Bitterer Triumph von abgemeldet (Der Sieg über Sich Selbst) ================================================================================ Kapitel 1: Bitterer Triumph --------------------------- „Du kannst meine Seele haben! Ohne dich will ich sie nicht - sie gehört dir schon jetzt!" Ich holte tief Luft und starrte eine Weile zu Boden. Was sie gesagt hatte, rührte mich zutiefst und brach mir buchstäblich das Herz, auch wenn ich dachte, das sei unmöglich. Für den Bruchteil einer Sekunde, dachte ich daran, mein Vorhaben in den Wind zu schlagen und sie einfach in die Arme zu schließen. Und nie wieder loszulassen. Doch dann appelierte der Wille meines Herzens, das durch ihr Erscheinen wie zum neuen Leben erweckt worden war, an meinen schäbigen Egoismus und ich wusste, dass ich keine andere Wahl mehr hatte. Wenn ich sie schützen und retten wollte, vor der ewigen Finsternis, die mit meinem Dasein einherging, dann sah ich keine andere Möglichkeit, als ihr die größte Lüge, die ich mir vorstellen konnte, als Wahrheit auszugeben. Ich schuf eine glatte Maske, um ihr keine Möglichkeit zu geben, an meinen falschen Worten zu zweifeln. „Bella, ich möchte dich nicht dabei haben.", sagte ich langsam, bedacht darauf, kein Anzeichen meiner Qualen bei dieser absurden Vorstellung durchsickern zu lassen. „Du... willst mich nicht... haben?", fragte sie leise. Ich konnte mich nur schwer davon abhalten, alles auffliegen zu lassen und ihr zu beteuern, dass das nur ein Hirnespinst war, eine schreckliche Wahnvorstellung. Aber ich musste stark sein, musste durchhalten. „Nein." Das Wort klang grässlich verzerrt in meinem Kopf nach, als ich ihr in die Augen sah. Die rehbraunen Augen, die immer wunderbar funkelten, wenn sie bezaubernd lächelte; die immer ein bisschen gefährlich aufblitzten, wenn sie herrlich wütend war. Doch jetzt spiegelten sie nur noch Verwirrtheit und Unglauben wider. Sie wirkte verletzt, auch wenn sie es verbarg, nicht sehend, dass ich mir nur nicht anmerken ließ, wie sehr es mir selbst weh tat, das alles zu sagen. Ihr Anblick schürte meinen Schmerz; sie so zu sehen und sie noch weiter verletzen zu müssen, entfachte ein loderndes Inferno in mir. Ich hasste mich dafür. Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach ihr, mehr als alles andere in der Welt. Und genau deshalb tat ich das überhaupt. Nur für sie. „Tja, das ändert die Lage.", sagte sie dann plötzlich. Ihr ruhiger Tonfall ließ mich innerlich aufzucken. Glaubte sie mir wirklich so schnell? Es ging einfacher, als ich dachte. Aber dafür war es für mich umso schmerzhafter. Doch ich musste es durchziehen, egal wie sehr ich selbst darunter litt. Es ging nicht anders. Wenn sie mir nur vorspielte, sie hätte sich damit abgefunden - oder auch nur akzeptiert,- um mich nicht zu kränken, würde es sie nur noch weiter tiefer in den Abgrund stürzen, als ich es ohnehin schon tat. Als sie blinzelte, schluckte ich. Sie sollte auf keinen Fall sehen, was es mich kostete, es ihr zu sagen. Also schaute ich in die Bäume. „Natürlich werde ich dich immer in gewisser Weise lieben" - mehr als alles andere in der Welt; als jeden Menschen vor dir oder nach dir -. „Doch was neulich passiert ist, hat mir gezeigt, dass ich etwas ändern muss" -, auch wenn es mich innerlich vor Schmerz zerfrisst - „Denn ich bin..." - sorglos mit deinem Leben umgegangen; mit deiner grenzenlosen Liebe - „ich bin es leid, immerzu etwas vorgeben zu müssen, das ich nicht bin." - Aber ich tat es mit Vergnügen, wenn du an meiner Seite warst. „Ich bin kein Mensch" - und darum bin ich in gewisser Weise froh, aber nur, weil ich die wunderbare Zeit mit dir gar nicht vergessen kann. Zu gerne wäre ich einer, denn dann müsste ich dir nicht die größte Lüge meines allzu langen Lebens auftischen. Brennend in mir drin, liegen die unausgesprochenen Worte, für die ich niemals eine Möglichkeit haben werde, sie zu sagen. Ich schaue sie wieder an, mein eigenes Gesicht weiterhin sorgsam frei von jeder Emotion haltend. Ihres hingegen, zeigte immer noch Verwirrtheit auf; Unglauben. Ihre weichen Lippen hatte sie leicht geöffnet, vermutlich merkte sie es nicht einmal selbst, und auf ihrer blass schimmernden Stirn zeichneten sich Sorgenfalten ab. „Ich habe das viel zu lange zugelassen, und das tut mir leid." Lüge!, schrie ich ihn Gedanken. Das war nichts als ein auswendig gelernter Satz, der so weit von der Wahrheit entfernt lag, wie die Erde von den nächsten zehtausend Sonnensystemen. Ich sah mit Bedauern, wie die Bedeutung meiner Worte langsam in ihr Bewusstsein drang und widerstand ungeahnt schwer der Versuchung, die aukommenden Tränen in ihren Augenwinkeln wegzuwischen und die Arme fest um ihren warmen Körper zu legen. „Nein", flüsterte sie. Es war wie ein Echo der Stimme meines Herzens. „Tu das nicht.", sagte sie weiter. Ich würde alles darum geben, ihre Bitte erfüllen zu können. Sie war mein persönliches Wunder, mein Engel, der alles mit seinem himmlischen Glanz erstrahlen ließ, wo einst kalte Dunkelheit, grausame Leere herrschte. „Du bist nicht gut für mich, Bella." In Gedanken wiederholte ich ihre eigenen Worte, als ich gesagt hatte, ich bin nicht gut für sie. ... Das Beste, was mir je passiert ist..., hatte sie gemeint. Das galt für mich; das war sie für mich, aber doch nicht umgekehrt! Sie wollte widersprechen. Doch dann schloss sie wieder den Mund, als wäre das, was ich gesagt hatte, tatsächlich wahr. „Wenn... wenn du es so willst.", sagte sie leise. Ich nickte. Und verriet damit mich selbst. Doch sie musste das glauben. Ich schaute in die wogenden Tiefen ihrer schokoladenbraunen Augen. Sie glaubte es tatsächlich. Meine eigenen Qualen bei dieser Erkenntnis wurde übertüncht von der scheinheiligen Freude darüber. Mein Verstand, unter der Führung des puren Egoismus rang mit meinem Herzen. Ich blendete ihre Stimmen aus, die wie Engelchen und Teufelchen um meine Gunst baten. Um mich von keinem der beiden überrumpeln zu lassen, dachte ich an etwas, dass ich ihr sagen konnte, ohne lügen zu müssen. „Aber um einen Gefallen möchte ich dich noch bitten, wenn das nicht zu viel verlangt ist." In ihrem Blick sah ich Hoffnung aufblitzen. Für einen kurzen Moment fiel meine Maske, zeigte Schmerz. Doch kaum, dass ich es bemerkt hatte, versteifte ich wieder meine Züge. „Was du willst.", versprach sie. Um sie, wenn nötig, zu überzeugen, ließ ich meiner unbändigen Wirkung auf Menschen freien Lauf. Alles, was ich zu unterdrücken versucht hatte, ließ ich in meinen Blick einfließen. Es gab mir das trügerische Gefühl der Selbstsicherheit; ich könnte alles haben, was ich will. Eine einzige Lüge. Alles, was ich will, steht vor mir, die zarten Finger verkrampft, das wunderschöne Gesicht von einer irrealen Annahme verzerrt. Ein dumpfer Schlag unter meiner Haut riss mich unsanft aus meiner Wehmut und machte mir klar, dass ich das, was mir lieb und teuer war, nicht länger behalten durfte. „Tu nichts Waghalsiges oder Dummes. Begreifst du, was ich sage?" Ich hoffte für sie, dass sie jemandem ihr Leben anvertrauen konnte, der verantwortungsvoller damit umging, als ich es je getan hatte. Was ich da gerade tat, war wahrscheinlich der erste und letzte Versuch, meiner Aufgabe im richtigen Maße gerecht zu werden. Bei dem bloßen Gedanken daran, dass jemand anderes auch nur in ihre Nähe kam, kochte die Eifersucht zischelnd in mir hoch und nagte an mir, wie ein hungriges Tier. Es war kaum in Worte zu fassen. Damit sie nichts davon meinem Gesicht ablas, setzte ich wieder diese alberne Maske auf. „Ich denke selbstverständlich an Charlie. Er braucht dich." - aber noch mehr brauche ich dich! - „Pass auf dich auf" - weil ich es nicht länger tun kann - „-ihm zuliebe." Sie nickte wieder und flüsterte mit ihrer Engelstimme ein leises „Ja". Ich hatte es getan. Der Stolz in meiner Brust war die pure Ironie. Sie wollte meine Bitte erfüllen, also wollte ich ihr auch etwas versprechen. Es war kindisch, aber es war mir wichtig. Um ihret Willen hoffte ich, dass ich dazu in der Lage sein würde, es zu halten. „Und ich verspreche dir im Gegenzug auch etwas. Ich verspreche dir, dass du mich heute zu letzten Mal siehst. Ich werde nicht zurückkehren. Ich werde dich nicht noch einmal einer solchen Gefahr aussetzen. Du wirst dein Leben ungestört von mir weiterleben." Ich schluckte wieder, als sie blinzelte. Die nächsten Worten kamen nur schwer über meine Lippen. „Es wird so sein, als hätte es mich nie gegeben." Sie war kurz davor umzukippen, und ich kämpfte den Impuls nieder, sie zu stützen, bis sie sie sich beruhigt hatte. Ich lächelte sie an. „Keine Sorge. Du bist ein Mensch - deine Erinnerung ist löchrig wie ein Sieb." Die egoistische Stimme in meinem Kopf fluchte, doch ich ignorierte sie. „Bei euch heilt die Zeit alle Wunden." Gewiss. Bald würde ich nur noch eine Narbe in ihrem schneller pochenden Herzen sein. Ich war eigenartigerweise dankbar dafür. Sie jedoch, war das einzige für mich, was mein lebloses Herz je annähernd mit Leben erfüllte. „Und deine Erinnerungen?", fragte sie mit verzweifelter Stimme. „Nun ja" - ich werde dein Abbild bis in alle Ewigkeit mit mir tragen - „ich werde nichts vergessen.", sagte ich. Das war die einzige vampirische Eigenschaft, die ich nun nicht verfluchte. „Aber wir... wir finden schnell Zerstreuung." Pah! Als wenn ich irgendwas finden würde, das mich ablenken könnte. Ich startete wieder einen kläglichen Versuch zu lächeln und ging einen Schritt zurück. „Das wäre dann wohl alles. Wir werden dich nicht länger belästigen." „Alice kommt nicht wieder." Ihre Worte waren ein leises Wispern, das ihre hellrosanen Lippen still erbeben ließen. Ich schüttelte den Kopf, ohne sie aus den Augen zu verlieren. „Nein. Sie sind alle fort. Ich bin geblieben, um mich von dir zu verabschieden. „Alice ist weg?", fragte sie ungläubig. „Sie wollte dir auf Wiedersehen sagen, aber ich konnte sie überzeugen, dass ein glatter Bruch besser für dich ist." Ich sah es ihr an. In ihrem Kopf drehte es sich, ihre Augen spiegelten einmal mehr wider, was in ihr vor sich ging. Ich wartete ab, ob sie zusammenbrach. Nach ein paar Sekunden hatte sie sich wieder gefangen und ich fasste mit letzter Kraft allen Mut zusammen. „Leb wohl, Bella." Die Worte brannten in meinem Hals, obwohl sie ehrlich gemeint waren. „Warte!", rief sie. Ihre schmalen Arme streckten sich in meine Richtung und sie kam unbeholfen auf mich zu. Ich schluckte schwer. Kämpfte ein letztes Mal gegen mein Verlangen an, sie in die Arme zu schließen und ihr alles zu erklären. Stattdessen nahm ich vorsichtig ihre Handgelenke. Ich spürte den Puls unter ihrer seidenweichen Haut, als ich ich ihre Arme langsam herunterdrückte. Je näher ich ihr kam, umso intensiver nahm ich den Duft ihres Blutes wahr, so weich und süß. Der Schmerz, der tiefer sitzt, als jede menschliche Qual, einhergehend mit dem brennenden Durst eines abscheulichen Wesens, ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Doch zu meiner Überraschung stach er nicht in meinem Hals, brannte nicht in meinem Rachen. Nirgendwo spürte ich dieses groteske und widerliche Verlangen, dass es mir sonst so schwer machte, bei ihr zu sein. Der blumig-frische Duft, der kaum zu beschreiben war, nicht einmal mit tausend Worten, der so wunderschön war, dass ich vergaß, meine wahren Gefühle zu verbergen. Ich konnte ihn ertragen, zum ersten Mal überhaupt, ohne jede Sekunde die Angst zu haben, den allerwichtigsten Menschen in meinem Leben umzubringen. Es war ein bitterer Triumph. Gerade jetzt. In diesem Moment, spürte ich aus unerfindlichen Gründen beinahe gar kein Verlangen nach ihrem Blut. Ich drückte meine Lippen an ihre Stirn und sog dabei noch ein letztes Mal ihren wunderbaren Duft ein. „Pass auf dich auf", flüsterte ich. Und während ich lautlos durch den Wald rannte, spürte ich, wie mein Herz ein zweites Mal stehen blieb... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)