogue war. Bobby spürte plötzlich Johns Hände an seinen Oberarmen. Sie schoben ihn langsam von dem Feuermutanten weg, bis dieser zwischen Bobby und der Schranktür hindurch schlupfen konnte. Bobby folgte ihm mit seinem Blick. Johns Wangen waren gerötet. Ihm fiel erst jetzt auf, dass ihm selbst auch recht warm war. Er beobachtete, wie John zu ihm zurückkehrte und den Pullover aufhob, den er während ihres Kusses wohl hatte fallen lassen. Ganz offensichtlich mied er Bobbys Blick. „Ich hab Hunger“, sagte John nicht gerade überzeugend. „Also komm schon, lass uns gehen, bevor das Beste weg ist.“ Mit diesen Worten wandte er sich von Bobby ab, während er sich im Gehen den Pullover über sein T-Shirt zog und das Zimmer verließ. Bobby starrte für einen Moment resignierend auf die dunkle Holztür. „Na super…“, murmelte er leise zu sich selbst. Er bereute keinesfalls den Kuss, den sie gerade geteilt hatten. Doch nun waren sie wieder am selben Punkt wie vor zwei Tagen. John hatte seinen Kuss erwidert. Und doch war das keine eindeutig klare Antwort. Viel mehr stellten sich nun die gleichen Fragen. Doch im Moment blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als John zum Frühstück zu folgen und wie immer so zu tun, als wäre nichts gewesen. Mal wieder saß er auf dem Dachboden. Sein Zufluchtsort. Natürlich kannte jeder diesen Ort. Es war das ehemalige Astronomiezimmer. Bobby hatte ihn hier Mitte der Woche aufgegabelt. Vermutlich wusste er längst, dass John sich hier aufhielt. Doch wenn der Eismutant nicht ganz dumm war, würde er diesmal nicht sofort nach ihm suchen. John brauchte einfach mal eine Auszeit von Bobbys Nähe, die ihm zwar nicht lästig war, aber zu viel wurde, in all dem Gedankenchaos, das sich schon wieder in seinem Kopf breit machte. Es mochte auf Bobby vielleicht so wirken, als hätte er das Thema – ihren Kuss in der Küche – vollkommen ignoriert, doch in Wirklichkeit hatte er die ganzen beiden Tage nur darüber nachgedacht. Selbst wenn er krampfhaft versucht hatte, nicht daran zu denken, hatten sich die Erinnerung und die zwiespältigen Gefühle immer wieder in seinen Kopf geschlichen. Er verstand sich selbst einfach nicht mehr. Immerhin hatte er Bobby geküsst. Nichts andersherum. Er hatte das gewollt. Sowie er gerade nur allzu bereitwillig Bobbys Kuss in ihrem Zimmer erwidert hatte. Er konnte vor sich selbst nicht mehr leugnen, dass es ihm gefiel. Und nicht nur das. Es machte ihn kribbelig. Wenn Bobby ihm so nah war, drehte er innerlich vollkommen auf. Der Kuss hätte ewig weitergehen können, wenn Rogue sie nicht gestört hätte. Und doch war er im Endeffekt sogar froh um die Unterbrechung. Er wollte sich nicht ausmalen, was noch alles hätte passieren können. Sie waren beide keine vierzehn mehr, hatten bereits ihre sexuellen Erfahrungen gesammelt und zumindest von sich selbst konnte John behaupten, dass er auch nicht gerade verklemmt war. Vermutlich wäre es nicht unbedingt zum Äußersten gekommen, aber der Kuss hatte ihn so angeregt, dass er Bobby am liebsten den Pulli über den Kopf gerissen hätte. Seine Gefühle überschlugen sich, wenn er nur daran dachte, seine Hände über Bobbys Oberkörper gleiten zu lassen. Doch genau das machte ihm Angst: die Vorstellung, mit einem anderen Mann Sex zu haben. Allgemein. Und vor allem auch mit Bobby. Ihm war mittlerweile schmerzlich bewusst, was für eine Wirkung der Eismutant auf ihn hatte. Aber er, John Allerdyce, und schwul? Das passte nicht in das Konzept, das er sich für sein Leben zurecht gelegt hatte. Er war der gefährliche Mutant, der das Feuer beherrschte, eine große Schnauze hatte und optisch ein bisschen aussah wie ein Rebell aus den 50er-Jahren. Das war so wie mit schwulen Football-Spielern. Es passte nicht in die landläufige Vorstellung, die man von solchen Menschen hatte. Nur das es hier um seine eigene Vorstellung von sich selbst ging – und das machte es nur noch komplizierter. Seit Tagen versuchte er zu verstehen, was er für Bobby denn nun empfand. Es war mehr als Freundschaft, soviel war ihm mittlerweile klar. Einen guten Kumpel wollte man nicht küssen. Man stellte sich ihn auch nicht nackt vor. Und wenn man das schon tat, dann sicherlich nicht mit dem Verlangen, ihn zu berühren. Nein, er konnte nicht abstreiten, dass er sich sexuell zu Bobby hingezogen fühlte. Zu einem anderen Mann. Mit Männlichkeit statt Brüsten. Kantigen Zügen statt Rundungen. John atmete seufzend auf. Er könnte nun auch plump sagen Ich würd mit Bobby gern mal vögeln, doch Bobby war auch sein bester Freund. Eigentlich war er der einzige Mensch, den John je selbst als Freund bezeichnet und es auch noch ernst gemeint hatte. Und das machte es nicht so plump. Vielleicht hatte er sich auch in Bobby verliebt. Vielleicht empfand er das Gleiche, was Bobby für ihn empfand. Wäre dann nicht alles perfekt? Wenn John zurückdachte, an die Zeit, in der sie fast jede freie Minute miteinander verbracht hatten, konnte er sich nicht daran erinnern, jemals solche Gefühle für Bobby gehabt zu haben. Da war nur Freundschaft gewesen. Tiefe, aufrichtige Freundschaft, auch wenn er es Bobby nie so gesagt hätte. Doch er konnte sich auch nicht erinnern, oft traurig gewesen zu sein. Oder schlecht gelaunt. Denn auch wenn John oft so tat, als ginge ihm die ganze Welt am Allerwertesten vorbei und alles würde ihn anätzen, so war das auch stets Teil seiner Mauer, seiner Fassade gewesen. Auch Bobby hatte nie gänzlich hinter diese Fassade blicken können, doch zumindest hatte John ihm erlaubt, ab und zu mal einen kleinen Blick dahinter zu werfen. Bobby war in ihren gemeinsamen Jahren an Xaviers Institut eine so feste Verankerung in seinem Leben geworden, dass John seine Gegenwart und Freundschaft einfach als selbstverständlich angesehen hatte – bis Rogue kam. Sie hatte Bobbys Interesse geweckt und – vielleicht eher unabsichtlich – John in den Hintergrund gedrängt. Dass er selbst nicht gerade nett zu ihr gewesen und auch gegenüber Bobby immer dreister und frecher geworden war, hatte die Situation nicht unbedingt entspannt. Rückblickend konnte er sagen, er hatte aus Eifersucht gehandelt. Zwischen Bobby und Rogue war für ihn einfach kein Platz mehr gewesen. Er war nicht mehr Bobbys Person Nr. 1 an der Schule gewesen und ja, das hatte ihn gestört. Und dann war Magneto gekommen. Jemand, der ihm aus der Seele gesprochen hatte, der ihn als etwas Besonderes angesehen und ihm das Gefühl gegeben hatte, gebraucht und gewollt zu werden. Der seiner Einstellung zu der Beziehung zwischen Menschen und Mutanten entsprach und sein jugendliches, draufgängerisches Verlangen befriedigte, endlich was zu tun und der nicht wie Professor Xavier immer nur schlichtende Gespräche führen wollte. Und was hätte ihn schon in der Schule halten sollen? Er hatte das turtelnde Bild von Bobby und Rogue nicht mehr sehen können und auch sonst niemanden gehabt, von dem er damals gedacht hätte, dass es sich zum Bleiben lohnen würde. Sein Beitritt zu Magnetos Bruderschaft war also nicht nur ein Akt der Überzeugung gewesen, sondern auch eine Flucht. Eine Flucht vor Bobby und seiner kleinen Freundin. Eine Flucht vor der inneren Wut auf den Eismutanten, die ihn zu ersticken drohte. John merkte, wie ihm eine einsame Träne über die rechte Wange rollte. „Scheiße…“, murmelte er leise und wischte sie schnell mit dem Ärmel seines Pullovers weg, als könnte jeden Moment jemand reinkommen und sie sehen. So langsam kam er zu der Einsicht, dass mehr zu seinem Beitritt in die Bruderschaft geführt hatte, als er damals gedacht hatte; oder wahrhaben wollte. Seine Gefühle für Bobby hatten wohl stets etwas tiefer gelegen, als es ihm klar gewesen war. War es Verliebtheit damals gewesen? Er wusste es nicht. War es jetzt Verliebtheit? Vermutlich. Doch die Erkenntnisse über seine vergangenen Entscheidungen und Empfindungen schmissen ihn gerade so aus der Bahn, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Nachdenklich saß Bobby im Salon, der ihnen oft als Besprechungs- und Aufenthaltsraum diente und ließ seinen Zeigefinger langsam, aber angespannt über die dunkle Holzoberfläche des kleinen Beistelltisches neben der Couch kreisen. Es war früh am Nachmittag und er hatte John seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, doch er hatte auch nicht nach ihm gesucht. Nach der ernüchternden Erfahrung von heute Morgen war er sich sicher, dass ein neues Gespräch nicht anders verlaufen würde. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Er wollte nicht aufgeben, doch er wollte John auch nicht verfolgen. Im Moment stand er eh vor einem ganz anderen Problem. Wegen seinem Streit mit John vor ein paar Tagen, als er ihn auf seine Eltern angesprochen hatte, war ihm seine eigene Familie wieder in den Sinn gekommen. Nachdem sie über Monate stets all seine Pakete und Briefe zurückgeschickt und seine Anrufe ignoriert hatten, hatte er zunächst aufgegeben, Kontakt aufzunehmen. Doch er konnte das Thema nicht so einfach abhaken. Er konnte seinen Eltern nicht den Rücken kehren, wie John es getan hatte. Zu ihnen und Ronnie hatte er stets ein gutes Verhältnis gehabt. Da ließ man nicht so einfach los. Entsprechend hatte sein Streit mit John auch dieses Thema wieder in Bobbys Gedanken gebracht und die letzten Tage hatte er immer mal wieder darüber nachgedacht, wie er am besten wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen könnte. Nun hatte er beschlossen, sie anzurufen. Unruhig kreiste sein Finger seit einigen Minuten um das weiße Telefon auf dem Tisch. Er starrte es an, als wäre es ein Monster, das ihn fressen könnte, wenn er es anpacken würde. Komm schon, Bobby, reiß dich zusammen…, wies er sich selbst an und versuchte sich innerlich Mut zu machen. Es war immerhin nur ein Anruf. Zögerlich nahm er den Hörer auf und tippte mit zitternden Fingern die Rufnummer seiner Eltern in Boston. Das Freizeichen ertönte und Bobby wippte unruhig mit den Fußballen auf und ab. Einige gespannte Sekunden lauschte Bobby dem monotonen Tuten; schließlich erklang die Stimme seines Vaters auf dem Anrufbeantworter. Bobbys Magen zog sich zusammen, als der Piepton erklang und er eine Nachricht hinterlassen konnte. Innerlich nahm er all seinen Mut zusammen und vermied es, hörbar laut einzuatmen, als er dann anfing zu sprechen: „Hey Mum, hey Dad… hier ist Bobby. Ich… ich wollt mich einfach noch mal melden. Jetzt, wo es so auf Weihnachten zugeht…“ – er räusperte sich – „Die Karte letztes Jahr ist sicherlich nicht angekommen“, murmelte er und wusste doch, dass dies gelogen war. Immerhin war sie ihm zurückgeschickt worden. Doch er wollte seinen Eltern die Peinlichkeit ersparen, zugeben zu müssen, dass sie den Kontakt mit ihrem ältesten Sohn bewusst vermieden. „Ich wär gern letztes Jahr zu euch gekommen, aber ich konnte hier nicht weg.“ – wieder eine Lüge. In Wahrheit hatte er einfach nur nicht in ihr Weihnachtsfest hineinplatzen wollen, nur um zu riskieren, den Abend zu versauen oder gar die Tür vor der Nase zugeschlagen zu bekommen. „Na ja, offensichtlich seid ihr gerade nicht Zuhause. Vielleicht könnt ihr euch-“ Der Piepton, der signalisierte, dass das Band zu Ende war, erklang und unterbrach Bobby. Resignierend atmete er aus. „… euch ja mal melden“, führte er seinen Satz dennoch zu Ende und legte den Hörer langsam wieder auf das Telefon. Er konnte nicht gerade behaupten, dass er sich nun besser fühlte. Im Gegenteil, er fühlte sich mit einem Mal schrecklich einsam und verlassen. Stockend atmete er ein, als er sich zurück an die Rückenlehne der Couch sinken ließ. Bobbys Blick war immer noch starr an die Decke geheftet, als er wenige Sekunden später aus seinen Gedanken aufschreckte. Die Tür zum Salon, die er offensichtlich nur angelehnt hatte, wurde gänzlich geöffnet und Bobby war mehr als erstaunt, plötzlich John im Türrahmen stehen zu sehen. Für einen kurzen Moment sagten sie beide nichts. Sie blickten sich bloß schweigend an, ehe John den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. „Hast du schon lange da gestanden?“, fragte Bobby und fühlte sich ein wenig unbehaglich. Es war ihm unangenehm, bei dem erneuten Versuch, mit seinen Eltern wieder Kontakt aufzunehmen, ertappt worden zu sein. John zeigte ein halbherziges Grinsen. „Lange genug, um zu verstehen, wen du versucht hast, anzurufen.“ Bobby machte ein unglückliches Gesicht. Eigentlich hatte er nicht gewollt, dass jemand das mitbekam. Dann wäre es immerhin nicht so peinlich gewesen, sollten seine Eltern wieder nicht antworten. „Wenn du nicht wolltest, dass jemand das hört, hättest du die Tür richtig schließen sollen“, bemerkte John in einem sachlichen Ton, doch ein kleiner Teil seiner Stimme klang amüsiert. Es war eher Zufall gewesen, dass er auf dem Weg vom Astroniezimmer zur Küche hier vorbeigekommen war. Als er Bobbys Stimme vernommen hatte, war er stehen geblieben und hatte, neugierig wie er war, dem Telefonat gelauscht. Er wusste, dass Bobbys Eltern ihn mieden, seit sie erfahren hatten, dass ihr Sohn ein Mutant war. Er kannte das Gefühl, deswegen abgelehnt zu werden, nur allzu genau und er wusste, dass Bobby seine Familie nicht so leicht aufgeben konnte. Er selbst hatte es getan. Dennoch tat Bobby ihm Leid. Als dieser nicht antwortete, setzte John sich langsam an das andere Ende der Couch. Seine Füße hoben sich auf das Polster und berührten fast Bobbys Körper. „Du wirst sie nicht dazu zwingen können, sich zu melden.“ „Ich weiß“, antwortete Bobby seufzend und seine Stimme klang betrübt. John blickte in das Profil des Eismutanten. Die Verletzung war in seinen Zügen zu lesen, so offensichtlich wie eine Leuchtreklame an einem verlassenen Highway. „Nimm es nicht so schwer, wenn sie sich nicht melden, Bobby.“ Vorsichtig stupste er mit seinen Zehen an Bobbys Seite. Der Eismutant schnaubte leise, blickte aber nun wenigstens zu ihm. „Das ist leichter gesagt, als getan“, antwortete er ihm. Er konnte nicht so einfach akzeptieren, von den eigenen Eltern abgelehnt zu werden aufgrund seiner Kräfte, um die er nicht einmal gebeten hatte. Natürlich, sie gefielen ihm, aber er hatte sich nicht ausgesucht, als Mutant auf die Welt zu kommen und konnte auch nicht einfach aufhören, einer zu sein. Seine Kraft gehörte zu ihm, so wie seine blauen Augen, und es fiel ihm schwer zu verstehen, warum seine Eltern das nicht auch sahen. John verstand das. Ihm selber war die Ablehnung durch seine Eltern auch nicht so gleichgültig, wie er immer vorgab. Doch er hatte sie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen. Sie hatten nie versucht, mit ihm, ihrem einzigen Kind, Kontakt aufzunehmen oder einfach nur zu fragen, wie es ihm überhaupt ging. Die Wut auf sie und ihr eingeschränktes Blickfeld auf sein Leben war größer, als jegliches zärtliches Gefühl, dass er in seiner Kindheit für sie empfunden hatte und größer als die Sehnsucht, sie jemals wiederzusehen. John setzte sich ein wenig auf und rutschte näher an Bobby heran. „Du willst es ihnen leicht machen. Deswegen hast du so getan, als hätten sie nicht all die Briefe zurückgeschickt, die du ihnen geschrieben hast, oder?“, fragte er ihn direkt, doch bewirkte damit nur, dass Bobby seinen Blick erneut mied. „Ich kann das verstehen, aber Bobby… dass du ihnen praktisch noch die Vorlage lieferst, zu lügen, haben sie nicht verdient. Sie verstoßen dich für etwas, das du nicht kontrollieren konntest. Du hättest den Ausbruch deiner Mutation nicht mal verhindern können, wenn du gewusst hättest, dass es passieren würde. Und das wissen sie. Genauso wie meine Eltern das wissen. Dass sie dennoch nichts mehr mit uns zu tun haben wollen, ist ihr Fehler. Nicht unser.“ Bobby nickte langsam. Er war fast ein wenig erstaunt über Johns Worte. Es kam selten vor, dass solch kluge, wahre Worte aus seinem Mund kamen. Nicht, weil er dumm war, sondern weil der Feuermutant stets mehr damit beschäftigt war, oberflächlich zu tun und einen coolen Spruch zu reißen. Doch wenn man mal außer Acht ließ, dass John in beiden Fällen, – durch den Brand im Wohnzimmer seiner Eltern und das Feuerinferno im Vorgarten von Bobbys Familie –, nicht gerade zur Förderung der Akzeptanz beigetragen hatte, hatte er schon Recht. Ihre Eltern konnten offensichtlich einfach nicht akzeptieren, dass ihre Kinder nicht der Norm entsprachen; dass sie zu einer als gefährlich geltenden Randgruppe gehörten, über die erst seit dem Kampf auf Alcatraz auch mal positiv berichtet wurde; dass sie einfach nicht so waren, wie ihre Eltern sie sich vorgestellt hatten. „Ich hab noch einmal bei meinen Eltern angerufen, vor ein paar Jahren“, begann John plötzlich weiterzusprechen und seine Stimme klang nun ein wenig ruhiger als zuvor. Weicher, weniger bestimmend. „Es war in dem Jahr, in dem sie herausgefunden haben, dass Väter das X-Gen vererben. Ich hab meinen Dad an seinem Geburtstag angerufen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich es sein würde.“ – auf Johns Lippen zeichnete sich ein bitteres Lächeln ab – „Ich hab zu ihm gesagt, »Hey Dad, hier ist John«. Dass ihm das Telefon nicht aus der Hand gefallen ist, war wohl alles. »Happy Birthday« hab ich dann gesagt – und ihm dann erklärt, er selbst sei daran Schuld, dass sein schlimmster Albtraum Wirklichkeit geworden war: sein Kind ist ein Mutant.“ Seine Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden. Bobbys Blick ruhte wieder auf ihm. Diese Geschichte war ihm völlig neu. „Was hat er gesagt?“, fragte er interessiert und drehte sich ein wenig auf dem Polster, um John direkt ansehen zu können. „Nichts. Nur, dass er keinen Sohn hätte, der John heißt“, gab John mit einem Augenbrauenzucken zurück. „Und dann hat er aufgelegt.“ So offen hatte John noch nie mit Bobby über das Thema gesprochen. Er klang anders als sonst, wenn er seine Eltern erwähnte. Nicht so aufgebracht. Viel mehr verbittert und resignierend. Bobby konnte verstehen, warum John es aufgegeben hatte, sich seinen Eltern wieder anzunähern. Die Vorstellung, dass er selbst ebenfalls nicht allzu weit von diesem Punkt entfernt war, erschien ihm dennoch schrecklich. Er hoffte, seine eigenen Eltern hatten ihn noch nicht so abgeschrieben, dass er für sie nicht einmal mehr ihr Sohn war. „Es tut mir Leid, John“, sagte Bobby leise, obwohl er eigentlich gar nicht wusste, was er sagen sollte. Doch er meinte es ernst. Allein die Vorstellung, wie John sich in dem Moment gefühlt haben musste, wie er sich fühlen würde, wenn er an Johns Stelle wäre, drehte ihm den Magen um. Er hatte das Gefühl, John trösten zu müssen, doch dieser zuckte bloß mit den Schultern. Bobby hob langsam seine Hand und legte sie vorsichtig auf Johns Hinterkopf. Für einen Moment akzeptierte John diese Berührung, doch als Bobby ihn näher zu sich ziehen wollte, entwand er sich ihm. Als Bobby schließlich versuchte, näher an ihn zu rutschen und sein Gesicht in Johns Richtung bewegte, wich der Feuermutant ganz eindeutig zurück. Bobby konnte nicht umhin, erneut verwirrt zu sein. Sie hatten selten eine Situation gehabt, in der sie sich emotional so geöffnet hatten und körperlich so nah waren. Doch all die positiven Gefühle, die diese Situation in ihm hätte auslösen können, versiegten schon im Keim, als John sich ihm wie so oft entzog. Dabei war er ihm immer näher gekommen. Johns Hand lag auf Bobbys Schulter. Das hatte er zuvor gar nicht bemerkt. Doch als sein Blick sich zu der Hand wandte, zog John sie zurück. „John?“, nannte er ihn beim Namen und schaute ihn fragend an. Doch dieser wandte seinen Blick von ihm ab und erhob sich. „Nicht jetzt, Bobby“, sagte er. Resigniert ließ Bobby seine Hand sinken, mit der er nach John hatte greifen wollen. Nicht jetzt. Schon wieder. Wann immer John die Nähe zwischen ihnen zu viel zu werden schien, sagte er diese Worte und dabei suchte er diese Nähe doch oft selbst. Bobby wollte John nicht dazu zwingen, bei ihm zu bleiben, doch er fragte sich, was in Johns Kopf vorging. „Weißt du eigentlich selber, was du willst?“, fragte er mit einem leisen Seufzen und war erstaunt, als John sich wieder zu ihm umdrehte. Für einen Moment blickte der Feuermutant schweigend auf ihn hinab, strich sich dabei durch das immer noch ungestylte Haar. „Nicht so ganz“, gab er schließlich ehrlich zu und biss sich auf die Lippe. Bobby hörte ihn tief einatmen. „Aber ich bin kurz davor, es herauszufinden. Denke ich.“ Und plötzlich tat er etwas, mit dem Bobby nicht gerechnet hätte: John beugte sich zu ihm hinab und seine Lippen berührten sanft Bobbys Wange. Dann erhob er sich wieder und verließ in Richtung Tür. Den Impuls, John an den Arm zu fassen und festzuhalten, ließ Bobby unausgeführt. Ihm war klar, dass ihn das nicht weiterbringen würde. Johns unerwarteter Kuss auf seine Wange ließ ihn noch verwirrter zurück. Doch seine Mundwinkel zuckten im Anflug eines Lächelns. TBC So nun, ich hoffe, das Kapitel hat gefallen und hat etwas über die lange Wartezeit hinweg getröstet ^^" Für all diejenigen, die enttäuscht sind, dass ich Bobby und John immer noch nicht nackt übereinander herrobben lassen hab *huhu, Cali xD* : ich denke, John ist einfach noch etwas zu gehemmt, um sich bildlich etwas mit einem Mann vorstellen zu können geschweige denn, es in die Realität umzusetzen. Aber na ja, was soll's... er ist ja auf einem guten Wege ;) 2 Kapitel und ein Epilog werden es wohl noch werden. Mal sehen, ob ich das mal schneller über die Bühne bekomm *LOL* Aber da ich all meine Versprechnung vorher nicht halten konnte, nenn ich jetzt mal bewusst, keinen Zeitpunkt. Kommis und Kritik sind wie immer erwünscht und vielleicht auch den neuen Lamborghini Aventador - träumen wird man ja noch dürfen ;) Bis zum nächsten Mal! motte Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)