Unter Wölfen
Hallöchen und guten Tag wünsche ich!
Heute, an diesem wundervollen Samstag, habe ich mal wieder Besuch, daher nur ein kurzer präkapitelärer Kommentar.
Habe mich schwer zurückgehalten, den Besuch bei der Familie allzu weit auszudehnen, damit diejenigen, die mit den Lawlesses nicht warm werden können, nicht allzu lange zu leiden haben. In der Tat habe ich mich mit der Reise nach Chicago derartig beeilt, dass ich total vergessen habe, die Familie auf Deans Brille reagieren zu lassen. Vielleicht beim nächsten mal.
Wünsche euch wie immer viel Vergnügen mit dem neuen Kapitel und sende euch sommerliche Grüße aus dem schönen Kühsen!
moko-chan
„Dean?“ Hannahs kindlicher Stimme haftete ein ernsthafter Unterton an. „Was ist jetzt eigentlich mit Chad und Leia?“
Dean, der eben im Badezimmer damit beschäftigt war, sich die Zähne zu putzen, verschluckte sich beinahe an seiner Zahnpasta.
„Bwie bwütte?“, fragte er undeutlich, und Hannah zog ungeduldig die Augenbrauen zusammen. „Chad und Leia! Was ist mit den Beiden?“
Dean spuckte ins Waschbecken. „Was soll denn mit den Beiden sein?“
Hannah blinzelte ihn groß an. „Na … die … die haben sich lieb!“
„Ja“, erwiderte Dean vernünftig, „aber Chad wohnt in Chicago und Leia … nicht. Genau genommen wohnen die Zwei sogar ziemlich weit auseinander.“
Hannah blies empört die Wangen auf. „Ja na und? Bei wahrer Liebe spielt die Entfernung keine Rolle!“
Sam, der diesen Moment nutzte, um das Bad des Gästezimmers zu betreten, warf ihr einen leicht belustigten Blick zu. „Wahre Liebe? Um wen geht’s?“
„Chad und Leia!“, teilte Hannah ihm mit, sichtlich erfreut, in ihm so einen teilnahmsvollen Gesprächspartner gefunden zu haben. „Weißt du vielleicht, ob’s da was Neues gibt?“
Sam hüstelte ungehalten. „Gott, ich hoffe nicht.“
Hannah starrte ihn empört an. „Was soll das denn heißen?“
Sam, ansonsten eher nicht der Typ für brutal ehrliche Antworten, zog leicht die Nase kraus und blähte die Nüstern. „Chad ist nicht unbedingt der Typ Mann, den ich mir als Partner für meine Schwester wünschen würde.“
Hannah blinzelte verstärkt und blickte scheinbar verständnislos zu ihm auf, und Sam begann eben zu überlegen, wie er einem Mädchen ihres Alters Chads absolute Beziehungsunfähigkeit begreiflich machen sollte, als sie mit anklagendem Zeigefinger auf Dean deutete. „Und was ist mit ihm?“
Dean blinzelte verdutzt im Angesicht seiner erzürnten Cousine, und Sam lief leicht rosa an.
„Ich weiß, worauf du hinaus willst, Hannah, aber das ist wirklich nicht zu vergleichen …“
Hannah schüttelte stur den Kopf. „Aber Chad hat Leia gern! Ich weiß nicht, wo da der Unterschied sein soll!“
„Irgendwie hat sie Recht, weißt du“, wandte Dean sich höchst verräterisch an Sam, und der zog eine anklagende Schnute. „Trotzdem wüsste ich nichts davon, dass Leia plötzlich in unsterblicher Liebe zu ihm entbrannt ist. Sie erwähnt ihn nichtmal, wenn wir telefonieren.“
„Das“, sagte Dean mit furchtbar wichtigem Gesichtsausdruck, „ist doch schon mal höchst verdächtig!“
Hannah nickte zustimmend. „Finde ich auch. Bringst du mich jetzt ins Bett, Dean?“
Dean nickte, wurde seine Zahnbürste los und fasste seine Cousine an der Hand, um sie aus dem Badezimmer zu führen.
Als er eine Viertelstunde später zurück ins Gästezimmer kam, hatte Sam sich schon allein ins Bett gebracht und blätterte in dem Ringbuch, das er für ihre Jäger-Kollegen angefangen hatte. Er blickte von seiner Lektüre auf, als Dean die Tür leise aber nachdrücklich hinter sich schloss, und der unentschlossene Ausdruck in seinen Augen erheiterte Dean ein kleines Bisschen.
„Wenn sie ihn wirklich mag“, sagte er leise, „dann gibt es sowieso nicht das Geringste, das du tun könntest – immerhin hat sie Johns Gene in sich. Sie ist somit sturer als ein Maulesel.“
„Das ist nicht, was mir augenblicklich Sorgen macht. Wenn Chads Chef wirklich besessen ist … denkst du, ich hätte ihm raten sollen, sich Zuhause zu verschanzen? Wenn ihm was passiert, dann -“
„Sam“, unterbrach Dean ihn vorsichtig, „es ist Chad. Und er hat uns angerufen. Wenn er schon den Verdacht hat, dass sein Arbeitgeber besessen ist, dann wäre es doch reichlich dämlich von ihm, wenn er keine Vorsichtsmaßnahmen ergreift, oder?“
Sam seufzte schwer. „Das kann ich nur hoffen …“
Dean nickte, schaltete das Deckenlicht aus, dessen Schalter sich neben der Tür befand, und gesellte sich zu Sam ins Bett.
„Wir brechen morgen früh auf, machen einen Zwischenstopp bei Missouri und fahren dann so schnell wie möglich weiter. Deinem zukünftigen Schwager wird schon nichts zustoßen, bis wir in Chicago ankommen …“
„Dein Wort in Gottes Ohr“, was das Einzige, das Sam darauf erwiderte.
„Nun, ich denke, damit hätte ich rechnen sollen.“
Missouri hielt Sams so viel größere Hand zwischen ihren eigenen und blickte mit einem halb amüsierten, halb zynischen Lächeln zu Sam auf.
„Ich hoffe, ihr nehmt meine Glückwünsche entgegen, auch wenn sie ein wenig verspätet kommen …“
Dean, der schräg hinter seinem Liebsten stand, war hin und her gerissen zwischen purem Stolz und dem Bedürfnis, sich hinter dem nächsten Busch zu verstecken.
Sie standen noch in der Tür zu Missouris Haus, und obwohl er es hätte besser wissen sollen, hatte Dean nicht damit gerechnet, dass Missouri quasi sofort seine kürzliche improvisierte Hochzeit mit Sam aufdecken und ansprechen würde.
Da sie aber alles andere als ablehnend wirkte, folgte er Sam vertrauensvoll ins Haus, ließ sich von ihrer Gastgeberin mit Kaffee und Keksen bewirten, und stellte sich todesmutig den Dingen, die da kommen mochten.
Missouri blickte jedoch derartig andauernd von einem Winchester zum anderen, dass Dean bald nicht nur nervös sondern nahezu panisch war.
„Mach dir nicht ins Höschen“, ertönte schließlich Missouris spöttische Stimme. „Ich freue mich, dass eure Beziehung so … solide ist“, erklärte sie ihm mit einem leisen Unterton von Sarkasmus, und als Sam daraufhin ein wenig rot wurde, wurde sie im Gegenzug wesentlich weicher.
„Und es freut mich, dass du jemanden gefunden hast, der dir bei deinem … Problem behilflich sein kann, Sam.“
Sam seufzte daraufhin und ließ leicht den Kopf hängen. „Bisher bin ich mir noch nicht völlig sicher, ob Franks Hilfe wirklich Erfolg hat. Ich fühle mich nicht sonderlich anders, seit ich mit der Meditation angefangen habe.“
Missouri nahm ihre Kaffeetasse in beide Hände und pustete geistesabwesend hinein. „Doch, es hilft“, sagte sie entschieden. „Es wird seine Zeit brauchen, bis du den Effekt selber spürst, aber die Methode ist definitiv erfolgreich – auch wenn sie außerdem äußerst schmerzhaft ist.“
Sam erwiderte nichts, aber das zögerliche Lächeln, das um seine Lippen spielte, war Dean genug, so dass er Missouri einen dankbaren Blick zuwarf.
„Und jetzt seid ihr auf dem Weg nach Chicago?“, erkundigte sie sich leichthin, und Sam nickte. „Der Freund meiner Schwes- ich meine … ein … ein Freund von uns braucht unsere Hilfe.“
Missouri nickte langsam. „Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr die Jagd so anders handhabt als euer Vater. Es ist so wichtig, zu wissen, wofür man eigentlich kämpft.“
Dean runzelte leicht die Stirn. „Das wusste er. Immer.“
Missouri seufzte kaum hörbar. „Das mag sein, aber er hat über das Kämpfen mit der Zeit vergessen zu leben – er hätte mehr Zeit mit euch Jungs verbringen sollen.“
Das war nichts, wogegen man protestieren konnte, und Dean gab sich damit zufrieden, sich einen weiteren Keks zu angeln und in den Mund zu stecken.
Sam warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und legte ihm schließlich die Hand aufs Knie, und Missouri lächelte zufrieden. „Und was war das vorhin mit deiner Schwester?“
Sam biss sich auf die Unterlippe. „Ich … ich weiß nicht, ob …“
„Nun“, unterbrach Missouri ihn geduldig, „ich war ein wenig überrascht, dass John sein Leben nicht ganz so zölibatös verbracht hat, wie man hätte annehmen können – aber das Mädchen weiß, was sie will. Das wird sie wohl von ihm haben.“
Missouri nickte sich selbst zu, und Sam blickte ein wenig miesepetrig aus der Wäsche. „Das fürchte ich auch.“
Missouri lächelte ihn sonnig an. „Chad ist ein guter Junge – mach dir keine Sorgen.“
Wenn überhaupt, dann machte Sam sich nur darüber Sorgen, dass ihm plötzlich alle erzählen wollten, was für ein toller Kerl Chad doch sei.
Dean räusperte sich vorsichtig, und Missouri warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Immerhin ist sogar er zu einer monogamen Beziehung fähig.“
„Hey!“, war die wie zu erwarten beleidigte Reaktion, und Missouri tat, als habe sie nichts gehört und schenkte sich Kaffee nach. „Scheinbar ist es Johns Nachwuchs vorherbestimmt, sich mit leicht fragwürdigen Männern von zweifelhaftem Ruf einzulassen …“
Deans grüne Augen schossen ihr unter langen schwarzen Wimpern mörderische Blicke zu, und sie seufzte. „Nicht unbedingt das Schlimmste, das einem zustoßen kann.“
Diese Aussage kam Dean derartig absonderlich vor, dass er sie verdutzt anstarrte, und Sam grinste in sich hinein. Er wusste ganz genau, warum er Missouri so mochte.
Sam und Dean strapazierten Missouris Gastfreundschaft noch etwa eine Stunde länger, ließen sich von ihr mit Proviant für die Fahrt versorgen und brachen am späten Nachmittag wieder gen Chicago auf.
Chad hatte sich nicht wieder gemeldet, seit er seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht hatte, sein Chef könne möglicherweise besessen sein, und Sam konnte sich nicht entscheiden, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
Sein Kontakt zu Chad war lange nicht so regelmäßig wie der zu Mike und Tom oder sogar Sean, aber gelegentlich rief Chad ihn an, um sicherzustellen, dass er und Dean noch lebten. Zu Anfang hatte Sam das etwas irritierend gefunden, aber Chads Interesse konnte nur als Zuneigung aufgefasst werden, und wenn er den Blonden auch nicht unbedingt heiß und innig liebte, so hatte er ihn doch mit der Zeit ein wenig widerwillig lieb gewonnen.
Vielleicht, überlegte Sam düster, sollte er Chad anrufen, um sicher zu stellen, dass so weit alles in Ordnung war.
Er zückte also ein wenig widerstrebend sein Handy, fand Chads Nummer am oberen Ende seines Telefonbuchs und drückte die Taste zum Beginn eines Gesprächs.
Sam wusste nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte, als Chad nach dem ersten Klingeln ranging.
„Alter!“ Dean wedelte aufgeregt mit der Linken durch die Gegend und beschrieb in großzügiger Geste Chads eher kleine Wohnung. „Was ist das denn für ein Drecksloch?!“
Um Chad legte sich augenblicklich die Aureole grenzenloser Empörung, und Sam legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Er meint das nicht so. Er mag nur keine Großstädte und wir haben eine gute halbe Stunde gebraucht, einen Parkplatz zu finden …“
Chad schien das einzuleuchten, denn er entspannte sich quasi sofort unter Sams Griff und musterte Dean mit einem Maß an Verständnis, dass Sam ihm niemals zugetraut hätte. Hätte Dean irgendjemand Anderes’ Wohnung derartig verpönt, wäre er sicherlich nicht annähernd so glimpflich davon gekommen. Chad hatte allerdings schon mehrfach bewiesen, dass er äußerst gutmütig war, wenn es um die unangemessene Behandlung seines unnachahmlichen Selbst ging.
„Na gut“, grummelte er schließlich mit einem großzügigen Maß an Versöhnlichkeit. „Bier?“
Man konnte mit Recht sagen, dass dies die vernünftigste Art und Weise war, Dean mit seinem Aufenthalt in Chicago auszusöhnen.
Dean ließ sich auf dem durchgesessenen schokobraunen Ledersofa nieder, das den Kernpunkt in Chads Wohnzimmer ausmachte, und legte mit einem zufriedenen Seufzen seine Füße auf dem niedrigen Couchtisch ab.
Chad erschlug ihn beinahe mit einer der drei Bierflaschen, die er aus der Küche zurückbrachte.
„Nimm deine Drecksfüße von meinem Couchtisch! Was ist das denn?! Du bist hier doch nicht zuhause!“
Chad wirkte gefährlich kurz davor, Dean an den Ohren zu ziehen, und obwohl der Jäger für gewöhnlich nicht sonderlich schnell von etwas eingeschüchtert wurde, war der Anblick von einem Meter dreiundachtzig wütendem Chicagoer doch beunruhigend genug, ihn seine Füße auf den abgewetzten Teppich vor dem Sofa zu platzieren.
„Reg dich doch nicht gleich so auf, Mann – kann doch keiner mit rechnen, dass du so eine zickige Hausfrau bist.“
„Man legt seine Füße einfach nicht auf die Couchtische anderer Leute“, gab Chad würdevoll zurück und öffnete Deans Bierflasche für ihn, nachdem er mit einer groben Geste möglichen Dreck von der Oberfläche des geheiligten Möbelstücks gefegt hatte.
„Chad“, mengte Sam sich ein wenig ungeduldig in das Gespräch ein, „was ist jetzt mit deinem Chef?“
Chad seufzte.
„Ich weiß es nicht. Er benimmt sich ganz zweifellos verdächtig, aber ich hatte bisher noch nicht wieder das Gefühl, dass er mich umbringen will.“
Sam runzelte die Stirn und tauschte einen kurzen Blick mit Dean über dessen Bierflasche hinweg.
„Wie auch immer“, sagte er schließlich vernünftig. „Wir sehen uns die Sache mal an.“
Chad wirkte mit einem Mal derartig dankbar, dass Sam nur vermuten konnte, dass diesem die Angelegenheit doch näher ging, als man hätte vermuten wollen.
Ein Winseln aus einem der angrenzenden Räume lenkte ihn jedoch von dieser unerwarteten Eröffnung ab, und auch Dean hatte irritiert die Ohren gespitzt. „Was war das?“
Chad grinste ein wenig. „Mein Mitbewohner.“
Damit erhob er sich von seinem Platz aus einem nicht zum Sofa passenden Sessel und ging zu einer Tür drei Meter zu seiner Linken hinüber, um sie zu öffnen.
„Gut, komm rein, Diefenbaker – aber wehe, du benimmst dich nicht.“
Der grau-weiße Wirbelwind, der daraufhin ins Zimmer stürmte, hätte Sam und Dean vermutlich erschreckt, hätten sie sich inzwischen nicht an Chads Erzählung von seinem Hund erinnert. Irgendwo in Diefenbakers Ahnenreihe musste sich ein Husky befinden, vielleicht sogar ein Wolf, aber der große Hund war ganz eindeutig von freundlicher Natur, wenn auch nicht ganz so aufdringlich wie McClane.
„Ist die Wohnung nicht ein wenig klein für so einen Hund?“, erkundigte Sam sich irritiert bei Chad, während er mit der Rechten über den Rücken des Hundes streichelte, und Chad zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich hab ihn vor die Wahl gestellt, bei meinem Vater zu leben, aber er will nicht.“
Dean blinzelte Chad spöttisch an. „Du hast ihn vor die Wahl gestellt? Wie soll das denn bitte vonstatten gegangen sein?“
Chad seufzte aus tiefster Seele. „Oh, du hast ja keine Ahnung …“