Himmelsleiter von abgemeldet (Wolke 7 und zurück) ================================================================================ Kapitel 2: ~Foyergespräch~ -------------------------- ~Foyergespräch~ Sakura konnte kaum durchatmen, so nah war ihr der Fremde. Er lockerte den Griff um ihre Arme, ließ sie aber nicht ganz los. Er schaute sie offen an, und im ersten Moment fiel es ihr einfach schwer, Luft zu holen. Er sah wirklich phantastisch aus. Seine Augen funkelten amüsiert, aber wohl nicht nur wegen Sakuras Witz über Gai, sondern eher, als gäbe es ein Geheimnis, von dem nur sie beide etwas wussten. Er musste sich sichtlich bemühen, ein vergnügtes Lachen zu unterdrücken. An den kleinen Fältchen um seine Augen erkannte Sakura jedoch, dass er gern und viel lachte. Da Sakura ziemlich groß war, musste sie im Allgemeinen nicht zu jemandem aufschauen. Anders jedoch bei ihm. Sie fühlte sich fast überwältig von seiner Größe. Wie aufregend! Als hätte er ihre Gedanken erraten, huschte ein Lächeln um seine Lippen. Doch im selben Moment brachte Gais laute Stimme Sakura in die Wirklichkeit zurück. Sie nahm sich zusammen und sagte leise: „Entschuldigen Sie bitte.“ Sichtlich widerstrebend wandte sich der Fremde von Sakura ab und warf einen Blick zu dem Regisseur hinüber. Dann zwinkerte er Sakura zu. „Bis nachher, schöne Frau!“ flüsterte er verschwörerisch, gab sie frei und ging an ihr vorbei zur Abendkasse. Er bewegte sich lässig, und Sakura konnte nicht anders, als ihm nachzuschauen. Die Jacke straffte sich über seinem breiten Rücken, seine Hüften waren schmal und seine Beine lang und muskulös. Ihn von hinten zu sehen war fast ebenso ein Vergnügen wie von vorn. Er war an der Abendkasse schnell fertig und eilte weiter zu den Saaltüren, wo er sich ein letztes Mal nach Sakura umsah. Sie erkannte an seinem Gesichtsausdruck, wie sehr es ihm gefiel, dass sie ihm nachschaute. Verwirrt über sich selbst wandte sich Sakura hastig ab – aber nicht, ohne sein hinreißendes Lächeln aufzufangen. Dieser atemlose Moment war in wenigen Sekunden vorüber. Doch Sakura fühlte sich wie benommen. Erst als Gai sie noch einmal ansprach, fand Sakura auf den Boden der Wirklichkeit zu rück. „Wie bitte, Signor?“ Es fiel ihr schwer, ihre Aufmerksamkeit auf den Regisseur zu richten. „Ich sagte gerade, das Stück wird gleich anfangen. Ich will sie nicht länger aufhalten.“ Das Foyer war jetzt vollkommen leer, bis auf Gai und seine Begleiterinnen, die nun durch die breiten Doppeltüren entschwebten. Sakura ging zur Abendkasse hinüber und Ino folgte ihr. „Wahnsinn!“ raunte Ino der Freundin zu. Sakura nickte gedankenversunken und hoffte, dass ihre Röte allmählich nachgelassen hatte. „Er ist etwas seltsam. Es tut mir Leid, dass ich dich mitgeschleppt habe.“ „Nein, ich meine nicht Gai. Ich meine diesen Fremden. Aus der Nähe sieht er noch besser aus. Ich schwöre dir, Sakura, als du zu ihm aufgeschaut hast, dachte ich, du würdest jeden Moment in Ohnmacht fallen.“ „Sei nicht albern“, tadelte Sakura die Freundin. Sie stand vor der Abendkasse und sprach die Angestellte hinter der Scheibe an: „Haruno von den ‚Angel’s News’. Für mich müssten zwei Karten reserviert sein.“ Die junge Frau strich Sakuras Namen auf der Vorbestellungsliste durch. „Ja, Ma’am, einen Moment.“ Während sie den Sitzplan überflog, konnte Sakura einen Blick auf die Liste werfen, und fand heraus, dass vom ‚Hermes’, der Konkurrenzzeitung, niemand zur Premiere gekommen war. Weiter unten auf dem Blatt entdeckte sie Kankuro Sabakunos Namen. Doch der war durchgestrichen und „abges.“ stand gleich daneben. „Großartig.“ „Wie bitte?“ fragte die junge Dame und reichte ihr die Karten. Sakura lächelte. „Oh, nichts. Danke.“ „Viel Spaß.“ „Sabakuno hat abgesagt“, berichtete Sakura ihrer Freundin, während sie den Zuschauerraum betraten. „Was, vom ‚Hermes’ ist niemand hier?“ „Richtig. Da ich morgen in der Ausgabe nicht mit Sabakuno konkurrieren muss, kann ich Iruka vielleicht überreden, meine Rezension für die Sonntagsausgabe festzuhalten“, sagte sie und nahm neben ihrer Freundin Platz. Im selben Moment ging die Deckenbeleuchtung aus. Das Stück war ein Albtraum. Nachdem der erste Akt beendet war, ertönte magerer Applaus – mehr aus Erleichterung als aus Begeisterung. Dann verließen alle, auch Gai und seine Begleiterinnen den Saal. Als Sakura und Ino ins Foyer gelangten, war es bereits fast leer. Die Leute vor ihnen bewegten sich auf den Hauptausgang zu. Sakura konnte es ihnen nicht verübeln. Wäre es nicht ihr Job gewesen, hätte sie sich auch auf den Heimweg gemacht. „Meine Güte, ich sehe furchtbar aus!“ stellte Ino entsetzt fest, als sie sich flüchtig in der Glasscheibe vor einem der Szenenfotos sah. „Du siehst gut aus“; versicherte Sakura ihr. Ino musterte ihre Freundin missgünstig. „Du hast gut reden. So wie du aussiehst, brauchst du dir nie Sorgen zu machen. Aber ich… Ich muss jetzt erst mal in den Erfrischungsraum.“ Amüsiert zwinkerte sie Sakura zu. „Es sein denn, du brauchst mich als moralische Stütze.“ „Nein, geh ruhig. Niemand wird mich nach meiner Meinung zu dem Stück fragen.“ Ino wandte sich zum Gehen, und Sakura kehrte dem leeren Foyer den Rücken, um ganz sicher zu sein, dass niemand sie belästigen würde. Leider funktionierte ihr absichtlich unauffälliges Verhalten nicht. Denn schon ertönte hinter ihr die gefürchtete durchdringende Stimme mit dem italienischen Akzent. „Mia bellissima Signorina. Was stehen sie hier so allein?“ Seufzend bemühte sie sich um ein freundliches Lächeln, als sie sich dem Regisseur zuwenden wollte. Aber zu ihrer Verwunderung sah sie nur den Fremden vor sich. Er griff nach Sakuras Hand, küsste sie und hakte ihren Arm bei sich unter, als würde er sie schon jahrelang kennen. Sakuras Herz machte einen Satz. „Mia bellissima Signorina, fehlen ihnen die Worte? Hat meine ausgezeichnete Produktion ihnen die Sprache verschlagen?“ Sakura war fasziniert, wie treffend der Fremde den Regisseur nachahmen konnte. Sie lachte laut auf. „Nichts hat mir bisher die Sprache verschlagen, Signor… mir haben höchstens schon mal die Worte gefehlt.“ Sakura lehnte sich leicht zurück und musterte ihn eingehend von oben bis unten. „Ich hoffe, sie halten mich nicht für vermessen, Signor, aber irgendwie waren sie mir anders in Erinnerung.“ Er nickte ernst. „Das liegt an der Länge des ersten Akts, Man kann sich dabei sehr verändern.“ „Wie wahr“, pflichtete Sakura ihm bei und musste sich das Lachen verbeißen „Und wie sind sie ihre Augenbrauen losgeworden?“ „Mein Friseur hat neben mir gesessen.“ „Es ist ihm wunderbar gelungen, ihre Augenbrauen auf ein gesundes Maß zu reduzieren.“ „O finden Sie?“ erkundigte er sich eifrig, ließ Sakuras Arm los und betrachtete sich interessiert im Glasrahmen der Szenenfotos. „Vorsicht, Signor, sonst glaube ich noch, dass sie eitel geworden sind.“ Mit gespielter Verlegenheit senke er die Stimme zu einem Flüsterton, der gar nicht zu seinen komischen Worten passte. „Verzeihen Sie mir, Signorina, ich möchte nicht, dass Sie schlecht von mir denken.“ Die plötzliche Intimität, die in seinem Blick lag, ernüchterte Sakura, obwohl ihr Herz jagte. Nervös ging sie auf Distanz. „Wahrscheinlich sollten wir uns nicht über Mr. Gai lustig machen. Er könnte jeden Moment vorbeikommen und hören, was wir reden. Das wäre mir nicht recht.“ Sasuke merkte sofort, dass er etwas falsch gemacht hatte. Aber sie war so schön, intelligent und schlagfertig, dass er ihre Nähe so lange wie möglich auskosten wollte. Er lächelte, und antwortetet in normalem Tonfall: „Sie haben recht. Es tut mir Leid, Miss Haruno, aber ich konnte nicht widerstehen. Sie standen so verlassen da, obwohl sie sich bemüht haben, unauffällig zu wirken.“ Seine Stimme hatte sich um mehr als eine Oktave gesenkt und klang warm und volltönend. Sakura ignorierte das Prickeln, das ihr über den Rücken lief, und musterte ihn argwöhnisch. „Woher wissen Sie eigentlich meinen Namen?“ „Soll das ein Witz sein? Dank Gai weiß jeder im Theater, wer Sie sind und wo Sie arbeiten.“ Sakura kam sich albern vor. „Natürlich.“ „Sie sind also Kritikerin?“ fragte er wie beiläufig und lehnte sich an die Wand. „Ja, richtig.“ „Wollen sie mir einen Vorgeschmack auf ihre Rezension geben?“ Sie schüttelte den Kopf. „Geht nicht. Sie müssen schon die ‚Angel’s News’ lesen.“ „Morgen?“ „Wahrscheinlich nicht. Wenn ich Glück habe, wird meine Rezension am Sonntag abgedruckt, aber man weiß ja nie.“ „Tatsächlich? Ich dachte Sie wollten – wie heißt das noch? – die Konkurrenz ausstechen.“ „Der Kritiker vom ‚Hermes’ war nicht da, deshalb habe ich einen Tag länger Zeit, die Rezension zu schreiben.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Sie sind furchtbar neugierig auf meine Arbeit.“ „Nein, ich suche nur nach einer Ausrede, um mich hier mit Ihnen unterhalten zu können.“ Sasuke stieß sich von der Wand ab und trat näher. „Wenn Sie keine Lust haben, sich mit mir zu unterhalten, gebe ich mich auch damit zufrieden, Sie einfach nur anzusehen.“ Es fiel Sakura schwer, seinem Blick standzuhalten. „Ich bin keine Imitatorin und kann auch keine Grimassen schneiden“, versuchte sie ihn abzuwehren. „Macht nichts. Nach dem ich eine Stunde da drinnen verbracht habe, könnte ich es sowieso nicht ertragen, wenn Sie mich jetzt zum lachen bringen.“ „Hat Ihnen das Stück etwa nicht gefallen?“ erkundigte sie sich ernst. „Kommen Sie, Miss Haruno, Ihnen hat es doch auch nicht gefallen, oder?“ „Sie wollen wirklich meine Meinung hören?“ „Aber ja. „Sie haben nichts mit der Theatergruppe zu tun, oder?“ Sasuke hob seine rechte Hand. „Die Schauspieler habe ich heute Abend zum ersten Mal gesehen, Ehrenwort“, schwor er und wählte seine Worte sorgsam, um sein Gewissen zu beruhigen. Eine Lüge war das nicht, er hatte nur die Wahrheit bis zum äußersten Ende gedehnt. „Na gut. Dann kann ich es Ihnen ja sagen. Falls ich lebend aus dem Theater komme, betrachte ich es als Beweis für ein Leben nach dem Tod.“ Sasuke schmunzelte. „Das ist gut. Sicher werden Sie das in Ihrer Rezension verwenden. Für den, wie heißt das… wissen Sie, den ersten Satz in einem Artikel?“ „Die Einleitung.“ „Ja genau. Das wird eine wunderbare Einleitung. Sie passt jedenfalls zu dem Stück.“ Sakura senkte bescheiden den Blick. „Oh, danke. Ich werde ihn verwenden, um Ihnen einen Gefallen zu tun.“ Du lieber Himmel, auf was lasse ich mich da ein? dachte sie entsetzt. „Nur meinetwegen? Dann werde ich auf jeden Fall nach Ihrer Rezension Ausschau halten. Wenn ich am Sonntag im Bett meine Zeitung lese, werde ich nur an Sie denken.“ „Soll ich jetzt etwa wie Butter in der Sonne dahin schmelzen?“ fragte sie. „Ich dachte mehr an Wachs in meinen Hände“, erklärte er und lächelte betörend. „Ach, sie sind einer von denen – so ein Foyerlöwe, der sich auf Pausenromanzen spezialisiert hat.“ Er hob die Schultern. „Was soll ich dazu sagen? Mir gefällt es, so zwischendurch anzubändeln.“ Sakura lachte laut auf. Sie konnte sich nicht erinnern, wann es ihr jemals so viel Spaß gemacht hatte, sich mit jemandem auf ein Wortgefecht einzulassen. Es war aufregend belustigend… und was sollte schon gefährlich daran sein? Schließlich war es nicht mehr als ein unschuldiger Flirt. „Sie sind vollkommen unmöglich, wissen Sie das?“ „Sicher“, gab er unumwunden zu. „Aber irgendwie muss ich doch Ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen, sonst werde ich sie nie wieder sehen.“ Irgendwie hörte Sakura heraus, dass er jetzt nicht scherzte. Aber sie ignorierte seine Andeutung. „So ist das Leben, mein Freund.“ Er wurde plötzlich ernst. „Heißt das, Sie werden nach dem Stück keinen Kaffee mit mir trinken gehen?“ Verblüfft geriet Sakura ins Stottern. „Ich… eh…“ „Ist das ein Ja oder ein Nein?“ „Das ist… eh, ein Nein. Tut mir Leid. Ich kenne ja noch nicht einmal Ihren Name. und…“ Ehe sie ausreden konnte, straffte er sich und verbeugte sich. „Sasuke Urasawa, zu Ihren Diensten.“ Damit hatte er die Wahrheit weit überspannt. Aber was sollte er tun? Wenn er ihr seinen vollen Namen sagte, würde sie ihm sofort die kalte Schulter zeigen. Aber seine Notlüge war nicht so sicher, wie er gedacht hatte. Denn Sakura wurde blass. Im ersten Moment dachte Sasuke, sie würde ihn tatsächlich kennen. Aber das war nicht der Fall. „Urasawa?“ wiederholte sie heiser. „Du lieber Himmel, noch ein Japaner!“ Sasuke vergaß sein schlechtes Gewissen. „Was soll das denn heißen? Japaner nicht erwünscht?“ Sakura hob entschuldigend beide Hände und wich vor ihm zurück, als würde eine gewisse Distanz sie vor ihm schützen. „Es tut mir Leid, ich wollte sie nicht beleidigen. Ich bin ja selbst halbe Japanerin…“ „Ich bin nicht beleidigt“, erwiderte er. Sein mitfühlender Blick war entwaffnender als sein Lächeln. „Hat einer meiner Landsmänner Ihnen das Leben schwer gemacht?“ Nervös schaute Sakura auf die Uhr. Wo blieb Ino? „Das ist eine persönliche Angelegenheit, über die ich mit Fremden nicht sprechen will.“ „Oh, Entschuldigung.“ Er lächelte plötzlich, und Sakura musste sich rasch gegen seinen Charme wappnen. „Wenn ich meinen Namen ändere, würden Sie dann eine Tasse Kaffe mit mir trinken gehen?“ „Hören Sie…“ „Würden sie mit einem völlig unbedrohlichen George Burns ausgehen? Oder wie wäre es mit George Bush?“ „Bitte…“ „Ach, tut mir Leid. Wahrscheinlich sind Sie Demokrat. Wie wäre es mit Bill Clinton?“ „Würden sie endlich aufhören!“ „Bill Gates? Das ist mein letztes Angebot. Entweder sie nehmen es an, oder sie lassen es bleiben.“ Gegen ihren Willen musste Sakura lachen. „Bitte, bringen sie mich nicht zum Lachen“, bat sie. „Ich will sie nicht sympathisch finden.“ „Weil ich Japaner bin?“ fragte er ungläubig. „Weil ich verlobt bin. „Ach so.“ Er schwieg einen Moment. Da erst merkte Sakura, dass sie soeben gelogen hatte. Hoffentlich fiel ihm das nicht auf. Eigentlich war es mehr ein Versprecher. Denn bis vor sechs Monaten hatte sie diese Ausrede benutzen können. Doch jetzt galt sie nicht mehr. Sasuke musterte sie prüfend, ließ den Augenblick zu einer unangenehmen Stille anwachsen, ehe er schließlich fragte: „Verlobt mit wem?“ Sakura bemühte sich, ernst zu bleiben, auch wenn es ihr nicht leicht fiel. „Mit einem netten jungen Mann.“ „So nett wie ich bin?“ „Ich kenne Sie nicht.“ „Trinken Sie Kaffe mit mir und lernen sie mich kennen. Haben Sie schon mal etwas von vergleichen gehört?“ „Das Vergleichen habe ich bereits hinter mir!“ wehrte sich Sakura. „Hören Sie, Mr. Urasawa…“ „Nennen sie mich Bill.“ Sakura seufzte müde. „Können Sie denn gar nicht ernst sein?“ „Na gut, ich werde es versuchen.“ Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und plötzlich wünschte Sakura sich, sie hätte ihn nicht darum gebeten. So durchdringend, wie er sie jetzt anschaute, fiel es ihr noch schwerer, sich gegen ihn zu wehren. „Irgendwann kurz vor acht heute Abend stand ich da drüben in der Ecke“, sagte er, „als die schönste Frau, die mir je begegnet ist, in das Foyer stürmte. Ihr Haar war zerzaust, und sie lächelte so bezaubernd, dass mein Herz raste. Da habe ich gleich gewusst, diese Frau muss ich näher kennen lernen. Das ist mir gelungen, und was habe ich dabei entdeckt? Dass sie intelligent, witzig und faszinierend ist. Leider hat sie nur einen Fehler und wehrt sich gegen die Anziehungskraft, die ich für sie empfinde.“ Darauf vermochte Sakura nichts erwidern, selbst wenn sie es gewollt hätte. Aber das brauchte sie auch nicht, denn Sasuke fuhr leise fort: „Ich weiß nicht, wie Sie denken, aber ich glaube nicht an diese Liebe auf den ersten Blick. Lust auf den ersten Blick gibt es. Das kann ich gut beurteilen, weil ich es gerade am eigenen Leib erlebe. Ehrlich, Sie sind charmant, auffallend hübsch und eine sehr nette Frau. Ich möchte Sie unbedingt näher kennen lernen.“ Endlich hielt Sasuke inne und wartete einen Moment, ehe er sich erkundigte: „Jetzt sagen Sie mir, Miss Haruno, war das ernst genug?“ Das gibt es nicht! dachte Sakura. Bei so viel Dreistigkeit und Schmeichelei verschlug es ihr die Sprache. Natürlich hätte sie ihm jedes Wort geglaubt. Schließlich machte er ein Gesicht, als würde er es wirklich ernst meinen. Doch vom Gefühl her wollte sie lieber davonlaufen. Und ihr Gefühl war stärker. „Es tut mir Leid, Mr. Urasawa. Wirklich. Sie sind ein anziehender Mann, und ich fühle mich geschmeichelt. Aber ich bin tatsächlich verlobt. Ich hätte Sie nicht ermutigen dürfen. Dafür muss ich mich entschuldigen. Falls ich Sie in Verlegenheit gebracht haben sollte…“ „In Verlegenheit?“ Sasuke lachte und schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich verlegen sein? Ich habe einer schönen Frau gesagt, dass sie schön ist. Sicher bin ich nicht der erste Mann, der den Wunsch verspürt, Sie einfach an sich zu reißen.“ „Nein, und Sie werden wahrscheinlich nicht der letzte sein“, bemerkte sie und schmunzelte. Wie gelassen er ihre Ablehnung hinnahm. „Aber nicht vielen Männern gelingt es, so scharmant und offen auszusprechen, was sie wollen.“ Sofort spitzte er die Ohren und neckte sie: „Aha, sie finden mich also charmant?“ „Sie sehen auch gut aus.“ „Hm…“ Er strich sich nachdenklich das Kinn. „Charmant und gutaussehend.“ „Außerdem besitzen Sie einen fantastischen Humor.“ Du lieber Himmel, gerade habe ich ihn zurückgewiesen, und jetzt flirte ich schon wieder mit ihm. Was ist nur los mit mir? Da sie so ehrlich gewesen war, hielt Sasuke es für besser, ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Früher oder später würde sie sowieso erfahren, wer er war. Und wenn sie schon nicht miteinander flirten konnten, sollte sie die Wahrheit wenigstens von ihm erfahren. Aber gerade als er sie ansprechen wollte, fiel sein Blick auf ihre linke Hand. Sie hatte schlanke, graziöse Finger… und trug keinen Ring. Eine Verlobung ohne Ring? Das gab es natürlich. Aber wäre sie seine Verlobte, würde er ihr ein Schild mit der Aufschrift „Annähern verboten“ umhängen. Sollte ihr Verlobter nicht erkannt haben, was für einen Schatz er besaß? Oder gab es keinen Verlobten, und Miss Haruno hatte sich ebenso wie Sasuke hinter einer Ausrede versteckt? Die Wahrheit herauszufinden war nicht allzu scher. Doch bis dahin wollte Sasuke seine Notlüge lieber nicht aufdecken. Zu beglückend war die Hoffnung, die erneut in ihm aufflammte. In diesem Moment signalisierten die Lichter den Beginn des zweiten Aktes. „Das ist unser Stichwort. Darf ich Sie wenigstens ins Theater geleiten?“ Sakura fiel ein, dass sie mit Ino hier war. „Ich warte auf meine Freundin.“ „Die hübsche Blonde?“ „Ja.“ „Sie ist schon vor fünf Minuten hineingegangen.“ „Diese Verräterin! Das ist das letzte Mal, dass ich ihr Begleitungskarten besorge.“ „Nach dem Dilemma ist sie wahrscheinlich froh darüber.“ Er bot Sakura seinen Arm und führte sie ins Theater. „Ich gehe wieder hinein, weil mein Job es verlangt. Aber wenn Ihnen das Stück so wenig gefällt, warum gehen Sie dann mit?“ Sie näherten sich den Doppeltüren, und Sasuke beugte sich so weit zu Sakura hinüber, dass sein warmer Atem ihre Wange streifte. Sicher wusste er genau, wie erotisch seine unschuldige Geste war. „Wetten, dass Sie nach der Tortur sogar mit mir ausgehen wollen.“ „Das wird nicht passieren“, erklärte sie überzeugt. Er hob die Schultern. „Da wäre ich mir nicht so sicher, Miss Haruno. Wer weiß, was für Überraschungen der morgige Tag bringt.“ Ehe sie ihm darauf etwas erwidern konnte, war er im Theater verschwunden. Verwirrt ging sie zu ihrem Platz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)