Broken Souls - Can you heal them? von robin-chan ================================================================================ Kapitel 19: Codeword Utopia --------------------------- Wer entscheidet, ob man weitermachen kann oder nicht? Wer entscheidet, wer überlebt und wer nicht? Wer entscheidet, wessen Leben ruiniert wird und welches verschont wird? Wer entscheidet, wessen Dasein wegen ein paar Minuten gerettet wird? Wer entscheidet diese Zufälle? Wer?! „Komm schon Vivi, wir sind spät dran.“ Lachend stand ich an meinen Wagen gelehnt, die Hände verschränkt. Wie auch schon einige Male zuvor, durfte ich auf Vivi warten. Dennoch konnte ich sagen, dass es mir an diesem Tag egal war, ich hätte womöglich Stunden auf sie gewartet, wenn ich nun darüber nachdenke. Es war ein Tag, den ich nicht so schnell vergessen würde oder gar konnte. Vivi und ich, wir waren endlich ein Paar. Es hatte zwar gedauert, doch was soll’s? Auf die Person mit der man wirklich zusammen sein will, auf die konnte man doch warten, oder nicht? Ich bemerkte anfangs gar nicht, wie sie auch mich zulief, zu sehr hing ich Gedanken nach. „Musst du denn immer so früh hier sein?“ Ihr kindischer Unterton war kaum zu überhören. Keine Antwort. „Erde an Corsa, noch da?“ Wild fuchtelte sie mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum, ehe ich lachend mit dem Kopf schüttelte. „Tut mir leid, was sagtest du?“ Spielerisch boxte sie mir in den Bauch und schmunzelte. „Männer, mehr brauch ich wohl nicht sagen.“ Licht. Dunkelheit. Erneutes Licht. Erneute Dunkelheit. Es war ein Hin und Her, ohne es eigentlich zu wollen. „Mister Duquette, hören Sie mich?“ Seine Augenlider zuckten. Doch wollten sie sich nicht öffnen, nicht so schnell, nicht jetzt, nicht… „Manchmal denke ich mir wirklich, es wäre das Beste, nicht die Tochter eines Politikers zu sein.“ Über ihre Worte war ich in keinster Weise verblüfft. Diese Auseinandersetzungen mit ihren Vater kannte ich nur allzu gut. Er war ein Politiker, hochangesehen, wichtig für diese Stadt. Da war es kein Wunder, dass er streng war, was den Verbleib seiner Tochter anging. Doch wollte er lediglich das Beste, so wie ich. „Versuch ihn zu verstehen. Er will dich beschützen, auch wenn es dir im Moment anders vorkommt.“ Ihr Blick sagte aus, was sie eigentlich vorhatte auszusprechen, jedoch schien sie sich zu beruhigen zu versuchen. „In dieser Hinsicht ist er nicht der Einzige, auch ich bin nun hier und werde schon auf dich aufpassen, versprochen.“ Ungebändigt riss er seine Augen auf. „…werde schon auf dich aufpassen, versprochen.“ … Versprochen. Er hatte es ihr versprochen, ihr sein Wort gegeben. Wie konnte er nur so ein Idiot sein? Warum konnte er nicht mehr Kraft vorweisen? Warum konnte er seine Freundin nicht beschützen? Warum?! Röchelnd versuchte er sich gegen die behandelnden Ärzte zu wehren. Er musste zu ihr, er musste zurück, musste… Schreien, so laut es sein Organ zuließ, wollte er. Kein Ton kam über seine aufgeplatzten Lippen. Nichts war zu hören. Verschwommen erkannte er die bewegenden Lippen der anderen, konnte kein Laut verstehen. „Ob wir tatsächlich dorthin sollten? Ich meine, zu diesem Zeitpunkt? Dein Vater scheint ziemlich aufgebracht zu sein.“ Dieser Blick. Ein Blick in ihre Augen und schon konnte ich ihr kaum wiedersprechen. War ich so geblendet? „Was soll großartig passieren? Wir feiern lediglich den Geburtstag einer Freundin. In dieser Stadt ist doch immer irgendeine Sache im Gange. Ich sehe keinen Grund darauf zu verzichten.“ Ich wollte antworten, doch legte sie ihren Zeigefinger auf meine Lippen. Ich hatte aufgeben und suchte gar nicht mehr nach den passenden Worte um sie zu überreden, küsste lediglich ihren Finger und schwieg. Dieses Gefühl, etwas Falsches gemacht zu haben, ohne das man es wollte. Das Gefühl des eigenen Herzschlages, der immens in den Ohren schmerzte, immer lauter, immer stärker. Es war, als ob jeder in hören konnte und doch nur er selbst. Vivi. Der einzige Gedanke. „Vi…vi…“ „Corsa!“, schrie sie. Röchelnd blickte ich in ihre bereits wässrigen Augen. „Lauf endlich!“ Wie oft hatte ich ihr diese Worte zugerufen? Sie konnte nicht, sie hatte Angst, viel zu große Angst. Konnte man es ihr verübeln? Ich nicht, nein, ich war der Letzte. Umso mehr war es meine Pflicht sie zu beschützen. Niemand durfte sie anfassen, niemand durfte ihr etwas antun, niemand durfte sie mir wegnehmen. Unter Schmerzen erhob ich mich, versuchte wenigstens einen Eindringlich auszuschalten. Wie dumm und naiv von mir. In meinem eigenen Blut liegend, konnte ich nur zusehen, wie er sie packte und nach Draußen schliff. „Mach’s gut, Sunnyboy.“ Wie gern hätte ich ihm eine in seine dämliche Visage geben. Wie gern hätte ich ihn gekillt! Ich war zu schwach… viel zu schwach… ist das nun die Bestrafung? Es war doch meine Aufgabe, nicht? „Kammerflimmern!“ Was passiert in dem Moment, in dem man sich von seinem Körper löst? Sieht man dann sein Leben vor sich? Die wichtigsten Punkte? Hab ich das nicht gerade? Jedenfalls zum Teil? Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken soll. Ich hätte es ihr sagen müssen. Ich hätte es tun sollen! Ob sie es weiß? Hätten meine Worte es noch mehr untermalt? Ich hoffe, sie weiß wenigstens was sie für mich war. Ich warte auf dich… Vivi. •¤• Ein mulmiges Gefühl machte sich in Namis Magengegend breit. Sie konnte diese Empfindung ganz und gar nicht einordnen. „Was ist?“ Robin saß auf der anderen Seite des Sofas und sah sie aus besorgten Augen heraus an. „Ich… ach, vergiss es. Mein Magen spielt einfach nicht mit.“ Schwach lächelnd winkte sie ab. Seit dem Szenario im Garten ist eine Weile vergangen und sie saß zusammen mit Robin vor dem Fernseher. Ablenkung, sollte es darstellen, war es aber keine. Ihre Gedanken kreisten stets um ihre Schwester. Zwischendurch auch um Jack. Wenn man bloß wissen konnte, was er im Moment vor hatte. Wenn man doch bloß, fremde Gedanken lesen konnte. Eine Gabe, die sich jeder in so manch einer Situation wünscht. Aus den Augenwinkeln heraus, hatte Robin die junge Frau stets beobachtet. Im Moment schien sie gleich zu denken wie Nami es tat. Der Film war von Anfang an nie von Bedeutung gewesen. Er war lediglich da. Hüllte den Raum nicht in eine peinliche Stille um. Getrost konnte man seinen Gedanken nachgehen, ohne die Aufmerksamkeit des jeweiligen anderen zu erlangen, dachte man jedenfalls. „Was ich dich fragen wollte.“ Robin fing äußerst ruhig und zurückhaltend an, starrte jedoch weiter auf die Szene, die sich gerade abspielte. Ein stinklangweiliger ‚Blockbuster‘. Irgendjemand hatte bei diesem ganz schön Mist gebaut. Seufzend vergaß Robin diesen Gedanken wieder. Als von Nami keine Antwort kam, fuhr sie fort. „Wie soll ich sagen. Wie sieht es mit der Schule aus? Es ist ein wichtiges Jahr. Wie sieht es mit den Bewerbungen aus?“ Womöglich war es nicht der perfekteste Moment für eine solche Unterhaltung, doch sie musste geführt werden. Vor allem, Robin wusste, dass Nojiko so denken würde. Nami konnte nicht für immer hier bleiben und vor sich hin vegetieren. Wieder kam keine Antwort. Schlussendlich wandte die Schwarzhaarige ihren Blick vom Film ab und musterte Nami. Diese spielte mit einer Haarsträhne, verlor sich stumm darin. „Wir müssen darüber reden. Ich will dir mit Sicherheit nichts vorschreiben, aber hör mal, du musst wissen, was du mit deinem Leben anstellen willst, doch wie soll das gehen, wenn du dich noch länger in Selbstmitleid sudelst?“ Härter als geplant, doch was hätte sie sonst sagen sollen? „Es geht dich nichts an. Außerdem, was interessiert mich diese Schule. Die haben mich garantiert hinaus geschmissen. Ich weiß es. Daher kann ich auch nicht wissen, wie es in dieser Hinsicht weitergehen soll. Diese Witzfigur von Direktorin hat es selbst gesagt. Wenn ich noch einmal eine unentschuldigte Fehlstunde habe, dann war es dann für mich. Das war an dem Tag, an dem du mich gefunden hattest, sprich, ich bin dort keine Schülerin mehr, ich brauche mir um Abschlüsse und sonstige Ausbildungen keine Sorgen mehr machen.“ Ihre Worte wirkten monoton. Es hatte den Anschein, als würde es sie im Moment wirklich nicht interessieren, warum auch? Ihre Schwester lag im Krankenhaus. Ein Freund wurde zu ihrem größten Feind, was will man mehr? Richtig, sie hatte auch noch den leichten Hang sich Sachen wie Kokain hinzugeben. „Ich geb’s auf. Warum tu ich mir das überhaupt an? Du denkst doch sowieso nie nach. Anstatt dich darum zu kümmern und dich abzulenken, tust du so als würde dir dieses Leben Spaß machen.“ Tief durchatmend erhob sich Robin und verließ den Raum. Nami sah ihr nicht hinterher, murmelte lediglich Worte vor sich hin. „Ist überhaupt ein Wunder, dass du bis hierher durchgehalten hast. Mich hätte es nicht gewundert, hättest du eher aufgegeben.“ Wissend Robin würde ihre Worte nicht verstehen, blieb sie alleine zurück. Langsam schlossen sich ihre Augen. Einen leeren Kopf, das wollte sie in diesem Augenblick. Eine einfache Leere verspüren, warum war es so schwer, diese zu erlangen? Nami verstand es nicht. Es gibt nur eine Sache, die ihr diese Freiheit geben konnte. Hart musste sie auf diesen Gedanken schlucken. Ein Verlangen wuchs, im Inneren entbrannte ein Kampf. Was nun? •¤• „Was wohl aus diesem Nichtsnutz geworden ist?“ Bellamy saß am Beifahrersitz und hatte die Beine aufs Armaturenbrett gegeben. Die Frage schien bei Jazz nicht gerade auf Anklang zu finden. Dieser Junge war ihm völlig egal. Sein Einmischen brachte ihm gar nichts, außer dem möglichen Tod. „Deine Leute könnten das nächste Mal ein wenig diskreter vorgehen, wenn du mich fragst.“ Schulterzuckend, tat die Hyäne so, als hätte er nichts mitbekommen. „Wie immer nörgelst du nur. Sind wir bald da? Ich glaube nicht, dass die Betäubung bei der Kleinen noch allzu lange anhalten wird. Was sie bisher von sich gegeben hat, reicht mir vollkommen aus um zu wissen, dass ich das nicht noch einmal hören will. Diese Weiber sind doch alle gleich. Haben eine Stimme wie sonst etwas. Kein Wunder, dass man ihnen nicht zuhören will.“ Dieser Kerl konnte wohl noch so viel sagen, es interessiert Boner einfach nicht und er zeigte es klar und deutlich, dennoch wollte dieser Typ seine Klappe nicht halten. Am Tor hielt der Wagen einen Moment inne. Zwei bewaffnete Wachen standen Schmiere und hatten durch mehrere Überwachungskameras alles im Griff. In dieses Anwesen kam keine Person ungeladen hinein und schon gar nicht wieder heraus. Hier wohnte Black, nun ja, mehr oder weniger. Im Moment war es teilweise der Ausgangspunkt für Crocodiles Operation; Utopia. Breit grinsend stand dieser am prachtvollen Balkon und blickte auf die Einfahrt hinab. Mit zwei Gläsern Cognac, trat Black aus dem Inneren hervor, reichte eines davon an Jack weiter. „Es scheint alles nach Plan zu laufen, findest du nicht?“, kam es sogleich, ein schmieriger Gesichtsausdruck überkam den Mann. Jack nippte kurz an seinem Glas, nickte. Er musste sich lange genug gedulden, nun hatte es sein Ende gefunden. Nami war lange genug ein Teil seinen Planes gewesen, nun war sie lediglich ein Nebenprodukt für das glorreiche Ende. Natürlich wusste sie darüber noch nichts. Es gab einige Dinge, die schlichtweg im Hintergrund liefen und somit gern übersehen wurde. War es nicht schon immer so? Wer merkt sich auch die Sachen, die anfangs nicht wichtig erscheinen? Wer merkt sich, die feinsten Details, ohne zu wissen, dass sie eines Tages von hoher Wichtigkeit sein konnten? Wer tat das? „Wie vereinbart, nur ein paar Minuten Verspätung, weil hier jemand auf Zicke machen musste.“ Eine abfallende Bewegung in Bellamys Richtung, reichte aus um diesen in Rage zu versetzen. „Wo ist sie?“ Jacks Stimme strahlte eine Bedrohung aus, die man nicht ständig hörte. Umso mehr hatte sie die gewünschte Wirkung erzielt. Jazz trat an den Kofferraum des Wagens heran, öffnete ihn und schultere die junge Frau unsanft. „Sie scheint noch weg zu sein. Fragt sich nur für wie lange. Wohin mit ihr?“ Der Blick von Crocodile war eine Weile abwesend auf Vivi gerichtet. „Bringt Papas kleine Prinzessin hoch zu Marques. Er weiß schon, was zu tun ist. Ich glaube, ich muss erst einmal einen Anruf tätigen.“ •¤• „Was glaubst du wo du hier bist? Denk daran, bescheiß uns lieber nicht, es wird dir mit Sicherheit nicht gut tun!“ Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Wie ist es soweit gekommen? Der Tod von Mum? Oder ging die Sache doch ein wenig tiefer. Womöglich mein Vater, den ich sowieso nie kennengelernt hatte? Die einzig richtige Frage war wohl, warum ich diesen Job tatsächlich machte. „Schon eine Ahnung, was du nun mit deinem Leben anstellen willst?“ Die Frage von Smoker war nicht sonderlich spannend, doch hatte sie ihre Wirkung bei mir erzielt. Ich hatte keinen blassen Schimmer und keine richtige Lust darauf. „Keine Ahnung. Warum also den Kopf darüber zerbrechen?“ Wie naiv diese Antwort war. „Du bist unmöglich. Wenn du kein Ziel vor Augen hast, warum willst du dann weitermachen?“ Warum? Erschöpft strich sich Robin über ihre Augen. Seit sie Nami getroffen hat, holte die Vergangenheit Robin ein, ohne ihre Zustimmung. Es kam und ging, es gab nichts, was sie dagegen unternehmen konnte. Wenn sie so weitermachte, dann würde es ihr ziemlichen Schaden zufügen, das war ihr klar. Es gab noch einige Ungereimtheiten, einige Geheimisse, die nicht wieder an die Oberfläche durften. Egal wie, die Vergangenheit musste vergessen werden, auf alle Fälle. Wieder zurück im Wohnzimmer, lehnte sie sich an die Wand neben der Türe. Es schien nicht so, als hätte sich Nami auch nur einen Millimeter gerührt. Was ging in ihrem Kopf vor? Warum tat Robin so viel für sie? Warum machte ihr die Geschichte dieser jungen Frau so viel aus und brachte ihre eigene Welt ins Schwanken? Wie konnte Robin einem Menschen in ähnlicher Lage helfen, wenn sie ganz genau wusste, dass sie selbst nicht einmal über dem Ganzen stehen kann? „Du kannst mich noch lange schweigend betrachten, wird dir garantiert nichts bringen.“ „Wer hat gesagt, dass es mir weiterhelfen soll? Kann ich dir eine Frage stellen?“ Verwundert drehte Nami ihren Kopf in Robins Richtung, zuckte mit der Schulter. „Und die wäre?“ •¤• „Guten Abend, Bürgermeister.“ Jacks Stimme klang schmierig, sein Grinsen war deutlich zu erkennen. „Wie wäre es, wenn wir uns ein wenig über die Lage dieser Stadt und über ihre Tochter unterhalten?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)