Ein neues Leben?! von little-basta ================================================================================ Kapitel 2: Was ist nur los mit ihm? ----------------------------------- An meinem ersten Unterrichtstag war ich positiv überrascht. Der Unterricht und die Fächer waren etwas anders strukturiert, als ich es gewohnt war. Deutsch nannte man hier Literatur und wurde auch etwas anders aufgezogen. In meiner alten Schule bekamen wir Texte oder Bücher vorgelegt, die wir erst lesen und dann auf einen bestimmten Kontext hin analysieren mussten. Hier dagegen wurden die Werke nicht einfach nur gelesen, sie wurden mit Herz vorgetragen und danach auf die eigene Interpretation hin diskutiert. Shakespeares Romeo und Julia zum Beispiel wurde mit Leidenschaft von verteilten Rollen vorgetragen und danach diskutierten wir über unseren Bezug zum Stück. Ich weiß nicht wie, aber am Ende kamen wir fast immer auf den Hintergrund, nach dem man es geschrieben hat und nach dem wir es analysieren mussten. Denn auch hier gehörte dieses zu unseren Aufgaben, wenn auch mit einer anderen Herangehensweise. In der Mittagspause traf ich Kelly in der Mensa wieder. Sie war belustigt über meine Faszination der Fächer. Für sie war das alles immerhin normal, aber für mich war alles noch so neu. Als wir unser Essen hatten, setzten wir uns zum Rest der Truppe an den Tisch. Wir unterhielten uns die ganze Zeit über meine neu gewonnenen Eindrücke. Nur einer schwieg während der ganzen Pause und stocherte still in seinem Essen rum: Strify. Auch Kiro war dieses nicht entgangen. Ich sah, wie er ihn ganz leise ansprach und Strify kopfschüttelnd kurz antwortete. „Gleich haben wir Kunst. Für was hast du dich eigentlich eingetragen Alex?“ Cats Worte rissen mich aus meinen Gedanken. „Vocal.“, antwortete ich kurz und sah im Augenwinkel, wie Strify ruckartig seinen Kopf hob. „Ah, Strify bekommt endlich Gesellschaft.“, sagte Yu lachend. Im selben Moment senkte Strify seinen Kopf, nahm sein Tablett und stand auf. „Ich habe etwas vergessen.“, murmelte er und ging weg. Alle sahen wir ihm verwirrt nach, doch bis auf Kiro wusste niemand, wie er reagieren sollte. Er ging ihm nach und kehrte erst nach einer Weile zu uns zurück. Kelly fragte ihn was los sei, doch er wehrte die Frage mit einem einzigen Kopfschütteln ab. Ich bemerkte, wie er mich kurz ansah und dieses keiner seiner üblichen Blicke war. Ist Strify wegen mir so komisch? Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir. Aber was habe ich ihm getan? „Alex? Wir müssen los zum Unterricht.“ Ich lächelte Kelly zu, nahm mein Tablett und machte mich auf den Weg zur Aula. Strify wartete bereits mit einigen anderen vor dem Raum. Eines der Mädels sah mich schief an, als wollte sie mir sagen, dass ich nicht in ihre Runde passe und verschwinden sollte. Ich blieb etwas abseits stehen und unterhielt mich mit einigen anderen Schülern. Strify bemerkte nicht einmal das ich da war und um ehrlich zu sein wollte ich ihn auch nicht noch weiter nerven, stören oder was auch immer ich ihm getan habe. Als unser Lehrer kam und uns hinein ließ, setzte ich mich zu einem der anderen Schüler, den ich eben kennen gelernt hatte. Mr. Backson begrüßte mich freundlich und bat mich, sofern möglich, eines ihrer zu letzt einstudierten Lieder zu singen, damit er sich eine Meinung über meine Stimme bilden konnte. Er gab mir einen der Texte, setzte sich ans Klavier, mit dem er mich begleiten wollte, und stellte mir ein paar Schüler zur Begleitung zur Verfügung. Ich hasste es so im Mittelpunkt zu stehen, doch ich hatte mir den Kurs ausgesucht und musste da nun durch. Als ich auf den Text schaute, war ich sehr überrascht. Ich kannte dieses Lied sehr gut. Es war eines meiner Lieblingslieder. Mr. Backson begann zu spielen und ich senkte den Kopf. Erst als der Text einsetzte hob ich meinen Blick und ließ meine Gefühle in Form der Worte und des Gesangs hinaus. „Listen to your heart“ von Cascada war eines der Lieder, die ich hörte, als ich vor einer wichtigen Entscheidung stand. Ich versetzte mich in meine damalige Situation und gab meiner Stimme alle Kraft und Ausdruck, die ich aufbringen konnte. Erst als das Lied beendet war, bemerkte ich die Blicke der Schüler um mich herum. Mr. Backson erhob sich mit einem strahlenden Gesichtsausdruck und fragte zuerst den Kurs nach seiner Meinung. Das Mädel, welches zuvor bei Strify stand und mich so abwertend ansah, meldete sich als erste. Ihrer Meinung nach war meine Stimme viel zu übertrieben und gekünstelt, sodass man meine angeblichen Gefühle nicht abkaufen könne. Ich hatte Kritik immer ernst genommen, so also auch diese. Jason, der Schüler mit dem ich mich unterhalten hatte, legte jedoch Widerspruch ein. Er meinte meine Stimme sei wunderschön. Klar, kräftig und sehr gefühlsvoll. „Tja, so reden doch alle Triebgesteuerten.“, entgegnete sie ihrem Widerspruch. „Aber meinst du ernsthaft so lässt sie dich schneller ran?“ Ich sah sie etwas zickig an, doch ehe ich etwas sagen konnte, mischte sich Mr. Backson bereits ein. „Jaqui es reicht.“, sagte er. „Wir wollen doch sachlich bleiben und ich stimme Jason vollkommen zu.“ Mit diesen Worten drehte er sich zu mir und lächelte. „Deine Stimme ist wunderschön und genau richtig für unser Finale.“ Mr. Backson schaute Strify an und lächelte. „Strify, kommst du bitte mal rauf? Ich möchte das mal ausprobieren.“, sagte er, während er ihn auf die Bühne winkte. Erst jetzt sah ich, wie er mich ansah. Ich verstand nicht, was in seinem Blick steckte. Doch was ich wusste, das es weder Hass noch Zuneigung war. Er wirkte irgendwie unsicher und ängstlich, zugleich aber auch gleichgültig. Murrend kam er auf die Bühne und stellte sich etwas von mir distanziert hin. Mr. Backson gab mir den Txt und begann erneut auf dem Klavier zu spielen. „Total eclipse of the heart“, ich mochte dieses Lied, es steckte so unwahrscheinlich viel Leidenschaft darin. Strify setzte als erster mit dem Gesang ein, kam jedoch nicht sehr weit, da Mr. Backson sein Spiel unterbrach. Er stand auf und nahm Strify mit in den hinteren Bereich der Bühne. Alle sahen sich gegenseitig an und fingen an zu tuscheln. Als sie zurückkamen, hörte ich nur noch die letzten Worte Backsons. „Also reiß dich zusammen und zeig was du kannst.“ Kopfschüttelnd ging er an mir vorbei, setzte sich ans Klavier und begann erneut zu spielen. Als Strify mit seinem Gesang einsetzte, war ich über diesen Kontrast sehr erstaunt. Er sang plötzlich mit soviel Gefühl und Leidenschaft, es war einfach faszinierend. Auch ich setzte nun ein und begleitete seinen Gesang. Ich war bemüht, mit genau so viel Ausdruck zu singen wie es, was mir anscheinend auch gelang, denn nach dem Ende des Liedes schaute uns Mr. Backson freudig an und nickt. „Ja, so hab ich mir das vorgestellt.“ Im weiteren Verlauf wurden noch ein paar Gruppenstücke geprobt. Meine anfängliche Scheu war wie weggeblasen und ich genoss den Unterricht in vollen Zügen. Als dieser beendet war und ich die Aula verließ, kam Jason auf mich zu und offenbarte mir seine Begeisterung gegenüber meiner Stimme. Während wir uns unterhielten, blieben wir am Rande des Flures stehen und ließen uns vom vorbeigehen der anderen Schüler nicht stören. Plötzlich wurde Jason jedoch ziemlich unsanft angerempelt, sodass er sein Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Ich war so erschrocken und reagierte erst gar nicht. Ich sah dem Rempler, Strify, steif hinterher. Er drehte sich um, doch anstatt Jason, den er angerempelt hatte, schaute er mich an. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und wandte den Blick sofort auf Jason. Ich reichte ihm meine Hand und half ihm dann auf. Er lächelte mich an, bedankte sich und verabschiedete sich dann von mir, weil die nächste Unterrichtsstunde wartete. Später auf dem Zimmer erzählte ich Kelly von allem. Kiro war auch dabei gewesen und weckte in mir die Hoffnung endlich zu erfahren, was mit Strify los war. Doch Kiro schwieg und Kelly wusste nicht mehr als ich. Da ich also auch hier keine Antworten bekam, entschloss ich mich Kelly und Kiro alleine zu lassen und in den Park zu gehen, um etwas nachzudenken. Ich erinnerte mich während des Spazierganges an meinen ersten Abend hier auf dem Internat und wie lieb Strify zu mir war. Ich hatte ihm so viel erzählt und ihm blind vertraut, und plötzlich behandelte er mich wie Luft? Meine Füße trugen mich unbewusst durch den Park. Erst eine ganze Weile später war ich mir bewusst wo ich war. Der See lag wieder klar und durch den Mond hell erleuchtet vor mir. Ich wollte umkehren, meinen Weg fortsetzen. Doch als ich Strify sah hielt ich inne. Ich holte tief Luft und ging zu ihm rüber. Jetzt oder nie. Er erschrak, als ich ihn ansprach und sah ziemlich verwirrt aus. Sein Gesicht schimmerte im Mondlicht. Ich senkte den Kopf, schloss meine Augen, nahm all meinen Mut zusammen und sah ihn wieder an. „Sag mal, was ist los mit dir? Hab ich dir irgendetwas getan?“, fragte ich ihn strikt hinaus. Er senkte den Kopf und schüttelte ihn. „Nein. Nein du hast gar nichts getan.“, flüsterte er. Ich war verwirrt. „Aber was ist es dann?“ Er sah mich eine Weile schweigend an und seufzte einmal schwer. „Also gut, es ist so: Ich hatte eine Freundin. Sie hat sich vor zwei Tagen von mir getrennt. Es war schwer für mich, weil da ziemlich fiese Dinge vorgefallen sind. Kiro war der einzige mit dem ich bisher darüber gesprochen habe, was sich für mich als sehr enttäuschend herausstellte.“ Er schaute auf den See und hielt kurz inne. Währenddessen setzte ich mich zu ihm und schwieg. „Ich habe wirklich nichts gegen dich.“, fuhr er fort. „Es ist nur so, dass du zurzeit das einzige Gesprächsthema von allen bist. Ich hab damit an sich kein Problem, aber keiner hat mitbekommen wie es mir geht und was passiert ist.“ Erneut hielt er kurz inne und wischte sich eine Träne weg. „Und dann gab es heute einen Vorfall, der mich zutiefst verletzt hat. Als ich heute Mittag so plötzlich gegangen bin ist Kiro mir gefolgt. Zuerst ließ er mir gar keine Chance mein Verhalten zu erklären. Er warf mir gleich so einiges an den Kopf, was mich ziemlich erschüttert hat. Er meinte er würde es ja verstehen, dass ich so angepisst sei, wenn ich wieder Ärger mit meiner Freundin hätte, aber er könne es nicht nachvollziehen, dass ich mich gleich so extrem verhielt. Ich war sauer und zwar richtig sauer auf ihn und bin geplatzt. Ich hab ihn angeschrieen von wegen was für ein toller Freund er doch sei, wenn er sogar schon vergisst das sich meine Freundin von mir getrennt hatte.“ Ich schluckte schwer. Ich wollte etwas Tröstendes sagen, aber was? Ich wusste doch nichts von dem, was alles gesagt wurde und wie sie sich getrennt hatten. „Es tut mir leid.“, sagte er zu mir. „Es war nicht fair dich dafür so zu behandeln. Ich war nur so wütend, dass er sich so viel über dich merken konnte und sich diese einzige „Kleinigkeit“ seines besten Freundes nicht merken konnte.“ Ich nickte ihm zu. „Ist schon okay, ich hätte sicher nicht anders reagiert.“ Er lächelte mich an. Es war das erste Lächeln seit dem Abend das ich in seinem Gesicht gesehen habe. Wir redeten noch eine Weile über diese Sache und Kiros Reaktion ehe wir zurückgingen. Als wir am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, kam Kiro direkt auf mich zu. „Ich weiß nicht wie du das gemacht hast, aber danke für deine Hilfe.“, sagte er und gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. Als er sich setzte sahen wir ihn alle irritiert an, bis Strify kam. Er setzte sich leicht lächelnd an den Tisch und erklärte allein sein gestriges Verhalten, erzählte von seiner Trennung und unserem gestrigen Gespräch. Es war schön ihn nicht mehr so unglücklich zu sehen und um ehrlich zu sein äußerst angenehm nicht mehr so komisch angeschaut zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)