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Das Licht der Finsternis

von

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Zeiten ändern sich

Jemand warf einen Schatten auf mein Gesicht und ich öffnete die Augen. „Guten Morgen, Schlafmütze“, sagte dieser jemand mit einer Bärenstimme am Fenster und ich erkannte vage meinen großen Bruder. „Hab ich solange geschlafen?“, fragte ich und setzte mich auf. „Ja, Mum freut sich wie verrückt, dass du aufgewacht bist. Sie hat Frühstück gemacht.“ Ich lächelte. „Das ist lieb von ihr. Ich komme sofort runter.“ Sam drehte sich zu mir um und sein Blick war wie versteinert. „Bitte, Cassie, erwarte nicht, dass alles da weitergeht, wo es vorletzten Januar aufgehört hat. Die Zeiten haben sich geändert.“ „Was soll das heißen?“ Er lehnte sich gegen die Wand. „Das soll heißen, dass hier kaum noch etwas ist, wie es einmal war. Du solltest hin und wieder einen Gang runter schalten und nicht sofort aus der Haut fahren, wenn dir etwas komisch vorkommt oder jemand mal ein wenig unhöflich ist, okay?“ Ich nickte und versuchte genau das, was er mir gerade geraten hatte. Nicht aus der Haut zu fahren, denn im Moment klang er alles andere als höflich. Er lächelte „Machst du gut…“ Damit verschwand er nach unten.

Ich stand auf und zog mir schnell frische Kleidung an, band die weißblonden Haare zusammen und betrachtete mich kurz im Spiegel. Ich hatte mich irgendwie verändert. Meine Haut war noch bleicher geworden und meine Augen hatten einen sanften Honigton. Obwohl… die Farbe erinnerte eher an einen Topas. Ich schlug mir kurz auf die Wangen, aber der gewünschte Effekt blieb aus. Keine Rotfärbung.

Ein wenig deprimiert stieg ich die Treppenstufen runter, als ich meine Adoptivmutter unten stehen sah. „Mum!“, begrüßte ich sie, sprang ihr in die Arme und umarmte sie. „Cassie, wie schön dich zu sehen“, flüsterte sie mir ins Ohr und drückte mich an sich. „Ich freu mich so“, antwortete ich und dann hielt sie mich kurz ein wenig auf Abstand, um mich anzusehen. „Ist dir nicht gut? Du bist so blass.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab dir doch erzählt, dass ich einfach nicht braun werde.“ Ihre Augen weiteten sich ein wenig. „Aber dass das so schlimm ist…“ Ich zuckte mit den Schultern. „Sam hat gesagt, du hast Frühstück gemacht?“ Sie schien das Blitzen in meinen Augen zu sehen. „Ja, und ich habe auch deine geliebten Pfannkuchen gemacht.“ Wie ein Wirbelwind schoss ich an ihr vorbei und setzte mich neben Sam. Mum tat mir etwas auf und schnell schlang ich den Pfannkuchen runter. Sam aß in derselben Zeit fünf. Ich sah zum Herd und dort stand eine Platte mit einer Menge von Pfannkuchen, die eine Großfamilie versorgen konnte. „Wer soll das denn alles essen?“, fragte ich geschockt und Sam antwortete: „Ich?“ Ich lachte. „Als ob!“

Aber meine Augen weiteten sich immer mehr, je mehr Sam aß und je mehr der Stapel schrumpfte, am Ende blieb einer übrig. „Hast du einen Bandwurm?“, wollte ich verblüfft wissen, aber er schüttelte den Kopf. „Das ist mein normales Frühstück.“ Jetzt war es soweit – meine Augen fielen mir fast aus dem Kopf. „Das ist doch nicht normal“, flüsterte ich Mum zu, die kicherte. „Tja, das haben wir auch eine Zeit lang gesagt. Mittlerweile haben wir uns dran gewöhnt.“ „Wir?“, fragte ich und sie sagte: „Die anderen. Old Quil, Billy, Harry und Sue Clearwater.“ Ich staunte. Was hatten die denn damit zu tun? Natürlich, im Reservat lebten die Familien eng zusammen, aber so eng, dass die Frühstückssitten der Kinder besprochen wurden?

Vor dem Haus hielt ein Auto und kurz darauf sprang die Tür auf. „Heyho!“, rief jemand und ich drehte mich strahlend um. „Quil! Embry!“, rief ich und sprang auf. Die beiden blieben überrascht stehen. „Cassie?“, fragte Embry und ich stellte fest, dass die beiden genauso gewachsen waren wie mein Bruder. „Bingo!“ Ich lief auf sie zu und Quil nahm mich in den Arm. „Wie geht es dir? Und was machst du überhaupt hier?“ „Ich hab’s nicht mehr an der Elfenbeinküste ausgehalten und mein Französisch is allmählich gut genug! Ich wollte euch wieder sehen. Und es geht mir gut“, quasselte ich drauf los und musterte die beiden. „Ist hier irgendeine Seuche ausgebrochen, oder warum sind auf einmal alle so groß?“ Die beiden tauschten viel sagende Blicke mit Sam, aber schließlich sagte Mum: „Ach was, die Jungs werden einfach erwachsen.“ Wir setzten uns an den Tisch und Quil und Embry aßen die letzten Pfannkuchen.

„Ich hab das von Jake gehört“, sagte ich und die beiden sahen auf. „Ja“, sagte Embry langsam. „Ich verstehe das nicht“, erklärte ich und sah sie an, während Mum den Tisch abräumte. Ich hatte zuvor angeboten, ihr zu helfen, aber sie hatte sich vehement dagegen gewehrt.

Bevor jemand etwas erwidern konnte, ging die Tür wieder auf und schon stand jemand in der Küchentür. Sam und die anderen beiden sahen überrascht auf und ich drehte mich um, um zu sehen, wer da war. Als ich Paul in die Augen sah, knurrte er. Erschrocken wich ich zurück. „Paul“, zischte Sam mahnend. Pauls Blick suchte den von Sam. Ein wenig ängstlich sah ich Paul an. „Was gibt es, Paul?“, fragte Sam ruhig. „Kann ich dich kurz sprechen – unter vier Augen?“, bat Paul und warf mir einen Seitenblick zu. Sam erhob sich und verließ mit Paul das Haus.

Von Paul hatte es kein Hallo gegeben, kein Wie geht es dir?, kein Was machst du denn hier? gegeben. Nur ein Knurren. Wie von einem Hund.

Fragend sah ich Quil und Embry an, die sich jedoch in Schweigen hüllten. Zum dritten in Mal in der kurzen Zeit öffnete sich die Tür und an den leichten Schritten erkannte ich, dass es dieses Mal keiner der Jungs war. Ich drehte mich um und bekam einen mehr oder weniger großen Schreck. In der Küchentür stand ein hübsches Mädchen mit dunklen Augen und ebenso dunklem Haar. Aber die rechte Hälfte ihres Gesichtes sah völlig zerfetzt aus. Rote Linien, Narben zogen sich über die Haut, aber es sah so aus, als wären sie schon verheilt.

Ich brauchte einige Momente, in denen wir uns anstarrten und den anderen erschrocken betrachteten. Ich wusste nicht, wieso sie erschrocken war.

Mum wuselte auf sie zu und nahm ihr den Korb ab, den sie in der Hand hielt. „Vielen Dank, Emily. Ich habe schon auf dich gewartet.“ „Du bist Emily?“, fragte ich vorsichtig und sie nickte. „Und wer bist du?“ „Cassie. Ich bin Sams Schwester.“ Ich stand auf, um ihr die Hand zu reichen und zögerlich nahm sie sie. Fürchtete sie, ich könne ihre Haut verätzen? Doch als wir uns berührten, entspannte sie sich sichtbar und setzte sich lächelnd auf den Stuhl neben meinem. Auch ich setzte mich wieder. „Sam hat mir schon viel von dir erzählt.“ „So? Hat er?“ Ihr Finger malte Kreise auf die Tischplatte, während sie mich wesentlich freundlicher musterte. Ich bemühte mich, ihr das nicht gleichzutun, allein, weil sie es sonst möglicherweise falsch deutete. „Ja. Er hat sich schon sehr auf deine Rückkehr gefreut. Aber wolltest du nicht erst in einem halben Jahr wiederkommen?“ Ich nickte. „Ursprünglich ja, aber ich wollte unbedingt meine Familie und die ganzen Chaoten wieder sehen.“ „Chaoten, ja, so kann man sie in der Tat nennen.“

Wenn Sam sich wirklich so gefreut hatte, warum hatte ich das Gefühl, dass er nicht sonderlich begeistert war. Mum schien wirklich die einzige zu sein, die sich einfach freute. Sogar Quil und Embry schienen ein wenig auf Abstand zu gehen, auch wenn sie versuchten, sich das nicht anmerken zu lassen.

„Und du hast also das Herz meines Bruders erobert?“, fragte ich. „Ja, so kann man es wohl sagen.“ Wir unterhielten uns ein wenig, bis Mum sich zu mir umdrehte. „Würdest du bitte nach La Push fahren und ein paar kleine Besorgungen für mich erledigen?“ „Klar“, antwortete ich und sie sagte: „Kann einer von euch sie vielleicht fahren?“ „Mum, ich kann Auto fahren“, widersprach ich und dachte an meine Zeit an der Côte d’Ivoire. Mein Gastvater hatte es mir beigebracht, aber Mum wollte davon nichts hören. „Du bist gerade sechzehn und hast keinen gültigen Führerschein. Ich möchte nicht, dass meine Tochter gleich an ihrem ersten Tag von der Polizei nach Hause gebracht wird.“

Embry erklärte sich einverstanden mich zu fahren und auch in Port Angeles zu warten. Auf einkaufen hatte er jedoch eher weniger Lust, sodass er in einem Café wartete. Ich hetzte durch die Innenstadt von Port Angeles, denn Port Angeles war ganz anders als La Push. Hier veränderte sich ständig etwas. Und so kam es, dass ich erst nach einer ganzen Stunde den gesuchten Laden fand. Ich öffnete die Tür und prallte gegen etwas Hartes. Kurz darauf spürte ich den harten Boden unter mir und mein Hinterkopf pochte. Das würde eine Beule geben…

„Pass doch auf!“, begann ich zu fluchen, doch als ich aufsah, blieben mir die Worte im Hals stecken. Ein Mann, schöner als jeder andere, stand dort und sah mich entschuldigend an. Sein blondes Haar glänzte golden und seine Augen hatten einen ähnlichen Farbton wie meine. Als sähe man flüssiges Gold fließen. Oder vielleicht doch ein Topas? Schwer zu sagen…

„Tut mir wirklich Leid“, entschuldigte er sich und seine Stimme klang wunderschön. Er reichte mir seine Hand und half mir hoch, ließ mich jedoch schnell wieder los. Hatte ich es mir nur eingebildet, oder waren seine Hände eiskalt? „Geht es dir gut?“, fragte er und mir entging nicht, wie er mich musterte – was war heute nur los?! „J… ja“, stammelte ich. „Tut mir Leid, ich habe Sie nicht gesehen“, entschuldigte ich mich rasch, aber er hob beruhigend die Hände. „Nein, ich hätte besser aufpassen sollen.“ Ich konnte diesem Mann seltsamerweise nicht widersprechen, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Der Mann sah die Person hinter mir verwundert an. „Komm, Cassie“, sagte Embry kühl. „Du solltest doch ein paar Besorgungen machen.“ Ich nickte langsam, konnte den Blick aber nicht von diesem Mann abwenden. „Dr. Cullen“, murmelte Embry dem Mann zur Begrüßung zu und zog mich in das Geschäft. Ich sah ganz automatisch über meine Schulter zu dem Mann und merkte, dass auch er mich Stirn runzelnd ansah. Doch dann drehte er sich um und ging. Ich befreite mein Handgelenk aus Embrys unnatürlich festem Griff und fragte: „Wer war das?“

„Nicht so wichtig.“

„Aber du kennst ihn.“

„Ja, und?“

„Also, wer war das?“

„Ist das denn so wichtig?“

„Ich will wissen, wen ich umgerannt habe.“

„Er heißt Carlisle Cullen, arbeitet im Krankenhaus von Forks und wenn du weißt, was gut für dich ist, hältst du dich von ihm und seiner Familie fern, zufrieden?“

„Warum?“

„Weil diese Familie im Reservat nicht willkommen ist. Du müsstest dich daran erinnern, dass die Alten ziemlich wütend waren, als sie vor drei Jahren in die Gegend kamen.“

„Aber… ich verstehe nicht… weshalb hatten Billy, Old Quil und Harry Clearwater etwas gegen sie?“

„Das kann ich dir nicht sagen.“

Wir blieben vor einem Regal mit Cornflakes stehen. „Geht es dir gut?“, fragte er skeptisch und schien mich von Kopf bis Fuß mit seinem Blick zu untersuchen. „Ja, wieso sollte es mir nicht gut gehen? Und wo bist du überhaupt so schnell hergekommen?“ Ich sah ein, dass ich ihn nicht weiter löchern konnte. Embry schwieg, während er mich einfach umdrehte und meinen Hinterkopf untersuchte. „Es geht mir gut“, wiederholte ich gereizt und dachte an Sams Worte. Du solltest hin und wieder einen Gang runter schalten und nicht sofort aus der Haut fahren… Ich zwang mich zur Ruhe. „Embry, was ist hier los?“, fragte ich und atmete tief durch, als ich ihm wieder in die Augen sah. „Was sollte hier los sein?“ „Spiel hier nicht den Unwissenden. Irgendetwas ist passiert und ich will wissen, was es ist“, beharrte ich, als wir durch die Reihen gingen, die Liste für Mum abarbeitend – es war erstaunlich, wie viel Embry tragen konnte, ohne etwas fallen zu lassen. „Jake ist verschwunden“, sagte er trocken. „Das weiß ich.“ Ich biss mir auf die Lippe und dachte verzweifelt wieder an meine Wut, um nicht an Jacob erinnert zu werden. „Cassie“, versuchte Embry mich zu beruhigen, der merkte, wie sehr Jakes Verschwinden mich mitnahm. Seit dem gestrigen Tag hatte ich den Gedanken verdrängt, dass ich ihn nicht in seiner Werkstatt finden sollte, wenn ich ihn suchen würde. Er schaffte es, mich trotz der ganzen Sachen, die er trug, in den Arm zu nehmen. „Jake wird wiederkommen. Ganz sicher.“ „Was ist das nur für ein Mensch, dass sie ihn so kalt liegen lässt?“, fragte ich leise, aber Embry antwortete nicht. Er strahlte nur Wärme aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-02-18T18:37:26+00:00 18.02.2008 19:37
toll, jetzt hat cassie also den ersten cullen kennengelernt, wenn man das so sagen kann...
freu mich schon auf weitere kapi's
lg katja
Von:  Fleur_De_Lis
2008-02-18T18:29:33+00:00 18.02.2008 19:29
Ich versuche jetzt mal kostruktive kritik zu geben...
hmm....
ICH LIEBE DIESES FF!
*lach*

Nein im ernst!
Es ist etwas ganz anderes, erfrischendes, aufregendes, spannendes, Sehnsucht auf neues aufbauendes.

Ich kann nur sagen: Super gemacht, und schreib schnell weiter!

liebe Grüße
Fleur De Lis


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