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Jacob Black - Zurück ins Leben

The Happy Ever After of the wolf
von

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Heilt die Zeit alle Wunden?

Nachdenklich sah er hoch in den strahlend blauen Himmel. Die Wolken waren weiß wie Watte und nur eine leichte Sommerbrise wehte über den Hügel, auf dem er es sich bequehm gemacht hatte. Unzufrieden wischte er sich das schulterlange Haar, dass er heute zu einem Zopf gebunden hatte, aus der Stirn und schnaubte.

Es war mal wieder so dermaßen typisch. Das perfekte Wetter zum "Verlieben". Jaja, die Liebe...

Etwas, dass Jacob Black aufgegeben hatte. Seiner Meinung nach war die Liebe nur etwas für Leute, die alleine nicht klar kamen und es nötig hatten, Stunde um Stunde aufeinander zu hocken. Seine "Brüder" zeigten es ihm Tag für Tag - Sam und Emily und Jared, der auf ein Menschenmädchen namens Kim geprägt worden war.
 

Prägung...
 

Jacob Black seufzte und ließ sich in das leicht feuchte Gras sinken. Das war doch alles nur ein großer Unfug. Gut, es war einigen von ihnen

vielleicht passiert, doch er war sich sicher, dass es für ihn nie etwas Vergleichbares geben würde. Er hatte gedacht, Liebe empfunden zu haben, hatte versucht, sich selbst zu prägen. Und schon wieder wanderten seine Gedanken zu IHR.
 

Bella...
 

Isabella Marie Swan, einst seine beste Freundin. Zu der Zeit, als sie beide noch Menschen gewesen waren, war alles so einfach gewesen. Er war ihre persönliche Sonne gewesen und sie das, was seine sonst so langweiligen Tage in La Push lebenswert gemacht hatten. Er war für sie da gewesen, als es ihr so schlecht wie noch nie in ihrem Leben gegangen war und sie waren glücklich gewesen. Glücklich bis zu dem Abend, an dem Jacob Blacks Leben eine entscheidende Wende genommen hatte und glücklich bis zu dem Tag, an dem ihm die verdammten Cullens Bella weggenommen hatten. Er verfluchte es nicht, ein Werwolf zu sein.

Seine Verwandlungen traten zwar oft genug zu ungünstigen Zeiten auf, jedoch gab es auch eine entscheidende Anzahl an Vorteilen. Die Stärke, die Schnelligkeit... Aber das Wichtigste war, dass er eine Familie dazugewonnen hatte. Das Rudel um Sam Uley, dem ersten der neuen Wölfe von La Push. Sie waren diejenigen, die immer für ihn da waren, diejenigen, die alles von ihm wussten. Jede Peinlichkeit, alles, was ihn verletzte oder wütend machte und er wusste alles von ihnen. Sie waren es außerdem gewesen, die ihn wieder aufgefangen hatten, nachdem sie ihn so verletzt hatte.
 

Bella...
 

Jacob Black schüttelte den Kopf. Dabei war er doch so stolz auf sich gewesen. Er hatte es doch geschafft gehabt, sie für einige, entspannende Stunden aus seinem Gedächtnis zu verbannen und jetzt dachte er schon wieder an sie.
 

Isabella Marie Swan, die dieses Monster ihm vorgezogen hatte.

Isabella Marie Swan, die ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte und die ihn geküsst hatte. Auch, wenn er zugeben musste, dass er hier ein wenig getrickst hatte...

Isabella Marie Swan, die jetzt Isabella Marie Cullen hieß und schon bald auch eine ewige Verdammte sein würde.
 

Jacob Blacks Hände fingen an zu zittern. Er zwang sich, tief durchzuatmen. Sie war nicht mehr seine Bella. Sie war jetzt Edward Cullens Bella. Einfach nicht daran denken. Lieber dachte er wieder an das Rudel. Es stimmte, er war geflohen. Er war wie ein geprügelter Hund aus seiner eigenen Heimat weggelaufen, um nichts fühlen zu müssen. Um den Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen...

Gequält stöhnte er auf und drehte sich auf die Seite. Er krallte sich im nassen Gras fest, bis er wieder einigermaßen ruhig war. Nicht daran denken. Er war aus La Push weggelaufen, als das, was er im Stillen ein wenig für alles verantwortlich machte. Als der große, braune Wolf mit dem langen, zotteligen Fell, wie Bella es immer genannt hatte.
 

Bella...
 

Er war gerannt und gerannt, hatten Wälder und Wüstenabschnitte durchquehrt, bis er schließlich und endlich wieder zur Vernunft gekommen war. Er war Jacob Black und daran würde sich auch nichts ändern, wenn er davor weglief. Also hatte er das getan, was ihm als Mensch unendlich peinlich gewesen wäre. Er hatte sich auf den Waldboden fallen und den Tränen freien Lauf gelassen. Es war ihm nicht klar gewesen, dass er auch als Wolf durchaus dieser menschlichen Tätigkeit nachgehen konnte. Weinen war schließlich auch nicht eine seiner Lieblingsbeschäftigungen gewesen.
 

Und ja, wieder waren sie da gewesen. Sie hatten ihn gesehen, den großen, mächtigen Wolf, der gebrochen unter einem Baum lag, Meilen von Zuhause weg und sich doch so menschlich benahm. Quil und Embry waren aus dem Schatten getreten und hatten sich - wie sie es immer taten - jeweils an seiner linken und rechten Seite hingelegt und ihre Köpfe nachdenklich auf die Vorderpfoten gelegt. Er hatte sie per Gedankengänge angeschrien, er wolle allein sein, Sam habe ihnen verboten, ihm zu folgen.

Es war ihnen egal gewesen. Sie hatten ihn einfach nur aus ihren immer noch menschlich wirkenden Augen angesehen, der mitleidige Ausdruck darin hatte ihn nur noch wütender gemacht. Die beiden trugen selbst nach Tagen noch die Narben dessen auf ihren Körpern, was er ihnen angetan hatte. sie waren nicht wütend auf ihn gewesen. Hatten ihm keine Vorwürfe gemacht. Ihn nur gebeten, nachzudenken. Das tat er und kam schließlich wieder zurück mit ihnen ins Quileute-Reservat.
 

Jacob Black seufzte.

Wie selbstverständlich waren sie, wie immer, in der perfekten Dreieckskonstellation aus dem Wald getreten und hatten sich dem Anführer sowie dem Rest des Rudels gestellt. Sam war nachsichtig mit ihm gewesen und hatte keine weiteren Fragen gestellt. Ein einfaches "Willkommen Zuhause" hatte Jacob Black das Gefühl gegeben, auch genau dort gelandet zu sein. Wie eines dieser Kinder, dass aus Trauer von Zuhause weggelaufen und von seiner besorgten Mutter mit offenen Armen wieder empfangen worden war. Mehr war auch nicht nötig gewesen. Sie alle wussten, wie er sich fühlte, wie nah er daran war, alles in Frage zu stellen. Sein ganzes - wie er es nannte - sinnloses Leben.
 

Langsam versank die glühende Abendsonne hinter dem Horizont. Das war Jacob Blacks Lieblingszeit. Ein Tag endete, ein weiterer Tag, den er mit Nachdenken verbracht und an dem er sich wieder einmal gefragt hatte, wie es werden sollte.

Ohne sie...
 

Bella...
 

Er setzte sich auf. Billy würde schon mit dem Abendessen auf ihn warten und danach würde er mit Quil und Embry zum angesetzten Rudeltreffen aufbrechen.

Ein kleines Lächeln hellte Jacob Blacks Miene auf.

Es gab Neuigkeiten.

Eine alles verändernde Neuigkeit

Als Jacob zusammen mit Quil und Embry die große Lichtung betrat, auf der üblicherweise die Rudelversammlungen stattfanden, stellte er erstaunt fest, dass außer ihnen nur Seth, Leah und Paul anwesend waren. Was ist los? Wo sind die anderen?, fragte Jake die drei durch seine Gedankengänge. Leah, die wie immer ein wenig genervt war und sich gerade fragte, wieso sie überhaupt so lange auf ihren Anführer warteten, der sich schon um zehn Minuten verspätete, setzte sich und schwieg. Offenbar war sie nicht gewillt, ihre "wertvolle Zeit" damit zu verschwenden, den anderen zu antworten.
 

Seth sah sich ungeduldig um und schien auch nicht besonders scharf darauf zu sein, Jacob's für menschliche Ohren nicht hörbare Frage zu beantworten. Einzig Paul wandte den Kopf, um seinen drei Freunden Beachtung zu schenken.
 

Er kam mit langsamen, kräftigen Schritten auf sie zu. Brady und Collin werden gleich hier sein, sie haben verschlafen. Jacob schnaubte belustigt. Verschlafen? Wir haben doch schon Abend Völlig entspannt setzte er sich auf seine Hinterbeine. Quil und Embry taten es ihm gleich, nahmen jedoch ihre üblichen Plätze in dem noch nicht völlig erkennbaren Halbkreis ein.
 

Selbst für jemanden, der nicht bescheid gewusst hätte, war deutlich zu erkennen, dass jeder hier seinen angestammten Platz hatte. Deutliche Abdrucke waren an den Stellen im Gras zu erkennen, an denen jeder der Wölfe üblicherweise saß.

Paul betrachtete ihn aufmerksam. Jacob hörte das Übliche und noch etwas weiteres, interessanteres. Pauls Gedanken, die nicht an ihn gerichtet waren. Mir kann er nichts vormachen, ich weiß, dass er diese entspannte Fassade nur aufgesetzt hat. Als dieser erkannte, dass Jacob mithörte, schaute er peinlich berührt auf seine Vorderpfoten und kam auf das eigentliche Thema zurück. Sam hat sie in den letzten Tagen Tag und Nacht die Grenzen abgehen lassen. Sie haben es sich verdient. Nun hob Embry den Kopf. Er trat einen Schritt auf Paul zu. Und die anderen? Paul knurrte ärgerlich. Woher soll ich bitte alles wissen?! Embry fühlte sich nun doch deutlich unwohl in der Runde. Ich meinte ja nur...
 

Jared kann nicht kommen, Kim ist krank., meldete sich nun die gelangweilte "Stimme" Leah Clearwaters. Jacob verdrehte die Augen. Er würde es nie verstehen. Wie konnte man ein Rudeltreffen ausfallen lassen, nur weil ein Mädchen sich nicht wohl fühlte?! Es ging hier schließlich nicht um eine lustige Runde, in der man mit seinen Freunden zum Kartenspielen verabredet war. Sie alle trugen Verantwortung und das schien vor allem Jared nicht klar zu sein. Er stellte seine Kim in den Vordergrund, stellte sie über das Rudel...
 

Jake, das ist nicht fair. Jacob schaute auf. Seth sah ihn anklagend an und ein leises Schnauben war zu hören. Anstatt dich für ihn zu freuen, verurteilst du ihn. Du weißt doch gar nicht, wie sowas ist. Wie es sich anfühlt. Sam hat es uns doch erklärt! Man ist bereit, alles für eine Person aufzugeben, zu sein, wo die Person, auf die man geprägt wurde, einen haben möchte. Du hast doch gehört-... Doch Jacob unterbrach ihn ein wenig grob. Ich WEIß! Er wollte es nicht zugeben, aber es störte ihn ungemein zu wissen, dass es so etwas gab und es ihm verwehrt blieb. Er hatte nie an die Legenden geglaubt, doch langsam bekam er das Gefühl, alle bekamen ihr persönliches Happy-End.
 

Bis auf ihn.
 

"Der Grund, warum ich euch hergebeten habe, ist eigentlich einfach zu erklären, jedoch werdet ihr auf den ersten Blick nicht das Problem erkennen." Sam Uley sah jedem von ihnen ein paar Sekunden ernst ins Gesicht. Jacob entging nicht, dass es bei Leah mehr als ein paar Sekunden waren. Alle sahen sie ihn verständnislos an. 6 Männer und eine Frau. Jake verschrenkte die Arme und runzelte die Stirn. "Sag uns doch einfach, was los ist, dann können wir später immer noch sehen, ob wir es verstehen, oder nicht." Die 7 Augenpaare richteten sich nun auf ihn. Sie nahmen Sam die Stunde Verspätung immer noch ein wenig übel, waren jedoch froh, dass er dies nicht in ihren Gedanken lesen konnte, solange sie - wie jetzt - menschlich vor ihm standen. Doch manch einer konnte seine Wut nicht ganz so gut verbergen.
 

"Wir verschwenden schon genug Zeit mit unnützen Gesprächen. Wir müssen endlich handeln, Sam!", rief Jacob mit einem gewissen, aggressiven Unterton.

Der Rudelführer sah ihn ausdruckslos an. "Es wäre unheimlich hilfreich, wenn wir unsere Vampirerfahrungen jetzt gerade mal aus dem Spiel lassen würden, Jacob." Sam wandte den Blick ab und drehte sich zu Seth, der gespannt auf- und abhüpfte. Jacob versuchte, seine Wut herunter zu schlucken und krallte seine Finger in das feuchte Gras.
 

"Aber wenn es nicht um Vampire geht, was ist dann unser Problem?", fragte der Jüngste von ihnen völlig ahnungslos. Er war noch nicht lange genug bei ihnen, um etwas anderes als Probleme mit den Vampiren oder Grenzkontrollen zu kennen. Quil und Embry schafften es gerade noch, ihr aufkommendes Lachen in heftige Hustanfälle zu verwandeln. Sie kassierten dafür einen finsteren Blick von Sam, jedoch bemerkten sie davon nicht viel, da beide ihren Blick stur auf den Boden gerichtet hielten, um nicht doch in Lachen ausbrechen zu müssen. Kopfschüttelnd wandte ihr Anführer sich nun wieder Seth zu.
 

"Es gibt durchaus Dinge, die im Moment problematischer als Vampire sind, Seth." Der Wolfsjunge spannte sich noch mehr an. "Was denn?", fragte er neugierig und er beugte sich begierig in Sams Richtung vor. "Würde ich auch mal gerne wissen...", murmelte Leah. Jacob entging nicht, dass Sams Blick kurz zu ihr wanderte und an ihren Augen hängen blieb. Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde gewesen, doch er hatte es bemerkt. Jacob fragte sich sowieso, wieso Sam seine Freizeit in letzter Zeit mehr mit Leah Clearwater, der einzigen Wölfin im Rudel, als mit seiner Verlobten Emily Young verbrachte, auf die er schließlich - nach eigenen Angaben - geprägt worden war. Doch es war ziemlich unklug, gerade jetzt darüber nachzudenken.
 

"Leah, ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, wenn du bleibst... du siehst müde aus...", sagte Sam leise und sein Blick wanderte noch einmal zu ihren Augen. Die übrigen Rudelmitglieder wechselten verwirrte Blicke. Jacob biss die Zähne zusammen. Er würde mit Sam reden müssen. Er stand auf. "Was Sam uns sagen will, ist, dass wir alle eine Pause brauchen. Wir schlafen kaum noch, obwohl keine Gefahr besteht."

Sam warf ihm einen dankbaren Blick zu. Beide wussten, dass es Jacob gelungen war, erfolgreich die Aufmerksamkeit der anderen wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. "Ja, Jacob, dass wollte ich damit unter anderem sagen. Der eigentliche Punkt ist jedoch, dass eine neue Familie zu uns ins Reservat zieht."
 

Stille.
 

Ein heftiger Windstoß fegte über die große Lichtung des Quileute-Rudels und zerzauste den Anwesenden die Haare. Geschockt und verwirrt blickten sich die Männer an. Leah seufzte nur ein wenig enttäuscht auf. "Und ich dachte, es wäre etwas Wichtiges." Sie stand ein wenig umständlich auf und wandte ihnen den Rücken zu. "Du bleibst hier!", fauchte Sam ein wenig zu lebhaft. Leah wandte sich zu ihm um, ihr Blick drückte Wut, jedoch auch Schmerz aus. "Rede nicht so mit mir." Jacobs Befürchtung bestätigte sich. Alle Augenpaare waren wieder auf das ehemalige Pärchen gerichtet. Die junge Frau sah Sam weiterhin an. "Gerade sagtest du doch noch, ich solle gehen! Das tue ich jetzt und es passt dir auch wieder nicht?!", fauchte sie ihren Rudelführer wütend und mit einer gewissen Verzweiflung in der Stimme an.
 

Das Rudel hielt die Luft an.
 

"Leah, setz dich."

Alle Augen waren nun auf den Betawolf gerichtet.

"Sam hat Recht, wir sind ein Rudel und das heißt, auch so etwas wird ausdiskutiert und keiner geht, bis nicht alle alles verstanden haben.", kam jedoch die Rettung diesmal von Paul. Leah wollte etwas darauf erwidern, doch Quil packte sie am Arm und zog sie wieder in die Mulde, die ihre massige Wolfsgestalt noch vor wenigen Minuten in die Grasfläche gegraben hatte, neben sich. Sie wehrte sich nicht, ihr Blick war auf den Waldboden gerichtet und sie schwieg. "Erkläre es uns, Sam. Ich sehe das Problem auch nicht.", mischte sich Collin ein und zuckte mit den Achseln. "Genau", stimmte Brady mit ein. "Ist es nicht eigentlich so, dass keiner mehr ins Reservat aufgenommen wird?"
 

Sam, der sich wieder gefangen hatte, räusperte sich und richtete sich ein wenig auf. "Das ist richtig. Jedoch können wir niemanden ablehnen, dessen Familie schon in früheren Generationen mit den Quileuten zu tun hatte. Es ist zwar eine sehr weite Verwandschaft, jedoch-..." Seth unterbrach ihn, mal wieder völlig außer Acht lassend, wie unhöflich er war. Er sah es einfach nicht so. "Wie weit?" Leah schnaubte. "Als ob das wichtig wäre... halt den Mund und lass ihn weiterreden." Ihr Bruder zuckte zusammen und gehorchte tatsächlich.
 

Sam stand auf und ging ein wenig in ihrem Halbkreis auf und ab. "...jedoch weiß ich über die Umstände bescheid, die die beiden dazu bewegten, herziehen zu wollen. Macht euch keine Gedanken, es ist wirklich nicht wichtig, ich wollte nur, dass ihr es wisst."
 

"Wie viele?", fragte Jake, der sich plötzlich fühlte, als würde ihm irgendetwas Wichtiges entgehen. Sam sah ihm in die Augen. Sein Blick hatte etwas Flehendes, Jake konnte es jedoch nicht interpretieren. "Zwei. Die Mutter ist eine gute Freundin von Seth's Mutter." Jacob entging nicht, dass er Leahs Namen ausließ. "Moment mal...", ertönte plötzlich Embrys Stimme. "Das ist es, was du uns verklickern willst, nicht wahr?!" Die anderen sahen ihn verständnislos an und standen nun ebenfalls auf. "Ein neuer Werwolf, oder?"
 

Sam schüttelte leicht den Kopf und drehte ihnen den Rücken zu. "Noch nicht." Jacob trat vor und blieb in der Mitte des nun entstandenen Kreises stehen. "Hast du ihn schon getroffen?" Der Rudelführer schüttelte den Kopf. "Nein. Ich hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit dazu. Wie ihr wisst, musste ich mich um andere... Dinge..."- Er warf Jacob einen Blick zu -"...kümmern."
 

Freudig sprach Seth in die Luft. "Aber das ist ja total cool!" Er strahlte. Die Begeisterung eines Kindes. Jake lächelte nachsichtig. Er war noch so jung. Stark, talentiert und begeistert von seinem zweiten Ich, der Wolfsgestalt.
 

Dem Monster.
 

Jedoch jung und unerfahren. "Dann müssen wir ihn sofort zu uns holen, sobald er mit seiner Mutter herzieht!" Paul nickte. "Ja, wir müssen sehen, wie weit er schon entwickelt ist und wie nah die Verwandlung bevorsteht." Embry legte Jake eine Hand auf die Schulter. "Einer von uns sollte sich besonders um ihn kümmern." Jake drehte sich empört zu ihm um und hob eine Augenbraue. "Ach, und du hast dabei sofort an mich gedacht??" Ein Grinsen war die Antwort. "Um Seth hast du dich auch gut gekümmert.", sagte Quil zustimmend.
 

Seth strahlte immer noch. "Ich finde auch, dass Jake ihn übernehmen sollte, bis er soweit ist. Er wird dich bestimmt mögen, Jake!"
 

Sam drehte sich wieder zu ihnen und fasste sich ein wenig erschöpft an den Kopf.

"Er ist eine Sie."

Bye Bye Miami Beach

„Bitte beeil dich, Corymäuschen!", rief meine Mutter mir vom Beifahrersitz meines Renault Espace zu. „Wir wollen noch vor den Umzugsleuten ankommen! Du weißt, es wird eine lange Fahrt werden!"

Ja, das wusste ich. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über meine Heimat gleiten. Unser hübscher Bungalow, der direkt am Strand von Miami in einer sehr schönen Gegend stand, war alles, was ich je mein Zuhause genannt hatte. Hier war ich aufgewachsen, hier hatte ich Höhen und Tiefen erlebt.
 

Und nun sollte ich all das hinter mir lassen?
 

Ich wusste schon, seit ich die Haustür für immer hinter mir abgeschlossen und einen kritischen Blick auf das "For Sale"-Schild geworfen hatte - dass meine Mutter vor wenigen Tagen auf unserem hübschen, gepflegten Rasen aufgestellt hatte - dass sich mein Leben ab jetzt um 180 Grad drehen würde. Und ich war mir noch nicht ganz sicher, ob diese Drehung mich direkt in die Hölle befördern, oder ob ich noch Zeit haben würde, dies alles hier ein wenig zu vermissen.

Die schneeweißen Bürgersteige, an denen meist lange Schlangen von Autos parkten, die wunderschön gebauten Hochhäuser, die Clubs und Einkaufshallen. Meine beste Freundin und meine Bekannten. Und natürlich der wunderschöne Strand von Miami Beach. Die kleine Mauer, auf der ich Stunden um Stunden gesessen und einfach beobachtet hatte. Urlauber, die sich sonnten und Sportler, die ihre Körper mit Laufstunden oder Strandspielen fit hielten, gehörten immer zum täglichen Bild. Palmen, deren Wedel im Wind wehten, mal entspannt und langsam, mal schnell und heftig zuckend, je nach Windstärke. Der Himmel, der meist einen babyblauen Ton annahm, an manchen Tagen jedoch bedrohlich grau und düster wirkte. Tage, an denen der Wind mich sanft kleine Stücke weiter Richtung Meer schob. Richtung Wellen, in die sich Surfer todesmutig stürzten. Meine Heimat, mein wunderschönes Miami. Ja, selbst diese drückende Hitze, die jemandem wie mir noch nach Jahren zu schaffen machte, würde ich vermissen. Und warum gaben wir das alles auf?!
 

Ah, ich erinnere mich wieder.
 

Mein Großvater, Phelias Wentwulf, war der Grund. Wir drei hatten in diesem hübschen Bungalow, das nun zum Verkauf stand, gelebt. Wer wir drei waren? Nun, das ist eigentlich einfach zu erklären, jedoch ist es wohl besser, wenn ich da ein wenig aushole. Mein Großvater ist ein sehr abergläubischer Mensch gewesen. Keine Legende war vor ihm sicher. Erst Recht nicht die Legenden der Quileute, einem Stamm in Washington, genauer gesagt in La Push, einem kleinen Indianerreservat in der Nähe von Seattle hatten es ihm immer angetan. Er war nahezu besessen davon gewesen, mir die Geschichten über Männer, die ihren Stamm schon vor Jahrhunderten vor Feinden beschützt hatten, jeden Abend nahe zu bringen. Ich hatte nie etwas gegen Gute-Nacht-Geschichten gehabt. Aber dies waren keine normalen Geschichten. Er war fest davon überzeugt gewesen, dass diese Männer vor Jahrhunderten gegen die kalten Wesen - er meinte damit wohl Vampire - gekämpft hatten. Und das nicht als Menschen, nein. Als große, manchmal unberechenbare Wölfe. Werwölfe. Man kann sich sicher vorstellen, dass ich dem nicht ganz glauben konnte. Jugendliche, fast schon Männer, die ihre Zeit damit verbrachten, sich, wann immer sie ausflippten oder einfach Lust dazu hatten, in große, zottelige Hunde verwandelten, um dann die Welt vor den blutrünstigen, finsteren Vampiren zu retten.

Selbst, wenn etwas an der Geschichte dran war, gab es drei Sachen, denen ich mir absolut sicher war.

1.: Wenn die Geschichten absolut wahr waren (was ich bezweifelte), hatten die beiden Parteien sich sicherlich irgendwann einmal missverstanden.

2.: übertrieb mein Großvater sicher wie immer ein wenig...

3.: waren genau diese Legenden ein Grund, weshalb ich nie auch nur in die Nähe dieses "Reservats" kommen wollen würde.

Doch genau Punkt drei, meine schlimmste Befürchtung, sollte eintreffen. Ich erinnere mich noch genau an den Abend, an dem Großvater mich zu sich in den Garten rief.
 

Wir setzten uns auf die schon fast morsche Gartenbank, er legte einen Arm um meine Schultern und deutete zum Horizont. „Siehst du das, Seane Cory? Für dich mag es nur ein Stückchen Himmel sein. Praktisch ein Anblick wie gemalt. Blauer Himmel, eine untergehende Sonne, die langsam im eisblauen Meer zu verschwinden scheint. Du magst es jetzt noch nicht sehen, aber eines Tages wirst du verstehen, was ich meine. Es ist nicht immer alles, wie es scheint. Die Sonne wird nie ganz aus deinem Leben verschwinden, nein, sie wird auch nie im Meer versinken. Aber der Himmel wird auch nicht immer blau sein. Ich weiß, du verstehst mich nicht. Noch nicht. Aber eines Tages wirst auch du die Welt mit den Augen sehen, mit denen das, was wirklich in dir steckt, sie immer sehen wird." Er hob seine schwielige Hand und legte sie, so sanft es ihm möglich war, an meine Wange. Schon alleine seine Hand strahlte immer eine unglaubliche Stärke aus. Keine körperliche, dafür war er schon zu alt. Eine innerliche, geistige Stärke. Die, wie er so oft betonte, manchmal die Wichtigere war. „Fang nicht schon wieder damit an, Opa." Ich lächelte nachsichtig. „Es gibt nur das, was ich sehe und die Sonne sinkt und morgen früh, wenn wir aufwachen, ist sie schon wieder da, okay?!" Ich wollte aufstehen, doch er hält mich sanft zurück. „Mach nicht den selben Fehler wie deine Mutter! Es GIBT mehr, als du siehst! Die La Push-Krieger-..." Ich schnaubte. „Opa, ich bin jetzt schon 15, weißt du?! Du kannst mich mit deinen Gruselgeschichten langsam mal verschonen." Ein wenig genervt warf ich meine Haare in den Nacken, was jedoch sinnlos war. Der Wind zerzauste sie sofort wieder zur unglaublich gut aussehenden Marke a la Vogelnest. Großvater packte meinen Arm und begann, wie so häufig in letzter Zeit, zu zittern. „Es sind nicht die Krieger, vor denen du dich fürchten musst, Seane Cory! Die Vampire, sie sind das Übel!", rief er aufgebracht. „Sie haben die Kraft, einen der Wölfe in einem Bruchteil einer Sekunde zu zerreißen! Aber sie haben nie Angst gehabt, sie nicht!!" Ich erschauderte. „Aber das sind Legenden, Großvater, es gibt keine Werwölfe! Und auch keine Vampire. Kein Grund zur Sorge. Und jetzt gehen wir ins Haus und warten, bis die Sonne wieder aus den Tiefen des Meeres aufsteigt, ja?" Einen gewissen Spott hatte ich nicht zurückhalten können. Leider. „Nein, es gibt sie nicht, Seane Cory. Nicht mehr. Sie werden ja auch nicht mehr gebracht, nicht wahr?! Niemand traut sich in die Nähe des großen Indianerreservats La Push! Und die Jungs sind keine Helden mehr, sondern Rotzbengel! Mit denen könnten wir uns heutzutage den Vampiren direkt in die Arme werfen!" Da kam meine Mutter aus unserem Bungalow geeilt, das hübsche, geblümte Strandkleid unter einer Kochschürze versteckt. !Vater, du sollst dich doch nicht so aufregen! Denk an dein Herz!", hatte sie besorgt gerufen, jedoch nur einen missmutigen Blick geerntet.
 

Leise seufzte ich und trug den großen, roten Koffer zum Auto. Und es war doch zu viel gewesen. Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, hatte meine Mutter ihren Vater im Bett vorgefunden. Kalt, ein friedliches Lächeln auf den Lippen und einen Kuvert in der Hand.

Wir haben ihn eine gute Woche später den Weiten des Meeres übergeben. Der Kuvert war für mich gewesen. Bis heute, dem Tag unserer Abreise, ruhte er unter einem Stapel frisch gewaschener Socken meinerseits. Ich gebe es zu, ich war zu feige gewesen, ihn zu öffnen. Meine Mutter drang mich zu nichts. Sie war immer noch dabei, den Tod ihres Vaters zu verarbeiten. Direkt einen Tag nach der Trauerfeier hatte sie den Entschluss gefasst, seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Ich sah darin immer noch eher eine Art Flucht vor den Erinnerungen. Meine Mutter rief einen Mann in La Push an, soweit ich mich erinnere, hieß er Ateara.

Sie wollte mir nicht sagen, wie, aber irgendwann hatte sie es geschafft, den Mann soweit zu bearbeiten, dass uns erlaubt wurde, nach La Push zu ziehen, obwohl es so etwas wie eine geschlossene Gesellschaft war. Ich vermutete, es stand im Zusammenhang mit meiner Großmutter, Opa Phelias' Frau, die ihre Wurzeln in La Push gehabt hatte und eine gute Freundin vieler Leute dort gewesen war.
 

Nun war es also soweit. Ich öffnete die Fahrertür und ließ mich, geschmeidig wie eine Katze, auf meinen Sitz gleiten. Meine Mutter überließ meist mir das Steuer, es war ja auch mein Wagen. Das einzige Auto, das sie fuhr, war ihr Dienstwagen. Marienne Wentwulf, meine noch junge Mutter, war etwas ganz Besonderes. Eine wunderschöne Frau, mit Maßen eines Models, ebenholzfarbenem Haar, einer Haut wie aus Seide, ein Gesicht, für dessen Lächeln viele Männer gestorben wären. Und was war sie?! Einer der wenigen weiblichen Chiefs Amerikas.

Meist war das schon ein Grund für Männer, meine Mutter kein zweites Mal zu treffen, worüber ich nicht unglücklich war. Wer war schon gerade mit einer Frau zusammen, die jeden Tag ihr Leben riskierte?

Doch nicht nur das war das Problem, das die Männer mit ihr hatten. Meine Mutter wollte keine weiteren Kinder. Mit niemandem. Sie hatte es versprochen.
 

Mit finsterer Miene ließ ich den Motor an und suchte nach meinem Sicherheitsgurt. „Corymäuschen, du wirst dich sicher schnell eingewöhnen. Davon bin ich fest überzeugt. Auch, wenn ich glaube, dass dir die Kälte anfangs ein wenig zu schaffen machen wird...Du liebst doch die Sommerhitze so...", seufzte meine Mutter und lehnte sich in den grauschwarzen Sitz zurück. Etwas zu heftig trat ich das Gaspedal durch. „Danke, dass du mich daran erinnerst, Mum!", zischte ich und fuhr, jetzt ein wenig langsamer, auf die Hauptstraße. „Langsam, Corymäuschen, wir wollen doch in einem Stück ankommen." Ich schwieg und bog mit einem letzten, wehmütigen Blick durch den Rückspiegel auf die vierspurige Hauptstraße ein. Meine Mutter legte ihren Seidenschal ab und öffnete ihr Seitenfenster. „Diese elende Hitze... Corymäuschen, könntest du das Verdeck ein wenig aufmachen?", keuchte sie. Meine Mutter, der Schmelzkäse. Ich schmunzelte gehässig. „Soll ich das tun? Dann kommt die Sonne aber von oben herein." Daran hatte sie augenscheinlich nicht gedacht, denn ihr Blick wurde ein wenig panisch und sie öffnete das Handschuhfach, um sich einen der kleinen Propellerchen herauszuholen, der ihr wenigstens ein bisschen Frischluft gönnen sollte. „Mach dir keine Gedanken, Corymäuschen, du wirst dich schon in La Push einleben.", seufzte sie und entspannte sich merklich. Doch ich hatte das ungute Gefühl, dass das nicht so bald der Fall sein würde...

Nachts um halb 2 in Washington

~ Seane Cory’s Sicht~
 

Als ich den Blinker setzte und vom Highway auf die Raststätte kurz vor dem Ort Forks fuhr, war meine Mutter längst in ihrem Sitz zusammengesunken und schlief. Ein Blick auf die Uhr an meinem Armaturenbrett sagte mir, dass wir bereits fünfzehn Minuten nach eins hatten. Es war stockdunkel und außer meinem Renault Espace waren nur zwei andere Autos zu erkennen. Ich kannte mich mit Autos eigentlich sehr gut aus, jedoch konnte ich nur eines der beiden Autos genau zuordnen. Der dunkelgrüne Audi A3, der gerade an der kleinen Tankstelle parkte, verdeckte das zweite Auto, augenscheinlich handelte es sich hierbei um einen VW Golf. Ich seufzte leise, um meine Mutter nicht zu wecken. Es war stockduster draußen und ich war trotzdem kein bisschen müde. Generell war ich eher ein Nachtmensch, womit ich in Florida sowieso völlig aus der Reihe getanzt war. Aber irgendwie hatte die Nacht etwas Beruhigendes...
 

Langsam fuhr ich an die andere Zapfsäule, stieg aus und begann zu tanken. Während ich wartete, wanderte mein Blick wieder zu dem merkwürdigen VW Golf, dessen genaues Model ich noch nicht genau identifiziert hatte. Der Besitzer war offensichtlich gerade in der Tankstelle, denn niemand saß im Auto. Suchend blickte ich durch die Glasscheiben in den kleinen Tankstellenshop. Eine Frau mittleren Alters blätterte gerade eine Zeitschrift durch und ein kleines Mädchen, wahrscheinlich ihre Tochter, sah sich einige Plüschtiere an. Weiter links sah ich einen älterer Mann im Rollstuhl neben einem jüngeren, der gerade bezahlte. Mein Blick blieb an letzterem hängen. Er hatte ein hübsches Gesicht mit schönen Gesichtszügen und vollen Lippen. Seine Haut war sonnengebräunt und ich konnte deutlich die Muskeln erkennen, die sich selbst unter der schwarzen Lederjacke, die er trug, abzeichneten. Seine schokoladenbraunen bis schwarzen Haare fielen ihm wie ein seidener Vorhang auf jeder Seite seines Gesichtes herunter. Er war augenscheinlich ein Einheimischer aus der Gegend. Vielleicht ja sogar aus La Push...

Ich errötete. Warum musterte ich ihn so lange? Peinlich berührt wandte ich den Blick ab. Wie unhöflich ich war. Außerdem hatte ich doch gar keine Zeit, herumzutrödeln. Es war kurz nach ein Uhr nachts, es war eiskalt und ich hatte nichts Besseres zu tun, als wie eine Geisteskranke an meinem großen, schwarzen Auto herumzustehen um einen Fremden anzustarren. Was war in mich gefahren?!
 

Leicht schüttelte ich den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Mein Renault Espace war endlich vollgetankt und meine Mutter drehte sich im Inneren des Wagens unruhig auf die andere Seite. Vorsichtig fasste ich in meine Jackentasche und zog das Geld heraus, dass meine Mutter mir vor wenigen Stunden fürs Tanken gegeben hatte. Da es eine sehr weite Fahrt war, teilten wir uns das Spritgeld diesmal. Ganz bezahlte sie nicht, da sie lieber geflogen wäre, ich aber darauf bestanden hatte, zu fahren, was vielleicht doch ein wenig übertrieben gewesen war.

Ich fröstelte, zog meine Jacke enger um mich und betrat den Tankstellenshop. Nach einigem Überlegen nahm ich eine Packung mit Sandwiches und zwei Flaschen Saft aus einem der Regale und ging nun endgültig zur Kasse. Der ältere Herr stritt sich gerade mit dem jungen Mann, der offensichtlich sein Sohn war. Gerade hatte ich noch ein wenig Mitleid mit dem alten Mann gehabt, wie ich es für jeden empfand, der an einen Rollstuhl gefesselt war, doch als ich das Gespräch der beiden mitbekam, verflog dieses Gefühl gleich wieder.
 

„Geht das nicht ein wenig schneller?! Wir haben schon kurz nach eins und ich bin verdammt noch mal müde, Jacob!“, fauchte der Alte. Er bekam jedoch nur ein mürrisches Schnauben als Antwort. „Machst du das eigentlich, um mich zu ärgern?! Wir sind noch nicht mal in Forks und ich habe keine Lust, noch länger hier zu warten, bis du dich endlich mal entschieden hast, ob du jetzt noch etwas zu essen kaufen willst, oder nicht!“ Er fuhr ungeduldig ein Stückchen Richtung auslagen und sah seinen Sohn bitterböse an.

Erst jetzt viel mir auf, wie müde dieser aussah. Er stützte sich am Tresen ab. Ich bemerkte, dass er zitterte und sich offensichtlich zwingen musste, ruhig zu bleiben.

„Kann ich etwas dafür, dass du so lange bei deinem alten Freund bleiben wolltest, den du ja ach so lange nicht mehr gesehen hattest?!“, murmelte er zornig und entschied sich, jetzt doch endlich alles zu bezahlen. Ich staunte nicht schlecht. Fünf Pakete mit je drei Sandwiches, zwei Tüten Chips und mehrere Flaschen Limonade kamen zum Preis seines Sprits dazu. Natürlich, das musste für ein paar Freunde sein.

„Und du willst das alles wirklich essen?“, fragte der Alte skeptisch. „Klar. Falls du dich erinnern solltest, habe ich seit dem Mittagessen nichts mehr zu mir genommen. Das, was die Frau deines ach so tollen Freundes uns da angeboten hat, war echt alles, aber kein Kuchen.“, schnaubte der junge Mann mit Namen Jacob. Ich musste mich ja wohl verhört haben. Das alles für eine Person?!

Ohne ein weiteres Wort und ohne mich oder einen anderen eines Blickes zu würdigen, verließen die beiden den Shop. Ich bezahlte auch und lief, so schnell ich konnte aus dem Laden, jedoch war der VW Golf schon verschwunden.
 

Mit einem Seufzer setzte ich mich zurück in meinen warme Renault. So langsam hoffte ich, dass die beiden keine typischen Bewohner von La Push waren. „Sind... wir schon da...?“, fragte plötzlich eine verschlafene Stimme neben mir. „Nein, wir sind erst kurz vor Forks. Ich war gerade tanken.“, seufzte ich und knipste die kleine Deckenleuchte über uns an, damit sie etwas sehen konnte. „Bist du mit dem Geld ausgekommen...?“ Typisch Mum. Kaum wach, aber machte sich sofort wieder um die kleinsten Dinge sorgen. „Ja, alles in Ordnung, Mum. Hast du Hunger? Ich habe uns gerade etwas besorgt.“, lächelte ich und reichte ihr die Packung mit den Sandwiches sowie eine der beiden Flaschen. Ich selbst nahm erst einmal einen großen Schluck aus meiner. Ich war immer noch hellwach und mir ging es eigentlich gut, trotzdem spürte ich das leichte Zittern, dass mich schüttelte. Auch meiner Mutter blieb es nicht verborgen und sie strich mir mit einer Hand besorgt über die Schulter. „Geht es dir nicht gut? Bist du müde? Soll ich fahren?“ Seufzend stellte ich die Flasche Limonade in den Getränkehalter und fuhr mir einmal durchs Haar. „Nein, nein, mir ist nur ein wenig kalt, muss an dem veränderten Klima liegen.“

Nach einer kurzen Pause, in der wir schweigend unsere Sandwisches verzerrten, fuhr ich wieder auf den Highway.

In den frühen Morgenstunden hatten wir das „Welcome to Forks“-Schild schon lange hinter uns gelassen und näherten uns unserem Ziel. La Push, das Reservat der Quileute erstreckte sich in einigen Kilometern Entfernung vor uns.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Es kostete ihn einiges an Willenskraft, Billy nicht in diesem verdammten Tankstellenshop an die Gurgel zu gehen. Jacob hatte ihn gegen Nachmittag zu einem Freund gefahren, der außerhalb von Forks lebte. Die beiden älteren Männer hatten sich schon seit Jahren nicht mehr gesehen und den Besuch mit einem gemeinsamen Ansehen des Samstagspiels verbunden. Jacob hatte nicht unhöflich sein wollen und seinen Vater somit nicht mehr als drei mal darauf aufmerksam gemacht, dass Sam um acht ein Treffen angesetzt hatte. Doch alles war umsonst gewesen, Jacob hatte das Treffen verpasst und durfte seinen ab einundzwanzig Uhr schlecht gelaunten Vater Stunden nach der vereinbarten Zeit nach Hause fahren. Um sein Unglück perfekt werden zu lassen, hatte er auch noch unterwegs anhalten müssen, um zu tanken. Billy traute ihm nicht, wenn er müde war und war mit in den Shop gekommen. Dort hatte er Jacob gehetzt und ihm Vorhaltungen gemacht. Jake wäre es egal gewesen, wenn sie allein gewesen wären, er war es ja so langsam gewöhnt. Jedoch war es ihm mehr als peinlich gewesen, dass Billy ihn vor vier anderen Personen lächerlich gemacht hatte. Der Kassiererin, einer Frau mit ihrer kleinen Tochter und einem anderen Mädchen. Ihr Geruch war ihm sofort aufgefallen, als sie den Shop betreten hatte. Eine wunderschöne Mischung aus Erdbeere und Apfel, eine sommerliche Note. Er war nicht dazu gekommen, sie anzusehen, er hatte noch nicht einmal einen Blick auf sie werfen können. Zu schade, er sah nicht oft Mädchen, die offensichtlich nicht aus der Gegend kamen. Er hatte gemerkt, wie sie, wie ein verschrecktes Reh, hinter einem Regal gewartet hatte, bis Billy mit seiner Moralpredigt fertig gewesen und sie beide den Shop verlassen hatten. Auch draußen war es ihm nicht mehr gelungen, einen Blick auf das Mädchen zu werfen, da Billy ihn unermüdlich Richtung Auto gezerrt hatte. Nur ihre wunderschönen, schokoladenbraunen Haare waren ihm in Erinnerung geblieben. Zu schade, dass er sich nicht mit ihr hatte unterhalten können. Dass er dafür aber ohnehin zu schüchtern gewesen wäre, ließ Jacob dabei einmal außer Acht.

Also fuhr er Billy zurück nach La Push.
 

Kurz, bevor sie Zuhause ankommen sollten, ereignete sich jedoch etwas, was Jacob in höchstem Maße verärgerte.
 

Auf einer sonst einsamen Landstraße stand – wie sonst auch – eine Ampel. Doch ausgerechnet an diesem Morgen war sie durch den gestrigen Sturm umgeknickt auf die Straße gefallen, sodass sich eine lange Autoschlange gebildet hatte, die ein Weiterfahren unmöglich machte. Und so standen er und Billy nun schon seit einer halben Stunde in der Schlange, während sie auf die Polizei und die Feuerwehr warteten. Billy war eingeschlafen und Jacob musste sich mit gelegentlichen Kniffen in den Unterarm wach halten. Er atmete gerade tief durch, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Quietschen zu hören war. Alarmiert sah Jacob in den Rückspiegel. Hinter ihm parkte ein schwarzer Renault, offensichtlich ein Espace. Das Quietschen kam jedoch aus weiter Ferne. Auch das Mädchen drehte sich jetzt herum. Doch es war schon zu spät. Der Nissan Sentra, dessen Fahrer noch versucht hatte, sein Auto, über das er auf der regennassen Straße die Kontrolle verloren hatte, zu stoppen, prallte nun genau gegen das Heck des Renault Espace und schubste den großen Wagen nach vorne. Genau gegen das Heck von Jacob’s Rabbit. Empört öffnete Billy die Augen. „Was ist denn nun schon wieder los?!“ Jacob, der sich gerade erst von dem Schock erholt hatte, zuckte zusammen. „Tyler Crowley aus Forks hat mal wieder versucht, Auto zu fahren. Ich glaube, den Rabbit kann ich vergessen.“

Und plötzlich siehst du SIE...

Während ich mich immer noch von dem Schock erholen musste, dass ein Auto gerade ins Heck meines geliebten Renault Espace gerast war, beobachtete ich, wie der junge Mann ausstieg und seinem Vater aus dem Wagen half. Meine Frontseite war durch den Aufprall nach vorne geschubst und geradewegs in sein Heck gedrückt worden.

Meine Hände zitterten noch immer leicht am kühlen Lenkrad und ich löste sie vorsichtig. Mum stand immer noch unter Schock. Was ich jetzt brauchte, was eindeutig frische Luft. „Warte hier Mum, ich kläre das...“, murmelte ich und öffnete die Fahrertür.

Draußen atmetete ich erst einmal die kühle Morgenluft ein. In meiner leichten Übergangsjacke fröstelte ich ein wenig, aber das war im Moment wohl das geringste Problem. Der im Rollstuhl sitzende Mann kam mit wutentbrannter Miene auf mich zu.

„Sagen sie mal, können sie nicht wenigstens ein wenig aufpassen?!! Meine Güte, so was habe ich in den letzten 35 Jahren ja nicht mehr erlebt!! Frauen am Steuer, das kommt ja mal wieder davon!!“, schrie er mich an.

Meine bis jetzt ungläubige Miene verwandelte sich langsam in eine wutverzerrte. „Wenn sie schon nach einem Schuldigen suchen müssen, dann schauen sie gefälligst auch richtig hin!“, fauchte ich und gab ihm den Blick auf den Jungen zu, der wimmernd hinter dem Steuer seines Nissan Sentra saß. Was bildete sich dieser Alte eigentlich ein?! Mit meinem Mitleid war es nun entgültig vorbei, er tat mir kein bisschen mehr leid. Zumindest war ich damit aus dem Schneider, denn er wandte sich von mir ab und begann, den armen Fahrer des Unglücksautos aus seinem Wagen zu zerren. Mein Blick wanderte nun zu dem jungen Mann, der mir schon vor ein paar Stunden im Tankstellenshop aufgefallen war. Jacob. Ja, das war sein Name gewesen. Ich ließ meinen Blick noch einmal über seine komplette Gestalt gleiten. Er war ziemlich groß, erstaunlicherweise machte mir das aber wenig aus. Für eine Frau war auch ich ziemlich groß und hatte mich stets darüber aufgeregt, wenn Männer zu klein waren und ihren großen Frauen verboten, aus diesem Grund High Heels zu tragen.

Ich ließ meinen Blick ein wenig höher gleiten, bis er an seinen Augen hängen blieb. Dort angekommen stellte ich fest, dass er mich anschaute. Nun ja, man konnte es nicht direkt „anschauen“ nennen. Er starrte mich eher an. Kein Starren, das Abscheu ausdrückte. Es war eher, als hätte er das erste mal etwas gesehen, was er sein ganzes Leben lang vermisst hatte. Was war mit ihm los?
 

Jacob’s Sicht
 

Als er Billy aus dem Auto geholfen hatte, fiel sein Blick sofort auf sie.

Sie war es. Das Mädchen aus dem Tankstellenshop, das sich so schüchtern hinter einem Regal versteckt hatte. Das erste mal kam Jake dazu, sie genauer zu betrachten. Und als er es tat, fühlte er sich, als würde ihn der Schlag treffen.

Und plötzlich wusste er, dass es wirklich stimmte.

Sam und Jared hatten nicht so sehr übertrieben, wie Jake gedacht hatte. Diese Gefühle, die auf ihn einstürmten, waren stärker als das, was man „Liebe auf den ersten Blick“ nannte. Es war viel mächtiger. Absoluter. Es war ihm absolut egal, wo sie waren. Er nahm weder seine Umgebung, noch den Umstand wahr, dass er gerade dabei war, ein völlig fremdes Mädchen unhöflich anzustarren. Jacob Black spürte nur eins. Er wollte dieses Mädchen. Er wollte, dass sie in seiner Nähe blieb, denn er hatte plötzlich das Gefühl zu sterben, wenn sie es nicht tat. Als ob er jeden Moment auseinander fiele, wenn sie auch nur noch einen Schritt zurückweichen würde. Es kümmerte ihn nicht, dass sie an einem Unfallort standen, oder das sie dringend auf der Polizeiwache anrufen mussten. Nichts war ihm im Moment wichtiger als dieses Mädchen, das ihn aus grün-blauen Augen fragend und ein wenig ängstlich anschaute.
 

Und er verstand.
 

Man wird das, was sie gerade braucht, Beschützer oder Geliebter, Freund oder Bruder.
 

Und er hob wie mechanisch seine Hand. „Hi. Ich bin Jacob Black.“
 

Seane Cory’s Sicht
 

Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, was die richtige Reaktion war. Es war so verstörend gewesen, wie er mich gemustert hatte, dass ich mich jetzt erst einmal wieder neu in die Situation hineindenken musste. Anscheinend wollte er sich mit mir bekannt machen. Vorsichtig und zögernd legte ich meine Hand in seine. Prankenähnlich, kräftig und angenehm warm war sie. Vorsichtig, fast, als wäre er sehr darauf bedacht, mich nicht zu verletzen, schüttelte er meine Hand. Es war mir ein wenig unangenehm. Nicht, dass ich ihn nicht kennen lernen wollte, aber es passte irgendwie nicht in die Situation. Es schmeichelte mir zwar, dass er mich offensichtlich interessanter als das Chaos um uns herum fand, aber ich war trotzdem der Meinung, dass wir uns eher wieder dem Unfall widmen sollten.

„Seane Cory.“, sagte ich leise und konnte trotz meiner Einwände nicht vermeiden, dass ich ein wenig errötete. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich eingeschüchtert. Warum hatte ich bloß das Gefühl, plötzlich Schuld an der ganzen Sache hier zu sein?!

Er sah mich immer noch fasziniert an. „Ich denke, wir sollten Charlie anrufen.“ Er hatte eine angenehme Stimme, tief, rau, aber dennoch mit einem sanften Unterton. Verwirrt schaute ich hoch. Wer zum Teufel war Charlie?? Doch er schien es nicht für nötig zu halten, mir das genauer zu erklären.

Langsam, noch ziemlich verwirrt stieg nun auch meine Mutter aus meinem Auto und begrüßte den alten, unfreundlichen Mann. Ich ließ Jacob einfach stehen und trat an ihre Seite. Gerade rechtzeitig, um das Wesentliche mitzubekommen.
 

„Hallo Billy. Merkwürdiger Umstand, dass wir uns so kennen lernen, aber es muss wohl so sein. Ich bin Marienna Wentwulf, die Tochter von Phelias Wentwulf.“, lächelte sie ihn mit einem Lächeln an, das er meiner Meinung kein bisschen verdient hatte. Sofort veränderte sich Billy’s Miene, er war keineswegs mehr der böse Alte. „Wirklich ein merkwürdiger Umstand, dass wir uns so treffen. Ich habe dich erst morgen früh erwartet. Quil Ateara wird sich freuen. Ihr habt doch schon miteinander gesprochen?“ Ich sah meine Mutter an. Ja, sie hatten schon miteinander gesprochen. Sie hatte all ihre Überredungskünste aufbringen müssten, damit es uns überhaupt erlaubt worden war, zu den Quileuten zu ziehen. „Ja, das Vergnügen hatte ich bereits.“, seufzte sie. Billy Black lachte. Offensichtlich wirkte Mum’s Charme auch auf ihn. Er ließ seinen Blick nun auch auf mir ruhen. „Dann bist du also Seane Cory?“ Vorsichtig nickte ich. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht so anschreien. Aber weißt du, es sind die Nerven... So ein Unfall ist selten hier und ich hatte gerade geschlafen.“ Er wandte sich herum, zu der Stelle, an der sein Sohn bis vor ein paar Minuten noch gestanden hatte. Doch dort war es nicht mehr. Ich zuckte zusammen, als ich die Wärme an meinem Rücken bemerkte. Erschrocken drehte ich mich herum. Und da stand er. Jacob. Wie einer dieser Bodyguards hatte er die Arme verschränkt und sich hinter mir aufgebaut. Keineswegs bedrohlich, ich glaubte auch nicht, dass er mich erschrecken wollte. Es wirkte eher so, als wollte er mich beschützen. Vor was auch immer. Der Unfall war schließlich vorbei. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Billy ihm einen warnenden und gleichzeitig fragenden Blick zuwarf. Auch ich verstand nicht, was das sollte.

Wie um die Situation zu entschärfen, klatschte meine Mutter in die Hände. „Wir sollten wohl langsam mal den zuständigen Chief anrufen, oder?“, fragte sie mit einem Tatendrang, der irgendwie völlig falsch war. Billy nickte. „Rufen sie am besten Chief Charlie Swan aus Forks an. Hier, das ist seine Nummer.“ Er reichte Mum einen Post-it-zettel mit einer Telefonnummer. Sie entfernte sich ein Stück von uns und telefonierte eine Weile. Verlegen schaute ich noch einmal hoch in Jacob’s Gesicht. Ich lächelte vorsichtig. Ein faszinierter Blick war die Antwort. „Wie lange wird es dauern, bis der Chief da ist?“, fragte ich, um ein Gespräch anzufangen. „Vielleicht fünfzehn Minuten...“, murmelte er. Ich nickte nur und sah in den Himmel. Er hatte sich wieder verdunkelt und es begann wieder zu regnen, obwohl es erst vor fünf Minuten aufgehört hatte. Ich ließ meinen Blick über den Wald gleiten, der rechts von uns lag und erschrak fast zu Tode. „MEIN GOTT!!“, schrie ich, als ich die große Gestalt erblickte, die uns aus dunklen Augen beobachtete.
 

Jacob’s Sicht
 

Er zuckte zusammen, als sie aufschrie. Augenblicklich spannte sich sein Körper an, eine natürliche Reaktion auf den Schreck, der ihm in die Knochen gefahren war. Es war seltsam, er hatte, seit er ihre zarte Hand in seiner gespürt hatte, das Gefühl, sie unbedingt beschützen zu müssen. Seine Augen huschten übermenschlich schnell zu der Stelle am Waldrand, die sie beschäftigte. Und auch er sah sie. Die Gestalt, die neugierig zwischen den Bäumen stand. Ein grauer Wolf, der die Ausmaße eines kleinen Busses hatte. Er biss die Zähne zusammen und knurrte leise. Das war es, was gerade noch gefehlt hatte... Embry musste den Unfall bemerkt und gewusst haben, dass Jacob in ihn verwickelt war. Normalerweise wäre er froh gewesen, seinen Freund zu sehen, doch jetzt war er einfach nur wütend. Dieser Idiot machte sich nicht mal die Mühe, sich zu verstecken. Und das Schlimmste war, dass er Seane Cory Angst machte. Jake versuchte ihm zu verstehen zu geben, dass er verschwinden und Sam Bericht erstatten sollte. Doch er verstand offensichtlich nicht. Je mehr Mühe Jake sich gab, desto mehr war er der Meinung, dass Embry auch nicht verstehen wollte. Er betrachtete das Mädchen neugierig und eindeutig interessierter, als Jake lieb war.
 

Seane Cory’s Sicht
 

Ich zitterte. Ja, ich hatte Angst. Was war, wenn dieses...DING auf die Idee kam, näher zu kommen und uns alle anzugreifen?! Ich war mir nicht sicher, was es war. Ich hätte „es“ für einen Wolf gehalten, wenn das nicht völlig absurd gewesen wäre. „Es“ war mindestens so groß wie ein kleiner Bus und so schwer wie zwei Autos zusammen. „Verdammt, was ist das??“ Unbewusst trat ich einen Schritt zurück und stieß gegen Jacob. Als er einen Arm um meinen Bauch schlang und ein fast schon animalisches Knurren ausstieß, verschwand der lebende Bus wieder zwischen den Bäumen. „Jacob, was war das? Ist das hier normal? Kommt es wieder?“, stammelte ich. Ängstlich sah ich zu ihm hoch. Er sah unglücklich aus und ich hatte das Gefühl, das er mehr wusste, als ein normaler Mensch darüber wissen sollte. Gerade, als er den Mund öffnete, um mir zu antworten, hörten wir in weiter Ferne die Polizeisirenen, die langsam näher kamen...

...und die Probleme werden größer.

Nachdem die Formalitäten geregelt waren, brachte uns Chief Swan nach La Push. Während ich unser neues, zweistöckiges Haus, dass im viktorianischen Stil erbaut worden war, genauer betrachtete, blieb meine Mum noch draußen und unterhielt sich mit ihm.
 

Es war ein schönes neues Heim. Die blütenweiße Flügeltür wurde links von einer großen Fensterwand eingerahmt und ein wenig rechts von ihr befand sich eine weitere, ebenfalls weiße Tür, die in den kleinen Garten führte. Eben jener war durch eine kniehohe, steinerne Mauer eingegrenzt.

Als ich das Haus betrat, fand ich mich in einem Flur wieder. Er hätte recht geräumig sein können, aber eine große, sehr alt aussehende Holztreppe nahm fast die gesamte linke Wand des Raumes ein. Zwei Bänke sorgten für eine Atmosphäre, die mich eher an eine Kirche statt an ein Einfamilienhaus erinnerte. Die zwei Türen, die hinter der riesigen Treppe waren, ließ ich erst einmal außer Acht. Wahrscheinlich würde ich dort nur die Küche und das Wohnzimmer finden. Vorsichtig stieg ich also das Treppenmonstrum hinauf, das unter meinen Schritten gewaltig zu knarren begann. Offenbar war es von mir genauso begeistert wie ich von diesem ganzen Umzug.
 

Das obere Stockwerk war besser - und schlechter.

Ich befand mich in einem riesigen, mit Holz ausgekleideten Flur mit sehr alt aussehenden Gemälden. Die meisten zeigten den Strand von La Push, den Chief Swan auf der Herfahrt so angepriesen hatte. Die übrigen machten mich sofort mit den Legenden dieses kleinen Reservats bekannt. Männer, halbnackt und mit Speeren bewaffnet, sahen mir grimmig ins Gesicht. Über ihnen - nur schemenhaft dargestellt – waren Wolfsköpfe zu sehen. Mit Augen, so schwarz wie die Nacht und geöffneten Mäulern. Ich erschauderte. Es war eindeutig Zeit für neue Besitzer. Ich stand nicht unbedingt auf Fantasygeschichten, in denen merkwürdige Indianer oder Wölfe die Hauptrollen spielten.

Rechts neben der Treppe befanden sich zwei Türen, eine davon hatte eine ungefähre Höhe von einem Meter vierzig. Ich seufzte. Das würde schon mal ein Problem werden. Doch darum musste ich mich – wie ich einige Minuten später herausfand – noch nicht sorgen. Die Tür war verschlossen, ich konnte noch so sehr an der schon rostigen Klinke rütteln. Schulterzuckend wittmete ich mich der nächsten Tür, die mir ein wenig freundlicher erschien. Sie ließ sich ohne Probleme öffnen und ich stand in einem wunderschönen, hellen Raum. Eine große Fensternische nahm die halbe, rechte Wand ein und ein Liegeplatz war mit roten Kissen ausgestattet worden. Noch waren unsere Möbel nicht angekommen, aber trotzdem fühlte ich mich in diesem Raum sofort Zuhause. Gedankenverloren ließ ich mich auf den Liegeplatz sinken und schaute aus dem Fenster, um den noch unbekannten Ausblick meines neuen Zuhauses ein wenig zu genießen.
 

Jacob’s Sicht
 

„Es hat geklappt. Ganz, wie wir es wollten.“, grinste Embry triumphierend und stieß seinem Freund einen Ellebogen neckend in die Seite. „Alles verläuft doch nach Plan. Sie hat keinen Verdacht geschöpft.“ Jacobs Miene verfinsterte sich. „Den Mist von vorhin verzeihe ich dir trotzdem nicht. Weißt du, was für einen Schrecken sie bekommen hat?! Wenn sie was geahnt hätte, hätte ich dich leider sofort umlegen müssen.“ Doch Embry hatte zu gute Laune, um sie sich vom Langhaarigen verderben zu lassen und ging nicht auf seine Drohung ein. „Natürlich ist es etwas ungünstig, dass sie sich gerade dieses Zimmer ausgesucht hat. Wir werden eine andere Route nehmen müssen, wenn wir die Grenzen kontrollieren.“ Jacob seufzte nur. Noch vor wenigen Stunden hätte ihn diese Überlegung vielleicht interessiert, doch nun gab es ganz andere Dinge, um die er sich Gedanken machen musste. Er konnte nicht mehr an etwas so Unbedeutendes wie Grenzen, Blutsauger oder das Rudel denken.
 

Für ihn gab es seit genau einer Stunde und vierzig Minuten nur noch sie.
 

Seane Cory Wentwulf, wie er erfahren hatte. Ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen. Er verdrehte leicht die Augen. Er hörte sich schon an wie Bellas dreckiger Blutsauger. Hatte er sich nicht noch vor einigen Tagen geschworen, der Liebe für immer den Rücken gekehrt zu haben?

Es konnte doch nicht angehen, dass er, kaum, dass sie hergekommen war, alle guten Vorsätze über Bord und sich stattdessen ihr zu Füßen warf. Genau das hätte er gerne getan. Sie konnte alles von ihm haben. Seinen Besitz, seine Existenz, ja sogar sein Leben. Doch genau das war das Problem. Für ihn war die Sache klar, er war auf sie geprägt worden. Und es wussten sicher auch schon alle im Rudel. Doch sie wusste es nicht und er konnte auch nicht klingeln und ihr seine Liebe gestehen.
 

Er musste sie in Ruhe lassen.

Fürs erste.
 

„Wir sollten mit Sam reden, meinst du nicht auch? Komm schon, Alter, ich weiß, was los ist. Sie hats dir angetan, nicht wahr?“, grinste Embry. Jakes Miene verfinsterte sich und seine Muskeln spannten sich an. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“ „Wovon ich rede?“, fragte sein Freund ungläubig und das Grinsen stahl sich immer noch nicht aus seinem Gesicht. „Ich rede von der Prägung.“ Als Antwort erhielt er jedoch nur ein resignierendes Seufzen. „Wahrscheinlich wissen sie es doch eh schon alle, wenn es selbst einem Hornochsen wie dir aufgefallen ist.“ Er kassierte eine Kopfnuss von Embry, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Wie freundlich du heute wieder bist. Wollen wir?“ Noch bevor Jacob nicken konnte, war der graue Wolf, der vor wenigen Sekunden noch ein ganz normaler, vielleicht ein wenig zu muskulöser 17-Jähriger gewesen war, zwischen den Bäumen verschwunden.
 

Seane Cory’s Sicht
 

Ich blinzelte verwirrt, als meine Mutter den Raum betrat. „Ist etwas nicht in Ordnung, Corymäuschen? Gefällt dir der Ausblick nicht?“ Sie klang besorgt und ich konnte es ihr nicht verdenken. Immerhin starrte ich wie geistesabwesend eine Stelle am Waldrand an und musste sicherlich zutiefst erschrocken wirken. „Nein, das ist es nicht...“, seufzte ich und wandte den Blick ab. Sie setzte sich vorsichtig neben mich und nahm meine Hand in ihre.

„Was ist es dann?“

Typisch meine Mum. Sie merkte, dass man über etwas nicht reden wollte, ließ aber nicht locker, bis man es ihr doch erklärte. „Ich dachte nur, ich hätte einen grauen Wolf am Waldrand gesehen.“ Sie seufzte. „Ich weiß, dass dich der Anblick vorhin sehr mitgenommen hat. Aber das war nur eine Ausnahme. Billy Black hat mir versichert, dass nicht sehr oft Wölfe im Reservat zu sehen sind.“ Ich spannte mich an. „Aber er hat nicht gesagt, dass es hier normalerweise keine gibt?“ Sie fühlte sich nun deutlich unwohl. „Nun, das hat er nicht direkt gesagt...“ Wachsam betrachtete ich sie, während ich meine Worte sorgsam wählte. „Im Flur hängt ein Bild, dass anscheinend Leute aus dem Reservat und Wölfe zeigt.“ „Der Vorbesitzer des Hauses war ein begeisterter Gemäldesammler.“ Ich verengte die Augen. „Willst du mich eigentlich veräppeln?“ Mit verärgerter Miene stand sie auf.

Ihre Geduld war erschöpft.

„Nein, aber ich werde nicht zulassen, dass du uns diese neue Chance verdirbst. Ich weiß, du wärst lieber in Florida geblieben, aber es geht nun mal nicht anders!“ Ich schnaubte und stand nun auch auf. „Weil du zu feige warst, dich dem zu stellen, was auf uns zugekommen wäre! Was der natürliche Lauf des Lebens ist! Opa ist tot und er wird es bleiben, egal, wie viele Meilen zwischen uns und seinem Grab liegen!“
 

Unser Streit wurde durch den Umzugswagen gestört, der gerade vor unserem Haus hielt. Ohne ein weiteres Wort machte ich mich auf den Weg, um den Männern beim Ausladen zu helfen.
 

Jacob’s Sicht
 

„Dann ist es also passiert.“ Das Rudeloberhaupt seufzte und ließ sich an einem Baum nieder. Schuldbewusst senkte Jacob den Blick. Er wusste genau, dass sich nun wie so oft 7 Augenpaare auf ihn gerichtet hatten und ihn teils mitleidig, teils erfreut ansahen. Leah bildete mal wieder die einzige Ausnahme. Ihr war es relativ egal, wie es um Jakes Gefühle stand. Das einzige, was sie interessierte, waren Sams Reaktionen und was diese unerwartete Wendung nun für das Rudel bedeutete. „Aber ist es nicht unheimlich cool, dass Jake endlich nicht mehr Bella hinterher trauern muss?“, fragte Seth, der mal wieder das Feingefühl eines Teelöffels bewies. „Nein, ist es nicht!“, fauchte seine Schwester ihn an und auch Sam nickte. „Wir alle“, begann er und sein Blick ruhte für einen Moment warnend auf Leah, „wollen, dass es Jacob gut geht, doch wir müssen auf der Hut sein. Wir wissen so gut wie nichts über diese Familie. Es ist richtig, dass Phelias Wentwulf ein guter Freund unseres Stammes war. Und seine Frau war mit unseren Vorfahren verbrüdert. Aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass Miss Marienna Wentwulf nichts ahnt.“ Quil runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht ganz das Problem.“ Diesmal war es nicht Sam, der antwortete. „Sie mag nichts ahnen, aber ihre Tochter ist aufmerksamer als gut ist.“ „Was willst du denn damit sagen, Embry?! Das war eigentlich nicht meine Überlegung!“ Sams Miene verfinsterte sich merklich. „Sie hat ihn vermutlich ein zweites Mal gesehen.“ Alle Augen richteten sich nun auf Jacob und wenige Sekunden später wurde Embry auch schon von Vorwürfen bombardiert.

„...kann nicht glauben, dass du so leichtsinnig warst!“

„...bist du von allen guten Geistern verlassen?!“

„...dämlicher Volltrottel! Du bringst uns noch alle in die größten Schwierigkeiten!“

Der Ansturm schien kein Ende nehmen und niemand Embry helfen zu wollen.
 

Seane Cory’s Sicht
 

Völlig erschöpft ließ ich mich auf mein Bett sinken. Es war schwerer als gedacht gewesen, allen Möbeln und sonstigen Sachen den richtigen Platz zuzuordnen, aber nach einiger Zeit war es mir dann doch gelungen. Doch etwas anderes hatte ich reichlich verpatzt. Mum redete nicht mehr mit mir und dummerweise verstand ich sie. Es war nicht fair gewesen. Jedoch brachte ich noch nicht den Mut auf, mich zu entschuldigen und die ganze Sache auszudiskutieren. Egal, was ich tat, ich fand keine Ruhe. Egal, ob ich mir in den nächsten Minuten Bücher aus dem Schrank holte, ob ich meine Mails checkte oder einfach meine Augen schloss. Es half nichts. Entnervt entschied ich mich für eine Variante, die in Florida meist nicht möglich gewesen war. Ich würde den Wald erkunden.
 

Mum hatte nichts dagegen, ließ mich aber unterkühlt wissen, dass ich bis zum Sonnenuntergang zurückzusein habe. Auch ein kleiner Seitenhieb in Form eines „Pass auf, dass dich kein Wolf frisst“ blieb nicht aus. Aber ich hatte es ja verdient.
 

Bald schon geriet ich tiefer in den Wald hinein und ich musste mir den Weg mittels meiner Arme freikämpfen. Als es bereits dämmerte, wollte ich gerade den Rückweg antreten, als ich Stimmen hörte. Es kam mir sehr merkwürdig vor, in einer Wildnis wie dieser ein Picknick oder ähnliches veranstalten zu wollen. Die Stimmen entfernten sich nicht, deswegen konnte es kein Wanderausflug sein. Sie waren aufgeregt und wütend. Neugierig, wie ich war, lief ich ein wenig schneller. Bald schon konnte ich mir leichter einen Weg durch den undurchdringbaren Wald ebnen.
 

Jacobs Sicht
 

„Es reicht jetzt!!“, rief Jake und stand auf, um sich Gehör zu verschaffen. „Das bringt uns nun auch nichts, wir müssen irgendetwas tun.“ Leah schnaubte und setzte sich wieder im Schneidersitz neben Seth. „Und was hast du dir da so vorgestellt, Schlaumeier?!“ Jacob zuckte mit den Schultern. Diesmal war es Embry, der IHM aus der Klemme half. „Wir müssen einfach dafür sorgen, dass diese Seane Cory nichts von unserem kleinen Wolfsproblem erfährt.“, erklärte er leichthin und zuckte ebenfalls mit den Schultern. Er war davon überzeugt, etwas Sinnvolles zum Gespräch beigetragen zu haben, doch als er die entsetzten Mienen seiner Brüder und seiner einzigen Schwester sah, kamen ihm Zweifel. „Was denn?“

Was los war, erkannte er jedoch von sich aus, als er sich umdrehte und die hübsche Braunhaarige entdeckte, die mit erschrockener Miene am Rand ihrer eigens für Rudeltreffen ausgesuchten Lichtung sah. Er löste seinen Blick nur mit Mühe von ihr, um Jacob in die entsetzte Miene zu sehen. War es etwa möglich, dass die kleine Wentwulf seinen verzweifelten Versuch, Jacob aus der Patsche zu helfen, mitgehört hatte?

Doch als er seinen anderen Rudelkameraden in die teils wütenden, teils erschrockenen Mienen sah, hatte er seine Antwort.

Ja, es war möglich.

Vier Namen

Panisch starrte ich in die Gesichter, die mich ihrerseits nicht weniger erschrocken ansahen. Eins davon kannte ich, andere konnte ich zuordnen und ein paar kamen mir noch nicht einmal bekannt vor. Doch eines war mir klar: Ich war hier in etwas hereingeraten, aus dem ich mich lieber hätte raushalten sollen.

Auf der Suche nach einem bekannten Gesicht bleib mein Blick an ihm hängen.

Jacob Black.

Der, den ich schon zu Beginn meiner Ankunft in La Push getroffen und der mich heldenhaft vor einem Tier beschützt hatte, dass größer und schwerer als wir beide zusammen gewesen war. Ich wollte weglaufen, wollte so tun, als wäre ich nie in ihr Sektentreffen reingeplatzt. Genau das musste es nämlich sein. Wieso sollten sich neun Männer zusammen mit einer Frau sonst um diese Zeit im Wald treffen und im Halbkreis um einen der Männer herumsitzen? Ich hätte alle auf älter als zwanzig geschätzt, wenn ich es nicht besser gewusst hätte. Jacob musste in meinem Alter sein. Doch die Frau war mit Sicherheit viel älter und das machte mir Angst. Sie sah mich geradezu hasserfüllt an.

Ich wartete auf ein Zeichen. Einen Hinweis, dass alles ganz normal war und man sich hier in so großen Gruppen und in derart merkwürdigen Konstellationen traf. Am besten wäre da noch ein Zeichen von Jacob gewesen.

Doch es kam nichts.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Verzweifelt erwiderte er ihren Blick. So hatte es nicht sein sollen. Sie war – offenbar völlig ohne irgendeine böse Absicht – in eines der wichtigsten Rudeltreffen geplatzt. Doch das Schlimmste war daran, dass es ihm egal war. Als er sah, wie sehr sie der Anblick des Rudels mitnahm, wollte er am liebsten einfach nur aufstehen und sie in den Arm nehmen. Ihr sagen, dass alles gut werden und dass er sie für immer beschützen würde. Auch vor seinen eigenen Brüdern und seiner Schwester. Doch das konnte er nicht. So, wie es im Moment aussah, wäre er der Letzte, dem sie eben das nun gestattet hätte.

Ganz langsam, um sie nicht zu verschrecken, erhob er sich und trat einen Schritt auf sie zu. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und klammerte sich geradezu ängstlich an den Baum, der ihr bis vor einigen Minuten als Versteck gedient hatte.

Es tat ihm weh, sie so zu sehen.

So völlig außer sich, völlig alleine und nicht wissend, in was sie da nur geraten war. „Bitte... lass mich erklären!“, flehte er leise, obwohl er sich sicher war, dass sie ablehnen würde.

Er hätte es an ihrer Stelle auch nicht anders gemacht.
 

~ Seane Cory’s Sicht ~
 

Ich hätte nichts lieber getan, als seine Bitte abzuschlagen. Am liebsten wäre ich wie ein kleines Kind, dass bei etwas Verbotenem erwischt worden war, weggerannt und hätte mich in den Armen meiner Mum vergraben, bis sie die Welt wieder für mich in Ordnung brachte. Doch hier gab es sie nicht. Sie war ein paar Meilen von mir entfernt und ich bezweifelte, dass die Sekte mich würde gehen lassen. Vielleicht war ich in eine Zeremonie hereingeplatzt und war genau das, was sie nun brauchten. Ein Menschenopfer, dass sie irgendeinem Gott opfern wollten. Aber vielleicht glaubten sie auch nicht an Mächte, die sie nicht kannten, sondern würden mich an die busähnlichen Wölfe verfüttern, die man ja hier in La Push anscheinend täglich zu sehen bekam.

Meine arme Mum. Würde nie wissen, was wirklich mit ihrer Tochter geschehen war. Ich würde einfach verschwinden, wie so viele Mädchen. Und niemand würde auf die Idee kommen, im Magen eines überdimensionalen Wolfes nachzusehen.

Was bleib mir also für eine Wahl? Ich wollte nicht als Imbiss enden. Ich kam mir zwar völlig durchgedreht vor, aber ich gab meinen einzigen Schutz, den Baum, der zwischen uns stand, auf und trat einen Schritt auf Jacob zu. Er wirkte überrascht. Anscheinend hatte er genauso wenig wie ich damit gerechnet, dass ich mich den Löwen – in diesem Fall Wölfen - einfach so zum Fraß vorwerfen würde. Übertrieben langsam streckte er eine Hand nach mir aus, die ich vorsichtig ergriff. Er war genauso warm wie bei unserem Unfall. Ich hatte gedacht, dass es von der Aufregung kam, aber jetzt fiel mir auf, dass er nahezu fiebrig warm war. Sein Händedruck war kraftvoll, gleichzeitig aber auch unglaublich sanft. Krank war er wohl nicht. Ganz vorsichtig zog er mich an sich und ich landete in seinen Armen. Beruhigend strich er mir mit einer Hand über den Rücken. Selbst bei dieser Geste war er so vorsichtig, als ob ich ein seltenes Porzellan wäre, dass bei der kleinsten Berührung zerbrechen würde.

Er behandelte mich, als wäre ich etwas besonderes für ihn.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Er hatte das Gefühl, sein Herz würde vor Freude aus seiner Brust springen, als er seine Arme um sie legte. Vorsichtig, immer darauf bedacht, ihr nicht aus Versehen wehzutun. Die einzigen Berührungen, die er in der letzten Zeit gehabt hatte, waren Spaßkämpfe mit den anderen Jungs gewesen. Und die musste man nicht vorsichtig anfassen. Die einfache Umarmung löste in ihm eine unglaubliche Freude aus. Es war, als hätte er soeben etwas gefunden, dass er schon lange gesucht hatte.

Sein Leben. Seine Freude.

Er fasste sie ein wenig fester und strich ihr über die Haare. Ihre Wange schmiegte sich an seine warme Brust und er dankte Gott dafür, dass er seine Lederjacke Zuhause vergessen hatte. Sonst hätte er wohl nie das unbeschreibliche Gefühl kennen gelernt, dass die Berührung ihrer weichen Wange auf seiner muskulösen Brust verursachte.

Ihm war in diesem Moment egal, wer zusah und was die anderen davon hielten. Er hatte sie bei sich.

Er schloss die Augen und legte seine Wange sanft an ihren Scheitel.

Sein Leben.

Da war plötzlich Glanz, da war Schönheit.

Selbst, als er seine Tage einzig und allein mit Bella verbracht hatte, war er nicht so glücklich gewesen.
 

~ Sam’s Sicht ~
 

Er hatte es geahnt.

Vielleicht sogar gewusst.
 

Während die anderen Jacob und das Mädchen beobachteten, sah er sich alles aus einem anderen Blickwinkel an. Für sie alle war klar gewesen, dass Jacob geprägt worden war. Er hatte es einfach als einen weiteren Fall der Prägung angesehen, nicht weiter von Belang, auch, wenn es sich diesmal um Jacob Black handelte. Es war ihm bekannt gewesen. Erst er und Emily, dann Jared und Kim und Quil und Claire. Der letzte Fall war schon sehr außergewöhnlich gewesen. Doch was sich in diesem Moment zwischen Jacob und der Enkelin von Phelias Wentwulf abspielte, ließ alle seine Theorien zusammenstürzen und stellte noch etwas anderes in Frage. Und das irritiere ihn.

Seine Beziehung zu Emily.

Während die anderen Jacob und das Mädchen beobachteten, wurde ihm plötzlich und mit einem Schlag klar, dass er sich genau falsch entschieden hatte. Er liebte Emily, er lebte gerne mit ihr zusammen. Und er hatte geglaubt, dass er auf sie geprägt worden war. Und er hatte ihr Leben zerstört, indem er sie entstellt hatte. Ihm kam der schreckliche Gedanke, dass er sich nur nicht hatte zurückhalten können, weil er sie nicht genug liebte.

Als er Jacob und die kleine Wentwulf dort vor sich auf der Wiese sah, in einer freundschaftlichen Umarmung, die dennoch soviel Liebe ausstrahlte, wurden ihm die Augen geöffnet. Er ließ seinen Blick über die Wiese gleiten, bis er an der Person hängen blieb, die im Moment meist nur Verachtung für ihn empfand. Mit ihr war es so gewesen, wie das, was er vor sich gesehen hatte. Nur mit ihr.

Leah.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Er spürte die neugierigen Blicke überall auf sich. Sie starrten ihn an. Widerwillig ließ er Seane Cory los. Sie sah ihn ein wenig verwirrt an und er konnte es ihr nicht verdenken. Doch es gab wichtigere Dinge. Er wollte, dass sie alles wusste. Denn er war sich sicher, dass er nichts mehr vor ihr geheim halten konnte. Auch, wenn es für sie so war, dass sie sich kaum kannten, er war auf sie geprägt worden und würde ihr – egal auf welche Frage – Rede und Antwort stellen.

Aber alleine entscheiden konnte er es dann doch nicht gänzlich. Schließlich war er nicht der Rudelführer und Sam musste entscheiden, wie viel Seane Cory wissen durfte. Ob Jacob es dabei beließ, stand auf einem ganz anderen Blatt.
 

~Seane Cory’s Sicht ~
 

Als Jacob sich schließlich setzte, ließ ich mich ohne nachzudenken neben ihn fallen. Ich war immer noch ganz perplex. Er hatte mich umarmt, mich gestreichelt. Und ich hatte ihn nicht empört weggestoßen, sondern mich auch noch an ihn geschmiegt. Was war nur los mit mir?

Das war doch sonst nicht mein Stil. Er musste mich für eine halten, die sich sofort mit jedem einließ. Ich war mir sogar sicher, dass das seine Freunde dachten, die uns die ganze Zeit über beobachtet hatten. Aber bis jetzt hatten sie mich noch nicht angegriffen und ich war mir ziemlich sicher, dass Jacob es nicht zulassen würde, dass sie genau dies taten.

Er spannte sich genau in dem Moment an, indem ich ihn fragen wollte, was nun geschehen würde. Ich folgte seinem Blick und sah den offenbar ältesten der Männer an. „Wer ist das?“, flüsterte ich Jacob fragend zu. Überrascht sah er mich an. „Das ist Sam, unser...Anführer.“ Es war offensichtlich, dass es da noch etwas Entscheidendes gab. Etwas Offensichtliches, dass ich bis jetzt noch nicht erkannt hatte. Doch der Name Sam rief in mir Erinnerungen wach. Erinnerungen an die Zeit, als mein Großvater noch lebte und ich mir mal wieder einen halben Vormittag sein Gerede über die alten Legenden anhören musste.
 

„Heute werde ich dir also einen weiteren Teil der Legende näher bringen, Seane Cory!“, begann mein Großvater mit wichtigtuerischer Miene. Genervt verdrehte ich die Augen. „Wenn meine Gutenachtgeschichten schon Legenden sein müssen, wieso kannst du dir dann nicht einmal etwas neues überlegen? Immer nur diese Quileute. Immer nur Werwölfe. Gibt es nicht noch was anderes?“ Ich seufzte und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Nun war es an ihm, empört zu klingen. „Sie beinhalten auch unsere Familie, Seane Cory!“ Vorsichtig kam ich wieder hervor. Dann würde ich es mal wieder über mich ergehen lassen. Mit einem Seufzen gab ich mich geschlagen.. „Worüber willst du mir heute etwas erzählen...?“

„Die Namen, Seane Cory, die Namen.“ Er lächelte und sah direkt zehn Jahre jünger aus. Ich sah ihn so gerne lächeln. Das war sicherlich auch der Grund dafür, dass ich mir seine Geschichten immer wieder anhörte. „Du wirst sie eines Tages aus deinem Gedächtnis hervorholen und das Richtige mit diesen wertvollen Informationen anfangen können. Du musst wissen, vor nicht allzu langer Zeit gab es die Wolfskrieger in La Push noch. Ephraim Black war der so genannte Rudelführer. Ein wahrlich großartiger Mann. Stolz, pflichtbewusst und sehr vernünftig. Und Levi Uley. Auch großartig, hatte aber nicht wirklich das Zeug zum Rudelführer. Merke dir die Namen gut. Ich glaube, sein Enkel heißt Sam oder so ähnlich... Aber das tut ja nichts zur Sache. Levi Uley und Ephraim Black.“ Überrascht hob ich den Kopf. „Nur zwei Namen?“ Vielleicht hatte ich ja Glück und ich konnte das heutige Legendenstückchen schnell hinter mich bringen. „Wo denkst du hin? Keineswegs! Es sind noch lange nicht alle. Aber diese vier sollten dir vertraut bleiben. Black, Uley, Ateara, Wentwulf.” Spöttisch grinste ich. „Meinen eigenen Nachnamen werde ich mir merken können. Darf ich mir für die anderen drei eben noch etwas zu Schreiben holen, Grandpa?“ Als Antwort erntete ich wieder einen empörten Blick. „Wenn alle so ein schlechtes Gedächtnis wie du hätten, wären manche Dinge nicht bis zu uns vorgedrungen. Überlege dir doch nur mal, wie es damals vor Millionen von Jahren war. In diesen Zeiten hatte man auch nichts zu Schreiben! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Menschheit vergessen hätte, wie man Feuer macht! Stell dir nur mal vor! Nur, weil sie nichts zu Schreiben hatten...“
 

Spätestens, als wir das Jahr 500 v.Chr. hinter uns ließen, war ich an dieser Stelle jedoch eingeschlafen. Doch er hatte Recht behalten. An das Wichtigste dieses Abends erinnerte ich mich immer noch.

Black, Uley, Ateara.

Mit unverholender Neugier musterte ich den Mann namens Sam. Er seinerseits starrte seit ein paar Minuten die einzige Frau der Gruppe an. Und dann viel es mir wie Schuppen von den Augen. „Du bist Jacob Black!“ Fragend sahen mich jetzt auch alle anderen an. „Wow, sie hats augenscheinlich kapiert!“, schnaubte die Frau und warf sich ihre langen, schwarzen Haare über die Schultern. Augenscheinlich war sie mehr als genervt.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Er sah sie fragend an. Keiner konnte sich einen Reim darauf machen, was diese Äußerung sollte. Seane Cory wusste doch bereits, wie er hieß, sie hatten sich einander doch bei ihrem Unfall bekannt gemacht. Doch sie sah dermaßen geschockt aus, dass allen klar war, was wirklich los war. Sie hatten soeben mehr begriffen, als sie wissen musste. „Ja, so heiße ich. Stimmt etwas nicht?“ Geistesabwesend schüttelte sie den Kopf. „Black. Jacob Black. Und...und...Uley...und Ateara und Wentwulf!“ Egal, wie lange er darüber nachdachte, egal, wie er es drehte und wendete, er verstand sie nicht. „Ja, so ist es wohl. Ich bin Jacob Black, Sam heißt mit Nachnamen Uley und da vorne sitzt Quil Ateara. Und du bist Seane Cory Wentwulf. Was stimmt daran nicht??“ Doch bevor sie ihm antworten konnte, erhob Leah die Stimme. „Wie kann man nur so begriffsstutzig sein?! Sie weiß ja wohl offensichtlich, dass ihr die Enkel von Ephraim, Levi und Old Quil seid! Und sie ist verdammt noch mal die Enkelin vom alten Phelias, was ist daran so schwer, Jacob? Du bist ja immer etwas langsam im Denken, aber damit übertriffst du deine eigene Blödheit noch!“ Alle hielten den Atem an. Jacob starrte sie halb verblüfft, halb wütend an. Es kam nicht oft vor, dass Leah sich einschaltete, aber diesmal traf sie die Sache genau auf den Punkt. Und sie hatte weder zu wenig, noch zu viel verraten. Jemand durchbrach die Stille. Eine aufgeregte Stimme. „Sie weiß, dass wir uns alle in Wölfe verwandeln können??“, fragte Seth Clearwater plötzlich mit weit aufgerissenen Augen.

La Push Highschool

Selbst eine halbe Stunde, nachdem Sam mit mir geredet hatte, saß ich immer noch wie versteinert da.
 

Es war einfach unmöglich.
 

Es konnte einfach nicht sein, dass eine Gruppe Jungs, die ihre Jugend genießen und albernde Späße treiben sollten, so ein Schicksal hatten. Ganz normale Jungen, in die Rollen erwachsener Männer hereingezwungen. Sie alle hatten sich ihren Schicksal gefügt, aber ich verstand es nicht.

Sam Uley, Jacob Black, Quil Ateara.

In die Identitäten ihrer verstorbenen Ahnen hineingezwungen. Einige glücklicher als andere.

Da war er, Sam. Der so genannte Rudelführer oder einfach Oberhaupt der Beschützer. Man konnte es sich aussuchen. Eigentlich war es mir auch ziemlich egal, ich weigerte mich immer noch rigoros, einen Sinn in dieser ganzen Sache zu sehen. Für mich war Sam ein junger Mann, auf dessen Schultern man die Last einiger Leute ablegen konnte. Der perfekte Anführer. Mutig, stolz, stark, gleichzeitig Ruhe und Autorität ausstrahlend. Er war mit seinen einundzwanzig Jahren der Älteste, biologisch gesehen schien er mir aber noch ein wenig älter zu sein.

In den letzten dreißig Minuten hatte ich mir ein gutes Bild machen können. Sam und Jacob waren für mich zwei Individuen, zwei Einzelgänger inmitten eines Rudels. Embry und Quil sah ich als junge Männer, mit denen man sich schnell anfreunden konnte. Sie sahen alles ziemlich gelassen und waren sehr neugierig und auskunftsfreudig. Paul dagegen schien ein netter Kerl zu sein, reagierte jedoch unfreiwillig ziemlich ablehnend. Jacob hatte mir erklärt, dass er derjenige war, der die meisten Beherrschungsprobleme hatte. Ich hatte mir geschworen, mich von ihm so weit es ging fernzuhalten. Nur zur Sicherheit.

Jared schien nichts, was nicht mit seiner Freundin Kim zu tun hatte, wirklich zu interessieren. Für mich war er deshalb auch nicht wirklich interessant, nach einigen Minuten hatte ich seine Anwesenheit sogar gänzlich vergessen gehabt.

Collin und Brady kamen mir trotz ihren dreizehn Jahren und dem deutlich ausgereifteren Körperbau wie Kinder vor. Ihnen gefiel ihr kleines Geheimnis und sie sahen alles eher als ein interessantes Spiel. Die letzten im Rudel waren die Clearwater-Geschwister. Und genau diese beiden stellten mich vor ein Problem. Ich hatte schon immer eine gute Menschenkenntnis gehabt und auch diesmal hatte sie mich nicht im Stich gelassen. Mir war sofort klar gewesen, dass die zwanzigjährige Leah und ich nicht auf einer Wellenlänge lagen.

Um es kurz zu machen:

Ich hielt sie für eingebildet, selbstverliebt und launisch. Sie war meiner Meinung nach der komplette Gegensatz zu ihrem kleinen, vierzehnjährigen Bruder, Seth. Ich hatte ihn direkt ins Herz geschlossen, obwohl er für die anderen nur eine nervige Plaudertasche war. Er sah jedes kleine Detail des Lebens als eine neue, atemberaubende Herausforderung. Er weckte in mir eine Art kindliches Vergnügen. Das war es schließlich auch, was es mir erleichterte, alles zu verdauen, mich einfach fallen zu lassen und die Geschichte zu glauben.

Niemand außer Sam, Leah und Jacob schien die neue Situation zu verurteilen. Leah mochte mich einfach nicht und Sam war besorgt um die Geheimhaltung des Rudelgeheimnisses.

Das eigentliche Problem war aber Jacob. Er schien es sich zur Aufgabe gemacht haben, alles Unerfreuliche von mir fernhalten zu wollen. Das war ein weiterer Punkt, den ich nicht verstand. Meiner Meinung nach war er ein wenig...zu eifrig. Ich traute mich jedoch nicht, jemanden zu fragen. Vielleicht bildete ich mir das ganze auch nur ein und er wollte einfach nett zu mir sein. Sam entließ mich schließlich mit den Worten wir werden dich im Auge behalten.
 

Wieder wohlbehalten Zuhause angekommen hatte ich mich sofort aufs Bett gelegt und versucht, alles so weit es ging von mir wegzuschieben. Nach einer guten halben Stunde hatte ich dann aufgegeben und war frustriert eingeschlafen.
 

Der nächste Morgen war besser – und schlechter.

Um ein Haar hätte ich einen Herzinfarkt bekommen, als ich, nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen und mich umgedreht hatte, in die Gesichter von Embry, Quil, Seth und Jacob blickte. „Meine Güte, was tut ihr hier??“, fragte ich aufgeregt, immer noch darauf bedacht, nicht in Ohnmacht zu fallen. Obwohl sie heute nur zu vier waren, wirkten sie doch immer noch beeindruckend und ich konnte sie mir wirklich gut als Gang vorstellen. Embry und Quil erschien mir ein wenig genervt, offenbar hatten sie es nicht so mit dem frühen Aufstehen. Seth hingegen war vergnügt wie schon gestern und strahlte mich an. Als mein Blick zum letzten der Gruppe wanderte, blieb mir fast das Herz stehen. Heute trug er keine Jacke, obwohl es ein recht kühler Morgen war. Es hätte mich nicht wundern dürfen, Sam hatte mir erklärt, dass sie nicht froren. Unbemerkt ließ ich meinen Blick über seine ausgeprägten Muskelstränge gleiten. Meine Wangen wurden warm. Anscheinend errötete ich. Meine Musterung schien außerdem nicht wirklich unauffällig gewesen zu sein, denn jetzt erwachten auch Quil und Embry so richtig. „Schau dir an, wie sie ihn schon wieder anstarrt!“, grinste Embry. „Jaja, Jake ist schon eine richtige Sahneschnitte.“ Er zwinkerte.

Bevor ich auch nur den Mund öffnen konnte, hatte er sich schon einen heftigen Stoß in die Rippen eingefangen. Jacob fand die Sache also genauso wenig lustig wie ich.

„Hör auf, deine dämlichen Witze zu reißen. Los, rein mit euch, wir kommen noch zu spät. Und ich glaube nicht, dass Seane Cory das am ersten Tag möchte.“, knurrte mein neuer Beschützer. Seth und Quil grinsten und stiegen in den VW, der offensichtlich Jacob gehörte, ein. Embry verdrehte die Augen und stieg erst zu ihnen auf den Rücksitz, nachdem er ihn noch einmal nach allen Regeln der Kunst nachgeäfft hatte. Ich verschränkte die Arme. Irritiert starrte Jacob mich an. „Worauf wartest du?“ Ich schnaubte. „Ich werde nicht mit euch Jungs fahren. Ich habe ein eigenes Auto. Außerdem...wie hast du den Wagen so schnell wieder hinbekommen? Soweit ich mich erinnere, war er nach dem Unfall schrottreif.“

Ich kam in den Genuss eines frechen und unglaublich umwerfenden Grinsens. „Als Mechaniker hab ich so eines drauf. Soll ich mir deinen Renault mal ansehen? Er sieht immer noch furchtbar aus.“ Nach einiger, reiflicher Überlegung stimmte ich zu und wir vereinbarten, dass er mein geliebtes Auto gegen Nachmittag abholen würde.
 

Ich war schließlich doch mit den vier Jungs zur Schule gefahren. Und das lang nicht daran, dass es Sams Anordnung gewesen war. Die vier waren in Ordnung, ich fühlte so was. Etwas anderes ging mir dafür gewaltig gegen den Strich. Kaum war ich in meiner neuen Klasse auf einen Platz gesetzt worden, öffnete sich die Tür und Seth betrat die Klasse. Ich war verwundert gewesen, normalerweise war er eine Klasse unter mir. Jake – er hatte mir angeboten, ihn (wie alle anderes es auch taten) so zu nennen – war eine Klasse über mir. Mit einem unglaublich breiten Grinsen war Seth – geschmeidig wie eine Katze – auf den leeren Platz neben mir geglitten. Wobei man hier eher von Wölfen reden musste. Auf meine neugierige Frage antwortete er mir in der kurzen Pause, in der wir Richtung Biologieraum unterwegs waren. Er würde für eine Zeit in meine Klasse gehen, damit ich mich schnell eingewöhnte. Nachdem ich ein wenig tiefer gebohrt hatte, teilte er mir dann mit einem entschuldigenden Blick mit, dass Sam dem Schulleiter erzählt hatte, dass Seth ein entfernter Verwandter von mir war und ich seine Nähe in den ersten Tagen wohl brauchen würde.

Ich kochte vor Wut.

So langsam überschritt das Rudelführerchen einige entscheidende Grenzen meiner Selbstbestimmung. Ich ließ meine schlechte Stimmung an dem armen Seth aus, doch es war mir egal. Sam würde früher oder später sowieso zu hören bekommen, was ich von der ganzen Sache hielt.
 

Ich war so gemein, dass der arme Junge nach zwei Stunden fast in Tränen ausbrach. „Es tut mir ja wirklich leid, Cory, aber ich hab nur das getan, was Sam mir aufgetragen hat! Wenn du wirklich so wütend bist, dann kann ich gerne gleich Sam anrufen und ihn nach einem Termin für ein dringendes Treffen fragen!“ Jetzt tat er mir schon fast leid. Fast. Seth hielt Wort und verdünnisierte sich in einer der kurzen Pausen, um Sam meine schlechte Laune mitzuteilen. Als er wiederkam, bezweifelte ich jedoch stark, dass der Anführer sich auf so ein Treffen einlassen würde. Schließlich ging es hier nur um mich, ein Mädchen, das seinen Jungs auf der Nase rumtanzte und nicht mal zu ihrer Gang dazugehörte.
 

Der Vormittag verging wie im Flug. Kaum zu glauben, aber Seth’ Anwesenheit erleichterte wirklich vieles. Er heiterte mich auf, wusste aber genauso gut, wann ich einfach mal ein paar Sekunden für mich brauchte. Kurz – er war der perfekte beste Freund. Insgesamt war es sehr einfach, das Rudel zu mögen. Sie waren nicht wie andere Jungs und das gefiel mir.
 

Als wir in der Mittagspause in die Cafeteria kamen, traf mich wirklich fast der Schlag. War es wirklich zuviel verlangt, ein normales Mädchen sein zu wollen, dass einfach nur mit ihrem besten Freund zu Mittag aß?! Auf den ersten Blick sah man nichts Ungewöhnliches. Kleine Grüppchen, die an der Essensausgabe standen oder schon an den runden Tischen saßen. Aber Seth hatte mich natürlich sofort in eine ganz andere Richtung gezogen. An einem der größeren, ebenfalls runden Tische saß das komplette Rudel.

Auf leisen Pfoten

„Da gehe ich nicht hin.“ Der Anblick schockte mich nach den zwei Minuten, die wir einfach mitten in der Cafeteria standen, immer noch. „Seane Cory...“, setzte Seth vorsichtig an und wollte meinen Arm packen. „Vergiss es, Seth.“ Um meinen Unmut zu verdeutlichen, sah ich ihm fest und missgelaunt in die Augen. Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Sam wird spätestens in drei Minuten herkommen. Jacob dagegen gebe ich nur eine.“ Ich seufzte ergeben. Es hatte sowieso keinen Sinn. Die Jungs würden ihren Willen so oder so bekommen. Außerdem wollte ich mich nicht weiter Leah Clearwaters giftigen Blicken, die mir deutlich Komm sofort her, du verschwendest hier gerade einige wichtige Minuten meines Lebens! signalisierten, aussetzen. Wie die anderen sie aushielten, war mir ein Rätsel. Ein Jammer, das Frauenbild der Jungs wurde schon so früh verunstaltet. Warum Seth sich bei der Schwester nicht längst schon umgebracht hatte, war mir ebenfalls nicht klar. Wahrscheinlich konnte man sie wirklich nur aushalten, wenn man so eine Frohnatur war wie er.
 

Da uns das Glück mal wieder überhaupt nicht hold war, befanden sich die einzigen freien Plätze neben Jacob, Quil und Leah. Bevor Seth irgendeine Bewegung machen konnte, hatte ich schon den Raum durchquert und ließ mich schnell auf den Platz neben Jake gleiten. Ich erntete einen beleidigten Blick von Seth, aber dann fügte er sich seinem Schicksal und setzte sich neben seine Schwester.
 

Erst, als ich alle genau betrachtet hatte, viel mir auf, dass Embry fehlte. Stirnrunzelnd wandte ich mich an Jacob. „Wo ist denn Embry? Er ist doch heute morgen mit uns zur Schule gefahren!“ Die anderen fühlten sich sichtlich unwohl, aber aufgrund der Tatsache, dass ich sowieso schon zu viel wusste, schien es ihnen nicht einzuleuchten, warum man mir dieses kleine Detail nicht verraten sollte. „Der ist im Wald unterwegs. Ein merkwürdiger Geruch ist aufgetaucht.“, antwortete er leise. „Das verstehe ich nicht.“ Diese Tatsache ließ mich wohl ziemlich unzufrieden aussehen, denn Sam erhob das Wort. „Wir haben uns nicht hier versammelt, um mit dir über Embry’s Anordnungen zu reden. Du wolltest mich sprechen.“ Empört hob ich eine Augenbraue. „Exakt, Mr. Wenn-ich-etwas-sage-haben-alle-sich-daran-zu-halten. Ich wollte mit dir und nicht mit allen sprechen!“ Er sah mich ausdruckslos an. „Wir sind ein Rudel.“
 

Das brachte das Fass zum Überlaufen. Was dachte er sich eigentlich?! „Das heißt noch lange nicht, dass du einfach über mich bestimmen kannst!! Ich gehöre nicht zu diesem dämlichen Rudel!! Du kannst nicht einfach irgendwelche Verwandtschaftsbeziehungen erfinden, nur damit du Seth in meine Klasse schleusen kannst! Hast du eigentlich mal an seine Ausbildung gedacht?! Er ist eine Klasse unter mir und muss selbst genug lernen. Du bist total selbstsüchtig, Sam Uley. Musst du mit deinen komischen Befehlen eigentlich irgendetwas kompensieren?!“ Ich wusste, dass die Anspielung gemein war, aber ehrlich gesagt, scherte ich mich gerade wenig um die Gefühle eines von sich überzeugten Wolfsrudelführers.

Eine lange Pause entstand, in der ich heftig atmete und von absolut jedem angestarrt wurde. Auch von den anderen an den übrigen Tischen.

Und dann geschah das Unfassbare: Leah Clearwater fing an zu lachen.
 

Wir alle starrten sie nach fünf Minuten immer noch an. Sie hatte sich gerade wieder beruhigt und sich die Lachtränen aus den Augen gewischt. Selbst ich hatte mitbekommen, dass so etwas wohl nicht oft vorkam. Seth musste festgehalten werden, sonst wäre er in Ohnmacht gefallen. Sams Reaktion verstand ich jedoch überhaupt nicht. Gerade hatte er noch empört und ein wenig wütend ausgesehen, doch als sein Blick zu der lachenden Leah wanderte, hatte er erstaunt und dann reichlich verträumt ausgesehen. Ich nahm mir fest vor, Jake zu fragen, wie es um die beiden stand. Ich witterte eine super Seifenoper. Da war etwas zwischen den beiden.
 

Doch leider erfuhr ich nicht mehr, was Leah denn so fröhlich gestimmt hatte, da die Pause schon wieder zu Ende war. Missmutig griff ich mir das Sandwich, dass ich eigentlich hatte essen wollen und sah Jake ins Gesicht. „Wann hast du Schulschluss?“ Er sah mir – wie immer – tief in die Augen und antworte erst, nachdem er mich eingehend gemustert hatte. „Eine Stunde vor dir, aber ich warte selbstverständlich, damit ich dich nach Hause bringen kann. Seth wird dich mit zum Rabbit nehmen.“ Verwundert wollte ich ihn noch etwas fragen, aber Seth hatte mich schon aus der Cafeteria gezerrt.
 

Vor unserer letzten Stunde kam ich dann endlich dazu, mit Seth reden zu können. „Ich habe immer noch keine Antworten von Sam bekommen.“ Er war auf einmal sehr beschäftigt damit, seine Sachen einzupacken. „Wenn die Zeit kommt, wirst du sowieso alles von alleine verstehen.“ Ich hob eine Augenbraue und schnaubte. „Oh, hat der mystische Sam dazu etwa nicht die Zeit?!“ Auch Seth schnaubte jetzt und strich sich ein wenig genervt über die Stirn. „Warte doch einfach mal ab, ja? Ich kann dir das jetzt nicht erklären, ich muss nach Hause und Jacob wartet auf uns.“

Während wir uns auf den Weg zum Rabbit machten, war ich mir fast sicher, dass sie irgendetwas vor mir verheimlichten.
 

Mein restlicher Nachmittag war ziemlich ruhig, Mum machte Überstunden. Es hätte mich wundern sollen, aber ich schob es einfach damit beiseite, dass sie sich eine gute Stellung in ihrem neuen Job verschaffen wollte.

Jacob war zu keiner Zeit zu Hause, obwohl ich es selbst gegen Abend probierte. Sein Vater, der unfreundliche Billy Black, den ich noch gut von unserem Unfall kannte, konnte mir auch nur sagen, dass er mit den anderen unterwegs war. Offenbar hatte ich zu früh gehofft, dass sie von nun an alles mit mir teilen würden. Ich vertrieb mir meine Zeit damit, einige Mails an alte Freunde in Miami zu schreiben, ein Abendessen zu kochen und legte mich gegen neun frustriert ins Bett.

Meine Gedanken wanderten noch öfters zu Leahs unerklärlichem Lachen, Sams und Seths Verhalten, aber es brauchte nichts. Ich konnte mir ihre Reaktionen einfach nicht erklären. Irgendwann war es mir auch nahezu egal und ich wollte nur noch schlafen, um alles vergessen zu können. Mum würde ihre Portion des Abendessens in der Mikrowelle finden, wenn sie nach Hause kam. Sie würde mich schon noch früh genug rufen, bis dahin- rede ich mir ein - war es nicht verkehrt, Schlaf nachzuholen.
 

Mein Körper brannte, es war ein furchtbares Gefühl. Kein Fieber, das ich je gehabt hatte, konnte mit diesen Schmerzen verglichen werden. Ich wusste nicht mehr, ob ich schlief oder wachte, oder warum ich nicht schreien konnte. Irgendwann erlöste mich das Gefühl vollkommender Taubheit und ich blickte aus der Vogelperspektive auf meinen eigenen Körper hinunter. Ich wand mich im Bett, schweißnass, um mich schlagend. Keuchend riss ich meine Augen auf und stieß einen nahezu animalischen Schrei aus. Er befreite mich, ließ wieder Sauerstoff meine Lungen füllen, den ich gierig und dankbar annahm.

Und dann kam der Moment, indem die Schmerzen abebbten, eine angenehme Wärme meinen Körper erfüllte und ich mich im Bett aufsetzte. Mit einer Geschmeidigkeit, von der ich noch vor wenigen Stunden nur träumen konnte, sprang ich auf die Kissen meiner Fensternische und riss die großen Flügelfenster auf. Ein metallischer Laut ließ mich zusammenzucken. Ich hatte einen der Griffe abgebrochen. Achtlos ließ ich ihn zu Boden fallen und tat etwas Unverantwortliches. Ich sprang in die kühle Nachtluft hinaus. Es war trocken und der Mond erleuchtete unseren Garten. Ich landete auf vier Pfoten. Anstatt in Panik zu geraten bewegte ich mich langsam vorwärts. Binnen weniger Sekunden hatte ich meine Umgebung erkannt. Der Wald vor mir war still, die Hirsche und Eulen, die in seinen sicheren Schutz geflüchtet waren, fürchteten nichts. Nicht einmal mich, den großen, grau-silbernen Wolf, der sich schnell und dennoch lautlos seinen Weg durch die Nacht bahnte. Sie wussten, dass ich nicht an ihnen interessiert war. Mein Ziel war etwas ganz anderes. Etwas, dessen leises, keuchendes Atmen ich selbst mehrere Meilen entfernt hören konnte, obwohl es sich bemühte, leise zu sein. Es dauerte nicht lange, bis ich "es" gefunden hatte. Den omnibusgroßen, grauen Wolf, dem ich noch etwas heimzahlen wollte. Der Wolf hatte mich bei meiner Ankunft in La Push zu Tode erschreckt und das würde ich ihm heimzahlen. Er winselte. Verständlich, er kannte mich nicht. Vielleicht hatte er sogar Angst. Aber es war nicht mein Problem. Ich war ein Tier, er war ein Tier und für mich gab es nur das animalische Verlangen, ihm wehzutun, ihn zu verletzen, bis er nicht mehr aufstand. Es war kinderleicht, ihn soweit in die Irre zu führen, dass er die Orientierung verlor. Die Schatten der Nacht waren meine Freunde und schon bald versenkte ich meine Zähne in seinem Nacken. Es war nur der Anfang, doch es dauerte nicht lange, bis er liegenblieb. Leblos, blutüberströmt. Offensichtlich hatte ich ihn getötet. Jetzt, wo ich mein Vorhaben ausgeführt hatte, gab es keinen Grund, noch länger in diesem grässlichen Wald zu verweilen. Meine Pfoten trugen mich lautlos zurück zum Haus meines Vaters und ich spring zurück auf mein wunderbares, weiches Bett...
 

Mit einem Schrei erwachte ich aus meinem grässlichen Alptraum. Ein Körper schien zu brennen und ich wischte mir mit einem Arm über die schweißnasse Stirn. Panik befiel mich, als ich mich in meinem Zimmer umsah.

Was war hier nur passiert?

Die großen Flügelfenster waren weit aufgerissen, ein Griff lag auf dem Boden. Doch das Schlimmste war das Bett selbst. Ich war nackt, das einzige Überbleibsel meines Schlafanzuges waren ein paar blaue Fetzen, die auf dem weißen Laken verstreut waren. Und auch das Laken war nicht mehr komplett weiß. Matsch, Laub und Erde waren darauf zu erkennen. Obwohl die kalte Nachtluft hereinströmte, fror ich nicht. Die Panik ebbte immer noch nicht ab und ich blieb wie erstarrt sitzen. Verzweifelt versuchte ich mir einzureden, dass alles nur ein dummer Traum gewesen war. Doch - wie sollte das möglich sein? Und wie kamen diese Spuren in mein Zimmer? Es war absurd! Ich war doch keine gemeingefährliche Bestie und ich war auch ganz gewiss kein Wolf. Ich atmete tief durch. Nein, sicher nicht. Das war alles nur die Schuld von Sam und seinen Jungs. Absurde Träume und Dinge, die ich mir nicht erklären konnte. Wahrscheinlich hatte mir einer von ihnen einen Besuch abgestattet und war dabei nicht sehr vorsichtig vorgegangen.

Das musste es gewesen sein.
 

„Seane Cory? Bist du wach?“ Ich schluckte. „Bist du das, Jacob?“ Was tat er mitten in der Nacht vor meinem Fenster? Ich hörte ein lang gezogenes Seufzen. Offensichtlich war er bis vor einigen Sekunden noch sehr besorgt gewesen. „Ja, ich bin es. Geht es dir gut? Bist du verletzt? War es auch bei dir?“ Ich runzelte die Stirn. Hatte er auch einen schlechten Traum gehabt? „Wovon redest du, Jake? Was ist denn passiert?“ Ich hörte ihn schlucken und wusste, dass etwas passiert war. „Es... es ist Embry. Er war auf Patrouille. Du weißt doch, Embry. Der graue Wolf." Wieder atmete er tief durch. Wieso erinnerte er mich gerade jetzt an Embry's Wolfsform? Hier war etwas oberfaul. „Spuck’s schon aus, Jacob Black! Es gehört sich nicht, ein Mädchen nachts um die Zeit zu wecken! Ich habe nichts an!“ Normalerweise hätte er gelacht. Jacob, dem nichts Angst machen konnte, der immer cool blieb. So dachte ich zumindest von ihm. Doch als er nun wieder mit mir sprach, wurde ich eines besseren belehrt. „Etwas hat ihn angegriffen. Gerade eben im Wald. Embry schwebt in Lebensgefahr.“

Seelenverwandtschaft

So schnell ich konnte, folgte ich Jacob durch das Dickicht. Die Temperaturen waren gefallen, es konnten nicht mehr als 3 Grad sein. Ich fror nicht, aber jedes mal, wenn ich Luft ausstieß, bildeten sich kleine Atemwölkchen. Es war stockfinster und ich stolperte immer wieder, sodass wir gezwungen waren, das ein oder andere mal anzuhalten.

Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mehr als ein dünnes Sommerkleid überzuziehen und sogar – gegen meine sonstigen Gewohnheiten – auf Schuhe verzichtet.

Das einzige, was im Moment wichtig war, war Embry. Ich wusste nicht, was halbtot in Rudelsprache bedeutete, aber es war mir auch gleich. Fakt war, dass Embry auf jeden Fall schwer verletzt und ich Schuld daran war. Ob gewollt oder nicht.
 

Zu meiner Überraschung gingen wir nicht tief in den Wald, sondern folgten einem kleinen, von Wurzeln und Sträuchern überwuchertem Pfad, der uns auf eine Lichtung führte. Ich fühlte einen Stich in der Herzgegend. Es war der Ort, an dem ich mich befunden hatte, als ich diesen merkwürdigen Traum geträumt hatte. Nur waren diesmal mehr Personen anwesend. Sam, Paul und Jared knieten neben einem großen, haarigen Etwas, dass ich bei näherem Hinsehen als übergroßen Wolf identifizieren konnte.

Embry.
 

Als wir die Lichtung betraten, schaute Sam auf. Er sah mir in die Augen und ich wandte den Blick ab. „Ich denke, du kannst uns vielleicht erklären, was hier vorgefallen ist.“ Seine Stimme klang angespannt und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er mich durchschaute, hinter meine Fassade blickte. Ich fühle mich allein und verloren und das Schlimmste war, dass ich ihm seine Feindseligkeit nicht verübeln konnte.
 

„Was soll das, Sam?! Wieso verdächtigst du sie? Sie ist nur ein Mensch!“ Es tat weh, Jacob dabei zusehen zu müssen, wie er mich beschützte. Ich hatte es nicht verdient, ich war ein Monster. Auch, wenn dies nur Sam und mir klar war.

„Sei ruhig, Jacob. Warte mit Paul und Jared hier. Der Rat wird bald hier sein und über die weiteren Vorgänge entscheiden. Embry schläft, seine Wunden werden bald verheilt sein.“

Erleichtert atmete ich aus. „Es geht ihm also gut?“ Jared, der bis jetzt geschwiegen hatte, sah nun auf. „So schnell bringt ihn nichts um, dass solltest du langsam gemerkt haben.“ Paul kam zu uns herüber und fasste Jake am Arm. Sam drehte uns den Rücken zu und verschwand im Wald.

Ohne zu wissen, warum genau ich es tat, folgte ich ihm. Jake, der mir etwas hinterher rief, war nicht mehr wichtig.
 

~ Sam’s Sicht ~
 

Er verstand es nicht. Warum musste sie nach La Push kommen? Die Werwolfgene des alten Phelias waren also doch nicht verschwunden. Sie hielt sich vielleicht für schlau, für unantastbar. Aber solange Sam das Rudel von La Push anführte, würde niemand fremdes einfach irgendjemanden, der dazu gehörte, töten können. Der süßliche, mit Waldgeruch vermischte Duft eines Weibchens, einer Wölfin, war ihnen allen sofort aufgefallen und hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sich etwas gewaltig verändern würde. Als Jared Embry gefunden hatte, klebte der Geruch überall an ihm. Jacob versuchte, seine Gedanken vor ihnen zu verschließen, aber als Sam gesehen hatte, wie es in Seane Cory’s Zimmer ausgesehen hatte, als Jacob bei ihr angekommen war, war ihm selbst der Geruch, der seinen Höhepunkt genau dort erreicht hatte, überflüssig vorgekommen. Sie war schuldig, sie hatte Embry schlimm verwundet.

Und das Schlimmste war, dass er sie nicht verurteilen konnte, obwohl er es sich so sehr wünschte. Es war seine Pflicht, sie zu bestrafen, vielleicht sogar sie und ihre Mutter aus La Push auszuweisen, aber es war einfach nicht möglich. Sie war die Enkelin eines der stärksten Werwölfe und somit hatte sie unbegrenztes Aufenthaltsrecht, solange sie bleiben wollte. Dazu kam, dass er Jacob Black das Recht auf die Person, auf die er offensichtlich geprägt worden war, nicht verwehren durfte.

Sam atmete tief durch.

Er belog sich selbst.

Keiner dieser Gründe war unumgehbar. Sie waren nahezu lächerlich. Der wirkliche Grund war weitaus schlimmer und gefährlicher. Gefährlich für alle, die im Reservat lebten und vor allem für ihn selbst.

Er konnte sie nicht bestrafen, weil er sich mit ihr verbunden fühlte.

Ihr Schmerz über das, was sie getan hatte, war von dem ersten Moment, an dem sie Embry dieses mal auf der Lichtung gesehen hatte, offensichtlich gewesen.

Sam Uley kannte diesen Schmerz. Es war der selbe, den er gefühlt hatte, als er seinen Fehler begangen hatte.

Als er Emily verletzt hatte.
 

Man hätte meinen können, die kleine Wentwulf empfand weniger stark, da sie Embry nicht liebte. Allerdings hatte er sofort gemerkt, dass er falsch lag. Vielleicht war die Liebe nicht da, aber etwas anderes. Sie war ein Mädchen, noch dazu ein sehr emotionales. Sie würde niemals aufhören, sich schuldig zu fühlen, genau wie er.

Wie sollte er es also anstellen, jemanden, der schon so sehr litt, noch zu strafen?
 

~ Seane Cory’s Sicht ~
 

Es war nicht sehr schwer zu erraten, was kommen würde. Ich hatte seinen Blick gesehen, er würde den Vorfall nicht einfach vergessen.
 

Aber wollte ich das überhaupt?
 

Ich war der Grund, dass Embry halbtot aufgefunden worden war. Ich war möglicherweise sogar ein Monster. Ach was, möglicherweise...ich war ein Monster!

Und ich wusste nicht, wie ich das jemals wieder gut machen sollte.

Als er sich an eine moosbewachsene Klippe setzte, zögerte ich nicht lange. Vorsichtig ließ ich mich neben ihn sinken. „Ich wollte es nicht.“ „Das weiß ich, Seane.“ „...Cory.“ „Seane Cory.“ „Ja.“ „Dir ist klar, dass ich dich bestrafen muss?“ „Ja.“

Er atmete tief durch. Wo lang sein Problem? Warum konnte er es nicht einfach schnell hinter sich bringen? Warum quälte er mich, indem er mich im Ungewissen ließ?

„Was ist passiert?“ Ich seufzte leise und legte eine Hand auf mein rechtes Knie. „Ich weiß es gar nicht genau. So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber seit ich hier bei euch bin, fühle ich mich nicht mehr so...allein. Früher hatte ich immer das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Dass ich nicht...“ Verzweifelt suchte ich nach den passenden Worten. „...Zuhause bin. Ich glaube nicht, dass ich es erklären kann. Ich hielt es für einen Traum. Mir wurde heiß und mein Körper bebte...“
 

Und so schilderte ich ihm meinen Traum. Es war ein gutes Gefühl. Jemanden zu haben, der einem einfach zuhörte und nicht für einen kompletten Idioten hielt, der an Übernatürliches glaubte. Seine Augen ruhten die ganze Zeit auf mir und er schien sich nicht zu bewegen. Dennoch war ich mir völlig sicher, dass er mir zuhörte, in die Geschichte eintauchte.
 

Manchmal im Leben gibt es einfach Menschen, zu denen man eine ganz besondere Bindung hat, die nicht auf Liebe oder Freundschaft basiert.

So in etwa fühlte es sich an.
 

Er war wie ein erfahrener Mentor, der ganz genau verstand, was ich fühlte und dachte, obwohl meine Gedanken für ihn nicht hörbar waren.

Als ich geendet hatte, schauten wir uns einfach sehr lange in die Augen. Es dämmerte bereits, als er wieder zu sprechen begann.

„Alles wird sich ändern. Und ich habe das Gefühl, nicht nur für dich.“

Ich schloss die Augen.

„Es tut mir leid.“
 

Er schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? „Möchtest du es dem Rudel schon mitteilen?“ Ich schüttelt langsam den Kopf. „Ich gehöre nicht dazu.“ „Das tust du. Du hast keine Wahl mehr. Sie sind schon längst deine Freunde geworden und Jacob kann nicht mehr zurück.“ Verwirrt sah ich ihn an. „Was meinst du?“ „Du wirst ja wohl gemerkt haben, dass er eine gewisse Zuneigung für dich empfindet, oder?“, fragte er leicht spöttisch. Ich schaute verlegen weg. „Schon... Aber das gibt sich sicher wieder. Ich meine...er ist reifer als ich.“ „Es wird sich nie geben.“ Der Ernst in Sam’s Stimme ließ mich unwillkürlich erschaudern. „Die Frage ist nur, wie du empfindest.“ Meine Wangen fingen an zu glühen. „Ich hab ihn sehr gern. Darum bin ich dir auch dankbar, dass wir das hier alleine klären. Ich bin wirklich froh, dass er so lieb zu mir ist, auch, wenn ich das ganze noch nicht wirklich einordnen kann. Deswegen möchte ich auch nicht, dass er falsch von mir denkt.“
 

Sam legte mir eine Hand auf die Schulter, als wir aufstanden. „Wir werden dich in den nächsten Tagen ins Rudelleben einführen. Du und Embry, ihr werdet anfangs vielleicht ein paar Probleme haben, aber Embry ist nicht nachtragend. Das einzige Problem ist, dass er und Jacob sehr gute Freunde sind. Vielleicht wird es für Jacob schwer werden.“ Ich sah ihm nachdenklich in die Augen. „Warum hilfst du mir?“ Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass er tief einatmete und meinem Blick auswich. „Sagen wir einfach... wir haben ähnliches durchgemacht. Du wirst es früh genug erfahren.“ Ich lächelte leicht und reichte ihm die Hand. „Danke, Sam. Wirklich. Ich muss jetzt nach Hause, bevor meine Mum aufwacht.“ Er nickte. „Ich werde versuchen, einen Weg für Jacob und das Rudel zu finden. Eine annehmbare Erklärung. Das Wichtigste ist, dass du deine Wolfsgestalt unter Kontrolle hältst. So etwas wie mit Embry darf einfach nicht noch einmal passieren. Sonst kann ich leider auch nichts mehr für dich tun. Nun geh.“
 

Als ich mich von ihm abwandte und gegen eine muskulöse Brust prallte, erstarrten wir beide. Ich ließ meinen Blick höher gleiten, um in seinen Augen zu versinken.
 

Jacob. Vielleicht mein Jacob.
 

Doch sein Blick gefiel mir nicht. Schmerz. Verletztheit. Und vor allem Wut.

Du hast Embry kaltblütig halbtot gebissen?“

Entscheidungen

~Seane Cory’s Sicht ~
 

„Jake, bitte hör mir doch zu!“ Verzweifelt stolperte ich hinter ihm her. Er hatte es gar nicht gut aufgenommen, er wollte mir nicht einmal eine Chance geben, alles zu erklären. Ich war mir nicht sicher, ob ich das überhaupt konnte. Aber ihn einfach gehen zu lassen, war definitiv noch schlimmer. Für einen kurzen Moment hatte ich Angst bekommen, als seine Pupillen sich geweitet und er sich zittrig von mir abgewendet hatte.

Wir waren uns sehr ähnlich.

Er hätte jedes Recht gehabt, Embry zu rächen und mir die Schmerzen vor Augen zu führen, die diesen gequält hatten. Aber er konnte es nicht tun. Weil er einfach nicht der Typ dafür war.

Er hasste mich.

Das war für mich vollkommen klar und ich verdiente es wirklich. Der Grad zwischen Traum und Wirklichkeit war für mich ein Spielraum gewesen, dessen Grenze ich ohne es zu wissen überschritten hatte.

Er würde mir nicht verzeihen. Als mir das schmerzlich gewusst geworden war, konnte ich einfach nicht anders, als ihm auch noch das letzte bisschen Ruhe zu nehmen, dass er jetzt vielleicht gebraucht hätte.

„Bitte lass es mich doch erklären, ich flehe dich an!“ Tränen sammelten sich in meinen Augen. „Warum? Ist das noch nicht alles gewesen? Hast du vielleicht auch noch Quil den Kopf abgebissen?“ Ich senkte den Blick. Seine Stimme, so verletzt und kühl zu hören, tat weh. „Nein, das habe ich nicht. Und ich wünschte, ich könnte das alles wieder rückgängig machen. Es tut mir so verdammt leid. Ich weiß, dass ich es nicht wieder rückgängig machen kann.“ Den letzten Satz fügte ich noch schnell hinzu, da sich seine Miene vor Ärger verdunkelte. „Was soll ich jetzt tun, Cory?“, fragte er mich nach einigen Sekunden leise.
 

Es war das erste mal, dass er mich so nannte.

Ihm mochte es nicht auffallen, mir schon.
 

Er blieb stehen und senkte den Kopf. „Ich kann dir nicht mehr helfen. Du bist etwas besonderes für mich, das weißt du.“ Mit besorgter Miene drehte er sich zu mir. „Ich wollte eine etwas andere Situation wählen, um es dir zu erklären, aber nun ist die Zeit gekommen.“

Er zog mich sanft etwas tiefer in den Wald, bis wir auf einem umgestürzten Baum platz nahmen. Er hielt immer noch meine Hand. Sie war leicht schwitzig und ich begann, einen Anflug von Panik in mir wahrzunehmen. Was war es, das keinen Aufschub mehr duldete? „Sam hat es dir erklärt... als du uns auf der Lichtung überrascht hast. Wie wir uns fühlen können, erinnerst du dich? Oder verstehst du es sogar?“ Es war nicht schwer zu verstehen, was er meinte. „Die Prägung. Diese besondere Liebe, auf die ihr alle wartet.“ „Ja, genau das ist es.“ Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
 

~ Jacob’s Sicht ~
 

Er hatte nie gedacht, dass es so unheimlich schwer werden würde. Gefühle waren schon etwas Lästiges. Und bei Gott, er wollte sich nicht wie Bella’s schnulziger Blutsauger anhören. Jedoch gab es da etwas in ihm, was diesen zu verstehen begann.

Edward.

Es hatte ihm nie einleuchten wollen, warum Bella so auf ihn reagierte. Doch nun hatte er ein ähnliches Schlüsselerlebnis gehabt. Es war Liebe. Tiefe, reine Liebe, die ihn dazu verleitete, ihr seine Gefühle, sein Herz zu offenbaren.

Seane Cory war ein Monster, sie hatte einen seiner besten Freunde beinahe umgebracht. Und dennoch war er nun soweit, ihr seine Gefühle von Angesicht zu Angesicht zu zeigen. „Es geht mir nicht darum, dass ich geprägt worden bin. Es geht mir darum, dass ich eine tiefe Liebe für dich empfinde... Wenn ich nicht bei dir bin, dann ist es, als wäre ich absolut nutzlos. Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich besorgt um dich bin. Ich frage mich, was du gerade machst. Was du fühlst. Was dich glücklich oder traurig macht und ob du dich genauso nach mir sehnst. Aber dennoch ist es falsch. Ich will nicht, dass du dich zu irgendetwas gezwungen fühlst. Ich werde nie für eine andere so fühlen können wie dich, ich bin an dich gebunden. Oder auch kurz gesagt...ich liebe dich.“ Er musste lächeln. Es war so verdammt absurd. Sie würde ihn abweisen, er hatte es im Gefühl. Warum sollte sie ihn lieben? Für sie war er einer von vielen, ein Wolf aus Sam’s Rudel. Vielleicht hatte sie wirklich Interesse an seiner Nähe. Aber sicher nicht in dem Maße, in dem er es für sie hatte. Sie öffnete ihren Mund, um ihm zu antworten, doch er kannte ihre Antwort schon. Als jedoch kein Ton über ihre bezaubernden Lippen, die er schon so oft hatte küssen wollen, kam, dachte er, sie suchte vielleicht nach den richtigen Worten. Jedoch tat sie etwas ganz anderes. Sie begann zu weinen.
 

~ Seane Cory’s Sicht ~
 

Es war einfach nicht gerecht. Er liebte mich, das hatte er mir mehr als deutlich klar gemacht. Es war alles, was ich mir erhofft hatte, seit ich anfing, immer mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Aber er hatte recht, es war falsch. So für mich zu empfinden, bedeutete den sicheren Tod für ihn. Ich war ein Monster, Embry litt schrecklich. Und möglicherweise war ich nicht einmal ein Mensch. Möglicherweise gehörte ich zu ihrem Stamm, vielleicht sogar mehr, als mir lieb war. Er wartete auf eine Zurückweisung, es war ihm anzusehen. Und genau das hatte ich zu tun. Das wäre richtig gewesen. Aber seit ich ihn kannte, war meine Welt nicht mehr so einfach zu regeln. Es gab kein richtig oder falsch mehr. Richtig wäre in diesem Moment wahrscheinlich gewesen, ihn abzuweisen, ihn bis aufs Blut zu reizen, damit er endlich Rache üben und ich diese schreckliche Schuld vergessen konnte. Falsch war das, was ich im begriff war zu tun. Meine Arme um ihn zu legen, meine Lippen auf seine zu pressen und es zu genießen, dass er genauso fühlte wie ich. Das diese schlaflosen Nächte nun einen anderen Grund haben könnten. Ich wollte es wirklich. Aber es war einfach so verdammt falsch. Die Tränen bahnten sich einen Weg über meine Wangen, bis ich ihren salzigen Geschmack auf meinen viel zu warmen Lippen spüren konnte.

Ich hatte eine Wahl zu treffen. Eine Wahl, die uns beide umbringen, aber dennoch richtig sein würde. Nach einem tiefen Atemzug versiegten die Tränen für einen Moment und ich war bereit zu sprechen. Langsam schloss ich die Augen. „Es tut mir leid, Jacob Black. Aber ich liebe dich nicht.“ Mit diesen Worten stand ich auf und verschwand in den Schatten des Waldes. Sein Herz war gebrochen worden, ein weiteres Mal. Aber ich gehörte einfach nicht hierher. Eine Zukunft war einfach unmöglich. Träume mussten Träume bleiben. Und Liebe hatte einen anderen Platz zu finden.
 


 

~ Leah’s Sicht ~
 

Sie war eine Idiotin. Kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen beobachtete Leah, wie diese kleine Wentwulf Jacob eine richtige Abfuhr verpasste. Gut, er hatte es verdient. War in letzter Zeit ein wenig überheblich geworden. Hatte tatsächlich gedacht, dass er sie haben konnte, weil er auf sie geprägt worden war. Leah hatte gehofft, dass er auf die Schnauze fiel, aber es hätte dann doch nicht so hart sein müssen. Vielleicht empfand sie irgendwo tief in ihrem Inneren ein wenig Mitleid. Aber nein, das konnte nicht sein. Er hatte die Fäden in der Hand gehabt, ein gefährliches Spiel gespielt. Und natürlich verloren. Selbst schuld, wenn man sich so merkwürdig verhielt. Diese Prägung schien die Jungs wirklich zu verwirren. Man sah es ja an Sam. Leah verzog das Gesicht. Blöder Volltrottel. Aber gut, er hatte sich entschieden. Sollte er doch mit Emily glücklich werden, er würde schon sehen, was er davon hatte. Aber dennoch hatte sie gehofft, dass Jacob seinen fehlenden Teil fand. Er war anders als die anderen, nicht so einfältig und begeistert von diesem Fluch, der ihr Leben zerstört hatte. Er war wie Sam, vielleicht jedoch eine jüngere und schlauere Version.

Und dennoch war das ganze Szenario falsch. Sie hatte zwar Embry verwundet, aber hey, selbst schuld, wenn der nicht aufpasste. Es war kein Grund, alles wegzuwerfen. Für Leah gab es nur einen, der an dieser ganzen Misere schuld war. Und dieser jemand betrat gerade die Anhöhe, von der aus Leah die beiden Verliebten beobachtet hatte.

„Na, bist du zufrieden?“ Mit einem spöttischen Grinsen drehte sie sich zu ihm um. Ihr ach so toller Rudelanführer, Sam. „Herzlichen Glückwunsch. Bald kannst du das auch hauptberuflich machen. Sam, der Wedding-Crasher.“ Er sah immer noch so gut wie früher aus, vielleicht ein wenig besser. Aber das war nebensächlich. Es gefiel ihr, wie sich seine Mundwinkel nach unten verzogen. Sollte er doch leiden.
 

~ Sam’s Sicht ~
 

„Leah, lass die Spielchen. Ich bin als dein Alphawolf hier.“ Es gefiel ihm nicht, so mit ihr zu reden. Er wollte es ihr nicht antun. Und er wollte auch nicht wirklich, dass Jacob für alle Zeit unglücklich blieb. Aber er hatte keine Wahl. Es gab einige, leitende Regeln, die das Mädchen gebrochen hatte. Es gab keinen Platz mehr für sie in La Push und auch nicht für ihre Kinder und Kindeskinder. „Na, das ist ja mal interessant.“ Ihr spöttischer Gesichtsausdruck wich immer noch nicht einem entspannten Lächeln, auf das er gehofft hatte. Sie war immer noch verbittert und verletzt, das war keine allzu schwierige Feststellung. Das hier würde schwierig werden. Sie ließ sich selten etwas befehlen, sie kommandiere lieber andere herum.

Eine perfekte Frau für ein Alphatier.

Er verscheuchte diesen Gedanken sofort wieder aus seinem Kopf, es ging nicht um seine Gefühle oder sein schlechtes Gewissen gegenüber Leah.

Seane Cory Wentwulf hatte zu bezahlen, er musste sein Rudelmitglied rächen. Und um das ganze fairer zu gestalten, hatte er sich den perfekten Mann dafür ausgesucht. „Leah, du wirst dich an ihre Fersen heften. Dein offizieller Befehl lautet: Töte Seane Cory Wentwulf.



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Von: abgemeldet
2008-04-16T18:26:47+00:00 16.04.2008 20:26
Irgendwie süß <3 Wie er den Arm so um sie schlingt ... hach!
Kann mir das richtig gut vorstellen =) Bitte schreib ganz schnell weiter, ja? Und längere Kaps. wären auch nicht schlecht =) Liegt einfach daran, dass ich vieeeeeel länger Kaps gewöhnt bin und selbst längere schreibe XD Da sind 1-Seiten-Kaps auf einmal viieeel zu wenig ^^' Naja! Du schreibst das aber toll! Echt super =) Weiter so!

Lg, Lesca

Von: abgemeldet
2008-04-16T18:14:21+00:00 16.04.2008 20:14
Hmm... das Mädchen scheint ganz sympathisch zu sein =)
Was soll ich noch schreiben? :D Ist gut gelungen das Kap.!
BIn gespannt, wann sie sich endlich begegnen ^^ werde gleich mal weiter lesen!

Lg, Lesca ~
Von: abgemeldet
2008-04-16T17:54:43+00:00 16.04.2008 19:54
Eine Werwölfin also? Ich frage mich ja immer noch, ob man als Frau auch so muskulös wird O,o warm ist ja klar.... aber auch so muskulös? Und so groß? Ganz ehrlich.... groß....muskulös.... Frau? O,o Ich meine, die sind ja Riesen .... hmm .... naja egal XD Das Kapi war wieder supi ^^ Bin gespannt, wie sie so ist.. Jacob wird bestimmt auf sie geprägt...
Ich les mal gleich weiter =)

Lg, Lesca
Von: abgemeldet
2008-04-16T17:43:23+00:00 16.04.2008 19:43
Super geschrieben! Ich dachte schon, ich würde nie eine tolle FF von Jacob finden! Doch du hast mir meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt =) Ich danke dir! Obwohl ich ganz ehrlich sagen muss ... ich bin auf deine FF geklickt, doch als ich das Bild von Jacob gesehen hab gleich wieder raus XD Später dann doch wieder rein .... aber auf dem Bild sieht er sooo unsüß aus T,T Ganz anders, als ich ihn mir immer vorgestellt habe ... naja XD unwichtig eig. Zum Glück bin ich wieder zurückgeklickt =) Echt super Anfang! Perfekt! Ich bin echt gespannt wie es weiter geht =) Ich danke dir hammer dolle für diese FF! :-*

Lg, Lesca ~
Von: abgemeldet
2008-04-12T06:27:58+00:00 12.04.2008 08:27
LOOOL
Typler hat mal wieder versucht Auto zu fahren! *kaputt lach*
Der Junge hats einfach nicht drauf... der wirds nie lernen! Nie im leben... wäre besser wenn er sich so ein supersüßes kleines rotes Bobbicar kauft! ^-^ Da würde er zumindest keine teuren Schäden produzieren... armer Jake! Wo er doch so stolz auf sein Auto war!
Hehe ich hoffe mal er beschwert sich auch ordentlich bei dem bescheuerten Bruchpilot! xDD

Hehe und das Billy so abgehen kann... wow!
Wenn Jake sich nicht beherrscht hätte ...hehe... dann hätte es vllt doch noch Hackfleisch-Billy gegeben! *kicher* Blöder alter Mann! Denn kann mich mal übelst nicht ab... der steht auf der liste der netten
Bis(s)Charakter mal ganz unten und teilt sich den Platz mit Lauren xD
Hey aber deine Geschichte ist echt toll! Die bringt mir Jake richtig näher... langsam fang ich echt an ihn voll zu mögen! Im grunde seines Herzens ist er ja doch nur ein (gutaussehender) netter Junge der ein Mädchen haben möchte! LOL
Also sag bescheid wenn das nächste da ist! *freu*
Ist einfach zu geil um aufzuhören!!
Lg Katja
Von: abgemeldet
2008-04-07T20:55:17+00:00 07.04.2008 22:55
OMG.....Jake wurde geprägt......
Wie Coooooooooooooooooooooooooooooooooool............
Ich fand das voll lolig wie du den Embry beschrieben hast......"Ein Wolf in der größe eines Kleinbusses".......echt cool......
Freu mich schon aufs nächste Kapi.....hoffe es geht bald weiter......
Deine Geschichte hat mich echt gefesselt......
LG NiCi
Von: abgemeldet
2008-04-07T16:14:16+00:00 07.04.2008 18:14
ich stimme luna in der einen sache zu! *grins*
aber hast du wirklich gut gemacht weiter so!
Von: abgemeldet
2008-04-07T16:04:47+00:00 07.04.2008 18:04
lol~ Jake weiß ganz genau, was das war xD
Mou~ was ist mit Embry? x.x Ich will mehr wissen! *kicher*
aber mir fällt grad auf: Quil war doch schoki-braun? x.x *immer was zu meckern hat* (ich bin doof, ich weiß ^^')
aber irgendwas muss ja mit Embry sein ... *Hirn zermater* schließlich wird er mit bei den personen erwähnt xD prägt er sich auch? OO'
okayx~ ich hör auf rum zu spekulieren & warte brav auf's neue Kap x)
LG <3
Von:  Veilchen
2008-04-07T15:57:52+00:00 07.04.2008 17:57
Hi^
ich finde das Kapitel echt genial, du hast einen guten Schreibstil, mach weiter so
mfg
Tonia
Von: abgemeldet
2008-04-07T15:57:04+00:00 07.04.2008 17:57
supi supi supi^^
Oh wie geil! Du kannst echt mega gut schreiben *fahne schwenk*
Meinen Respekt! Ich hoff das geht schnell weiter^^
*favo mach*
lg
Estania


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