Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie. von Deepdream ================================================================================ Kapitel 12: Fahr doch zur Hölle! -------------------------------- Die Sonne stand auf ihrem Zenit, die Vögel pfiffen und auch sonst kündigte nichts davon, was soeben zwei Kilometer Luftlinie entfernt vor sich ging. Nichtsdestotrotz runzelte sich die Stirn einer gewissen Matriarchin eines archaischen Amazonenstammes aus den finstersten Winkeln Chinas. Im Augenblick blätterte die alte Frau in der Tageszeitung, aufgeschlagen war der Wetterbericht. Ihr kritischer Blick wechselte zwischen Druckerschwärze und Panoramafenster hin und her. Ein amüsiertes Schnauben verließ ihren Mund. Nach schwerem Niederschlag sah das allerdings nicht aus! Fast wie um ihrem Gedankengang neues Futter zu geben, trugen einige Tauben einen ihrer Artgenossen durch die Lüfte. Das gute Tier war wahrscheinlich einem Sonnenstich erlegen – oder aber ziemlich heftig gegen irgendetwas gestoßen. Gegen was wohl? Während Cologne dieses Schauspiel noch mit gemischten Gefühlen verfolgte, knallten eine Etage höher die Türen. Auf den Unwissenden hätte die Geräuschkulisse ähnliche Empfindungen hinterlassen wie eine Abrissbirne mitten im Wohnzimmer; und das nicht als extravaganter Einrichtungsgegenstand. Klang ganz so, als ob ihre Großenkelin sauer war. Woran es wohl diesmal haderte? „Mousse!“ Im ersten Stock polterte etwas, das sich verdächtig nach einem Zentner eiserner Waffen anhörte, allem voran Messer und Ketten. Ihre Tasse bebte vergnügt im Takt der fallenden Mordgeräte. „Mousse!“ Die Treppenstufen jammerten erbärmlich unter den Tritten einer kleinen Naturgewalt, als die man Shampoo ohne jede Übertreibung bezeichnen konnte. „MOUSSE!“ Die Flügeltür zur Küche flog auf und ein Schopf kobaltblauen Haars hüpfte ihr entgegen. Grimmig linste das Mädchen umher, zwei Bonboris in den Händen und zu allen Schandtaten bereit. „Nicht das ich mich einmischen möchte, Shampoo, aber was sollen die Waffen?“ „Mousse nicht da. Shampoo suchen!“, konstatierte die junge Amazone unumwunden und suchte die Tische und Stühle ab, so als würde sich der Tellerwäscher darunter verstecken. „Und dafür benötigst du Waffengewalt?“, Cologne zog eine Augenbraue hoch und musterte ihre Großnichte belustigt. Shampoos Gesicht nahm einen interessanten Rotton an und die Bonbori knirschten in ihren Händen. Alleine diese Tatsache war schon abstrus, schließlich war Shampoo kaum 1,60 groß. Diese massiven Eisenkugeln unter dem Druck ihrer Hände knirschen zu hören, entsprach im Vergleich einer Biene, die gegen ein Auto flog und damit einen Crash provozierte. So gesehen war es kein Wunder, dass im hiesigen Umland kaum Autos fuhren. Ohne sich weiter zu rechtfertigen, schnaubte das Mädchen und verließ mit bedeutungsschweren Schritten das Neko Hanten. Augenscheinlich verzichtete sie auf ihr Fahrrad, denn kaum stand sie draußen, sprang sie bereits durch die Lüfte auf eines der Dächer. „Die Jugend von heute, so voller Elan“, sinnierte die Alte und nippte an ihrem Tee. Noch mal jung zu sein, dass wäre doch was... Ja, in der Tat, dass wäre was – und zwar ein Gräuel! Beäugte sie sich die verqueren Zustände, verwoben mit Eifersucht und Starrköpfigkeit unter ihren Schützlingen, dann fiel es ihr sehr schwer an die Vernunft im Menschen zu glauben. Natürlich wusste sie es besser, als an die Vernunft im Menschen zu appellieren. Vernunft war nur ein Konzept, dass sich jemand ausgedacht hatte, nachdem er A wie ‚Stein’ und B wie ‚Zeh’ in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gesetzt und daraus seine Konsequenz gezogen hatte. In anderen Worten: Er schrie, trat dagegen und schrie nochmals. Auf diese Weise war wohl auch der Bakusai Tenketsu entstanden. Ein eigentümliches Gefühl sprengte ihre Überlegung und fast fiel ihr die Tasse dabei aus der Hand. Teilnahmslos blinzelte die Matriarchin in die Ferne, ehe sie sich allmählich fing und am Tee schlürfte. „Das Portal, sie haben es gefunden – oder der Tee ist schlecht.“ Die Alte legte den Kopf schief und grübelte über die plötzliche Eingebung. Nach einigem sorgfältigen Abwägen - und ausgiebiger Kontrolle der Verpackung - entschied sie sich dann doch für ersteres. … <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Oh Mann, Ryoga! II – Einfach nur göttlich. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Kapitel 12 – Fahr doch zur Hölle! <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> … Tatewaki hörte die Engel singen; leider nur im übertragenen Sinn. Das mochte daran liegen, dass er unter einem Regal lag und sein Hinterkopf pochte. Zudem fühlte er sich, als ob sich das Gewicht der Welt über ihm entladen hätte – tatsächlich war es nur das Wissen der Welt in 68 Bänden. Im Augenblick thronten die 100 schlimmsten Katastrophen auf seinem Haupt. Aufgeschlagen war der Ausbruch des Vesuvs. Doch, dass klang wie ein Vorschlag. Er bekam nämlich selbst gute Lust dazu auszubrechen und zwar in einen züchtigen Wutanfall! Grunzend stieß er die Wälzer von sich und kroch unter dem Bücherregal hervor. Sein Rücken dankte es ihm mit ungesunden Knackgeräuschen. Der Rest des Körpers folgte dem Mitteilungsbedarf des Rückens aus Solidarität, knackte also aus ganzem Herzen mit und ließ ihm die Augen übergehen. Egal wie – hierfür würde Saotome büßen! Und Hibiki würde ebenfalls nicht ungeschoren davonkommen. Warte mal, warum ungeschoren? Schnell schüttelte Tatewaki den Gedanken ab; er erinnerte ihn zu sehr an seinen derangierten Vater. Nichtsdestotrotz stand fest, dass beide Kämpfer ab sofort einen Platz auf der Roten Liste innehatten. Er persönlich würde sie draufsetzen und unterschreiben. Falls nötig sogar in Schönschrift! „Hohohohoho! Wertester Bruder, welches Ungemach befiel unser Heim?“ Seine – entgegen vielfacher Beteuerung - ungeliebte Schwester stand im Türrahmen und besichtigte das Durcheinander. Es schien sie nicht wirklich zu stören. Daher gönnte er sich eine kleine Gedankenpause, bevor er zur Antwort ansetzte. „Werteste Schwester, dein zukünftiges Graue – ich meine, dein zukünftiger Gemahl stattete uns einen Besuch ab.“ „Fürwahr? Mag es sein, dass er sich meiner Hingabe entsonnen hat?“, frohlockte das Mädchen und faltete die Hände vor der Brust. Sie schwebte augenscheinlich in anderen Sphären. Leider war das nicht erst seit Kurzem der Fall. „Lass es mich neusprachlich formulieren, werteste Schwester: Er schlug ein wie eine Bombe“, skandierte der Kendoka und fügte hitzig dazu: „Ganz zu schweigen von diesem elenden Hibiki.“ „Unwichtig mein Bruder, erstatte mir Bericht über den Verbleib meines Liebsten, meines Ranma“, bedrängte ihn Kodachi und er wich panisch zurück. Für heute hatte er seinen Soll an Gewalt und Prügel erfüllt, herzlichen Dank auch. „Sofern mir bekannt: Im Jenseits“, repondierte er und machte sich daran das Bücherregal aufzurichten. Sasuke würde unter den hölzernen Monstrositäten zusammenbrechen. Das wäre zwar ein amüsanter Anblick, aber die Regale waren teuer. „Sodann werde ich ihm folg - “, die junge Dame stockte und musterte ihn entgeistert. „Mögest du letztgenanntes wiederholen?“ „Sicher, werte Schwester. Augenblicklich dürfte dein Zukünftiger sich zu seinesgleichen gesellt haben. Es heißt, in der Hölle sei noch Platz.“ Kodachi ging nicht auf den Spott ihres Bruders ein. Stattdessen stampfte sie aufgebracht davon und zischte Flüche. Wahrscheinlich war er besser damit beraten, in nächster Zeit einen großen Bogen ums Abendessen zu machen. Der Schwertfuchtler seufzte gepresst und inspizierte den Bücherteppich zu seinen Füßen. Befremdlicherweise befand sich unterhalb der Bücher tatsächlich ein Teppich – und auf diesem waren wiederum Bücher abgedruckt. Da rede mal einer von Ironie. Seine Vorfahren mussten in der Tat eigenartig gewesen sein. Doch selbst falls dem so war, daran konnte er wohl nichts ändern. An seinem ganz persönlichen Problem namens Saotome jedoch ließ sich das eine oder andere bewerkstelligen. Dieser Kerl war sein ganz persönlicher Fluch – und ließ keine Gelegenheit dazu aus, Kuno diesen Umstand einzubläuen. Immer und immer wieder aufs Neue. Deprimiert schweifte Tatewakis Blick. Wenn er jetzt nur noch wüsste, ob er S wie Saotome zu K wie Katastrophe oder P wie Problem stellen sollte… Ryoga fühlte sich gar nicht gut. Als er die Augen aufschlug, verstärkte sich dieses Gefühl sozusagen schlagartig und entlockte ihm ein trocknes Würgen. Betäubt rollte er sich auf den Rücken und verfluchte das helle Licht, das ihm durch die Augenlider piekste. „Mir ist so - “ „ - schlecht“, ergänzte eine zweite Person neben ihm. Gequält linste Hibiki nach rechts und fand dort einen schwarzen Zopf, samt Besitzer vor. Dem Anschein nach war Ranma die kleine Achterbahnfahrt ebensowenig bekommen – insofern seine bleiche Gesichtsfarbe ein verlässlicher Indikator war. Mühsam rappelte sich der Stirnbandträger auf und schielte durch die befremdliche Umgebung. Einerseits war diese nämlich strahlendweiß und andererseits völlig leer, ausgenommen eines kleines Tisches, an dem eine gebeugte Gestalt kauerte. In Ermangelung weiterer Optionen packte er Ranma beim Zopf – worauf dieser mit einem schwachen Wimmern reagierte – und schliff seinen Kameraden zu Gestalt und Tisch. Wie sich bald zeigte, türmten zwei massive Ordnerstapel links und rechts neben einem alten Kerl mit polierter Glatze. Außerdem verwies eine Plakette an der Stirnseite darauf, dass es sich hierbei um [Die Verwaltung] handelte. Ziemliche Personaleinsparung. „Entschuldigung, wissen Sie wo wir - “, setzte Ryoga an, besann sich dann aber eines Besseren. Er wollte nicht dümmer rüberkommen, als es sein musste. Das tat er sonst schon zur Genüge. „Sagen Sie, sind wir im Jenseits?“ Der Mann am anderen Ende des Tisches spähte unüberascht auf und schob seine Brille über den Nasenrücken; welcher nebenbei bemerkt gewaltig war. Überhaupt war Ryoga nie zuvor jemand unter die Nase gekommen, der einen so gewaltigen Zinken vorzuweisen hatte. Das musste der Mount Everest aller Riechkolben sein! „Wonach sieht’s denn aus Jungchen?“, spöttelte der Kerl und lehnte sich im Stuhl zurück. Über den Rand der Brille funkelte er Hibiki an. Nervös zog Ryoga seinen alten Kindheitsfeind neben sich auf Augenhöhe und ließ diesen am Zopf wie eine spastische Marionette baumeln. „Urgh!“ „Dein Freund sieht nicht gut aus - “ „Der sah schon schlimmer aus“, beruhigte der Stirnbandträger. „Nun denn, wenn du meinst. Sterben kann er ja nicht mehr“, lachte der Mann und scheiterte daran seine Mundwinkel hochzuziehen. Diese blieben wie festgetackert. Er war offensichtlich schon jahrelang Bürokrat. „Eigentlich – sind wir gar nicht tot. Wir wollen da eher einen rückgängig machen. Ich meine – einen Tod“, stammelte Ryoga und stimmte etwas unsicher ins Lachen der Langnase ein. Prompt verstummte dessen Gelächter. „Wie meinen?“ „Wir sind durch ein Portal gekommen und wollen meine – ich meine eine Freundin wiederbeleben. Er hier - ist eine Dämonin und ich eine Göttin und – Ranma jetzt sag’ du auch mal was!“ „Urgh!“ „Na toll“, beschwerte sich Hibiki und rüttelte am Zopf. Der Anhang wackelte wie ein Baum, an dem sich ein Elefant reibt, also augenscheinlich enthusiastisch, aber keineswegs freiwillig. „Du siehst nicht aus wie eine Göttin, dass weißt du schon?“ Ryoga seufzte und sondierte den Raum, respektive die endlose Weite, die nur dann ein Raum gewesen wäre, wenn sie auch Wände hätte – die so vom Bauherrn wahrscheinlich nicht vorgesehen waren. „Wasser?“, meinte er resignierend. Unterm Tisch zauberte der glatzköpfige Greis ein Glas hervor und das leise Schwappen verriet, das ebenjenes gefüllt war. Heldenhaft nahm es Hibiki entgegen und atmete tief ein und aus. Er sammelte sich, hob das kühle Nass an – und kippte es über Ranma. Die Verwandlung trat sofort ein und nach einem Spektakel wie Lagerfeuer und Terpentin, giftete eine feurige Dämonin ihren Begleiter an. Ihre Wortwahl komplettierte ihr temperamentvolles Aussehen. „Leute, ich will im Jenseits ja nicht über Zeit jammern, ihr seid aber trotzdem arg spät“, bemerkte eine unbekannte Frauenstimme und die beiden Jugendlichen nahmen die Hände von der Gurgel des jeweils anderen – zugegebenermaßen mit Widerwillen. Der Bürokrat atmete nur erleichtert aus. „Urd! Kennst du die beiden?“, herrschte der Alte daraufhin und seine Nase bebte vor Zorn. Der Rest des Körpers folgte zwar deren Beispiel, doch bei weitem nicht so eklatant. Die Größe macht’s eben doch. „Vom Hörensagen“, gab die mysteriöse Frau zur Antwort. „Der da oben hat sie mir zugeteilt und du weißt ja, er kennt kein Ach, muss das sein? Ich würde eigentlich lieber Fernsehgucken“, plauderte die exotische Schönheit und warf silbrig schillerndes Haar über die Schulter. Eine schon fast bronzefarbene Haut und ein wohlproportionierter Körper rundeten einen Anblick ab, der für außerordentlich viele männliche Schmerzensschreie gesorgt hätte. Man bedenke allein die Zahl von Männern, die rein zufällig auf einer Leiter stehen, Auto fahren, Nägel in die Wand schlagen oder als Zahnarzt tätig sind – bei letzterem wären es allerdings nicht seine Schreie. „Lasst euch mal von Enma nicht die Laune verderben. Ihr habt eine Menge vor euch“, informierte die Göttin und stemmte die Fäuste in die Hüften. „So könnt ihr allerdings nicht gehen.“ „Wieso? Wir sehen doch…“, Ryogas Ausführung kam zum Stillstand, ehe sie quietschend fortzog, „Zumindest ich sehe doch normal aus.“ Das „Hey!“ von Ranma überging der Stirnbandträger geflissentlich und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust. Es ging einfach nichts über einen kleinen, verbalen Seitenhieb, um die eigene Stimmung zu erhellen. „Ganz im Gegenteil meine kleine Göttin, gerade deine Anwesenheit wird für Probleme sorgen.“ „Probleme?“, hakte Hibiki nach und stemmte sich gegen die Wand aus Spitzfindigkeiten. Seit seiner Gottwerdung gingen im derartige Kommentare nämlich gehörig gegen den Strich. Obwohl es immer noch besser war, als die Hälfte der Zeit als mobiler Schinken zu verbringen. „Ihr werdet ’ne ganze Etage tiefer müssen, um eure Freundin aus diesem Schlamassel rauszuholen. Stellt euch das mal nicht zu einfach vor. Apropos, das müsste dir unangenehme Fragen und uns besagte Probleme ersparen.“ In einem – zumindest den jungen Männern – unangenehmen Schauspiel förderte die Frau aus den dunklen Winkeln ihres Ausschnitts ein schwarzes Tuch hervor. Scheinbar endlos zog es sich in die Länge bis es letztendlich als Stoffballen in Ryogas Händen landete. „W-Was ist das?“ „Gehörte ’nem Shinigami. Die Kapuze versteckt deine göttliche Ausstrahlung. Du musst die Robe allerdings ständig tragen, kapiert?“, konstatierte die Schönheit und stierte den Orientierungslosen an. Dieser stierte ehrfürchtig zurück. „Du hast einen Totengott besiegt? Einen echten?“ Anders als bei Ranma, hatte Ryoga zu seiner Beförderung einen saftigen Wissensschub dazubekommen, weswegen ihm drei Dinge glasklar waren. 1. Es gibt keine alternative Uniform. Und nein, es gibt auch keine Ausnahmen. 2. Der Job ist unbezahlt. Sorry, Kumpel. 3. Begegnest du einem Shinigami, lauf’! Im Falle, er verfolgt dich – lauf’ schneller! „Na ja, weißte, die spielen einfach ein schreckliches Poker. Lassen das ganze Blatt offen, setzten alles und grinsen ständig.“ „Wart’ mal, besteh’n die nich’ nur aus Knochen?“, warf Ranma vorsichtig ein und erntete einen beleidigten Blick von Urd. „Du hast es erfasst! Aber macht es das besser? Neee. Die lieben Herren sind zwar total durchschaubar, aber die Miene bleibt stoisch.“ Indes die Norne der Vergangenheit über Falschspiel, Falschgeld und falsche Zähne monologisierte, tauschten sich Ranma und Ryoga stumm aus. Das einstimmige Ergebnis ihrer wortlosen Unterredung war ernüchternd. Die Alte war total verrückt. Enma versuchte die fortlaufende Unterhaltung auszublocken – ein vergebliches Unterfangen. Dabei hatte er gar nicht genügend Zeit, um sie überhaupt vergeuden zu können! Sein Job erforderte Gewissenhaftigkeit und Beständigkeit, der Strom an Seelen riss schließlich nie ab. Jeder wollte mal. „Habt ihr’s dann bald?“, rügte er schlussendlich die Norne der Vergangenheit, die soeben in phantasievollen Handbewegungen demonstrierte, was genau sie gerne mit dem einen oder anderen Shinigami anstellen würde. Allein der Anblick gestaltete sich bereis als schmerzhaft. „Schon klar“, winkte Urd ab und trat vom Tisch zurück, die ehemals Sterblichen hintendran. Derweil durchfurchte der Sekretär des Jenseits das Büro des Jenseits, um das Pult des Jenseits – er unterbrach seinen Gedankengang und filterte. Im Grunde brauchte er doch nur einen blöden Knopf zu drücken! Frustriert stieß er die Aktenstapel beiseite, wobei diese bedrohlich schwankten, betätigte beherzt den Knopf und mit einem BLING durchschlug ein obsidianfarbener Aufzug den Boden. Wie ein sehr hässlicher Ölfleck auf einem sehr weißen Hemd, stand die Kabine im Raum und zog alle Blicke auf sich. Die Reisenden bedachten den Aufzug mit einer Herzlichkeit, die man für plattgefahrene Katzen reserviert. Als die Schiebetüren auch noch auseinanderwichen und dabei schallend lachten, traten die Jugendlichen einen betonten Schritt zurück. Möglicherweise war das auch dem ausgefallenen Design zuzuschreiben. „Nach dir Ryoga.“ Panisch glotzte der Angesprochene zu seiner teuflischen Begleiterin. „Kommt nicht in die Tüte! Wo zur Hölle soll das Ding überhaupt hingehen?“ „Die Antwort geht auf dein Konto, kleine Göttin“, witzelte die Norne und grinste voll unheiliger Freude. „Hölle? Was soll’n wir inner Hölle?“, beschwerte sich Ranma und hob trotzig die Nase. „Damit ihr eure Freundin vollständig wiederherstellen könnt, müsst ihr drei Prüfungen bestehen. Und das tut ihr in der Hölle. Ergo, müsst ihr dort hin. Soweit klar?“ „Bin ja nich’ blö – urgh!“, gekonnt stieß Hibiki seine Gefährtin auf die Seite. „Wird das denn funktionieren?“ „Klar, mein Wort drauf.“ Nunmehr voller Enthusiasmus stürzte Ryoga ins Innere der Kabine, die mehr als nur eine latente Hommage an H.R.Giger darstellte. Es war auf jeden Fall unbestreitbar, dass der Architekt ein ungesundes Interesse an Röhren und Gebilden besaß, die man so in keiner Kanalisation und auf dem Rest der Welt wohl ebenfalls nicht vorfinden würde. „Isses überhaupt sicher?“, forschte die Dämonin und erhaschte Urd dabei wie sie den Ausschnitt lüpfte. Das beanspruchte den interessanten Effekt, Ranma von so unwichtigen Dingen wie ihrem Lebenserhaltungstrieb abzulenken. Kulant stieß die Göttin den Rotschopf in die Kabine und winkte nochmals zum Abschied. „Nicht vergessen, die Robe“, rief sie noch zischen Tür und Angel, beziehungsweise zwischen den Schiebetüren hindurch. Leise kichernd schlossen sich diese, ehe sie mit einem ohrenbetäubenden Knall zusammenschlugen. Der Knall besaß anscheinend ganz besondere Ambitionen, denn er fegte tongewaltig über die weiße Ebene und schleuderte der Ältesten der Götterschwestern das Haar über die Schultern. Hinter ihr stürzten die Ordnerstapel in sich zusammen. „Du Enma?“ „Hä, was?“ „Enma?“ „Hast du was gesagt?“ „Hörst du mich überhaupt?“ „Du hast doch was - “ „Was hast du - ?“ Inzwischen rumpelte der Aufzug in die Tiefe. Atmosphärisch erklang das Schnappen von Dingen, die sich nicht nur entfernt wie Tragekabel anhörten. Nicht ängstlich, nur sehr, sehr verunsichert lauschte Ranma dem Treiben über ihnen. Trunken von Heldenmut bekam Ryoga nichts davon mit. Saotome rezitierte indes eine Lektion ihres Vaters. Dinge waren solange Dinge wie man nicht wusste, was sie waren. Unwissenheit mochte zwar nicht vor Strafe schützen, aber verdammt, sie ließ dich bedeutend ruhiger schlafen. So blieben Dinge einfach nur Dinge und wurden nicht etwa Stahlkabel von wenigen Zentimetern Dicke, die eine Kabine über einem gähnenden Abgrund in der Luft halten. Diese Lektion ist ganz besonders dann wichtig, wenn man sich selbst im Inneren besagter Kabine aufhält. Ein Rucken ging durch den Aufzug und Ranma kreischte nicht ganz so männlich wie sie es sich gewünscht hätte, Hibiki würgte nur vielversprechend. Sie haben das Untergeschoss erreicht. Bitte steigen Sie jetzt aus. Die Dämonin schielte seitwärts zu ihrem Freund und Feind. Es heißt, man soll seine Freunde nahe halten, seine Feinde aber noch näher. Wie genau sollte sie dann mit Ryoga verfahren? Ihn sich auf den Rücken schnallen? Ihr Kamerad hatte bereits Umhang und Kapuze übergeworfen und damit sein etwas grünliches Gesicht verborgen. Ein ungemütliches Schlottern ging durch Ranmas Körper, als sie ihn anlinste und eisige Kältewellen von ihm wegrollten. Gehört wohl zum Aufzug dazu, resümierte Saotome, als sie in ihre hohlen Hände hauchte. Unter einem gequälten Ächzen öffneten sich die Schiebetüren vor ihnen und entließen sie in eine Höhle aus grauschwarzem Granit. Imposante Reliefen schmückten die Wände und zeigten auf den ersten Blick kunstvolle Darstellungen sportlicher Aktivitäten. Auf den zweiten Blick drängte sich dem Betrachter allerdings die Frage auf, ob zum Speerwerfen ein Körper am spitzten Ende des Speers gehört. Auch der Rest der Dekoration wusste zu überzeugen, da sogar die Topfpflanzen mehr Zähne als ein Hai aufwiesen – selbst dann noch, wenn man die ausgefallenen mitzählte. Die einzige Ähnlichkeit zwischen dem ersten Raum und diesem hier, war ein Bürotisch. An ebenjenem saß ebenfalls eine Gestalt, war allerdings weiblich und dachte scheinbar gar nicht daran, diesen Umstand zu verstecken. Zugegeben, die Erfolgschancen dafür hätten sowieso nicht gut ausgesehen. Bei der Pförtnerin handelte es sich also nicht etwa um einen Hund namens Zerberus mit Identitätskrise – bei drei Köpfen kommt das häufiger vor, als man glauben mag -, sondern um ein athletisches Mädchen, das den Bikini zwar nicht erfunden hatte, aber eine sehr eigene Version davon besaß. Nebenbei erwähnt trug sie die Bademode nicht im herkömmlichen Sinn. Um das Verb tragen korrekt verwenden zu können, fehlte es einfach am nötigen Stoff. Rasch setzten Ranma und Ryoga ihre Musterung fort und blieben an ihrem Haar hängen. Besagtes Haar glühte nämlich wie Magma. Tatsächlich simulierten einige schwarze Flecken sogar verkohltes Gestein – obwohl simulieren vielleicht nicht ganz das richtige Wort dafür war. Freudig sah die Pförtnerin auf und Ranma erstarrte zur Salzsäule. „Hallo ihr beiden, kann ich euch helfen ~ nya?“, grüßte sie unerwartet fröhlich. „Kann ich euch was anbieten? Tee, Kaffee, Feuerzangenbowle?“ „Eh, nichts. Nein – danke?“, erwiderte Ryoga übertölpelt und das Mädchen zog eine Schnute. „Na ja, was soll’s ~ nya. Wie kann ich euch denn sonst zu Diensten sein ~ nya?“ „I-I-Ich u-u-und m-mein, i-i-ch m-mein’ m-meine S-S-Salami - “, stotterte Ranma und erntete einen schiefen Blick des falschen Sensenmanns. „Wir sind hier, um jemanden – zurückzuholen. Jemand eh, verblichenen“, hakte Ryoga ein und rammte der bibbernden Ranma die Rückhand ins Gesicht. Die Rezeptionistin der Hölle blinzelte, behielt aber sonst die Fassung. „J-ja, ja! Hier haben wir’s ~ nya. Eine Genehmigung für die drei Prüfungen. Ausgestellt auf Ranma Saotome, Dämonin zweiter Kategorie, zweiter Klasse mit unlimitiertem Zugriff. Spezialität: Missmut. Und – Ryu Chibi, Shinigami ~ nya.“ Bei der Verunstaltung seines Namens – er war weder Drache, noch war er klein - knirschte Ryoga mit den Zähnen, unterließ allerdings jeden Protest. Währenddessen murmelte Ranma etwas von Katzen und zuckte im unfreiwilligen Halbschlaf. „Das sind wir“, bestätigte Hibiki widerwillig und erntete ein erfreutes Nicken der Dämonin. Ihre geschlitzten Pupillen funkelten ihn schelmisch an und ihre Eckzähnchen strahlten Gefahr aus – will heißen für seine pubertäre Hormonlage. In Saotomes Fall sah die Sache da etwas anders aus. „Einfach geradeaus hinter. Könnt ihr gar nicht verfehlen. Viel Spaß ~ nya!“, flötete das höllische Empfangskomitee und Ryoga zog schleunigst fort und Ranma am Zopf hinterher. Mehrere Minuten des Herumirrens, einige Pflanzen mit Warnplaketten [Denken Sie daran, eventuell könnten Sie das Futter sein!] und intensiver Geräuschbeschallung später, – der ganze Mix, bestehend aus dem Kreischen von Fledermäusen, dem Rasseln von Ketten und einigen DJs, die ihr Handwerk einfach nicht verstanden – verharrte das ungleiche Paar vor einem gigantischen Torbogen. Um dessen Größe annähernd zu beschreiben, könnte man selbstverständlich farbenfrohe Metaphern oder unverständliche Höhenangaben benutzen. Im Grunde aber reicht die Feststellung aus, dass weder Ranma noch Ryoga demjenigen begegnen wollten, der sich hier den Kopf stößt. Wahrscheinlich entsprang der Bogen sowieso nur dem teuflischen Bedürfnis nach Protzerei – hey, man konnte schließlich noch hoffen. „Ukyo, gedulde dich, ich komme“, tönte Hibiki entschlossen und deutete in die Dunkelheit des Korridors vor ihm. Er würde dem Bösen selbst entgegentreten, hunderte Feinde bezwingen – notfalls sogar Akanes Essen verzehren, wenn er seiner Chefin dadurch neues Leben würde einhauchen können. „Ä-he-m“, räusperte sich seine feurige Gefährtin vorwurfsvoll und rieb ihre gerötete Nase. Die männliche Göttin seufzte und ergänzte leidenschaftslos. „Und Ranma hilft auch.“ Mutig betraten die Wanderer zwischen den Welten den düsteren Korridor. Vor ihren Augen zog sich der Gang in eine unabsehbare Tiefe und das Ende war selbst mit viel Phantasie nicht zu erahnen. Unnatürlich schnell verschwanden sie im Dunkel, bis bald nur noch ein glühender Schopf roten Haars durch die Schwärze tanzte. Kasumi legte den Kopf schief – und die Welt schnappte nach Luft. Als sich ihr Gesicht aufhellte, spülte der angehaltene Atem als Brise durch die Nische. Die Welt war spürbar erleichtert. „Sicherlich, Großmütterchen Cologne. Ich werde es ihnen ausrichten.“ Es klickte, als die Älteste der Tendo-Schwestern den Hörer auflegte und gedankenversunken in die Wohnstube zurückkehrte. Ihr Zeigefinger ruhte auf der Unterlippe. „Was ist denn Schwesterchen?“, fragte Nabiki von ihrer Position auf der Couch aus. Momentan blätterte sie lustlos in einer Zeitschrift, in der die Anwesenheit des Yen-Zeichens nicht auf die erste Seite beschränkt blieb. Zwischen ihren Lippen wippte ein Kartoffelchip. „Ranma und Ryoga sind im Jenseits.“ Der Kartoffelchip fiel unrühmlich aufs Heft. Kuhäugig schielte die mittlere Tendo zu ihrer ältesten Schwester. Ihr Appetit hatte sich von einer Sekunde zur nächsten verflüchtigt. „Sie sind tot?“, umschrieb sie fassungslos und zerknautschte die Zeitschrift in der Hand. „Du meine Güte, nein. Sie sind nur zu Besuch.“ Für einen langen Augenblick musterte Nabiki ihre Schwester. Okay, schön die Ruhe behalten und dass übliche Sicherheitsprotokoll durchlaufen lassen. Oberste Priorität: Wahrung der geistigen Gesundheit. 1. Gedankenapparat deaktivieren. 2. Tief inhalieren. 3. Zeitschrift senken. 4. Informationsverwertungssystem – in Fachkreisen auch Gehirn genannt – wiederhochfahren. „Schwesterchen, du weißt schon, dass man nicht eben so ins Jenseits reinschneit und dann wieder abhaut.“ „Ach Nabiki, du kennst die beiden doch. Ranma und Ryoga sind so lebhaft, die beiden hält es sowieso nirgends“, meinte Kasumi und lächelte nachsichtig. Hieraufhin entließ die fiskusorientierte Tendo ein geplagtes Seufzen und rieb sich die Schläfe. Lebhaft – das war dann wohl das Stichwort. Wahrscheinlich wäre es klüger, wenn sie die Erklärung übernahm. Wollte sie die Hütte nicht mit einer Massenpanik in Schwung bringen, so sollte sie die Lage besser schnell entschärfen und in eine harmlose Verpackung stecken. „R-Ranma? J-Jenseits?“, stammelte eine weinerliche Stimme. Verflixt. Schon zu spät! „Wahahahaha – mein Schwiegersohn ist tot, sein bester Freund ist tot, seine Kindheitsfreundin ist tot, die Kois sind tot - “ [Die Kois leben noch], konterte Genma. Kurz hielt Soun inne, bevor seine Augen erneut vor Tränen überströmten. „ – und mein Garten, der Teich ebenso, das Gô-Brett - “ „Daddy! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die letzten drei Dinge nicht mal sterben können.“ „Wahahahahaha!“, klagte Soun. „Nabiki, jetzt sieh nur. Du hast Vater zum Weinen gebracht“, mahnte Kasumi. „Ich? Der hört doch gar nicht mehr auf!“, beschwerte sich Nabiki empört. „Grmpf“, kommentiere Genma und biss in den Bambus. Akane jedoch brillierte durch Abwesenheit. Dass heißt nicht, dass sie uninteressiert am Schicksal ihres Verlobten und dessen Freundes wäre. Es war vielmehr so, dass sie im Augenblick drängendere Probleme hatte. Das Größte davon war erstaunlich klein, nicht mal einen Unterarm lang. Zudem trug dieses Problem eine Okonomiyaki-Uniform, sah einer gewissen Köchin recht ähnlich, war angeblich leblos – und nebenbei erwähnt, war es fort. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Ein kleiner Glossar zum besseren Verständnis: H.R.Giger = Bevor ihr jetzt zu googlen beginnt, bei ihm handelt es sich um einen österreichischen Künstler. Er zeichnet und modelliert und ist insbesondere für seinen Beitrag zum Film Alien bekannt. Seine Kunstwerke sind – etwas eigen, aber recht interessant. Schöne Grüße, euer Deepdream Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)