Lebe lieber ungewöhnlich
‚Dragonfly-Inn’ stand auf dem Schild neben der Einfahrt, und Dean verdrehte die Augen, als er das Schild erblickte, so wie er sie verdreht hatte, als Sean ihm zum ersten Mal erzählt hatte, welchen Namen die Unterkunft trug, in der man ihn und Sam und die restlichen Gäste der Hochzeitsgesellschaft untergebracht hatte.
Ohne Zweifel würde gleich ein schmuckes, altes Gebäude hinter der Kurve zum Vorschein kommen, mit irgendeinem blühenden, rankenden Gewächs zugewuchert, und Sam würde aussteigen, sich umsehen, und dann verkünden, ‚wie hübsch’ es hier doch sei.
Dean grinste unwillkürlich, warf einen kurzen Blick auf den wie üblich schlummernden Sam auf dem Beifahrersitz und seufzte leise, es war ein Laut vollendeter Zufriedenheit, er streckte die Hand nach Sam aus, strich ihm zum ersten Mal seit Monaten NICHT das Haar aus der Stirn, sondern stupste ihn sachte an der Schulter an.
„Wach auf, Sammy, wir sind gleich da.“
Sam brummte verschlafen und schlug die Augen auf, startete einen zum Scheitern verurteilten Versuch, sich im beengten Innenraum des Impalas zu strecken, und drückte schließlich den Kopf in den Nacken, um zumindest die verspannten Muskeln in diesem Bereich zu lockern.
„Hab ich lange geschlafen?“ erkundigte er sich nuschelnd, und Dean sah großzügig davon ab, ihn eine alte Schnarchnase zu nennen, und verneinte.
Er fuhr um die letzte Kurve, das dahinter auftauchende Gebäude war alt, weiß, äußerst schmuck und mit einem lila blühenden Gewächs zugewuchert, und Sam wartete nicht bis zum Aussteigen, um zu verkünden, dass es hier ja ‚richtig nett’ sei – was nicht ganz mit Deans Vorhersage überein stimmte, aber doch genug, um ihn selbstzufrieden grinsen zu lassen.
Dean hielt den Wagen an, stieg gemeinsam mit Sam aus und blickte sich ebenso wie er äußerst aufmerksam um.
Man konnte ja nie wissen, hinter welchem Gebüsch der nächste Untote auf einen lauerte, und wenn die Umgebung noch so idyllisch war.
„Ich hab das komische Gefühl, dass ich hier schon mal gewesen bin …“, stellte Sam nach einer Weile fest, und Dean versicherte ihm äußerst überzeugt, dass das schlichtweg unmöglich sei.
Weder mit ihrem Vater noch im Alleingang waren sie jemals zuvor in Connecticut gewesen, und schon gar nicht in diesem tranigen Örtchen namens Stars Hollow, das ihn streckenweise erschreckend an Stepford erinnert hatte, als sie es auf der Suche nach der richtigen Straße durchfahren hatten – Sam musste sich also irren.
Sam zuckte mit den Schultern und nahm Deans Einwand schweigend hin, dann holte er gemeinsam mit ihm das Gepäck aus dem Kofferraum, sah mit mühsam unterdrücktem Grinsen dabei zu, wie Dean mit einem herbeigeeilten Pagen darüber stritt, ob es wirklich nötig sei, die Autoschlüssel auszuhändigen, damit der Impala umgeparkt werden konnte, und schleifte Dean schließlich mit sich zur Rezeption, nachdem dieser sich in einem plötzlichen und völlig unerwarteten Anfall von Resignation geschlagen gegeben und die Autoschlüssel hergegeben hatte.
Der erlesen gekleidete Mensch hinterm Tresen, der scheinbar alles andere als glücklich war, sie zu sehen, musterte erst Sam, dann Dean, und fragte dann mit dem herrlichsten französischen Akzent, den Sam je gehört hatte, was er für sie tun könne.
„Wir gehören zu der Hochzeitsgesellschaft Fraser/Shade“, erklärte Sam freundlich, der missgelaunte Franzose zückte das Buch mit den Reservierungen, Sam wies ihn und Dean als die Winchesters aus, bekam die Schlüssel ausgehändigt und verstand die folgende Bemerkung, dass er ja hoffentlich noch wisse, wo alles sei, besonders die Türen, genau so wenig wie Dean.
Er ließ sich von dem hilfreichen, Impala parkenden Pagen die Reisetaschen abnehmen, händigte ihm außerdem ihren Zimmerschlüssel aus, und folgte ihm dann brav die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer.
Dean bekam den Autoschlüssel zurück, Sam den Zimmerschlüssel, der Page verabschiedete sich, nachdem er von dem knurrenden Dean etwas Trinkgeld erhalten hatte, und Dean schob sich hinter Sam ins Zimmer und blickte sich kritisch um.
Naja, das war ja gar nicht so übel – und auf jeden Fall sehr viel weniger überdreht, als die Motelzimmer, in denen sie für gewöhnlich nächtigten.
Sie waren einen ganzen Tag zu früh dran, da sie in dem Glauben, es sei sinnvoll, das Nützliche mit dem Praktischen zu verbinden, Kansas in dem Augenblick etwas überstürzt verlassen hatten, da es klar zu werden begann, dass sie tatsächlich eingeladene Gäste auf einer Hochzeit sein würden, auf der sie keine der beiden heiratenden Parteien kannten.
Dean hatte beschlossen, unterwegs so viele übernatürliche Plagegeister wie möglich ins Jenseits zu befördern, er war wie das jüngste Gericht über Missouri, Illinois und Indiana gekommen, und Sam hatte es als ungewöhnlich unterhaltsam empfunden, dass Dean nur deswegen derartig leidenschaftlich in seiner Berufung aufging, weil er damit kaschieren wollte, warum er nicht einfach Williams Einladung gefolgt war, sich mit einem von ihm bezahlten Flugticket in ein Flugzeug zu setzen, wenn es an der Zeit war, sich auf den Weg nach Connecticut zu machen.
Nein, Dean hatte darauf beharrt, den ganzen Weg zu fahren – keine zehn Pferde hätten ihn in ein Flugzeug bekommen – in Ohio war er dafür mit einem waschechten Zombie belohnt worden, der pflichtbewusst in Flammen aufgegangen war, nachdem Dean ihm zunächst in den diesmal existenten Kopf geschossen, bevor er ihn mit Haarspray und Feuerzeug attackiert hatte, und ihn und Sam auch im Nachhinein nicht durch hartnäckiges Erscheinen in ihren Träumen belästigte.
Pennsylvania hatte sie mit strahlendem Sonnenschein und tödlicher Langeweile empfangen, und sie hatten den Staat quasi im Flug durchquert, nur um sich im südlichen Ausläufer des Staates New York mit einer Horde wild gewordener Geister herumschlagen zu müssen, die es gar nicht lustig fand, dass eine Baugesellschaft ihren Friedhof schändete.
Sam war ehrlich froh gewesen, dass der Vorfall keine in Massen auftretenden Insekten involviert hatte, und noch viel froher, als er und Dean es endlich geschafft hatten, den ganzen verdammten Friedhof frei zu legen, um sämtliche Gebeine der verstimmten Toten zu salzen und zu verbrennen.
Die Blasen an seinen Händen hatten sich zu seinen schmerzenden Schnittwunden von Bobbys zerbrochenem Kaffeebecher gesellt, und als Dean gesehen hatte, mit welch verbissenem Gesichtsausdruck Sam ein Grab nach dem anderen ausgehoben hatte, ohne sich zu beschweren, hatte er ihn einen dämlichen Idioten genannt, und ihm mit einer solchen Schärfe in der Stimme befohlen, sofort aufzuhören zu graben, dass Sam ganz heiß geworden war.
Nun waren sie also in Connecticut, viel früher als erwartet, und hatten sogar noch einen ganzen Tag lang Zeit, sich Anzüge zu besorgen, bevor sie mit dem ihnen unbekannten Mortimer Fraser seinen Junggesellenabschied feiern würden.
Dean hatte zwar gemeint, dass an den Anzügen, die sie besaßen, nichts auszusetzen sei, aber Sam fand, dass man ihrer Garderobe inzwischen doch sehr ansah, dass sie in Reisetaschen durch die Lande transportiert wurde, und hatte darauf bestanden, dass sie sich neue zulegten, die dem Anlass angemessen waren.
Dean hatte gemurrt und sich gefügt, und Sam hatte ihm verschwiegen, dass es nicht nur ihre Anzüge waren, denen als letzte Ruhestätte ein Müllcontainer bevorstand.
Er hatte kaum noch etwas zum Anziehen, das nicht das ein oder andere Loch aufzuweisen hatte, und so sehr er es auch verabscheute, ihre Rechnungen mit gefälschten Kreditkarten zu begleichen – diesmal würde er sich darüber keine Gedanken machen.
Er und Dean brauchten verdammt noch mal neue Klamotten.
„Ok. Ich hab alles.“
Sam drehte sich ungläubig zu Dean um, erblickte ihn mit den Armen voller Kleidungsstücke und schüttelte missbilligend den Kopf.
„Oh nein, so nicht.“
Dean blinzelte verdutzt, und Sam packte ihn mit eisernem Griff an der Schulter und schob ihn in Richtung der Umkleiden.
„Du wirst diese Sachen anprobieren, bevor du sie kaufst!“
Dean weitete panisch die Augen, er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Umkleidekabine von innen gesehen, und verstand nicht, was Sam auf einmal hatte – er war bisher gut durchs Leben gekommen, ohne seine Klamotten vor dem Kauf anzuprobieren.
Sams Hand an seiner Schulter hatte jedoch so fest zugepackt, dass Dean unmissverständlich klar war, wie zwecklos Widerspruch sein würde, er ließ sich also murrend schieben, drehte sich jedoch, nachdem Sam ihn energisch in die leere Umkleide geschubst hatte, mit einer beleidigten Schnute zu ihm um.
„Kannst du mir mal sagen, warum dir das so wichtig ist?“
Sam verschränkte die Arme vor der Brust, musterte ihn von oben nach unten, und das mit einem Funkeln in den Augen, dass Dean beinahe rot geworden wäre.
„Ich würde dich einfach gerne mal in Sachen sehen, die dir tatsächlich passen.“
Dean war kurz sprachlos, dann machte sich seine Empörung in einer Flut von Worten Luft, von denen die ersten „Meine Klamotten passen mir!“ und die letzten „idiotischer Klamottenfetischist!“ waren.
Er zog mit Schwung den Vorhang hinter sich zu, versuchte, Sam zu ignorierten, der ihn von der anderen Seite des Sichtschutzes aus darüber in Kenntnis setzte, dass mindestens 50 Prozent seiner Kleidung Dean keineswegs passe, sondern mindestens zwei Nummern zu groß sei, und aussah, als würde er seine – Sams – abgelegte Sachen auftragen.
„Ich verstehe einfach nicht, warum es dir so schwer fällt, einfach mal Sachen in deiner Größe zu kaufen …“, schloss Sam seinen Monolog schließlich ab, und Dean, der nur immer und immer wieder die Worte „zu groß“ und „ein paar Nummern kleiner“ gehört hatte, riss erbost den Vorhang seiner Umkleidekabine zur Seite.
„Ich bin nicht klein!“
Sam wollte lachen und etwas erwidern, dann fiel ihm auf, dass Dean es gerade eben so geschafft hatte, den Reißverschluss der Jeans zuzuziehen, die er anprobiert hatte, dass der Knopf aber noch offen war, dass er den Bund von Deans Shorts unter den etwas tief sitzenden Jeans hervorblitzen sah – und dass Dean es nicht für nötig gehalten hatte, seinen Oberkörper zu bekleiden, bevor er den Vorhang so ungestüm aufgerissen hatte.
Die Jeans passten Dean wie angegossen, Sam hörte mehrere Personen in seinem Rücken hastig einatmen, als sie Deans ansichtig wurden, und er trat eilig zu ihm in die geräumige Kabine hinein und zog den Vorhang hinter ihnen zu.
Dean blickte aus streitbaren grünen Augen zu ihm auf, erfasste nicht sofort, wie Sams Stimmung umgeschlagen hatte, als er sich ihm so spärlich bekleidet gezeigt hatte, und war dementsprechend überrascht, als er sich plötzlich an die Kabinenwand zurückgedrängt vorfand, mit Sams warmem Körper vor sich, der sich kompromisslos gegen ihn presste, und Sams rechtem Oberschenkel zwischen seinen eigenen, der Bewegungen an ihm vollführte, die ihm klar machten, dass Sam eindeutig auf Dinge aus war, die man an öffentlichen Orten für gewöhnlich eher nicht machte.
„Gott Sam, manchmal machst du mir Angst …“, brachte er keuchend hervor, und Sam hob den Kopf und warf ihm einen solch glühenden Blick zu, dass Dean ganz merkwürdig zumute wurde.
Das ging doch so nicht! ER war hier der unbeherrschte Lüstling, nicht Sam!
Sam war harmlos und putzig und wurde rot, wenn er nur an den Gebrauch von Gleitgel DACHTE! – Apropos, die Tube war so gut wie leer, da musste langsam mal eine Neue her.
Dean stemmte beide Hände gegen Sams angespannte Brustmuskeln, drückte ihn von sich und boxte ihn, als Sam den Wink nicht verstand, und prompt wieder über ihn herfallen wollte.
Das entlockte Dean jetzt doch ein amüsiertes Grinsen.
„Aus Sammy! Beherrsch dich gefälligst!“
Sam blinzelte ihn unter seinen Ponyfransen heraus ungläubig an, dann trat doch tatsächlich so etwas wie Zorn in seine braunen Augen.
„Wieso ist es eigentlich immer nur dann in Ordnung, wenn DU derjenige bist, der sich nicht zusammenreißen kann? Wieso schiebst du mich ständig weg, wenn mal von MIR die Initiative ausgeht?!“
Dean wich Sams glühendem Blick aus, überlegte kurz, sah wieder zu ihm auf, schluckte, sah schnell wieder weg und ließ schließlich die Arme sinken.
„Na gut, komm her.“
Dean hatte damit gerechnet, dass Sam jetzt stur den Kopf schütteln und verkünden würde, dass ihm inzwischen die Lust vergangen sei, dann knallte sein Hintern wieder an die Kabinenwand in seinem Rücken, Sams Hände fuhren ihm unter den Bund seiner noch immer aufgeknöpften Jeans, und sein überraschtes Stöhnen über diese heftige Attacke wurde von Sams Lippen in einem energischen Kuss erstickt.
Dean würde diese Jeans definitiv kaufen müssen.
Sohooo. Das war es, das letzte Kapitel vor der Jubiläums-Hochzeits-Folge!
(Wir zählen den Prolog nämlich als Prolog und nicht als Kapitel – die Hundert machen wir also erst mit dem nächsten voll, okese? Alles klar!)
Hapuh. Ich bin erschöpft. Ich bin ausgelaugt. Ich brauche Urlaub!
Ich werde euch, meinen liebsten Lesern aber nichtsdestotrotz (bin immer wieder stolz auf Word, dass er das Wort kennt!) am Sonntag (schneller geht’s nicht) mit dem nächsten Kapitel erfreuen, und dann wird es auch endlich wieder Kommi-Kommis (und zwar welche der besonderen Art!) geben.
(Viele Klammern diesmal …)
Wer also auf den letzten Drücker noch Erwähnung finden möchte in diesem fabelhaften Jubiläums-Kapitel, möge sich per Kommi bei mir melden, dann wird auch der schändlichste Schwarzleser begnadigt und mit Handkuss empfangen.
*gääähn*
Soviel für heute von mir, ich hab da noch was zu schreiben …
Gehabt euch wohl und bis zum nächsten Mal!
moko-chan