Licht und Schatten von Nochnoi ================================================================================ Kapitel 9: 9. Kapitel --------------------- Als Dean erwachte, lag er mit seinem Gesicht in feuchter Erde. Zunächst wusste er die Situation überhaupt nicht einzuordnen und rechnete halb damit, dass er noch träumte, aber dann stürzten die Erinnerungen mit erbarmungsloser Brutalität auf ihn ein. Er spürte den Schmerz in seinem Rücken und am Hinterkopf und entsann sich wieder, wie er von dem Ungetüm gnadenlos gegen eine Steinmauer geschleudert worden war. Auch mehrere Rippen waren offenbar nicht verschont geblieben, als das Tier ihn mit seinem Schwanz am Brustkorb erwischt hatte. Ächzend und stöhnend, als wäre er ein achtzigjähriger Großvater, hievte Dean sich langsam hoch. Wie er feststellte, hatte er mit dem Gesicht in einem Blumenbeet gelegen. Fluchend rieb er sich die nasse Erde von den Wangen, bevor er sich mit viel Mühe und Not schließlich wieder auf die Beine stellte. Allem Anschein nach befand er sich im weitläufigen Garten eines Wohnhauses, jedoch nicht im selben, in dem Sam und er die Bestie gestellt hatten. Anscheinend hatte irgendwer – oder auch irgendwas – ihn hierher verschleppt. Dean hoffte sehr, dass es bloß Sam gewesen war, der seinen älteren Bruder schnellstmöglich in Sicherheit hatte bringen wollen, aber schnell verwarf er den Gedanken wieder. Wieso hätte Sam ihn hier draußen im Blumenbeet ablegen sollen? „Sammy?“, rief Dean, mehr um sich besser zu fühlen, als zu glauben, dass er wirklich eine Antwort erhalten würde. Und tatsächlich gab es keinerlei Reaktion. Abgesehen von dem tiefen Knurren hinter seinem Rücken. Dean spürte, wie sein Herzschlag einen Moment aussetzte. Er hatte normalerweise nichts dagegen, sich mit übernatürlichen Wesen auseinanderzusetzen. Oft genug, wenn er einen schlechten Tag oder zu viel Adrenalin im Blut hatte, begrüßte er es sogar regelrecht. Aber nun in dieser Lage – unbewaffnet, verletzt und deutlich im Nachteil – hätte er durchaus darauf verzichten können. Wie in Zeitlumpe drehte er sich um, während er gleichzeitig seine eigene Nachlässigkeit verfluchte. Eigentlich hatte er noch ein Messer einstecken wollen, es dann aber schließlich nicht für nötig befunden. Im Grunde würde es an der momentanen Situation zwar trotzdem nichts ändern können, aber dennoch hätte Dean sich mit einer Waffe tausendmal besser gefühlt. Selbst ein kleines Küchenmesser wäre ihm recht gewesen. Wie erwartet sah sich Dean schließlich dem Ungetüm aus Spencers Keller gegenüber. Groß, bedrohlich und ganz eindeutig angepisst. Es stand bloß zehn Schritte entfernt und fixierte Dean dermaßen intensiv, dass er das Gefühl bekam, das Tier würde ihn bis aus die Knochen und Eingeweide röntgen. Die Zähne gefletscht, die Ohren angelegt und die Augen hasserfüllt funkelnd. „Du bist wohl nicht so gut auf mich zu sprechen, was?“ Dean lächelte gequält, während er abwehrend die Hände erhob. „Aber du solltest das alles echt nicht persönlich nehmen.“ Sein Blick huschte zu der Wunde der Kreatur. Dean hatte sie direkt an der Flanke getroffen, die nun völlig blutverschmiert war. Und das Monster war offenbar wenig angetan. Es knurrte bedrohlich, während er einen Schritt näherkam. Dean unterdrückte derweil den Instinkt, automatisch zurückzuweichen. Ein offensichtlicher Rückzug hätte das Tier wahrscheinlich nur provoziert. „Hör zu, wir können doch über alles reden“, meinte Dean beschwichtigend. „Ich meine, du und ich – wir sind gar nicht so verschieden. Wir beide … äh, wir beide lieben frische Luft. Das muss doch was heißen, oder?“ Die Kreatur bellte einmal laut auf, als wollte sie Dean zum Schweigen bringen. „Okay, okay, ich seh‘ schon, du kannst mich nicht ausstehen“, sagte er. „Durchaus nachvollziehbar. Ich würde auch niemanden mögen, der mir in den Arsch schießt. Aber mal ehrlich … willst du mich wirklich fressen?“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich bin ungenießbar, glaub es mir ruhig. Ich schaufel haufenweise ungesundes Zeug in mich rein, meine Arterien sind völlig verstopft. Du wirst nur furchtbare Magenbeschwerden bekommen, wenn du mich –“ Er stoppte abrupt, als das Ungetüm erneut sein Missfallen kundtat. Eine Minute musterte das Tier Dean noch intensiv, dann aber drehte es den Kopf zurück und machte einige ruckartige Bewegungen. Der Winchester runzelte daraufhin die Stirn. Litt das Vieh nun an spastischen Zuckungen? Das Wesen war wenig amüsiert, dass Dean ihn nicht verstand. Es knurrte tief, ehe es vom Boden vor seinen Pfoten etwas aufhob, das wie ein weißes Handtuch aussah, und erneut seinen Kopf nach hinten verdrehte. „Willst du etwa Scharade spielen? Hör zu, solche dummen Spielchen hab ich noch nie –“ Er unterbrach sich selbst, als das Tier wütend mit seinen Zähnen knirschte. Es rückte noch ein Stück näher an den Winchester heran, hielt ihm demonstrativ das Handtuch entgegen, das es davor wahrscheinlich von irgendeiner Wäscheleine gestohlen hatte, und verdrehte anschließend seinen Kopf wieder nach hinten. Dean musterte das Wesen skeptisch. Und verstand mit einem Mal, was es ihm sagen wollte. „Ich soll … deine Wunde versorgen?“, hakte er erstaunt nach. Das Tier bewegte daraufhin seinen riesigen Schädel auf und ab, was erschreckend nach einem Nicken aussah. Dean konnte hingegen nur gequält auflachen. „Ist das echt dein Ernst? Gott, ich habe dich doch angeschossen! Denkst du wirklich, ich mache jetzt einfach meine wunderschöne Arbeit kaputt?“ Das Wesen knurrte tief und machte damit deutlich, dass es kein Nein akzeptieren würde. „Na fein“, ergab sich Dean schließlich seinem Schicksal. Vorsichtig nahm er das Handtuch entgegen und näherte sich der Kreatur. Diese rührte sich keinen Millimeter, hielt Dean aber die ganze Zeit über argwöhnisch im Auge. Jede falsche Bewegung wäre ihr sofort aufgefallen und wahrscheinlich wenig positiv aufgenommen worden. Dean jedoch hatte nur bedingt Lust, Arzt zu spielen. Mit einem breiten Unschuldslächeln drückte er das Handtuch auf die blutige Wunde. Und zwar mit aller Gewalt. Das Tier brüllte vor Schmerzen gepeinigt auf und knickte mit seinen Hinterbeinen ein. Dean verschwendete derweil keine Sekunde. Er wirbelte herum und stürmte davon, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Sein geschundener Körper protestierte zwar vehement, doch er ließ sich davon nicht beirren. Er musste einfach nur entkommen. Vielleicht auch irgendwo eine Waffe finden, um sich verteidigen zu können. Aber in erster Linie ging es ihm nur darum, einfach wegzukommen. Doch er hatte die Rechnung ohne das Ungetüm gemacht. Es bewegte sich schneller, als man es bei seiner Größe und Masse vermutet hätte. Dean hatte noch nicht mal den Gartenzaun erreicht, als es sich ihm schon in den Weg stellte. Schnaubend baute es sich vor dem Winchester auf und schien kurz davor zu stehen, ihm den Kopf abzubeißen. Dean schluckte. Vielleicht hätte er doch den netten Onkel Doktor spielen sollen. „Braves Hündchen“, meinte er beruhigend. „Hör zu, tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht … Ich bin einfach etwas ungeschickt in solchen Dingen. Frag meinen Bruder, der wird es dir bestätigen.“ Die Kreatur jedoch machte nicht den Anschein, als hätte sie großartig Lust loszuziehen, um Sam wegen Deans Sensibilitätsdefizit auszufragen. Stattdessen grub sie ihre scharfen Krallen tief in den Boden und überlegte vermutlich gerade, welchen Körperteil von Dean sie zuerst verspeisen sollte. „Wir können’s ja nochmal versuchen, okay?“, meinte dieser, während er ostentativ auf das im Gras liegende Handtuch deutete. „Diesmal bin ich auch ganz vorsichtig. Versprochen!“ Das Tier schnaubte. Es schien ihm kein Wort zu glauben. Und Dean wusste in diesem Augenblick, dass sein letztes Stündchen geschlagen hatte. * * * * * Sam hätte nie im Leben gedacht, dass er sich einmal mit einem Dämon auf Rettungsmission begeben würde. Wie sehr man sich doch irren konnte. Allerdings war Amy auch alles andere als ein normaler Dämon. Sie hüpfte vergnügt ihres Weges und winkte allen Menschen zu, denen sie auf der Straße begegneten. Unbesonnen und naiv. Sam selbst konnte nur unsicher lächeln, während ihm eigentlich nicht ganz klar war, was er hier tat. Dean zumindest hätte ihm sicherlich ordentlich den Marsch geblasen, wenn er seinen Bruder zusammen mit einem Dämon erwischt hätte. Sam hatte aber letztlich keine andere Wahl gehabt. Er hatte keine Ahnung, wohin dieses Wesen namens Cytho Dean verschleppt hatte. Amy hingegen schien den Weg bestens zu kennen. Unbeirrt ging sie voran und zögerte keinen Moment. Sam blieb nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen, während er mit wachsender Besorgnis die untergehende Sonne beobachtete. Noch gut eine halbe Stunde, dann würde die Dunkelheit der Nacht über das Land hereinbrechen. Und Alyssa würde sich ungehindert ihr Blutopfer beschaffen können. „Du bist so still, Sam“, bemerkte Amy neugierig. Der Ball in ihrer Hand begann bereits zu leuchten. Das Zwielicht der Abenddämmerung war offenbar für den Fluch von Licht und Schatten nicht ausreichend. „Ich bin nur … besorgt“, meinte Sam. „Wegen deinem Bruder?“ Sam nickte. „Ich bin auch wegen Cytho besorgt“, setzte Amy ihn in Kenntnis. „Ich hoffe, Dean tut ihm nicht weh.“ Sam hätte am liebsten laut aufgelacht. Es war wohl kaum die mörderische Bestie, um die sie sich Sorgen machen mussten. Aber er hielt sich wohlweislich zurück. Er durfte Amy auf keinen Fall verprellen. „Aber bald wird alles wieder gut“, sagte das Mädchen lächelnd. „Der Fluch wird aufgehoben und wir dürfen endlich wieder nach Hause.“ „In die Hölle?“, fragte Sam nach. Er selbst hatte keine Ahnung, was Dämonen als ‚ihr Zuhause‘ bezeichneten. Amy kicherte jedoch. „Oh nein, nicht die Hölle. Alyssa und ich sind doch nicht solche Dämonen.“ Sam wusste nicht, worauf sie damit anspielte. Verwirrt musterte er sie, während sie gekonnt ihren Ball von eine Hand in die andere warf. „Unsere Welt ist nicht so … so ungemütlich wie die Hölle“, erklärte Amy. „Unser Zuhause liegt woanders. Und eigentlich haben unsere Welten auch nie Kontakt miteinander. Hätte Spencer uns nicht gerufen, wären wir wahrscheinlich niemals hier gelandet.“ Sam runzelte die Stirn. „Heißt das … es gibt noch mehr Welten da draußen?“ Amy schien seine Unwissenheit sehr zu amüsieren. „Haufenweise. Unzählige. Alyssa hat es mal Dimensionen genannt, soweit ich mich erinnere. Auch wenn ich nicht genau weiß, was das bedeutet.“ Sam schluckte unweigerlich. Der Gedanke, dass noch zahllose andere Welten existieren sollten, in denen sich Dämonen aller Art tummelten, gefiel ihm ganz und gar nicht. Auch wenn es nach Amys Aussage so klang, als hätten sie normalerweise keinerlei Verbindung miteinander. „Eure Dämonen sind sowieso eigenartig“, fuhr die Kleine ungerührt fort. „Viele von denen besetzen die Körper von anderen. Das ist doch irgendwie seltsam, oder?“ Sam musste sich eingestehen, dass ‚seltsam‘ nicht unbedingt das erste Wort war, das ihm bei einer Dämonenbesessenheit einfiel. „Ihr macht das nicht?“, hakte er nach. „Oh nein“, entgegnete Amy vehement. Allein bei der Vorstellung erschauerte sie. „Wir haben unsere eigenen Körper und sind auch mehr als zufrieden damit. Ich hätte so oder so keine Lust, mich in eine glibbrige menschliche Hülle zu quetschen. Bäh!“ Sam musste angesichts ihrer Reaktion unwillkürlich seine Mundwinkel nach oben verziehen. „Also ist das dein Körper?“, erkundigte er sich, während er ihre kleine Gestalt musterte, die so extrem menschlich wirkte. Amy grinste derweil schief. „Das ist das, was du siehst. Was du sehen willst. Aber vielleicht sehe ich in Wirklichkeit ganz anders aus.“ Sie gluckste belustigt. „Vielleicht aber auch nicht.“ Sam wollte lieber gar nicht so genau darüber nachdenken. Stattdessen meinte er: „Du bist schon irgendwie ein bisschen merkwürdig.“ Amy sah dies offenbar nicht als Beleidigung. „Keine Wunder, dass du das denkst. Eure Dämonen hier sind ja alle so … verbittert und unfreundlich.“ Seufzend schüttelte sie ihren Kopf. „Wirklich ein unhöfliches Pack! Da würde ich auch Dämonenjäger werden.“ Das war das erste Mal, dass Sam diesen Satz von einem Dämon hörte. Und wahrscheinlich würde es auch gleichzeitig das letzte Mal sein. Bevor er jedoch dazu kam, Amy noch weiter auszufragen, quietschte sie plötzlich auf. „Wir sind da!“, rief sie begeistert und stürmte sofort auf ein großes, viktorianisch anmutendes Haus zu. Sam folgte ihr durch den Vorgarten, an der Garage vorbei nach hinten in den Garten. Dieser war dermaßen gigantisch, dass es einen beinahe erschlagen konnte. Weitläufig, sodass man sich durchaus darin hätte verlaufen können, und einfach nur wunderschön. Sam blieb jedoch wenig Zeit, diesen Anblick gebührend zu genießen, denn seine Aufmerksamkeit wurde von zwei Gestalten erregt. Er entdeckte Dean, der sich gegen den Gartenzaun drückte, während ihm das Ungetüm immer weiter auf die Pelle rückte. „Dean!“ Sam zögerte keine Sekunde. Augenblicklich riss er sein Gewehr nach oben und wollte abdrücken, hielt aber inne, als ihm Amy mit ihrer kleinen Faust gegen das Bein boxte. „Tu das bloß nicht!“, meinte sie mit aufgerissenen Augen. „Du darfst Cytho nicht wehtun! Alyssa wird furchtbar wütend werden.“ Sie setzte eine kindliche Trauermiene auf, als sie hinzufügte: „Und ich würde weinen.“ „Aber Dean …“ Das Problem löste sich jedoch von allein. Cytho bemerkte die Ankunft der zwei Neuankömmlinge und wandte sich von Dean ab. Mit wedelndem Schwanz und leicht humpelnd kam er auf sie zu. Amy empfing das riesige Monster mit weit ausgebreiteten Armen und drückte sich lachend an dessen Bein. Sam beobachtete diese Szene einen Moment beunruhigt und war unschlüssig, was er als nächstes tun sollte. Schließlich aber entschied er sich dafür, sich zuerst nach Deans Gesundheitszustand zu erkundigen. „Geht’s dir gut?“, fragte er, als er zu seinem Bruder trat. Aus den Augenwinkeln behielt er das kleine Mädchen und den großen Hund weiterhin im Blick. „Ob‘s mir gut geht?“ Dean knirschte mit den Zähnen, während er die Waffe ergriff, die Sam ihm reichte. „Ich bin gerade von nem Koloss entführt und wenig heldenhaft in einem Blumenbett abgelegt worden. Mein ganzer Körper schmerzt, ich bin durchnässt und überaus gereizt!“ Wenig vorsichtig rückte er seine Jacke zurecht. „Ich will jetzt irgendwas umlegen! Am liebsten natürlich dieses fiese Miststück Alyssa, aber dieses übergroße Hündchen würde es zur Not –“ Er runzelte die Stirn, schaute an Sam vorbei und fragte verwirrt: „Wo sind sie hin?“ Sam drehte sich um und bemerkte erschrocken, dass Amy und Cytho verschwunden waren. Als wären sie niemals anwesend gewesen. Hektisch ließ er seinen Blick schweifen, um irgendeinen Anhaltspunkt zu entdecken, doch nichts fiel ihm ins Auge. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Leise und unbemerkt. „Wie kann denn so ein LKW von einem Ungeheuer einfach so verschwinden?“ Dean schüttelte verständnislos den Kopf. „Und das binnen eines Wimpernschlags?“ Sam konnte nur mit den Schultern zucken. „Sie kommen aus einer anderen Dimension“, sagte er, als würde das irgendetwas erklären. Dean musterte ihn daraufhin irritiert. „Was?“ Sam aber winkte ab. „Egal. Es gibt im Moment Wichtigeres.“ Er blickte zur roten Sonne, die fast vollkommen hinter dem Horizont verschwunden war. „Wir müssen Alyssa aufhalten.“ * * * * * „Deine Stromrechnung wird astronomisch werden.“ Danny musterte seine Schwester mit einem schiefen Grinsen, bevor er wieder dazu überging, das Gemüse für das Abendessen zu schneiden. Michelle jedoch schnaubte nur abfällig. „Machst du dich jetzt etwa allen Ernstes über mich lustig? Seit deinem fünften Lebensjahr kannst du nicht ohne ein Nachtlicht einschlafen. Da hätte ich wirklich auf ein bisschen mehr Verständnis gehofft.“ „Okay, okay“, meinte Danny nickend. „Ich kann’s ja nachempfinden. Ehrlich.“ Michelle lächelte schwach. Jeder andere hätte sie für verrückt erklärt, als sie nach Sonnenuntergang jedes einzelne Licht in ihrer Wohnung angeschaltet hatte. Selbst die kleine Lampe im Flurschrank hatte sie nicht vergessen. Darüber hinaus hatte sie auch noch in jeden Raum Kerzen und Taschenlampen parat gelegt. So fühlte sie sich einfach sicherer. Auch wenn dies wahrscheinlich alles nur Illusion war. „Du musst dich einfach beruhigen“, sagte Danny und reichte ihr ein Stück Möhre. „Ich weiß, das Ganze war ziemlich traumatisch, aber das Mädchen wird sicherlich nicht wiederkommen. Diese … Kerle wollten sich doch um sie kümmern.“ Michelle wusste, dass er sie nur trösten wollte. In Wahrheit traute er den beiden Männern, die vor wenigen Tagen bei ihnen gewesen waren, nicht zu, diesem übersinnlichen Phänomen Herr werden zu können. „So oder so, es wird alles wieder gut“, meinte Danny optimistisch. „Niemand wird dich mehr belästigen. Das lasse ich nicht zu.“ Und im nächsten Augenblick explodierte jede einzelne Glühbirne. Michelle spürte, wie ihr Herz für einen Schlag aussetzte, während die Wohnung ohne jede Vorwarnung in Dunkelheit getaucht wurde. Danny fiel vor Schock das Messer aus der Hand, welches klirrend auf dem Küchenboden aufkam. Begleitet von Kinderlachen. Michelle jagte ein eiskalter Schauer über den Rücken, als sie sich langsam umdrehte. Auch Danny war zu einer Eissäule erstarrt. Alte Erinnerungen und Ängste bestürmten ihn wahrscheinlich in diesem Moment. „Es ist wirklich ärgerlich, wenn nicht alles so verläuft, wie man sich das denkt, nicht wahr?“ Die Stimme des Mädchens war gehässig. Sie stand im Türrahmen, mit flatternden Kleid und Haaren, und fixierte sie aus ihren leuchtenden Augen. „Was … was willst du?“ Michelle war über alle Maßen erstaunt, dass sie überhaupt einen Ton herausbrachte. Ihre Glieder zumindest waren vollkommen gelähmt. Danny hingegen war noch im Vollbesitz seiner Körperfunktionen. Schnell packte er eine Taschenlampe, die in Greifweite auf dem Tresen lag, und richtete sie auf das unheimliche Wesen. Doch noch bevor er sie anschalten konnte, wurde er plötzlich von einer unsichtbaren Macht von den Füßen gerissen. Er krachte brutal gegen die Küchenschränke und fiel schließlich wie ein Mehlsack zu Boden. „Danny!“, rief Michelle entsetzt. Sie wollte aufspringen, doch konnte sich immer noch nicht rühren. Und allmählich bekam sie das Gefühl, dass ihre Lähmung keinen natürlichen Ursprung hatte. „Was machst du mit mir?“, wollte sie, den Tränen nahe, wissen. Ihr Blick ruhte auf Danny, der regungslos auf der Erde lag. Einen schrecklichen Moment lang war sie felsenfest davon überzeugt, dass er tot war, doch sie hörte ihn noch stöhnen. Zwar leise, aber trotzdem gab er Lebenszeichen von sich. Das Mädchen lachte derweil kalt. „Du darfst dich geehrt fühlen, kleiner Mensch“, meinte sie. Sie trat auf Michelle zu und begutachtete sie wie ein Ausstellungsobjekt. „Dein Blut ist der Schlüssel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)