Seelen in Ketten
Animexx ist langsam, langsam, laaangsaaam.
Außerdem bin ich müde, und frustriert, weil ich keinen Fluff schreiben kann und einen Favolistler verloren habe.
*schnauf*
Deswegen hab ich jetzt auch gar keine Lust, ne lange Vorrede zu schreiben und beschränke mich darauf, Trischka, meine neue, fanatische Leserin (wörtliches Zitat!) in unserer Mitte zu begrüßen.
Ohne sie hätte ich den Verlust eines Favolistlers wohl kaum ohne ernsthafte Folgen für mein Ego überstanden.
Ich würde ihr ja das neue Kapitel widmen, aber … es ist nicht fluffig.
*noch mehr schnauf*
So, dann will ich euch mal nicht weiter zunölen.
moko-chan
„Marcus? Marcus Leery?“
Dean schloss die Tür des Krankenzimmers hinter sich, nachdem Sam ebenfalls eingetreten war, und musterte den Mann, der mit soliden Vorrichtungen an sein Krankenhausbett gefesselt worden war, und ihn interessiert musterte.
Der Angesprochene nickte zur Antwort, die grauen Augen kühl und berechnend auf ihn gerichtet.
„Wer will das wissen?“
Dean erwiderte seinen Blick mit erzwungener Gelassenheit.
„Ich will das wissen.“
Sein gestohlener Arztkittel fühlte sich mit einem Mal zu eng an, behinderte ihn beim Atmen, und Dean konnte nicht umhin, sich zu wünschen, dass Sam ihm die Hand auf die Schulter legte, oder ihn ansah und ihm mit einem Blick die gerade so dringend benötigte Unterstützung vermittelte.
Sam blieb jedoch wo er war, lehnte mit dem Rücken an der Wand rechts neben der Tür und verschränkte die Arme vor der Brust.
Dean fragte sich, warum er überhaupt mitgekommen war, wenn er jetzt wieder so tat, als ginge ihn die ganze Angelegenheit nichts an.
„Sind Sie hier, um mich zu fragen, warum ich meine Frau erwürgen wollte?“
Mr. Leery klang amüsiert und gelangweilt zugleich, aber diesmal blieb Dean einigermaßen gelassen. Das hier war kein kleines Mädchen, das hier war ein erwachsener, leicht übergewichtiger Mann in den späten Vierzigern, und Deans Mitgefühl hielt sich in Grenzen.
„Genau deswegen bin ich hier“, bestätigte er ruhig und warf Sam einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Genau deswegen sind wir hier.“
Mr. Leery schnaubte und starrte an die Decke, wie ein Mann, dessen Geduld über das erträgliche Maß hinaus strapaziert worden war.
„Sie ging mir auf die Nerven, in Ordnung? Ich wollte sie zum Schweigen bringen, und das schien die naheliegendste Lösung zu sein.“
Mr. Leery vollführte so etwas wie ein Schulterzucken – so weit seine fixierten Arme das zuließen – und Dean schaffte es nicht so ganz, den Unglauben aus seiner Stimme zu verbannen, als er nachfragte: „Es schien Ihnen die naheliegendste Lösung zu sein? Sie hätten die Scheidung verlangen können. Wäre nicht das die naheliegendste Lösung gewesen?“
„Nein.“ Mr. Leery klang irritiert. „Natürlich nicht. Ich liebe meine Frau.“
Nun, Mr. Leery mochte irritiert sein, Dean war über dieses Stadium bereits weit hinaus.
„Sie versuchen, ihre Frau zu erwürgen, obwohl Sie sie lieben?“
Mr. Leerys Irritation löste sich in Luft auf, und er grinste bösartig.
„Das eine hat mit dem Anderen nicht das Geringste zu tun, junger Mann. Wenn meine Frau mir auf die Nerven geht, ist es mein gutes Recht, dem ein Ende zu machen. Eine Scheidung wäre niemals in Frage gekommen. Sie gehört verdammt noch mal mir – und niemandem sonst.“
Dean verdaute diese Aussage und atmete tief durch.
„Und jetzt? Hat es sich gelohnt, dafür hier eingesperrt zu werden? Jetzt sehen Sie Ihre Frau vermutlich nie wieder – Sie haben alles verloren, was Sie je hatten. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie es getan haben.“
Deans Stimme war so gleichmäßig und beherrscht, wie es nur möglich war, und für jeden, der ihn nur flüchtig oder gar nicht kannte, musste es so aussehen, als betrachte er diese Angelegenheit vollkommen professionell.
Mr. Leery grinste ein wenig.
„Natürlich hat es sich gelohnt. Sie hätten ihr Gesicht sehen sollen, als ich die Kette um ihren Hals zugezogen habe. Ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so gut gefühlt.“
Dean biss die Zähne zusammen.
„Wie können Sie Ihr eigenes Gesicht im Spiegel ertragen?“
Mr. Leerys Grinsen verschwand, und er sah beinahe ein wenig angewidert aus.
„Das habe ich mir vor langer Zeit abgewöhnt. Nur Menschen, die nicht wissen, wer sie sind, müssen ihr eigenes Gesicht im Spiegel betrachten, um sich ihrer Selbst zu versichern.“
Auf Sams Stirn erschien eine steile Falte, als er das hörte, und er verengte die Augen zu Schlitzen, dann nickte er langsam und bedächtig und tauschte einen kurzen Blick mit Mr. Leery.
„Irgendwie hat er Recht, weißt du.“
Sam griff nach dem Gurt, schnallte sich an und brauchte einen Moment, bevor er bemerkte, dass Dean ihn fassungslos anstarrte.
„Bitte sag mir, dass du nicht von diesem Wahnsinnigen da drin sprichst?“
Sam antwortete nicht, und Dean startete den Impala.
„Bad to the Bone“, von George Thorogood & The Destroyers dröhnte aus den Boxen, und Dean drehte das Radio ein wenig leiser, dann fuhr er für seine Verhältnisse langsam an und verließ den Parkplatz des Krankenhauses.
„Ich meine das, was er über Spiegel gesagt hat“, rechtfertigte Sam sich leise, und Dean warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße.
„Mir persönlich war das ein wenig zu philosophisch, Sammy. Aber ich hätte mir denken können, dass dir sowas gefällt – allerdings nicht aus dem Mund eines gefährlichen Irren.“
„Nenn mich nicht Sammy!“
Sams Ton war so scharf, dass Dean zusammenzuckte. „Kein Grund, gleich laut zu werden. Seit wann bist du so empfindlich, was das angeht?“
Aus dem Augenwinkel nahm er Sams wütenden Gesichtsausdruck wahr, und ihm wurde endlich und unwiderruflich klar, dass er in der Scheiße steckte.
„Ich weiß einfach, dass du mich nicht ernst nimmst, wenn du mich so nennst. Wann begreifst du endlich, dass ich nicht mehr dein kleiner Bruder bin, verdammt?!“
Dean unterdrückte eine Antwort, die Sam vermutlich nur noch wütender gemacht hätte, und biss die Zähne zusammen.
Er musste dringend Bobby anrufen. Das hier war langsam wirklich nicht mehr lustig.
Sam benahm sich nicht wie er selbst, und so langsam fand Dean dafür keine Erklärung mehr, außer der einen, die er erst dann akzeptieren würde, wenn er wirklich keine andere Wahl mehr hatte.
„Dean, hör endlich auf durch die Gegend zu laufen und setz dich – du raubst mir den letzten Nerv.“
Dean hielt in seinem rastlosen Marsch inne und schluckte trocken.
Sam klang, als sei er kurz davor ihm den Hals umzudrehen, und wenn Dean auch sonst kaum eine Gelegenheit ausließ, Sam zur Weißglut zu treiben, sagte ihm sein Bauchgefühl – und wenn Dean sich auf etwas verließ, dann war das sein Bauchgefühl – dass es jetzt ratsamer war, sich zu setzen.
Er nahm also Sam gegenüber Platz, zog das nächstbeste Buch heran, das auf dem großen Tisch in seiner Reichweite lag, und klappte es auf.
Es war seine Idee gewesen, noch einmal die örtliche Bibliothek aufzusuchen, um aufs Geratewohl für ihren Fall zu recherchieren, da war es jetzt nur angebracht, wenn er Sam auch tatsächlich half, die diversen Bücher, die er rangeschleppt hatte, durchzusehen.
Das dunkle Holz des Tisches fühlte sich kühl unter seinen nackten Unterarmen an, und Dean rutschte ein wenig auf seinem Stuhl hin und her und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, und nicht etwa auf die Aura kühler Geringschätzung, die von Sam ausging, seit sie das Krankenhaus verlassen hatten.
Er fixierte seinen Blick auf die leicht vergilbten Seiten vor sich, legte seine Stirn in leichte Falten, wie er es immer tat, wenn etwas seine ungeteilte Aufmerksamkeit erregt hatte, und spitzte leicht die Lippen.
Der Text war interessant, er schien ihm sogar weiter helfen zu können – bis er es nicht konnte, und Dean das Buch mit einem entnervten Schnauben schloss.
Er nahm sich das nächste, schlug es auf, las, runzelte die Stirn, las weiter, und schloss es wieder. Langsam begann Dean, sich zu fragen, ob ihr Fall überhaupt existierte, ob es tatsächlich ein übernatürliches Phänomen war, das die Menschen von Allentown dazu brachte, ihre Liebsten anzugreifen, oder ob alles einfach ein kranker, perverser Zufall war.
Dean schloss die Augen und rieb sich über die Stirn, dann nahm er sich das nächste Buch. Er würde diesen verdammten Fall lösen, und wenn es ihn umbrachte.
Aufgeben stand nicht zur Debatte, das gab fünf Punkte Abzug auf der Männlichkeitsskala – wenn nicht sogar noch mehr.
Dean biss die Zähne zusammen und knurrte leise, rieb eine der Buchseiten unbewusst zwischen seinen Fingern, bis Sam sich leise räusperte, damit er damit aufhörte, und Dean sah auf, sein Blick traf auf Sams und er lächelte entschuldigend.
Er verspürte ein dumpfes Gefühl in der Magengegend, als Sam nicht zurücklächelte.
Dann fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, Bobby anzurufen. Und ja, er fühlte sich ein kleinwenig kindisch, weil er deswegen etwas hatte, das man mit viel Phantasie ein schlechtes Gewissen nennen konnte.
Er erhob sich wieder von seinem Stuhl und versuchte, nicht zusammen zu zucken, als er Sams mörderischen Blick sah.
„Ich … uhm … bin gleich wieder da.“
Sein Rückzug aus dem Raum war mit einer Flucht zu vergleichen, und als Dean ein hohes Bücherregal nach dem anderen passierte, fragte er sich im Stillen, ob Sam und er wieder wie gewohnt miteinander umgehen würden, wenn dieser Fall endlich gelöst und vorbei war.
Wenn nicht, wusste er nicht so recht, was er tun würde, aber es würde unter Garantie nicht schön werden, und vermutlich eine Menge Geschrei involvieren.
Dean seufzte, als er den klimatisierten Vorraum der Bibliothek erreicht hatte, und ließ die Tür schon beinahe erleichtert hinter sich ins Schloss fallen.
Er zog sein Handy aus der Hosentasche, wählte Bobbys Nummer und schloss die Augen, während er dem Freizeichen lauschte und darauf wartete, dass Bobby das Gespräch annahm. Es dauerte ein Weilchen, und Dean begann sich eben zu fragen, ob Bobby möglicherweise gerade damit beschäftigt war, dem Bösen den Tag zu versauen, als er endlich die raue Stimme des anderen Jägers am anderen Ende der Leitung vernahm. „Ja?“
„Ich bin’s Bobby, Dean.“
Er hörte Bobby leise grummeln und zog die Augenbraue in die Höhe.
„Stör ich bei irgendwas?“
Bobby schnaubte. „Beim Mittagessen, du Genie. Was willst du?“
Dean hörte ehrliches Interesse unter der Ungeduld und entspannte sich ein wenig.
„Wir haben ein weiteres Opfer befragt, aber das hat uns auch nicht wirklich weiter gebracht. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dir wäre etwas eingefallen, was uns weiter helfen würde.“
Bobby seufzte, und Dean wusste dass seine Hoffnungen enttäuscht werden würden. Er brauchte frische Luft.
Dean setzte sich in Bewegung und verließ das Gebäude, hörte Bobby zu, wie der ihm erklärte, dass es verschiedene mögliche Ursachen für ihr Problem gab, hörte ihn von Besessenheit, Gestaltwandlern, bösen Zwillingen, Hexenzirkeln und Voodoo sprechen, und Dean wusste, dass Bobby wusste, dass er über diese Dinge Bescheid wusste, also unterbrach er ihn nicht ein einziges Mal und hörte einfach nur zu.
Bobby kam zum Ende, Dean bedankte sich für seine Hilfe, und er hörte Bobby über die Distanz von fünf Staaten hinweg zögern, bevor er die unausweichliche Frage stellte.
„Dean, was ist los mit dir? Du benimmst dich nicht wie du selbst.“
Dean grinste schief.
„Da solltest du erstmal Sam erleben.“
Bobby blieb einen Moment lang still, dann ließ sein nächster Satz Dean überrascht die Augen aufreißen.
„Soll ich kommen und mir die Sache aus der Nähe ansehen?“
Dean war sprachlos, zumindest für zehn Sekunden, dann lächelte er ein wenig.
„Danke, Bobby, aber das ist nicht nötig. Sam und ich sind keine kleinen Jungs mehr, die Onkel Bobby als Schlichter brauchen, wenn sie sich gestritten haben …“
Deans Stimme war rau und er räusperte sich leise, hoffte, dass Bobby nichts bemerkt hatte.
„Nein, ihr seid zwei Halbstarke, die einen Ringrichter brauchen, damit sie sich nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen“, erwiderte Bobby trocken. „Richte Sam aus, dass er sich ruhig auch mal melden kann. Oder gib ihn mir am Besten, dann sage ich ihm das persönlich.“
Dean schaffte es nicht, ein leichtes Lächeln zu unterdrücken.
„Ich fürchte, Sam ist beschäftigt. Aber ich werde es ihm ausrichten. Danke, Bobby. Bis dann.“
Dean schob sein Handy zurück in seine Hosentasche, beschloss im Stillen, dass er und Sam Bobby einen Besuch schuldig waren, sobald dieser Alptraum ein Ende hatte, und ging zurück in das Bibliotheksgebäude.
Die klimatisierte Luft im Inneren war abgestanden und Dean fühlte sich ungewohnt klaustrophobisch, während er zurück zu dem Tisch ging, an dem er Sam eben zurückgelassen hatte.
Er passierte eine Reihe leerer Tische, die ein oder andere Person blickte auf, als er an ihr vorbei ging, und dann war er am Ende der Reihe angekommen und stellte fest, dass Sam nicht da war.
Dean unterdrückte das leichte Gefühl von Panik in seiner Brust und machte kehrt, lief erneut die Tische ab, identifizierte den ihren an der Auswahl von Büchern, die sie auf ihm verstreut hatten, und setzte sich.
Sam war bestimmt nur zur Toilette gegangen.
Gut, das letzte Mal, als Dean das angenommen hatte, war er von einem Satyr entführt worden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass das noch ein zweites Mal geschehen war, war so verschwindend gering, dass Dean sich problemlos einreden konnte, dass alles in Ordnung war.
Zumindest eine Viertelstunde lang.
Als Sam auch dann nicht zurückgekommen war, erhob Dean sich mit erzwungener Ruhe von seinem Stuhl und ging zu den Toiletten.
Auch dort war Sam nicht aufzufinden, und Dean wurde schlecht.
Wieso?
Wieso immer er?
Er zog sein Handy aus der Hosentasche, um Sam anzurufen, wählte die Nummer und lauschte dem Freizeichen bis die Mailbox sich anschaltete, und er den Impuls unterdrücken musste, sein Mobiltelefon gegen einen der Badezimmerspiegel zu werfen.
Sein eigenes Gesicht starrte ihm entgegen, wütend und zu Tode besorgt zur gleichen Zeit, und Dean atmete ein paar Mal tief durch, dann ging er gehetzten Schrittes zurück zu ihrem verwaisten Tisch.
Erst jetzt bemerkte er, dass die Bücher, die Sam durchgesehen hatte, nicht mehr darauf lagen, und dass auch Sams Laptoptasche nicht mehr neben seinem leeren Platz stand.