Shõganai von Ryusei ================================================================================ Kapitel 1: Virgin ----------------- Serie: Death Note Pairing: Raito x L Genre: Lemon ô_o Widmung: Für Koji. Weil halt, ne? XD Persönliches: Ich – hasse – Lemons. Ich kann sie nicht. Ich werde sie nie können. Argh! >_< Super, das erste Kapitel meiner zweiten Anthologie ist sofort eine Lemon. Pah. Ich warte nun die Resonanz ab. Lemon ist nicht mein Fall und ich bin nach wie vor der Ansicht, dass ich es einfach nicht beherrsche. Hier ist der ultimative Beweis! o_o Achtung, kein Plot vorhanden. Suche danach folglich sinnlos. Ls Narbe gehört mir. Finger weg! Nicht nur er mag es nicht, wenn man sie berührt! ¬¬ Virgin „Oh Gott“, war der erste Gedanke, den Raito hatte, als L seinen Pullover über den Kopf zog. Der Braunhaarige saß mit nassen Haaren und im Bademantel auf der zugeklappten Toilette und beobachtete den Schwarzhaarigen. Das Badewasser erzeugte einen gleich bleibenden Ton, doch der Ermittler wollte selbst auf Raitos Bitten hin nicht duschen. Stattdessen hatte er Raito mit der Handschelle an den Heizkörper gekettet und zog sich jetzt aus. Als Raito das erste Mal mit ihm geduscht hatte, war es ihm nicht aufgefallen, aber nun bemerkte er es: L war knochendürr. Raito selbst war schon schlank, aber die Statur des Älteren wirkte fast schon krank. Die Schlüsselbeine traten so steil unter der Haut hervor, dass sie hinter sich eine Höhle bildeten, in die man fassen konnte. Jede einzelne Rippe war erkennbar, man konnte sie zählen ohne den Ermittler auch nur zu berühren. Von dem Brustkorb wölbte sich der Bauch leicht nach innen, ehe das wenige Fleisch am Beckenknochen wieder nach vorne stach. Die dunkelblaue Jeans hing nur halb auf den Knochen. Raito war sich sicher, dass man sie nicht einmal öffnen musste, wenn man den hageren Mann entkleidete. „Hmm“, machte L leise, ehe er seine Jeans nach unten schob und die klapperdünnen Beine enthüllte. Allerdings wirkten sie nicht untrainiert – im Gegenteil. Muskelstränge und Sehnen zeichneten sich ab, machten deutlich, dass der Ältere nicht schwach war. Raito hob den Kopf leicht und betrachtete mit mäßigem Interesse die bunt gemusterten Shorts, die sein Erzfeind trug. Es waren Marienkäfer, wenn er es aus der Entfernung richtig erkannte. Marienkäfer auf hellblauem Grund. „Hast du nur solche?“, fragte der Student und stand von der Toilette auf. Der Angesprochene drehte sich zu Raito um und neigte den Kopf. „Eh? Was…?“ Die schwarzen Augen folgten Raitos Blick. „Oh. Ja. Watari holt sie immer in einem Fünferpack. Sie sind bequem“, murmelte er und betrachtete sein Spiegelbild ein wenig kritisch. „Weißt du eigentlich, wo die sitzt?“ Raito streckte die Hände aus und legte sie an Ls Hüfte, an die Stellen, an denen eine breite Narbe begann. Augenblicklich fuhr der dürre Leib vor ihm zusammen, L stieß den Ellenbogen nach hinten, traf Raito schmerzhaft zwischen der fünften und sechsten Rippe und riss sich von ihm los. Als er sich umdrehte, waren seine Augen noch weiter aufgerissen, als sonst. Raito hielt sich Zähne knirschend die getroffene Stelle und blickte nach oben. „Mein Gott… Sei doch nicht so empfindlich!“ „Ich habe dir gesagt, dass ich das nicht mag!“, fuhr der Ältere den Jungen an und drückte seinen Rücken gegen die gekachelte Wand. Raito konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er hatte Angst. Diese heftige Reaktion… Das war nicht nur, weil er es nicht mochte. Hinter dieser Narbe, hinter diesem Streifen heller Haut, steckte ein Erlebnis, das ihn in Panik versetzte. Das war ein Schwachpunkt in dem perfekten Gespinst des Ermittlers. Einen Schwachpunkt, den sich Raito zu seiner Stärke machen würde. Ohne zu zögern trat der Junge wieder nach vorne. L rutschte an der Wand entlang zum Waschbecken. Raito konnte die Muskeln und Sehnen erkennen, die sich bei den Bewegungen des Schwarzhaarigen unter der Haut zeigten. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast Angst, Ryuzaki“, raunte der Student und drückte die Hände links und rechts neben Ls Kopf gegen die Wand. „Keinesfalls!“, erhielt er die Antwort in einem kratzigen Ton und der Gefangene spannte sich unweigerlich an. „Ach…“ Raito genoss das Gefühl von Macht, das durch seine Adern sickerte. Das hier, dieser im Moment zitternde, dürre, junge Mann war ‚L’. ‚L’! Auch wenn er nicht so aussah, war er einer der mächtigsten und wohl auch reichsten Männer der Welt. Er, Raito, konnte ihn besitzen, wenn er es wollte. L hatte gezeigt, dass er sich selbst von ihm abhängig gemacht hatte. Vielleicht hatte Ryuk doch Recht – das war Ls Schwachpunkt und wenn er ihn an diesem angriff, war es nur noch eine absehbare Frage der Zeit, wann dieses Herz unter der schneeweißen Haut aufhören würde zu schlagen. „Wirklich nicht?“, hauchte Raito und legte bewusst eine Stimmlage auf, in der er sonst nur mit Mädchen sprach. Und er verfehlte seine Wirkung damit nicht. Das Zittern des Körpers vor ihm nahm zu und L ging unbewusst in eine Abwehrhaltung. „Du hast gesagt, ich wäre der erste Freund, den du hattest“, flüsterte Raito wieder. „Du suchst meine Nähe wie ein Ertrinkender das Wasser. Bis du dir dessen bewusst?“ L verkrampfte sich. „Was erwartest du, was ich tue, Ryuzaki?“ Raito konnte sein eigenes Spiegelbild in den schwarzen Pupillen des Ermittlers sehen. Ob er sich bewusst war, wie weit er sich Raito gerade öffnete? Raito legte die Finger an das schmale Kinn des Detektivs und drückte sein Gesicht nach oben. Seine Lippen waren spröde, rissig und an einer Stelle leicht blutig. Raito schüttelte innerlich den Kopf, ehe er die Augen schloss und den Mund einfach auf den des Ermittlers drückte. Süß. Und trocken. Raito grub die Hände in die dichten, schwarzen Haare, ungeachtet der Hände, die sich fast panisch gegen seine Brust drückten und ihn von sich zu schieben versuchten. Es machte süchtig. Von der ersten Sekunde an wusste Raito, was er wollte. Er wollte ihn. Er wollte ihn dominieren, ihn unterwerfen, ihn beherrschen. Einfach, weil er es gewagt hatte, sich ihm in den Weg zu stellen. Weil er klug war, weil er ihm gefährlich wurde. Weil er L war. Raitos Hände wanderten wie selbstverständlich über den bleichen, krank aussehenden Körper. Ohne auf die Proteste oder die Tritte des Anderen zu achten, zerrte er die bunt gemusterte Shorts nach unten und zog sie über Ls Fußgelenke. Der Ermittler schrie irgendetwas, doch Raito hörte es nicht richtig. Mit gläsernen Augen sah er auf die Narbe, die so verlockend und hell auf der restlichen Haut schimmerte. „Raito…!“ Raito sah auf. „Verdammt, hör auf damit! Lass mich LOS!“ Das Grinsen auf den Lippen des Jüngeren wurde eine Spur breiter. „Warum sollte ich, Ryuzaki? War es nicht das, was du dir ersehnt hast? Wolltest du das nicht von mir?“ Noch während er die letzten drei Worte aussprach, griff er seinem Feind zwischen die Beine und begann die schlanken Finger über Ls Glied zu bewegen. Der Ermittler verzog das Gesicht. Die dürren Beine, die Raito mit dem Oberschenkel auseinander gedrückt hielt, fingen an zu zittern. L war auch nur ein Mensch. Und Menschen reagierten, wenn man sie berührte. Besonders, wenn sie noch nie vorher berührt worden waren. Die schwarzen Augen schlossen sich immer nur für wenige Sekunden, während Raito die Arbeit seiner Finger nicht für einen Augenblick unterbrach. Er fühlte die Hitze unter der weichen Haut, fühlte, wie L allmählich hart wurde und sich sein Körper diesen für ihn wohl unbekannten Berührungen ergab. Ls Beine gaben langsam nach, er sank auf die Knie - und Raito folgte ihm, ließ keine Sekunde von ihm ab. „Wurdest du schon mal so angefasst, Ryuzaki? Hat dich schon mal jemand so gesehen?“, fragte Raito den Ermittler ins Gesicht und entlockte ihm so ein kurzes, angespanntes Schnaufen. Die Finger des Dunkelhaarigen hatten sich in dem Badezimmerteppich verkrallt, als Raito seinen Hintern auf seinen Schoß zog. Er war wirklich schrecklich einfach zu besiegen. Wenn das alles war, um den großen L zu brechen, dann würde er noch heute Abend sterben. „Antworte schon“, drängte Raito und ließ Ls Beine los, nun, da er sich nicht mehr gegen die Hände des Jungen wehrte. Gott, so einfach. So ergeben. So… willig. Raitos Grinsen wurde breiter, als L den Kopf schüttelte. Er war unberührt. Gewesen. Raitos Finger suchten fast selbstverständlich ihren Weg zu Ls Hintern, strichen erst über das Steißbein und dann tiefer, bis sie die viel zu enge Öffnung erreichten. Raito hörte, wie L die Luft scharf ein sog und sie für einen Moment anhielt. Männer waren für so etwas eigentlich nicht geschaffen. Aber Raito kannte seinen Körper ebenfalls bestens. Er wusste, wo er sich berühren musste, damit dieses bittersüße Gefühl durch seine Adern floss. Bei L war es nicht anders. Sein Körper reagierte genauso. „Ah!“ Ein kurzer Laut, mehr Schmerz als Lust, als Raito die Finger in den Leib des Ermittlers drängte. Die trockene Haut spannte und sorgte dafür, dass L sich noch mehr verkrampfte, den Raum um Raitos Finger weiter einengte. Raito sah mit Genugtuung in das vor Qual verzerrte Gesicht. ‚Ja’, dachte er und schob die Finger tiefer. ‚Bald bist du nichts mehr als eine Erinnerung, L.’ L warf den Kopf von einer Seite auf die andere und drückte die Füße wieder gegen Raitos Schultern. „Hör… auf!“, brachte er abgehackt hervor und schnappte kurz nach Luft. „Du tust mir weh!“ „Und?“, war das einzige, womit Raito Ls Protest kommentierte und er bewegte die Finger weiter in seinem Feind. Es war ironisch. Unlogisch. Und nicht nachzuvollziehen. Raito war sonst ein sehr beherrschter Mensch, der sich den eigenen Trieben nur selten hingab und sich auch sonst sexuell nicht für seine Mitmenschen interessierte. Aber dieser sich windende Körper, der in regelmäßigen Abständen nach Erlösung flehte, machte ihn wahnsinnig. Er wollte ihn besitzen. Ganz. Und mit diesem Gedanken zog Raito die Finger aus L zurück und beugte sich über ihn. Der Ermittler schluckte schwer und sah in die braunen Augen, die ihn neugierig musterten. „Weißt du, wie eng du bist?“, hauchte Raito leise und küsste erst seine Stirn, dann seine Wangen und seine Lippen. Seine Haut war weich und roch ein wenig nach Seife. Die schwarzen, wirren Haare des Ermittlers kitzelten ihn. „Warum machst du das…?“ Ls Stimme klang weder vorwurfsvoll, noch verletzt. „Es macht mir Spaß… Und du willst es. Oder nicht, Ryuzaki? Du hast meine Nähe doch so gesucht. Hast du nachts darauf gehofft, dass ich dich im Schlaf küsse?“ Der Dunkelhaarige antwortete nicht, sondern drehte den Kopf zur Seite. ‚Volltreffer!’ Raito grinste leicht. Es war einfach jemanden zu durchschauen, der genauso dachte, wie er selbst. Raito richtete sich nach oben und tauchte die Finger in die fast gefüllte Badewanne, befeuchtete sie, ehe er sie wieder an den Hintern des schwer atmenden Ermittlers legte. L hielt die Luft an. „Wenn du dich entspannst, tut es nicht weh“, raunte Raito leise und biss dem jungen Mann unter sich ins Ohr. Er wusste selbst nicht mal, ob es wehtun würde. Aber er ging davon aus. Männer waren dafür nun mal nicht gebaut. Andererseits… Es war L, der die Schmerzen hatte. Nicht er. L schrie auf, als Raito langsam in ihn eindrang. Seine Finger verkrampften sich in der Badematte, zogen an dem Stoff, als wäre es das einzige, was ihm noch Halt gab. Es tat weh. „Hnng…!“ Raito schnaufte leise und hielt sich an den knochigen Schultern des Älteren fest. Gott, er war eng. Und mit jedem Zentimeter, den Raito tiefer in den dürren Leib vordrang, verkrampfte er sich mehr. Seine Augen waren geschlossen, die Lider zusammengekniffen, die Lippen aufeinander gepresst. Raito unterbrach die Arbeit seiner schlanken Finger an Ls Erektion nicht. Mit sanfter Gewalt rieb er mit dem Daumen über die Spitze, fühlte die feucht werdende Haut in seinen Händen, hörte das angespannte Keuchen. „Entspann dich, Ryuzaki…“ Wieder schlich sich das Grinsen auf Raitos Lippen, während er die Finger etwas weiter schloss und dem Ermittler so ein leises Stöhnen entlockte. „Das… geht nicht…!“ Seine Stimme bebte vor Schmerz. Die dünnen Härchen an Raitos Unterarmen stellten sich auf. Er hatte ihn. Er hatte über L gesiegt. Der Ermittler schnappte nach Luft, als Raito wieder zustieß. Der Braunhaarige beugte sich nach unten, verschloss seine Lippen mit denen des Schwarzhaarigen, lauschte den leisen Geräuschen, die L bei jeder Bewegung von sich gab. Es gefiel ihm. Jedenfalls seinem Körper. Raito drückte sich höher und stützte sich an den mageren Beinen des unter ihm Liegenden ab, stieß wieder in den zuckenden Leib. L hatte den Unterarm über die Augen gelegt, den Mund einen Spalt geöffnet. Hauchfeine Schweißperlen rannen über seine schneeweiße Haut, liefen über die Rippenbögen. Seine langen, schwarzen Haarsträhnen hingen in seinem Gesicht. Raito schnaufte leise. Er merkte, dass er sich selbst kaum noch beherrschen konnte – zu eng war sein Feind unter sich. Raitos Fingerspitzen rieben über die Spitze, glitten den Schaft nach unten und berührten die Hoden nur kurz, ehe sie sich wieder der empfindlichsten Stelle zuwendeten. L warf den Kopf auf die linke Seite und drückte die Wange auf den kalten Fliesenboden. Wieder ein leises Stöhnen. Seine Finger suchten Halt auf den Kacheln, doch er rutschte immer wieder ab. Raito biss sich auf die Lippen. „Ryu-zaki!“, brachte er abgehackt hervor und suchte den Blick in die dunklen, schwarzen Augen. Doch er erhielt nur ein Schnaufen als Antwort. Raito konnte sich nicht mehr beherrschen. Seine Haut fühlte sich an, als würde sie kochen und zwischen seinen Beinen pochte es längst schmerzhaft. Mit jedem Zustoßen schloss sich L enger um ihn, reizte ihn. „Ryu…-!“ Raito krallte die Fingernägel in seine Fußgelenke und stieß noch ein letztes Mal in den dürren Leib unter sich. L brachte ein Wimmern hervor und wandte sich unter Raito, als er die flüssige Hitze in sich fühlte. Sein Körper zitterte stark. „Nicht…!“ Raito verharrte in ihm, sah auf ihn herab, blickte in die aufgerissenen schwarzen Augen. „…aufhören…!“ Ein Grinsen schlich sich auf Raitos Lippen, während er die Hand wieder zu bewegen begann. Es dauerte nicht lange, bis er den Älteren soweit hatte. L spannte sich unter ihm an, unterdrückte ein weiteres Aufstöhnen unter seinem Unterarm. Etwas Flüssiges lief über Raitos Finger. Mit nachdenklichem Ausdruck in den Augen führte er seine Hand zum Mund und fuhr mit der Zunge über seine Haut. Es schmeckte salzig. „Ryuzaki…?“ „Hm…?“ L öffnete die bis dahin geschlossenen Augen und sah zu dem neben ihm sitzenden Jungen hoch. Raitos Atmung hatte sich beruhigt. „Hat dir… das gefallen?“ L schob den Daumen an seine Lippen und drehte sich auf die Seite. „Ich… glaube schon.“ Raito konnte ein Lächeln nicht mehr zurückhalten. Anders als erwartet hatte ihm das, was er anfangs unter Zwang begonnen hatte, am Ende selbst zugesagt. Diese Enge… Der Braunhaarige streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern über die breite Narbe an Ls Rücken, beobachtete, wie der Ermittler zusammenzuckte und nach hinten schlug. „Ist ja gut“, lachte der Jüngere und hielt L am Handgelenk fest. „Ich fass sie ja nicht mehr an. Aber… Was mich interessieren würde… Wie kam es dazu?“ L zuckte mit den Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen. Nur soviel: Wir wurden geprüft. Wir mussten handeln unter Extremsituationen, handeln unter Lebensgefahr, handeln mit Wunden am Körper. Diese Narbe… ist von damals… als ich noch in der Ausbildung zu ‚L’ war.“ Raito hob eine Augenbraue. Ausbildung? Ryuzaki sprach von seiner Position, als wäre es ein Beruf, den man erlernen konnte. „Mach dir keine Hoffnungen. Als ‚L’ kann man sich nicht bewerben. Man wird gefunden.“ Der Stolz in den großen Augen war nicht zu übersehen, als L sich aufsetzte und Raito ansah. „Aber doch… Das war angenehm. Können wir das wiederholen?“ „Warum nicht?“, hatte Raito gesagt, bevor er wirklich realisierte, dass er gerade zugestimmt hatte, es nochmals mit L zu tun. „W-…“ ‚Warte, Ryuzaki’, hatte er sagen wollen, doch der Ermittler war schon aus dem Badezimmer verschwunden. Das Badewasser lief noch immer, floss unbenutzt in den Überlaufschutz. Die Handschelle, die sonst um Ryuzakis Handgelenk befestigt war, hing nach wie vor am Heizungsrohr. Raito knirschte mit den Zähnen, dann drückte er sich vom Boden hoch und setzte sich auf den Badewannenrand. „Eigentlich wolltest du doch baden“, flüsterte er zu der halb aufstehenden Tür und strich sich die Haare aus den Augen. Doch nach ein paar Minuten trat der Ermittler wieder ins Badezimmer – in den Händen zwei Teller mit Kuchen. „Ich dachte, du möchtest vielleicht auch ein Stück.“ Er lächelte, wenn auch nur leicht. Aber er zeigte damit, dass er sich Raito wieder ein Stück weit geöffnet hatte. Der Braunhaarige erwiderte das Lächeln. „Gern, Ryuzaki.“ Vielleicht würde Raito doch noch etwas warten, bis er das Herz in dem Körper, der sich gerade in die Wanne sinken ließ, zum Stillstand bringen würde. Kapitel 2: Sorrow ----------------- Serie: Death Note Pairing: Matsuda x L (more or less…) Genre: Darkfic, Sad Widmung: Für die einzigen Matsuda x L-Fans, die ich kenne: Taku, Matsuda und Akito. Have fun oo Beta: Mello. Danke dir! ^_^ Authors Note: Oh Gott. Bäh. Ich mag es nicht, soviel im Vorfeld. Vielleicht mag ich es irgendwann, aber aktuell nicht. Matsuda/L ist nicht mein Pairing, wenn ich es schreiben muss. Ich mag es, aber Raito/L fällt mir leichter. Ich hab die Fanfic vor langem angefangen und sie dann brutal beendet. 13 Seiten in 6 Stunden. Ich kann nicht mehr. Sorrow Er liebte ihn. Doch wann aus diesem tiefen Respekt Liebe geworden war, das konnte er nicht mehr sagen. War es schon bevor Yagami Raito in die Ermittlungen einstieg oder erst, nachdem sich Ryuzaki mit den Handschellen an den Jungen gekettet hatte? Ein Anblick, der in ihm für einen Stich gesorgt hatte. Als er das erste Mal von L gehört hatte, war er fasziniert gewesen. Ein Mensch, der alle Fälle lösen konnte. Das klang zu gut um wahr zu sein. Und er verstand nicht, warum dieser Mensch nicht schon viel früher für Fälle eingesetzt worden war, wo er doch eine Wunderwaffe zu sein schien. Doch L erwählte sich seine Fälle gezielt – und weckte damit Matsudas Interesse. Wer steckte hinter diesem Buchstaben? Was für ein Mensch konnte so genial sein? In diesem Moment hätte Matsuda nicht geglaubt, dass er ihn einmal wirklich kennen lernen würde… Dezember 2003 „Unglaublich, oder?“ „Was?“ Aizawa sah von seinem Kaffeebecher auf und blickte über die Schreibtische zu Matsuda, dessen Euphorie schon die letzten Tage anhielt. „Dieser Auftritt von L!“ „Schon wieder dieses Thema?“ Seit Tagen begeisterte sich der wesentlich jüngere Polizist für den Auftritt Ls und dessen Herausforderung an Kira. Für Aizawa war das nichts, was zu lohnen gewesen wäre, sondern einfach Leichtsinn. Einen Täter, dessen Methode man nicht kannte, auf so eine Art und Weise zu reizen, war mehr als nur leichtfertig. In jeder polizeilichen Prüfung wäre diese Einstellung ein Grund zum Durchfallen. „Es wäre sinnvoller, wenn Sie sich ein wenig mehr auf Ihre Arbeit konzentrieren würden, Matsuda-san.“ Sie hatten genug zu tun. Mit jedem Tag sprangen mehr und mehr Kollegen von dem Fall ab. Zwar half ihnen L, indem er über Watari und seinen Laptop Informationen lieferte, aber wirklich voran kamen sie damit auch nicht. Es fehlte ihnen einfach an menschlicher Unterstützung. Aizawa neigte sich seufzend nach hinten. Außer ihm waren nur noch Mogi, Ukita, Ide und Matsuda an der Seite von Chief Yagami an dem Fall dran. Die restlichen ihrer etwa 50 Kollegen hatten gekündigt. Aus Angst, von Kira getötet zu werden. Bisher hatten sie angenommen, Kira richte nur Verbrecher. Doch mit dem Mord an 12 FBI-Agenten machte er deutlich, dass er auch jene ohne mit der Wimper zu zucken umbrachte, die sich nur gegen ihn zu stellen wagten. „Wie kommen wir so eigentlich voran?“ Aizawa hob auf Ides Frage hin den Kopf. „Was meinst du?“ „Na ja. Ich finde diese Arbeitsbedienung nicht Vertrauen erweckend. Wer sagt uns denn, dass L wirklich auf unserer Seite steht?“ „Sie haben alle einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit“, meldete sich die verzerrte Stimme aus dem weißen Laptop zu Wort. „Deshalb glaube ich an Sie.“ Matsuda konnte beobachten, wie seine Kollegen sich auf die Lippen bissen. „Aber wir glauben L nicht!“, rief Aizawa schließlich und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. „Er sitzt dort hinter seinem Laptop, während wir unser Gesicht öffentlich zeigen müssen. Wir schweben in Lebensgefahr. Unter solchen Vorraussetzungen können wir nicht mit L zusammenarbeiten!“ Watari legte die Hände auf den Rand des Laptops, doch er schien sich nicht in die Diskussion der Sonderkommissionsmitglieder einmischen zu wollen. „Wie soll man jemandem vertrauen, der nicht mit offenen Karten spielt? Immerhin war es L, der die FBI-Agenten eingeschaltet hatte. Und er war es auch, der die These mit Kiras Tötungsmethode aufgestellt hatte.“ „Das ist richtig“, warf Chief Yagami leise ein. „In der Presse wurden auch schon Stimmen laut, dass L und Kira ein- und dieselbe Person seien und alles, was bisher geschah, nur von L inszeniert sei. L.“ Der Chief wandte sich zu dem Laptop um, hinter dem Watari immer noch regungslos verharrte. „Wie Sie hören, können wir Ihnen unter der Vorraussetzung keine Zusammenarbeit anbieten. Wenn Sie uns aber Ihr Gesicht zeigen würden, dann…“ Der Polizeichef wirkte verunsichert. Er wollte nicht in diesem Ton mit L reden. Aber so konnte es auch nicht weiter gehen. Die japanische Polizei – oder das, was noch von ihr übrig war – drehte sich im Kreis. „Watari.“ Wieder die verzerrte Stimme Ls. Watari drehte den Laptop mit dem Bildschirm zu der Sonderkommission um, die sich sofort neugierig nach vorne neigte. Auf dem bis eben noch weißen Bildschirm erschienen Schriftzeichen. „Meine Herren. Was ich Ihnen nun sagen werde, hat streng geheim zu bleiben. Ich möchte mich mit Ihnen treffen. Erzählen Sie niemandem von diesem Treffen. Nicht Ihren Kollegen, Ihren Familien oder anderen Personen. Verlassen Sie nun bitte das Gebäude, um darüber zu reden, wer von Ihnen mir vertraut und wer nicht. Nur diejenigen, die mit mir zusammenarbeiten wollen, sollen den Raum wieder betreten. Ich sende Ihnen über den Computer die Bedingungen für unser Treffen und den Ort, wo ich mich aufhalte.“ Matsuda hielt unbewusst den Atem an und starrte auf die schwarzen Zeichen. L wollte sich mit ihnen treffen? L persönlich? Er würde diese Person, von der die Welt nur den Titel kannte, kennen lernen? Das konnte einfach nicht sein. Das war- Die Bewegung seiner Kollegen riss Matsuda aus seiner Träumerei heraus. „H… Hey! Wartet!“ Er griff sich gerade noch sein Jackett, dann rannte er Aizawa, der die Tür schon schließen wollte, nach. Der Ältere hatte die buschigen Augenbrauen angestrengt zusammengekniffen. Seine Schritte waren fester als sonst. Und auch die anderen wirkten deutlich nervös. Sie waren an einem Wendepunkt angelangt, dessen war sich Matsuda sicher. Mit der direkten Zusammenarbeit unter L würde es doch möglich sein Kira endlich zu stellen. Oder? „Also?“ Die Frage von Chief Yagami galt allen, obwohl er sie mehr dem Boden, als seinen Mitarbeitern gestellt hatte. „Also ich vertraue L“, antwortete Aizawa. „Uns bleibt doch eigentlich nichts anderes übrig, als zu ihm zu gehen. Ich denke nicht, dass er uns zwingend braucht. Aber wir brauchen ihn. Ohne seine Hilfe ist es unmöglich Kira das Wasser zu reichen.“ Mogi nickte zustimmend. „Also ihr könnt gehen. Ich traue diesem Kerl nicht und ich werde mich ihm nicht unterwerfen.“ Ides Stimme klang gereizt. „Geht ruhig. Ich werde euch schon nicht folgen, wenn ihr zu ihm geht. Keine Sorge.“ Matsuda blickte seinem Kollegen, der mit den Händen in den Blazertaschen das NPD-Gebäude wieder betrat, lange nach. Er verstand nicht, dass Ide L nicht treffen wollte. „Was ist mit Ihnen, Matsuda-san?“ „Eh?“ Der Angesprochene zuckte leicht und hob den Kopf wieder. „I… Ich möchte ihn treffen! Auf alle Fälle. Ich traue ihm.“ „War ja zu erwarten“, nuschelte Aizawa in seine Bartstoppeln. „Also ist es entschieden. Gehen wir zurück und sagen ihm Bescheid.“ „Ich befinde mich im Moment im Imperial-Hotel.“ „Aber-!“ Matsuda beugte sich nach vorne, neigte sich näher zu dem Laptop. „Aber das ist doch genau gegenüber von der NPD!“ „L hat uns also die ganze Zeit beobachtet. So als würde er warten, bis nur noch die übrig sind, die ihm vertrauen.“ Chief Yagami nickte. „Das ist verständlich und nur logisch. Er wusste, dass es eine undichte Stelle bei der Polizei gab.“ „Ich werde mein Hotel alle paar Tage wechseln. Zwar werden wir die Büroräume der NPD weiter nutzen, jedoch wird das Hauptquartier der Sonderkommission in mein Hotelzimmer verlegt. Die Räumlichkeiten hier dienen nur der Tarnung. Ich bitte Sie sich bewusst zu machen, dass Sie sich mit der Einwilligung mich zu treffen meinen Ermittlungsmethoden beugen und mich unter diesen Vorraussetzungen zu unterstützten haben. Wenn Sie damit einverstanden sind, teilen Sie sich bitte in zwei Teams auf und finden sich Mitternacht in meinem Zimmer ein. Lassen Sie dem ersten Team 30 Minuten Zeit. Sie alle sollten bis zum Beginn des Jahres 2004 bei mir sein. Watari wird Ihnen ein Memo mit meiner Zimmernummer übermitteln. Ich warte auf Sie.“ Matsuda konnte nicht genau sagen, was er in diesem Moment fühlte. Allein die letzten Worte bereiteten ihm Gänsehaut. L wartete auf sie. Dieser Satz hörte sich so falsch und gleichermaßen so richtig an, dass es ihn schauderte und er sich unwillkürlich auf die Lippen biss. L – der, der bisher alle Fälle problemlos alleine gelöst hatte, brauchte die Hilfe von ihnen. Die Hilfe von fünf einfachen Polizisten. Sie waren die ersten Menschen, die L persönlich trafen. „Er sagte, wir sollen uns in Gruppen aufteilen. Ich würde sagen, ich gehe mit Matsuda-san zuerst. Aizawa-san, Mogi-san und Ukita-san folgen uns dann nach einer halben Stunde. Wir warten vor dem Zimmer und gehen gemeinsam hinein. Einverstanden?“ Die umstehenden Kollegen murmelten zustimmend. Watari klappte mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen den Laptop zu und klemmte ihn sich unter den Arm. „Meine Herren. Ich werde nun schon vorgehen. Ich habe noch etwas zu erledigen. Sie entschuldigen mich.“ Schweigend sahen die übrig gebliebenen Mitglieder der Sonderkommission dem verhüllten Mann nach. Watari war ihnen nicht ganz geheuer. Anders als L war er zwar physisch da, aber dennoch nicht greifbar. Matsuda biss sich auf die Lippen. Er fand das alles furchtbar aufregend. „Kommen Sie nun, Matsuda-san. Wir wollen ihn nicht warten lassen…“ Der Mond stand hell und klar am Himmel, als Matsuda an dem gewaltigen Imperial-Hotel hochblickte. Irgendwo hinter einem dieser Fenster, welche von künstlichem Licht erhellt waren, wartete L auf sie. „Was glauben Sie, Yagami-san… Wie ist er wohl?“ Chief Yagami zuckte die Schultern leicht. „Ich habe mir keine Vorstellungen gemacht, wenn ich ehrlich sein soll. Aber wenn Sie die Frage schon stellen… Ähnlich wie Lind L. Tailor. Seriös und höflich. Ein Genie in Anzug und Krawatte.“ Matsuda lachte leise. „Ja, ich denke ähnlich, Yagami-san. Und er muss reich sein, wenn er sich so ein Hotel leisten kann…“ Der letzte Satz war nur noch halblaut dahingemurmelt, doch Yagami-san hatte seinen jüngeren Kollegen verstanden. „Geldliche Mittel sind auch ein Teil, der uns gefehlt hat. Es ist gut, dass es nun so kommt. Ich bin mir sicher, mit Ls Unterstützung schaffen wir es Kira endlich zu stellen.“ Tickend näherte sich der Minutenzeiger der 12 auf dem Ziffernblatt von Matsudas Uhr. Aizawa, Mogi und Ukita waren noch nicht aufgetaucht und bis Mitternacht blieben ihnen nur noch sieben Minuten. Wenn sie bis dahin nicht da waren, reduzierte sich die Sonderkommission auf vier Personen, wenn man Watari und L dazuzählte. Matsuda strich mit dem Fuß über den dunkelroten Teppich, der in dem Hotelflur auslag. Hatten sie es sich vielleicht anders überlegt? Chief Yagami neben ihm fixierte gebannt die Zimmernummer, doch sie stimmte mit der auf dem Memo von Watari überein: 1302. „Gott, wo bleiben- ah!“ In diesem Moment war Aizawa um die Ecke gebogen. „Entschuldigt. Wir kamen nicht mehr in den Aufzug, weil eine Mutter mit Kinderwagen bereits drin war.“ Er stoppte. „Ist es das Zimmer?“ Chief Yagami streckte die Hand nach der Türklinke aus. „Ja, das ist es… Wir sollten reingehen. Es ist bald Neujahr und er sagte, dass wir vor dem Jahreswechsel bei ihm sein sollten.“ Hinter dieser Tür, nur noch getrennt von einem Stück Holz, wartete eine Legende. Chief Yagami drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Der Raum, der sich dahinter auftat, war groß und hell eingerichtet. Zu ihrer linken stand ein kleiner Glastisch mit einer gemusterten Platte, auf der anderen Seite ein hohes Bücherregal aus Birkenholz. Der Raum endete in einem Torbogen und schien nicht mehr als ein Flur zu sein. Unsicher traten die fünf Polizisten ein. Matsuda blickte sich um, in der Hoffnung vielleicht einen Hinweis auf den großen Detektiv erhaschen zu können. Seine Augen blieben an einem Tisch hinter dem Torbogen hängen. Darauf standen zwei weiße Laptops, umgeben von Unmengen an Süßigkeiten und drei Teetassen. Der Stuhl vor dem Tisch war ein Stück nach hinten geschoben, die Kissen, die darauf lagen, leicht eingedrückt. Irgendwo in der Hotelzimmersuite hörte man leise Schritte auf dem Teppich. Schritte, die näher kamen. Matsuda hielt die Luft für einen Augenblick an und streckte die Hand bereits nach seiner Dienstmarke aus, um sich gleich angemessen vorstellen zu können. Ein Schatten fiel auf den Tisch, ehe L um die Ecke bog und vor ihnen stehen blieb. Seine Augen huschten einmal über die Anwesenden, dann winkelte er das Bein an, kratzte sich mit dem Fuß am Unterschenkel und vergrub die Hände noch ein Stück tiefer in seiner Hose. „Ich bin L.“ … Stille. Die Augen der Polizisten waren im Unglauben geweitet. Sämtliche Vorstellungen, die sie von dieser Legende hatten, waren falsch. L war weder adrett gekleidet, noch seriös – und hübsch war er auch nicht. Der Mann – oder eher Junge – der da vor ihnen stand, war groß, hager und zerzaust. Der geglaubte Anzug war ein weißes Longleeve und eine viel zu weite, blaue Jeans. Seine Haut war bleich, die Augen groß, dunkel und von tiefen Schatten umgeben, die Haare unordentlich und ungekämmt. Seine Füße waren nackt. Nein, das war mit keiner Vorstellung zu vereinbaren. Das sollte L sein? Matsuda schätzte ihn jünger, als Ukita, ja sogar jünger als sich selbst. Chief Yagami brach zuerst das angespannte Schweigen und hob seinen Ausweis. „Ich bin Chief Yagami“, sagte er mit halbwegs gefasster Stimme und die restlichen Polizisten taten es ihm gleich. Auch Matsuda streckte seinen Ausweis nach vorne und atmete tief durch. „Mein Name ist Matsuda.“ „Ich bin Aizawa.“ „Und ich Ukita.“ „Ich heiße Mogi.“ L betrachtete die Beamten vor sich ohne sich zu rühren. Dann streckte er langsam die Hand aus. Chief Yagami bewegte sich leicht, fast so, als wolle er nach vorne treten und sie ergreifen, auch wenn das Schütteln von Händen in Japan sehr unüblich war. Doch dann knickte L die hinteren drei Finger ein, streckte den Zeigefinger nach vorne und bog den Daumen nach oben. „Bang!“ „W- Was soll das?!“ Aizawa hatte die Hand zur Faust geballt. „Finden Sie das komisch?“ L neigte den Kopf nur wenige Millimeter zur Seite. „Wäre ich Kira, wären Sie nun tot, Yagami Soichiro-san“, erklärte er. „Schalten Sie nun bitte alle elektronischen Geräte, die Sie bei sich führen, aus. Sowohl Handys, als auch Laptops und Communicator. Ich möchte nicht von den Lauten eines solchen Gerätes unterbrochen werden, wenn ich mit Ihnen rede.“ Der hagere Mann wandte sich von der Sonderkommission ab und betrat den Raum hinter dem Torbogen. „Setzen Sie sich, wohin Sie möchten“, wies er die ihm folgenden Polizisten kurz an und stieg umständlich auf den Sessel, ehe er sich in gebeugter Haltung auf seine Füße setzte. Chief Yagami schluckte und nahm den Platz ein, der dem Ermittler am nächsten war. Ls dunkle Augen glitten aufmerksam über die Anwesenden. „Gut“, begann er leise, als sich alle gesetzt hatte. „Sie werden keine Notizen anfertigen und das hier Gesagte auch nicht aufnehmen. Bitte merken Sie sich, was ich Ihnen zu sagen habe. Doch bevor ich mit Ihnen rede, muss ich testen, ob nicht einer von Ihnen Kira ist.“ Matsuda konnte das schräge Lächeln auf den blassen Lippen des Ermittlers nicht wirklich deuten. Doch er fühlte sein Herz schneller schlagen. Ein Test? Ob einer von ihnen Kira war? War sich L bewusst, dass man ihn selbst für Kira hielt? „Chief Yagami, ich würde gerne mit Ihnen beginnen.“ L drückte sich von seinem Sessel hoch und blickte über seine Schulter nach hinten. „Folgen Sie mir bitte in den Nebenraum.“ „Was meint ihr?“, fragte Matsuda leise in die Runde, nachdem Chief Yagami mit L den Raum verlassen hatte. Aizawa drehte gereizt die Finger. „Ehrlich? Ich finde ihn scheußlich. So hatte ich ihn mir überhaupt nicht vorgestellt.“ „Meint ihr, er ist nur ein Double?“, wandte Ukita leise ein und starrte auf die Tischplatte. Aizawa zuckte mit den Schultern. „Ich weiß bald gar nicht mehr, was ich noch glauben kann und was nicht. Die Zeitungen sagen auch alle etwas unterschiedliches. Wenn das wirklich L ist, dann wird sich das bei den Gesprächen hoffentlich zeig-“ „Matsuda-san.“ Chief Yagami stand im Türrahmen. Er sah erschöpft aus. Matsuda schluckte schwer und erhob sich von dem Sofa. Als er den Raum betrat, stand L mit dem Rücken zu ihm und fixierte sein eigenes Ebenbild in dem gewaltigen Spiegel, der fast eine Querwand einnahm. „Sie… Sie wollten mich sprechen?“ Matsuda konnte nicht verleugnen, dass er Angst hatte. Die Stille lastete unangenehm auf seinen Schultern und dass L sich nicht rührte, machte die Sache nicht unbedingt besser. Doch schließlich sah Matsuda, wie L im Spiegel die Lippen öffnete. „Was denken Sie über Kira?“ Matsuda holte in kurzen Stößen Luft. Ausgerechnet diese Frage. „Nun…“ Nervös versuchte er auszumachen, wohin L blickte. Doch der Ermittler schien nirgendwohin zu sehen. „Ich… Ich weiß es nicht. Einerseits… Die Kriminalrate ist seitdem gesunken. Aber… er ist trotzdem ein Mörder! Und einen Mörder kann man nicht frei herumlaufen lassen. Was macht er denn, wenn es keine Verbrecher mehr gibt? Er ist einfach zu gefährlich! Ich möchte ihn stellen… Koste es, was es wolle!“ War das die richtige Antwort? Matsuda konnte es nicht einschätzen. „So…“ Ls monotone Stimme hallte leicht. „So sehen Sie das also. Nun… Dann können Sie nicht Kira sein.“ Matsuda hob eine Augenbraue, atmete aber im gleichen Moment auf. „Wie können Sie sich so sicher sein, L?“ „Nun, es ist ganz einfach. Kira würde sich selbst nicht als Mörder bezeichnen. Außerdem, mit Verlaub, Matsuda-san. Ich halte Kira für einen hochintelligenten Menschen. Das sind Sie nicht. Rufen Sie mir bitte die nächste Person herein.“ Matsuda war sprachlos. Sollte er die Worte des Ermittlers als Beleidigung auffassen? Reglos verharrte er vor der Tür, die Aizawa gerade hinter sich geschlossen hatte. Vielleicht benötigte L ihre Hilfe doch nicht so dringend, wie er geglaubt hatte. Oder… sollte er den Fehler bei sich suchen? Er war ungestüm und ein wenig tollpatschig. Aber… dumm? Matsuda biss sich auf die Lippen. Ls Worte taten weh. „Ich habe Sie alle geprüft“, begann L, als er mit Ukita den Raum verlassen und sich wieder hingesetzt hatte. „Und keiner von Ihnen ist Kira.“ Die Anspannung auf den Zügen der Sonderkommissionsmitglieder fiel augenblicklich ab. „Bevor wir weiterreden… Ich möchte Sie bitten, mich nun nicht mehr ‚L’ zu nennen. Nennen Sie mich ‚Ryuzaki’. Ich denke es ist nun an der Zeit, dass ich Ihnen meine bisherigen Ermittlungserfolge bezüglich des Kira-Falls mitteile. Ich gehe davon aus, dass Kira zum Töten den Namen und das Gesicht des Menschen braucht, den er richten möchte. Zu diesem Schluss kam ich, weil ausschließlich Personen getötet wurden, über die öffentlich im Internet oder den Medien berichtet wurde. Verbrecher, von denen entweder Name oder Gesicht geheim waren, leben nach wie vor. Der Test mit Lind L. Tailor belegte diese These noch.“ Matsuda konnte beobachten, dass Chief Yagami bei der Erwähnung des Mordes von Lind L. Tailor die Hand leicht zur Faust ballte. Jedoch unterbrach er L nicht. „Aber genügt das denn als Beweis?“, warf Aizawa fragend ein. „Es ist nur eine These. Wir können bei diesem Fall noch nicht von Beweisen reden, Aizawa-san. Ich bin mit Kiras Art zu Töten nicht vertraut.“ „Aber wenn wir einfach die Namen von Verbrechern geheim halten, dann hören die Morde doch auf!“, rief Matsuda euphorisch und war im gleichen Atemzug stolz auf seinen genialen Einfall. „Das ist Irrsinn“, unterbrach L den jungen Polizisten barsch. „Wenn wir Kira den Zugang zu den Verbrechern verwehren, wird er wahllos Menschen töten, deren Namen und Gesichter er kennt. Er wird denken: ‚Wenn ihr mir die Schuldigen versperrt, töte ich solange Unschuldige, bis ihr euch mir ergebt. Die gesamte Welt ist meine Geisel!’. So wird es sein.“ „Das klingt, als wären Sie Kira, Ryuzaki“, murmelte Aizawa. „Nein. Es ist nur so… Kira ist kindisch und kann nicht verlieren. Genau wie ich. Ich bin ebenfalls kindisch und kann es nicht ertragen zu verlieren. Das ist das, was ich genau weiß. Sie sehen… Kira hat bislang jede meine Herausforderungen unnachgiebig beantwortet. Er fürchtet sich nicht vor mir und reagiert beinahe trotzig auf mich. Und er hat deutlich gemacht, dass er selbst mit seinen Tötungsmethoden noch nicht komplett vertraut ist. Anfänglich starben die Verbrecher nur an Herzversagen, später konnten wir auch andere Todesarten zu Kiras Taten zählen. Als ich verlauten ließ, dass ich vermute, dass Kira ein Student oder ein Schüler sei, weil die Morde vorwiegend nachmittags stattfanden, starb zu jeder vollen Stunde ein Verbrecher. Damit gab er mir zwei Hinweise: Zum einen, dass er über die Ermittlungen Bescheid weiß. Zum anderen, dass er die Todeszeiten manipulieren kann. Wie, das ist mir auch noch nicht schlüssig. Ein ähnliches Verhalten bewies er auch bei den Morden an den FBI-Agenten. Dass er alle tötete, diente zur Verschleierung seiner Identität, damit ich keinen Rückschluss über einen einzelnen Agenten ziehen konnte. Aber trotzdem steht für mich fest, dass Kira einer der überwachten Personen war.“ Matsuda sah, wie sich Chief Yagami auf die Lippen biss und Aizawa ungläubig die Augenbrauen verengte. „Aus diesem Grund möchte ich eine Videoüberwachung durchführen. In den Häusern der Familie Kitamura und der Familie Yagami. Bei beiden Familien gibt es Verdächtige, die über die aktuellen Ermittlungen Bescheid wissen können und bei beiden Familien fand eine Überwachung durch das FBI statt.“ „Was wollen Sie damit andeuten, Ryuzaki?“ Chief Yagami schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, doch L ließ sich davon nicht beirren. „Die Chance, dass Kira ein Mitglied einer der beiden Familien ist, liegt bei 5%. Mir ist bewusst, dass das Überwachen illegal ist. Aber mit legalen Methoden können wir Kira nicht entgegen wirken.“ „Ryuzaki…“ Matsuda traute sich kaum etwas zu sagen. „Sie sagten, Sie hassen es zu verlieren…. Aber, dass Sie sich uns nun zeigen…“ „Ja“, unterbrach L Matsuda direkt und kratzte sich mit den langen, schmalen Fingern an seinem Knie. „Sowohl, dass ich mich Ihnen zeigen musste, als auch die Ermordung der FBI-Agenten sind eine Niederlage für mich. Aber wir werden weiterkämpfen. Es ist auch für mich das erste Mal, dass ich in einem Fall mein Leben riskiere. Wir werden beweisen… dass Gerechtigkeit siegt.“ Die blassen Lippen des Ermittlers hoben sich zu einem schiefen Grinsen. Es sah nicht hübsch aus und wirkte auf den kranken Zügen Ls sehr fehl am Platz. Aber irgendwie schürte dieses Lächeln den Mut in den anwesenden Polizisten. „Ja… Für die Gerechtigkeit!“, sagten Aizawa und Matsuda zeitgleich. „Ah.“ Ein gleich bleibendes Piepsen unterbrach die kurze Euphorie, die über die Polizisten hereingebrochen war. „Entschuldigen Sie…“ L zog mit spitzen Fingern sein Handy aus der viel zu weiten Jeans und hielt es sich ans Ohr. „Ja?“ „Und zu uns sagte er, wir sollen die Handys ausschalten“, murmelte Ukita zu Aizawa. „Ja, wir sind fertig. Sie können hochkommen. Sie haben ja den Schlüssel.“ L drückte die Unterhaltung weg und sah zu den Polizisten. „Watari wird gleich kommen. Er wird etwas mitbringen, was ich Ihnen noch zu geben habe.“ Watari. Die Anspannung kehrte zurück und Matsuda fühlte, wie er wieder nervös wurde. Nicht nur L, sondern auch Watari? Die einzige Kontaktperson, die es zwischen L und der Öffentlichkeit gab? Was für eine Person würde er sein? „Guten Abend, meine Herren.“ Der ältere Mann mit dem grauen Schnauzbart zog höflich seinen Hut und verneigte sich. „Keine Verkleidung ist auch eine Verkleidung. Wir wollen doch nicht, dass man erfährt, dass Ryuzaki in diesem Hotel ist. Dass ich mich Ihnen zeige, ist ein weiterer Beweis dafür, dass Ryuzaki Ihnen vertraut.“ Während Watari diese wenigen Worte an die Sonderkommission richtete, blickte Matsuda zu L, der den Blick angespannt auf seine Vertrauensperson gerichtet hatte. ‚Er ist schrecklich dünn.’ Matsuda konnte nicht sagen, woher der Gedanke eigentlich kam, aber es war das Erste, was ihm einfiel, als er auf den schlanken Ermittler sah. „Ryuzaki hat mich gebeten diese für die anfertigen zu lassen. Es sind falsche Dienstausweise.“ Chief Yagami nahm eine der Dienstmarken hoch und betrachtete sie. „Name und Rang wurden geändert“, erklärte Ls ruhige Stimme. „Da wir davon ausgehen, dass Kira den Namen braucht, dient es nur zu Ihrer eigenen Sicherheit. Und noch etwas… Diese Gürtel, die Watari Ihnen überreichet hat, haben eine besonders angefertigte Schnalle. Wenn Sie zweimal darauf drücken…“ „…klingelt mein Handy“, ergänzte Watari und hielt sein klingelndes Gerät zur Vorführung hoch, nachdem er zweimal fest auf die Gürtelschnalle gedrückt hatte. „Wow!“, rief Matsuda begeistert und legte den Gürtel um seine Hüfte. „Das ist ja wie in einem Spionagefilm!“ „Matsuda! Das ist kein Spiel! Bleiben Sie bitte ernst!“ Matsuda ließ die Schultern hängen. Dass Chief Yagami ihn so anherrschte, damit hätte er nicht gerechnet. Vor allem… vor L. „Wegen der Überwachung wird Watari Sie noch kontaktieren. Wir werden sie in zwei Teams vornehmen: Yagami-san und ich überwachen die Familie Yagami. Die restliche Sonderkommission kann sich die Überwachung der Familie Kitamura teilen.“ Matsuda starrte auf seine Fingerspitzen. „Vorerst werden wir die Überwachung eine Woche laufen lassen. Danach wird sich entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“ Wenn er ehrlich war, hätte Matsuda lieber mit L zusammengearbeitet. Aber es war verständlich, dass Chief Yagami die Überwachung seiner Familie selbst vornehmen wollte. „Darf ich fragen… wer von meiner Familie verdächtigt wird?“ L zupfte in Gedanken versunken an einem seiner schwarzen Haare und ließ sich mit der Antwort von Chief Yagamis Frage bewusst Zeit. „Ist das nicht offensichtlich? Ihr Sohn ist hochintelligent, ein Schüler und er hatte Zugang zu den Ermittlungen. Überwacht wurde er von Raye Penber. Allerdings überwachte Penber auch noch andere Personen, die ähnliche Fähigkeiten aufwiesen. Deshalb kann ich mich nicht klar auf Ihren Sohn festlegen. Jedoch liegt die Wahrscheinlichkeit, dass er Kira ist, derzeit bei 2%. Wir werden sehen, was die Überwachung bringt.“ Als die Sonderkommission das gewaltige Hotel verließ, war die Stimmung gedrückt. Der Zeiger der nahe liegenden Turmuhr rückte tickend auf drei Uhr nachts zu. Chief Yagami hatte die Hände in seinen Taschen vergraben und sagte nichts. Die Tatsache, dass L seinen Sohn verdächtigte, hatte die Sonderkommission zu einem bedrückten Schweigen gebracht. Matsuda kaute nachdenklich an seiner Lippe. L war so ganz anders, als er ihn sich vorgestellt hatte. Er war nicht hübsch, indiskret, direkt, egozentrisch und unhöflich. Und trotzdem faszinierte er ihn. Sie brauchten diesen Menschen. Ohne seine Hilfe war es unmöglich Kira noch zu stellen. Das wussten alle Anwesenden. Selbst Aizawa. Januar 2004 „Stellen Sie den dort ab“, kommandierte L und deutete auf einen freien Tisch. Laut seiner Aussage hatte Watari am Vortag die Kameras in den zu überwachenden Häusern angebracht. Ukita war zur Tarnung im Hauptgebäude der NPD geblieben und übernahm den Telefondienst. Die restlichen Mitglieder der Sonderkommission kümmerten sich um die Überwachung der Familien Yagami und Kitamura, sowie um die Auswertung der Überwachungsbänder von Raye Penbers letzten Stunden. Und L saß auf seinem gestreiften Stuhl und kommandierte die Anwesenden im Raum herum. Vor ihm auf einem kleinen Tisch stand ein Teller mit Erdbeerkuchen und eine Tasse Tee. Den arbeitenden Polizisten hatte er nichts angeboten. „Er ist ganz schön unverschämt“, nuschelte Aizawa über den Monitor, den er gerade aufstellte, hinweg. Matsuda gab ein undefinierbares Knurren als Antwort von sich. Es störte ihn nicht, dass L sie arbeiten ließ, während er in aller Ruhe seinen Kuchen verspeiste. Der junge Mann hatte bereits einen enormen Beitrag zur Lösung des Falles geleistet und würde noch mehr leisten, nachdem er die Arbeit mit der Sonderkommission nun aufgenommen hatte. Aber Matsuda war schon früh aufgefallen, dass Aizawa persönliche Unstimmigkeiten mit dem Ermittler und dessen Methoden hatte. „Das sind die Aufnahmen der Überwachungskameras in der U-Bahn-Station, in der Raye Penber das letzte Mal lebend gesehen wurde“, erklärte L und beugte sich über eine Kiste. „Wir werden jede einzelne durchsehen und auf eventuelle Auffälligkeiten achten.“ Matsuda sah auf die unzähligen Videobänder in der Kiste und schluckte schwer. Es würde ewig dauern, bis sie die alle durchgesehen hatten. Alle im Raum schliefen. Aizawa lag quer auf dem Sofa und hatte die Augen geschlossen. Chief Yagamis Kopf war nach vorne gekippt und Mogi hatte sich auf dem Boden eingerollt. Vorsichtig und mit vor Müdigkeit tränenden Augen stieg Matsuda über seinen Kollegen und ging zu den flimmernden Monitoren, die als einzige noch den Raum erhellten. L saß mit eng angewinkelten Beinen auf seinem Stuhl. Ein Daumen ruhte an seinen Lippen, sein Kopf war nach vorne geneigt und die großen, dunklen Augen waren geschlossen. Matsuda lächelte leicht. Der Ermittler wirkte friedlich. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ihm die Augen zugefallen sein würden. Von allen hatte er am meisten gearbeitet und war am längsten wach geblieben. Matsuda hatte mittags bereits vier Stunden geschlafen, damit er für die Nachtschicht, für die auch L eingeteilt war, fit war. Aber Aizawa hatte ihm später gesagt, dass der Ermittler keine Minute geruht hatte. So leise wie möglich ließ sich Matsuda neben L nieder und sah ihn einfach nur an. Die dünne Brust unter dem weißen Longleeve hob und senkte sich in langen Abständen. Die Augenlider flatterten leicht, öffneten sich aber nicht und ab und an gab er ein ganz leises Geräusch von sich. Matsuda unterdrückte den Drang ihm durch die dichten, schwarzen Haare zu streicheln und sah stattdessen auf die Monitore. Vielleicht fand er einen Hinweis, der bisher noch keinem aufgefallen war. Er wollte L beweisen, dass er ein fähiger Mitarbeiter war. „Hmm…“ Die großen, schwarzen Augen des neben ihm Sitzenden öffneten sich. „Oh… Sie sind wach, Ryuzaki?“ „Hm…“ Wach war etwas anderes. Nur wenige Sekunden, nachdem sie sich geöffnet hatten, waren die dunklen Augen wieder geschlossen. Selbst wenn er wach zu sein versuchte, sein Körper brauchte den Schlaf dringend. „Es ist in Ordnung. Ruhen Sie sich aus, ich… arbeite solange weiter…“, flüsterte Matsuda. Aus der Nähe war L gar nicht so hässlich. Seine Nase war ein wenig zu groß für seine Züge, aber seine Lippen waren sehr schmal und seine schwarzen Haare glänzten im Licht des flimmernden Monitors. Sie sahen weich aus. Aber Matsuda wagte nicht die Hand auszustrecken und es fühlend zu testen. Ein leises Rascheln schreckte Matsuda auf. Aizawa stand nah hinter ihm und blickte auf den zusammengesunkenen Körper neben Matsuda. „Wusste gar nicht, dass er auch schlafen kann…“ „Er saß so da, als ich aufgewacht bin… Er ist auch nur ein Mensch, Aizawa-san.“ „Davon merkt man im Allgemeinen wenig. Würden Sie dem Chief sagen, dass ich für heute nach Hause fahre? Meine Frau vermisst mich sicherlich schon schmerzlich…“ Matsuda nickte. Natürlich. Aizawa und Chief Yagami hatten immerhin Familie. Und trotzdem verbrachten sie Tage und Nächte hier, um die Ermittlungen weiter zu treiben. Ähnlich wie… „Schlafen Sie gut, Aizawa-san.“ Matsuda hatte nicht gemerkt, dass L neben ihm aufgewacht war und nun aufmerksam nach hinten sah, bis Aizawa das Gebäude verlassen hatte. Die Uhr auf dem Laptop zeigte, dass es bereits nach vier Uhr war. Eine unangenehme Stille lag in der Luft. Matsuda wusste nicht, was er sagen konnte, was er hätte sagen sollen. Doch L kam ihm zuvor. „Ich danke Ihnen, dass Sie mich nicht geweckt haben. Ich habe nicht gemerkt, dass ich überhaupt eingeschlafen bin. Ab und an nimmt sich mein Körper wohl die Ruhe, die ich ihm nicht gönne.“ Jeder normale Mensch hätte am Ende dieser Aussage gelacht. L stattdessen richtete seinen Blick wieder auf den Monitor und fixierte das Bild Raye Penbers, der gerade eine U-Bahn bestieg. Matsuda seufzte leise. Das war ein sehr unglücklicher Versuch einer Kontaktaufnahme… „Der Umschlag!“, rief L so plötzlich, dass sich Mogi an seinem Kaffee verschluckte und prustend das Sofa besprenkelte. „Was für ein-“, begann Aizawa, doch L unterbrach ihn sofort. „Als er die U-Bahn betritt, hält er einen Umschlag in den Armen. Beim Aussteigen hat er ihn jedoch nicht mehr. Das heißt, er muss ihn im Zug gelassen haben.“ Ein wenig ratlos blickten die Sonderkommissionsmitglieder auf die schwarzen Wuschelhaare, unter denen man das hochintelligente Gehirn förmlich rattern hören konnte. „Während er stirbt, dreht er sich zu der schließenden Zugtür. Als würde er jemanden mit aller Kraft ansehen wollen… Es könnte sein, dass Kira im Zug war und den Umschlag an sich genommen hat.“ „Ist Ihnen klar, was Sie da behaupten, Ryuzaki?“ „Ja. Dass Kira sich nach draußen gewagt hat. Vielleicht konnte eine der Kameras ihn filmen…“ Kira, der am helllichten Tag in einer U-Bahn-Station umherlief und seine Opfer persönlich ins Jenseits schickte? Diese Aussage war nicht nur gewagt, sondern auch noch… unglaubwürdig? Aber wie konnte etwas unglaubwürdig sein, was aus diesem Mund kam? Wenn L sagte, dass Kira dort war, dann war Kira auch dort gewesen. Oder nicht…? Februar 2004 Sie kamen voran. So weit, dass sie bei Null anfingen, als die Überwachung der Familien abgeschlossen war und L verkündet hatte, dass er immer noch einen leichten Verdacht gegen Chief Yagamis Sohn hatte. Die Stimmung wurde mit jedem Tag gereizter und Matsuda rechnete mit einer Auseinandersetzung zwischen Ryuzaki und Aizawa, die sich mit jeder Stunde im gleichen Raum in neue Missverständnisse verrannten. „Sie können nicht wahllos Ihre Mitarbeiter beleidigen, Ryuzaki! Ist Ihnen bewusst, was Sie mit Ihren wilden Mutmaßungen anrichten?!“ Aizawas flache Hand landete zum zweiten Mal auf dem Tisch und Matsuda zuckte, während L sich nicht einmal bemühte überhaupt von seinem Kuchen aufzusehen. „Wir kommen in diesem Fall nicht voran, wenn wir alle Familienmitglieder unter einen Sonderschutz stellen. Angenommen Yagami Raito ist Kira, sollen wir dann von einer Verhaftung absehen, nur weil er Chief Yagamis Sohn ist?“ „Wollen Sie vielleicht auch noch meine Tochter verdächtigen?! Sie ist erst vier, aber sie KÖNNTE ja Kira sein!“ „Aizawa-san, bitte…“ Matsuda fühlte sich unwohl. Chief Yagami und Mogi waren nicht da, sie waren bei Ukita in der Zentrale. Aber er wusste nicht, wie er den Streit schlichten konnte. „Halt dich da raus, Matsuda! Du wirst ja nicht für einen Massenmörder gehalten!“ „Ich vermute auch nicht, dass irgendein Mitglied der Sonderkommission Kira sein könnte, Aizawa-san.“ „Aber die Familien sind nicht besser! Und Sie haben nicht einmal soviel Taktgefühl, um zu warten, bis Chief Yagami aus dem Raum ist!“ „Ihm nichts zu sagen ist auch keine Schonung, Aizawa-san. Er hat sich der Suche nach Kira verschrieben, er muss damit rechnen.“ „Machen Sie doch, was Sie wollen, Ryuzaki. Ihre Methoden waren mir von Anfang an suspekt! Jemand der indirekt töten lässt ist auch nicht besser als Kira!“ Die Tür zu dem großen Hotelzimmer schlug zu. Matsuda holte tief Luft, dann sah er L an, der zusammengesunken in seinem Sessel kauerte. „Keine Sorge, Ryuzaki-san. Aizawa muss sich nur beruhigen, er kommt sicherlich-“ „Es ist egal, ob er zurückkommt oder nicht. Im Grunde brauche ich keinen von Ihnen. Es ist lediglich eine Zeitersparnis, die mir diese Zusammenarbeit bringt. Je eher ich Kira gestellt habe, desto eher hören diese Morde auf. Das ist alles…“ Der hagere Mann hatte sich erhoben und drängte sich an Matsuda vorbei. Doch noch ehe der Polizist wirklich wusste, was er tat, hatte er die Hände auf die dünnen Schultern gelegt und den Ermittler zurückgedrückt. „Was reden Sie denn da, Ryuzaki? Wir riskieren alle unser Leben in diesem Fall… Wie können Sie sagen, dass Sie uns gar nicht brauchen? Wir haben rund um die Uhr hier geschuftet und Sie unterstützt, wo wir nur konnten… Das kann doch nicht umsonst gewesen sein!“ L regte sich nicht. Er fixierte den Boden zu seinen Füßen, doch Matsuda fühlte das stete Zittern unter seinen Händen und ließ rasch los. „Es tut mir leid. Ich… Ich wollte Sie nicht berühren… Ich war nur so… Es… Es ist enttäuschend so etwas auch noch von Ihnen zu hören. Meine Kollegen trauen mir in diesem Fall schon nichts zu, ich-“ „Danke.“ „Eh?“ „Danke…“ L hob den Kopf und sah Matsuda an. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen. „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihnen diese Zusammenarbeit überhaupt so wichtig ist, Matsuda-san. Ich hielt es für eine Zweckgemeinschaft, bei dem jeder von dem Wissen oder den Fähigkeiten des Anderen profitiert. Ich weiß, dass Interpol und die japanische Polizei auf meine Unterstützung angewiesen ist. Aber ich hätte nicht gedacht, dass diese Symbiose auch auf einer anderen Ebene wichtig sein kann. Ich kann Sie beruhigen, Matsuda-san. Ich glaube an Sie. Sie sind ein guter Polizist, nur ein wenig unerfahren und zu ungestüm, wenn es an Überlegungen geht.“ Als Matsuda an diesem Abend das Hotel verließ, hatte er ein warmes Gefühl in der Magengegend. Mit Ryuzakis Hilfe würden sie es schaffen. Sie würden Kira stellen und ihn seiner gerechten Strafe überführen! Ganz sicher! Aber… Warum fühlte er sich in Ryuzakis Nähe eigentlich so wohl…? April 2004 Ende April, etwa fünf Monate nach Beginn des Kira-Falls, änderte sich etwas. Die Stimmung kippte und die Ermittlungen kamen voran, doch die Opfer für diesen Erfolg waren groß. „Sehr geehrte Zuschauer. Wir alle sind Kiras Geiseln. Heute Nachmittag erhielten wir per Post einen Umschlag mit vier Tonbändern. Wir werden nun das erste abspielen, wie es Kira in seinem Schreiben befohlen hat.“ Keiner der Anwesenden sagte ein Wort. Jeder Blick war auf den flimmernden Monitor gerichtet, auf dem nach kurzer Zeit das Wort ‚Kira’ erschien. Die Stimme, die sprach, war verzerrt und technisch verändert worden, sodass man nicht mehr auf das Geschlecht des Sprechers schließen konnte. „Ich bin Kira. Ich habe vor diese Welt besser zu machen und sie von Verbrechern zu befreien. Doch bevor ich meine Forderungen stelle, werde ich beweisen, dass ich wirklich Kira bin.“ „Forderungen…?“ Matsuda legte die Hand auf die Rückenlehne des Stuhls, auf dem L saß und beugte sich ein Stück näher Richtung Fernseher. „Er wird fordern, dass sich die Polizeieinheiten aus den Ermittlungen gegen ihn heraushalten sollen. Wir haben nun eine kritische Phase erreicht. Aus Angst vor Kira wagen viele nicht mehr überhaupt gegen ihn zu agieren. Das heißt, uns werden Unterstützungen verwehrt, die wir eigentlich bräuchten. Ich-…“ L unterbrach seine kurze Rede abrupt. Auf Kiras Anweisungen hin hatte Watari auf dem zweiten, aufgestellten Fernseher auf Taiyo TV geschaltet. Einer der Moderatoren war gerade auf seinem Schreibtisch zusammengesackt. „Herr Hibima Kazuhiko hat Kira in seinen Nachrichten als ‚böse’ bezeichnet. Solch eine Beleidigung gegen mich konnte ich nicht dulden. Wenn Sie auf NHN schalten würden, dort wird Kumaizuma Seiji gleich auf dieselbe Weise gerichtet werden.“ „Das ist doch… Wie kann er jemanden töten, der nur seine Meinung gesagt hat? Das hat er doch sonst nie…“ „Nun, Matsuda-san. Das könnte daran liegen, dass es sich hierbei nicht um den Kira handelt, den wir die ganze Zeit verfolgt haben.“ Chief Yagami sog die Luft scharf ein. „Was wollen Sie damit sagen, Ryuzaki? Sie meinen doch nicht etwa…“ „Doch. Hierbei handelt es sich um einen zweiten Kira.“ Ein zweiter Kira. Noch eine Person, die nur mit Hilfe des Namens und des Gesichtes töten konnte. Noch ein weiterer Massenmörder, während sie den ersten noch nicht gestellt hatten. Matsuda hatte das Gefühl, als täte sich unter seinen Füßen ein Loch auf. Wie stellte sich L die weiteren Ermittlungen vor? Sie waren immer noch nicht weiter. Und jetzt tauchte noch ein zweiter Kira auf… „Wir müssen diese Bänder sichern! Sakura TV darf nicht weitersenden!“ Bewegung war in den dürren Leib Ls gekommen. Ohne, dass Matsuda es gemerkt hatte, war er aufgestanden. Ukita hielt bereits die Schlüssel seines Autos in den Händen. „Ich werde zum Sender fahren und die Aufnahmen sichern!“, teilte er mit und drehte den Anwesenden den Rücken zu. „Sie haben nun gesehen, dass ich wirklich Kira bin. Meine Forderungen sind Folgende: Die weltweiten Polizeieinheiten sollen mit mir kooperieren. Wir wollen beide, dass diese Welt von Verbrechern gesäubert wird. Wenn wir das gleiche Ziel verfolgen, sollten wir nicht gegeneinander arbeiten. Des Weiteren verlange ich, dass sich die Person, die die Welt als ‚L’ kennt, im öffentlichen Fernsehen zeigt, damit ich über ihr Schicksal entscheiden kann. ‚L’ hat sich aufs Massivste gegen Kira gestellt und ihn beleidigend herausgefordert. Ich erwarte die Antwort auf meine Forderungen in vier Tagen.“ Matsuda hatte der weiteren Rede des zweiten Kiras nur mit einem Ohr zugehört, doch die letzte Information hatte sich in sein Gehirn gefressen. Kira 2 würde über L richten. Das hieß… Er würde ihn töten. Matsudas Blick fiel auf den weiß gekleideten Rücken des Ermittlers. Würde er wirklich in vier Tagen sterben? „Wie Sie sehen, haben wir erfüllt, was Kira in seinem Brief an uns forderte. Nun… Halt, was ist das? Da fährt ein Auto vor! Schaltet auf die Außenkamera!“, ertönte die helle Stimme einer Reporterin. „Das ist Ukita!“ „Endlich. Dann haben wir die Bänder bald in den Händen.“ Ukita war ausgestiegen und ging mit raschen Schritten auf die Tür zum Sendegebäude zu. Der Ton war zu leise, aber sie konnten sehen, dass er dem Mann hinter der Glastür etwas zurief. Und dann… Ganz plötzlich griff er sich an die Brust. L drehte sich um und fixierte den Bildschirm wieder. Ukitas Augen waren weit aufgerissen. Seine Hand rutschte an seinem Oberkörper nach unten zu seinem Gürtel, doch dann verließ ihn die Kraft und er sackte vor den Glastüren zusammen. „Vor dem Gebäude ist gerade eine Person kollabiert!“ „Was hat das zu bedeuten, Ryuzaki?!“, polterte Aizawa und ging mit raschen Schritten auf den Ermittler zu. „Sie sagten, Kira bräuchte zum Töten Name UND Gesicht. Er konnte Ukitas Namen nicht wissen, weil SIE uns versichert haben, dass Sie dafür gesorgt hätten, dass niemand mehr an die wirklichen Namen der Sonderkommissionsmitglieder gelangen kann. Warum also ist er tot?!“ „Ich weiß es nicht… Es ist möglich, dass Kira 2 vor Ort ist und… dass er nun nicht mehr Name und Gesicht benötigt, sondern nur noch mit Hilfe des Gesichtes töten kann. Das würde erklären, warum er mich im Fernsehen sehen will… Das…“ „Reden Sie doch keinen Unsinn! Ich fahre jetzt dahin und hole diese verdammten Bänder! Wenn Kira wirklich vor Ort ist, ob nun der erste oder der zweite, dann werde ich ihn schnappen!“ „Bleiben Sie hier…“ „Wozu? Sie sagten doch, dass wir alle bereit sein müssen unser Leben zu riskieren!“ „Sein Leben zu riskieren und sein Leben leichtfertig wegzuwerfen ist ein Unterschied. Wir haben bereits Ukita-san verloren. Wir können es uns nicht leisten auch noch Aizawa-san zu verlieren…“ Sie waren alleine. Selbst Watari hatte das Hotelzimmer verlassen. Matsuda ließ sich neben L nieder und stellte die beiden Teetassen in seinen Händen auf den Tisch. „Machen Sie sich keine Vorwürfe, Ryuzaki. Sie trifft keine Schuld. Wer hätte denn… damit rechnen können.“ „Ich muss mir etwas überlegen. Ich befürchte, wenn wir Kiras Forderungen nicht nachkommen, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als mich im Fernsehen zu zeigen. Ich kann keinen Doppelgänger schicken, weil es früher oder später auffallen würde, wenn ich danach noch weiterhin agiere. Und ich brauche die Öffentlichkeit bei meiner Arbeit. Wenn… Wenn ich nicht weiß, wie ich gegen Kira 2 vorzugehen habe, dann bin ich in vier Tagen nicht mehr am Leben.“ Matsuda schwieg und betrachtete die Person neben sich. Es war seltsam, dass L überhaupt über Gefühle redete. Dass er sie ihm anvertraute. Aber er hatte Angst um sein Leben. Wie jeder Mensch. „Sie… Sie werden nicht sterben, Ryuzaki“, warf Matsuda unbeholfen ein, ehe er vorsichtig den Arm um die dünnen Schultern legte. „Das lasse ich nicht zu… Ich lasse… Sie nicht sterben.“ Matsuda hörte ein leises Nuscheln, dann spürte er die Haare des Ermittlers an seinem Hals. L hatte sich an ihn gelehnt, doch sein Körper war vor Anspannung verkrampft. Matsuda lächelte leicht. „Sie hatten nicht viel Kontakt mit Menschen, oder…?“ „Im Grunde schon. Millionenfach. Aber nie persönlich.“ „Entschuldigen Sie, wenn es taktlos klingt… Aber… Das… merkt man.“ „Hnn…“ L schmunzelte, dann legte er die Hände auf seine Knie und blickte nach oben, bis er die Augen des Polizisten gefunden hatte. „Sie scheinen der Einzige zu sein, der mich als Menschen sieht, Matsuda-san.“ „Als was sehen Sie denn die anderen, Ryuzaki?“ Matsuda hob verwirrt eine Augenbraue, während L den Kopf wieder senkte und gegen seine Schulter lehnte. „Als Maschine.“ Mai 2004 „Ich werde Yagami Raito in die Ermittlungen mit einbeziehen“, verkündete L über einem Stück Kuchen und sah Chief Yagami dabei herausfordernd an. „Seine Fähigkeiten könnten uns in diesem Fall eine große Hilfe sein.“ „Was ist mit den Forderungen, Ryuzaki?“ „Oh, machen Sie sich keine Sorgen, Yagami Soichiro-san. Ich weiß bereits, wie ich gegen Kira 2 vorgehen werde.“ Sie hatten die Videoaufnahmen sicherstellen können. Und an ihnen befand sich wichtiges Beweismaterial. Fehler, die sich Kira selbst nicht erlaubt hätte und die die These eines zweiten Kiras bestätigten. Und… Noch etwas war durch die kleinen Beweise deutlich geworden: Kira 2 war allen Vermutungen nach eine Frau. Es war an der Zeit zu handeln. Matsuda konnte sich mit dem Gedanken den Sohn des Chiefs in die Ermittlungen einzubeziehen, nicht anfreunden. Nicht, dass er etwas gegen den jungen Yagami hatte. Aber irgendein ungutes Gefühl ließ ihn gegen diese Entscheidung Ryuzakis sein. Wenn Yagami Raito die Sonderkommission unterstützte, würde sich Ryuzaki dann nur noch mit ihm beschäftigen? Matsuda hatte mit seiner Vermutung nicht falsch gelegen. Vom ersten Tag an, an dem Yagami Raito in der Ermittlungszentrale ein und aus ging, arbeitete er mit Ryuzaki effizienter zusammen, als die ganze Sonderkommission in dem vergangenen halben Jahr. „Wir werden unsere Ermittlungszentrale verlegen… Die Hotelzimmer sind zu unsicher. Sehen Sie her…“ Auf dem weißen Laptop war das Bild eines gewaltigen Wolkenkratzers zu sehen. „Zwanzig Stockwerke, ein Helikopterlandeplatz auf dem Dach, Keller und die höchste Überwachungsstufe. Videokameras und Wanzen in allen Räumen, sowie ein zentraler Raum, in dem alle Aufnahmen abrufbar sind.“ „Das kostet doch sicher ein Vermögen…“ „Das spielt keine Rolle. Wir gehen effizient gegen Kira vor. Da sollten wir an unserer Unterkunft nicht sparen.“ Juni 2004 „Ich möchte Yagami Raito einem weiteren Test unterziehen“, verkündete L eines Abends, als Aizawa, Mogi und Raito gerade die neue Ermittlungszentrale verlassen hatten. „Sie verdächtigen meinen Sohn also immer noch?“ „Ja.“ „Und… Wie möchten Sie ihn testen?“ „Ich möchte, dass er sich zu einer freiwilligen Untersuchungshaft bereit erklärt. Ich werde ihn in dieser Zeit streng beobachten. Sollten weitere Morde stattfinden, während er inhaftiert ist, sinkt die Verdächtigungsrate natürlich.“ „Das ist… Warum ausgerechnet mein Sohn, Ryuzaki?“ „Es ist nichts Persönliches, Yagami-san. Es ist nichts Persönliches… Gut. Feierabend für heute. Ich möchte den morgigen Tag vorbereiten. Sie können mit Ihrem Sohn darüber reden, aber ich denke, es wird nichts ändern. Ich habe ihm bereits selbst gesagt, dass ich ihn verdächtige. Gute Nacht.“ L stand auf und klappte den weißen Laptop zu, während Chief Yagami seine Tasche schloss. Matsuda rührte sich nicht. Ryuzaki verdächtige Raito? War er deshalb so an dem Jungen dran? Dann… bestanden vielleicht doch noch Hoffnungen? Matsuda war sich mittlerweile ziemlich sicher, was seine merkwürdigen Gefühle zu bedeuten hatten. Er empfand etwas für Ryuzaki. Was genau, das wusste er nicht. Vielleicht tiefe Bewunderung. Vielleicht… mehr? „Ich… Ich glaube, dass ich Kira sein könnte“, sagte der braunhaarige Student leise und streckte seine Hände nach vorne. „Raito!“ „Es ist so, Vater. Ich habe oft den Gedanken gehabt, dass Verbrecher doch einfach sterben sollten… Vielleicht bin ich Kira ohne es selbst zu merken. Ich… beginne Angst vor mir selbst zu haben. Deshalb werde ich Ryuzakis Vorschlag annehmen und mich einsperren lassen. Es ist sicherer für alle, nehme ich an, wenn mir die Hände gebunden sind.“ Mit einem Schlag hatten sie Kira 1 und 2 festgenagelt. So war es jedenfalls, wenn man den Verdächtigungen Ryuzakis Glauben schenkte. Kira 2 war seiner Aussage nach das Modell Amane Misa. An den Videobändern hatte er Faserreste und Katzenhaare sichergestellt und sie stand in Kontakt mit Yagami Raito, war laut ihrer eigenen Aussage seine Freundin. Wenn Yagami Raito Kira war, dann fehlte ihnen jetzt eigentlich nur noch… der Beweis. Matsuda ließ sich nach hinten sinken und beobachtete, wie Aizawa Raito in seine Zelle führte, während L mit Chief Yagami den Raum verließ. Innerhalb weniger Wochen hatten sie beide Kiras Dingfest gemacht. Aber im Grunde brachte es ihnen nichts. Es fehlte nach wie vor der entscheidende Beweis oder eine Aussage, damit die Verdächtigungen auch vor Gericht Gewicht hatten. Ohne Beweise hatten sie keine Chance. L kehrte allein in den Überwachungsraum zurück und ließ sich ohne Umschweife neben Matsuda nieder. „Wo ist… der Chief?“ „Er hat sich bereit erklärt sich ebenfalls einsperren zu lassen. Er sagte, sein Sohn solle diese Last nicht alleine tragen. Nun, die nächsten Tage können wir nur abwarten und beobachten, ob einer der beiden etwas sagt, was uns zur Lösung des Falles weiterhelfen könnte.“ „Sie sind sich sicher, dass Sie mit ihren Vermutungen richtig liegen?“ L nickte, dann zog er Matsudas Teetasse zu sich und nahm sie in die Hände, ehe er daran nippte. „Ich bin mir absolut sicher. Früher oder später wird es sich beweisen. Hm…“ Er senkte die Tasse und verzog das Gesicht. „Zu wenig Zucker…“ „Das ist auch meine Tasse“, sagte Matsuda und nahm sie ihm wieder aus der Hand. Ls Finger fühlten sich kalt an. „Ryuzaki?“ „Hm?“ „Darf ich Sie… etwas fragen?“ „Fragen dürfen Sie immer. Ob ich antworte, entscheidet die Frage.“ „Machen Sie… diese Arbeit gerne? Also… sind Sie gerne ‚L’?“ Nachdenklich legte der junge Mann den Kopf in den Nacken und sah an die Decke. „Ja. Diese Position ist… Nun, sie ist mein Lebensinhalt.“ „Wollten Sie nie Familie oder Kinder?“ Ein paar verständnislose, schwarze Augen musterten Matsuda beinahe vorwurfsvoll, doch dann schüttelte L rasch den Kopf. „Nein, wollte ich nie. Ich habe einfach kein Interesse daran… Und ich bezweifele, dass ich mich ein Leben lang an einen Menschen binden könnte. Vielleicht an eine Person, die mir ebenbürtig wäre…“ Er gab ein kurzes Geräusch von sich, das Matsuda erst zu spät als ein Lachen registrierte. Verlegen hatte er den jungen Mann angestarrt. Was musste das für ein Leben sein, wenn man nach außen hin nur ein Buchstabe und eine Position war? Matsuda, der sich L immer als lebende Legende vorgestellt hatte, registrierte langsam seinen Denkfehler. Ryuzaki mochte hochintelligent, weltweit bekannt und angesehen sein… Aber dafür gab es einfache Dinge im Leben, die er nicht erlebt hatte… Und die er vielleicht auch gar nicht erleben durfte. „Das heißt… Sie… Sie hatten noch nie irgendwelche… Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht? Ent… Entschuldigen Sie, das ist wirklich taktlos.“ L schüttelte langsam den Kopf. „Es ist in Ordnung, Matsuda-san. Wenn Sie schon fragen… Nein, hatte ich nicht. Es fehlte einfach der Impuls dazu.“ „Ryuzaki…“ „Wie lange sind die drei nun schon inhaftiert?“ „Etwa drei Wochen. Und es gab keine neuen Kira-Morde.“ „Also ist es bewiesen, dass Yagami Raito Kira und Amane Misa Kira 2 ist.“ „Wir werden noch warten“, zischte L leise und beugte sich näher über die Monitore, die die Zellen der Gefangenen zeigte. Matsuda blickte verunsichert auf den blassen Nacken des Ermittlers. Warum wollte er warten? Das hier war doch der Beweis, den sie alle so lange gesucht hatten. Warum stellte sich nun L selbst dagegen…? Matsuda ahnte etwas, aber er wollte keinen weiteren Gedanken daran verschwenden. Ryuzaki würde seine Gründe haben. Hoffentlich… Juli 2004 Nur wenige Wochen später wurde die Ermittlungszentrale, die den Kira-Fall bereits für abgeschlossen hielt, aufgerüttelt. „Ryuzaki! Es gab neue Kira-Morde! Heute Morgen starben zwei Verbrecher an Herzversagen. Dann sind Raito-kun und Misa-san…“ „… unschuldig.“ Ls Stimme war tonlos und angespannt. „Diese gute Nachricht müssen wir sofort Raito-kun mitteilen! Er wird erleichtert sein, wenn er hier endlich raus kommt!“ Matsuda hatte die Hand schon nach dem Schalter ausgestreckt, der ihre Stimmen in Raitos Zelle übermitteln würden, als er plötzlich Ls Handrücken an seiner Haut spürte. Ein kurzer, scharfer Schmerz zuckte durch seinen Arm. L hatte seine Hand weg geschlagen. „Matsuda! Nein… Matsuda-san! Sie werden Raito-kun nichts sagen!“ „Aber…“ Es war das erste Mal, dass Ryuzaki ihn ohne Suffix ansprach. Doch Matsuda konnte sich über diese Geste der Vertrautheit nicht freuen. L war wütend. Wütend auf ihn. „Yagami Raito-kun. Wusstest du, dass es immer noch keine weiteren Morde gab?“ Raito hob müde den Kopf, als er Ls Stimme hörte. „Aber… Ryuzaki. Ich bin nicht Kira! Bitte! Das musst du mir glauben!“ Matsuda rieb sich noch immer das Handgelenk. Warum log der Ermittler Raito an? Mit den Morden war doch bewiesen, dass Raito unschuldig war. Oder gab es noch etwas, das L den Sonderkommissionsmitgliedern nicht mitteilen wollte? Matsuda warf einen Blick zu Aizawa, der verkrampft auf den Monitor der Überwachungszelle von Amane Misa starrte. Er war mit der Art, die Ryuzaki an den Tag legte, nicht zufrieden. Aber Aizawa verstand den Ermittler auch nicht. Matsuda erinnerte sich an Ls Worte und innerlich stimmte er ihm zu: Die anderen hielten ihn für eine Maschine. „Ryuzaki. Ich habe über Ihre Worte nachgedacht.“ „Über welche?“ L nuschelte ein wenig, denn er hatte den Mund voller Kuchen. „Was Sie letzt sagten… Die anderen würden Sie als Maschine sehen. Ich glaube, damit hatten Sie Recht. Aber… Ich muss zugeben, ich habe Sie anfangs genauso gesehen. Es ist schwer, in dieser Legende einen Menschen zu erkennen.“ „Machen Sie mich nicht verlegen, Matsuda-san.“ „Mögen Sie keine Komplimente?“ Am Liebsten hätte der Polizist das leidige ‚Sie’ abgelegt und den jungen Mann einfach geduzt. Doch diese Dreistigkeit erlaubte er sich nicht. „Ich kann mit ihnen nichts anfangen, weil ich nicht beurteilen kann, welche wahr sind und welche nur Heuchelei.“ „Sie werden oft belogen?“ Wieder ertönte dieses seltsam klingende Lachen. „Oft? Tagtäglich. Mit jeder Sekunde. Einige sind der Ansicht, sie könnten mich hereinlegen oder hinters Licht führen. Andere glauben, ich sei käuflich. Es hat seine Gründe, dass ich selbst entscheide welchen Fall ich annehme und welchen nicht. Solch eine Berühmtheit tragen zu müssen kann durchaus eine Last sein, Matsuda-san.“ L rührte geräuschvoll in seiner Teetasse, ehe er schlürfend einen Schluck trank. Matsuda sah ihn schweigend an. Ls Haare glänzten leicht und waren an einigen Stellen strähnig. Er schien sie einige Tage nicht gewaschen zu haben. „Allerdings hat es auch Vorteile“, fuhr L fort und stellte die leere Teetasse auf dem Tisch ab, während er die Monitore betrachtete. Amane Misa, Yagami Raito und Chief Yagami schliefen. „Jeder buckelt, wenn Sie sich melden, hm?“ „Richtig. Das erleichtert die Arbeit doch an einigen Stellen. Allerdings… Ich merke Kiras Einfluss in dieser Welt. Die Einheiten, die ich benötige, kooperieren weniger. Sie haben Angst.“ „Sie auch, Ryuzaki?“ Die Frage war ihm über die Lippen gekommen, bevor Matsuda sie richtig registriert hatte. „Was? Ob ich Angst habe? Natürlich. Jeder Mensch hat Angst, wenn er mit dem Gedanken lebt, dass das Herz jede Sekunde aufhören könnte zu schlagen. Aber ich halte meinen Namen vor Raito-kun und mein Gesicht vor Amane geheim. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“ „Darf ich… fragen, ob noch jemand Ihren… richtigen Namen kennt?“ L neigte den Kopf und sah Matsuda an. Dann nickte er. „Ja. Watari.“ „Die Wahrscheinlichkeit, dass du Kira sein könntest, liegt immer noch bei etwa 3%. Ich möchte dich unter meine persönliche Überwachung stellen. Wir werden 24 Stunden aneinander gekettet sein. Auf diese Weise, kann ich persönlich beurteilen, ob du Kira bist oder nicht.“ Amane gab einen empörten Laut von sich, als L verkündete, dass er die nächste Zeit immer in Raitos Gegenwart sein würde. Matsuda spürte einen Stich in seinem Herzen. Raito und Ryuzaki, so nah beieinander. Die Kette war nicht länger als zwei Meter und der bloße Gedanke, dass die beiden jungen Männer in Zukunft nebeneinander schlafen würden, verursachte ein pochendes Gefühl in seiner Brust. Wie gerne hätte er mit dem Studenten getauscht. Doch er konnte nicht verleugnen, dass Yagami Raito der Partner war, den Ryuzaki vielleicht als Einzigen akzeptieren würde. Immerhin war Yagami Raito die Person, die Ryuzaki ebenbürtig war. Dennoch tat es weh, die beiden so nah zu sehen. Matsuda beschloss, sich nichts anmerken zu lassen. Aber er würde die privaten Gespräche mit Ryuzaki sehr vermissen. Oktober 2004 Der Herbst trieb die bunten Blätter über die Straßen und die Mitglieder der Sonderkommission wagten sich kaum noch aus dem Haus, so kalt war es bereits geworden. Außer dem leisen Tippen der Computertastaturen war in dem weitläufigen Raum nichts zu hören. Ls Elan ließ mit jedem Tag mehr nach. Er sah zu, während Raito arbeitete. Aizawa sagte, die Tatsache, dass er in Yagami Raito als Kira getäuscht habe, hätte ihn schwer getroffen. Und damit hatte er nicht Unrecht. L hatte sich so sehr in seine Theorie verrannt, dass er nicht einsehen wollte, dass er eventuell Unrecht hatte. Doch seine Untätigkeit ließ die Ermittlungen schleifen. „Ryuzaki… Würdest du dir das bitte ansehen?“ „Hm?“ Ryuzaki sah auf und stieß sich mit dem Bürostuhl zu Raito, der auf seinen Monitor deutete. „Die letzten Morde waren fast ausschließlich an den Führenden von größeren Firmen. Dadurch konnte die Firma Yotsuba enorme Gewinne erzielen. Glaubst du, wir könnten Kira bei Yotsuba finden?“ Ein leichtes Grinsen stahl sich auf Ls Lippen, ehe er sich weiter zu dem Monitor beugte und auf die Seite starrte, die Raito geöffnet hatte. Raito lächelte. „Na? Kehrt deine Motivation langsam zurück?“ Yotsuba. Sie hatten einen neuen Anhaltspunkt und eine neue Spur. L arbeitete wieder. Sie verbrachten Tage damit Unterlagen von Yotsuba durchzusehen und schließlich kristallisierten sich acht Personen als Hauptverdächtige. „Wir müssten sie überwachen können… Laut Protokollen halten sie jeden Freitagabend Sitzungen ab, die jedoch nicht schriftlich festgehalten werden.“ „Eine Kameraüberwachung wäre tatsächlich von Vorteil. Aber wie sollen wir die Technik dazu in den Konferenzsaal bekommen?“ „Ich kenne zwei Spezialisten, die uns in diesem Punkt helfen können…“ L drehte sich auf seinem Stuhl im Kreis, ungeachtet der Tatsache, dass er Raito bei jeder Drehung weiter zu sich zog, bis beide Stühle gegeneinander stießen. „Ryuzaki!“ „Hoppla.“ „Wie lange sind wir nun schon aneinandergekettet?“, sagte Raito vorwurfsvoll, ehe er sich befreite und wieder an seinen Platz rollte. L kniff die Lippen kurz zusammen, dann sah er zu Chief Yagami. „Ich könnte beide Personen hierher bestellen.“ Der Chief nickte. „Wenn sie uns bei den Ermittlungen behilflich sein können, dann habe ich nichts dagegen.“ „Ich bin Ayber, Trickbetrüger von Beruf“, stellte sich der große, blonde Mann vor und grinste L schräg an. „Mein Name ist Wedy. Diebin. Angenehm.“ Die junge Lady zog an ihrer Zigarette. „Ayber und Wedy schulden mir noch einen Gefallen. Ayber wird für uns mit Yotsuba Kontakt aufnehmen. Wedy kann den Konferenzraum mit Kameras und Wanzen ausstatten.“ „Halten Sie es für eine gute Idee Verbrecher in die Ermittlungen einzubeziehen?“ „Ich vertraue den beiden. Das sollte reichen. Wir haben in den letzten Tagen viel erreicht, aber die Aufgaben, die sie übernehmen, kann keiner von uns erfüllen. Raito-kuns Hilfe hat uns entscheidend vorangebracht und Mogi-san hat in nur wenigen Stunden die Unterlagen zu allen Yotsuba-Mitarbeitern heraus gesucht. An diesen Punkten werden wir anknüpfen. Raito-kun wird mich weiterhin unterstützen. Und-“ „Ich möchte auch etwas machen, Ryuzaki!“ Es war das erste Mal, dass Matsuda den jungen Ermittler unterbrach. Doch er wollte endlich beweisen, dass er auch etwas auf dem Kasten hatte. L starrte ihn einige Minuten an, dann nickte er endlich. „Sie können etwas erledigen, Matsuda-san. Holen Sie unseren Gästen bitte Kaffee.“ „Das ist unfair!“, schmollte Matsuda und warf das Kaffeepulver in den Filter. „Ich kann auch helfen. Ich bin nicht dumm, ich… Ich kann auch zu der Lösung des Falles beitragen. Ryuzaki unterschätzt meine Fähigkeiten. Ich bin Polizist, ich… Ich werde ihm helfen.“ „Ryuzaki. Hier Wedy. Die Kameras sind installiert, ebenso, wie die Wanzen. Sie müssten die Bilder bereits auf den Monitoren sehen.“ „Ja, wir sehen den Konferenzraum. Vielen Dank, Wedy.“ Ayber hatte längst Kontakt mit Yotsuba aufgenommen. Er nannte sich Erald Coil und hatte einem der Yotsuba-Mitarbeiter angeboten, dass er für den Betrag von fünf Millionen Ls Identität herausfinden würde. L beobachtete auf einem der Monitore, wie Ayber mit jemandem telefonierte. „Finden Sie das nicht etwas riskant, Ryuzaki?“ „Was?“ „Na ja… Ayber-san sagte doch, dass dieser Mitarbeiter auch schon ein Angebot von einem gewissen Danuve habe. Dann ist noch eine Person hinter Ihrer Identität her.“ „Nun. Die drei größten Detektive der Welt… Erald Coil, Danuve und L… Sie alle sind ein- und dieselbe Person. Ich habe Erald Coil und Danuve geschaffen, um überwachen zu können, wer hinter meiner Identität her ist, denn wenn man versucht etwas über L herauszufinden, wendet man sich entweder an den britischen Ermittler Erald Coil oder an den französischen Vertreter Danuve.“ „Das ist klug…“ „Nun… Ich brauche die Hilfe von Amane-san. Matsuda.“ Matsuda zuckte, als er so direkt angesprochen wurde. „Sie benötige ich auch. Sie werden sich als Misas Manager ausgeben. Und zwar unter dem Namen ‚Matsui Taro’. Ayber-san wird bei Yotsuba bekannt geben, dass Amane unter dem Verdacht stand Kira 2 gewesen zu sein und von mir bereits inhaftiert war. Das wird sie glauben lassen, dass Ayber-san bereits gegen mich agiert und sie werden Amane befragen wollen. Treten Sie mit ihr nach außen auf, aber halten Sie sich von Yotsuba fern. Haben Sie verstanden?“ Matsuda nickte. Endlich bekam er eine Aufgabe. Auch wenn diese Aufgabe das Babysitten eines verwöhnten Popsternchens war… „I… Ich bin Matsui Taro u… und ich manage Amane Misa, die bald im Kino zu sehen sein wird…!“ Wie war er nur in diese missliche Lage gekommen? Er hatte sich beweisen wollen, hatte zeigen wollen, dass er auch zu etwas nütze war und sich selbstständig auf den Weg zu Yotsuba gemacht, um die Besprechungen zu belauschen. Jetzt sah er sich den acht Verdächtigen gegenüber und redete sich um Kopf und Kragen. Wenn sie ihm nicht glaubten, dann war’s das. „Amane Misa, he…?“, sagte der Weißhaarige leise und nahm Matsuda das Foto aus den Händen, welches er den Männern verzweifelt entgegen hielt. „J… Ja… Sie könnte für Ihre Firma werben. Sie ist wirklich gut!“ „Bringen Sie diesen Störenfried erst einmal in das Nebenzimmer“, warf ein hakennasiger Mann ein, der optisch an einen Geier erinnerte. „Und verhört ihn dort. Wir können keine Spione gebrauchen.“ Matsuda atmete tief durch. Nur ein Fehler… Nur ein einziger Fehler und er wäre tot. Er hatte nichts dabei, außer dem Handy, das ihm Ryuzaki für seine Position als Misas Manager übergeben hatte. Aber nur Misas Nummer war in dem Handy gespeichert. Das würde ihm nichts nützen. Er musste Ryuzaki erreichen. Aber der Einzige, der dessen Nummer hatte, war… Raito-kun. In dem Raum war es mucksmäuschenstill. Zwei der acht saßen ihm gegenüber und fixierten ihn. Der Inhalt von Matsudas Taschen, seine Managerkarte, das Handy und einige Fotos von Misa, lagen auf dem Tisch vor ihnen. Matsuda wusste nicht, was er hätte sagen können. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, war zu groß. Und dann, ganz plötzlich, klingelte das Handy. Unsicher sah Matsuda hoch, doch die beiden Männer nickten. „Heb ab. Aber rede so, dass wir es hören.“ Matsudas Hand zitterte, als er das Handy ergriff und es aufklappte. „Ja…?“ „Hey, Matsui, alter Kumpel!“ Die Stimme war laut, aber unverkennbar. Das war Ryuzaki! Er war gerettet! „Bist du allein zu Hause, altes Haus?“, grölte L weiter und Matsuda verstand den Hinweis sofort. „Ja… Ja, ich bin allein. Wieso fragst du?“ „Hast du Lust etwas trinken zu gehen?“ „Du… Du weißt doch wie das ist mit meinen Geldproblemen“, stotterte Matsuda verlegen und behielt die Männer dabei im Auge, doch sie schienen nicht zu merken, dass da am anderen Ende der Leitung der größte Detektiv der Welt war. Er war gerettet, auch wenn seine Art der Rettung nicht das war, was er sich jemals vorgestellt hatte. Offiziell war Matsui Taro nun tot, besoffen und im Rausch vom Balkon gefallen. „Der einzige Weg ihn zu retten“, hatte L am Telefon gesagt, „wäre zu sterben, bevor er getötet werden würde.“ Wie aber starb man ohne zu sterben? Der Plan Ryuzakis war wahnwitzig, aber erfolgreich. „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Matsuda-san?! Sie hätten alle Ermittlungen zunichte machen können!“ „Ich wollte doch nur-“ „Wir arbeiten alle hart und Sie spielen mal eben den Helden?!“ „Yagami-san. Es ist genug. Matsuda-san hat seine Lektion gelernt. Sein Handeln war unüberlegt, aber es hat uns weitergebracht. Wir wissen, dass einer dieser acht Personen Kira ist. Und ich habe eine Vermutung, wer es sein könnte…“ „Ryuzaki! Wir sind an Higuchi dran! Er flieht über die Bundesstraße!“ „Verstanden. Versuchen Sie ihm den Weg abzuschneiden. Wir haben ihn im Blick, Watari wird versuchen auf seine Reifen zu schießen. Passen Sie auf, dass Sie nicht in der Schussbahn sind!“ „Keine Sorge, dafür sind wir zu weit hinten.“ „Denken Sie daran, Ihre Gesichter zu bedecken, sobald er gestellt ist!“ Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, dann platzte der Vorderreifen des roten Porsche und der Wagen geriet ins Schlingern. „Wir haben ihn getroffen. Einkreisen!“ Schlitternd krachte der Sportwagen gegen eine Leitplanke und blieb liegen. Die verfolgenden Polizeifahrzeuge hielten in dichten Abständen dahinter und umkreisten ihn. Ryuzakis Stimme war über Funk zu hören. Gemeinsam mit Watari und Raito hatte er den Wagen per Helikopter verfolgt. „Nähern Sie sich dem Wagen vorsichtig… Er hat das Mordwerkzeug bei sich. Nun werden wir endlich wissen, auf welche Art und Weise Kira töten konnte…“ November 2004 Adrenalin rauschte durch sein Blut, als Matsuda das schwarze Notizbuch in den Händen hielt. Das war es. Die Lösung des Falles. Ein Buch, so lächerlich es klang. Ein Buch, das töten konnte. Den schneeweißen Shinigami betrachteten alle mit Respekt, doch die Freude über den gelösten Fall war jedem anzusehen. Da hatten sie es: Das Beweisstück. Der Kira-Fall war also abgeschlossen. Vielleicht konnte er Ryuzaki jetzt wieder unter vier Augen sprechen… und ihm endlich sagen, dass er für ihn wesentlich mehr war, als eine Maschine. Matsuda lächelte zufrieden. Heute Abend, nachdem alle gegangen waren, würde er mit ihm reden. Die Handschelle, die Raito-kun und Ryuzaki so lange verbunden hatte, lag auf dem Tisch. Heute würde Matsuda wieder alleine mit ihm reden können. Zufrieden legte er das Death Note auf den Tisch, als sich die Tür öffnete und Raito und Ryuzaki den Raum betraten. „Nun… Ich danke Ihnen, für Ihre Mithilfe… Wir haben den Fall ge…“ Die Lichter flackerten kurz, dann wurden die Überwachungsbildschirme mit einem Schlag weiß. ‚All Data deleted!’ hieß es in schwarzen Lettern. „Watari!“ L starrte auf die Bildschirme. Seine Finger zitterten. „Watari!“ „Ryuzaki! Was hat das zu bedeuten?“ „Watari hat die Aufgabe, alle Daten zu löschen, wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte. Das bedeutet… Wo ist der Shiniga-… Hng!“ Nur ein winziger Schmerzenslaut drang über seine Lippen, dann verlagerte sich sein Körpergewicht. Der fünfrädrige Stuhl unter ihm begann sich zur Seite zu neigen. „Ryuzaki!“ Raito stürzte nach vorne und bekam den jungen Mann zu fassen, ehe er ganz auf dem Boden aufschlug. Der Stuhl kippte nach hinten und rutschte ein Stück weg. „Ryuzaki!!“ Die Augen des Ermittlers waren starr und schienen an die Decke zu sehen. Matsuda konnte sich nicht rühren. Das… Das war ein Alptraum. Er würde gleich aufwachen. Das musste ein Traum sein… Er konnte nicht… Ls Lider senkten sich. „Ryuzaki! Hey… Ryuzaki! Mach die Augen auf! RYUZAKI!“ Die schlanke Hand des Ermittlers, die bis dahin auf Raitos Schulter gelegen hatte, sank zu Boden. „Ryuzaki…? RYUZAKI! UAAAAH!“ „Raito-kun, beruhige dich doch!“ „Erst Watari, dann Ryuzaki. Womöglich werden wir alle… Wo bist du, Shinigami?! ZEIG DICH!“ „Ryuzaki…“ Matsuda starrte stumm auf den reglosen Körper in Raitos Armen. Jegliche Euphorie, die er noch vor wenigen Minuten gefühlt hatte, war wie weggeblasen. Der Kira-Fall war egal. Der Shinigami war egal. Ryuzaki war… Er hatte ihn nicht schützen können. „Wir müssen einen Krankenwagen holen!“ „Aber… Ryuzaki hat keine Versichertenkarte…“ „Das ist das geringste Problem! Ich werde mit ihm fahren.“ „Chief… Ich möchte auch mit. Ich möchte… bei ihm bleiben.“ „Wenn du es wünschst, Matsuda…“ „Es tut mir leid“, hatte der Arzt gesagt, doch Matsuda wusste, dass ihm nichts Leid tat. Weil er den Menschen nicht gekannt hatte, dessen Tod er hatte bestätigen müssen. Matsuda saß schweigend an dem Krankenbett. Der Herzfrequenzmesser in seinem Rücken erzeugte einen gleich bleibenden Ton und auf dem Display war eine Nulllinie zu sehen. Ryuzaki war so blass. Er sah aus, als würde er schlafen. Doch die Finger, die Matsuda in den Händen hielt, waren kalt. „Wie konnte das nur passieren…? War das der Shinigami…? Ich hätte… besser aufpassen müssen. Ich hatte geschworen, dass ich Sie nicht sterben lasse… Und doch… Ryuzaki…“ Vorsichtig legte Matsuda die bleiche Hand auf das Laken und blickte ein letztes Mal auf eine Legende. „Es hätte nicht so passieren dürfen…“ Sacht strich er durch die dichten, schwarzen Haare, dann zog er das weiße Tuch über das friedlich aussehende Gesicht. „Es tut mir Leid… Was bin ich für ein Polizist, wenn ich nicht einmal einen… Menschen retten kann? Ryuzaki… Ich werde Kira stellen. Das… verspreche ich. Und dieses Mal…werde ich es halten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)