wicked von kaprikorn (der dunkle Pfad zur Unsterblichkeit) ================================================================================ Prolog: w i c k e d ------------------- Kreiert man einen Horcrux, so kann es sein, dass Schmerzen auftreten die sogar die „Unverzeihlichen Drei“ in den Schatten stellen. Man munkelt, ein Horcrux ist ein Teil des einzigen und wahren Selbst, das man besitzen würde und dass dasselbe nur sehr schwer von seinem eigentlichen Ich zu trennen sei. Fatale Verstümmelungen hätte es zur Folge, gäbe man sich dieser schwarzen Magie hin. Verstümmelungen des Körpers und des Geistes. Und da ein Horcrux aus dem puren Bösen erschaffen wird, bleibt Böses zurück und wird Böses weitergegeben und verwahrt. Wer sollte wollen, dass sein Böses fortan gedeihen kann? Wohlweisslich jemand, der mit sich selbst mehr als zufrieden ist... Kapitel 1: Am Rande des Wahnsinns --------------------------------- „Ich hasse dich", erklärte seine Stimme gleichgültig dem sich entgegen stierenden Spiegelbild. „Du bist hässlich" Und so unwirsch war diese Selbsterkenntnis gar nicht. Denn war die Gestalt vor dem Spiegel deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihre Haare waren stark ergraut. Die Haut war pergamentfarben, milchig und rissig – sie spannte, das Augenlicht wirkte trüb, aber die Iris funkelte unentwegt in einem dunklen Rot – Eiter trat aus den Augenwinkeln hervor und auf dem Linken erkannte Riddle seine Umgebung nur mehr in Schwarz und Weiß. Außerdem hatte sich die Pupille dort zurückgebildet und starrte in einem teilnahmslosen Schlitz vor sich her. Aber das Eindringlichste, was dem Schwarzmagier auffiel, betrachtete er sich weiterhin sehr aufmerksam, war seine deformierte Nase, die einst fast attraktiv über einem schwungvoll gewundenen Mund gelegen hatte. Jetzt fehlte ein Stück der Spitze und über ihren Rücken begann sich ebenfalls die Haut zu lösen. Alles in allem war Tom Riddle alles andere als hübsch – er war entstellt. Der Körper verfaulte. Sein Arm erhob sich langsam, sodass die Phiole in seinen klammen Fingern die Augenhöhe fand. Er schwang sie gemächlich, wie ein Beil, dass sich die Flüßigkeit darin der Bewegung anpasste. Sie funkelte Violett im matten Kerzenlicht und war das Letzte, was er benötigte, um die totale Unsterblichkeit zu erlangen. Den Korken über den Flaschenhals drückend, wandte sich der hoch Gewachsene vom Spiegel ab und dem sich windenden Reptil zu. Nagini schien zu schweben, gefangen in einer Art gläsernen Gefängnis und in einer guten Höhe, um sie problemlos erreichen zu können. Mehrmals hatte Voldemort Worte der Entschuldigung gegenüber seiner treuesten Freundin walten lassen. Doch war die Bedeutung derselben nicht stark genug, ihn von seinem Wahnsinn abhalten zu können. Ein schwacher Luftzug streifte seine Wange und zauberte eine Art Lächeln auf sein Gesicht, grausam und voller Willenskraft, das seine Augen nicht erreichte. „Keine Angst, es wird nicht weh tun – dir nicht. Du wirst nichts spüren." Das Rascheln naheliegender Buchseiten versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch Voldemort hatte nur eines im Sinn: Dieses Experiment so schnell wie möglich zu beenden, endlich sein Ziel zu erreichen und diese unsäglichen Schmerzen, die seinen kranken Körper in die Knie zwangen, ein für alle Mal los zu werden, denn sie raubten ihm nach und nach den Verstand. Und ohne einen weiteren Moment aufzuschieben, trank er aus dem Fläschchen und schluckte die widerliche Flüssigkeit – die einem Gift gar nicht so unähnlich war - mit einem Satz hinunter. Nur einen Sekundenbruchteil später fiel das Glas zu Boden und der Schwarzmagier begann sich unter dem flammenden Sog in seinem Innersten quälend und röchelnd zusammen zu krümmen. Und er schrie. Toms Stimme hallte an den Wänden wider, bis sie krächzend erstarb, weil die Bänder in seinem Hals unter dem Druck zu reißen drohten. Nagini schlängelte wild in ihrem Gefängnis, nicht verstehend, was mit ihrem Herren passierte, was dort für eine Magie im Gange war. Die wenigen Kerzen, die achtlos auf andere Kerzenleichen gestellt worden waren, erloschen abrupt und bargen die spärliche Räumlichkeit in vollkommener Dunkelheit. Ein Körper sackte hörbar zu Boden, Knochen paarten sich dumpf mit Holz und Scherben; ein grässliches Schleifen von Knochen, die über Holz gezerrt wurden, ertönte, dann ein Jappsen. Und kurz darauf rankten sich ein paar Arme um den grazilen Hals der schwebenden Schlange, um ihren magischen Schutz zu zerstören und das Reptil mit sich zu reißen, an seine Brust zu drücken, dass das Seelenstück, das so finster war wie die Schwärze des Zimmers selbst Einzug halten konnte in den Leib, der künftig darauf Acht geben sollte. Ein Hauch von Bewusstlosigkeit legte sich über Riddles Geist und zwang ihn, seinem geschwächten Selbst nachzugeben. Eine seltsame Leere breitete sich in ihm aus, von der er nicht wusste, ob sie die natürliche Folge seines Experimentes darstellte oder schon immer da gewesen war. Keinerlei Gefühl, nicht einmal der Hauch von Triumph regte sich in der Hülle, die er vor kurzem noch Körper genannt hatte – war er tot? Sollten seine Mühen umsonst gewesen sein? Seine Muskeln waren schwer, so schwer, dass Voldemort ihre Anwesenheit nicht wahrnahm. Wenn etwas schief gelaufen war, wenn er doch nicht im Stande gewesen sein sollte, diesen Horcrux zu erschaffen? Es war nicht die Einsamkeit, hier allein und unfähig zu liegen, die in ihm etwas auslöste, was Angst gar nicht so unähnlich, nur mit dem Wort Gefühl nicht mehr beschreibbar war. Sondern die Panik, etwas falsch gemacht zu haben. Schließlich beging er – Lord Voldemort – kaum einen Fehler und schon gar keinen so riskanten. Es würde alles laufen wie geplant, er musste sich nur von dieser Strapaze erholen; das war alles. Naginis Leib war schwer und drohte ihm allmählich den Atem zu rauben. Die Boa musterte ihn lange, sagte aber nichts und entglitt, nachdem sie sah – spürte – dass er den Weg in die Gegenwart fand, seinem klammernden Griff, der an ein Kleinkind erinnerte, dass sich an einem Stofftier festhielt. Durch die geschlossenen Fensterläden versuchten Mond- und Laternenlicht zu dringen und die Räumlichkeit zumindest etwas zu erhellen. Tom registrierte diesen Lichtschein, als seine Augenlider flatterten. Die Finsternis weckte einen Anflug von Unbehagen; das brüchige Holz regte sich hörbar zu seinem schwächlichen Versuch, sich in eine sitzende Position aufzurichten. Die Scherben der zerbrochenen Phiole bohrten sich nahezu spöttisch in seine Handflächen, dass seine Augenwinkel darunter kurz schmerzverzerrt erzitterten. Kaum, da sein Oberkörper daran war, erneut rücklings zu kippen, half Nagini stützend aus, kroch über seinen Rücken, zu seiner Schulter und hauchte etwas, was Riddle auf Anhieb nicht verstand. Voldemorts Stimme klang fremd in seinen Ohren, als er sie wiederfand. Viel zu hoch und rau, und er stockte kurz in seinem Satz deswegen: „Es ... muss funktioniert haben." Unweigerlich erhob er seine Hände, um sich mit den verletzten Flächen derselben fahrig über das Gesicht zu streichen. Er fügte sich dabei unweigerlich Schürfwunden zu von denen er wusste, dass sie mit einem einfachen Zauber heilbar waren. Und als er auf Anhieb keine Veränderung an sich feststellen konnte, drehte sich sein Handgelenk und erzeugte eine kleine und unscheinbare Flamme die unabhängig des Meisters zu den Kerzen schwebte, um sie von Neuem zu entfachen. Ohne auf Naginis Hilfestellung zu achten, stemmte sich die hoch gewachsene Gestalt mühsam auf die Beine zurück. Taumelnd, kämpfte Tom um sein Gleichgewicht und erstarrte jäh, als ein feiner und feuchter Faden über seine Lippen rann und ein Tropfen Blut die Stelle vor sich markierte, auf der er gerade noch gelegen hatte. Aus einem Reflex fasste sich der Schwarzmagier erneut in das Gesicht, zog seine Finger jedoch abrupt zurück als hätte er sich bei der Berührung verbrannt. Dort regte sich etwas, was anatomisch vollkommen unmöglich schien. Sie wackelte wie ein loser Zahn – tat nicht weh, aber aus den Nasenlöchern traten weitere Blutrinsale, sogen sich in seine trockene Haut, benässten gleichsam seine gedörrten Lippen. Tom stockte der Atem vor Entsetzen. Dann überwand er sich und umschloss seinen Nasenrücken mit einem immerzu fester werdenden Griff. Ein schnalzendes Geräusch von sich lösenden, kleinen Knöchlein erklang, bis er das Stück Fleisch ungläubig und stierend zugleich in seinen bebenden Händen hielt. Kapitel 2: Ein Hauch Verzweiflung --------------------------------- Tom gluckste kurz und ein Röcheln trat aus seiner Kehle, weil das Blut durch die hohle Nasenöffnung dahinter herunter rann. Seine Hände hatten zu Zittern begonnen und seine Gedanken rasten, unfähig eine klare Lösung zu fassen, die ihm gelegen kam. Bei Merlin, er hielt ein Stück seines Fleisches! Es wäre ihm ohne sein Zutun aus dem Gesicht gefallen! Und Riddle zog erschrocken über sich selbst die Finger weg, dass das Nasenteil dumpf den Holzboden berührte und sich mit einer rollenden Bewegung von ihm verabschiedete. Einen weiteren Atemzug reglos verharrend, erschlafften seine Arme schließlich, neigte sich sein Kopf in den Nacken und entrang seinen gereizten Stimmbändern ein unnatürliches, grausames Auflachen. Hysterie sammelte sich in seinem Ton, gepaart mit vollkommener Irritation darüber, was um ihn herum passierte. Träumte er noch, oder wachte er längst? Sollte das sein verdienter Teufelskreis sein? Würden noch mehr seiner Gliedmaßen einfach an ihm verfaulen und deren Gelenke sich lösen? Sein Arm vielleicht? Sein Bein? Voldemorts Körper bebte vor unterdrückter Wut über seine Unachtsamkeit und je fester sich seine Hände zu Fäusten ballte, umso tiefer fraßen sich die darin verkerbten Glassplitter der Phiole und umso mehr Blut schlängelte sich gemächlich daraus hervor. Aber es interessierte ihn nicht. Etwas durch und durch Wahnsinniges, als hätte er das Reich der Vernunft längst verlassen, reflektierte in seinen geröteten Augen, das Haupt gemächlich routieren lassend. Sein Blick erfasste den Spiegel, auf den er zu wankte, wobei er sein verlorenes Körperteil achtlos mit der Fußspitze beiseite stieß, dass sich im selben Augenblick die Schlange darauf stürzte, um es mit einer gierigen Manier herab zu würgen. Riddles Shilouette kristallisierte sich nur langsam aus dem Schatten des Spiegelbildes heraus, aber je mehr er sah, umso weniger wollte er tatsächlich wissen. Dort, wo seine Nase gerade noch gewesen war, prangerte nun ein Loch, gähnende Leere die einem Einblick in seinen Kehlkopf gewährte. Das Gesicht stand vor Blut und Staub und zu einem entstellten Auge hatte sich ein zweites gesellt, obgleich er keineswegs registriert hatte, seine Umgebung weiterhin eintönig zu sehen. Abstoßend war der Anblick nichtsdestotrotz. Der Rest seines einst vollen und schwarzen Haares war während seines Experimentes gänzlich ausgefallen und fand sich in kleineren Büscheln auf seinen Schultern und Kleidern wieder. Seine Wangenknochen waren stark hervorgetreten und spannten die Haut wie rissiges Pergament. Mit einem einzelnen, langen und verkrüppelten Finger zog der Schwarzmagier die Konturen seiner Wangen und seines Nasenansatzes nach. Dann ergriff er endlich seinen Zauberstab, musste rücklings danach angeln, legte ihn nahe an die klaffende Wunde – und zögerte. Tom hatte keinerlei Ahnung von Wundheilung in diesem Ausmaße, was er sich nur langsam und widerwillig eingestehen musste. Freilich gab es in Instituten wie dem St. Mungos Hospital die nötigen Mittel und Wege dafür, aber da er sich weder dazu herablassen würde, sich dort helfen zu lassen, noch glaubte, dies doch selbst zu können, verwarf er diese Idee. Zumal, wie würde es auf einen Heiler wirken wenn sein Patient ihm versuchte zu erklären, was mit seinem Organismus und seinem Aussehen passiert war? Nein, diese Möglichkeit konnte aus vielen Gründen nicht wahr genommen werden. Sich also einstweilen mit aufkeimender Ratlosigkeit begutachtend, einigte Riddle sich mit seinem Genie darauf, dass es in jener Notwendigkeit einer „Nasenprotese" wohl auch ein Stück Haut aushelfen würde. Und da Haut das einzige war, was er sich im Überfluss anbieten konnte, verfestigte sich dieser Momentgedanke zu einer nachfolgenden Tat, von der er sich ein akzeptables Ergebnis erhoffte. Voldemort glitt mit einem ausgreifenden Schritt in Richtung Tisch und kehrte seinem Spiegelbild damit den Rücken. Mit einem Schlenker seines Zauberstabes befahl er dem darauf abgelegten Material – das hauptsächlich aus selbsterstellten Skizzen und aufgeschlagenen Büchern, sowie losen Buchseiten bestand – zu weichen, damit er ein leeres Stück Pergament auf der Platte ausbreiten konnte. Sich aus seinem Hemd schälend, dabei den Kopf ein wenig zurückhaltend neigend, da er das Blut nach wie vor in seiner Kehle spürte, versuchte Riddle gleichermaßen einen Blick auf seinen Oberkörper zu erhaschen, um eine Stelle zu finden, die seiner Vorstellung nach geeinigt für diese kleine und eher ungewöhnliche Transplantation, die er sich einbildete, geeignet schien. Und es stellte sich als sonderbar schwer heraus, da man nicht unbedingt behaupten konnte, der Schwarzmagier hätte einiges an Gewebe zu bieten. Nichtsdestotrotz legte Riddle seine Zauberstabspitze unterhalb seiner Bauchdecke an, kniff die geeiterten Augenwinkel zusammen, als die selbige zu leuchten und das Fleisch unter dem aufkommenden Zauber zu rauchen begann. Es ätzte, brannte und unweigerlich darunter stöhnend, biss er sich die Unterlippe blutig, als er eine Figur formte, deren Durchmesser groß genug für das Loch in seinem Gesicht sein sollte. Die Prozedur nahm nicht nur Zeit, sondern auch Kraft in Anspruch – Kraft, die er nach einem Zauber wie dem Erstellen eines Horcrux nicht mehr aufzubringen im Stande war. Den Hautfetzen vorsichtig mit spitzen Fingern lösend, betrachtete er es mit eisiger Faszination, legte es schließlich wie ein Metzger seine Ware auf das Pergamentstück und trat mit demselben zurück an den Spiegel. Das Adrenalin war mittlerweilen Stärker als sein Schmerzempfinden. Die Kerzen flackerten aufgeregt unter dem Windhauch, den er mit seinen Bewegungen erzeugte und kaum, da er sich an das entgegen gaffende Spiegelbild gewöhnen wollte, daran war, den Hautlappen auf die klaffende Wunde zu legen, wurde er mit einem einhaltenden Klopfen aus seiner Apathie gerissen, dass ihm das Blatt beinahe von der Handfläche gerutscht wäre. Auf Riddles Stirn bildeten sich missbilligte Fältchen und der Tür einen enervierten Blick schenkend, sparte er sich Worte, die er unter jenen körperlichen Umständen ohnehin nicht hätte formen können. „Herr?", kam es deshalb unsicher flüsternd von der anderen Seite. Die Stimme gehörte einem Mann, dessen Anwesenheit er eigentlich zu schätzen wusste, im Augenblick jedoch mehr als nur unpassend war. „Herr, Sie ist da." Kapitel 3: Der gefallene Engel ------------------------------ „Wird er kommen?" In ihrem Ton lag unbändige Erwartung und ausgesprochen törichte Neugier. Der Mann, der die Treppen aus dem höher gelegenen Zimmer herunter schritt, war mit ihre Frage allerdings ein wenig überfordert. Ihm entglitt ein schwaches Seufzen, das begleitet war von einem besorgten Blick über die Schulter zurück zu der Türe, der er soeben den Rücken gekehrt hatte. „Ich weiß es nicht. Offengestanden hat er nicht einmal reagiert. Er sperrt sich nun schon fast die ganze Woche in dieses Zimmer, ohne jemandem zu verraten, was er eigentlich treibt – ich weiß selbst nicht mehr als alle anderen. Er muss sehr beschäftigt sein. Und im Vertrauen", fügte der Hausherr mit lahmer Stimme hinzu, während er seine Gegenüber eindringlich maß, „stör ihn nicht. Der Dunkle Lord hat Bänne um seine Räumlichkeiten gelegt, die dir künftig mehr als nur ein Paar Brandblasen bescheren könnten." Und er zeigte ihr seine Hände, spreizte die Finger ein wenig, so dass man die abschwellenden Wunden darauf gut sehen konnte. Sie schienen nicht unbedingt so harmlos zu sein, wie man es Blasen zuschrieb, aber die junge Hexe hielt es für angebrachter, darüber zu schweigen. „Unseren Hauselfen hat es schlimmer erwischt; ich dachte schon, es wäre um ihn geschehen. Dabei wollte er dem Dunklen Lord nur etwas zu Essen bringen und die Betten wechseln. Ich habe noch nie eine Kreatur derart..." - er suchte nach den richtigen Worten - „...zerstört... gesehen. Er scheint sie noch weniger zu mögen, als wir." „Hat er denn kein eigenes zu Hause?" fragte sie ein wenig irritiert um den Umstand, den wohl mächtigsten Schwarzmagier ihrer Zeit in einem ungewöhnlichen kleinen Zimmer Unterkunft zu schenken. „Mein zu Hause bewohnt momentan jemand anderes." Riddle war am Treppenabsatz erschienen, seine Gestalt hager und in einen schwarzen Umhang gehüllt, den er sich lediglich um die Schultern geworfen hatte. Sein Gesicht verdeckte eine eiserne Maske, deren glänzend schwarzer Farbton vom dämmrigen Licht, das im Hause herrschte, reflektiert wurde. Sie erinnerte unweigerlich an einen Totenkopf und passte deshalb ironischer Weise zu seinem augenblicklichen kleinen Schönheitsfehler, den sie verdecken sollte. Für gewöhnlich war es eine dieser Masken, die von seinem Inneren Zirkel getragen wurden, wenn sie unerkannt bleiben wollten. „Du kannst uns jetzt allein lassen, Abraxas. Ich denke – nein, ich bin mir sicher – wir werden allein zurecht kommen." Der stämmig blonde Mann verneigte sich in einer Manier, die nicht zwangsläufig an einen Untergebenen oder Diener erinnerte. Wohlweislich war Abraxas Malfoy mehr als das: nämlich unter den Schergen Voldemorts eine Art angesehener Berater und uneingenommen loyal, ja sogar stolz auf seinen Standpunkt neben dem Schwarzmagier. Nichtsdestotrotz schien Tom ihm nicht mehr Beachtung zu schenken, als er es mit jedem anderen getan hätte – wie er letztlich auch niemanden achtet, außer sich selbst. Vielleicht war gerade das der Grund für die Hilflosigkeit und den Anflug von Unbehagen in Malfoys Blick gewesen, den Bellatrix auf Anhieb wahrgenommen hatte, kaum da sie ihm mitteilte, was sie zu ihm führte. Nun legte sich ihr Augenmerk mit ungeteilter Aufmerksamkeit auf den vermummten und unnahbaren Schatten, der gemächlich die restlichen Stufen zu ihr hinunter tat. Selbst in den unendlich wirkenden Höhlen der Maske konnte die junge Hexe das berüchtigte rote Schimmern seiner Augen sehen, von dem ihr Vater in ihrer Zeit, da sie noch an Märchen glaubte, immer erzählt hatte. Bella schauderte kurz. Sie hatte von Voldemort bisweilen nur – wie sie es nannte – Sagen und Legenden gehört. Geschichten, die sich Eltern und Freunde untereinander erzählten. Ihr Vater war hin – und hergerissen, als sie schließlich den Wunsch geäußert hatte, diesen Schwarzmagier, der soviel Wohlergehen über ihre Zauberwelt bringen sollte, eigens kennenlernen zu wollen. Zugegeben faszinierte sie, was über ihn im Umlauf war und sie kam nicht umhin ihn für sein Genie – das er doch offenbar sein musste – zu bewundern. Und an Selbstvertrauen bezüglich ihrer Reinblütigkeit fehlte es ihr nun ganz und gar nicht. Es war nur ihre Unsicherheit, die sie bislang hatte zweifeln lassen, ihm folgen zu können. Andere Zauberer hatten damit wohl keine Schwierigkeiten. Sie dachte kurz an den viel jüngeren Severus Snape der schon jetzt zu den Reihen Voldemorts aufgeschlossen hatte. Jetzt stand Riddle so dicht vor ihr, dass sie seinen Atem unter der Maske hören konnte. Es klang wie ein erstickendes Röcheln und irgendetwas sagte ihr, dass das nicht der Normalität entsprach. Dass er sich ihr gegenüber überhaupt zu verstecken versuchte, kränkte sie ein wenig. Bellatrix neigte ihren Oberkörper dennoch in einer respektvollen Bewegung. Würde man Voldemort nicht den Respekt zollen, der ihm zu stand – so hörte sie ihren Vater tadeln und schimpfen – wäre das der beinah' sichere Tod. Und mit zweiundzwanzig war man wahrlich zu jung, um zu sterben. „Bellatrix Black" In seinem Mund klang ihr Name sonderbar, wie eine kalte Melodie des Herbstwindes, kurz vor einem unnachgiebigen Wintereinbruch. Aber so schnell er das Wort erhob, wurde es auch wieder still und diese permanente Musterung seinerseits begann die schwarzhaarige Hexe allmählich ein wenig zu stören. In der Regel hätte sie diesen annähernden Frevel gar nicht zu gelassen - schließlich war sie kein Schaubobjekt, das man nach Lust und Laune begutachten konnte. Die Älteste der drei Black-Schwestern hatte eher eine gefestigte Schönheit, denn mehr grazil und zerbrechlich wie es Narcissa sein mochte. Ihre Wangenknochen traten deutlich hervor und ihre etwas breiteren Schultern gaben Bella ungewollt das Aussehen einer Kriegerin. Was nicht bedeutete, dass sie ihrem Spitznamen nicht alle Ehre machte: Sie war schön, auf eine andere Art – und Voldemort hatte das just in dem Sekundenbruchteil bemerkt, da er sie am untersten Fuße der Treppe gesehen hatte. Und sie gefiel ihm. Sie war einzigartig wie er und aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte er sie sofort besitzen. Besitzen, wie einen seiner Gegenstände, den er sammelte und aufbewahrte. „Gehen wir ein Stück." Sich ihm anschließend, versuchte die Schwarzhaarige stets mit dem Meister der schwarzen Künste Schritt zu halten. Fragen taten sich in ihren Gedanken auf, die sie zwanghaft unterdrücken wollte, um nicht gleich von Anfang an in seiner Missgunst zu stehen. Alles in Allem war der erste Eindruck des Dunklen Lords ein wenig ernüchternd. Sie hätte zu gern sein Gesicht gesehen; laut ihrem Vater musste es hübsch sein – aber warum sollte er es dann vor ihr verheimlichen? Ihre Schritte hallten dumpf von den Fluren, die sie durchquerten, wider. „Ich kenne deinen Vater gut, Bellatrix. Über ihn konnte ich einiges über dich erfahren. Man sagt, du hättest auf Hogwarts für deine Leistungen im Umgang mit dem Zauberstab Anerkennungen erhalten." „Das ist wahr -", wollte sie rechtmäßig stolz darauf erwidern, wurde jedoch im gleichen Atemzug unterbrochen: „Diese Anerkennungen werden dir bei mir nichts nützen. Ich bezweifel genau genommen, dass du auch nur annähernd dazu im Stande bist, ein richtiges Duell zu führen." Bella stockte jäh und blieb abrupt stehen, da seine Äußerung ihrer Begabung gegenüber wie ein Schlag mitten ins Gesicht war. Sie starrte ihn mit einer Mischung aus aufkommender Wut und selbstschützender Überheblichkeit an. Auch Riddle hatte in seinem Gang inne gehalten, aber nur deshalb, um die Türe zu einem nahgelegenen Raum zu öffnen, aus dem die Wärme eines Kamins trat. Mit einer knappen Geste beorderte er sie hinein, und als sie sich nicht rührte, spürte die Hexe diesen durchbohrenden Blick, der sich über ihren gesamten Leib auszubreiten begann und der sie regelrecht dazu zwang, seinem Willen nachzukommen, ob es nun in ihrem Sinne war oder nicht. Tom schloss die Zimmertüre nach ihrem Eintreten ab und sich dem einladenden Feuer nähernd, legte er gleichsam seine Maskerade beiseite und bettete das Stück Metall auf dem Kaminsims. Bellatrix aber zierte sich weiter in den Raum einzutreten, dessen Ambiente von Unheil und einem unweigerlich unwohlen Gefühl begleitet war. Mit starrem Augenmerk auf Riddles Rücken, versteifte sich ihre Körperhaltung unweigerlich nervös. Vielleicht war es letztendlich doch keine so gute Idee gewesen, dem Drängen ihres Vaters nachzugeben. „Das bedeutet nicht, dass ich dir nicht zeigen könnte, wie du es besser machen kannst. Es geht nur darum, ob du es besser machen willst. Oder ob dein Geist dafür einfach zu schwach ist. Die Mentalität einer Frau wird zumeist ein wenig überschätzt..." Kapitel 4: Schlangenbiss ------------------------ Jemanden auf charmante Weise zu kränken lag fast schon in Riddles Natur. Es amüsierte ihn, den aufkeimenden Hass seiner ausgesuchten Opfer gegen sich zu spüren, obschon sie ihm hilf- und wehrlos ausgeliefert waren. Er zeigte anderen gerne, wer die Oberhand hatte - das hatte er schon damals als Kind begonnen und im Laufe seiner Lebensjahre letztendlich verinnerlicht. Der Hass war schließlich ein treibendes Gefühl und wenn er jemanden davon überzeugen konnte, ihm an den Kragen zu wollen, war er mental bereits so schwach, um ein Teil seines Marionettenkabinetts zu werden. Nur wenige hatten die Kraft, darüber zu stehen, waren dann jedoch zu feige, den Mund zu öffnen. Das Feuer prasselte sanft vor sich hin. Kleine Funken stobten von den Holzscheiten ab und setzten sich über das Kamingerüst hinweg, wo sie dann wie Sternschnuppen verglühten. Tom mochte es diesem faszinierenden Schauspiel zuzusehen, wenn er Zeit und Laune dazu hatte. Es beruhigte ihn und ließ seine Gedanken abschweifen. Doch jetzt wurde dieses wunderschöne, fast kitschige Ambiente von zwei entscheidenden Faktoren gestört: Der schwarzhaarigen jungen Frau in seinem Rücken, die ihn mit ihrem Blick wohl aufzuspießen versuchte und das Loch in seiner Nase, durch das jetzt, nachdem er er sich der Maske entledigt hatte, kühle Luft strömte und ihm ungewollt eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Er wollte diese Zusammenkunft so schnell wie möglich beenden und da weitermachen, wo er aufgehört hatte. Zu allem Überfluss machte sich seine körperliche Schwäche deutlicher bemerkbar und das Stehen sollte ihn schon bald den Rest seiner verbliebenen Kraft kosten – wieso spielten unpassende Momente so unglaublich geschickt miteinander zusammen? Riddle schwieg und wartete, bis die Stille im Raum zu rebellieren und schreien begann, ehe er Bellatrix sein Profil zuwandte. Das Licht der Flammen flackerte aufgeregt dadurch und jagte Schatten über seine Gesichtshälfte, die die Entstellung auf Anhieb zu kaschieren vermochten. „Willst du es, Bellatrix Black?" Die Stimme nur mehr zu einem rauen Flüsterton gesenkt, wollte er sie ansehen, scheute sich gleichermaßen jedoch, sich ihr ganz zu zeigen. Irgendwie war ihm unwohl bei der Vorstellung ihrer Reaktion. Und sein Magen begann von Neuem vor unterdrücktem Zorn über seine eigene Dummheit zu brodeln, dass es schmerzhaft wurde. Sein Augenlid zuckte kurz darunter. Er merkte, dass sie sich ihre Antwort gut überlegte und jede Silbe auf ihrer Zunge zu Recht legte, ab wägte. Schließlich hob sich Bellas Brustkorb an. Der kühle, beleidigte Unterton war dabei schwer zu überhören. „Ich will meinem Gegenüber ins Gesicht sehen, wenn ich mit ihm spreche." Voldemort hatte so etwas erwartet; zwar glaubte er irgendwo tief in seinem Inneren, dass sie sich eventuell damit abgefunden haben könnte. Aber die Annahme zerplatzte jäh wie eine Seifenblase, noch bevor die Schwarzhaarige sie tatsächlich aufgeführt hatte. Eigentlich wäre jetzt ein einer dieser Augenblicke gewesen, die man nutzte, darauf ein „Nein" zu erwidern. Eines dieser „Neins" die man oftmals in Petto hatte, wenn einem jemand wirklich anfing auf die Nerven zu gehen. Doch die Situation wollte es trotzdem nicht ganz zulassen und deshalb pressten sich Toms Lippen blutleer aufeinander, bevor er dem Widerstand nachgab und dem Gespräch ein wenig mehr Würze verlieh indem er sich ihr zeigte. Wahrscheinlich wollte sie schreien, laut und voller abstoßender Angst. Zumindest vermittelte das der Ausdruck in ihren Augen und das permanente Zucken an ihrem Mundwinkel. Riddle beobachtete sie sehr eindringlich und genau. Da er sich selbst nicht sehen konnte, entsprang sein eigener Anblick seiner kranken Phantasie. Das Einzige, was diese Theatralik zu lindern vermochte, war die Ironie des Lichtes, das sich durch den Schein des Kaminfeuers widersprüchlich auf seiner Seite des Zimmers befand und den Raum somit zwischen Licht und Dunkelheit entzweite. Bellatrix' Mund formte sich zu undeutlichen, erstickten Lauten und erinnerte dabei ein wenig an einen an der Luft verreckenden Fisch, dessen Kiemen nach dem nötigen Sauerstoff des Wassers bettelte. Nur sehr mühsam brachte sie Worte daraus hervor, die anfänglich einem Keuchen, mehr eines Satzes glichen und Riddle letztlich auch nicht mehr mitteilten, als er ohnehin schon wusste. „Ihr habt kein Gesicht..." „Das ist so nicht ganz richtig... aber wenn du es so auslegen möchtest." „Was habt Ihr mit Eurem Gesicht gemacht..?" „Manchmal muss man Opfer bringen...", erwiderte der hoch Gewachsene leise und schulterzuckend. „... Aber... wofür?" „Für die Unsterblichkeit, Bellatrix. Deshalb sind wir doch hier, oder nicht? Willst du nicht unsterblich werden?" Ein ächzendes Schnaufen wehte in Voldemorts Richtung und verteilte sich wie Spucke auf seinem Konterfei. Er versuchte den Impuls der Enttäuschung zu ignorieren, der sich in seinem Innersten ankündigte. „Nicht, wenn ich dafür Körperteile einbüßen muss..." „Oh, ich glaube, dass das nicht nötig sein wird. Du musst mir nur deine Loyalität versprechen und ich lasse dich teilhaben an meiner Art der Unsterblichkeit. Füge dich mir und ich kann dir Dinge beibringen, die deinen Horizont bei weitem übersteigen." Einer Schlange ähnlich, schmiegte sich Riddles Aufmerksamkeit um die recht verloren wirkende Hexe. „Wir könnten gemeinsam eine neue Welt erschaffen. Eine Welt, ganz nach unseren Vorlieben und Wünschen, meine Liebe." Er trat nun näher und obgleich sich seine Knie ausgesprochen weich anfühlten und der Raum vor seinen Augen einen Herzschlag lang verschwand, zwang er sich zur Ruhe und führte seinen Beutezug fort. Ihr graziler und gleichsam robuster Körper wandte sich wie ein Opfer aus einem imaginären Griff und wollte jäh nach hinten ausbrechen. Doch Voldemorts Hand war schneller und umklammerte ohne Zurückhaltung ihr Gelenk, dass ihr keine andere Wahl blieb, als an Ort und Stelle inne zu halten. Bellatrix' Blick traf den Seinen und er wusste in jenem Moment, dass sie es bereute, zu ihm gekommen zu sein. Dass sie es vielleicht sogar bereute, den Entschluss gefasst zu haben, sich ihm anzuschließen. Denn er war in ihren Augen nicht mehr als ein Besessener der seinen Verstand verloren hatte. Tom las aus ihren weit geöffneten Augen Angst, dass er neuerlichen Zorn in sich fühlte. Aber er wollte nicht locker lassen – nicht jetzt, da er sich an ihr festhielt, als benötigte er diesen Halt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Du wirst wiederkommen", prophezeite Voldemort seiner Gegenüber sehr leise. „Gib dich nicht damit zufrieden, was du siehst. Deine Augen könnten dich täuschen." „... Ihr tut mir weh" „Das ist erst der Anfang." Eine kurze Pause trat ein, in der der Schwarzmagier die Tränen in den Augenwinkeln der Reinblütigen erkennen konnte. Sie wollte weg, sie wollte dieses Theater beenden und nur mühselig ließ Riddle von ihr ab. „Komm morgen so früh du kannst. Dann werden wir mit dem Unterricht beginnen." Er ließ ihr keine andere Wahl. Die hatte sie sowieso nicht mehr. Denn von dem Augenblick an, da ihr Fuß die Türschwelle berührte, vielleicht auch schon vorher, war klar, dass sie zu ihm gehören würde. Dass er sie fertig schnitzen und aus ihr eine Perfektion machen würde. Es war nur eine kleine und unbedeutend lodernde Flamme einer Kerze irgendwo in seinen Gedanken. Aber dieselbe war klar zu vernehmen. Und auf sonderbare Weise warm. Tom kehrte dem Mädchen den Rücken, abermals teilte sich der Raum durch das Aufkommen plötzlicher Schwäche. Als er nach seiner Maske greifen wollte, warf sich die Finsternis über ihn wie der herabfallende Vorhang nach einem Drama. Die Bewusstlosigkeit hatte ihn eingeholt und zu Boden gezwungen. Aber das bemerkte Voldemort zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Kapitel 5: Hilflosigkeit ------------------------ „Hey! Lasst mich raus!" Ein Paar kleiner Fäuste schlug wieder und wieder gegen die Innenseite der Türe, aber das Holz wollte nicht nachgeben. Schließlich, als die Hände bereits vor Schmerz pochten und auf der anderen Seite ohnehin keine Reaktion durch das Schlüsselloch zu ihm hindurch drang, gab er es auf. Selbst das Rütteln hatte sich als Zeitverschwendung herausgestellt; so strich er eine an seinem Hals herab krabbelnde Spinne mit einem leicht angewiderten Blick beiseite, während er in der im Kämmerchen herrschenden Finsternis etwas zu erkennen versuchte und ließ sich letztendlich einfach auf den Boden neben der Türe sinken; schön nah bei dem kaum merklichen Lichtkegel, der darunter herein lugte. Die Beine an den Körper ziehend, schlang Tom die Arme darum und vergrub den Kopf auf den Knien. Er verstand nicht, weshalb die Älteren ihn hier eingesperrt hatten, warum sie ihn auslachten und ihn offensichtlich mit ihren blöden Kinkerlitzchen verspotteten. Edwards Worte und die seiner dämlichen Kumpels hallten höhnisch in seinen Ohren wider und veranlassten den fünfjährigen Jungen dazu, die Fingernägel in seine Knie zu bohren. „Die Missgeburt hat's schon wieder getan." „Vielleicht wär's ja besser, wenn wir ihm die Hände auf dem Rücken verknoten." „Dann vergiss nicht, ihm die Augen zu verbinden! Sein Blick tötet dich sonst noch!" Gelächter. „Vielleicht sollten wir ihn irgendwo vergessen." „Wir könnten ihn auch in den Schrank sperren. Den vermisst doch sowieso keiner – schaut mal, er wehrt sich sogar noch! Dabei hat er keine Chance. Kommt sich schon ganz schön groß vor, der Knirps. Weg damit!" Tränen der Wut bahnten sich ihren Weg über das blasse, hübsche Gesicht, fielen von seinem Kinn und versickerten im Zentimeter dicken Staub, der den Holzboden bedeckte. Die Frage „Warum?" drängte sich ihm auf, kroch in seine Kehle und wollte aus seinem Mund treten. Aber das Schluchzen war stärker und erstickte jeden Laut im Keim der Hilflosigkeit, die sich in seinem Innersten ausbreitete. Er war anders, das wusste Tom. Und eigentlich war er bislang immer stolz darauf gewesen – würden da nicht plötzlich diese komischen Dinge um ihn herum passieren; jedes Mal, wenn sich ihm jemand näherte, von dem Riddle glaubte, er wolle ihm etwas Böses tun. Galt er doch schon seit jeh als Außenseiter, obgleich er sich Mühe dabei gab, sich den Waisenhauskindern anzupassen. Im Stehlen war er ziemlich gut – niemand nahm Kenntnis davon; es sei denn, es verschwand etwas von einem Kind, das petzte. Und davon gab es hier ziemlich viele. Der Rohrstock tat's da gar nicht mehr; da mussten dann die Großen kommen, um ihn irgendwo zu verbarrikadieren, wegzusperren vor der Außenwelt, geheim halten. Spätestens beim Abendessen, wenn er nicht auf seinem Platz saß, würde Mrs. Cole darauf aufmerksam gemacht werden, dass er fehlte. Wenn Tom Glück hatte, machte sie sich noch auf die Suche. Ansonsten musste er zum nächsten Morgen warten, bis jemand einen alten Lappen oder einen Schrubber brauchte. Hoffentlich kam der Morgen schnell, denn die Dunkelheit und die Enge dieser Besenkammer beängstigten ihn. Er hätte sich jetzt nichts sehnlicher als einen Vater gewünscht. Einen starken Vater, der ihm die Angst vor der Finsternis nehmen konnte. *-*-*-*-*-*-* „Herr?" Sie war fern. Weit weg in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Aber sie schaffte es, die Türe zu öffnen und das Licht, das zu ihm hereindrang, blendete ihn so sehr, dass er gezwungen war zu blinzeln. Voldemorts Körper rebellierte gegen das Wachen das sich einstellte und konterte mit Gliedern so schwer wie Blei und aufstoßender Übelkeit. Wäre er nicht schon blass genug, hätte man ihm seine Schwäche sicher angesehen. Schwarze Haarspitzen berührten seine Haut und kitzelten leicht. Tom zwinkerte abwesend und als sich seine Augen an das Hier und Jetzt gewöhnt hatten, erkannte er eine verschwommene Gestalt, die sich nach kurzer Identifizierung als die junge Frau herausstellte, mit der er gerade noch ein Gespräch geführt hatte. Die Besorgnis auf ihrer Miene war schwer zu beschreiben und der Schwarzmagier wusste nicht, ob er sie ernst nehmen sollte. Möglicherweise deshalb, weil er den Ausdruck „Besorgnis" in seiner Gegenwart nicht kannte. Bella kniete neben ihm und hatte sich die Mühe gemacht, ihn auf den Rücken zu drehen und zu beobachten, ob er noch am Leben war. Hätte sie aufgepasst, was Riddle zuvor noch angeprießen hatte – nämlich die Unsterblichkeit – so hätte sie sich den Weg zu ihm sicher gespart. Jetzt schlich sich ein Hauch von Reue über ihre vorherigen, eher böswilligen Gedanken bezüglich ihres Gegenübers auf ihre Züge. So stark der Dunkle Lord auf Anhieb erschienen war, so verletzlich war er jetzt mit diesem suchenden Blick, der sie nach Antworten durchbohrte, auf Fragen die gar nicht gestellt worden waren. „Ihr habt da Bewusstsein verloren, Herr." Noch ehe sich Tom überhaupt Worte ausdenken konnte, um sich einzumischen, sprach sie weiter: „Ihr solltet Euch ausruhen, Ihr wirkt sehr müde. Verzeiht, wenn ich Eure Zeit in -" „Ich brauche keine Ratschläge. Und ich brauche keine Hilfe." Zwar war Riddles Unterbrechung nur ein Hauch eines Flüsterns, trotz allem kalt und schneidend genug, sie ein wenig zurück weichen zu lassen, sodass er die Gelegenheit nutzte, sich aufzurichten. Eine Idee, die er auf Anhieb bereute, denn verschwammen der Raum und seine Einrichtung abrupt aufs Neue. Er stöhnte unweigerlich ein weiteres „Nein. Keine Hilfe..." und zog sich schwerfällig taumelnd auf zittrige Knie zurück. Hilfe nahmen nur schwache Menschen entgegen, die hilflos vor einem Abgrund standen und nicht mehr wussten was sie tun sollten. Tom zog es vor, einfach von der Klippe zu springen. Trotzdem sehnte er sich nach dem Bett in seinen Räumlichkeiten und einem traumlosen Schlaf. „Geh..." „Aber.. -" „Ich sagte: Geh!", keifte Riddle nun deutlich lauter in Bellatrix' Richtung und erzielte dabei die gewünschte Wirkung. Sie stockte, zögerte und kam seinem Befehl schließlich nach; verließ das Kaminzimmer mit weit ausgreifenden Schritten und ließ ihn allein zurück. Das Feuer prasselte hörbar hinter ihm und sich danach umdrehend, führte er seine zuvor gestoppte Bewegung fort und ergriff die Maske, die er sogleich auf das voller Schweiß benetzte Gesicht legte. Das Material derselben kühlte so abrupt seine heiße Haut, dass er unweigerlich zu frieren begann. Morgen würde alles anders sein. Morgen hatte er eine neue Nase – oder zumindest ein neues Nasenbein. Morgen begann die Ausbildung einer besonderen Hexe. Er musste ihren Wahnsinn wecken; ihre Loyalität hatte er bereits. Und dem Duft nachhängend, der der Schwarzhaarigen angehaftet hatte, folgte er unsicher und müde dem Weg, der ihn zurück in seine Domäne bringen würde. Kapitel 6: Zwischen Träumen und Wachen -------------------------------------- Die Nacht war länger gewesen als zu Anfang geplant. Manchmal schoss man wohl über das Ziel hinaus. Wobei jene Möglichkeit bei Tom schon als Zustand hätte gelten können, denn Riddle kannte den Begriff „Zeit" einfach nicht. Sie war nur eine dieser Richtlinien, die den Tag von der Nacht trennte; beziehungsweise den Mond von der Sonne. So konnte ein Tag seiner Ansicht nach durchaus die vierundzwanzig Stunden, die eine Uhr innerhalb eines Tagesablaufes anzuzeigen pflegte, überschreiten. Es war ihm egal. Wichtig war nur, dass seine Ergebnisse erreicht wurden, oder er zu gewissen Fragen eindringliche und befriedigende Antworten fand. Schlaf kam dabei außen vor und war nichts weiter als eine geduldete Notwendigkeit. Nachdem er sich mühsam die Treppen zu seinen Räumlichkeiten empor gekämpft hatte und beinahe auf ein silbernes Tablett mit einer Schüssel erkalteter Suppe gestiegen wäre, wollte er sich beherrschen, dem Drängen nach einer Pause nachzugeben; verlor diesen Kampf aber. So war der hoch Gewachsene bäuchlings über dem ungemachten Bett zusammengebrochen, das unter seinem Dachbalken in dem gesamten Zimmer unheimlich vergessen wirkte. Er sank in einen traumlosen und tiefen Schlaf, den in jenem Augenblick niemand zu stören im Stande gewesen wäre. Ein leichtes Röcheln drang aus seinen geöffneten Mundwinkel; das atmen fiel ihm hinsichtlich seines verwunschenen Experiments und der fehlenden Nase schwer. Der Jahreszeit genehm ließ sich die Sonne bei ihrem Aufgang nicht stören. Nur spärlich drangen ihre Strahlen durch die geschlossenen Fensterläden und würde ohnehin niemals einen vollkommenen Einblick in den Raum dahinter erhalten; schließlich war sie auch bewusst daraus ausgesperrt worden. Trotz allem hatte das schwache Licht die Kraft, den rieslenden Staub in der Luft sichtbar zu machen und die Gerätschaften, die sich in dem Zimmer türmten, als schemenhafte Figuren sichtbar werden zu lassen. Und die Beschreibung „Unordnung" war in diesem Fall tatsächlich ein wenig untertrieben. Zwar gehörte Voldemort nicht zu jenen, die man mit etwas Aufräumen überfordern konnte. Trotzdem machte der Schwarzmagier keinen Hehl daraus, nicht die nötige Überwindung zu besitzen, sich dieser Arbeit hinzugeben. Außerdem hätte es sowieso nichts genützt, waren alle Habseligkeiten stets im Gebrauch und besaßen damit keinen Anspruch auf einen festen Platz. Nagini beobachtete ihren Herren aufmerksam während er schlief, um dabei festzustellen, dass er sich in seinem Ruhezustand kaum bewegte. Sie allein wusste, was hinter dieser hohen und nun mehr gänzlich kahlköpfigen Stirn für ein Geist lauerte; nicht nur, weil sie immer an seiner Seite war. Auch deshalb, weil Riddle mit ihr sprach. Sie galt als seine Begleiterin, seine Freundin. Eine Schlange, die von Menschenhand aufgezogen und gefüttert worden war. Sie liebte ihn und ihre Liebe ging soweit, dass sie bereit war alles für ihn zu tun. Sogar auf seine Experimente ließ sie sich ein. Von den Befehlen, andere zu töten ganz zu schweigen. Diese schrecklichen Dinge, die er tat. Die er sich selbst antat, ohne sie zuvor an jemandem getestet, gar gesehen zu haben. Es gab Nächte, wo er sich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden wand, wie ein sterbendes Stück Vieh. Oder solche, an denen seltsame Pusteln und Knorpel aus seiner Haut traten, die Feuer verspritzten, wenn sie platzten. Dabei hatte er meistens Fieber, schwitzte und halluzinierte. Dann sagte er zu ihr in einer ihr ungewöhnlich fremden Stimme: „Wir werden es schaffen. Irgendwann werden wir unsterblich sein." Dabei verstand Nagini nicht einmal die Hälfte von dem, was er sagte, was er in seinen Büchern laß und in sein Tagebuch schrieb – nicht nur des Umstands wegen, weil sie nicht lesen konnte. Er erklärte ihr nur soviel, wie sie seiner Meinung nach auch wirklich wissen durfte und das beunruhigte die Boa. Ihr Leib wälzte sich nun unruhig auf dem schweren Holzboden hin und her und ihre Zunge trat aufgeregt zwischen ihrem lippenlosen Mund hervor. Tom sah friedlich aus, wenn er die Augen geschlossen hielt und ruhte. Es war ihr ein Rätsel, weshalb er von diesen menschlichen Hirngespinsten so ausnahmslos besessen war und ging eindeutig über ihren einfachen Verstand hinaus. Einmal hatte sie ihm vorgeschlagen, er solle sich in eine Schlange verwandeln – darauf hin erwiderte er ihr ein kaltes und hohes Lachen und nannte sie „lächerlich". Nagini hatte den restlichen Tag kein Wort mehr mit ihm gewechselt, was er mit einem Sack voll Mäuse wieder versuchte gut zu machen. Tom wusste, wenn er wollte, wie man sich entschuldigte. Genauso wie er wusste, wie man andere bei Laune hielt – vor allem Feinde. ... „Er ist unausstehlich..." „Wenn du ihn erst einmal besser kennst, denkst du anders über ihn." „Oh nein, ganz sicher nicht, Vater. Er hat nicht einmal eine Nase. Ich meine – er sieht scheußlich aus; er hat mir auf gewisse Weise Angst gemacht." „Lass dich nicht von seinem Aussehen täuschen, Mädchen. Es geht dich nichts an, was er mit sich anstellt. Und wir alle wissen, dass der Dunkle Lord sehr experimentierfreudig ist. Das ist seine Leidenschaft." Bellatrix seufzte. Ihre Hände zitterten noch immer, wenn sie an den vergangenen Abend dachte. Voldemort war ihr sogar im Traum erschienen. Mit seiner Fratze, die sie höhnisch angrinste – und keine Nase besaß. Allein der Gedanke daran war grotesk – wie konnte man seine Nase verlieren? Jedenfalls war er nicht normal. (soweit man als Zauberer überhaupt Anspruch auf eine „Normalität" besaß). Er musste wahnsinnig sein, besessen von Ideotie. Andererseits konnte die älteste der Black-Schwestern nicht verhehlen, eine gewisse Neugierde ihm gegenüber zu empfinden. So abstoßend er auf den ersten Moment auch war; seine Ausstrahlung war zweifellos von einem Genie geprägt, an das man so schnell nicht herankommen konnte. Die Schwarzhaarige rührte nachdenklich in ihrer Teetasse und weil sie ihr Vater nach wie vor beobachtete, scheute sie sich aufzusehen. Diesem Blick stand zu halten war gar nicht so einfach. Bei anderen konnte man trotzig sein, aber nicht bei Cygnus Black. Er verströmte eine Erhabenheit, der man einfach nicht trotzen konnte, selbst, wenn man es versuchte. Und obgleich sehr streng, wusste er immer was für seine Töchter am Wichtigsten war. Von der Wahl ihrer Ehemänner ganz zu schweigen. Sie waren mit Sorgfalt ausgesucht. Und jetzt, da seine kleine „Madame" endlich ein vernünftiges Alter erreicht hatte, wollte er sie unter einer weiteren sicheren Hand wissen – und diese Hand über ihrem Haupt sollte letztlich Lord Voldemort selbst darstellen. Er war die Zukunft, eine für Magier mit Hoffnung geprägte Zukunft. Bella wusste um diesen Aufwand, den er hinter sich hatte, damit Voldemort sie überhaupt empfing und war sich deswegen sicher, dass ihr Vater diese Arbeit nicht umsonst geleistet haben wollte. Sie seufzte ein weiteres Mal. Hin und hergerissen. Dann gab sie nach. „In Ordnung... ich werde diese Ausbildung annehmen." „Du wirst es nicht bereuen, Bella", bestätigte Black mit einer deutlichen Spur Stolz in seiner Stimme. Er erhob sich grazil von seinem Platz. „Enttäusch mich nicht." „Nein, ganz gewiss nicht, Vater." „Das ist mein Mädchen..." ... Ein leises Stöhnen drang über Riddles Lippen, als er die Augenlider hob und geistesabwesend den Raum sondierte. Nur langsam und gemächlich traten Erinnerungen in sein Gedächtnis. Er hustete. Und noch einmal blinzelnd, beugte sich Nagini ein wenig vor, aber er beachtete sie nicht, sondern rappelte sich in eine sitzende Position und ließ die Füße von der Bettkante gleiten. Es war noch etwas Wichtiges zu erledigen; der Hautfetzen wartete dort, wo er ihn zurück gelassen hatte. Nach wie vor mühsam und ein wenig unsicher auf den Beinen, lenkte sich Voldemort zielsicher in Richtung Spiegel, würdigte seine Reflektion nicht einmal annähernd eines Blickes und ergriff das Hautstück, das er sich am Tage zuvor magisch von seiner Bauchdecke entfernt hatte. Den Kopf in den Nacken neigend, legte er es über das klaffende Loch in seinem Gesicht, angelte nach seinem Zauberstab und begann mit Hilfe eines passenden Zaubers, das Nasenbein zu schließen. Er konnte nicht verhehlen, dass es weh tat und sehr unangenehm war; schließlich war das Gewebe und das Fleisch um das Loch herum nach wie vor intakt. So traten Tränen in seine Augenwinkel. Doch er war geduldig und setzte seine Arbeit fort, bis sie getan war. Eine Art Nebel bildete dabei sich um sein Haupt und der Geruch von verbranntem Fleisch hang in der stickigen Luft des Zimmers. Als er glaubte, fertig zu sein, zog er die Hand zurück und betrachtete sein Spiegelbild. „Du bist nach wie vor hässlich", kommentierte Tom müde, tonlos und konnte ein kehliges Seufzen kaum unterdrücken. Er schritt zur Tür und öffnete sie: „Abraxas..! Bring mir eine Tasse Tee..." Kapitel 7: Fürchte dich nicht ----------------------------- Es war nicht schwer gewesen, Abraxas wieder los zu werden. Obgleich es offensichtlich war, dass er mit seinem ehemaligen Schulkameraden ein ernstes Wörtchen wechseln wollte, ließ sich Riddle nicht einmal annähernd auf ein Gespräch, gar einen primitiven Wortwechsel, mit ihm ein. Er schlug dem Blonden die Türe vor der Nase zu, kaum da er bekommen hatte, was er begehrte: Seine Tasse Tee. Abraxas' Schwarzseherei und die Art wie er sich penetrant in seine Angelegenheiten einmischte, begann den Schwarzmagier langsam aber sicher so sehr zu nerven, dass er über ernsthafte Konsequenzen nachdachte. Tom brauchte keine neugierigen Menschen in seiner Umgebung – nicht einmal alte „Schulfreunde". Überhaupt hatte er den Anschein, dass Malfoy sich mehr Gedanken als nötig um seine Person machte. Der Tee dampfte sanft und lautlos in der bauchigen Tasse vor sich her. Die Kondenswölkchen breiteten sich grazil in seiner Nähe aus und verströmten den Duft von frischen Kräutern, regten jedoch nicht zum Nippen an. Ganz im Gegenteil: Riddle stellte die Tasse achtlos auf den Sekretär beiseite, um sich selbst dahinter sinken zu lassen, ein verschlissenes, in Leder eingebundenes, Büchlein zu sich ziehend. Die Schreibfeder steckte in einem halb leeren Tintenfass, unweit seiner Reichweite, sodass er ungehindert weitermachen konnte, wo er eine Woche zuvor mit Schreiben aufgehört hatte. Für gewöhnlich nahm sich Riddle nicht mehr die Zeit, sein Tagebuch zu führen. Soetwas tat man als Jugendlicher, wenn man sich Träume ausmalen wollte und eine Art Begleiter benötigte, der Wut und Hass in sich aufsaugte ohne sich zu beschweren – im wahrsten Sinne... Nun war dieses Tagebuch lediglich ein Seitenfüller seiner Studien, beinhaltete Fehler, Verbesserungen und Kommentare, die er nicht vergessen durfte - und um nicht zu vergessen, einen wertvollen Teil seiner selbst. Das Kratzen des Federkiels füllte jäh die komplette Räumlichkeit, geschmeidig und bedacht. Sie saß dabei nicht einmal ab, das war nicht nötig. 1976. Meine Mühen haben sich gelohnt. Das Ergebnis meines letzten und wichtigsten Experimentes zum Wege der Unsterblichkeit war im Gesamten zufriedenstellend. Mein Körper beginnt sich zu regenieren, obwohl ich anfänglich die Furcht hegte, dass er unter der Last, die mein Geist ihm zumutet, zerbrechen könnte. Das ein oder andere Körperteil musste eingebüßt werden. Zeige allerdings keine Reaktion in Bezug auf Schmerzempfinden oder Verlustpsychiose. Die Psyche ist den Umständen entsprechend stabil. Das Denken ist klar. Der Kreislauf zeigt keinerlei Nebenwirkungen, die durch einen der Zusatzstoffe des Trankes hätten auftreten können. Seine Hand hielt für einen Atemzug lang inne und Voldemort zögerte, seinen Gedanken weiterhin freien Lauf zu lassen. Es wäre wohl falsch, derartige Hirngespinste an einem unsicheren Ort wie diesem fest zu halten. Also entschied er sich für ein paar Silben, die genügten, seine Erinnerung zu wahren: Aber sie war plötzlich in meinem Kopf. Ein unscheinbares Knacken ertönte in ungeahnter Nähe und die Teetasse gerade an die Lippen führend, blickte Riddle über die Schulter zu dem mit Läden verriegelten Fenster um. Das Geräusch wiederholte sich und wurde von mal zu mal stärker. Als er sich erhob und darauf zu ging, es öffnete und die Fensterläden aufstieß, schenkte ihm ein schwarzer Rabe ein böses und überraschtes Krächzen. Der Vogel hatte tatsächlich an dem verschneiten Holz genagt und mit seinem spitzen Schnabel daran geklopft, wie der Schnitter mit der Sense. Toms Augenbraue wanderte an seiner Stirn empor, während er einen weiteren Schluck seines Tees genoss, den er mit sich genommen hatte und über diese sinnlose Kleinigkeit sinnierte. Das Tageslicht war schwach, die Wolken am Himmel dicht. Seine geschundenen Augen mussten sich nicht einmal an die Lichtverhältnisse gewöhnen. Obgleich es im Zimmer so schien, war der Tag der Nacht kein Gegner mehr. Stimmen schlängelten über die Hausmauer und den Efeu an sein Gehör und sich aufmerksam über die Fensterbank lehnend, wollte er einen Blick auf die dazugehörigen Menschen erhaschen. Aber alles, was sich ihm von dieser Höhe aus erschloss war ein Haupt voll buschigem, schwarzen Haar, das sogleich aus seinem Blickfeld verschwand, kaum da er es wahrgenommen hatte. Voldemort seufzte. „Ich werde heute Abend wohl nicht hier sein", richtete der hoch Gewachsene an die auf dem Boden zusammen gerollte Schlange, die, da sie ihn vernahm, aufblinzelte. Sie nickte ein wenig widerstrebend und war wohl am überlegen, ob sie ihn fragen sollte, wieso er ihr nicht Gesellschaft leisten würde. Seine momentan abwesende Haltung war ihr jedoch Antwort genug und so kringelte sie sich zu ihm, holte sich eine für Riddle vollkommen nebensächliche Streicheleinheit ab und verkrümelte sich daraufhin unter dem Bettgestell. Tom rückte seine Kleidung, die aus einem einfachen weißen Hemd und einer schwarzen Stoffhose bestand, ein wenig zurecht, warf sich seinen Mantel um die Schultern und schloss einige Knöpfe in der Bauchnabelregion zu, seinen Zauberstab verstaute er in der Innenseite desselben. Er wirkte blass und kränklich, zumindest erwiderte das sein Spiegelbild, als er an dem Spiegel vorbeizog, beherrschte sich aber in seiner Haltung, seiner Ausstrahlung. Bellatrix würde nicht noch einmal einen falschen Eindruck von ihm bekommen. Die Türschwelle überschreitend, verließ er seine Domäne. Die Schwarzhaarige ausfindig zu machen stellte sich jedenfalls nicht als Problem dar, hörte Riddle sie doch schon von Weitem mit ihrer markanten Frauenstimme. Irgendwie klang sie schriller als am vergangenen Abend. Vielleicht irrte er auch. Doch in der Regel irrte Lord Voldemort eigentlich nie... So folgte er den Lauten, die seine Ohren umscheichelten und wäre beinah in eine um einiges kleinere Gestalt hinein gelaufen, die sich unbedacht umgedreht hatte. Bellatrix starrte Tom aus größer werdenden Augen an und wich abrupt vor ihm zurück, noch ehe sie die Situation wirklich nachvollziehen konnte. „Verzeiht", würgte sie ein wenig nervös hervor und ging in eine kaum merkliche Beugung. „Ich hoffe, ich bin nicht zu spät. Ich wurde aufgehalten und -" „Nein." „... gut, dann ... -" „Wir beginnen sofort. Folge mir." Einen Haken schlagend, wobei er Abraxas noch in einem der Gänge des Hauses verschwinden sah, geleitete er seine selbsternannte Schülerin in einen saalartigen Raum, der zu anderen Begebenheiten wohl für Feste eine gute Partie darstellte. Im Augenblick war er vollkommen leer. „Es interessiert mich nicht, was du dir vorstellst. Du wirst lernen, was ich dir beibringe und nichts anderes", erklärte der Schwarzmagier schlicht und kalt. Die junge Frau war verunsichert hinter ihm hergegangen und letztlich stehen geblieben. Ein Hauch Stille legte sich über ihre Köpfe. Er wandt sich zu ihr, musterte sie abschätzend, ehe sich seine Mundwinkel in ein schmallippiges Lächeln verzogen, das seine Augen nicht erreichte. Ihre Augenmerk heftete sich auf seine Nase, seine Züge. Irgendetwas passte bei diesem Anblick nicht zusammen. Sie war sich nur nicht sicher, was. „Am besten fangen wir mit Verhaltensregeln an. Ein wenig Respekt zu erhalten schadet schließlich niemandem, nicht wahr?" Tom kam unweigerlich näher, er hatte die Hände mittlerweile auf dem Rücken verschränkt. „Ich bin dein Lord. Lord Voldemort, dein Herr, dein Meister. Und du wirst vor mir knien, weil du mir dankbar dafür bist, was ich dich lehre." Ein wenig heißer wurde sein Ton schärfer, seine Stimme leiser – ein Flüstern. Ein eindeutiger Befehl. „Knie nieder..." Kapitel 8: Der Anfang vom Ende ------------------------------ Sie starrte ihn an. Für einen kaum nennenswerten Augenblick glaubte sie, sich verhört zu haben. Im Nächsten wollte sie laut auflachen und ihrem Gegenüber anhand einer eindeutigen Geste klar machen, dass er den Verstand verloren hatte. Dieser Gedanke wich allerdings ebenso schnell, wie er gekommen war, nachdem Bellatrix die Entschlossenheit und den Ernst in Riddles Augen wahr genommen hatte. Schließlich entschied sie sich, einen halben Schritt zurück zu weichen, den er mit einem geduldigen, aber kühlen Lidaufschlag, gewährte. Ihre Brust hob sich rasch zu dem plötzlich schnell schlagendem Herzen, das sie von innen heraus unnachgiebig gegen die Rippen boxte. Die einstmalige Sicherheit über ihre getroffene Entscheidung wich mit jedem Atemzug, den sie tat. „... Nein", würgte Bella mit bebender Stimme hervor, die mehr vor aufkeimender Wut als Angst zitterte. „Ich will nicht -" , „Dein Wille zählt hier nichts", wurde sie ein weiteres Mal von Voldemort unterbrochen. Es schien ihn zu amüsieren, wie sie versuchte, vor ihm zu fliehen. Das machte das Spiel weitaus interessanter, als wenn sie sich gleich gebeugt hätte. Tom musterte die Schwarzhaarige eindringlich, dann lächelte er ein grausames Lächeln. Seine Hand glitt unter den übergeworfenen Mantel. Langsam und ohne Eile, zog er seinen Zauberstab daraus hervor, ohne ihn weiter einzusetzen. Die junge Black ahnte nichts von dem Zorn ihres neuen Meisters. Eigentlich wirkte er immer noch voller Geduld, obgleich sie ihm klar machte, dass ihr sein Befehl widerstrebte und sie auch nicht bereit war, demselben Folge zu leisten. Hinter Riddles Stirn tobte jedoch ein unaufhaltsamer Vulkan, dessen Innerstes sich allmählich nach Außen kehrte. Ungehorsam war eine Eigenschaft, die er verabscheute. Sie garantierte nämlich keine Loyalität und zudem war es ihm wohl verdient, nach allem was er geleistet hatte, dass man ihm den Respekt zollte, der ihm zustand. Bella konzentrierte sich auf die Bewegung die Voldemort vollzog, als seine Hand in der Innenseite seines Mantels verschwand. Ihr Herz setzte kurz aus und ihre Züge wurden ein wenig blasser. Noch bevor Tom überhaupt etwas mit seiner Waffe hätte anrichten können, tat es ihm seine Schülerin gleich und richtete ihr magisches Holz drohend zwischen seine Augen. Dabei machte sie einen weiteren Schritt zurück und wandte ihren Oberkörper wie ein Fechter, der auf den Angriff seines Gegners wartete, um parieren zu können. Ihre Hand zitterte. Die Zeit stand still. Dann erfüllte ein hohes und unmenschliches Lachen die Räumlichkeiten. Die wenigen Spiegel, die sie beherbergten, vibrierten dabei. Riddles Schultern waren in sich zusammen gesackt und sein Körper bebte vor schrillem Gelächter, das vor Wahnsinn nur so troff, den Saal damit benetzte. Er krümmte sich, weil seine Knie unter der Last des Zwerchfells nachgaben. Ihre abrupte Angriffslust, ihre Naivität reizten seine Lachmuskeln auf morbide Art und Weise. Aber als Bella den Irrsinn endlich zu begreifen im Stande war und ihr gesunder Menschenverstand sie zur Flucht aufrief, war es bereits zu spät. Stille schlug ihr hart und unerwartet schnell in den Rücken, als sie im Laufschritt die Türen erreichen wollte. Letztendlich war es ein Lichtstrahl, der sie bäuchlings auf den Boden zwang, ihren Körper paralysierte. Sie schlug mit dem Gesicht seitlich auf, dass es ihr schwarz vor Augen wurde. Bei freilaufenden Kreaturen war es recht hilfreich, die Arme über den Kopf zu werfen, schoss es durch ihren panischen Geist. So konnte man sich zumindest ein wenig schützen. Gegen diesen Mann – dieses Monster – würde das wahrscheinlich nicht viel bringen. Sie hörte den Klang seiner Schritte, wie er gemächlich zu ihr aufschloss. Voldemort gluckste leise, hielt neben ihr inne und sank ein wenig in die Knie. „Du kannst dich nicht gegen den Magier auflehnen, der sogar den Tod besiegte, meine Liebe. Dein Mut erstaunt mich." Er streckte die Hand nach ihr aus, um nahezu nebensächlich und gleichsam provozierend eine abstehende Strähne ihres schwarzen Haares um seine Finger zu wickeln. „Aber letztendlich bekomme ich doch, was ich will. Du liegst mir zu Füßen." Die Sanftheit mit der er die Worte aussprach, wollten nicht zu ihrem Sinn passen und verzerrten Voldemorts Erscheinungsbild. Sich aufrichtend, blinzelte er kurz, dann schmunzelte er und reichte ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen. Bella wandte den Kopf und sah aus kleinen Augen verstört zu ihm empor. Sie konnte Riddle nicht einschätzen und genau das beunruhigte sie mehr und mehr. Trotzdem nahm sie die Hilfe an und war gleichsam ein wenig erstaunt, wie wenig Kraft er benötigte, um sie damit zurück auf die Füße zu ziehen. „Ich glaube, es ist genug für heute. Morgen werden wir uns dem Duellieren widmen." Er wies sie in Richtung Tür und ohne ihre Hand los zu lassen, führte er sie mit sich. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es dir gefallen wird, die Macht zu spüren. Du musst es nur wollen." Tom schloss die Finger um den Türknauf und realisierte ein wenig spät, dass er sie nach wie vor festhielt. Diese Berührung betrachtend, löste er den Griff um ihre Hand und führte die Seine apathisch an seine Brust, wo er sich nebensächlich kratzte. „Willst du es, Bellatrix?" Sie hatte ihm kaum zugehört. Übermannt von seiner Person, die Art wie er sich verhielt, wie er sprach, ließ sie an seiner Intelligenz zweifeln. Andererseits faszinierete er sie so sehr, dass sie – trotz dieser Bloßstellung, welcher sie ausgesetzt worden war – von ihm lernen wollte. Ihn kurz verständnislos ansehend, überlegend, was er gerade gesagt haben könnte, nickte Bella schließlich steif. Aufgrund der Zufriedenheit auf Voldemorts Zügen, wirkte sie erleichtert und folgte ihm aus dem Zimmer, zurück in das Wirrwarr der Gänge des Hauses. „... Darf ich Euch Fragen stellen, Herr?" „Versuch es..." „... Warum tut Ihr das alles?" Schweigen drang an ihr Ohr, sie hörte ihn atmen, bis er zu einer Antwort ansetzte. „Weil es meine Aufgabe ist..." Sie beließ es dabei und schloss dann zu ihm auf, dass sie auf gleicher Höhe mit ihm gehen konnte – wohin wusste sie nicht, sie folgte ihm und indirekt bemerkte Bellatrix einen Hauch Vertrauen, dass er sie sicher irgendwo hin führen würde und egal wohin sie gingen, er wusste, dass es richtig sein würde. Dieser Gedanke schockierte sie, als sie ihn bemerkte. - sie kannte diesen seltsamen Mann schließlich erst für wenige Stunden. Er hatte sie vorgeführt, verspottet und angegriffen - die Annahme von Vertrauen war paradox und um nicht zu sagen völlig unwirklich und banalt. Allerdings war Toms Erscheinung erträglicher geworden, obschon ihn noch immer eine ungewöhnliche Unmenschlichkeit umgab, die sie abschreckte. Bella fiel allerdings auch auf, wie sie gedankenverloren neben ihm her wanderte, dass er nach Mandeln und Schwarzem Tee roch. Irgendwie wollte das eine nicht zum anderen passen und so ignorierte sie sein Antlitz und konzentrierte sich auf seinen Geruch. „Das macht doch alles keinen Sinn", murmelte sie mehr zu sich selbst, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Voldemort sah zu ihr hinab, dann versuchte er ein Lächeln. „Das macht es nie." Kapitel 9: Sinn --------------- Die Stille Zeit war über die Wirklichkeit herein gebrochen. Wie man sofort feststellte, warf man einen Blick nach draußen auf die mit Schnee bedeckte, bergige Landschaft der Grafschaft, eine sehr hektische Angelegenheit. Zur Feier des angestrebten Weihnachtsfest waren Boten auf Besen unterwegs, die die bestellten Geschenke verteilten. Viele machten sich mittlerweile kaum mehr die Mühe, alle unnötigen und überflüssigen Bereicherungen unter eigenen Umständen mit nach Hause zu buchsieren, während dann fieberhaft überlegt werden musste, wo man die Habseligkeiten vor den neugierigen Kindern versteckte. Auch im Hause der Malfoys war diese Hektik zu spüren, die vom Grafen bis hin zum Hauselfen ausnahmslos alle mit einspannte. Einzig Tom ließ sich von der bevorstehenden Familientradition nicht aus der Ruhe bringen. Tatsächlich empfand er es für nichtig, ebenfalls kleine Präsente einzukaufen. Das hatte mehrere Gründe: Zum einen hatte er nicht ausreichend Geld, um alle Leute die er kannte und einigermaßen schätzte zu beschenken. Zum anderen verabscheute er Weihnachten mindestens genauso so sehr wie seinen darauf folgenden Geburtstag. Und außerdem fand er, dass keiner seiner anderen Bekannten auch nur ansatzweise eine Gabe verdient hatte. Denn waren es zum Großteil alles Heuchler, die nur neidisch auf seine experimentellen Erfolge waren und sich in seinem Ansehen wälzen und baden wollten, so glaubte er, um auch einen Hauch von Ruhm zu ergattern. Solche Schmarotzer bekamen in der Regel nur eine Quittung. Doch konnte die weihnachtliche Stimmung sogar den Schwarzmagier ein wenig besänftigen, dass er die Dinge, die augenblicklich um ihn herum geschahen, kurzfristig aus einem anderen Blickwinkel betrachtete. Und so ließ er sich eines späteren Nachmittags dazu hinreißen, das schützende Haus Abraxas' zu verlassen und die Winkelgasse im Herzen Londons aufzusuchen, mit dem unüberlegt spontanen Hirngespinst, Bellatrix die Ehre einer kleinen, sehr unscheinbaren Aufmerksamkeit zu erweisen. Im Nachhinein sollte Riddle erfahren, dass es besser sein würde, zukünftig seine Prinzipien bis auf den letzten Mann (in diesem Fall die letzte Frau) stur aufrecht zu erhalten. Denn gestaltete sich der Aufenthalt zwischen herumirrenden Volltrotteln, die für ihre eigene Festlichkeit noch Accessoires besorgten, als nervenaufreibend. Im Grunde kannte er die Hexe, wenn es sich rechnete, zwei Wochen. Trotzdem konnte er sich dem Gefühl nicht entreißen, dass es ein Akt der Höflichkeit darstellte ihr etwas zukommen zu lassen. Sie musste ja nicht wissen, dass es von ihm stammte. Hauptsache, diese Leere in seiner Magengegend füllte sich, unabhängig des Essens. So zog er die Kapuze dichter in sein Gesicht und zwängte sich an den Menschenmassen vorbei, die vor jedem Schaufenster gafften und sich lauthals über die kommenden Feiertage unterhielten. Es war ihm fast so, als sähe ihn keiner derer, die ihn streiften. Diese Vermutung fraß sich in seinen Geist, setzte sich fest und je länger er sie wahrnahm, umso sympathischer wurde sie ihm. Unsichtbarkeit wäre ein gelungenes Finale für seinen ersten Akt. Die Kälte und das Gedränge leiteten Tom direkt in eines der kleinen Geschäfte. Das Glöckchen bimmelte aufgeregt, wurde von dem herrischen Stimmengewirr aber übertönt, sodass der hoch Gewachsene auf Anhieb etwas verloren unter dem Türrahmen stand. Es dauerte eine ganze Weile, bis eine der Verkäuferinnen ihn bemerkte und eilenden Schrittes auf ihn zukam. Verwunderung breitete sich auf ihren Zügen aus, als er kein Wort des Grußes oder seines Daseins sprach, noch seine Vermummung ablegte. „Kann ich Ihnen helfen, Sir?", fragte sie Riddle in einer piepsigen und aufgesetzt wirkenden Freundlichkeit, die sie perfekt zuvor einstudiert haben musste. Nachdenklich sondierte der Schwarzmagier den Raum und nahm die Eindrücke gemächlich in sich auf, die er barg. Seine Intuition hatte ihn in eines dieser unauffälligen Schmuckgeschäfte geführt, die es in London zu Hauf an jeder Straßenecke gab. Bravo Tom, hier findest du mit Sicherheit nur große Kleinigkeiten. Er unterdrückte ein Seufzen und schüttelte zu sich den Kopf. Die Mitarbeiterin hakte nach: „Sir? Suchen Sie etwas bestimmtes? Etwas für Ihre Frau?" Mühsig nahm er mit der Dame Blickkontakt auf. Blinzelnd, runzelte sich seine Stirn und trat unbedacht ein wenig weiter in den Laden hinein und somit auch in das Licht desselben. Die aufgestellten Kerzen flackerten unter seiner Bewegung bedrohlich und die Verkäuferin hielt den Atem an, als sie sein Gesicht unter der übergeworfenen Kapuze erblickte: leichenblass, ausgemergelt und nasenlos. Stille. Dann ein abruptes Aufschreien, hysterisches Kreischen seitens der Hexe in seiner Gegenwart. Voldemort riss überrascht die Augen auf, seine schmalen Pupillen weiteten sich vor aufkeimendem Entsetzen. „Halt den Mund!" spie er ihr in einem rauen Flüsterton und war binnen eines Sekundenbruchteils an ihrer Seite. Sein Arm legte sich um ihren Hals, seine Hand ergriff Widerstand an ihrem Kopf. Danach folgte ein widerliches Knacken, als es ihr Genick in Stücke riss und unter einer reißenden Bewegung brach. Der leblose Körper sank vor den Augen der Anwesenden zu Boden. Keiner schien die Situation wirklich begriffen zu haben. Am wenigsten er, Tom Riddle, der nur hier war, um ein Präsent zu ergaunern für eine Frau, die er ein wenig zu schätzen wusste. Noch bevor richtige Panik ausbrechen konnte, zückte er seine Waffe und tötete jeden derer, die ihm gegenüber standen und ihn anstarrten wie eine Ausgeburt der Hölle. Dann stürmte er mit hastenden Schritten aus dem Juwelier, tauchte unter in die Dunkelheit der anliegenden Gässchen und versuchte das Chaos, das hinter seinem Rücken auszubrechen begann, zu übergehen in dem er an etwas anderes dachte als an das, was ihm gerade widerfahren war. Der Bummel war vorbei, just in dem Augenblick da er nach Wiltshire disapparierte, wütend seine Behausung unter dem Dach des Anwesens aufsuchte und mit den Fäusten den wehrlosen Spiegel zertrümmerte, der ihm seine hässliche Fratze darlegte. Seine Stimme versagte unter dem Geschrei, das aus Riddles Kehle drang, seine Handrücken waren blutig und schmerzten, weil sich die Glassplitter hinein fraßen. Aber nichts konnte den wahren Schmerz überdecken, den er in sich spürte, der ausgelöst wurde durch die Reaktionen der Menschen auf ihn und sein Äußeres. Der Schmerz, dass sie in ihm nicht das sahen, was er sah: Sein Genie und was er im Stande war zu leisten. Sie degradierten ihn zu einem Monster, vielleicht sogar zu einer Laune der Natur. Die Mundwinkel verzerrt und mit Tränen in den Augen umklammerte er seinen Leib und sank an der Wand in die Scherben zu Boden. Die Beine angezogen lehnte sein kahler Kopf an der Tapete. Voldemort stierte abwesend vor sich her, kämpfte einen inneren Kampf mit sich selbst. Der Wut, die ihn beherrschte brachte ihn zum Zittern. Dann fand er einen Schuldigen, dem er den Sturz seines Fühlens zu verdanken hatte. Und er schob alles auf Weihnachten und die Liebe und seine Naivität, die ihn blindlinks von seinen Zielen abbringen wollte. Dafür hasste er sich. Kapitel 10: Niemals genug ------------------------- „Ich halte das wirklich für keine gute Idee, Bellatrix" Abraxas' Gesicht war fahl, seine Stimme bestimmt, wie die eines Wächters, der einen ungebetenen Besucher vertreiben wollte. „Aber wir haben ausgemacht, dass wir heute trainieren! Und ich fände es ziemlich unverschämt von ihm, wenn er mich jetzt nicht einmal empfängt nur weil ihm wieder irgendeine Laus über die Leber gelaufen ist! Was denkt er sich eigentlich? Dass ich den ganzen lieben langen Tag nichts besseres zu tun habe, als auf eine Eule von ihm zu warten, in der er mich quer durch das Land nach Wiltshire befehligt?" Sie war immer lauter geworden und nun daran, eine kleine Hysterie zu veranstalten. Schließlich hatte Bella es auch nicht unbedingt weiter, als in die Eingangshalle des Anwesens geschafft. Ihre Bekleidung troff vor Nässe, durch die Sohlen ihrer Winterstiefel drang Kälte und Wasser. Sie mochte den Winter nicht sonderlich. Genauso wenig, wie versetzt zu werden. Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust und wandte den Kopf, die Nase erhoben, sichtlich beleidigt beiseite. Malfoys Mundwinkel erbebten, als er sich ein kehliges und enerviertes Seufzen entrang. Ein inneres Gefühl flüsterte ihm zu, dass er die junge Black so schnell nicht loswerden würde – nicht, solange sie nicht bekam was sie wollte. Diese vermaledeite Sturheit erinnerte ihn an sein eigentliches Problem: Tom. „Komm", gab er widerwillig nach und ergriff ihren Oberarm, um die Hexe mit sich in die deutlich wärmeren Wohnräume des Landsitzes zu führen. Warmes, prasselndes Kaminfeuer erhellte den Salon fast schon romantisch. Chiara, seine Gattin, erwartete sie mit überschlagenen Beinen auf einem der bereit gestellten Sofen aus längst vergangener Zeit. Die Federn quietschten sanft, als sie sich daraus erhob, um ihren Gast zu begrüßen. Bellatrix erkannte auch in ihren Zügen Müdigkeit und einen Hauch von Ekel. Irgendetwas war passiert, dem war sie sich nun sicher. Die Frage musste nur noch geklärt werden. „Setz dich, mach es dir bequem. Möchtest du eine Tasse Tee?" Brax bot ihr einen Platz neben seiner Frau und ließ sich selbst erschöpft in den mannshohen Herrensessel zurückfallen. Er streckte die Beine von sich und ließ die Arme kraftlos von den Lehnen baumeln. Gleichsam rief er nach seinem Hauselfen, der wenige Sekundenbruchteile später den Raum betrat und die Bestellung seines Meisters entgegen nahm. Mit seiner Abwesenheit machte sich unangenehme Stille breit, die der Hausherr wagte zu durchbrechen. "In den paar Wochen, wo du hier warst und seine Gesellschaft genossen hast, hast du Tom bestimmt in vielen Situationen erlebt. Aber ich schwöre dir, dass das bei weitem nicht alles gewesen ist. Du hast keine Ahnung, wer er wirklich ist. Und wenn dir dein Leben etwas lieb ist, dann hör auf, ihn zu sehen. Er wird dich sonst nicht mehr gehen lassen, Bella." Es dauerte, bis die Schwarzhaarige „Tom" mit „Lord Voldemort" assoziierte, was ihr einen irritierten Gesichtsausdruck auf die markante Mimik bescherte. Spätestens jetzt war sie sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Sie richtete ihre Sitzposition und sah Chiara, wie Abraxas abwechselnd an. „Tom?" Bella erschien es seltsam, dass der Schwarzmagier auch noch einen „normalen" Namen besaß. Wobei sie in ihrer Naivität gestehen musste, dass sie annahm er hieße tatsächlich „Lord Voldemort". Im Nachhinein schalt sie sich dafür eine Närrin. „Ja. Nennen wir es seinen bürgerlichen Namen, mit dem er in Hogwarts auf den Klassenlisten stand und unter dem ich ihn kennen gelernt habe. Er hat sich sein Synonym erst später gebildet, nachdem er begriffen hatte, was für ein Genie in ihm ruhte. Damit hat er es, wenn du so willst, befreit und das Resultat sperrt sich über unseren Köpfen ein." Automatisch glitt Bellatrix' Blick an die Decke. Sie strengte sich an, hörte jedoch nichts. Kein Geräusch, das Riddles Anwesenheit hätte verraten können. Noch bevor sie ihren Gegenüber unterbrechen konnte, fuhr dieser fort: „vor drei Tagen ließ er sich dazu herab, mit uns zu frühstücken. Es war eine seltsame Situation, vor allem weil Tom die menschliche Gesellschaft eher mied. Einmal abgesehen davon ist er nicht sehr redselig, verschwiegen bis aufs letzte Loch. Doch an diesem einen Tag sah es aus, als hätte er eine prächtige Stimmung. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das beruhigte. Ich dachte mir, er fände Weihnachten vielleicht faszinierend, weil er es zum ersten Mal bei einer richtigen Familie verbringen würde. Er meinte auch, dass er in der Winkelgasse noch etwas besorgen wolle. Und dass das Wetter schön sei und es ihm gefiel, wenn der Schnee zu glitzern begann, sobald die Sonne darauf schien. Er war von einem Moment zum anderen wie ausgewechselt und ich war ein Narr zu glauben, er hätte seine Vernunft wieder gefunden." Abraxas nickte in Richtung Beistelltisch, auf dem eine Zeitung lag. Die Hexe konnte die Lettern „Mord" und „Winkelgasse" sogar lesen, ohne sich großartig in die Richtung derselben beugen zu müssen. Also hatte er jemanden getötet... „Acht auf einmal, mitten unter den Leuten, einfach so", beantwortete Brax ihren suchenden Lidaufschlag und seufzte abermals, diesmal tiefer. „Und einem hat er wohl das Genick gebrochen, wenn man der Klatschpresse Glauben schenken darf." Den Kopf schüttelnd, maß er die Black eindringlich. „Ich habe ihn nicht gesehen, als er nach Hause kam. Aber er hat sich die Gedärme aus dem Leib geschrien, so sehr haben die Wände gewackelt. Und dann war es ruhig. Und seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Er reagiert nicht, wenn man an die Türe klopft, oder nach ihm ruft. Als wäre er nicht da..." Je länger Bella dem Blonden zuhörte, umso grotesker wurde die Geschichte, in der sie sich befand. Der Mann, dem sie insgeheim Bewunderung zu schenken bereit war soll einfach so einen Massenmord begangen haben? Noch dazu mit guter Launer und einer Tasse Tee zum Frühstück? Das ergab doch alles keinen Sinn... Und sie wusste, wenn sie herausfinden wollte, was der Wahrheit entsprach, musste sie sich in die Höhle des Löwen begeben. Und kaum den Entschluss gefasst, war sie aufgesprungen und hatte den Salon schnellen Schrittes verlassen. Abraxas rappelte sich abrupt auf, um ihr zu folgen und sie zurück zu halten. Doch Bellatrix hörte nicht und so bahnte sie sich ihren Weg, der sie ans Ziel bringen würde. Den Gang entlang, bis sie an einen Treppenabsatz stieß, der in den oberen Teil des Anwesens führte. Und dort, genau hinter der ersten Türe am oberen Ende, war er. Allein mit seinen chaotischen Gedanken. Die Schwarzhaarige wollte sich ausmalen, wie es für jemanden seines Geistes sein mochte sich selbst ertragen zu müssen. Ob er sie für ihre Dekadenz bestrafen würde, weil sie ihn nicht in Ruhe ließ, wie er es offensichtlich wollte? Aber sie hatte keine Zeit. Erklomm die wenigen Stufen und hielt nahe vor dem Türknauf inne. Abraxas abgehangen, ignorierte sie ihn, wie er im Flur kauernd zu ihr hinauf sah. Sie schlug mit den Fingerknöchel sacht gegen das dunkle Holz und wartete: keine Antwort, nicht einmal ein verräterisches Atmen. Sie tat es erneut und noch ein weiteres Mal. Und als Riddle es immer noch nicht für nötig hielt, ein Lebenszeichen von sich zu geben, erhob Bella die Stimme: „Ihr habt mich zu Euch befohlen, Herr – wisst Ihr noch? Ich bin da und warte auf Euch, damit Ihr mir Eure Künste lehren könnt." War da ein Rascheln auf der anderen Seite? Ein Körper, der sich mühsam in Bewegung setzte? Und wenn schon, Voldemort schwieg sich aus. „Bitte macht doch auf... Tom?" Ein Gegenstand wurde umgeschmissen und fiel hörbar polternd zu Boden. Noch ehe sich Bella versah, tat sich etwas an der Tür, drang eine Hand mit gliedrigen Fingern aus einem schmalen Spalt hinaus und umfasste den Kittel, den sie trug. Riddle zerrte die von Überraschung Gekennzeichnete unsanft in seine Domäne, knallte die Türe hinter sich zu und gaffte sie aus wildem Augenmerk an. Bellatrix erschrak im ersten Augenblick, als sie realisierte wie herunter gekommen er auf sie wirkte. Wie wächsern seine Haut war, wie gekrümmt er vor ihr stand. Er tat ihr leid. Nach allem, was sie über ihn erfahren hatte – auch, wenn es nicht viel gewesen war – tat er ihr leid. „Wie hast du mich eben genannt?", keifte er sie mit einem gefährlich leisen Unterton an. „... Tom. Das ist doch dein richtiger Name, oder? Warum hast du mir -" ihr stockte der Atem, denn seine Finger schlossen sich begierig um ihre Kehle. Die Knie gaben nach, ihr Körper folgte unfreiwillig dem Stoß, dem er ausgesetzt wurde. Der Raum drehte sich in seiner Dunkelheit um die eigene Achse, bis sie einen harten Widerstand im Rücken spürte, wie die sich hektisch bebende Brust ihres Herren, die mit jedem Zug an die ihre stieß. Er war ihr mit einem mal näher als ihr lieb war. Die Situation ließ es aber nicht zu, dass sie sich zur Wehr setzte. Tom hatte sie vollkommen überrumpelt. „Niemand, niemand! Nennt diesen Namen in meiner Gegenwart! Ich bin Lord Voldemort, der mächtigste Magier aller Zeiten! Hast du das verstanden?" Ein Hauch von Spucke benetzte ihre Wangen und Bella konnte nichts anderes tun, als gehorsam zu nicken. Und in der Tat ließ die Kraft in seiner Hand nach. Das Rot, das in seine Augen gekrochen war, verschwand gemächlich und machte Platz für die übliche Hilflosigkeit. Riddles Finger lösten sich von ihrem Hals, er machte kehrt vor ihr, erweckte den Eindruck, sie übergehen zu wollen. „Lass mich allein." Kapitel 11: Ich würde alles tun ------------------------------- Es war seltsam, dieses Gefühl in ihm. So stark und aufdringlich. Er konnte es gar nicht zuordnen. Es verwirrte ihn schon die letzten Tage. Zuerst glaubte er, es wäre die Wut auf den verloren gegangenen Tag gewesen, auf die Narren die er richten musste, weil sie sich ihm unfreiwillig in den Weg gestellt hatten. Und eventuell noch deswegen, weil er sich ziemlich über sich selbst ärgerte. Tom hatte die Nächte mit Wachen verbracht, war auf der Fensterbank gesessen und hatte seinen Zauberstab abwesend durch seine geschundenen Finger wandern lassen. Was mochte das nur sein? Was beherrschte ihn mehr als Hass? Was auch immer es war, es musste aufhören. Denn es verunsicherte ihn unweigerlich und ließ ihn daran zweifeln, dass das was er getan hatte, richtig war. Dass seine Entscheidung, die Unsterblichkeit zu erreichen, einer Dummheit gleich kam. Handelte es sich um Reue? Wenn das die Antwort war, so hatte er seine Prioritäten zu klären und sich seine hoch gesteckten Ziele vor Augen zu führen. Im Grunde bereute er nämlich nichts. Nein, er würde alles noch einmal genauso machen, wenn er die Chance dazu gehabt hätte. Noch einmal sein hässliches Inneres nach Außen kehren. Jetzt erfüllte ihn mit Bellatrix Anwesenheit eine ungewöhnliche Ruhe. Obgleich er zuerst sehr verärgert über ihr Erscheinen und ihre Respektlosigkeit war, so tat ihr Dasein gut. Tom glaubte, sie könnte ihn verstehen, wenn sie wollte. Aber er verspürte kein Verlangen, ihr seine Nöte, Ängste, Probleme und Gedanken mitzuteilen. Das war bisher bei niemandem der Fall gewesen, nichtmal bei Abraxas, oder Dumbledore, oder anderen überflüssigen Individuen in seinem sogenannten Leben. Schließlich war Riddle fest davon überzeugt, dass alle Interessierten oder falschen Freunde nichts weiter als freche Heuchler waren. Keiner war auch nur einen Pfifferling von dem wert, was sie versuchten ihm vorzugaukeln. Er mochte sie nicht, er mochte keinen dieser Menschen in seiner Nähe. Aber bei Bella war er sich da nicht so ganz sicher, ob sein Starrsinn durch seinen Verstand oder sein Herz herrührte. Zu wenig ließ er sein Herz entscheiden, um ihm vertrauen zu können. Er wollte nicht schwach sein. Überraschender Weise widersetzte sich die Hexe dem Befehl ihres Meisters. Und anstatt zu gehen und sich in Sicherheit zu wägen, trat sie von der Wand weg und ein wenig in das Zimmer hinein, auf ihn zu. Tom beobachtete ihre Reflektion in der Fensterscheibe, seine Augenbrauen zogen sich streng über der Stirn zusammen. „Warum habt Ihr diese Leute in der Winkelgasse getötet?" Offenbar fand Bella zu ihrer Präzision zurück, ihre Stimme zitterte kaum noch und ihre Neugier legte sich wie ein Hauch von Naivität auf ihr Haupt. „Sie waren mir im Weg", hörte sich Tom sprechen. Dabei bemerkte er kaum, dass sich sein Mund zu seinen Worten bewegte. Der Schwarzhaarige spürte allerdings ihr Entsetzen wie tausend Nadeln, die sich in seinen Rücken zu bohren begannen. Es dauerte eine Weile, bis Bellatrix reagierte: „... Wieso?" „Ich muss mich nicht vor jemanden wie dir rechtfertigen!" Deutlich gereizt, mit einem dumpfen Vibrieren im Hals, sah er über die Schulter zu ihr um. Der hoch Gewachsene wandte der Hexe sogar sein Profil zu, den Blick kalt und störrisch auf einen imagniären Punkt in seiner Domäne gerichtet. Er hatte keine Lust sie anzusehen. „Ich habe es getan. Und es ist mir egal. Mir waren diese Menschen nichts wert." „EGOIST!" durchbrach ihr aufgebrachtes Schreien seine verzerrten Hymnen. „Und was macht dich schon zu etwas Besonderem? Was gibt dir das Recht, dich über mich oder andere zu stellen?" Sie wusste, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Voldemorts Körper lenkte sich gemächlich in ihre Richtung, bis er ihr gegenüber stand. So sehr er ihre Anwesenheit noch vor wenigen Augenblicken befürwortete, so sehr wollte er sie jetzt tot wissen. Vielleicht lag es daran, dass er es nicht gewohnt war, dass man so mit ihm sprach. Bella wich einen Schritt vor ihm zurück, aber er tat einen weiteren auf sie zu und kam somit unaufhörlich näher. Seine Mundwinkel krümmten und kräuselten sich unter der Missbilligung, die er empfand. Auf eine furchterregende Art blieb er jedoch ruhig. „Ich habe den Tod besiegt und die Unsterblichkeit erlangt. Durch mein Genie werde ich unsere Welt von unreinem Blut säubern und sie aus den Händen der unfähigen Regierung befreien. Ich habe die Macht, über jeden zu richten wenn ich das will. Denn mich kann man nicht besiegen. Ich werde meine Prinzipien durchsetzen und unsere Gemeinschaft in altem Glanz erstrahlen lassen." Stockend, neigte er den Kopf schief und betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. Mit fahrigen Fingern griff er nach seinem Zauberstab, der auf seinem Schreibtisch in unmittelbarer Nähe abgelegt worden war. Tom richtete die Spitze gegen die junge Hexe. „Wir könnten ausprobieren, ob auch du unsterblich bist? - Crucio!" Das rote Licht bahnte sich seinen Weg durch den Staub, die stickige Luft und direkt in ihre Brust. Sie stolperte unerwartet und fiel rücklings zu Boden, kauerte sich kreischend und wimmernd in sich zusammen. Er wollte ihr nicht weh tun, nur hatte sie es – seiner Ansicht nach – nicht anders verdient. Das flüsterte er ihr auch immer wieder zu, während er sie weiterhin quälte. Tom hoffte, dass sie nun endlich begreifen würde, mit wem sie es zu tun hatte. Dass ihr Leichtsinn ein Ende hatte und sie lernen musste, erwachsen zu werden. Bellatrix' Äderchen drangen sichtbar durch ihre blasse Haut. Die Dünneren rissen und verursachten kleine Blutergüsse. Man hätte annehmen können, sie wäre geschlagen worden, als Riddle einigermaßen befriedigt, mit dem Prozedere inne hielt. Der Schwarzmagier tastete sie mit geweiteten Augen ab und stieg dann über ihre regungslose Gestalt hinweg, damit er an die Wasserschale treten konnte. Sie mit Wasser aus dem bereit stehenden Krug füllend, legte er sein magisches Holz beiseite und wusch sich die Hände. Er gab ihr Zeit zu realisieren, was geschehen war und dachte gleichermaßen angestrengt nach. So, wie sie sich jetzt verhielt, war ihm nicht danach zumute Bella in den Inneren Zirkel aufzunehmen. Ob es dumm gewesen war, sie überhaupt zu empfangen? Cygnus' Bitte zu erfüllen, sie auszubilden? Sie erweckte nicht den Eindruck, wahrhaftig willig zu sein und das kränkte Voldemort. Obwohl er eine Verbindung zu ihr nicht ausschließen mochte, wehrte sie sich gegen ihn, seine Vorstellungen und seine Künste. „Du musst mir dein Vertrauen schenken und über den Mann-", er unterbrach sich selbst, presste den lippenlosen Mund aufeinander und schüttelte zu sich selbst den Kopf. „- über das, was vor dir steht hinweg sehen." Sich an den Rändern der Waschschale abstützend, kämpfte er einen Moment gegen sich selbst. Dann drehte er sich zu ihr um. Sie hatte ihn nicht gehört, denn sie war unter den Anforderungen des Zaubers der Ohnmacht erlegen. Tom seufzte schwer und war fast ein wenig froh darum. So blieb ihm das weitere Diskutieren vorerst erspart. Die Distanz zwischen ihnen von Neuem überbrückend, beugte er sich zu Bellatrix hinab und hob die Schwarzhaarige mit etwas ungeschickter Anstrengung auf seine Arme, buchsierte sie in Richtung seines ungemachten Bettes und legte sie dort in die Kissen. Sollte sie sich erholen, er würde sie noch lange genug traktieren, da war er sich sicher. Ihre Ausbildung hatte gerade erst begonnen. Nagini blinzelte unter dem Tun ihres Herren fragend zu ihm empor, zischelte leise. „Was ist?" fragte Tom barsch, würdigte sie keines Blickes. Die Schlange wahrte ihre Vermutung und verkroch sich in der schützenden Dunkelheit. Kapitel 12: Mutter ------------------ „Bewahre das für mich auf" Es lag keine Emotion in seiner Stimme, aber seine Geste war eindeutig, als er Abraxas eine kleine Schachtel mit allerlei Habseligkeiten in die Arme drückte. Der Blonde sah darauf hinab, erblickte leere Phiolen, lose Buchseiten, Notizen und: „Dein Tagebuch", murmelte er ehrlich verwundert in die Richtung Riddles. Der schwieg und nickte lediglich, dann zuckte er mit den Schultern: „Ich habe nie etwas hinein geschrieben", log er ohne den Hauch von Errötung auf seinen ausgemergelten Wangen und erntete einen irritierten und ungläubigen Lidaufschlag. Es war besser, wenn er nicht wusste, welche schwarze Macht in diesem Büchlein steckte und wozu es letzten Endes fähig war. Malfoy seufzte, stellte die Kiste beiseite und zögerte dann einen langen Atemzug: „Wo willst du hin, was hast du vor?" „Ich gehe nach Hause." „Du hast kein zu Hause..." „Doch ... -" „Tom! Hogwarts ist nicht dein zu Hause. Es ist hier, bei -" „Nenn mich nicht so..." Voldemort runzelte verärgert die Stirn. Warum legten alte Schulkameraden ihre Gewohnheiten so schwer ab? Was ist so kompliziert daran, ihn anzusprechen wie er es gerne hätte? Ein neuerliches Seufzen drang aus Abraxas Kehle und er ging in eine spöttische Verbeugung: „Verzeiht mir, mein Lord" „Spiel dich nicht so auf, Malfoy. Wir sind keine Kinder mehr", erwiderte der Schwarzmagier zischend, lauernd. „Eben! Wir sind keine Kinder mehr! Was erwartest du dir davon, jetzt zu gehen? Glaubst du wirklich, du kannst etwas an dieser verkommenen Welt ändern?" Die Worte bereits auf der Zunge, wollte Riddle etwas erwidern, wurde jedoch von einer plötzlichen Bewegung unterbrochen. Beide Männer sahen sich um. Lucius, der Sohn des Blonden, stand unter dem Türrahmen. Er hatte ihr Gespräch verfolgt, sänkte abrupt beschämt und ertappt den Kopf und verkrümelte sich zurück in den Salon. Der Hausherr maß seinen Freund eindringlich, mit einem Hauch von Besorgnis. Sie kannten sich nun schon so lange. Im Augenblick war es ihm allerdings, als stünde ein Fremder in seinem Flur. Von Außen, wie von Innen. Er hatte sich verändert, zum Schlechteren. Toms Augenmerk fixierte den Boden, ehe er Brax mit feuerrotem Blick aufzuspießen begann. „Das willst du doch auch, oder nicht? Wir hatten einen gemeinsamen Traum, Malfoy. Wir wollten diese Welt wieder lebenswert machen." „Ja, Tom. Aber doch nicht mit Gewalt!" „Manchmal muss man zu seinem Glück gezwungen werden. Und bevor irgendetwas geändert werden kann, müssen die überflüssigen Fekalien und Störenfriede beseitigt werden..." Abraxas stockte, schüttelte dann entsetzt den Kopf. Das war nicht der Junge, mit dem er zur Schule gegangen war, der sich seine eigenen Welten zusammen reimte und amüsante Tagträume hatte. Nicht der Mann, von dem er soviel über die dunkle Seite der Magie gelernt hatte. Mit dem er den Inneren Zirkel, die Todesser gegründet hatte. Das war ein blutrünstiges Monster, das seine Grenzen nicht mehr sehen konnte. Und er schalt sich einen Feigling, dass er es nicht geschafft hatte, Riddle von seinen Experimenten abzubringen. Dieser liebenswerte und aufrichtige Mensch übergab sich seinem Hass auf die Realität und war ein gänzlicher Teil seiner Phantasie geworden. Er war verrückt. Aber wollte er ihn tatsächlich zu seinem Feind machen? Der Graf stand bereits am Abgrund, Voldemort brauchte ihm nur mehr den letzten Stoß zu versetzen. Tom deutete das Schweigen seines Gegenübers als Zustimmung. So nickte er zufrieden, warf sich die Kapuze seines Reiseumhangs über den kahlen Kopf und kehrte Abraxas den Rücken, den Ausgang ansteuernd. „Bellatrix liegt oben auf meinem Bett. Sie hat sich ein wenig übernommen. Ich werde dich rufen, sobald ich deine Dienste benötige." Seine Schritte hallten laut an den hohen Wänden des Landsitzes wider. Chiara war mit ihrem Sohn abermals am Saloneingang erschienen, hielt sich mit einer Verabschiedung jedoch zurück. Ein schwerer Körper ätzte über den Boden und versuchte zu Riddle aufzuschließen. Nagini keuchte atemlos, als sie es schaffte sich an dem Leib ihres Herren hinauf zu angeln. Die Schlange kauerte sich um seinen Nacken und züngelte sanft in sein Ohr. Doch der Schwarzhaarige schenkte ihr keinerlei Beachtung, seine Gedanken kreisten längst um seine zukünftigen Pläne, was er alles zuvor noch zu erledigen hatte und wie er sich am besten in seinem neuen Heim einrichten würde. Das Anwesen hinter sich lassend, bahnte er sich seinen Weg durch den knöchelhohen Schnee, passierte das Zufahrtstor und disapparierte danach sofort. ... Die Scharniere ächzten unter dem Gewicht der morschen Türe, ließ sich aber trotzdem gehorsam öffnen. Das dämmrige Winterlicht fiel durch den Spalt und riss die Staubflusen aus ihrem gleichmäßigen Singsang. Das Holz der Dielenbretter knarzte verräterisch, als Riddle sich vorsichtig in das verlassene Haus voran wagte. Es roch nach Verwesung und Kot. Wahrscheinlich gammelten in irgendwelchen Winkeln halb verweste Mäuse und Ratten, die Katzen zwar gejagt und getötet, aber nicht gefressen hatten. Die Eingangstüre hinter sich schließend, zückte Tom seinen Zauberstab, um sich mit einem knappen Schlenker eine eigene Lichtquelle zu sichern. Spinnweben hingen vor seinem Antlitz, er nahm sie beiseite. Das wenige Mobilar, das den Eingangsbereich zustellte, passte nicht ins Bild und war zum Teil zerstört. Ein zerbrochener Spiegel hing links zu seiner Seite und reflektierte seine Erscheinung, die im matten Lichtkekel wächsern und unheimlich schien. Näher tretend, umging er ein Loch im Boden, das wohl von einem schweren Gegenstand herrührte, der drauf gefallen und dann gestohlen worden war. Alles war ihm vertraut und doch so neu. Tom konnte sich kaum an seinen vergangenen Besuch erinnern. Vielleicht war ihm damals das Adrenalin zu sehr zu Kopf gestiegen. Die Fensterläden erfüllten ihren Zweck und schirmten die Höhle – und es war nicht mehr und nich weniger als das – gut vor der Öffentlichkeit ab. Voldemort vermutete, dass wenige Zauber genügten, sich hier einigermaßen einzurichten. Den oberen oder unteren Bereich des Hauses konnte man für praktischere Zwecke ausweiten. Unten befanden sich in seiner Vorstellung ein Kaminzimmer, eine Bibliothek mit den Werken der schwärzesten Zauberkunst. Warum war er nicht eher in den Schoß seiner Mutter zurück gekehrt? Kapitel 13: Der einsame Freund ------------------------------ Die schwarzen Gestalten, fünf an der Zahl, duckten sich im Schutz der mit Schneewolken behangenen Weihnachtsnacht vor möglichen Blicken, die sie hätten verraten können. Jeder von ihnen war insgeheim verärgert darüber, die Nacht nicht bei seiner Familie verbringen und mit seinem Ehepartner im Bett schlafen zu können. Aber das, was hier vor sich ging, hatte nun einmal höchste Priorität und Ärger konnten sie sich nicht leisten. Also folgten sie brav den Anweisungen, die man ihnen gab. Vielleicht sprang ja letzten Endes ein bisschen Weihnachts- oder Urlaubsgeld für sie dabei heraus. Eine Sonderzahlung war nur eine angemessene Entschädigung für diesen Aufwand. Der Schnee knirschte unter dem Gewicht dem er ausgesetzt wurde, hinterließ deutliche Spuren in Form von Fußabdrücken. Ein Zischen ging durch die Gruppe, dann richtete sich einer langsam auf und spähte über den mannshohen Zaun hinweg zu ihrem Ziel. „Es sieht nicht so aus, als hätte man uns bemerkt." „Ganz ehrlich, Carl – würdest du jemanden um diese beschissene Zeit an einem Feiertag vor deinem Haus vermuten?" „Natürlich nicht!" „Na also!" „Haltet die Klappe!", warf eine dritte, merklich tiefere Stimme ein. „Wir schleichen uns an wie Einbrecher. Das ist falsch. Auf mein Komando stürmen wir die Bude und bringen die Sache schnell hinter uns. Meine Arschbacken frieren gerade einzeln ab und außerdem wartet eine heiße Bettpfanne auf mich!" „Aye, Aye, Sir! Moody, Sir!" „Ach, sei ruhig..." Die Auroren bündelten sich. Jeder von ihnen hielt seine Waffe gezückt, obwohl sie wussten, dass sie sie wahrscheinlich nicht benötigen würden. Keiner rechnete mit ihrer Anwesenheit, noch mit dem Grund ihres Hierseins. Der Überraschungsmoment war auf ihrer Seite und das liebte Alastor Moody so an seinem Beruf. Nicht umsonst hatte er hart trainiert, diesen Schwarzmagiern kräftig eines über die Rübe zu ziehen, wenn es der Fall verlangte. Zwar fehlte es ihm noch ein wenig an Erfahrung, doch machten seine guten Abschlussnoten diesen Makel wieder wett und endlich durfte er Gruppenführer sein. Irgendwann war er Komandant des ersten Sturmtrupps und würde einen Verbrecher nach dem anderen den Weg nach Azkaban weisen. Oh ja... Moody liebte, was er tat. Er erhob seine Hand zu einer einhaltenden Geste, wies dann mit einem Schlenker derselben an, dass sie vorrücken sollten. „Los!" Die Masse setzte sich in Bewegung und lief über den beschneiten Kiesweg zum Eingangsportal des Anwesens hinauf. Der Mond schien rund und hell über ihren Köpfen und versuchte sich vergeblich durch die dichte Wolkendecke zu kämpfen, um ihnen mehr Licht zu spenden. „Wie abgesprochen! Carl! Ben! Ihr bleibt draussen und sorgt dafür, dass keiner diesen Schuppen ohne Sicherungszauber verlässt! James gibt uns Rückendeckung und Charlie, du kommst mit mir!" Das Schloss der Portale entzweite sich, als ein Zauber es traf. Die Türen schlugen mit ihren mächtigen Flügeln auf, verkeilten sich für einen Sekundenbruchteil in der Hauswand. Die Auroren liefen in den Landsitz. Der, den Alastor James gerufen hatte, entzündete einige der Lampen, dass sie besser sehen konnten. Aber Moody brauchte nichts zu sehen. Er roch, warum sie hier waren. Sein Gespür leitete ihn durch schmale Gänge und eine steile Treppe empor. Sein massiger Körper warf sich gegen jede Zimmertüre, hinter der er den Verdächtigen vermutete. Und dann standen sie sich plötzlich gegenüber. Der Ordnungshüter und Abraxas Malfoy. Möglicherweise war der Trupp ein wenig zu laut gewesen, hatte Malfoy immerhin Zeit genug gehabt zu reagieren und sich ebenfalls zu bewaffnen. Alastor erkannte das, runzelte die Stirn, blieb jedoch verhältnismäßig ruhig. „Wir kommen im Namen des Zaubereiministeriums. Abraxas Malfoy – Sie sind fest genommen wegen des Verdachts im Besitz schwarzmagischer Artefakte zu sein. Sowie auf Verdacht an dem Mord an acht unschuldigen Menschen in der Winkelgasse. Der Abtransport nach Azkaban steht bereit. Der Prozess findet in den kommenden Tagen statt. Sie haben das Recht zu schweigen - bis zur Verhandlung werden Sie in einer Zelle verwahrt." Schweigen legte sich über den Flur. Sohn wie Frau drängten sich hinter dem Rücken des Hausherrens erschrocken und verwundert zusammen. Was passierte hier gerade? Abraxas graue Augen suchten eine Antwort in Moodys Worten. Einen Hinweis – hatte er etwas übersehen? Und dann traf es ihn so abrupt, dass sein Herz für einen Schlag aussetzte. Tom? Hatte sein bester Freund ihn verraten? Sollte das seine Strafe sein? Nein... soetwas würde er nicht tun. Und doch – es passte in sein Muster, die Leute los zu werden, die ihm im Weg waren. „Sei kein Narr, Malfoy. Leg den Zauberstab weg und ergib dich. Du hast keine Chance." Der Blonde zögerte, senkte dann sein Haupt, seinen Arm und sah entschuldigend zu seiner Familie zurück. Er bewegte schwach seinen Mund, ohne Silben zu sprechen. Dann warf er sein Holz beiseite und trat, erhobenen Hauptes und mit schwellender Brust auf den Auror zu. Wenn er schon in Schande gehen musste, so würde er es in Würde tun. Kaum, da Alastor seine Bewegung registrierte, bannte er Malfoys Handgelenke mit einem Zauber. Und ohne größeren Widerstand führte er den hoch Gewachsenen ab. Während sich der eine auf sein warmes Bett freute, plagten den anderen Verwirrung über das Geschehene. Träumte oder wachte er? Hatte man ihn verraten? Was war im Gange? Er mochte nicht glauben, dass Riddle ihn eiskalt abservierte und an den schrecklichsten Ort verbannte, den man sich als Magier nur vorstellen konnte. Brax WUSSTE, Tom hasste Azkaban mindestens genauso sehr, wie er. Die Aurorengruppe kümmerten sich um sein Gewahrsam. Dann sorgten sie dafür, dass er dorthin kam, wo er ihrer Meinung nach hin gehörte: Hinter Schloss und Riegel. Zurück blieben eine Frau und ihr Kind. Es hatte zu schneien begonnen. Es war Weihnachten. Kapitel 14: Das Zeichen ----------------------- Um ihn herum war alles undurchschaubar weiß, nahezu milchig. So als sähe man durch eine getönte Scheibe. Die Bewegungen um ihn herum konnte er nur erahnen und Tom fragte sich, wo er war. Eigentlich sollte er ganz woanders sein, das wusste er. Der Schwarzhaarige hatte nur vergessen an welchem Ort. Stimmen brachen über ihm zusammen. Er konnte sie nicht zu ordnen und je weiter er in die Leere hinein wanderte, denn er hatte zu Gehen begonnen, umso unwirklicher war ihm diese Gegenwart. Seine Hände ruhten gelassen in den Hosentaschen seiner Stoffhose, den obersten Knopf seines Hemdkragens hatte Riddle offen gelassen, denn er beengte ihn. Plötzlich blieb er wie vom Donner gerührt stehen, als er bemerkte, dass sich seine Umgebung vor ihm zu fokussieren begann. Ein Kern aus unendlicher Dunkelheit tauchte am imaginären Horizont auf und im nächsten Augenblick stieß eine Säule aus purem Pech daraus herab, dass der Schwarzmagier gezwungen war, sich davon abzuwenden, die Arme schützend vor das Gesicht erhoben. Sein Haar wirbelte wild darunter auf, verlor seine Tolle und seinen Scheitel, verteilte sich fransig auf seinem Kopf. Sobald sich der Nebel lichtete und seinen Augen wieder die Gelegenheit besaßen etwas zu sehen, erblickte er unmittelbar vor sich eine Gestalt, die ihm ungewöhnlich vertraut vor kam. Tom kniff die Augenwinkel zusammen, maß den Fremden, der begonnen hatte auf ihn zu zugehen. Und je näher er kam, umso tiefer sank Riddles Herz bei dem Anblick des Mannes, wurden seine Finger klammer vor Kälte. Er bemerkte nicht, wie sie zu zittern begonnen hatten. Lord Voldemort. Die Fratze wirkte selbstsicher und erhaben. Sie lachte ihn kalt und grausam an und ging schließlich in eine tiefe, spöttische Verbeugung. Tom wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. War das er? War das seine Zukunft, die er sich ausgesucht hatte? Ihm kam es vor, als stecke er in einer Amnesie. Geistesabwesend griff er sich ins Gesicht, tastete seinen Körper ab, um heraus zu finden was Wahrheit war und was gelogen. Doch er spürte keine Veränderung. Dort waren sein volles schwarzes Haar, seine weiche Haut, seine Nase. Unsicher blinzelte er seinem vermeidlichen Spiegelbild entgegen. Selbiges blinzelte zurück und noch ehe er sich versah, breitete es die Arme aus und stürzte sich auf ihn, riss dabei Mund und Augen auf. Tom schrie vor Überwältigung und stolperte, fiel rücklings zu Boden. Er kauerte sich in sich zusammen, konnte seine Angst vor sich selbst nicht mehr vergeben. Er fühlte sich gejagt. Die Kerze auf seinem Schreibtisch erlosch mit einem leisen Zischen und Voldemort hob schockiert, atemlos die vor Müdigkeit trägen Lider. Seine Brust hob und sank mit Raserei und in seinen Ohren pfiff es laut und unnachgiebig, dass er davon Kopfschmerzen bekam. Die Arme orientierungslos über den Schreibtisch gleiten lassend, fielen Bücher und Blätter durch die abrupte Bewegung, seitens desselben, polternd zu Boden. Der Schwarzmagier war über seinen weiteren Studien und Plänen eingeschlafen. Ein widerlicher Geschmack hatte sich in seinem Mund festgesetzt und die Zunge über die aufgesprungenen und rauen Lippen gleiten lassend, schauderte er angewidert. Was war das für ein Traum? War es überhaupt einer gewesen? Ein Blick auf seine ausgemergelten Hände bestätigte: Es war. Es hatte sich nichts verändert. Er hatte sich nur noch einmal selbst vor Augen geführt, was er mit sich angerichtet hatte, um sein Ziel zu erreichen. Und er hatte es immerhin erreicht, oder nicht? Er war nun unsterblich, ein Meister auf dem Gebiet der schwarzen Magie. Keiner beherrschte den Zauberstab so geschickt wie er. Niemand würde sich gegen ihn auflehnen können. Tom lehnte sich in seinem Stuhl zurück, dann unterdrückte er ein Gähnen und erhob sich in einer galanten Bewegung, um seine Räumlichkeiten zu verlassen. Er war mit dem Einrichten seiner neuen Bleibe noch lange nicht fertig. Das Mobiliar, das er sich die letzten zwei Tage aus allen Winkeln seiner Umgebung zusammen gekratzt hatte, stand kreuz und quer in dem kleinen, zweistöckigen Haus und versperrte ihm teilweise sogar die Sicht. Es ärgerte Riddle, dass sein Zauber nicht so gut funktioniert hatte, wie anfänglich angenommen. Wobei er es als genial einstufte, Gegenstände in Raben zu verwandeln, die er wie dressierte Papageien dort hin befehligen konnte, wo er sie haben wollte. Wenn das mit allen Kreaturen dieser Welt so einfach wäre, müsste er sich keine Gedanken über politische Maßnahmen machen. Sich an einem mannshohen Bücherregal vorbei zwängend, trat der hoch Gewachsene mit hängenden Schultern die morsche Treppe hinab ins Erdgeschoß. Mittlerweile drang ein wenig Licht in die Dunkelheit. Tom hatte die vorgeschlagenen Holzbretter entfernt, damit das winterliche Tageslicht zumindest eine Chance bekam, durch die dreckigen und kaputten Fensterscheiben zu leuchten. Er mochte die totale Finsternis nicht. Sie beunruhigte und verängstigte ihn sogar. Denn im Dunkeln lauerten die meisten Gefahren, das hatte er schon im Kindesalter gelernt. Und obgleich er sich auf sie verließ, sein Vertrauen schenkte er ihr mit Sicherheit kein weiteres Mal. Tarnzauber sorgten nun dafür, dass er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte. Niemand, der außerhalb des Hauses der Gaunts stand, vermutete darin so eine Art von Leben – oder eher eine Existenz. Und schon gar keine Magie. Tom versteifte sich auf seine Annahme, dass Muggel gar nicht an Magie glaubten. Wenn man in ihrer Welt Ähnliches von sich behauptete, wurde man sofort in eine Zwangsjacke gesteckt und hinter Schloss und Riegel zu solchen gesperrt, die meinten Elvis Presley oder Gott zu sein. Allein die Vorstellung, mit solchen Menschen in eine Zelle gepfercht zu werden, erzeugte auf seinem kahlen Körper sowas wie eine Gänsehaut. Es war einfach grotesk. Mit ausgreifenden Schritten durchquerte Voldemort die winzigen Räume seiner Bleibe. In einem, der einer Küche gar nicht so unähnlich war, hielt er inne und suchte für einen Sekundenbruchteil fieberhaft nach einer Tasse. Der Schwarzmagier erinnerte sich gut daran, wo er sie platziert hatte. Umso mehr verstimmte es ihn, als er feststellte, dass sie fehlte. Ratlos suchte sein Blick die verschmutzte Küchenablage und den Boden ab. Lediglich das Kreischen einer Eule lenkte seine Aufmerksamkeit aus dem weniger sauberen Fenster und seine Mimik hellte sich, für seine Verhältnisse, abrupt zufrieden auf. Einmal mehr ein ausgeklügelter Schachzug, der sich endlich bestätigte: im Verborgenen bleiben und alles erfahren, was er als wichtig erachtete. Nachdem er am vergangenen Tag das Mobilar besorgt hatte, fing er eine der Posteulen mit einem Verwirrungszauber ab, die er bereits mehrmals über sein Haus hatte fliegen sehen. Den Tagespropheten zu abonnieren wäre unmöglich gewesen. Also beschloss er, dass eine andere Familie künftig für ihn bürgen würde. Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, bis der Schwindel auffiel, das war ihm klar. Aber es gab ja noch andere Postwege… Der dunkelbraune Kauz flatterte mit weit ausgebreiteten Flügeln an das Küchenfenster, landete grazil auf der Fensterbank und piekte mit seinem mit der Zeitung gefüllten Schnabel gegen die Scheibe. Tom war mit einem Mal daran, das Fenster zu öffnen und seiner vermeidliche Post entgegen zu nehmen. Bezahlen tat er das Tier nicht, was es mit einem recht boshaften Blick kommentierte, ehe es sich abwandte und den Rückweg antrat. Die Abonnenten erhielten auf kurz oder lang gewiss eine saftige Rechnung der Redaktion. Aber das spielte für ihn keine Rolle. Abwendend entfaltete der Schwarzmagier den Propheten und wurde sofort von einem Schnappschuss erschlagen, der ihm die Fältchen auf die Stirn trieb. Langsam stieg ihm feuriges Rot in die Augen, das seine Wut ankündigte. Seine Lippen kräuselten sich wild und seine Finger klammerten sich an das Papier, bis es hilfeschreiend darunter raschelte. Riddles Augenmerk stahl sich boshaft leuchtend über den Rand der Zeitung. Dann warf er sie zornig beiseite, stürmte aus der Küche, durch den Eingangsbereich hinaus auf die verschneite Straße. Den Zauberstab zückend, richtete er ihn gen Horizont. Seine Stimme hallte teuflisch an den Wänden wider: „Morsmordre!" Kapitel 15: Der Innere Zirkel ----------------------------- Das Symbol der Schlange wand sich kräuselnd am Horizont durch ihren Totenkopf. Grünes Licht erfüllte den wolkenbehangenen Himmel und veranlasste Muggel, aus ihren Fenstern zu sehen. Tom umklammerte fieberhaft seinen Zauberstab. Seine Hand hatte zu zittern begonnen, er trat Wut entbrannt nach dem Schnee vor seinen Füßen, tat eine kreisende Bewegung. Es dauerte noch einen weiteren, langen Sekundenbruchteil ehe sich eine erste Regung erkenntlich machte. Voldemort hielt in seiner Unruhe inne und fixierte die einzelnen Gestalten, wie sie durch die Gässchen des Dorfes zu einem Bündel wuchsen und auf ihn zu steuerten. Schon auf den ersten Blick bestätigte sich der Zeitungsartikel, den er zuvor noch mit einem ungläubigen Lidaufschlagen überflogen hatte. Einen, voller Aggressivität geladenen, Aufschrei von sich gebend, schlug er mit der geballten Faust gegen das Holz der Eingangstüre, die er sogleich hinter sich ließ, um sein Gefolge Eintritt in seine neue Domäne zu gewähren. Die aufgestellten Fackeln entzündeten sich dadurch selbst und tauchten die beinah runde Halle in ein schmutziges Licht. Irgendwo schlug eine Uhr vier Mal. Es war später Nachmittag. Die meisten Familien taten jetzt ihre Pflicht und genossen die restlichen Feier- und Urlaubstage vor Silvester gemeinsam. Tom ersparte sich deshalb, den Todessern ein „Herzliches Willkommen" zu entgegnen. Erst nachdem er sich sicher war, dass auch der letzte hinter ihm stand und sie ihn alle mit Überraschung, Bewunderung und einem Hauch von Furcht fragend beobachteten, kehrte er sich zu ihnen. Insgesamt waren es noch neun von einstmals 12 und Tom konnte den Zorn, der seine Adern zum Pulsieren und Hervortreten brachte, kaum mehr bändigen. Zu blind war seine Wut, dass er erst einen weiteren Atemzug später registrierte, dass Cygnus nicht alleine gekommen war. Ja, dass er sogar gestützt werden musste. Kaum, da sich ihre kalten Blicke trafen, verlor Black die Kontrolle über seine Knie und sackte kraftlos auf den hölzernen Boden zurück. Bellatrix sog die Luft scharf zwischen ihren Zähnen ein. „Nein, Vater. Halte durch, wir sind da!" „Es tut mir leid, Herr. Ich… es waren einfach zu viel." „Was ist passiert?", fiel Lestrange Tom merklich besorgt ins Wort und eilte als gleich zu beiden, um ihn mit Bellas Hilfe in eine sitzende Position zu manövrieren. Aber der Todesser wehrte sich schwach, wollte vor seinem Lord im Staub kriechen und sich seine Strafe abholen. Er hatte versagt und seine Ehre war verletzt und besudelt. Nur die Vergebung Voldemorts konnte ihm die Erlösung bringen, die er sich ersehnte - so glaubte er. Das Atmen fiel ihm sichtlich schwer. „Wir wurden, kurz bevor mein Vater gerufen wurde, von einer Truppe Auroren aufgehalten. Sie standen plötzlich vor unserer Tür und wollten Haftbefehl gegen Vater erlassen, weil sie schwarze und gefährliche Artefakte bei uns vermuteten. Er hat sich unheimlich gewehrt und mit Alastor Moody duelliert und sich dabei verletzt." Ihr Augenmerk wanderte von der Runde der Anwesenden flehentlich zu Riddle: „Bitte, helft ihm!" Ein Röcheln drang aus Cygnus' Kehle und noch ehe er sich versah, begann er zu husten, übergab sich mit Blut, kauerte sich in den helfenden Händen sterbend zusammen. Bella wurde deutlich blasser, sie klammerte sich an den schwindenden Körper, als würde ihr Halt eine andere Reaktion bewirken. Doch der Schwarzhaarige schüttelte sich epileptisch in ihren Armen, bis der Speichel in einem Rinnsal an seinem Mundwinkel hinab rann. „SO TUT DOCH WAS!", schrie sie den vermummten Gestalten entgegen, von denen keine einzige im Stande war, sich zu rühren. Dann wurde es Voldemort zuviel. Es war aussichtslos, es machte keinen Sinn. Er richtete den Zauberstab auf ihn, zielte auf das gesenkte und vibrierende Haupt. „Avada Kedavra!" Ein greller Lichtblitz surrte durch die staubige Luft und traf sein Ziel. Sofort fiel der Leib vornüber und blieb reglos liegen. Bellas Augen weiteten sich langsam, bis die Äpfel daraus hervor traten. Dann erschütterte sie ein klagender Aufschrei, sie begann zu weinen. Rodolphus war mit einem Satz bei ihr, zog sie beinah behütend an sich. Toms Augenwinkel verengten sich kurz, dann blinzelte er. Doch bevor er zum Wesentlichen kommen und den eigentlichen Grund ihres Beisammenseins aufgreifen konnte, wurde er von der Hysterie der Hexe überrannt. „IHR HABT IHN UMGEBRACHT! DU HAST MEINEN VATER GETÖTET! DU BESTIE!" Sie riss sich aus dem Griff ihres Versprochenen, wollte sich auf Voldemort stürzen und wurde jäh von einem Abwehrzauber seitens einer der Todesser gen Boden gestoßen. Derselbe kam schnell auf sie zu, packte sie bei ihrem schwarzen Haar und verpasste ihr gleichsam eine schallende Ohrfeige. Die Gewalt des Anderen veranlasste Rodolphus, ebenfalls seinen Zauberstab zu zücken und sich einzumischen. Doch Tom unterbrach das Theater mit einem herrischen Befehl, der die Bagage auseinander trieb und das restliche Gefolge zusammen zucken ließ. Der Mann, der Bellatrix zuvor angegriffen hatte, wich vor ihr zurück, ohne seinen Platz im Kreis, der sich mittlerweile in der kleinen Räumlichkeit gebildet hatte, einzunehmen. „Er hat ihm eine Ehre erwiesen, du dummes Ding! Dein Vater ist würdevoll unter der Hand des Dunklen Lords gestorben – wie kannst du es wagen, ihn zu beleidigen?" „Severus, gemach…" „Aber, mein Herr, ich -!" „Ich sagte, beruhige dich! Bellatrix wird früh genug verstehen, was gerade passiert ist. Ich hoffe, du hast es bereits getan." Snape nahm sich die Kapuze von seinem Haupt. Langes, schwarzes und ungepflegtes Haar fiel teilnahmslos auf seine Schultern zurück. Seine hagere Erscheinung glich der einer verhungerten Hyäne. Er zögerte, dann verbeugte er sich und suchte seinen Platz in den Reihen. Rodolphus tat dasselbe, zerrte Bellatrix dabei mit sich, die sich in ihren Tränen aufzugeben schien. Es überraschte Riddle nicht, dass er bei ihrem Anblick keinen Hauch von Mitleid fühlte. Dass es ihn nicht tangierte, was es bedeutete einen geliebten Menschen, ein Elternteil zu verlieren. Er holte tief Luft. „Ich denke, ihr habt den Grund eurer Anwesenheit bereits begriffen. Wenn nicht, lasst es mich kurz erklären: Das Ministerium sucht sich Sündenböcke. Nach dem Fehler, den ich in der Winkelgasse begangen habe und auf den ich alles andere als stolz bin, erteilen sie der Aurorenzentrale freien Zutritt in beinah alle Häuser unserer Gemeinschaft. Sie beschuldigen uns im Besitz sogenannter „gefährlicher" Gegenstände zu sein – dabei fürchten sie nur, dass man ihnen auf die Schliche kommt. Dass wir endlich begreifen, was sie für ein Spiel mit uns treiben." Der Schwarzmagier ließ seinen Zauberstab nebensächlich über seine langen Fingerknöchel wandern, spielte damit, während er vor den Augen aller auf und ab zu stolzieren begann. „Sie gehen sogar soweit, dass sie die Autorisierten nach Azkaban schicken und ihnen den Prozess machen! Und ich sage: Das ist genug! Wir müssen aufhören uns diesen Humbug gefallen zu lassen, bevor noch mehr von uns hinter Schloss und Riegel sitzen und unsere Gemeinschaft mit Schlammblütern überbevölkert wird. Denn offensichtlich, meine Freunde, waren bisweilen nur reinblütige Zaubererfamilien im Visier der Regierung. Wie kommt das?" Die Frage, rhetorischer Natur, verklang unbeantwortet über ihren Häuptern. „Ich sage euch, wie es dazu kommt: Schlammblüter kommen nicht auf die Idee, sich gegen das Ministerium zu stellen. Sie sind zu dumm um zu verstehen, dass sie hier nicht erwünscht sind. Stattdessen feiern sie die Regierung, dass es ihnen vergönnt wird unsere Magie zu beanspruchen! Wir hingegen stellen eine Gefahr dar. Wir können uns wehren, weil wir bessere Zeiten durchlebt haben. Zeiten, in denen eine Mischgemeinschaft ausgeschlossen war." Voldemorts Augen leuchteten Rot, in ihm kribbelte die Erwartung, der Hass. Irgendwie war er geil auf das, was bald auf sie zukommen würde. „Nott!", der Angesprochene erschrak, verbeugte sich tief. „Deine Eltern unterstützten seinerzeit Gellert Grindelwald in seinem Tun, nicht wahr?" „Ja, mein Lord!" „Sie waren wirklich tapfere Zauberer." „Danke, mein Lord!" „Was ist mit ihnen passiert?" „Sie erhielten den Kuss… mein Lord." Stille legte sich auf die Zusammenkunft. Ein Schaudern ließ manche erbeben, keiner wagte es den Dialog zu unterbrechen. Auf Riddles Zügen breitete sich ein triumphierend, grausames Lächeln aus. „Seht ihr? Das Ministerium opfert seine eigenen Landsleute, anstatt sich Gedanken über ihre Führungsweise zu machen." So schnell der Hauch guter Laune kam, beherrschte ihn Raserei. „Jetzt haben sie Malfoy. Und dem nicht genug, beschuldigen sie ihn an einem Mord, den er nicht begangen hat. Vielleicht sollten wir sie eines Besseren belehren." Verhaltenes Lachen hallte in der Eingangshalle wider. Es wurde durch einen schneidenden Befehlston vernichtet: „Wir lassen uns nicht länger wie Tiere züchtigen und uns vorschreiben, Schlammblüter in unserer Gemeinschaft aufzunehmen!" "Severus..!" „Ja, Herr?" „Bring mir Lucius Malfoy." „Ja, Herr…" „Den Rest möchte ich auf zwei Ausgangsbereiche verteilen, die fortan stetig beaufsichtigt und bei Bedarf ausgeschalten werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, meine Freunde, bis wir bestimmen, was gut für uns ist." Kapitel 16: Der Anschlag ------------------------ Es war ein ruhiger Morgen. Der Nebel hing hoch über der Stadt und London wollte noch nicht so recht fassen, dass das neue Jahr gerade begonnen hat. Mühselig kletterten die Menschen aus ihren warmen und weichen Betten, um dem alltäglichen Trott ihrer Arbeit nach zu gehen. Einzig ein Trio von Männern verhielt sich wachsam. Sie standen, dicht an dicht gedrängt, in einer Nische, weit unter dem morgentlichen Chaos. An der U-Bahn-Station warteten bereits die ersten Arbeiter auf ihren Zug. Die Magier wechselten flüchtige Worte und achteten abwechselnd stetig darauf, dass sie sich sicher in der Gesellschaft reiner Nichtmagier wähnten und kein falsches Ohr ihr Gesprochenes mit bekam. „Wenn wir das vermasseln, können wir abschließen. Wenn die uns kriegen, dann wäre Azkaban unser geringstes Problem", hauchte der eine, während er sich die klammen und steifen Finger rieb, ehe er sich die Hände unter die Achseln klämmte. „Stell dich nicht so an. Was soll schon passieren? Es rechnet niemand damit", raunte ein anderer. Er hatte einen deutlichen Akzent und unterschied sich ohnehin äußerlich stark von seinen beiden Begleiter, war größer und in einen weiten Fellmantel gehüllt. Sein braunes Haar bündelte sich in einem losen Zopf in seinem Nacken und ein struppiger, spitzer Bart zierte sein markantes Kinn. Igor Karkaroff, der Bulgare. Er war im Augenblick noch für die Zensierung von magischen Artefakten in der Muggelwelt zuständig und arbeitete von Razgrad aus eng mit seinen britischen Kollegen zusammen. Alsbald konnte er jedoch zum Schulleiter der bulgarischen Zauberschule „Durmstrang" aufsteigen. Er und Tom hatten sich in Moskau kennen gelernt. Karkaroff ließ sich sofort von Riddles Ansichten überzeugen und trat dem Inneren Zirkel bei. Er sah sich als Revoluzer – jemand, der etwas bewegen wollte, wenn er seine Gemeinschaft von der Regierung und Möchtegernmagiern befreite. Eine U-Bahn rauschte an ihnen vorbei, brachte unnötige Kälte mit sich, die sie leicht frösteln ließ. Die Zauberer sahen einander an und nickten sich stumm zu. Die nächste sollte Ihre sein, mit der sie direkt in Richtung Zaubereiministerium fahren würden. So stiegen sie an ihrer Haltestelle, nahe St. James', aus dem Wagon und folgten der gemächlichen Menschenmenge hinauf an das Tageslicht. Der eisige Wind wehte ihnen erbarmungslos ins Gesicht und ließ ihre Augenwinkel tränen. „Und der Dunkle Lord hat wirklich Nobby Leach getötet?", erhob sich eine der Stimmen gegen den Lärm und die Launen des Wetters. „Ja, Mulciber." „Aber warum hat er sich dann nicht selbst zum Zaubereiminister ernannt?" Mulciber war der Jüngste ihrer Truppe und noch grün hinter den Ohren. Er hatte einen formbaren Geist, von der vergangen Geschichte aber keine allzugroße Ahnung. Wahrscheinlich hatte ihm Riddle nur deshalb die Ehre der Todesser erwiesen, weil er sich als loyal heraus gestellt hat. Außerdem konnte er sich gut duellieren, fand Orion Black. Jener seufzte leise, hob dann die Schultern. „In erster Linie geht es ihm um Hogwarts. Und da sitzt momentan noch Dumbledore. Und der ist der einzige, den er wirklich fürchtet. Das Ministerium fürchtet den Dunklen Lord allerdings mindestens genauso sehr. Deshalb sind wir ja heute hier." „Achso." „Er hat sich die letzten zehn Jahre sowieso sehr zurück gehalten, finde ich"; fuhr Orion fort und warf einen nachdenklichen Blick zu Igor, der ihr Gespräch mit einem Hauch von Neugierde verfolgte. „Immer wieder einmal ein paar Kleinigkeiten. Hier ein Mord, da ein Totschlag oder anderer Schabernack. Typisch T.. - Typisch er eben. Hat es getan, um sein Gesicht zu wahren und dem Gamont zu zeigen, dass er es ernst meint mit seinen Idealvorstellungen. Es heißt, er wolle erst soviel Kreaturen und Magier wie möglich auf seiner Seite wissen, bevor er seinen Coup startet." „Welchen Coup?" „Na, Hogwarts in seine Gewalt bringen und Dumbledore dem Erdboden gleich machen. Jetzt, wo er unsterblich ist, dürfte ihm das keine Schwierigkeiten mehr bereiten." „Dort vorne ist der Eingang" Der Bulgare nickte zu einer kaputten Telefonzelle. Sie gingen aber nicht etwa darauf zu, sondern erst einmal in einem kleinen Hinterhof, ihr gegenüber, in Deckung. „Gut.", begann Karkaroff und beobachtete die Telefonanlage. „Jetzt heißt es auf unseren Ernest warten." Sein graues Augenmerk legte sich auf Mulciber: „Du weißt, was du zu tun hast. Pass auf, dass dich niemand sieht." Der junge Todesser nickte und zückte seinen Zauberstab. Er hatte den Wächter des Ministeriums schon einige Zeit unter Augenschein genommen und somit heraus gefunden, wann er in der Regel kam und ging. Und seine Annahme bestätigte sich schon eine halbe Stunde später. Die Muskeln des jungen Magiers spannten sich und die anderen beiden Männer spähten über seine Schulter zu dem Zelleneingang hinweg. „Ernest benutzt immer den Gästezugang, weil das der kürzeste Weg zu seinem Arbeitsplatz ist." „Gut gemacht, Kleiner. Jetzt leg ihn um." Mulciber schenkte Igor ein boshaftes Grinsen, erhob sich dann aus seiner Hocke, in die er vor einiger Zeit geglitten war und überquerte schnellen Schrittes die Strasse. „Guten Morgen, Ernest!" Der Kerl mittleren Alters wandte sich sichtlich überrascht dem Burschen zu. Er blinzelte, kehrte dem Telefonzelleneingang den Rücken. „Guten Morgen. Ahm... ja bitte?" Der Todesser zögerte keinen weiteren Sekundenbruchteil und drückte die Spitze des gezückten Zauberstabes gegen den Bauch des Mitarbeiters, kaum da er nahe genug an ihn heran getreten war: „Imperio!" Der Glanz verschwand aus Ernests Augen und machte Platz für gähnende, dumme Leere. Er zwinkerte zweimal abwesend, dann neigte sich sein Kopf haltlos schief. „Hör mir gut zu Ernset. Du wirst meine Freunde da" - Mulciber wies auf Igor und Orion - „und mich ohne große Umstände in das Ministerium lassen. Du wirst uns durchsuchen, aber nichts finden. Hast du mich verstanden?" Er nickte. „Gut Ernest. Jetzt geh!" Der Aufseher taumelte, ging dann seinem eigentlichen Tun nach und betrat die Telefonzelle, um mit selbiger zu seinem Wachtposten zu gelangen. Mulcibers Teil war damit erfüllt und er spürte einen Anflug von Stolz, der seine Brust schwellen ließ. Jetzt lag es an Igor und Orion, ob sie den Ihren in den Sand setzten. So zog er sich zurück zu seinen Kumpanen, geduldig auf den fortgeschrittenen Vormittag wartend. Es war erst acht Uhr. Sie hatten also noch viel, viel Zeit... ... Orion steckte sich die sechste Zigarette an, als Big Ben 11 Uhr schlug und sie alle aus ihrer Trance riss. Karkaroff raffte sich aus seiner sitzenden Position auf, rückte seinen fellbesetzten Wintermantel zurecht und räkelte sich kaum merklich. „Es ist soweit. Habt ihr eure Amunis?" Jeder von ihnen griff in die Innenseite seines Umhanges und zog ein unscheinbares Objekt daraus hervor, das im ersten Moment ein simples Ei zu sein schien. In der Mitte des Körpers erkannte man jedoch einen schmalen Streifen der erahnen ließ, dass es sich auf zwei Hälften, die aufeinander gesteckt worden waren, reduzierte. Ein Drehmechanismus beherrschte es und aktivierte bei der Betätigung einen Sprengzauber, der mindestens die Ausmaße einer Handgranate aufbrachte. „Gut. Aktiviert sie. Dann bleiben uns genau 30 Minuten." Ein einstimmiges Knacken ertönte, dann ein kurzes Ticken. „Los jetzt." Die Todesser liefen über die Strasse zu dem Ministeriumseingang. Orion trat voraus, nahm den Höhrer von seiner Station und hielt ihn an seine Ohrmuschel: „Hallo, mein Name ist Orion Black." Eine freundliche Frauenstimme antwortete sofort: „Herzlich Willkommen im Zaubereiministerium, was kann ich für Sie tun?" „Ich habe einen Termin im fünften Stock mit James Andrews. Abteilung für Internationale Zusammenarbeit. Genau wie mein Partner aus Bulgarien, Igor Karkaroff." Stille folgte und Orion wusste, die Hexe kontrollierte den Terminkalender. Aber ihr Plan war wasserdicht, sie würde keinen Verdacht schöpfen. „Bitte geben Sie ihr Passwort ein. Einen angenehmen Aufenthalt." „Danke." Black betätigte die Gabel. Fahrig glitten seine Finger über die Lettern 6 – 2 – 4 – 4 und die 3. Die Männer drängten sich in der Zelle zusammen, als sich dieselbe in Bewegung setzte. Das Gefährt ruckelte gen Ende, dann öffnete sich die Türe der Telefonzelle und vor ihnen erstreckte sich abrupt das ausgreifende und einladend hässliche Atrium des Ministeriums. Die Atmosphäre war bürokratisch und stickig. Die Todesser quetschten sich ungeschickt aus der Kabine und hielten Kurs auf den verhexten Ernest, der teilnahmslos seine Besucher nach Waffen oder anderen verbotenen Utensilien durchforstete. Die Truppe reihte sich ein, ließ die Prozedur über sich ergehen und passierte in einem normalen Tempo den Kontrolleursbereich, ohne aufgehalten zu werden. Niemand wusste, was gleich geschehen würde. Nachdem sie sich unter die Menschen gemischt hatten, die geschäftig von einem Aufzug zum nächsten und von einer Seite zu anderen hetzten, teilten sie sich auf, um ihre Granaten auf den abgesprochenen Punkten zu platzieren. Ruhig und beinahe gelassen schritt Karkaroff an den goldenden Brunnen heran, besah ihn gespielt interessiert, steckte die Hände in die Manteltasche, umschloß das Ei mit seiner Faust, tastete mit seinem Blick die Halle noch einmal ab und ließ es in das knietiefe, dunkle Brunnenwasser fallen. Dann begab er sich zu einem der Zeitungsjungen, kaufte ihm den Tagespropheten ab, verschmolz mit der Masse und steuerte den Ausgang an. Ebenso wie Orion, der mit einem der Aufzüge ein Stück mitgefahren und seine Bombe in der Tasche einer Frau hatte verschwinden lassen. Mulciber hingegen stieß die Seine ungeachtet mit dem Fuß in den hinteren Teil der Empfangshalle. Keiner von ihnen hatte tatsächlich die Zeit gestoppt, umso nervöser wurden sie durch das langsame hinauffahren der Telefonzelle. Sie sparten sich Worte. Sie waren nicht nötig, denn kaum, da sie zurück ins Freie traten, gab es einen markerschütternden Knall unter ihren Füßen, dass der ganze Boden erbebte, sich auftat und einen Teil der Oberfläche in endlose Leere zog. Orion zückte seinen Zauberstab und richtete ihn gen Himmel: "Morsmordre!" rief er dem Chaos entgegen und markierte die Stelle mit dem Dunklen Mal, ihrem Zeichen der Zerstörung. Die Todesser hatten jetzt zu Laufen begonnen und disapparierten an der Strassenecke. Das „Plopp" wurde verschlungen von entsetzten Schreien, Getöse und in sich einstürzenden Gebäude. Der Terror nahm eine neue, zerstörerische Form an. Lord Voldemort würde sie dafür belohnen. Kapitel 17: Schwarze Rosen I ---------------------------- Sie wollte einfach nicht aufhören zu weinen. Tom beobachtete sie von seinem Sitzplatz aus, wie sie in sich zusammen gekauert auf seinem Bett lag und die Tränen haltlos nach und nach aus ihren geschlossenen Augenwinkel traten. Er versuchte ihre Gefühlslage zu verstehen. scheiterte aber kläglich daran. Es war ihm nicht vergönnt, Verlustschmerzen zu spüren. Genauso wenig wie es ihm vergönnt war, Mitleid zu empfinden. Eigentlich widerstrebte es ihm, ihr eine Pause zu gönnen. War der Tod ihres Vaters doch die Gelegenheit, sie von seinen Ansichten zu überzeugen. Sie ließ ihm allerdings keine andere Wahl und so tat er sich geduldig daran zu warten, bis sie wieder aufwachen würde. Riddles Gedanken schweiften ab und er erinnerte sich an die vergangenen Wochen in denen er Bellatrix kennen lernte. An das erste Mal, als er sie sah und an die wenigen Stunden, in denen er ihr ein paar seiner Tricks zeigen und lehren konnte. Für Tom war es anstrengend sie zu beachten, mit ihr zu sprechen und sie ernst zu nehmen. Das begründete sich daraus, weil in den letzten 50 Jahren niemand für ihn wichtiger gewesen ist, als er selbst. Riddle war nicht im Stande zu behaupten, dass das Mädchen eine tatsächliche Wichtigkeit für ihn besaß. Noch, dass er ihre Gegenwart wirklich wertschätzte, oder einfach nur körperliche Lust nach ihr verspürte, sie haben und besitzen wollte wie einen Gegenstand. Ob sie wollte oder nicht, sie betörte ihn auf unverschämte Art und Weise und irgendwann würde er sich nehmen, wonach seine Gier verlangte. Schließlich bekam er immer das, was er wollte. Toms Zeigefinger strich abwesend über seine rauen Lippen, während er den Kopf in der Handfläche gestützt hielt und sie weiterhin unverhohlen aus tiefbraunen Augen anstierte. Erst ein schwaches Klopfen an der Tür ließ ihn träge aus seiner Trance erwachen und aufsehen. Er erhob sich aus seiner Sitzposition, trat darauf zu, öffnete sie und war keineswegs erstaunt, Snape unter dem Türrahmen vor zu finden. „Hast du ihn gefunden?", fragte Riddle deshalb relativ direkt. Severus deutete eine Verbeugung an: „Ja, Herr. Er wartet unten im Eingangsbereich." „Bring ihn ins Kaminzimmer. Ich werde sofort zu euch stoßen." „Wie ihr wünscht." Abwendend, schritt der hoch Gewachsene auf das Bett zu, auf dem sein ungebetener Gast allmählich ins Wachen zurückkehrte. Bella blinzelte müde, fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und fröstelte leicht, erschrak, als sie Voldemort auf sich zukommen sah. „Es ist soweit, Lucius ist hier. Jetzt werden wir den Tod deines Vaters rächen", entgegnete er ihrem Schock trocken. Die Hexe zog sich ihren Umhang, mit dem sie geschlafen hatte, enger um die beinah nackten Schultern. Sie schenkte ihm einen argwöhnischen Blick, glitt dann langsam von der Bettkante und richtete sich auf, dass sie sich unweigerlich unmittelbar gegenüber standen. Tom musste nicht einmal in ihren Gedanken lesen, um zu begreifen was sie dachte. Er seufzte dramatisierend: „Er war schwer verletzt. Er hat sich bis auf den Tod duelliert, ich habe ihn nur von seinen Leiden erlöst. Oder glaubst du, ich wäre so grausam, einen meiner Freunde zu töten?" „Ich ... weiß nicht mehr, was ich glauben soll." „Vetrau mir..." Bellatrix erwiderte seinen Lidaufschlag, suchte in dem chaotischen Braun nach der Wahrheit, einer Lösung. Letztlich kehrte sie ihm ihr Profil zu. „Warum tut ihr das?" „Was..?" „Warum seid ihr so besorgt um mich?" Besorgnis traf es nicht unbedingt, meinte Voldemort im Stillen. Eher war es sein Wille, der ihn einigermaßen freundlich und fürsorglich werden ließ. Anders würde er bei ihr keinen Erfolg haben. In seinem Hinterkopf arbeitete es, ehe sich sein lippenloser Mund zu einer saichten Schnute verzog. „Du bist eine einzigartige Hexe – oder nicht?" Manchmal half es, seinem Opfer ein wenig Honig ums Maul zu schmieren. Sie runzelte misstrauisch die Stirn, bis sich abrupt ein trauriges Lächeln auf ihren Zügen ausbreitete. Ungehindert seines Erscheinungsbildes und was sie in der Vergangenheit miteinander verband, überwandt sie sich ihren Körper gegen den seinen zu drücken, ihn zu umarmen. „Danke, Tom." Derselbe stockte und versteifte sich. Soviel Berührung hatte er nicht erwartet, umso länger benötigte er mit einer angemessenen Gegenreaktion. Riddle drückte sie mit sanfter Gewalt von sich. „Lass das. Man rechnet im Salon mit unserer Anwesenheit -" „Darf ich bei dir bleiben?", hakte sie schnell nach, sich an seinen Unterarm klammernd. Da war sie wieder: Diese Vertrautheit, wie sie mit ihm sprach, ihre Achtung und ihren Respekt vor ihm verlor. Er maß sie teilnahmslos, kühl. Dann schüttelte er entschieden den Kopf. „Nein, Bellatrix, das halte ich für keine gute Idee." „Oh Bitte! Es wäre doch nur vorüber gehend. Ich... möchte jetzt nicht nach Hause zu meiner Familie und auch nicht zu Rodolphus. Dort denke ich immerzu an Vater. Bitte, Tom... ich möchte bei dir bleiben." Ein dicker Klos machte Riddle das schlucken schwer. So atmete er tief ein, befreite sich aus ihrem Griff und wich vor ihr zurück. „Darüber unterhalten wir uns später. Komm jetzt". Enttäuscht über seine abweisende Art, folgte Bellatrix ihm in geringem Abstand durch das obere Stockwerk, hinab in die Eingangshalle. Die Salontüren waren ausgebreitet wie willkommen heißende Arme. Der Plunder, der unkoordiniert herum stand und die finstere Atmosphäre dämmten diesen Eindruck jedoch ziemlich schnell. Voldemort bemerkte, dass außer Severus und Lucius noch andere Todesser auf ihn zu warten schienen. Sie erhoben sich aus ihren Positionen und verneigten sich ehrerbietend, kaum, da er das Zimmer betrat. Noch bevor jemand etwas sagen konnte, meldete sich Orion zu Wort: „Euer Plan verlief reibungslos, Herr. Das Ministerium wurde gesprengt. Morgen solltet ihr die Bilder im Tagespropheten vorfinden." Toms Mimik, die von Bellatrix' Gefühlsduselei immer noch etwas irritiert wirkte, hellte sich mit einem Mal auf. „Ausgezeichnet, Black. Schon eine Annahme wie groß der Schaden ist?" „Zu groß, um ihn mit einfachen Zaubern wieder wett zumachen, mein Lord. Sagen wir, die Explosion war stockwerkeübergreifend." Er grinste, verbeugte sich ein weiteres Mal. „In der Tat? Nun, dann sollten wir unsere nächste Überraschung nicht lange aufschieben." „Mein Lord?" „Azkaban", erklärte der Schwarzmagier schlicht und ließ seinen rethorischen Vorschlag einen Moment über ihren Köpfen schweben. Karkaroff nutzte denselben, sich einzumischen. „Seid ihr sicher?" „Wieso nicht?" „Was ist mit den Dementoren?" „Dementoren sind mein geringstes Problem, Igor. Aber, um uns gegen Dumbledore stellen zu können, brauchen wir Verstärkung. Und die erhalten wir nur durch die Gefangenen aus Azkaban. Einige der dort Insässigen schulden mir, nebenbei bemerkt, noch einen kleinen Gefallen." „Und wie stellt ihr euch das vor?", fragte Orion Black. Endlich kamen sie auf den Punkt. Voldemort lenkte seinen Blick auf Malfoy und Snape, die sich mit einem Mal angesprochen fühlten. Die Augen der Todesser folgten seiner Regung, ein unangenehmes Schweigen machte sich breit. „Abraxas sitzt in Azkaban und sein Sohn wird ihn befreien. Severus und Bellatrix werden ihm den Rücken decken." „Kinder, Herr?" „Todesser, Igor." Karkaroff maß Tom, als hätte er gerade seinen Verstand verloren, er wirkte schockiert. „Das ist nicht euer Ernst." „Natürlich ist es das. Oder zweifelst du an meiner Intelligenz?" Tiefgründiges Rot mischte sich in sein schwarzes Augenmerk. Igor erstarrte, verneinte prombt und neigte entschuldigend das Haupt. „Wir werden vor den Toren warten. Ich werde die Dementoren kontrollieren und ihr mir die Auroren aus dem Weg schaffen. Je mehr, desto besser. Aber zuerst... sollten wir Malfoy und Bellatrix in unseren Reihen begrüßen." Kapitel 18: Schwarze Rosen II ----------------------------- Er wollte mit ihnen allein sein. Das Gaffen der anderen erinnerte Tom immer an ein seltsames Bild von neugierigen Menschen, die ihr Opfer umzingelten und hibbelig wie hungrige Hunde auf ihren Anteil warteten. Außerdem war die Prozedur, die man gegebenenfalls auch als Zeremonie betiteln konnte, nichts außergewöhnlich Neues für sie. Denn jeder der Todesser hatte bereits das Vergüngen, den Zauber, der sprichwörtlich unter die Haut ging, zu spüren. So standen Malfoy und Bellatrix ein wenig unsicher vor seiner aufbäumenden Gestalt, die sie eindringlich zu mustern begonnen hatte. Riddle war sich ziemlich sicher, dass diese beiden jungen Magier die Fähigkeiten besaßen, die er benötigte um seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen. Sie mussten nur ans Tagelicht geholt und gefördert werden. Aber dazu waren sie schließlich hier. „Streckt euren linken Arm aus“, befahl er ruhig und beobachtete jede Regung der jungen Erwachsenen. Ihre blassen Gesichter, die aufkeimende Angst. Langsam überbrückte Voldemort den Abstand zu Lucius, der sich sichtlich beherrschte, nicht vor seinem vermeidlichen Herren zurück zu weichen und ergriff dessen Unterarm. Mit einem saichten Schlenker seines Zauberstabes rollte sich der Stoff seines Hemdes bis zu seinem Ellenbogen empor, gab die blanke Haut darunter frei. Gemächlich führte Tom die Spitze seiner Waffe an die Unterseite des Handgelenkes seines Gegenübers, ehe abrupt helle Funken daraus stoben. Und noch ehe sich der Blonde versah, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, der ihn vor Überraschung aufgellen ließ. Er war daran, aus einer Reaktion heraus Voldemort den Arm zu entreißen. Der Schwarzmagier verfestigte seinen Griff jedoch und gab Malfoy nicht einmal den Hauch einer Chance, zu fliehen. Bellatrix' Augen weiteten sich. Sie wusste nicht, ob sie eingreifen sollte. Noch, ob das was dort passierte richtig oder falsch war. Die kalten und harten Züge Riddles verloren ein wenig ihrer Starrheit und ließen neuerlicher Faszination platz, unter dem was vor ihm geschah: Der Zauber bahnte sich seinen Weg über die Haut, zog deutliche Konturen eines Bildes, ähnlich einer Tätowierung. Die Schlange wandt sich wild auf dem Arm, dem Gelenk, so als war sie daran auszubrechen. Wahrscheinlich war es auch das, was Lucius' derart Schmerzen bereitete. Tom konnte es nicht sagen, denn er hatte kein Dunkles Mals als Solches, sondern vielmehr einen fehl geschlagenen Versuch desselben, der nicht unbedingt nach seinen Vorstellungen funktionierte und eher wie ein Bündel aus Narben aussah. Malfoys Augenwinkel sonderten Tränen ab und der Blonde wankte unter seinem Wimmern, das aus seiner Kehle drang. Er klang wie ein Ertrinkender, fand Bella. Doch so schnell Tom mit dem Prozedere angefangen hatte, so schnell war er damit fertig. „Jetzt bist du ein Teil von mir. Mein Schüler, meine Waffe, mein Sklave. Du gehörst mir. Ich bin dein Herr. Ich bin Lord Voldemort. Mit dem Dunklen Mal hast du dich mir verschrieben. Wir werden diese Welt gemeinsam von unreinem Blut befreien und Grausamkeit mit Grausamkeit vergelten.“ Der Schwarzmagier setzte ein schmallippiges Lächeln auf. „Willkommen im Inneren Zirkel, Lucius Malfoy.“ Der Angesprochene war tatsächlich auf die Knie gefallen, hielt seinen Arm mit der anderen Hand umschlossen und besah sich aus geweitetem Augenmerk die leicht blutende, markierte Stelle die seinen neuen Status darstellen sollte. Er war nun also ein Todesser. Einer derer, die ihre Prinzipien ohne Widerworte umsetzten. Und diese Bestie war sein Meister. Er konnte nicht verhehlen, dass er Voldemort keinen Respekt zollte. Ganz im Gegenteil. Er war an dessen Tun sehr interessiert, hatte seinen Vater oft deswegen in den Ohren gelegen. Aber aus einem unerfindlichen Grund war Abraxas nicht davon begeistert gewesen, als Lucius den Wunsch äußerte, ebenfalls ein Kämpfer der „Revolution“ zu werden. Jetzt hatte er was er wollte. Aber war es das? Brauchte er Voldemorts Hilfe, um seinen Vater aus Azkaban zu befreien? Mit einem seitlichen Blick auf Black beantwortete er sich seine Frage selbst: Ja. Denn sie waren hilflos dem Gegenüber was sie bedrohte und daran war, ihnen die Freiheit zu rauben. So sah Lucius die derzeitige Situation in seiner Gemeinschaft jedenfalls: Die Zaubererwelt entwickelte sich zu einem Polizeistaat. Die Aurorenzentrale hatte die Übermacht, seit sich kein Minister mehr fand, der ordentliche Arbeit leistete. Ja. Sie waren hilflos. Und der Dunkle Lord war der einzige, der sie unterstützen konnte. Seine Kräfte sammelnd, ignorierte Malfoy das Ziehen auf seiner Haut, rappelte sich auf die Beine und harrte aus, bis Riddle sie entlassen würde. Zu seiner Irriation ließ Bella keinen Ton verlauten, während der Schwarzmagier sich an ihr zu schaffen machte. Und die Hexe abermals betrachtend, sah er in ihrem Blick eine Entschlossenheit, die ihn frösteln ließ. Aus irgendeinem Grund hielt es Tom für nötig, denselben zu erwidern. Was auch immer diese beiden unterschiedlichen Charaktere verband. Es musste etwas Besonderes sein. Etwas Geheimes. Nichts, was mit großen Gefühlen zu tun hatte. Vielmehr soetwas wie eine Übereinstimmung ihrer Gedanken. Etwas Höheres, was Lucius nicht verstand. Doch noch ehe ihm eine passende Definition einfiel, war der Zauber vorbei und Bellatrix war wie er als Anhänger Lord Voldemorts gekennzeichnet. „Jetzt bist du mein“, hauchte Riddle ihr in einem teilnahmslosen Flüsterton entgegen und erntete eine zögernde, zittrige Verbeugung. Er ließ von ihr ab, machte sich daran die Räumlichkeiten zu verlassen. „Ihr seid ein Teil der nächsten Generation. Eure Chance erhaltet ihr bald.“ Damit glitt die schwere Holztüre in ihr Schloss und überließ sie sich selbst. Kapitel 19: Konsequenzen ------------------------ Es war ein heller, hysterisch gellender Schrei der die alten Träger des Hauses zum Erbeben brachte. Er hielt lange an, bis die Lungen des Schreienden vor ausgepresster Kraft schmerzten. Das Klagen verklang ungehört und in tiefster Stille, wie das eines wandelnden Toten, eines Geistes. Riddle lehnte benommen, auf die Knie gesunken, an der finsteren Wand des Ganges, die ihn von seinen Räumlichkeiten trennte. Ihm war schwindelig, ja beinahe derart schlecht, dass er das Bedürfnis verspürte sich zu übergeben. Die Arme deshalb um sich selbst geschlungen, kauerte er zitternd und schwitzend auf dem Boden. Dieser Anflug von Schwäche, der einem Anfall gar nicht so unähnlich war, hatte ihn so plötzlich übermannt, dass seine Gedanken verschwommen und unklar waren. Tom musste husten und die Beine dichter an seinen Leib ziehend, fröstelte es ihn stark. Unter seinen Speichel mischte sich Blut, der einen eisernen Geschmack in seiner Mundhöhle hinterließ. Was war das für eine innere Gewalt, die ihn so hilflos werden ließ? Was streckte ihn nieder? Was war daran ihn zu quälen?! Riddle verstand seinen Zustand nicht. Und noch bevor er im Stande war Vermutungen anzustellen, verließ ihn seine tatsächliche Wahrnehmungskraft. Das grelle Lachen kam schnell die Treppen empor und immer näher. Zuerst nahm er nur ihre Konturen wahr, denn er musste blinzeln um sie in der Dunkelheit richtig zu erkennen. Aber sein erster Blick täuschte ihn nicht. Es waren Kinder, Kinder die er kannte. Und die er schon seit über 30 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Von denen er glaubte, sie seien längst tot. Doch bauten sie sich lebendig vor ihm auf, in einem Halbkreis. So dass jedes derselben ihn gut sehen und kichernd mit dem Finger auf ihn zeigen konnte. Ihre Worte drangen nur weit entfernt an sein Ohr. Sie hörten sich höhnisch und herablassend an. Fast so, als machten sie sich über ihn und seine Situation lustig. Wie Kinder in diesem Alter es eben gerne taten. Voldemort schüttelte den Kopf, reckte die gespreitzte Hand nach den Hirngespinsten, um sie zu packen. Aber griff lediglich durch sie hindurch, waren sie schließlich nicht real. „Lasst mich in Ruhe“, entrang sich der hoch Gewachsene gequält, abermals hustend. Sein Haupt verlor die Kraft und sein Kinn sackte auf seine Brust zurück. Er spuckte unweigerlich Blut. Als er wieder einiger maßen zu sich kam und das Augenmerk auf die Stelle richtete, wo zuvor noch das Gelächter seiner Phantasien herrschte, starrte ihn ein großes rundes Augenpaar besorgt entgegen. Nagini züngelte nervös und wagte es, Voldemort mit der mit Schuppen besetzten Schnauze an zu stupsen. Er ließ es geschehen, weil er nicht die Kraft besaß sie von sich zu stoßen. Die Schlange maß ihren Herren. Es war nicht das erste und würde auch nicht das letzte Mal sein, dass er von seinem eigenen Körper so gepeinigt wurde. Sie hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl dabei gehabt, wenn er experimentierte und begann sich zu verstümmeln. Was mochte ihn antreiben? Was war es, das ihn soweit hatte gehen lassen? Dabei war er einmal so hübsch gewesen. Richtig attraktiv – und wenn sie soetwas als Tier erkannte, wie mochten dann nur die Menschen, vor allem die Frauen, auf ihn reagiert haben? Wieso hat er das alles aufgegeben für ... - das? Dieses Leid und diesen Wahnsinn? Nagini besaß nicht die notwendige Körperkraft, ihrem Freund auf zu helfen. Also begnügte sie sich damit, Toms Kopf mit ihrem stämmigen Leib ein wenig zu stützten und ihm ihre Gesellschaft anzubieten. „Meine Mutter ist hier“ Es war nur die Annahme eines Flüsterns und doch ließ es das Reptil aufhorchen. Sie hatte ihn noch nie über seine Erzeuger sprechen hören. Meinte er das Muttertier, das ihn gelegt hatte? Ein Stirnrunzeln war ihr unmöglich, hätte Naginis Verwirrung aber deutlich zum Ausdruck gebracht. „Ich kann sie sehen. Sie steht dort. Dort an der Treppe.“ Tom pausierte, dann fuhr er im gleichen SingSang fort „Diese feige und schwache Schlampe. Keine Kraft, sich um mich zu kümmern. Und jetzt steht sie einfach da und tut nichts. Warum tut sie nichts?!“ Der letzte Teil seines Gesprochenen war an das Schuppentier gerichtet. Er hatte es erboßt angeschrien, dass es zusammen zuckte. Tom war mit den Nerven am Ende. Er vergrub sein Gesicht in dem weichen Schuppenkleid Naginis und kniff die Augen zusammen. Tränen zwangen sich vereinzelt aus seinen Augenwinkeln. Seine Vergangenheit hatte ihn eingeholt – einmal mehr. Die Vorstellung, allein und einsam irgendwo zu verrecken. Ohne je den Hauch von wahrem Gefühl und Wichtigkeit gespürt zu haben. Er hatte Angst. Riddle fürchtete sich vor dem Tod, auch wenn er wusste, dass er nicht sterben konnte. ++++++++++ Das Kapitel ist das Kürzeste, das ich je für diese FF verfasst habe. Das hat zwei Gründe: 1)Man sollte mit DRAMA nicht unnötig übertreiben. 2)Es handelt sich hier nur um ein Zwischenkapitel, das noch einmal verdeutlichen soll, wie schlecht es Tom in seiner Situation geht. Trotzdem danke fürs Lesen (: Kapitel 20: Der Gefallen ------------------------ „Mein Herr?“ Severus war unter dem Türrahmen des Kaminzimmers erschienen. Für einen Sekundenbruchteil glaubte er, er hätte sich die Anwesenheit Voldemorts nur eingebildet. Drang außer dem Knistern des Feuers kein Laut aus dem Raum an sein Ohr. Doch auf den zweiten Blick wusste der Schwarzhaarige, dass dem nicht so war . Riddle saß eingesunken in dem vor dem Kamin bereit gestellten mannshohen Ohrensessel, war gänzlich darin versunken, als hätte er vor sich vor der Außenwelt zu verstecken. Tom regte sich nicht sofort, weshalb Snape vermutete, dass er vielleicht schliefe oder tieferen Gedankengängen nach hing. Doch kaum da er näher heran getreten war, funkelte das rote Augenpaar seines Meisters aufmerksam in seine Richtung. Zugegeben hatte es in diesem Halbdunkel einen Hauch von Wahnsinn. Severus blinzelte ungewollt. „Ihr habt mich gerufen, Herr?“ versuchte der junge Magier sein Hiersein zu erklären und erntete prombt ein saichtes Nicken. Langsam breitete sich ein dumpfes Gefühl in Snapes Magengegend aus. Er war es gewohnt, dass Voldemort regelrecht euphorisch mit Floskeln und Flausen um sich warf, wenn er einen zu sich befehligte. Dass man erkannte, dass er stets daran war zu arbeiten, Veränderungen zu schaffen. Seinen genialen Geist weiterbildete. Aber jetzt saß er einfach nur da. Beinahe reglos. „Wie kann ich euch dienen, Sir?“ Severus war es unangenehm, keine richtige Reaktion zu erhalten. Tom machte auf ihn einen müden und abwesenden Eindruck. Ob er später noch einmal wieder kommen sollte? Nein. Der Dunkle Lord hatte ihn her beordert, also musste er ihm Folge leisten. Doch der Schwarzhaarige konnte nicht abstreiten, dass etwas nicht stimmte. Gemächlich holte der Angesprochene ausgreifend Luft, rappelte sich in seinem Sitz in eine etwas bequemere Position. Dann wanderten Toms schmale Finger in die Innenseite seines übergeworfenen Umhangs, um ein gefaltetes Stück Pergament daraus hervor zu ziehen. Weiterhin wortkarg, hielt er es seinem Schüler entgegen. Severus zögerte erst, tat dann einen Schritt auf den Sessel zu und nahm den Zettel an sich, den er sogleich entfaltete und überflog. Die Stirn kräuselnd, war er kurz verwirrt. „Herr, das sind -“ „... Zutaten, ja. Ich möchte, dass du sie für mich besorgst.“ „Trollgras, Drachenfaser... Einhornblut?“ verlas Snape laut, ehe er sich nicht mehr zu zügeln im Stande fühlte. „Wollt ihr etwa einen Trank brauen, Herr?“ „Man könnte meinen, dass das meine Absicht ist. Aber dafür brauche ich deine Hilfe. Und ich glaube kaum, dass Professor Slughorn dir den Gefallen ausschlagen könnte, dich an Hogwarts' Privatzutaten-Schrank zu bedienen.“ Neuerliche Stille erreichte ihre Unterhaltung. Plötzlich stieß der Schwarzhaarige einen seltsam überraschten, ja schockierten Laut aus. Je länger er sich diese Zutatenliste betrachtete, umso mehr formten sich Tränke – und ihre Wirkungsweisen. Zumal einige der Beigaben alles andere als empfehlenswert waren. „Gestattet mir die Frage, wollt ihr daraus ein Schmerzmittel machen?“ Tom schenkte ihm einen langen Lidaufschlag. Sein lippenloser Mund kräuselte sich schwach. „Soetwas in der Art. Und außerdem ein Elixier. Darum ist es von Nöten, dass du mir das Einhornblut verschaffst.“ „Seid ihr krank?“ Severus war nicht sonderlich begabt darin, seine Zunge im Zaum zu halten. Noch seine Besorgnis vor seinem Vorbild zu verbergen. Er war sich mittlerweile sicher, dass der Schwarzmagier ein gesundheitliches Leiden entwickelte. Oder schon entwickelt hatte. „Es geht mir gut“, wollte Tom ausweichen. „Es handelt sich lediglich um eine Nebenwirkung, das ist alles.“ Snape spürte, dass sein Gegenüber ein Husten herab würgte, er schauderte. Ob diese „Nebenwirkung“ etwas mit seiner Neigung zu Experimenten zu tun hatte? Seine äußerliche Mutation war die letzten Wochen extrem schnell voran geschritten. Es war nur logisch, dass der Körper das nicht akzeptierte. Trotzdem hielt er es für angebracht, darüber zu schweigen. Stattdessen steckte er die Notiz in seine eigene Tasche. „Ihr werdet spätestens morgen Früh alle Sachen, die ihr wünscht, besitzen.“ Zufriedenheit zeigte sich auf Voldemorts blassen Zügen. „Das hoffe ich. Es eilt sehr. Zumal die Brauzeit viel Geduld in Anspruch nehmen wird.“ Unsicher verharrend, verbeugte sich Severus, um seinen Abschied anzukündigen und war schon daran, den Salon zu verlassen. Seine Füße entschieden jedoch, ihn nochmals inne halten zu lassen. „Herr?“ murmelte der Slytherin kaum vernehmlich. „Severus?“ „Was würdet ihr tun, damit eine Frau, die ihr schätzt, euch beachtet?“ Es fiel Snape schwer, seine Worte so zu formulieren, dass sie sich für seine Ohren nicht dumm anhörten. Und dennoch taten sie es. Zu seinem Erstaunen schien Voldemort ernsthaft über die Frage nachzudenken. „Wenn ich will, dass sie mir gehören soll, würde ich versuchen sie von mir zu überzeugen.“ Das Gesprochene auf der Zunge dehnend, setzte Riddle fort: „Wenn mich nur ihr Fleisch interessiert, würde ich mir die Mühe sparen und sie einfach nehmen.“ Auch ohne einen Blick zurück zu werfen, wusste Severus, dass Tom zu grinsen begonnen hatte. Das war keine befriedigende Antwort auf sein Problem, doch etwas aufschlussreicher. Zumindest, was seinen Verdacht zu seinem Herrn in Verbindung mit Gefühlen oder der Liebe anbelangte. Lord Voldemort kannte letztlich doch nur den Unterschied zwischen Besitzen und Benutzen. Ein wenig enttäuscht kehrt machend, steuerte der angehende Tränkebrauer auf die Haustüre zu. Bevor er die Unterkunft hinter sich ließ, erinnerte Riddle ihn an das bevorstehende Treffen, wo sie einmal mehr alle Details für das Projekt „Azkaban“ durchgehen würden. Und das der finale Tag, an dem ihre Bombe platzen soll, schon vor der Tür stand. ++++++ TheFly Danke für deinen lieben Kommentar und dein tolles Bild (: Kapitel 21: Das Elixier ----------------------- „Wo ist er?“ Orion vergrub die Hände tief in seinen Manteltaschen, während er ungeduldig im Vorraum des Hauses auf und ab ging. Er war sichtlich verärgert darüber, dass sie gerufen, aber nicht empfangen wurden und jetzt auf einem Haufen zu warten hatten, bis sich ihr Herr dazu bereit erklärte, ihnen eine Audienz zu geben. Tom hörte beides. Die wütende Stimme seines Anhängers, wie auch dessen polternden Schritte. Eigentlich war der Schwarzmagier auch einer jener, die unglaubliche Unpünktlichkeit verabscheuten und stets als erster an einem Treffpunkt erschienen. Doch die momentane Situation ließ es nicht anders zu, als die Todesser auf ihre Geduld zu prüfen. Denn er saß verhindert auf seinem Stuhl, dem Schreibtisch zugewandt und presste sich mit den Fingern der anderen Hand auf seine Armbeuge, um die mehr oder weniger starke Blutung zu stoppen, die in einem Rinsal längst über seinen Unterarm wanderte und tröpfchenweise gemächlich zu Boden glitt. Riddle kaute verbissen auf seiner Unterlippe, die Augen zu Schlitzen verengt, und warf ein neuerlichen Blick auf seine Tischplatte. Nachdem Severus ihm die Zutaten noch vor Morgengrauen gebracht hatte, machte er sich unweigerlich daran, den Trank aufzusetzen. Natürlich war es unmöglich, ihn sofort fertig zu stellen. Wenn er die Beschreibung in seinem Buch richtig verfolgte, würde es wohl zwei Monate dauern, bis man ein befriedigendes Ergebnis feststellen und das Gebräu einnehmen konnte. Wirklich ärgerlich. Diese Zeit wollte Tom jedoch mit dem Elixier überbrücken, das weitaus weniger aufwendig zu gestalten war. Und das hatte er getan. Voldemort hakte nicht nach, woher Snape das Einhornblut tatsächlich hatte. Zwar traute er Slughorns, beziehungsweise dem Zutatenlager der Schule zu, dass sich dort selbiges finden ließ. War Horace Slughorn trotz allem kein Narr und würde eine derart wertvolle und teure Sache ohne nach zu haken aus seinem Besitz geben. Also hatte der Slytherin die Phiole entweder gestohlen oder auf anderem Wege besorgt. Beide Varianten, sowohl die Annahme, dass der Schwarzhaarige eigens ein Einhorn dafür erlegte, gestand Tom seinem Schützling zu. Und deshalb empfand er für denselben auch diesen Hauch von Sympathie. Nicht nur, dass er eine ausgesprochene Intelligenz besaß, er war brillant, loyal und formbar. Außerdem verschaffte er Riddle stetig neue Informationen über das Geschehen auf Hogwarts. Seit Dumbledore ihn zwanzig Jahre zuvor aus dem Schloss verbannte – zumindest fühlte es sich für Tom so an – hatte er die fortlaufende Geschichte aufmerksam im Auge behalten. Genauso war ihm nicht entgangen, dass die Lehrstelle für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ständig wechselte. Sein Zorn hatte also doch etwas bewirkt. Das Fach war verflucht – auf besondere Art. Der Schwarzmagier hatte davon gelesen. Ab und an können mächtige Gefühle wie Hass oder Eifersucht dazu führen, dass sie sich in Magie verwandeln und ein Ding, einen Platz oder einen Menschen verhexten. Gebrochen wird das zumeist mit dem Tod desselben oder demjenigen, der den Gegenstand verhext hat. Vielleicht sollte er sich in naher Zukunft doch noch einmal bewerben, kam es Tom äußerst ironisch. Ein schmallippiges Grinsen umschmeichelte seine angespannten Züge, das sogleich wieder gefror. Die Phiole mit dem Einhornblut anblinzelnd, seufzte Riddle auf. Es wäre wohl der angenehmere Weg gewesen, das Zeug zu trinken. Doch würde die Wirkung dann schwächeln, denn man benötigte mehr der Kostbarkeit – wohl ein komplettes Pferd. Und da er nun mal nur ein Schnappsglas voll besaß, einigte er sich mit sich selbst darauf, es direkt in das Blut zu injezieren. Seinen Teil würde es jedenfalls erfüllen: Toms Gesundheitszustand würde sich binnen ein paar Stunden bessern. Und mehr war augenblicklich nicht von Nöten. Es reichte, ein paar Auroren auszuschalten. Anschließend konnte er seine Zeit damit totschlagen, seinem Trank beim reifen zu zu schauen. Damit das Elixier in sein eigenes Blut gelingen konnte, gebrauchte er eine relativ große und alte Spritze. Aufgrund seiner Ungeschicklichkeit, die korrekte Vene zu treffen, musste er öfters stechen. Und weil er dann beschäftigt war, die Injenktur in das richtige Loch zu geben, vernachlässigte er die anderen Wunden, die selbstverständlich zu bluten begonnen hatten. Und das stärker als vermutet. Bevor er sie mit seinem Zauberstab heilen wollte, war ihm allerdings eine erste Reaktion auf das Einhornblut wichtig. Das war der einzige Grund dafür, seine Anhänger auf die Folter zu spannen. Freilich hätte er die Sache besser vorausplanen können. Seine eigene Ungeduld verleitete Riddle trotzdem gekonnt dazu, Fehler zu machen. Erneut stieß er ein tiefes Seufzen aus. Sein Arm erweckte den Eindruck, mit einem Nagelbrett Bekanntschaft geschlossen zu haben. Worüber er nicht unbedingt glücklich war. Nur langsam kroch ein Hauch von Wärme in seinen Gliedern empor, vermittelte heilende und stärkende Kraft. Tief einatmend, lehnte sich Riddle in seinem Stuhl zurück und senkte die Lider. Es war ein befreiendes Gefühl, das er genoß. Nagini beobachtete ihren Herren stumm und verhohlen aus ihrer Niesche, in der sie sich zusammen gerollt hatte. Es verging eine geraume Weile in der es fast so aussah, als wäre er eingeschlafen. Ehe sich Voldemort mit einer galanten und abrupten Bewegung erhob und sich ausgiebig streckte. Einige Gelenke knackten verrächterisch, was er ignorierte. Nach seinem Zauberstab greifend, beseitigte er das Blut von seinem Arm, dem Tisch und dem Boden. Nur kurz begann sein Körper unter der Last seiner Knie zu wanken und provozierte Nagini, besorgt den Kopf zu heben. Aber Riddle hielt sich aufrecht, räusperte sich und warf ihr einen überheblichen Lidaufschlag zu. Dann wandte er sich ab, die Räumlichkeiten zu verlassen. Es gab vieles zu erledigen: Zum Beispiel Azkaban zu zerstören. Der warnende Gedanke, dass seine Halluzinationen zurückkehren konnten, schrumpfte auf eine Nebensächlichkeit, die keine Chance mehr hatte Alarm zu schlagen. Und die Treppen herab schreitend, richteten sich elf Augenpaare abwartend und gespannt auf ihn. Und er genoß es, im Mittelpunkt zu stehen. ++++++ Danke für Eure Kommis (: Kapitel 22: Pläne ----------------- Weil die Nacht im Sterben lag verkünden wir den jüngsten Tag es wird kein Erbarmen geben lauft, lauft um euer Leben Die Wahrheit ist ein Chor aus Wind kein Engel kommt um euch zu rächen diese Tage eure letzten sind wie Stäbchen wird es euch zerbrechen Es kommt zu euch als das Verderben [Rammstein + Der Meister] +++++ Sie würden alles in Schutt und Asche legen, wenn es sein musste. Allein der Gedanke daran, die Umgebung brennen und Unwürdige leiden zu sehen, schürte Riddles Geilheit. Ihm wurde warm, wenn er seine Ideen wie einen Film vor seinem inneren Auge immer und immer wieder abspielte. Er konnte ihre Schreie hören. Wie sie ihn darum anflehten, sie am Leben zu lassen. Aber Voldemort würde niemanden von ihnen verschonen. Gleiches sollte mich Gleichem vergolten werden. Diese Muggel und Muggelfreunde vergaßen zumeist, was sie den reinblütigen Magiern in der Vergangenheit zugemutet haben, wie sie sie gequält und behandelt hatten. Irgendwann, so war sich Tom sicher, käme eine Zeit in der sich kein Zauberer mehr zu verstecken brauchte. Denn dann lebten sie in einer Welt, in der es keine Nichtmagischen mehr gab. In der Magie anerkannt und verstanden wurde. Und er wäre ihr Herrscher, König, Kaiser, Imperator. Ihr Lord. Die Bezeichnung war Tom egal. Es ging ihm einzig um die Macht, die hinter seinem Vorhaben steckte. Und darum, seine Prinzipien verwirklichen zu können. Die anderen, die jetzt noch zweifelten, würden sich ihm schnell anschließen. Was das betraf war der Schwarzmagier relativ zuversichtlich. Er würde sie nämlich dazu zwingen. Toms Hände hatten vor Erregung zu zittern begonnen. Er formte sie stetig zu Fäusten, nicht im Stande sie ruhig zu halten. Seine Brust schwoll an, je länger er an die bevorstehende Zukunft dachte und seine sonst eher unbewegten Züge umschmeichelte ein zartes, siegreiches Lächeln. Riddle fühlte sich wie ein kleines Kind, das etwas Besonderes geschenkt bekommen hatte und nun nur noch auf den richtigen Moment wartete, um die Verpackung vom Karton zu reißen. Sein Körper erbebte zufrieden. Der hoch Gewachsene verschränkte die Arme auf dem Rücken, welchen er seinen Anhängern schon eine ganze Weile kehrte. Sein Augenmerk war abwesend aus dem schmutzigen Fenster des Raumes gerichtet und sondierte nur nebensächlich den daran vorbei laufenden Weg. Was ihm zu jenem Augenblick nicht bewusst war, war die Tatsache, dass seine Mutter vor über 50 Jahren ebenfalls ähnlich an jener Scheibe gelehnt hatte, um seinen Vater zu beobachten wie er stets zu Ross das Haus der Gaunts passierte. Ähnliche Gefühle hatten sie beherrscht und sie schließlich zum Handeln angetrieben, waren der Grund für seine Existenz. Die Todesser blickten ihn abwartend an. Voldemort ersparte sich schon eine ganze Weile Worte zum Geschehen, ließ sie abermals warten und reizte ihre Geduld. Doch selbst Orion Black hielt sich mit einer Anmerkung darüber zurück. Auf dem Tisch, um den sie saßen, war der Abendprophet des letzten Tages ausgebreitet, auf dessen Titelseite der Angriff auf das Ministerium prangerte. „Die Untersuchungen der Aurorenzentrale werden sicherlich verstärkt werden.“ durchbrach Riddle dann abrupt selbst die gespannte Stille und veranlasste Mulciber ungewollt zu einem erschrockenen Geräusch, das Lucius wiederum mit einem Grinsen betitelte und Karkaroff zu einem tiefen, leisen Lachen anstiftete. Tom wandte sich seinen Anhängern mit einer plötzlichen Drehung auf seinen Fersen zu, dass Mulciber zusammen zuckte. Voldemorts Augen glühten in dem Halbdunkel des Zimmers in einem deutlichen, tiefen Rot. „Vor allem, wenn Azkaban fällt.“ Blinzelnd korrigierte er sich. „Vor allem dann.“ Tom richtete seine Aufmerksamkeit auf Avery und Evan Rosier. Beide wirkten müde und mitgenommen. Was kein Wunder war, denn der Schwarzmagier hatte ihnen eine ganz spezielle Aufgabe zugetragen. „Nun?“ hakte er deshalb lediglich nach. Rosier wechselte einen Blick mit seinem Kumpanen und entblößte seinem Herren eine reihe ungepflegter Zähne, als er zu grinsen begann. „Die Riesen waren zwar nicht auf Anhieb kooperativ, aber sie haben sich uns angeschlossen, nachdem sie unsere Vorschläge als rentabel empfunden haben, Herr. Sie warten auf weitere Neuigkeiten, setzen allerdings einen persönlichen Besuch von Euch voraus.“ „Bei den Vampiren wird es ein wenig mehr Überzeugung benötigen“, fügte Avery fast unsicher hinzu, hob dann leicht die Schultern. „Aber sie stellen bereits Überlegungen an. Ein Clan, den wir in der Nähe von Dublin ausmachen konnten, war sogar Feuer und Flamme. Fünf von ihnen zu vereinigen könnte jedoch schwer werden.“ Ein Nicken seitens Riddles folgte auf die Berichtserstattung. Was wollte er auch mehr? Während Tom sich mit Orion und Igor darum bemühte, die Zauberergemeinschaft zu überzeugen und den reinblütigen Familien ihre Wertvorstellungen aufzwangen, kümmerten sich andere um weitaus gefährlichere Kreaturen. Je mehr er auf seiner Seite wusste, und in der Regel handelte er sich dabei um sogenannte Minderheiten die keine Rechte besaßen, desto eher konnte er wirklich ernst in seiner Sache machen. Stolz war Tom vor allem auf die Kooperation mit den Werwölfen. Fenrir Greyback, der auch ein Mitglied des Inneren Zirkels darstellte, brachte ein komplettes Rudel mit. Zwar war es schwer, denselben unter Kontrolle zu halten. Doch glich er Voldemort gegenüber längst wie ein Schoßhund, seit dem er ihm gelockerte Regelungen und Beschäftigung versprochen hatte, sobald sie die Regierung stürzen würden. „Es ist eine Tatsache, dass viele Reinblüter mit der allgemeinen Gesamtsituation in unserer Welt unzufrieden sind. Zwar müssen wir manche zu ihrem Glück zwingen. Trotzdem haben Igor und Orion in dieser Hinsicht hinzufügend gute Arbeit geleistet.“ Tom stützte sich nun mit beiden Händen auf der Tischkante ab und musterte jedes einzelne, ihn anstierende Gesicht. „Zusammen mit den Gefangenen aus Azkaban haben wir beinahe eine Armee zusammen, gegen die sogar das Ministerium hilflos sein wird.“ Triumphierendes Lachen hallte gedämpft durch den unscheinbaren Raum. „Wartet auf mein Zeichen. Das nächste Mal, wenn ihr es spürt, wird es soweit sein. Wir werden uns am Festland treffen und von dort aus auf die Insel übersetzen. Vergesst bis dahin nicht, was wir geplant haben. Jeder Fehler wird grauenvoll bestraft werden, denn es dürfen keine passieren.“ Die Heiterkeit gefror augenblicklich, machte Platz für Respekt und Angst, Erwartung. „Jetzt lasst mich allein“, schloß der Schwarzmagier flüsternd, sich einmal mehr dem Fenster zuwendend, um die reglose Nacht dahinter zu studieren. Stühle rückten. Malfoy, wie Severus überlegten ihren Herren auf die Fragen, die sie beschäftigten, anzusprechen. Doch sie entschieden sich dagegen und verließen, zusammen mit den anderen Todessern, das Nebenzimmer im Untergeschoß, das an das Kaminzimmer angrenzte. Einzig Bellatrix zögerte mit ihrem Gehen und forderte Riddles Gemüt heraus. Wartend, bis sie mit ihm ungestört war, tat sie einige Schritte auf ihn zu. Ihr Finger spielten nervös miteinander. Seit sie ihn darum gebeten hatte, bei ihm bleiben zu dürfen, haben sie keine größeren Worte mehr untereinander gewechselt. Natürlich war sie letztlich gegangen, obgleich das gegen ihren Willen geschehen war. Denn fühlte sich Bella in seiner Nähe mehr als wohl und auf eine seltsame Weise beschützt. Seine Kälte und Ignoranz wollten deshalb nicht ganz in das Bild passen, dass sie sich von ihm in der letzten Zeit, vor allem als ihr Vater starb, gemacht hatte. Sie trat dicht an ihn heran, bis sich ihr Spiegelbild an der dreckigen Fensterscheibe abzeichnete. Riddle reagierte anfänglich nicht auf ihre Anwesenheit, dann runzelte er fragend die Stirn. Der hoch Gewachsene drehte sich gemächlich zu ihr um, den Mund zum Sprechen geöffnet und stockte mitten in der Bewegung, als sich die Hexe auf die Zehenspitzen reckte, um ihm fahrig und unerwartet einen Kuss zu klauen. Kein Kuss in jenem Sinne, vielmehr ein Hauch, der über die blutleeren Lippen strich. Trotz allem eine Handlung, die Tom paralysierte und ihn binnen eines Herzschlag allein zurück ließ. Denn Bella hatte, mit geröteten Wangen, die Flucht ergriffen, das Quartier verlassend. Es war keine Liebe, die sie für ihn empfand. Es war eine unerklärliche Art der Zuneigung. Ein starkes Gefühl, in seiner Gegenwart bleiben zu wollen. Und obgleich sie am Anfang der Meinung war, niemals mit ihm auskommen zu können. So verlor sie sich in seinem angenehmen Geruch von Schwarzem Tee und Mandeln. Kapitel 23: Der letzte Tag -------------------------- Bereits als er aufgestanden war hatte er schlechtere Laune als sonst. Tom wusste von sich, dass er ein elender Morgenmuffel war, der die ersten Augenblicke des neuen Tages ganz für sich alleine benötigte, um sich auf die Realität einzustellen und seine Gedanken zu ordnen. Heute war der Grund für seine anschwellende Aggression der vergangene Abend und der Batzen Gefühle in seinem Corpus, der wie ein Sturm in ihm tobte und seine Hände stets zum Zittern anregte, sodass er das Bedürfnis verspürte, seine langen Finger um den nächstbesten Hals zu legen und erwürgend zuzudrücken. Riddles Lippen brannten noch immer. Sie waren rauh, von ihrem Feuer gezeichnet. Er verstand nur nicht warum und genau das machte ihn wahnsinnig, hatte ihn die halbe Nacht dazu gezwungen, wach zu bleiben. Und das, obwohl es viel wichtigeres gab als ...das. Zum Beispiel der bevorstehende Angriff auf das Zaubereigefängnis, der binnen weniger Stunden seinen Anfang nehmen sollte. Er musste den Inneren Zirkel positionieren. Sie wollten sich gegen Einbruch der Dunkelheit am Festland treffen, um auf die Insel überzusetzen. DAS war das einzig Relevante in diesem Moment. Weder Bellatrix Black, noch ihre Gefühlsduselei hatten ihn auch nur ansatzweise zu tangieren. Und überhaupt – wer glaubte sie eigentlich, wer sie war? Seine Hure? Er erinnerte sich noch sehr wohl daran, wie sie mit ihm gesprochen und ihn behandelt hatte. Ihm keinen Respekt zollen wollte. Und jetzt plötzlich fiel sie ihm um den Hals wie ein Ersaufender. Womöglich sah sie in ihm auch noch einen Ersatz für diesen Versager Cygnus. Tom entrang sich ein schwaches und resignierendes Seufzen. Es war nun später Nachmittag und der schwarze Tee in seiner Tasse war längst kalt geworden. Er saß ungeachtete Zeit vor dem verstimmten Klavier, das er in dem Haus seines Vaters gefunden und zu sich mitgenommen hatte. Einstweilen fiel sein Zeigefinger auf ein und die selbe Taste herab und ließ das „C“ erklingen, wenn ihm die Stille zu sehr auf die Ohren schlug. Dann und wann spielte sich eine Melodie in seinem Kopf ab und durchbrach den Wulst aus hässlicher Kindheit und Gegenwart für einen Atemzug, in dem er die Augen schloß und alles von sich schüttelte, er nackt war und nur sich selbst gehörte – keine Verpflichtungen eingegangen war, niemand auf ihn wartete. Dann war alles um ihm herum von Finsternis ergriffen und leise, bis der ersehnte Ton den Raum zum vibrieren brachte. Weil Voldemort trotz des winterlichen Lichts keine Kerzen angezündet hatte, um seine Umgebung zu erhellen, bemerkte er den nahenden Sonnenuntergang schnell und ohne das Zutun einer Uhr, die ihn mit ihrem Läuten aus seiner Aparthie gerissen hätte. Der Schwarzmagier erhob sich lautlos, trat um das Instrument herum und verließ das ansonsten kahle und unbewohnte Zimmer im oberen Stockwerk. Er bewegte sich durch den Gang, dann die Treppen in den Eingangsbereich hinab. Jede seiner Regungen war bewusst, konzentriert. Tom war sich im Klaren, dass er sich keine Fehler erlauben durfte. Letztlich stellte er an sich mindestens die gleichen Anforderungen, wie an seine Anhänger. Kaum die Türe hinter sich geschlossen, löste sich seine Gestalt auf, als er apparierte. ... In der Regel wurde dieser Ort von den Menschen gemieden, wenn es nicht unbedingt nötig war, anwesend zu sein. Die Existenz der Wächter Azkabans machte sich durch kahles Land deutlich. Stetiger Nebel bedeckte den verdorrten Boden und die blanken Spitzen der verfaulten Bäume. Nichts hätte den Anschein von Leben erweckt. Die Hölle auf Erden. Tom fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen, sondierte den Platz, wo er erschienen war und bahnte sich seinen Weg zu einer kleinen Lichtung, von welcher man freie Sicht auf das Gefängnis, als auch den Überfahrtshafen hatte. Wie erwartet, waren dort mehrere Ruderboote angelegt worden, wurden von zwei Dementoren bewacht, die wie versteinerte Skulpturen ein paar Zentimeter über dem Boden schwebten. Aufmerksam suchte Riddles Augenmerk die nähere Gegend auf weitere Wächter ab, eine Patrouille vermutend, die vielleicht aus fünf oder sechs dergleichen bestand. Möglicherweise hielten sie sich auf der anderen Seite des Landes auf. Die Zufahrtsstelle für die Dienstwägen des Ministeriums, die neue Gefangene brachten. Trotz der Tatsache, dass sein Vorhaben vollkommen verrückt war, war er von seiner Idee überzeugt. Er würde diesen Bunker stürzen. Fahrig krämpelte der hoch Gewachsene den Ärmel seines linken Arms empor. Narben zeichneten sich auf seiner Innenseite ab, formten vage soetwas wie den Körper einer Schlange: ein erster kläglicher Versuch des Dunklen Mals, den er an sich selbst seinerzeit ausprobiert hatte. Das Geschwür hatte zwar keinerlei Ähnlichkeit mit den Tätowierungen, wie sie seine Gefolgsleute benutzten, erfüllte jedoch selben Sinn und Zweck. Und deshalb presste er seine Fingerspitze darauf, dass sich der Narbenberg darunter zu winden begann. Toms Gesichtszüge verhärteten sich vor Schmerz und er musste sich beherrschen, einen Aufschrei zu unterdrücken. Aber sie würden seine Nachricht erhalten, würden wissen, dass es jetzt soweit war und sie inbegriffen waren, einen Großteil an Macht und Ruhm zu ernten. Und tatsächlich: kaum, da Riddle den Kontakt zu seinem magischen Mal löste, bildeten sich erste Schemen und Schatten unter der Nebeldecke. Vermummt, mit Masken die die meisten ihrer Gesichter verdeckten, verbeugten sie sich ihm gegenüber tief und ehrfürchtig. Alle, wie sie gestern noch beisammen saßen, kamen. Und Voldemorts Brust füllte sich zum ersten Mal seit langem mit Stolz und Überheblichkeit. Er verdeutlichte ihnen zu schweigen, dann wies er auf die zwei Wachtposten bei den Beibooten und zückte langsam seinen Zauberstab. Gleichzeitig passierten ihn zwei bewaffnete Todesser. Sie griffen an. Kapitel 24: Grenzen des Lichts ------------------------------ Silberne Schemen erhellten die Umgebung. Sie hatten die Formen von Tieren. Eines ähnelte einem Falken, das andere einer Hirschkuh. Die Dementoren, die ihre Anwesenheit selbstverständlich im gleichen Augenblick bemerkt hatten, als Mulciber und Severus über die Lichtung auf sie zuliefen, hielten abrupt in ihrer fahrig schwebenden Bewegung inne, ehe sie aufgebracht vor den Lichtern zurück wichen. Kaum einen Atemzug später kamen jene Wächter des Festlandes auf sie zu, mit denen Tom ebenfalls gerechnet hatte. Es war ungemein dumm von ihnen, den Ausgang unbeobachtet zu lassen, denn freilich wäre es mit einer Horde von Gefangenen unmöglich für den Inneren Zirkel gewesen, zu disapparieren. Somit schlug Voldemort zwei Fliegen mit einer Klappe. Ein siegreiches Grinsen umschmeichelte seine Mundwinkel, während er drei weitere Todesser in die Richtung des Geschehens gestikulierte. Wie ihre Vorläufer beschwörten Orion, Evan und Avery Patroni. Ein großer Bär sprang mit imagniären Gebrüll auf eine der vemummten Gestalten zu und riss selbige buchstäblich zu Boden. Das dunkle Geschöpf schrie hysterisch und unmenschlich auf, ehe sich sein Körper unter dem Silber schüttelte, wehrte und sich schließlich aufzulösen begann. Der Bär lächzte nach mehr. Orion Black ließ einen triumphierenden Laut ertönen, schloß zu seinen Kumpanen auf, um ihnen den Rücken zu decken. Avery und Rosier waren derweil mit Hund und Katze daran, die andere Seite zu klären, sodass sich für Voldemort und den Rest der Anhänger eine Schneise, ja ein Weg auftat, der sie sicher und ohne Konsequenzen zu den Beibooten leiten konnte. Gefolgt von Bewaffneten, schritt der Schwarzmagier die Lichtung hinab, durch den erzwungenen Gang hindurch, an den Gefängniswächtern vorbei. Es war zweifellos ein seltsames und erdrückendes Gefühl, das sich in seiner Magengegend breit machte, als er die vermummten Figuren aus den Augenwinkeln heraus beobachtete. Sie waren faszinierend und abstoßend gleichermaßen und er hätte sie nur zugern auf ihrer Seite gewusst, denn waren ihre Fähigkeiten bemerkenswert. Doch zuerst musste er ihnen verdeutlichen, dass er mächtiger war als sie. Und seine Taktik ging in diesem Punkt auf. Abgewehrt von den Patroni der Todesser, sammelten sie sich argwöhnisch in ihrer Nähe zu einer Gruppe von Sieben zusammen und hatten keine andere Wahl, wie dieselbe, die Eindringlinge passieren zu lassen. Ein einzelner Mann wäre den Dementoren ohnegleichen unterlegen gewesen. Ein Patronus reichte nämlich nicht aus, die schwarzen Kreaturen auf Dauer von sich fern zu halten. Ein passabler Magier war mit einem Schutzschild in der Lage, sich vielleicht gegen zwei oder drei solcher Wesen gleichzeitig durch zu setzen. Tom hatte keinen Patronus. Seine Gedanken und Erinnerungen waren nicht stark genug, mehr als nur einen silbernen Hauch zu produzieren. Zwar empfand er in vielerlei Hinsicht soetwas wie „Glück“. Bezogen auf eine negative Begebenheit nützte das allerdings nichts. Und weil er so simple Dinge wie „Liebe“ oder „Familie“ nie tatsächlich erfahren hatte, fehlte ihm ein Teil der nötigen Macht, Herr über diesen Zauber zu sein. Das Ufer mit wachem Blick abtastend, stieg Riddle in eines der Boote. Bellatrix und Karkaroff taten es ihm gleich, beide die Zauberstäbe gezückt. Lucius teilte sich mit Greyback und Rookwood ein anderes. Nott und Dolohow warteten auf Severus, der bei ihnen mitfahren sollte. Einen festen Stand auf dem wackeligen Holz suchend, wandte sich Voldemort den verblieben Todessern zu, die nach wie vor die Dementoren bedrohten: „Tötet sie!“, rief er in einem schneidend kalten Befehl zu ihnen hinüber. Und binnen eines Sekundenbruchteils ließen die Zauberer ihre Tiere frei, welche sich bedenkenlos und loyal auf die Schatten stürzten und sie mit ihrem Licht verbrannten. Es wurde beinahe taghell, aber so schnell der Lichtkegel gekommen war, verschwand er auch wieder. Die Patroni waren gegangen. Im Laufschritt schloßen Orion, Snape, Mulciber, Avery und Rosier zu dem Rest auf, verteilten sich auf die Ruderboote, die plötzlich ablegten und in einer gemäßigten Geschwindigkeit über das finstere Wasser glitten. Tom erinnerte sich unweigerlich an seinen ersten Besuch auf Hogwarts, eine sternklare Nacht und herrenlos voran schippernde Transportmittel, die sie über den Schwarzen See direkt zum Schloß brachten. Hier war es ähnlich. Nur, dass der Untergrund des Meeres mit toten Häftlingen übersäht war, die sie aus tiefen Augenhöhlen heraus anstierten, als sie sie passierten und ihre Körper aus ihrer Starre lösten. Fenrir Greyback beugte sich etwas über den Rand des Bootes und holte derart viel Luft, dass sich seine Brust aufs Äußerste blähte. Dann leckte er sich gierig über die Lippen, ein schmales Grinsen darauf, das spitze Eckzähne entblößte. „Das ist... interessant“ Riddles Stimme war zu einem Flüstern gesenkt. Auch er stierte auf die Toten unter ihnen. Dass Azkaban grausam war, war ihm bekannt. Dass die Überfahrt dem Hades glich, nicht. „Dort kommen mehr!“, schrie Orion alarmierend auf und riss Tom aus seiner Arpathie. Blinzelnd, wurde es um ihn herum spürbar kälter. Die Dementoren schwoben wie Geister langsam, mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Dem nicht genug, nahm er auf der Insel andere, hektischere Regungen wahr. Die Auroren stellten sich auf. Sie hießen sie Willkommen. Ein einstimmiges „EXPECTO PATRONUM“ erklang und die Tiere verbündeten sich um ihre Boote herum, griffen jeden Wächter an, der ihnen zu Nahe kam. Freilich, und das ärgerte Voldemort, waren einige seiner besten Duellanten jetzt fürs Erste damit zugetan, ihre Zauber zu halten. Und im nächsten Moment geschah das, was er vermeiden wollte. Ihre Gegner schickten Flüche auf sie, die sie zum Teil nur knapp verfehlten, das Wasser um sie herum zum Toben anregte. Hatte Tom wirklich gedacht, dass es einfach werden würde? Er dachte angestrengt nach, den Zauberstab in der linken Hand bereit, einen Gegenangriff durch zu führen. Seine Augen tasteten die Leichen zu ihren Füßen ab. Wenn er eine Wand bauen könnte, so eine Art Wall, dann hätten sie eine Chance. Die Flüche kämen nicht mehr zu ihnen hindurch und sie könnten sich zur Wehr setzen, sobald sie an der Insel anlegten. Ein gellender Schrei verkündete einen Treffer bei Nott, der taumelte und auf die Knie fiel. Die anderen Todesser, die keine Patroni lenkten, schoßen grüne, blaue und rote Lichtblitze auf die Krieger. Tom umschloss seine Waffe fester, holte über dem Kopf aus, schwang den Stab zweimal kräftig und wies mit der Spitze auf das bebende Meer. Ihre Boote wackelten gefährlich, raubten ihnen das Gleichgewicht, trieben mit der aufkommenden Welle zurück, als sich vor ihnen eine Säule erhob, tote Menschen preisgab. Mit dem Zauberstab lenkte Riddle sein Ungetüm auf sein Ziel zu. Beizeiten fielen lose Körperteile herab, landeten auf ihren Booten. „Gleich...“, entrang er sich murmelnd, bließ unweigerlich die Backen auf und konzentrierte seine ganze Kraft auf seine Zauberstabhand, ehe er der Säule damit einen Schubs verpasste, dass sie sich zu einer Welle wandelte und die Insel überflutete. Einen Herzschlag später stießen sie auf weichen Sand und zögerten keine weitere Sekunde, ihre Gegner anzugreifen, obgleich sie Acht geben mussten, nicht auf das ein oder andere Leichenteil zu treten. Ein paar wenige der Auroren hatten die Flut nicht überstanden, waren bewusstlos, erschlagen oder unglaublich nass. Wie die anderen zuvor, töteten die Patroni die Dementoren, um sich Neuen zuzuwenden, die verstärkend hinzu gekommen waren. Mehr und mehr kreisten sie die sich duellierenden Zauberer ein, zuweilen unsicher, ob sie einschreiten sollten. Manch einer überlegte zu lange, wurde daher von Severus' Hirschkuh zertreten oder von Orions Bären mit einem Prankenhieb aus der Szenerie verbannt. Tom duckte sich in jenem Augenblick unter einem Schockzauber weg, da er den Schützen ausfindig machen und Alastor Moodys Aufforderung erahnen konnte. „Schön, dass du freiwillig hier antanzt! So ersparst du mir eine Menge Arbeit, du Clown!“ Ein Fältchen der Missbilligung bildete sich auf Riddles Stirn. „Oh, ich habe keineswegs vor, länger als nötig zu bleiben, Moody.“ „Das wird sich schnell ändern!“ „Tatsächlich?“ Rote Funken zischten auf Voldemort zu, der sich in einer eher ungalanten Drehung davon abwandt und unvorhergesehen mit dem Fuß unter einem leblosen Corpus hängen blieb. Stolpernd, war es mehr eine Reaktion, denn ein Angriff, ungeachtet und ohne Moody zu fixieren, einen Fluch auszusprechen. Das einzige, was an seine Ohren drang, war ein widerliches Geräusch, dann ein Schmerzenslaut. Und sich umsehend, kauerte der Patrouillenführer der Auroren zwischen den Toten, das Gesicht in blutüberströmten Händen, auf das Auge gepresst. Ein Freund registrierte die Wendung des Kampfes und wollte Alastor, die Gefahr ignorierend, zur Hilfe kommen. Den Zauberstab immer noch erhoben, schenkte Tom dem Jungauror seine ungeteilte Aufmerksamkeit: „Avada Kedavra!“ Kapitel 25: Azkaban ------------------- Die Mauern waren glatt, dass man weder daran empor, noch herab hätte klettern können. Der dunkle Himmel, die Wolken und Mond und Sonne spiegelten sich zuweilen in dem schwarzen Stein des Gefängnisses. Es ragte in einer asymmetrischen Form vor ihnen auf. Fenster gab es kaum welche. Vereinzelt erkannte man, wenn das Licht günstig fiel, einen kleinen Spalt, durch den frische Luft hereindringen konnte. Im Inneren musste daher tiefste Finsternis herrschen, es modrig und alt riechen. Kaum einer, der Azkaban schon einmal von Außen gesehen hatte, konnte erahnen was in den Zellen vor sich ging. Konnte sich nicht vorstellen, wo dort Leben existieren sollte. Der Gedanke daran war längst Strafe genug. Und Tom konnte das gut nachvollziehen. Denn wenn er so zu der Festung aufsah, fühlte er einen stechenden Schmerz in seiner Brust, der ihm unweigerlich versuchte klar zu machen, dass sein Herz in ähnlichen Ketten lag. Ein Hauch von bitterem Beigeschmack mischte sich unter seinen Speichel und er wandte den Blick beiseite, ließ das Augenmerk über den toten Körper zu seinen Füßen gleiten, an dem sich Alastor Moody wimmernd kauerte. Dann machte er sich auf. „Geh mir aus dem Weg“, zischte Riddle dem Auror entgegen, stieg ihm auf die Schulter und somit über ihn hinweg, sein Jammern ignorierend. Der restliche Trupp hatte inne gehalten, als sie den Mord an ihrem Kumpanen bemerkten. Die Todesser, die nicht damit beschäftigt waren mit ihren Patroni die Dementoren in Schach zu halten, nutzten die Chance die wenigen noch Kampfbereiten in eine Enge zu treiben und zu bedrohen. Sie schienen nur noch auf das Komando ihres Herren zu warten, ehe sie sie richten und schlachten würden, wie einen Haufen Schweine. Zu ihrer Überraschung ergaben sich die widerwillig Gefangenen sogar, deutlich mitgenommen, überfordert und verängstigt gegenüber dem, was mit Moody passiert war. Am Rande des silbernen Lichtes stehen bleibend, forderte er klar und deutlich Einlass. Die Wächter hätten sich zurück zu ziehen und sie nicht weiter von ihrem Vorhaben abzuhalten. Eine der vermummten Gestalten schwob auf den Schwarzmagier zu, um ihn etwa auf gleicher Höhe anzusehen, sofern man bei einem Geschöpf, das keine Augen besaß von Sehen sprechen konnte. Seine Stimme war mehr ein Krächzen, kalt und hoch und stets begleitet von einem Unterton der an Fingernägel erinnerte, die über eine Schiefertafel fuhren. „Was wollt ihr hier?“ Riddle stellte es die imaginären Nackenhaare zu Berge, er bekam spürbar Gänsehaut. „Wir sind hier, um euch ein Angebot zu machen und wollten uns lediglich Gehör verschaffen!“ „Sprich, Mensch!“ Toms Lippen kräuselten sich zu einer Art von Lächeln. Keines, das freundlich oder heiter gewirkt hätte. Berechnung, Überheblichkeit und boshafte Arroganz lagen darin. Er begann an der silbernen Linie, die Orions Patronus warf, entlang zu wandern. „Ich weiß, dass euch etwas fehlt. Ich weiß, dass ihr mit eurer Situation unzufrieden seid und das Ministerium euch hier genauso gefangen hält, wie seine Mörder, Diebe und das übrige Gesindel. Man bezahlt euch mit verbrauchten Gefühlen.“ Das Wesen antwortete nicht und Voldemort fuhr fort: „Warum lasst ihr euch unterdrücken? Ihr könntet frei sein! Frei in eurer Wahl nach Nahrung, könntet sogar die Freude aus den Muggeln aussaugen und ihre Seelen fressen. Ich kann euch diese Freiheit verschaffen.“ „Wer bist du?“ Riddles Lächeln wandelte sich zu einem wahnsinnigen Grinsen. „Ich ... bin Lord Voldemort.“ Der Dementor wirkte nachdenklich, obgleich er seine Position nicht veränderte. Tom hatte keinen Zweifel daran, dass sein Angebot verlockend klang. Was hatte ein Seelenfresser davon, wenn er nicht agieren durfte wie er wollte? „Welcher Preis?“ krächzte er schließlich. „Überlasst mir Azkaban, lasst die Inhaftierten frei und kämpft an meiner Seite. Ihr dürft gehen wohin ihr wollt, diesen Ort verlassen und die Menschen tyrannisieren. Aber sobald ich euch rufe tut ihr das, was ich euch befehle.“ „Die Gefangenen befreien?“ „Ja.“ „Freiheit?“ „Ja.“ Stille legte sich über den Platz, bis das Rauschen des Meeres überhand nahm und wild an die Klippen und Grundmauern des Gefängnisses schlug. Die dunklen Kreaturen zogen sich kaum merklich vor ihnen zurück, sahen sich einander an. Dann fiel der Kopf desselben, mit dem Tom gesprochen hatte, auf seine Brust. „Einverstanden.“ Das Geschöpf öffnete seinen hässlichen Mund und stieß ein lautes Krächzen aus. Dutzende von Schatten erhoben sich mit dem Wind, dass ihre Kutten flatterten. Der Kreis, den sie um die Magier geschlossen hatten, wurde größer bis er sich auflöste. Ihre Posten um die Insel verlassend, zum blanken Entsetzen der Auroren, zogen die Wächter gemächlich von Dannen, ehe sie mit dem Horizont verschmolzen und zu schwarzen Flecken wurden. Die Szenerie mit Faszination beobachtend, überkam Tom abrupt ein schräges Lachen. Wer hätte gedacht, dass diese Wesen so einfach mit sich handeln ließen? Sie fühlten sich eben keinem Zauberer unterstellt und taten das, was für sie am Wertvollsten erschien. Wenn ihnen jemand etwas besseres anbot, gingen sie darauf ein. Die Patroni erloschen nacheinander wie ausgebrannte Kerzen. Umsehend, maß er das Geschehen hinter seinem Rücken mit in Falten gelegte Stirn. Ein Nicken folgte zu seinem Befehl: „Tötet sie“ Grüne Funken und Lichtfetzen tränkten das öde Land für einen Sekundenbruchteil in Farbe. Kraftlose Körper sackten zu Boden. Hatten sie das gerade wirklich getan? Standen sie hier vor Azkabans Toren, nahe daran die Insassen zu befreien und ihr Heer zu erweitern? Irgendwie war das doch alles viel zu leicht gewesen, oder nicht? Irgendetwas stimmte nicht. Und Tom war nicht der einzige, der daran dachte. Severus schloß zu ihm auf, ebenso wie Karkaroff und Orion. „Sollen wir hinein gehen, Herr?“ „Es werden noch mehr Auroren hier sein.“ „Vermutlich Herr“ „Gut. Teilt euch auf. Lasst soviel Häftlinge frei, wie möglich. Und bringt mit Abraxas.“ „Was machen wir mit Moody, Herr?“ „Liegen lassen. Wenn er Glück hat, stirbt er schnell.“ Sie verbeugten sich einstimmig und zusammen mit dem Inneren Zirkel liefen sie eilends den schmalen Pfad empor, eingegrenzt von verdorrten Pflanzen und Sträuchern, bis sie einen weiteren, gepflasterten Platz erreichten. Über ihnen thronte die Festung. Tausend Türen boten sich ihnen auf ihrer Ebene an. Sie stürmten in Paaren auf sie zu. Kapitel 26: Der Ausbruch ------------------------ Es war auf Anhieb eine Armee, die sich hintereinander durch die zahllosen Türen der ersten Ebene drückte, um sie mit erhobenen Zauberstäben zu empfangen. Bellatrix suchte festen Stand und reckte ihren Arm hoch über den Kopf in eine verteidigende Position, tat es ihren Mitkämpfern gleich. Noch immer war es ein seltsames Gefühl, hier zu sein. Zu kämpfen. Für etwas angeblich Besseres zu kämpfen. Aber war es das? Oder war sie nur ihres Vaters wegen hier? Weil sie Rache an denjenigen nehmen wollte, die seinen Tod zu verschulden hatten? Die Magier der ersten Reihe hielten einen Atemzug lang inne, als sie Voldemort an der Spitze der Gegner ausmachen konnten. Sie zögerten, mit ihrem Aufmarsch fortzufahren. Bellas Blick glitt zu ihm hinüber. Sie maß sein Konterfei, die Entschlossenheit auf seinem entstellten Gesicht. Ob er sie für ihren Kuss hasste? Ob er überhaupt noch daran dachte? Tom hatte sie seit dem vergangenen Abend vollkommen ignoriert, kein Wort mit ihr gewechselt. Und trotzdem darf sie heute hier sein, wie er es ihr aufgetragen – ja im weitesten Sinne versprochen hatte. Unweigerlich legte die Hexe ihren Kopf in den Nacken, sah gen Himmel. Dunkle Wolken verschleierten allmählich jegliche Sicht. Vielleicht begann es bald zu schneien, wie für die Jahreszeit eigentlich üblich. Im selben Sekundenbruchteil, da ein plötzlicher Stopp durch die Auroren fuhr, reagierten die Todesser mit einem prombten Konter, schoßen allerlei Flüche in die Richtung der Vordersten und nahmen ihren Sturm wieder auf. Bellatrix war unter ihnen, mischte sich in das Getümmel. Die Zauber eines Herausforderers parierend, glitt die Schwarzhaarige zwei ausgreifende Schritte voran. Rote Funken überkam ihre Zauberstabspitze und traf den vermeidlichen Feind inmitten der ungeschützten Brust. Er stockte sichtlich, stierte sie aus ungläubigem, ja irritiertem Augenmerk an, taumelte und fiel auf die Knie, schließlich bäuchlings zu Boden. Es war der erste Mord, den sie begangen hatte. Zu ihrer eigenen Überraschung fühlte die Hexe keinen Hauch von Reue. Ganz im Gegenteil. Befriedigung schlängelte sich an ihren Beinen empor. Aber noch ehe sie ihren Triumph genießen und auskosten konnte, wandte sich schon der nächste Duellant an sie, forderte ihre Kraft und Ausdauer. Tom hatte mit seiner Aussage recht gehabt, die ihr bei einem Blockversuch unweigerlich wieder in den Sinn kam und obgleich sie damals mehr als gekränkt gewesen war, verstand sie nun was er mit „Ich bezweifel genau genommen, dass du auch nur annähernd dazu im Stande bist, ein richtiges Duell zu führen“ meinte. Ja. Riddle war in dieser Hinsicht reichlich unverschämt gewesen, doch er hatte die Wahrheit gesprochen. Und jetzt erkannte sie den Unterschied zu dem, was man ihnen in der Schule beibrachte und der Realität. Sie hatten sie mit Samthandschuhen angefasst, denn waren sie davon überzeugt, dass es keinen weiteren wie Gellert Grindelwald geben würde. Ihre Generation wurde bevormundet, wie keine Zweite. Wahrscheinlich beabsichtige das Ministerium sogar, dass sie weniger Praxiserfahrung erhielten – aus dem einfachen Grund, die Quote der Rassisten einigermaßen unter Kontrolle halten und Aufstände vermeiden zu können. Aber hier lag ein eindeutiger Irrtum vor. „Egal, was du tust. Du musst es wollen.“ ermahnte der Schwarzmagier sie in Gedanken weiter. Das galt vor allem der Zuwendung der „Unverzeilichen Drei“. Für Bella stellte es sich als schwierig heraus, ihrem Zorn freien Lauf zu lassen und diese Kraft zum Beispiel für einen richtigen Cruciatus-Fluch zu nutzen. Jetzt, da Vater tot war, besaß sie Hass im übermaß. Und das bekam der Magier in ihrer Gegenwart auch sofort zu spüren. Denn hielt sich die Schwarzhaarige nicht weiter mit lächerlichen Abwehrzaubern auf, sondern verteilte gezielte und schmerzvolle Folterflüche. Erst als jemand ihren Namen rief, löste Bellatrix den Kontakt zwischen Zauberstab und Körper. Sie sah sich suchend um und registrierte Lucius, der bereits eine der Türen erreicht hatte und auf sie wartete, gestikulierte. Natürlich, fiel es ihr langsam ein, sie waren für Abraxas' Freilassung zuständig. Ihre Brust schwoll an, als sie tief nach Atem rang. Gleichzeitig starrte sie dem Auror vor ihren Füßen unnahbar in die verzerrte Fratze. Das Folgende war mehr ein Gnadenstoß, wie eine Bestrafung. So beschränkte sich die Hexe lediglich auf ein „Avada Kedavra“, setzte sich über den Leichnam hinweg und bahnte sich einen Weg zu Malfoy, mit welchem sich gleichermaßen in die Festung verschwand. Sie rannten bis zu einer Abzweigung. Erst dann waren sie gezwungen stehen zu bleiben und ihre Umgebung, die nur spärlich von ein paar Fackeln erhellt wurde, zu sondieren. Außer weitere, geschlossene Türen und kalten, feuchten Wänden, sowie allerlei unterschiedliche und verwinkelte Wege, gab es nichts. Gerade das veranlasste die Schwarze Hexe zu frösteln. „Da lang!“, komandierte der Blonde sie letztlich. Ohne darauf zu achten, welchen Weg sie hinein genommen hatten, ohne sich die Biegungen zu merken, liefen sie an besetzten oder leeren Zellen vorbei. Ernteten von manchen flehende Worte, sie mögen sie doch befreien. Je tiefer sie in das Gefängnis eindrangen, umso erdrückender wurde die Atmosphäre. Nach einer geraumen Weile wagte Bella die Stimme zu erheben: „Weißt du überhaupt, wo wir hin müssen?“ „Ja! Ich habe mir die Zellennummer gemerkt, als wir Vater das letzte Mal besuchten!“ „Und die wäre?“ Ihr Magen verkrampfte sich ein wenig. Azkaban war groß und hatte einiges an „Unterkünften“ zu bieten. Und wer wusste schon, ob hier oder nicht doch noch jemand lauerte, der die Gefangenen bewachte? „413!“ Sie holte fast zu ihm auf, kaum fähig die Worte in ihrem Kopf zu sortieren. So schwieg sie, Fackel um Fackel passierend bis das Ambiente schwärzer und verlassener wurde. Bellatrix kannte sich mit Azkaban nur bedingt aus. Da ihr Vater im Ministerium gearbeitet hatte, hatte er ihr des Öfteren davon erzählt. Dass er es keinem wünschte, die restliche Zeit seines Daseins dort zu fristen. Denn gab es sicherlich mildere Strafen für einen Zauberer, der ein Verbrechen begangen hatte. Der Vergangenheit nachhängend, bemerkte Bella Lucius' Stehen bleiben nicht und wäre um ein Haar mit ihm zusammen gestoßen, hätte sie den Blick nicht kontinuierlich auf ihn gerichtet gehabt. Ein breitschultriger Mann vertrat ihnen mit gezückter Waffe den Weg. Sein Gesichtsausdruck war im matten Kerzenschein schwach auszumachen. Die Hexe warf Lucius einen flüchtigen Lidaufschlag zu, den er erwiderte. Dann nickte er zustimmend, so als hätte er ihre Gedanken gelesen. Sie benutzten ihre Zauberstäbe in der Brusthöhe ihres Gegenübers, riefen den Todesfluch wie aus einem Mund, dass er laut an den Wänden widerhallte. Der Auror erbebte nur einen Herzschlag lang, erlag dann seinen einknickenden Knien, stieß mit dem Kopf seitlich gegen die kalte Wand und rutschte daran zu Boden. Ihre Aufmerksamkeit gehörte ihm nur kurz. „Fühlst du dich für ihr Leben verantwortlich?“ Lucius flüsterte zaghaft, so als fürchte er etwas Falsches seinen Lippen entgleiten zu lassen. Er tastete den Toten mit unschlüssigem Augenmerk ab. Bellatrix vermutete, dass er noch nicht allzu oft getötet hatte. Da ging es ihm jedenfalls nicht anders, als ihr selbst. „Nein.“ entgegnete sie schließlich tonlos. „Sie fühlen sich für uns auch nicht verantwortlich. Und der Dunkle Lord sagt, wir würden Gleiches mit Gleichem vergelten, also.. -“ „Der Dunkle Lord?“ Es war nur ein Whispern, kaum hörbar. Doch Malfoy wirbelte abrupt herum, dass Bella zusammen fuhr und ihren Stab abermals kampfbereit zückte. „Vater?“ „Vater, ich bin es!“ „... Lucius?“, es war nur ein raues und heißeres Krächzen, kaum vernehmlich. Füße schlurften über strohigen Boden und ein Schemen drängelte sich an Gitterstäbe. Im matten Licht des Fackelscheines wurde eine Hand sichtbar. Ausgemergelt und zittrig. Die Todesser eilten auf die Zelle zu und stockten, als sie dem Insassen gegenüber standen. Abraxas machte keinen besseren Eindruck. Seine Haut war blasser als sonst und irgendwie wächsern. Er hatte die wenigen Wochen, die er gefangen gehalten wurde, merklich Gewicht verloren. Sein langes Haar war verfilzt und schmutzig. Alles in Allem wirkte er rampuniert und ermüdet. „Was machst du hier, Lucius?“ Das Blau seiner Augen war stumpf, fand Bella. Es hatte einen Hauch von Lebensenergie einbüßen müssen, was sie grauer erscheinen ließ. Sie biss sich auf die Unterlippe. „Wir sind hier, um dich zu rauszuholen“ Es war die Schwarzhaarige, die anstelle Lucius' antwortete. „Der Dunkle Lord hat Azkaban gestürzt und die Dementoren auf unsere Seite gezogen. Der Innere Zirkel bekämpft die wachenden Auroren auf dem Plateu.“ Abraxas umklammerte die Gitter seiner Zellentür. Sein Griff wurde fester, auf seiner Mimik spiegelte sich soetwas wie Zorn und Enttäuschung wider. Bellatrix hatte etwas anderes erwartet. War er nicht Voldemorts treuester Diener? „Er ist hier wegen dir, Malfoy. Lucius und ich sollen dich zu ihm bringen.“ Langsam und gemächlich fixierte der Gefangene seinen Sohn, dem die Farbe aus dem Gesicht gewichen war. „Du hast das Dunkle Mal?“ Er klang alles andere als stolz. Die Hexe runzelte die Stirn, beobachtete den Blonden auf ihrer Seite der Zelle, der kleiner zu werden schien. „Vater... es war die einzige Möglichkeit. Ich wusste nicht... - was hätte ich denn tun sollen?!“ „Du hast deine Seele dem Teufel verkauft, Lucius.“ „Aber wir sind hier um dich zu befreien!“ Ein raues Lachen entrang sich der Kehle des alten Malfoys. „Und ihr glaubt wirklich, dass das Toms Ziel ist? Mich hier raus zu wissen? Macht euch nicht lächerlich, Kinder. Voldemort sieht es gleichermaßen als einen Grund, seinen eigenen Interessen nachzugehen. Seine Welt war ihm schon immer das Wichtigste. Wir sind darin nur Randfiguren.“ „Was meinst du damit?“ Bellatrix schob Lucius etwas beiseite, um Abraxas besser erkennen zu können, derselbe seufzte schwer und schüttelte den Kopf. „Macht diese Tür auf.“ Zurück weichend, bedeutete Black den Männern ebenfalls Abstand zu nehmen, feuerte dann ein „Bombada“ gegen die Türscharniere, die sogleich aus dem schwarzen Stein brachen und die Zellentür zum Einsturz veranlasste. Staub und Schmutz bedeckte die Sicht. Abraxas hustete gezwungen, zog sich seine Kleider enger um den klammen Leib. Wortlos machten sie sich auf den Weg zurück zur ersten Ebene. Andere Inhaftierte kamen an ihre Zelleneingänge, bettelten gleichsam um kostbare Freiheit. Weder Lucius noch Bellatrix schenkten ihnen großes Beachtung. Ihr Auftrag war erledigt, beziehungsweise daran, sich zu erfüllen. Die Leben anderer tangierten sie daher nicht weiter. Dafür war der Zirkel zuständig. Sie waren eine halbe Stunde in der gelinde belichteten Dunkelheit unterwegs, als Abraxas die Verschwiegenheit unterbrach. „Ihr kennt den Ausgang?“ „Wir folgen den Zahlen. Je niedriger sie werden, umso näher kommen wir dem Plateu.“ „Verstehe...“ Wie die Lage vor den Toren Azakabans aussah? Ob Lord Voldemort, wie er behauptete, die Macht besaß alle seine Feinde zu vernichten? Bellatrix hatte sich das nie so direkt gefragt, weil sie ihm mittlerweile bereits vertraute. Offen gestand sie sich ein, dass es für sie niemand mächtigeren mehr gab; dass er etwas Besonderes war. Ihre Wangen erreichte eine kaum annehmbare Röte. Erst die näher kommenden Schritte rissen sie aus ihrer Phantasie. Das Trio war stehen geblieben – keine Sekunde zu spät. Denn schoßen unerwartete Flüche über ihre Köpfe hinweg, die Lucius nur um ein Haar verfehlten, weil Abraxas ihn mit sich aus der Schusslinie gezogen hatte. „Halt!“ brüllte einer der Auroren. „Zauberstäbe fallen lassen, oder wir garantieren für nichts!“ Sie kamen unaufhörlich näher. Die Schwarzhaarige fühlte ihr Herz, das wild zu schlagen begonnen hatte, wie es versuchte ihrer Brust zu entkommen. Auf Malfoys warnenden Lidaufschlag hin, legte sie ihr magisches Holz zu Boden. Der leitende Auror interpretierte ihre Bewegung jedoch falsch und attackierte abermals. Durch ihre aufgeschlossene Nähe, den geringen Abstand, war es den Todessern ein Ding der Unmöglichkeit, zu parieren. Ihre Augen weiteten sich, die Pupillen wurden zu schwarzen Löchern. Angst und Entsetzen reflektierten den heran nahenden Fluch. War da ein Luftzug? Sich instinktiv abwendend, hob die Hexe schützend ihre Arme, kniff die Lider schmerzend aufeinander und wartete auf den Einschlag und die Nachfolge des Angriffes. Es geschah nichts. In einer Folge von Sekundenbruchteilen erhellte sich der schmale Gang des Gefängnisses sieben Mal, bevor sich eine Art von Ruhe über sie legte und Bella, die begriff, dass sie immernoch atmete, die Orientierung wiederfand. Sie widerstand dem Drang laut aufzuschreien, einer nasenlosen Fratze entgegen starrend, die sie eindringlich betrachtete. Riddle hatte sich zu ihr hinab gebäugt, wirkte alles andere als guten Mutes und hielt nicht einmal aus, sie zu Wort kommen zu lassen. Zog sie stattdessen auf die Füße zurück. Während seiner Bewegung erkannte die Schwarzhaarige, dass sein Überwurf zerrissen war und sein Unterarm blutete. Es schien ihn nicht sonderlich zu stören. Genauso wenig, wie die zahllosen Schnitte auf seiner linken Wange. „Ich hätte mit etwas mehr Schnelligkeit gerechnet. Der Rest müsste längst zurück an den Booten sein. Wir brechen auf.“ Ungeduldig und mit einem Blinzeln gen Abraxas, einem dünnlippigen, ausdruckslosem Lächeln, machte er sich auf zu gehen. Lucius, Bella und Malfoy schlossen zu ihm auf, stiegen über die Getöteten hinweg. Hatten sie gewonnen? Verloren? War er zufrieden oder unzufrieden mit ihnen? Bellatrix zitterte unweigerlich. Ihr war es mit einem Mal, als hätte sie nie etwas anderes getan, als Todesser zu sein. Und auf markabere Weise war es gut so. Sie bereute nichts. Kapitel 27: Das Fest -------------------- Nachdem sie Azkaban hinter sich gelassen hatten, ging alles ganz schnell. Die Flucht über das Wasser und das Festland, das Chaos, das durch die vielen freilaufenden Inhaftierten hervor gerufen wurde und letztendlich die Rückkehr nach Hause. Alle wirkten abgekämpft und kraftlos, einige waren verletzt. Drei der Dreizehn waren tot. Doch im Allgemeinen war Voldemort zufrieden mit dem, was sie angerichtet haben. Und er war sich sicher, dass der Überfall bald Früchte tragen würde. Aber Azkaban war nur der Teil eines Großen und Ganzen. Und sein eigentliches Vorhaben war gerade erst daran, sich zu entwickeln, zu reifen. Es brauchte noch Zeit, obgleich es Tom schon jetzt in den Fingern danach juckte und er mehr von dieser unvorstellbaren Macht kosten wollte. Der Eingangsbereich des Gaunt-Hauses war finster und lediglich von einer einzigen Fackel gespickt, die mehr schlecht als recht vor sich hinflackerte. Hörbar atmend stützte sich der ein oder andere Todesser an der Wand ab, nach Luft ringend und das Passierte einigermaßen verarbeitend. Stille breitete sich über ihren Köpfen aus, dass es schon nach kurzem den Anschein erweckte, als wären sie gleichsam eingeschlafen. Ehe ein zaghaft hysterisches Kichern auf sich aufmerksam machte und sich alle Blicke auf Riddle richteten, der sich, gekrümmt stehend, den Bauch hielt und ein wahnhaftes Auflachen krampfhaft zu unterdrücken versuchte. Räuspernd, sah er mit funkelnd roten Augen in die Menge hinein und genehmigte seinen Lippen ein ungewohnt breites, triumphierendes Grinsen. Dann, ohne weitere Worte, kehrte er der Gruppe den Rücken und stieg die Stufen in das obere Stockwerk empor, wo er sich in seinen Räumlichkeiten einschloss und für einen Sekundenbruchteil lehnend an der Türe inne hielt. Es war alles so ungemein lächerlich, verrückt. Was wohl Dumbledore zu dem Anschlag auf das Gefängnis sagen würde? Was seine Reaktion sein würde? Dieser alte Dummkopf, so war sich Riddle sicher, bereute den Tag bereits, an dem er Lord Voldemort den Posten des Lehrkörpers verwehrte. Unter Kontrolle – oder so etwas ähnliches – hätte ihn der Bärtige wissen können. Alles was er gewollt hatte, war in sein rechtmäßiges Heim zurück zu kehren, es für sich zu beanspruchen, wie es ihm zustand. Toms Faust schlug unter saichter Wut hart gegen das Holz, worauf hin er abrupt die Augen zusammen kniff und einen zischenden, schmerzerstickten Laut von sich gab. Das Augenpaar darauf lenkend, fiel ihm die Wunde wieder ein, die er davon getragen hatte, als er Bellatrix das Leben rettete. Warum hatte er das getan? Den Überwurf von seinen Schultern schälend und den Ärmel des schwarzen Hemdes vorsichtig von der Haut lösend, betrachtete er den Schnitt fasziniert. Es war eine Fleischwunde, enstanden durch die Abwehr eines Fluches mit dem bloßen Körperteil. Nur ein Narr hätte soetwas zugelassen. Fluchwunden konnten von Zeit zu Zeit sehr widerspänstig sein. Riddle seufzte. Soweit es ihm möglich war zu erkennen, hatte die Blutung aufgehört. Es war allerdings doch von Vorteil, sie ein wenig zu waschen. So ignorierte er Nagini, welche ihm neugierige Fragen zu züngelte und durchquerte den Raum mit ausgreifenden Schritten hinüber zu einem kaum merklichen Badezimmer, das außer einer Wasserschale auf einem kleinen Schränkchen, einem Krug und einer Toilette nicht viel beherbergte. Wasser auffüllend, tauchte er seinen Arm in das kalte Nass und beobachtete, wie sich das getrocknete Blut zu lösen begann und sich mit der blauen Flüßigkeit vermischte. Eine geraume Weile so verharrend, versank er in Gedanken an die Vergangenheit, die sich wild überkreuzten und letzten Endes keinen wirklichen Sinn ergeben wollten. Erst der Hauch von Musik ließ ihn stocken und aufhorchen. Seinen Arm fixierend, bemerkte er die Bläue die er angenommen hatte und zog ihn heraus, nebensächlich immer noch den dumpfen Klängen lauschend, die von unten herauf drangen. Was ging dort vor sich? Waren die Todesser nicht daran, ihre eigenen Heime aufzusuchen? Zu ihren Familien zurück zu kehren? Die Wunde mit anhaltender Vorsicht abtrocknend, zog es ihn an einen spärlich behangenen Kleiderschrank, dem er ein weniger häufig benutztes Hemd entnahm und gegen das Zerrissene austauschte. Zuknöpfend, verließ er das Zimmer, schlenderte den Gang entlang und folgte der Musik, die nun deutlicher an seine Ohren drang. Sie wirkte fröhlich, einige ihm bekannte Stimmen sangen sogar dazu. Die Stirn in tiefe und beinah missbilligte Falten legend, trat er die Stiegen in die Eingangshalle hinab und gelang an das Kaminzimmer, blieb unter dem Türrahmen stehen. Geblieben waren in der Tat nicht viele. Tom konnte Abraxas und seinen Sohn auf Anhieb jedenfalls nicht unter den wirr herum Tanzenden ausmachen. Ebenso wenig wie Snape und Greyback. Feierten sie seinen Triumph, ohne ihm auch nur annähernd etwas darüber mitgeteilt zu haben? Noch bevor sich Riddle darüber aufzuregen im Stande war, fiel er Orion auf, der von Bellatrix – mit der er einen wilden Tanz geführt hatte – abließ und eilends auf ihn zukam. „My Lord! Kommt, es wird Zeit den Ernst zu vergessen!“ Zwinkernd, schob er Voldemort in den Raum. „Sieh es als eine Art Überraschung“, flüsterte er grinsend, verbeugte sich tief genug, dass er einem Hauselfen Konkurrenz hätte machen können und mischte sich erneut unter die Singenden. Ob es geplant war? Er glaubte nicht. Vor ein paar Augenblicken waren sie noch fertig mit sich und dem Rest der Welt. Beim Quidditch in der Schule war es aber ähnlich gewesen. Hatten sie ein Spiel gewonnen, huldigten sie dem Sieg fast die ganze Nacht. Tom hatte das solange über sich ergehen lassen, bis ihn ein Klatscher am Kopf traf, er einen guten Monat im Krankenflügel lag und seinen Besen schließlich in die Abstellkammer zurück stellte. Seitdem hasste er Quidditch. ER HAT SIE BERÜHRT! OHNE LIEBE SIE VERFÜHRT! ER HAT SIE BERÜHRT! OHNE LIEBE SIE VERFÜHRT! „Ihr seht gar nicht so aus, als würde euch euer gelungener Schachzug freuen“ Bella war mit Zurückhaltung an Riddle herangetreten. Ihre Wangen waren vor Hitze gerötet, das Haar hing ihr lockig und zerzaust ins Gesicht. Blinzelnd, schenkte er ihr einen nachdenklichen Lidaufschlag, dann hob er schwach die Schultern. „Muss ich meine Freude so-“ Voldemort nickte zu den gröhlenden Todessern „zum Ausdruck bringen?“ Ein Kopfschütteln entgegnete ihm eine Antwort. Dann erschien ein zartes Lächeln in ihrem Mundwinkel. „Sie sind schon betrunken.“ Toms Nasenflügel blähten sich. Er hegte keine Ambition zu Alkohol. Die Angst, nicht zu wissen, was er unter Einfluss desselben tun würde, war stärker als das Verlangen nach aufgesetzter Heiterkeit. „Natürlich sind sie das.“ Unsicher, machte die Hexe anstalten sich abzuwenden und zu ihrem Onkel zurück zu kehren, der sie aus der Ferne unter Augenschein behielt. ER HAT SIE BERÜHRT! OHNE LIEBE SIE VERFÜHRT! ER HAT SIE BERÜHRT! OHNE LIEBE SIE VERFÜHRT! „Danke... übrigens“, lenkte sie dann trotzdem ein. „Wofür?“ Der hoch Gewachsene wirkte verwirrt. „Dass ihr mir das Leben gerettet habt.“ Tief einatmend, senkten sich Riddles Lider, als er den Kopf beiseite wandt. „Das war nicht von Bedeutung.“ Noch ehe er sich versah, spürte der Schwarzmagier einen feuchten, sanften Kuss an seinem Kinn. Und wie beim letzten Mal ergriff die Schwarzhaarige darauf sofort die Flucht, eilte zu den anderen, die ausgelassen plauderten, sich vergnügten. Aber Voldemort war nicht fähig, sich gehen zu lassen, mit zu machen. Auch, wenn sich das Geschehen dazu anbot, wollte er nun lieber alleine und mit sich sein. Also schickte er sich an und zog sich einmal mehr in seine eigene Domäne zurück. Fernab der Menschlichkeit, fernab des schrillen Lachens. Einfach nur er und seine Einsamkeit. ++++ Lied: Subway to Sally x Ohne Liebe Kapitel 28: Der Orden des Phoenix --------------------------------- THE DAILY PROPHET - 1th of August 1977 „DUNKLES MAL IN IPSWICH GESICHTET!“ Der Terrorismus geht weiter. Ministerium noch immer ohne Erfolg! Nachdem das Zeichen des meistgesuchten schwarzen Magiers auch in Ipswich aufgetaucht ist, scheinen nun alle näheren Gebiete um London unter seiner Kontrolle zu stehen. Die Zuversicht der Aurorenzentrale, die Bevölkerung und vor allem die Muggel seien außer Gefahr und nicht das Ziel von „Dem-Dessen-Name-Nicht-Genannt-Werden-Darf“, wurde an jenem frühen Morgen von drei grausamen Morden gedämmt. Nach ersten Angaben handelte es sich bei den Opfern um die Familie Bones. Edgar Bones (56), der als Bruder der Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung Amelia Bones bekannt ist, dessen Frau Clarice (50) und ihren Sohn Johnatan (34). Das Ministerium geht davon aus, dass „Du-Weißt-Schon-Wer“ damit eine deutliche Drohung in Richtung Amelia Bones ausgesprochen hat, die sich das vergangene halbe Jahr mit dem Sturz Azkabans auseinander setzte und außerdem zwei direkte Handlanger aus dem Inneren Zirkel des Dunklen Lords dingfest machen konnte, wofür sie außerden mit dem Orden des Merlins dritter Klasse ausgezeichnet wurde. Beide Todesser wurden vergangene Woche hingerichtet. Nun ist das Ministerium in Sorge um das Leben Amelia Bones'. Sie trat von ihrem Dienst zurück und flüchtete, zusammen mit einem Paar Auroren als Leibwache, an einen der Öffentlichkeit unbekannten Ort... Tom fixierte nachdenklich einen imagniären Punkt an der gegenüberliegenden Wand des Raumes. Eigentlich konnte er zufrieden sein. Er hatte jetzt alles, was er wollte: Macht, einen Namen, den keiner auszusprechen wagte, Gefolgsleute von denen die meisten kriminelle Hintermänner waren und Ruhm. Was seine Freude ein wenig trübte war die Tatsache, dass man auf seine Verbrechen ernsthaft reagierte. Das Zaubereiministerium war in dieser Hinsicht lediglich eine widerliche Warze am großen Zeh. Voldemort beunruhigte eher Albus Dumbledore, der sich schon kurz nach dem Sturz von Azkaban an den Tagespropheten gewandt hatte, mit der Aussage, den Kampf gegen ihn – Tom – aufzunehmen und ihn ein für alle Mal in seine Schranken zu weisen. Es war mehr Angst als Respekt, den er vor dem alten Mann empfand. Dumbledore war in der Vergangenheit sein Mentor gewesen und verfügte über Fähigkeiten, von denen manch einer nur zu träumen wagte. So war Riddle überzeugt davon, dass Albus mühelos in die Zukunft blicken oder generell durch die Zeit reisen konnte. Vielleicht veränderte er dadurch nichts. Aber so hatte er die Möglichkeit, unbemerkt an Informationen heran zu kommen, die ihn nichts angingen. Zum Beispiel, wo sich Tom augenblicklich versteckt hielt. Nicht auszudenken, was eine Gegenüberstellung für Auswirkungen mit sich bringen würde. Ein Seufzen rang sich über den schmallippigen Mund. Der hoch Gewachsene legte den Propheten zur Seite und griff gleichsam nach seiner Tasse, um nebensächlich einen Schluck Tee daraus zu trinken. Mit Azkaban hatte er wirklich einen amüsanten Treffer ezielt, überlegte Riddle. Die Dementoren waren ihm zu Diensten, die Zahl seines Heeres war um das Dreifache angestiegen, wobei er sich glücklich schätzen durfte, die Werwölfe hinter sich zu wissen. Und die Auroren waren ihm hilflos ausgeliefert. Tag um Tag fanden sich Artikel über den Inneren Zirkel in den Zeitungen. Es gab sogar ein Beiblatt, wie man sich Todessern gegenüber verhalten sollte, wenn man ihnen über den Weg lief. Tom war es kaum möglich gewesen, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Diese Welt war besiedelt von Idioten und Dummköpfen. Das machte es auch so einfach, sie zu zerstören – oder, wie er gerne zu sagen pflegte, nach seinen Wünschen zu verformen. Ein saichtes Geräusch ließ Riddle aufsehen. Schritte waren im Eingangsbereich zu hören. Schuhe schliffen über das morsche Diehlenholz. Seinen Zauberstab ergreifend, erhob sich Voldemort von seinem Stuhl, trat um den kleinen und unscheinbaren Tisch herum und verließ den küchenähnlichen Raum. Vorsichtig trat er der Gestalt entgegen, die mit dem Rücken zu ihm stand und ihre Umgebung aufmerksam abtastete. Sein Verstand schlug Entwarnung, just als er sie erkannte. Er senkte seine Waffe und erhob flüsternd das Wort: „Was willst du hier? Ich habe nicht nach dir verlangt. Und unser Treffen ist erst morgen, wenn ich mich nicht irre. Und ich irre mich nie.“ Severus zuckte unweigerlich zusammen. Ertappt, sah er abrupt zu dem Schwarzmagier um, gleichzeitig eine Verbeugung andeutend. „Herr, ich ... habe wichtige Neuigkeiten.“ „Tatsächlich?“ Den Abstand überbrückend, baute sich Tom vor dem jungen Zauberer auf. „Dumbledore, Herr... ich habe über Lily Evans heraus gefunden, dass er eine Gruppe für eine Gegenreaktion bezüglich des Inneren Zirkels aufgestellt hat.“ Voldemorts Augen verengten sich plötzlich. Ein rotes Glühen lag darin und zu der schwachen Panik in seiner Magengegend, gesellte sich pure Wut. „Der Orden des Phoenix“, würgte Severus kleinlaut hervor und war sich offenbar nicht sicher, ob er stehen bleiben oder zurück weichen sollte. Doch Riddles Mundwinkel erbebten nur unter einem erzwungenen, süffisanten Lächeln. „Also endlich...“ „Ich kann euch die Namen der Mitglieder nennen. Ich kann sie in Erfahrung bringen.“ Überraschung legte sich auf Riddles harte Gesichtszüge. „So?“ Dann wurde Snapes Gesprochenes langsam klarer. „Wegen des Mädchens, dem du immer noch nachläufst, nicht wahr?“ Der Schwarzhaarige nickte zaghaft und hob letztendlich die Schultern. „Sie wissen nicht, dass ich zu euch gehöre. Ich dachte, ich könnte mich als einer von ihnen ausgeben und für euch interne Informationen heran schaffen.“ Das war nur die halbe Wahrheit und Tom spürte das. Severus' Hauptaugenmerk lag auf dieser rothaarigen Hexe, der er schon verfallen war, bevor er an seiner Türschwelle aufgetaucht war. In ihrer Nähe sein zu können musste sich verlockend anfühlen. Aber war es klug? Was, wenn Snape gerade wegen dieser Frau die Seiten wechselte und ihn, Voldemort, anstatt Dumbledore verriet? Vertraute er Severus Snape so weit, ihm sich selbst zu überlassen? Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. „Du bezahlst mit deinem Leben, wenn dir ein Fehler passiert, Severus.“ Eine weitere Verbeugung erwiderte, dass er sehr wohl wusste, was für ihn auf dem Spiel stand. Schließlich nickte der hoch Gewachsene gemächlich. „Tu das. Bring mir alle Namen, die du heraus finden kannst. Berichte Dumbledore ruhig von unserer Bekanntschaft und gib an, dich von mir getrennt zu haben. Erzähl ihm meinetwegen ein paar Lügen, führe ihn in die Irre. Wir werden diesen Phoenixorden von Innen heraus zerstören.“ Kapitel 29: Spion ----------------- „Was?“ Beinahe aufgebracht fuhr Sirius Black auf seine Füße, musste seitens seiner Freunde im Zaum gehalten werden, um ihren Gegenüber zu schützen. Neben Ungläubigkeit mischte sich soetwas wie Abneigung, als betrachte er einen furchtbar hässlichen Fleck auf einem neu erworbenen Kleidungsstück. Von starken Armen auf den Stuhl zurück gepresst, formten sich seine vollen Lippen zu einem schmalen Strich. Er sah irritiert von einem zum anderen. „Das ist nicht dein Ernst. Nicht dieser Möchte-Gern-Giftpanscher!“ Dumbledore nickte neuerlich langsam und bewusst, was ein weiteres Aufstöhnen seitens Black herauf beschwor. „Aber der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank! Und außerdem ist er ein Todesser!“ Severus bläckte die Zähne und taxierte Sirius mit einem Augenaufschlag, der tödlicher nicht hätte sein können. „Da sieht man einmal mehr, wie dumm und naiv du bist, Black.“ Ein ungezähmter Ruck durchfuhr den Gryffindor, doch gegen die haltenden Hände hatte er keine Chance. „Beruhige dich, Sirius“, flüsterte Lupin, klopfte ihm saicht auf die Schultern. Anders als der Rest der Gruppe, wirkte er gelassen. Vielleicht, weil er genauso wenig davon ausging, dass Snape etwas mit den Anschlägen zu tun hatte, wie Lily Evans, die abseits am Türrahmen lehnte und nervös den Stoff ihres langen Rockes zwischen den Fingern drehte. Severus stellte sich dem Fegefeuer, nachdem er am Morgen zuvor mit der Rothaarigen Dumbledore aufsuchte, um seinen Beitritt in den Orden des Phoenix anzubieten. Letztendlich war es einfacher gewesen als erwartet. Der tatsächlich schwierige Teil sollte durch Potter und Black erst noch folgen. „Severus hat mir einige äußerst nützliche Informationen über Voldemort mitgeteilt. Zudem hat er mir geschworen und mehrmals versichert, dass er an dem Dunklen Lord kein Interesse mehr hegt, seitdem die Übergriffe auf Muggelgeborene und Halbblüter überhand nehmen. Er hat sich bereit erklärt, uns künftig als Spion tätig zu sein -“ „Ja, als Spion in eigener Sache!“ „Sirius!“ Remus' Griff verfestigte sich unweigerlich. Dumbledore fuhr fort, ohne der Unterbrechung Aufmerksamkeit zu schenken. „- und uns über Voldemorts neue Pläne aufzuklären. Somit haben wir die Möglichkeit zu handeln, bevor weitere Morde geschehen. Und ich finde es unumstritten mutig von Severus, dass er sich der Gefahr aussetzt, jederzeit enttarnt und getötet werden zu können.“ Blaues Augenmerk bohrte sich mit sanfter Gewalt in Mandelbraunes. Sirius' Backen füllten sich trotzig mit Luft, dann sah er geschlagen beiseite, was Snape mit einem triumphaten Grinsen quittierte. Ein Schulterklopfen seitens des Mentors ließ den Todesser leicht zusammen zucken. Er erntete ein freundliches Zwinkern. „Sirius, James, Peter und Remus kennst du ja bereits. Ebenso wie Lily. Hagrid, Minerva, die Weasleys“ Der alte Mann deutete auf jeden einzelnen von ihnen, wie sie getürmt in dem kleinen Raum saßen, den sie selbst ihr „Hauptquartier“ nannten. Severus kannte schon die meisten von ihnen, schwieg sich jedoch aus, wollte nicht unhöflicher wirken, als ohnehin. „Caradoc Dearborn, Dädalus Diggel, Elphias Doge, Aberforth, Benjy Fenwick, Mundungus, Frank und Alice, Marlene McKinnon, Dorcas Meadowes, Sturgis Podmore, Gideon und Fabian Prewett, Emmeline Vance und natürlich unser Krieger Alastor Moody.“ Moody veranlasste den Schwarzhaarigen zu einer Gänsehaut. Ob der Auror wusste, dass er an dem Ausbruch in Azkaban beteiligt gewesen war? Natürlich musste er das, schließlich war er direkt über ihm getanden. Aber hatte er ihn in dieser Situation erkannt? Sein linkes Auge wurde von einer Klappe verdeckt. Moody hatte es im Kampf gegen Riddle verloren. Und Severus war sich sicher, dass Alastor vor allem aus diesem einen Grund im Orden war: Um sich an Voldemort für seine Blamage zu rächen. Soweit er durch die Zeitungen mitbekommen hatte, war der Auror jetzt speziell auf der Suche nach schwarzen Magiern oder Todessern. Er hatte schon dutzende wieder nach Azkaban befördert, oder hingerichtet. Gut zu wissen, wo der „Krieger“ sich jetzt aufhielt. „Nun, da wir so jung nicht mehr zusammen kommen, schlage ich vor, beginnen wir mit unserem Treffen. Severus, du darfst dich gerne hinzu gesellen.“ Mit einem aufmunternden Lächeln im Mundwinkel, buchsierte Albus Snape zurück in die Reihen der anderen. Nicht von allen wurde er mit offenen Armen empfangen. James und sein bester Kumpel beobachteten ihn deutlich argwöhnisch. Und weil er sich ziemlich dumm vorkam, flüchtete der Slytherin zurück in Lilys Obhut, die zwar leise seufzte, ihn aber gewähren ließ. Potter schien darüber weniger glücklich, sagte allerdings nichts und konzentrierte sich wieder auf Dumbledore, der an seine eigentlichen Themen angeknüpft hatte. „Edgars Tod kam für uns alle überraschend. Trotzdem dürfen wir nicht den Anschein erwecken, zu tief davon betroffen zu sein. Unsere Tarnung könnte diesen Zustand nicht verkraften und es wäre sehr schade, noch mehr von euch an Voldemort zu verlieren.“ „Wissen wir schon etwas über den Hintergrund?“, warf Gideon Prewett neugierig ein und lenkte seinen Blick automatisch zu Arthur Weasley. „War er nicht noch mit dir unterwegs gewesen, Arthur?“ „Ja, nun ja. Es war ein Fehler von ihm, nach Hause zurück zu kehren. Im Ministerium ist die Hölle los, keiner traut mehr dem anderen. Einmal abgesehen davon, dass seine Schwester so offensichtlich nach Todessern fahnded, war schon Grund genug ihn zu töten... - für einen Todesser“, fügte er hastig hinzu. „In meinen Augen ist vor allem Amelias Leben wichtig“ Moody rappelte sich aus seinem Stuhl, blinzelte hektisch mit dem freien Augenlid. „Wir sollten zwei oder drei Ordensmitglieder als zusätzlichen Schutz an die Südküste schicken.“ „Aber es ist auch von Nöten, stärker im Ministerium zu patroullieren“ James wandte sich zu Alastor. „Bones wird doch sowieso von allen Seiten rund um die Uhr bewacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Voldemort gerade jetzt über sie herfallen wird. Hingegen bietet das geschwächte Ministerium ein viel besseres Ziel. Schon allein der Tatsache wegen, dass er es letztes Jahr in die Luft gesprengt hat.“ Sirius unterstützte die Aussage mit einem bekräftigenden Nicken. „Wir könnten doch ab und zu mal ein Auge darauf werfen, ob uns etwas ungewöhnliches auffällt.“ Albus war nachdenklich geworden, kaute kaum merklich auf seiner Unterlippe herum. „Ja, das ist selbstverständlich ein sinnvoller Gedanke. Zudem wäre es ratsam die nächsten, möglichen Opfer zu bestimmen, um sie frühzeitig vor einem grausamen Tod zu bewahren.“ „Severus, ich möchte gerne, dass du zusammen mit Lily, Remus und Dorcas die Aufsicht im Ministerium übernimmst.“ Ein verhaltenes Stöhnen bekundete Potters Missgunst in dieser Wahl. „Sirius, James, Peter und Alastor, ihr versucht bitte heraus zu finden, wieviel muggelstämmige Hexen und Zauberer in den Ministeriumsabteilungen eingesetzt werden. So haben wir einen Überblick über Voldemorts potentielle „Feinde“.“ „Der Rest hält die Augen und Ohren nach Quellen offen, die uns voran bringen können.“ Dumbledore verbeugte sich knapp, wandte sich dann ab und verließ das Zimmer. Aberforth, sein Bruder, tat es ihm mit schnellem und aufholenden Schritt gleich. Einige nahmen sich ein Beispiel und widmeten sich ihren normalen Tätigkeitsfeldern. Severus war einer von ihnen. Er hatte für einen Tag genug gehört und gesehen. Zumal er Blacks Anwesenheit nicht länger als nötig in Kauf nehmen wollte. Er spürte Lilys grünes Augenpaar in seinem Nacken und war insgeheim froh, seiner Idee gefolgt zu sein. Auch, wenn es nie mehr so werden würde wie früher, er war in ihrer Nähe, konnte ihr Beschützer sein und die Nichtsnutze von Möchtegernfreunden ein für alle Mal dem Erdboden gleich machen. Kapitel 30: Unstillbare Gier ---------------------------- Sie schwiegen sich an, seit er den Raum betreten hatte. Riddle missfiel seine Anwesenheit, weil er genau wusste, warum er gekommen war. Da sie soetwas wie Freunde waren, gab sich der Schwarzmagier geduldig. Und den Blick ausdruckslos erwidernd, dem ihn Abraxas zuwarf, wagte er nicht einmal ein Blinzeln. Sie kommunizierten, ohne zu sprechen. Schließlich war es Tom, der den Augenkontakt abbrach, sich von seinem Stuhl erhob und an das schmutzige Fenster trat, um in eine sternklare und laue Sommernacht hinaus zu sehen. Er legte die Hände auf seinen Rücken und verlor sich einstweilen in unwichtigen Gedanken, als sein ungebetener Gast endlich das Wort erhob: „Bones' Tod war notwendig?“ Die Frage breitete sich bis zu den Wänden des Zimmers aus, wo sie abprallte und die Richtung zu Riddles Ohr suchte. Selbiger antwortete nicht sofort, senkte die Lider. „Du solltest mich eigentlich gut genug kennen, denn alles was ich tue entspricht einer gewissen Notwendigkeit, Malfoy.“ Er spürte, wie Abraxas ihn maß, beobachtete. Er mochte das Gefühl des Stierens nicht. Finger klopften für einen Sekundenbruchteil enerviert im Takt auf die Holzplatte des Tisches. „Hast du deine Ziele überhaupt noch vor Augen, Tom?“ „Nenn mich nicht so..!“ Ein Knacken verkündete einen Sprung in der Fensterscheibe; derselbe verzerrte Riddles Antlitz auf morbide Art und Weise und veranlasste den Blonden, die Stirn zu runzeln. Tom hatte sich nur spärlich unter Kontrolle, wie es schien. Die Kälte seiner Stimme entzweite den Raum, das plötzliche Rot in seinen Augen reflektierte sich im Spiegelbild. „Natürlich weiß ich was ich will, was dachtest du, du Narr?“ Wenn Abraxas Malfoy eines nicht nötig hatte, dann sich beleidigen und herabsetzen zu lassen. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit. Tom war noch nie der schüchterne Typ gewesen. Zumindest nicht dann, wenn es darum ging das zu bekommen, was er begehrte. Wirkliche Freundschaft war es, im Vergleich zu anderen, nicht, die sie verband. Vielleicht ein Geben und Nehmen, vielleicht auch einfach nur eine Zweckgemeinschaft. Trotzdem mochte Braxas Riddle. Anfänglich hatte er ihn für sein Genie und seine Ideen bewundert. Seine Träume waren faszinierend und gleichsam amüsant gewesen. Oft hatte Tom davon geschwärmt, an Hogwarts unterrichten zu dürfen. Malfoy bemerkte seinerzeit, wie wohl sich der Schwarzmagier in jenem alten Schloss fühlte. Und umso mehr schockierte ihn seine Antwort auf die Ablehnung Dumbledores, nachdem er sich vergeblich um den Lehrerposten beworben hatte. Aber war es tatsächlich nur das? Wenn der Blonde seinen Gegenüber betrachtete, glaubte er das nicht. Tom hatte seinen eigenen Körper verstümmelt, um Unsterblichkeit zu erlangen. Wie genau er das anstellte, sollte auf Ewig sein Geheimnis bleiben. Was ihm nicht verborgen blieb, war der gesundheitliche Zustand seines Freundes. Von seiner fehlenden Nase abgesehen, wirkte er mehr denn je wie eine verfaulende Leiche. Abraxas fröstelte. „Ich dachte“, dehnte er langsam, die Augenwinkel verengend, „du hättest sie möglicherweise längst erreicht.“ Riddle sah erst bei dem knarzenden Geräusch des Stuhles um, der über den Boden schliff, als sich der Sitzende aus seiner Position erhob. Die Stirn in Falten legend, schenkte er Malfoy sein Profil. „Ich werde nicht länger Todesser sein, Tom.“ Ein Schatten zuckte über Riddles Fratze, er presste seinen lippenlosen Mund blutleer aufeinander. „Um meiner Familie wegen und weil ich der Ansicht bin, dass du nicht mehr weißt, was du tust.“ „Du wagst es, mich unzurechnungsfähig zu nennen?“ „Nein.“ Abraxas schüttelte den Kopf, zögerte dann in der Bewegung, um auf Riddle zu zugehen, entschied sich dagegen und steuerte stattdessen fluchtartig die Türe an, hielt am Rahmen derselben nochmals inne. „Ich mache mir Sorgen um dich und -“ „LÜGNER!“ Die Fensterscheibe brach und Scherben tobten unter der Implosion seiner Wut auf die Strasse. Die Hände zu Fäusten geballt, bereute er es, seinen Zauberstab im oberen Stockwerk liegen gelassen zu haben. Er hätte diesen Verräter ohne Umschweife getötet. Und nichts anderes als das war er: Ein widerlicher, feiger Verräter. Zornesröte legte sich in einem unscheinbaren Hauch auf seine Wangen. Sein Vertrauen brach und in seinem Innersten nährte sich das schwarze Loch in seinem Herzen von dem aufkommenden Schmerz. „Ich habe dich aus Azkaban befreit! Ich bin der Grund dafür, dass du noch am Leben bist! Und so dankst du mir meine freundschaftliche Fürsorge?! Du solltest vor mir knien, Abraxas!“ „Knie nieder!“ Spucke verteilte sich auf dem Boden. Das Rot in seinen Augen war angeschwollen und leuchtete nun unentwegt gen Türrahmen. Malfoy brachte den Mut auf, Tom in die Augen zu sehen. Doch seiner Aufforderung – seinem direkten Befehl – leistete er keine Folge. Indes mischte sich Mitleid auf seine ausgemergelten Züge. Den Mund bereits geöffnet, Worte auf der Zunge, seufzte er leise, machte kehrt und setzte seinen Weg fort. Er ließ ihn stehen in seiner Rage, in Verwirrung und Enttäuschung. Unfähig noch etwas hinzuzufügen. Apathisch griff Tom nach einem der Stühle und donnerte ihn von Sinnen auf die Tischplatte, die darunter erbebte und kraftlos in sich zusammen sank. Splitter verkeilten sich in seinem Gesicht, seinen Handrücken und begannen binnen Sekunden zu bluten. Er schleuderte die Bruchstücke von sich, in den kalten Kamin und gegen die restliche Einrichtung des kahlen Zimmers, bis ihn die Kraft in den Beinen verließ und er mit einem erstickten Laut an der Wand nach Halt suchte. An dem kühlenden Stein kauernd, zitterte sein Leib, seine Schultern. „Dieser Feigling...“ fauchte er gepresst, atemlos. Warum taten die Menschen ihm immer wieder diese Schmach an? Warum überließen sie ihn seinem Schicksal? Zuerst Merope, jetzt Abraxas, der seine Träume doch eigentlich mit ihm teilte – oder nicht? Tom sah sich an dem Grab seiner Mutter stehen. Der Friedhof war nicht weit vom Waisenhaus gewesen und mit der Information der Betreuerin hatte er sich aufgemacht, sie zu finden. Anstatt Trauer übermannte ihn allerdings die Raserei und so verwüstete er ihre Ruhestätte, bespuckte ihren unbeschriebenen Grabstein und schrie sie an, was für eine Hure sie war, ihn allein in dieser verdammten Welt zurück zu lassen. Malfoy war im Grunde genau wie sie und dafür hasste er ihn. Eine saichte Berührung katapultierte ihn in die Realität zurück. Die Räumlichkeit war mittlerweile von einer dämmrigen Finsternis überflutet und das Möbilar nur noch schemenhaft erkennbar. Die Augen aufgerissen, starrte er Bellatrix entgegen, die neben ihm kniete und ihn mit einer Mischung aus Panik und Besorgnis taxierte. Voldemort hatte sie nicht kommen hören, noch hatte er mit einem weiteren Gast gerechnet. Die Tage im Haus der Gaunts waren zuweilen sehr einsam. Umso irritierender war ihr unangekündigtes Dasein. Es war allgemein bekannt, dass Lord Voldemort niemanden empfing, wenn es unbegründet war und ihm seine kostbare Zeit stahl – von der er eigentlich mehr als genug besaß. Die Hexe hatte ihre Hände in den Schoß gelegt. Ihre vollen Lippen waren halb geöffnet, bereit eine Erklärung abzugeben. Das letzte Mal hatte sie ihn mit denselben geküsst, fiel es ihm nebensächlich ein. Vollkommen unvoreingenommen. Und es war ihm nicht einmal die Mühe wert gewesen, sich ihren Geschmack zu merken. Die Erkenntnis traf ihn abrupt, dass sich sein Kopf zur Seite neigte, sich sein Augenmerk klärte und das Rot daraus gemächlich schwächer wurde. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, interessierte es ihn nicht wie sie schmeckte. Die Lust, die sich hinter diesem Gedanken verbarg, reizte ihn da deutlich mehr, wurde spürbar stärker in seiner Brust und, wie er nach einem Atemzug unweigerlich fest stellte, auch in seinen Lenden. Er bekam immer das, was er wollte... In einer fahrigen Regung beugte er sich über sie, drängte sie mit dem Gewicht seines Körpers auf das Parkett und nutzte den Moment ihren überraschten Laut mit einem harten Kuss zu ersticken. Besaß er Zärtlichkeit, so versteckte er sie gut, was auch Bellatrix auffiel, die daran war, sich zur Wehr zu setzen, keine Gelegenheit erhielt, seinen Kontakt zu erwidern. Ihre Handgelenke mit dünnen Fingern umklammernd, keuchte er, als sich die Lippen voneinander trennten. Sein Atem zog seine Bahnen über ihr Haut, ihre Brüste drückten ich steil gegen seinen Oberkörper. Ein wahnsinniges Lächeln glitt auf seine Mundwinkel, begleitet von einem kehligen, leisen Auflachen. War es ein Selbstbeweis? Dass er tun und lassen konnte was er wollte und niemanden benötigte, der ihn falsch bevormundete? Dass sie ihm gehörte? Ja, sagte er sich, das war es. Als er das nächste Mal ihren Mund berührte, war er weniger ungestüm. Von Sanftheit fehlte jedoch nach wie vor jede Spur. Bella versteifte sich unter ihm, verdeutlichte damit die aufkeimende Angst, die sich in ihr ausbreitete. Sich abermals lösend, trat Tom mit bebender Brust und laut schlagendem Herzen den Rückzug an, kniend, dass sein Becken an dem ihren ruhte. Er leckte sich mit der Zungenspitze über die rauen Lippen. Die Kuppe seines Zeigefingers reckte sich zögerlich in ihre Richtung, fuhr an der warmen und weichen Kehle entlang, über ihr Dekolletè. Zu dem einen gesellte sich ein weiterer, bis sich schließlich Riddles ganze Hand um ihren Busen schloß. Auf seinen Zügen breitete sich lustvolles Interesse und Wohlgefallen aus. Er konzentrierte sich mehr auf das Stück Fleisch, das er verhalten knetete, als Bellatrix' ersticktes Aufstöhnen. Sie wandt sich nach wie vor unter seinem Griff und seinem Körper, jetzt weniger mit der Absicht sich zu befreien. Und Tom registrierte ihre Reaktion, dass die Verlockung, fortzufahren und seine Wut zu vergessen ungeahnte Ausmaße annahm. So verhakten sich seine Finger an dem Ansatz ihres Kleides, zogen den Stoff ein Stück weiter hinab. Die unstillbare Gier steigerte sich mit jedem Hautfetzen, der dadurch freigelegt wurde. Wie durch einen Schleier nahm er die Wirklichkeit überhaupt noch wahr, derart abwesend und mechanisch waren die Abläufe seines Tuns. Wann hatte er das letzte Mal eine Frau gespürt? Er erinnerte sich nicht mehr. Inne haltend, fuhr er auf, gebannt und schockiert in die nun rahmenlose Dunkelheit stierend. Tom hatte dem einfältigen Leben abgesagt, nachdem er den Weg der Unsterblichkeit gewählt hatte. War sich sicher, keine unnötigen Gelüste mehr stillen zu müssen, weil er sie ganz einfach nicht mehr fühlen würde. Und jetzt lag unter ihm Bellatrix, halb entkleidet, offensichtlich unsicher und geil gleichermaßen, die er wie eine längst überfällige körperliche Ration behandelte. Das raubte ihm den Verstand. Sich schwerfällig aufrappelnd, taumelte der Schwarzmagier. Bella streckte sich nach ihm, doch sie war zu langsam. Denn war er über sie hinweg gestiegen, um den kleinen und unscheinbaren Raum zerstört zurück zu lassen. Kapitel 31: Grenzen ------------------- Er wankte wie ein Betrunkener durch den Eingangsbereich, zog sich dann mühsam an dem Geländer die Treppen empor und rettete sich schwer atmend in seine Räumlichkeiten, wo er die Türe ins Schloß schlug und kraftlos bäuchlings vor dem unsauberen Bett zu Boden ging. Toms Atem ging stoßweise, wie nach einem Marathon den er versucht hatte unter allen Umständen zu gewinnen. Seine Augen brannten, sein Mund war trocken. Das Geschehene tanzte wild in seiner Phantasie und die Hitze in seinen Lenden veranlasste ihn dazu, sich stetig auf die Unterlippe zu beißen. Im Nachhinein schimpfte er sich selbst einen Dummkopf, seine Beherrschung verloren zu haben. Natürlich schob er den Grund dafür auf Abraxas, der ihn dazu provozierte. Riddles Schultern erbebten vor Wut unter dem Gedanken an jenen Verräter, der es gewagt hat ihn mehr als nur bloßzustellen und dann auch noch ungeschoren davon gekommen ist. Sicherlich war er jetzt schon über alle Berge, mit seiner Vorzeige-Familie im Schlepptau, ab nach Italien oder Rumänien, wo er, wie Tom seinerzeit heraus gefunden hatte, Verwandtschaft und Bekannte hatte bei denen er sofort Unterschulpf gewährt bekäme. Und weil Malfoy wusste, dass Voldemort im Augenblick mit anderen Dingen beschäftigt war, rechnete er nicht damit, verfolgt zu werden. Und eines war Tom klar: Wenn er Abraxas stellen und töten würde, dann persönlich. So eine Art Seufzen drang aus der hintersten Ecke seines Mundwinkels und die Fingernägel tief in das Bettlaken gebohrt, starrte er ein wenig abwesend gegen die kahle und brüchig verputzte Wand. Seine Finger kneteten zuweilen das Laken und Riddles Gemütszustand, der am untersten Level angekommen war, flaute ein wenig ab. Ein plötzliches, saichtes Klopfen riss ihn aus der Nachdenklichkeit, ließ ihn den Kopf heben und drehen. Sich sammelnd, rappelte sich der hoch Gewachsene auf die Beine zurück, glättete mit beiden Handflächen nebensächlich sein Hemd und überquerte die Distanz zur Türe, gleichsam ein leises aber deutlich erboßtes „Was ist?!“ murmelnd. Die Scharniere quietschten dumpf, gaben Bellatrix freien Eintritt in die Höhle des Löwen, den sie just im selben Sekundenbruchteil wahr nahm und nutzte. Denn hielt sich die Schwarzhaarige, mit den geröteten Wangen, keinen Atemzug mit Schüchternheit auf, sich auf Tom zu stürzen und ihn in eine wackelige Umarmung zu verstricken, die ihn zum Torkeln brachte, dass er mit der Hüfte die Ecke des Schreibtisches striff und einen erstickten Schmerzenslaut von sich gab. „Es tut mir leid“, hauchte Bella, obgleich Riddle den Anlass ihrer Entschuldigung nicht wirklich nachvollziehen konnte. Die Arme von sich gestreckt, schenkte er der Hexe einen vollkommen verwirrten Lidaufschlag, bevor sich seine Hände an ihre Oberarme klammerten, dass er sie mit sanfter Gewalt ein wenig von sich schieben konnte. Maß er ihr Gesicht, bemerkte Tom, dass sie geweint hatte. Irgendwie löste diese Erkenntnis nichts in ihm aus. Weder Mitleid, noch Gewissen. „Ich empfinde nichts für dich“ konfrontierte er Bellatrix schließlich mit der Wahrheit und erntete jäh ein schwaches Keuchen. Trotz allem, trotz dem Vorfall gerade unten im Kaminzimmer, konnte sich Riddle nicht vorstellen, dass die Hexe Gefühle für ihn hegte. Einmal abgesehen davon, dass sie ausgesprochen jung war, erinnerte er sich sehr wohl an ihre Reaktion bei ihrer ersten Begegnung. Er hatte für sich hingegen fest gestellt, dass sein Verlangen allein von seiner Männlichkeit her gesteuert wurde und rein gar nichts mit Gefühlsduselei zu tun hatte. Etwas anderes hätte den Schwarzmagier auch ungemein verunsichert. „Du machst mich geil. Das ist aber auch alles. Also geh und lass mich allein.“ Sie löste sich aus seinem Griff. Das Kinn auf der Brust, kniff sie die Lider aufeinander. Ihre vollen Lippen bebten so sehr, dass sie gezwungen war, sie zusammen zu pressen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie eine neuerliche Regung durchfuhr. „Es ... ist nicht deswegen.“ begann sie stockend. „Ich liebe dich nicht, falls du das denkst. Aber ich begehre deinen Geist und dein Genie... ich bewundere dich, wie niemand anderen.“ Die Farbe auf ihren Wangen wurde deutlicher. „Ich möchte einfach nur in deiner Nähe sein.“ Die Stirn gerunzelt, legte sich Toms Haupt ein wenig beiseite. „Und das ist ein Grund, so hysterisch zu sein? Wie reizend...“ „Nein!“, warf Bella schnell ein. „Nein... es ist... es ist wegen Rodolphus.“ „Du denkst an Lestrange, wenn du in meiner Nähe bist?“ Riddle klang beleidigt und war es auch. Keiner war besser als er, dass man in seiner Gegenwart an denjenigen einen Gedanken verschwendete. „Nein! Es ... Ich...“ , sie sammelte sich, schloß die Augen. „Ich werde ihn heiraten ...“ Schweigen. Die Worte erreichten Toms Denken nur mühselig. Heirat. Er verband mit diesem Brauch überhaupt nichts. Nichteinmal eine Erinnerung. Man muss nicht zwangsläufig verliebt sein, um zu heiraten – das hatte er oft genug an den Reinblütern gesehen. Die meisten waren es trotzdem. Wenn er sich Bellatrix so ansah, zählte sie nicht zu dieser auserkohrenen Sorte. „Oh.“, entwich es ihm darum überrascht. „Das ist... furchtbar“, fügte Riddle ironisch hinzu, als handelte es sich um eine nah gestandene Person, die soeben gestorben war. Ein scheues und trauriges Lächeln bahnte sich flüchtig über Bellas Mund. „Wir waren schon von Anfang an für einander bestimmt, wenn du weißt, was ich meine... ich mag ihn, das gebe ich zu. Aber er geht mir unheimlich auf die Nerven. Und ich befürchte, dass ich eine schlechte Ehefrau sein werde.“ Voldemort entrang sich ein kaltes Lachen. „Wie kommst du nur auf soetwas?“ „... weil... ich ein Freigeist bin.“ Sie wandte sich ab, zum Gehen. Tom hielt sie nicht auf. „... ich mache, was ich will. Und ich will einen Mann heiraten, den ich ehrlich liebe...“ Riddles versteifte sich unweigerlich ein wenig. Er mochte dieses Thema nicht. Es ergab für ihn keinen Sinn. „Liebe ist die Lüge der Realität, Bella.“ entgegnete er deshalb tonlos und schenkte seinerseits seinem unordentlichen Schreibtisch ein wenig mehr Aufmerksamkeit als ihr. Sein Blick glitt über geöffnete Briefe, leere Phiolen, seine Schreibfeder. „Sie macht blind und lässt Menschen seltsam unwirkliche Dinge tun.“ „Warst du schon mal - ?“ „Nein... denn ich bin kein solcher Schwächling.“ Peinliche Stille legte sich wie ein Tuch über ihre Häupter. Bella wirkte enttäuscht und müde, doch sie kam seiner Aufforderung nach und verließ, ohne ein Abschiedswort, seine Domäne. Es gab viele Grenzen im Leben. Hier war eine. Tom würde für sie nie ein richtiger Mann sein können, denn er besaß keine Gefühlswelt, noch gestand er sich Fehler oder Schwächen ein. Er war nicht wie die anderen. Er war ein Genie, mit dem Denken vernab der naiven Individuuen in seiner Umgebung. Keiner konnte ihn oder sein Handeln verstehen. Das depremierte von Zeit zu Zeit – wie auch jetzt, wo sich der hoch Gewachsene auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ und abermals in seiner Apathie versank. Keiner liebte ihn, denn er liebte von sich aus niemanden. Freilich hatte er es in jugendlichem Leichtsinn versucht – aber was brachte es, außer Kummer, Leid und Wut? Nichts... Riddle stieß das Tintenfass um, die Ellenbogen auf die Platte stütztend, damit er den Kopf in den Händen vergraben konnte. Vielleicht hatte Malfoy recht. Vielleicht war er nicht mehr er selbst. Möglicherweise war er sogar jemand komplett anderes. Es tangierte ihn nicht, denn so erreichte er seine Ziele: Das, was er schon immer wollte. Egal, ob er dafür Gewalt benötigte, oder nicht. Und er würde damit weiter machen. Er würde Dumbledore dem Erdboden gleich machen und sich Hogwarts nehmen wie eine Hure. Das Schloß gehörte ihm und wenn es nötig wäre, so würde er den Weg mit Leichen pflastern, um es zu bekommen. „Keiner kann mich jetzt noch aufhalten“, drangen Silben zwischen seinen Mundwinkeln hervor. „Nicht einmal ich selbst.“ Nagini betrachtete ihn besorgt aus großen, schwarzen Augen, erwiderte jedoch nichts. Ihr Meister war jetzt nicht in der Stimmung, mit ihr zu reden. Kapitel 32: Der letzte Tanz --------------------------- Das Wetter ließ es zu, dass sie sich im Freien versammelten. Es geschah nicht oft, weil der Aufwand nicht entdeckt zu werden sehr hoch war. Aber irgendwie hatte Tom heute Vormittag den spontanen Gedanken entwickelt, ein wenig frische und spätsommerliche Luft zu schnappen. Obgleich er die Jahreszeit an sich weniger mochte. So war die Abenddämmerung das perfekte Ambiente für das Treffen gewesen. Und nun standen sie dort in Little Hangleton, auf dem verlassenen und ungepflegten Friedhof von dem man auf das Haus seines Vaters blicken konnte, das fast trotzig über ihren Köpfen auf einem Vorsprung thronte, vereinsamte. Die ehemaligen Bewohner desselben lagen Tom wiederum in unmittelbarer Nähe zu Füßen wo sie, seiner Meinung nach, auch hin gehörten. Hass keimte in seinem kalten Herzen und er konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche; nicht wollend, dass seine Gefühle ihn übermannten und ihm die Show, beziehungsweise seine kostbare Zeit stahlen. Sie waren mittlerweile mehr geworden. Die Anzahl der Todesser war ins unermäßliche gestiegen, so erschien es dem Schwarzmagier jedenfalls. Und sie waren alle da. Viele noch jung und dumm. Bereit ihr Leben für ihn zu opfern. Andere aus einer Zeit lange vor dem Inneren Zirkel und dem Wahnsinn, dem sie sich gerade auslieferten. Abraxas Malfoy war nicht gekommen. Hingegen schien sich sein Sohn für das Vorgefallene zu schämen – aber machte er es Lucius zum Vorwurf, dass sein Vater so missraten war? Noch nicht, ziehmte sich der Glatzköpfige und gewährte dem Blonden einen Teil seiner Aufmerksamkeit indem er ihm einen Auftrag zu teilte der ihn automatisch zu eine Art Truppenführer der Neulinge beförderte. Seine Stimme war augenblicklich die einzige, die das weite Meer aus Grabsteinen zum vibrieren anregte und allen Anwesenden noch einmal die eigentliche Stille eines Friedhofs vermittelte: „Dank Severus haben wir in den letzten Tagen Informationen erhalten, die uns an einen Punkt bringen können, von dem wir jetzt noch träumen. Denn hat sich Snape dazu bereit erklärt, sich Albus Dumbledores sogenannter „Orden des Phoenix“ - Organisation anzuschließen und die Verantwortung eines Spions auf sich genommen. Wie er mir erzählte, war es für ihn nicht leicht den Anschein zu erwecken, kein Teil von uns zu sein. Seine Todesser-Karriere hatte sich schnell herum gesprochen. Umso mehr bin ich amüsiert über die Naivität des alten Mannes, Severus all seine kleinen Geheimnisse anzuvertrauen. Und letztlich auch mir.“ Tom lachte leise, ein paar stimmten mit ein. Er schlenderte in dem Kreis, den sie um ihn bildeten, auf und ab. Mit einem süffisanten Grinsen auf den schmalen Lippen fügte er hinzu: „Lord Voldemort wird seinen treuen Diener dafür auch dementsprechend entlohnen. Sofern der Plan, den ich mir erdacht habe, Früchte mit sich trägt.“ Das Lauschen erreichte seinen Höhepunkt. „Der Phoenixorden patroulliert nun schon seit einiger Zeit im Ministerium und bewacht bestimmte, muggelstämmige Magier die für uns interessant sein könnten. Da Dumbledore damit rechnet, dass wir das Zaubereiministerium angreifen, sollten wir ihm diesen Gefallen auch tun.“ Riddles Augenmerk glitt berechnend über die Menge an Anhängern hinweg. „Der Hintergrund dieser Herausforderung ist Dumbledores Tod.“ Es war weniger Entsetzen, mehr Panik, die wie eine Flutwelle über seinen Kopf hereinbrach und Tom zu ertränken drohte. Körper versteiften sich unweigerlich. Nur der ein oder andere wirkte fasziniert von dieser Idee, die sich ihr Meister aus den Fingern gesogen hatte. Ein Schemen stolperte vor und fiel heischend auf die Knie. „Herr, ich würde gerne derjenige sein, der Albus Dumbledore für euch tötet.“ Alle Augen richteten sich auf den Freiwilligen, doch Voldemort entrang sich nicht mehr als ein heißeres Kichern. Manchmal waren sie töricht, die Gefahr, die von ihm oder anderen ausging, nicht zu erkennen. Vor allem die jüngeren Todesser stürzten sich gerne Hals über Kopf in ihre „Abenteuer“ und verloren dabei das Wichtige aus ihrem Blickfeld. Das war schade. Denn zeigten sich potenzielle Gesichter in seinen gewachsenen Reihen. So zum Beispiel Regulus Black, der nur zugern im Dreck vor ihm kroch, um von ihm beachtet zu werden. Doch einmal abgesehen davon war der Junge nützlich. Unter anderem, weil sein Bruder ein Gegenspieler und damit Feind war. „Tötet soviel Menschen wie ihr wollt. Dumbledore gehört mir. Und sobald ich ihn dem Erdboden gleich gemacht habe, wird es niemanden mehr geben der mächtig genug ist, sich mir in den Weg zu stellen. Dann sind wir an unserem Ziel angekommen. Dann beginnt für uns ein neues Zeitalter.“ Tom trat auf Regulus zu und zog ihn etwas unwirsch auf die Füße zurück. „Es wird keine Muggelstämmigen mehr der Zauberei zugelassen. Die wirklich wertvollen Inhalte an Magie sollen fortan an Zauberschulen gelehrt werden. Das Zaubereiministerium handelt ganz nach meinem Belieben. Und wenn es soweit ist... zerstören wir die Muggel.“ Riddles Worte waren so klar und deutlich, so ruhig und bedacht, dass man den Irrsinn nur schwer daraus hervor hören konnte. Er lachte abermals und nun stimmten seine Gefolgsleute mit ein, dass ihr Getöße über die Gräber peitschte und sich in der Nacht verlor. Sie waren jetzt bereit, zum letzten Tanz aufzufordern. Zum Schluß tanzte man immer mit dem Tod. Doch das wusste Tom nicht, denn er war noch nie gestorben. Die Stimmung wurde nun ausgelassener und unter der Obhut ihres Herren begaben sich die Todesser in Richtung Haus der Gaunts. Ihre Menge rauschte wie derbe Schatten über die Wege, durch die kleinen Gässchen. Sie waren unsichtbar, umgeben von Magie die sie schützte. Keiner der Anwohner würde ihre Anwesenheit bemerken – und das war auch gut so. Tom lobte sich für diesen Geniestreich insgeheim selbst und unterdrückte ein Schmunzeln. Man brauchte keinen Tarnumhang oder andere Artefakte, um vor der Gegenwart buchstäblich zu verschwinden. Es reichte ein kleines Wissen an schwarzer Kunst, sich seine kühnsten Träume und Sehnsüchte zu erfüllen. Nur wenige trauen sich diesen Weg einzuschlagen. Voldemort besaß den nötigen Mut. Und er stellte es gerne zur Schau. Orion Black führte die Meute an und in das Kaminzimmer des Hauses, fackelte nicht lange, aus dem Stegreif eine kleine Feier herauf zu beschwören, die sofortigen Anklang fand. Und binnen Minuten sangen und johlten die Kerle über den bevorstehenden Ruhm, den sie ihrem Meister verdanken würden. Der Schwarzmagier schenkte dem Humbug nur einen Lidaufschlag, koppelte sich unbemerkt ab und folgte einem entlegenen Gang durch die Häuslichkeit, schließlich einer Treppe hinab in einen dunklen und feuchten Keller. Nichts hätte auf Anhieb darauf deuten lassen, dass sich dort ein kleines Verließ befand, in dem sogar jemand gefangen gehalten wurde. Erst beim Entfachen der Fackel, die an die steinerne Wand neben dem Treppenabsatz angebracht worden war, wurde die in sich kauernde Gestalt sichtbar. Ob sie immer noch bewusstlos war? Er bezweifelte die Möglichkeit. In diesen Gemäuern war es so kalt, dass einem der Schlaf und die Ohnmacht verwehrt wurden. Eine Qual, die ihr zustand, nachdem er sie bei ihrer Spionage erwischt hatte. Tom trat mit ausgreifenden und ruhigen Schritten an die Gitterstäbe. Abrupt zuckte die junge Frau erschrocken zusammen und versuchte sich noch ein Stückchen weiter in die Ecke der Zelle zu verkriechen. Es gelang ihr nicht. „Was wollt ihr von mir?“ keuchte sie mit rauer Stimme, ehe ihr selbige versagte. Sie hustet schwer und Riddle nahm an, dass sie erkältet war und fieberte. Was bei dem Temperatursturz, der hier herrschte, keine Verwunderung war. Das Gefängnis mit einem Wink seines gezückten Zauberstabes öffnend, verschaffte er sich ungebetenen Eintritt. Und die Türe hinter sich versiegelnd, kaum da er bei ihr war, schenkte er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Dorcas Meadowes“, sagte er langsam und ging vor ihr auf ein Knie. Dorcas erwiderte seinen Blick mit Angst und Abneigung. „Es ist bedauerlich, dass Sie nichts von der neuen Ära unserer Zeit spüren können. Ich hätte Ihnen diese Schmach gerne erspart. Aber Sie lassen mir keine andere Wahl.“ „Ihr seid krank“ Das Schwarz ihrer Augen vergrößerte sich, ihr Leib zitterte. Toms Mimik wurde härter und sich erhebend, bedrohte er sie mit seiner Waffe. Er wartete keinen Atemzug ab, um sie zu quälen. Hetzte ihr in dem geringen Abstand zueinander einen „Crucio“ auf den Hals, den sie schreiend kommentierte. Meadowes erbebte heftig, ihre trockene Haut riss, dass Blut daraus hervor sickerte. Es berührte Riddle überhaupt nicht. Warum? Die Frage hatte er schon lange aufgehört, sich zu stellen. Es machte keinen Sinn. Der hoch Gewachsene genoß ihre Schwäche in einer perversen Art und Weise. Auf der anderen Seite war er der Meinung, sie hatte es einfach nicht anders verdient. Voldemort ließ Doracs nur eine kurze Atempause. „Ob Dumbledore Ihre Abwesenheit auffallen wird? Ob er möglicherweise schon nach Ihnen sucht? Beschäftigen Sie diese Annahmen? Oh, ich bin mir sicher, er wird nach Ihnen suchen, Miss Meadowes. Aber er wird Sie nicht finden. Denn Sie sind hier.“ Ein neuerlicher Fluch sprühte aus der Spitze des Zauberstabes. Ihre Schreie hallten an den Wänden wider. Es befriedigte sein schwarzes Herz ungemein sie leiden zu sehen. Je weniger Mitglieder der Orden des Phoenix hatte, umso besser. Und wenn er sie alle einzeln auslöschen musste. Das war ihm gleich. Noch während er den Cruciatus aufrecht erhielt, sprach Tom weiter: „Mir so unbedacht ihre Gedanken und ihre Idendität anzuvertrauen war sehr leichtsinnig von Ihnen. Zumal es außerordentlicher Dummheit entsprach, mir in die Arme zu laufen. Was hatten Sie sich erhofft? Ich würde Sie gehen lassen? Ich hätte Mitleid oder Einsehen mit Ihnen? Meine Liebe... Lord Voldemort schenkt niemandem das Leben, wenn er so leichtfertig damit umgeht. Sie sind naiv. Sterben Sie mit dieser Gewissheit.“ Ja. Dorcas Meadowes hatte ihnen nachgeschnüffelt, hatte versucht zu seinen Todessern – zu ihm – in gewisser Hinsicht in Kontakt zu treten, um an Informationen für Dumbledore heran zu kommen. Aber es hatte nicht funktioniert. Dolohow hatte sie durchschaut und sie zu ihm gebracht. Jetzt war sie hier. Am Ende ihrer Reise – am falschen Ende wahrscheinlich. Doch sie hatte es so gewollt. „Avada Kedavra!“ Grünes Licht erhellte die Zelle. Dorcas' Körper fiel vornüber zu Boden. Sie war tot. Kapitel 33: Angriff ------------------- „Ich habe ihn noch nie so besorgt gesehen, wie die letzten Tage“ Remus' braunes Augenmerk war nachdenklich auf den hoch gewachsenen Mann vor ihm gerichtet, der schon seit einiger Zeit kein Wort mehr in ihrer Gegenwart verloren hatte. Den Kopf leicht neigend, schwiff sein Blick zu seinen Begleitern, die neben ihm auf der Bank saßen und seinen Ernst teilten. Sogar Sirius ersparte sich einen für ihn typischen Kommentar und konzentrierte sich wieder auf die Titelseite des Tagespropheten auf dem die Nachricht „Meadowes noch immer vermisst“ prangerte – nichts neues für sie. Dorcas war schon seit einer Woche verschwunden und vermutlich bereits tot. „Irgend jemand muss Voldemort doch die Information gegeben haben, dass Dorcas zu uns gehört.“ James lehnte sich auf der steinernen Sitzgelegenheit zurück und verschränkte die Arme über dem Kopf. „Ich meine, Dorcas war immer vorsichtig gewesen, wenn es darum ging sich nicht erwischen zu lassen. Außerdem war sie doch ständig mit Lily, dir und Snape unterwegs gewesen.“ „Und wenn doch?“ Sirius blinzelte über den Rand seiner Zeitung zu seinem besten Freund. „Ich weiß, dass du Snape verdächtigst, James. Das tue ich auch. Aber wenn Dorcas doch einen Fehler gemacht hat? Dumbledore vertraut der Hakennase. Er tut es immer noch. Sieh ihn dir doch an. Er hat nicht einmal den Verdacht geäußert, Snape könnte Dorcas verraten haben.“ „Würde er ihm nicht vertrauen, wäre er nicht hier. Zudem hätte es genauso gut jeden von uns treffen können.“ Sie starrten Remus an und er wusste, dass er recht hatte. Wieso sollte Dumbledore einen potenziellen Verräter im Orden des Phoenix aufnehmen? Das hätte keinen Sinn gemacht. Das hätte sie von innen heraus zerstört. Und soviel Naivität traute er dem Schulleiter nicht zu, obgleich er einen offensichtlichen Hang zum „Guten“ in Menschen hegte. Remus war da das beste Beispiel und er genoß Albus' Zuwendung – so wie es alle taten, die nach Gerüchten beurteilt wurden, oder einen unbegründet schlechten Ruf genossen. Der Braunhaarige seufzte schwer und wandte die Aufmerksamkeit von Dumbledore ab, der mit ruhigen Schritten das Atrium erkundete. Und obwohl seine Bewegungen denen eines alten Mannes glichen, der einen gemütlichen Rundgang unternahm, so war es klar, dass er Wache und Ausschau nach Todessern hielt. Es war eine gefährliche und unberechenbare Zeit, in die sie hinein geboren worden waren. Dabei waren sie noch jung, gerade mal volljährig und mussten mit Problemen auskommen, die sich andere, künftige Generationen nicht mehr vorstellen können würden. Ob sie den Kampf gegen Lord Voldemort siegreich beenden konnten? Wieviele mussten noch sterben? Der Gedanke quälte Remus am Meisten. Nicht auszudenken was mit ihren Familien passieren würde, wenn die Todesser an ihre Idenditäten heram kämen. Ihre Schutzzauber waren stark – doch konnten sie einen Schwarzmagier, wie er einer war, aufhalten? Lupin bezweifelte es. Er erhob sich aus seiner sitzenden Position, räkelte sich kaum merklich. „Ich muss gehen“, entrang sich ein elendes Murmeln in Richtung seiner Freunde. „Nicht, dass Greyback auch noch auf die Idee kommt, mich als Spion einzuordnen.“ Es war für den Werwolf immer eine Qual gewesen, sich mit seinen „Artgenossen“ auseinander zu setzen. Aber Albus zählte auf ihn und die Kontakte zum Untergrund, dass er das Verhältnis zwischen der Rasse und den Todessern im Auge behielt. Und momentan sah es nach einem Übertritt aus. Schwer für Lupin, dagegen zu halten. Fenrir Greyback ließ sich von seinem Hass leiten. Wie die meisten auf Voldemorts Seite. „Komm in einem Stück wieder, Moony“. Sirius' Blick war aufrichtig, aber der überhebliche Schalk, der sonst darin lag, war etwas stumpf geworden. Trotzdem kräuselten sich seine Mundwinkel zu einem bübischen Grinsen. „Jahh... nicht, dass wir dich vom Boden abkratzen müssen oder sowas in die Richtung“, fügte James hinzu und war daran, zu einem Handschlag auszuholen, als der belebte Eingangsbereich des Ministeriums von einem tösenden Knall erschüttert wurde. Hysterische Schreie drangen binnen von Sekunden an ihre Ohren. Viele der Menschen zerstreuten sich in der ausgreifenden Halle, um irgendwo Schutz zu finden. Lupin reagierte schnell, stieg auf die Sitzfläche der Bank und balancierte sich auf die Rückenlehne derselben, dass er einen einigermaßen groben Überblick über das Geschehen haben konnte. Die besondere Schärfe seiner Augen nahmen Dumbledore wahr, der sich mit jemandem zu duellieren schien. Der Schemen war allerdings zu sehr von den Schatten umhüllt, sodass er ihn nicht erkennen konnte. Doch die vermummten Gestalten, die sich durch den Ministeriumseingang zwängten und die roten Lichtblitze die ihre Zauberstäbe abfeuerten, erklärten alles von selbst. „Voldemort“ quittierte der Braunhaarige deshalb und musste sich abrupt vor einem Fluch ducken, der haarscharf an seinem Kopf vorbei zischte und sich in die Wand hinter ihm vergrub, eine kleine Explosion auslöste, die ihn von seiner Aussicht und auf den harten Marmorboden warf, von dem er sich nur mühsam in eine hockende Stellung abrollen konnte. James und Sirius hatten längst gehandelt. Die Waffen gezogen, versuchten sie einerseits die Unschuldigen aus der Schußlinie zu befördern, sich andererseits zu den Feinden durch zu schlagen. In seinem Leichtsinn rappelte sich Remus auf, um ihnen zu folgen und den Zauberstab ebenso gezückt, bahnte er sich mit erhobenen Ellenbogen einen Weg zu den Angreifern. Wahrscheinlich waren die Notausgänge, die beim Wiederaufbau doppelt berücksichtigt worden waren, längst verstopft. Wie lange würde es dauern, alle in Sicherheit zu bringen? Zweifel verstärkte Remus' Drang zu helfen und weil die Masse vor dem Eingang abnahm und sie fast auf einer freien Ebene standen, wagte der Werwolf eine Reaktion und blockte einen Zauber mit dem eigenen. Der Todesser war überrascht und auch die anderen hielten in Anbetracht ihrer Gegner für einen Atemzug inne. Sie waren sich nun Auge in Auge gegenüber. Wo war Dumbledore? Ob er gegen Voldemort kämpfte? Sollte das das Ende sein, auf das sie insgeheim hofften? Der weiße Zauberer musste diesen Irren einfach in seine Schranken weisen... wenn nicht er, wer dann? Sein Atem ging schwer, seine Augenwinkel verengten sich. Sie erwiderten den Blick ihrer Feinde, fast ruhig und gelassen. Es war irrwitzig und doch todernst. Jemand würde hier heute sterben. „Nur Feiglinge verstecken sich hinter Masken“, hörte Remus James höhnen, der Sirius ein amüsiertes Lächeln schenkte. Ja, so waren sie. Immer verbanden sie den Ernst mit einem Spiel, wie Kinder. So war die Realität angenehmer. Er, Lupin, hatte das noch nie gekonnt. „Richtig, James. Feiglinge, die nicht den Mut besitzen ihren Feinden ihre Gesichter zu zeigen, weil sie in Wahrheit gar nicht zu ihren Taten stehen. Schon komisch, dass sich solche Witzfiguren hier überhaupt hinein trauen. Schauen aus, als wären sie einem billigen Märchen entsprungen.“ „Es ist das eine, zu einer Sache zu stehen. Das andere, sie zu akzeptieren, Sirius“, rang sich eine Frauenstimme durch und der Schwarzhaarige erstarrte. Bellatrix nahm die Totenkopfmaske ab und fixierte ihren Cousin prombt mit einem Lidaufschlag, der kälter nicht hätte sein können. „Du!“ Blacks Ausruf war mehr Hohn als Überraschung. „Du! Bei diesem Wahnsinnigen! ... Ja, Bella. Da passt du rein. Hast du endlich einen Idioten gefunden, der dich durchfüttert, eh?“ „Du hast keine Ahnung, Sirius. Du hast keine Ahnung von der Macht des Dunklen Lords. Ihr bekämpft jemanden, der unbezwingbar ist. Ihr versteht seine Prinzipien nicht und das macht euch Angst. Darum kämpft ihr auch gegen uns, anstatt euch mit ihm zu verbünden. Aber was verschwende ich meine Zeit an einen Blutsverräter? So wie du deinen Weg gewählt hast, habe ich meinen gewählt, Cousin.“ Die Hexe schmunzelte trocken, dann griff sie ohne weitere Vorwarnung an. Remus wusste, dass seine Freunde gute Duellanten waren. Darum mischte er sich in Sirius' Abwehr nicht ein, sondern attackierte seinerseits einen der anderen Maskierten, der seine Herausforderung annahm und ihn in einen heiklen und anstrengenden Kampf verstrickte. Das war die Gegenwart, schoß es ihm durch den Kopf, sich geleichsam dem Todesser widmend. Sein Kampf war die Verteidigung, was der Andere nach kurzem begriff und ihn umso härter ins Feuer nahm. Doch Lupin war zäh. Er war kein normaler Zauberer, sondern ein Wesen, eine Bestie. Seine Sinne waren denen eines Menschen bei weitem überlegen. Und er nutzte sie: Galant und grazil wich er fast jedem Fluch aus, der ihm entgegen geschleudert wurde. Nur vereinzelt bohrten sie sich in seine schmutzige Kleidung, zerrissen sie und schürften seine Haut. Als er seine Chance witterte, zwang er sich in eine tiefe Hocke, suchte halt auf dem Boden und stieß sich zu einem Sprung ab, der den Gegner aus dem Gleichgewicht brachte. Er riss den Todesser mit sich. Beim Aufprall verlor der Selbe seine Maske. Remus widerstand dem Drang, ihm ins Gesicht zu schlagen. Lucius Malfoy kniff die Augenlider aufeinander, geschlagen und gedemütigt. Von ihm ablassend, taumelte Lupin etwas vor ihm zurück. Zu sich den Kopf schüttelnd, wirkte er weniger überrascht, denn mehr enttäuscht. Malfoy war tatsächlich einer von denen. Den Blick durch das Atrium gleiten lassend, stockte er. James und Sirius waren ganz in seiner Nähe. Sie wurden eingekreist. Langsam und stetig kamen die Figuren Voldemorts näher auf sie zu, mit der Absicht sie ohne Reue zu töten. „Lasst es sein“, hörte er Bellatrix sprechen, die sich gut gegen ihren Cousin durch gesetzt haben musste. „Ihr seid nur zu dritt. Ihr werdet verlieren und sterben.“ „Hat dir niemand beigebracht, wie man richtig zählt?“ Alle wandten sich den Neuankömmlingen zu. Und tatsächlich. Dort standen Moody, Lily, die Longbottoms, der überragende Hagrid und einige der anderen Mitglieder des Ordens in Höhe des Brunnens. Die Aufzugtüren waren daran sich zu schließen. „Entschuldigt die Verspätung! Aber wir mussten noch ein paar Leben retten.“ Sie waren immer noch in der Unterzahl. Doch das hielt niemandem davon ab, den Kampf fortzufahren. Remus war sich jetzt sicher: Es war Krieg. Ein Krieg zwischen Gut und Böse. Kapitel 34: Licht und Schatten ------------------------------ Das Licht ihrer Zauberstäbe blendete sie und zwang sie mehrmals die Aufmerksamkeit voneinander abzuwenden. Trotzdem wollte keiner der Beiden Schwäche zeigen und so schossen sie im Überraschungsmoment allerlei Flüche aufeinander, die in der Luft zum Teil kollidierten und kleinere Explosionen zur Folge hatten. Die Umgebung litt unter der Stärke ihrer Macht, knickte ein, spaltete sie. Weder Tom noch Dumbledore nahmen Rücksicht darauf. Das einzig wichtige war den anderen auszuschalten, koste es, was es wolle. Genauso rücksichtslos bahnte sich Riddle seinen Weg zu dem Alten. Natürlich wurde er von Albus absichtlich in einen Bereich des Ministeriums gelockt, der weniger von unschuldigen Menschen betreten wurde und ihnen dadurch unweigerlich die Möglichkeit auftat, sich bis auf die Knochen zu verausgaben, ohne anderen dabei unnötigen Schaden zuzufügen. Voldemort war dieser Hintergedanke nicht entgangen und er spielte mit, für eine Weile. Einem grellen Blitz abrupt ausweichend, stieß Tom unglücklich mit dem Hinterkopf gegen die harte, gekachelte Wand, spürte den Schmerz, der sich binnen eines Atemzugs auszubreiten begann und musste kurz auf eine klare Sicht verzichten, die ihm einen weiteren und direkten Zauber in die Magengegend bescherte. Der Schwarzmagier keuchte, die Augen traten ihm aus den Höhlen und sein Körper krümmte sich unweigerlich in sich zusammen, nach Luft japsend, die aus seinen Lungen gepresst worden war. Ihm war, als hätte man ihm mit einer stählernen Faust in den Bauch geschlagen, seine Innereien gequetscht, dass sein Leib abermals Bekanntschaft mit der Wand in seinem Rücken schloss. Riddle taumelte in sich gekauert voran und rang mit sich nach einem festen Stand, um sich nicht der Blöße auszusetzen und in die Knie zu gehen. Ein feines und kaum merkliches Blutrinnsal schlängelte sich über seinen Mundwinkel, kitzelte ihn unwirsch. Tom ignorierte es. Was er weniger ignorieren konnte war die Gestalt, die sich vor ihm aufzubauen begann. Weißbärtig, hager und groß mit diesem stechenden Blick, dem Voldemort am liebsten widerstanden hätte. Schwerfällig in die Senkrechte zurück kehrend, wurde der Griff um den Hals seines Zauberstabes fester. Der Glatzköpfige war bereit zum nächsten Angriff – obgleich lädiert. Doch alles, was er von Dumbledore bekam war ein mitleidiger Lidaufschlag und ein resigniertes Seufzen. „Wie lange willst du das hier noch fortsetzen, Tom? Hast du nicht allmählich genug?“ Eine Musterung über sich ergehen lassend, blieb Riddle keine andere Wahl, als den Alten weitersprechen zu lassen. „Was ist nur aus dir geworden? Du bist nur noch ein Schatten deiner selbst.“ Was wollte der Schulleiter mit dieser Gefühlsduselei erreichen? Ein Gespräch etwa? Tom hatte Dumbledore in keinster Weise mehr mitzuteilen als für seine Ohren nötig. Dieser Narr musste sterben. Er stand ihm im Weg und hinderte ihn daran, seine Pläne zu verwirklichen. Was maß er sich also an, ihn derart dreist zu bevormunden? „Nenn. Mich. Nicht. Tom“, entgegnete der Schwarzmagier deshalb erzürnt gedehnt, unfähig sich unter dem stechenden Schmerz in seinem Bauch zu rühren. „Ich bin Lord Volde..-“ „Ich weiß für wen du dich hältst. Aber das bist nicht du. Lord Voldemort ist nur deine Mauer, Tom. Dein imaginäres Ich, das dich vor der Realität versucht zu beschützen. Sei vernünftig und gib auf… Bitte.“ „Wie kannst du es wagen…?“ „Hör auf mit deinem Leben zu spielen, Tom…“ „MEIN LEBEN IST NICHT DEIN PROBLEM!“ Er hatte nicht bemerkt, dass er schrie, ihm die Stimme darunter versagte und das Rot in seine Augen drang; stechend, wie niemals zuvor. Für einen Sekundenbruchteil glaubte er, einen Schatten der Angst über Dumbledores Gesicht huschen zu sehen, aber noch ehe er einen Gedanken daran verschwenden konnte, rafften seine Knie die letzten Kraftreserven zusammen, stürzte er sich auf seinen Gegner. Eine Hand um den Kragen seiner Kleider schließend, überwältigte er den alten Mann mit einem Ruck, um ihn letztlich von sich zu stoßen, dass er wankte und zu fallen drohte. Den Zauberstab erhoben, zögerte Voldemort keinen weiteren Atemzug, Albus zu verletzen. Und sein Fluch traf. Es war eine geballte Ladung an Energie, die nur schwach durch blaue Reflektion sichtbar wurde. Ihre Umgebung war am Beben. Kacheln brachen aus den Wänden und fielen gefährlich nahe an ihren Köpfen zu Boden, gesellten sich zu Scherben. Tom fühlte die Macht mit jeder Faser seines Leibes, wie sie sich auf seine Hände konzentrierte und sich unkontrolliert von ihm entfernte, um Chaos anzurichten. Er war sich über seine Kräfte bewusst, allerdings nicht über das Ausmaß an Zerstörung, das sie anrichten konnten. Genauso wenig über die Nachwirkung, wenn er sie unbedacht frei ließ. Und so geschah es, dass Riddle seiner eigenen Magie, seinem Hass, seiner Wut und seinem Wahnsinn unterlag. Dass sie Überhand erreichten und ihn von den Füßen rissen, ihn von Dumbledore trennten, von dem er sich nicht sicher war, ob er überhaupt noch lebte. Der Aufprall auf die Fließen war alles andere als angenehm. Benommenheit umfing ihn, gegen die er sich wehrte. Tom wusste nicht, wie viel Zeit verstrich in der in erster Linie gegen sich selbst kämpfte. Letztendlich klärte sich sein Blick jedoch. Und blinzelnd, empfing ihn ein kratzender Husten. Sein Körper war taub, seine Muskeln wollten nicht auf die Befehle seines Gehirns reagieren. Ein heißeres Stöhnen brachte seine Stimmbänder zum Vibrieren. Hatte er verloren? Es war weniger die Auseinandersetzung mit Dumbledore, die vor seinem inneren Auge erschien. Sondern vielmehr das Rangeln gegen sein eigenes Ich, seine Stärke, seine Präsenz: Gegen Lord Voldemort. Hatte er seinen Halt nun vollständig aufgegeben? War er ein schwarzer Magier, der den Rest seiner Menschlichkeit eingebüßt hatte, um unsterblich zu werden? „Du bereitest mir Sorgen“, flüsterte in weiter Ferne der alte Schulleiter, sein Mentor den er von Anfang an für seine falsche Güte und seine Bevormundung verachtete. Tom bemerkte ein Paar starker Hände, die ihn mit Mühe soweit hoch zogen, dass er knien konnte. Riddle wehrte sie ab, wollte keine Hilfe und schon gar nicht von jemandem wie ihm. Die Augenwinkel zusammen kneifend, sah er, dass Dumbledore ebenfalls mitgenommen war, blutete. Er hatte es nicht geschafft. Tom hatte Albus Dumbledore mit all seiner ungezügelten Macht nicht töten können. Ein tiefes, schwarzes Loch der Enttäuschung breitete sich seiner Magengegend aus. Alles umsonst. Das faltige Konterfei zwang sich zu einem traurigen Lächeln und hielt mit dem leeren Braun seiner Augen stand. Ob er sich jemals Vorwürfe darüber gemacht hat, ihm, Tom, den Posten an seiner Schule verwehrt zu haben? Ob er es bereute, ihm überhaupt gesagt zu haben, dass er ein Zauberer war? Riddle fühlte sich in Dumbledores Gegenwart stets wie der verlorene Sohn. Mit dem Unterschied, dass er nicht zurück kommen konnte, weil man ihn festhielt. Sondern weil er ganz einfach nicht wollte. Es war albern. „Ich bin davon überzeugt, dass du deine Fehler einsehen wirst, Tom. Du musst einfach nur bereuen. Zeige Reue und du bekommst eine zweite Chance. Verwirf den Rest deines Lebens nicht, in dem du anderen Menschen schaden zufügst. Das ist nicht deine Bestimmung.“ „Lass mich“, fauchte Voldemort leise und hörte weg. Die Allüren des Schulleiters haben noch nie Anklang bei ihm gefunden. Wahrscheinlich aus Gründen der Wahrheit. Albus‘ Züge verhärteten sich jäh und aufrappelnd, ging er ein wenig auf Abstand. Es war längst zu spät für Tom, sich Gedanken über ein anderes, besseres Leben zu machen. Er hatte seinen Weg gewählt und war stolz und auf eine absurde Weise glücklich damit. Der ehemalige Slytherin hatte Dinge erreicht, von denen andere nur träumen konnten. Hang zur schwarzen Magie hin oder her. Dumbledore war der erste und würde der einzige sein, der ihn derart bloßstellen konnte. Obgleich ihm nicht klar war, welche Kraft es ihm erlaubte, so stark zu sein. „Geh Tom. Geh und nimm deine falschen Freunde mit. Erwarte nicht noch einmal Gnade von mir.“ Diese Arroganz, schoss es dem hoch Gewachsenen durch den Kopf. Der Alte machte kehrt und ließ ihn, begleitet von einem Hinken, zurück, nahm das Licht, das ihn umgab mit sich, dass Riddle – wie eh und je – zwischen den Schatten verloren ging. Ob Dumbledore wirklich annahm, Tom gäbe sich geschlagen? Einen Augenblick verharrend, zwang sich Voldemort auf die Füße, hielt Ausschau nach seinem Zauberstab, den er mit einem „Accio“ zu sich beorderte. Vielleicht nicht heute oder morgen. Aber der Tag der Rache würde sie beide einholen und sie ein weiteres Mal fordern. Dafür würde er sorgen. Reue? Was war Reue? Warum sollte er annähernd bereuen, was er bedacht getan hatte? Die Annahme erschien ihm lächerlich. Seine Brust füllte sich mit Luft und blähte auf. „Deiner Gnaden, eh? Mach dich nicht größer, als du bist…“ verhallte es ungehört an den Trümmern, dem kahlen und schwarzen Stein. Tom fuhr sich mit dem Handrücken über die blutende Unterlippe, räusperte sich, um den Knoten in seinem Hals zu lösen. Es gab andere Sachen, um die er sich jetzt zu kümmern hatte. Kapitel 35: Nimmer mehr ----------------------- Anmerkung: Sooo... ersteinmal möchte ich mich für diese lange, lange, lange Wartezeit entschuldigen! Aber das RL hat mich die Tage eingeholt und mich partout nicht Schreiben lassen *g* Das hier ist vorerst das letzte Kapitel zu W I C K E D. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den vielen, aufmerksamen Lesern und die mich als Favoriten eingetragen haben. Ich wünsche euch fröhliche Weihnachten! Euer Riddle ### Jede Faser seines Körpers schmerzte. Er konnte die Rippen spüren, die gebrochen waren, denn sie raubten ihm den Atem. Seine Unterlippe blutete noch immer und verursachte einen unangenehm stählernen Geschmack im Mundwinkel. Toms linker Arm lahmte ein wenig, denn die Schulter war spürbar angeschlagen. Und wie er so verharrte und auf den Punkt stierte, an dem Dumbledore einige Augenblicke zuvor noch gestanden hatte, realisierte er, dass er unterlegen war und verloren hatte. Er hatte verloren, weil er nicht stark genug gewesen war, gegen seinen Gegner anzukommen. Dabei glaubte er, und tat es eigentlich noch immer, dass ihm niemand Schaden zufügen konnte. Es musste ein Fehler passiert sein. Ein Fehler in einem Plan, von dem er annahm, er wäre perfekt gewesen. Aber eine zufriedenstellende Lösung blieb aus und so zog Riddle seine Kleider enger um seine bebenden Schultern und trat den Rückweg an. Es war ein seltsames Gefühl, ein Schlachtfeld zu verlassen, das man eingebüßt hatte. Der Schwarzmagier erinnerte sich kaum an Gelegenheiten, an denen er nicht als Sieger hervor gegangen war. Zumeist waren eben jene Ereignisse Teil seiner und Albus‘ Vergangenheit. In seiner Gegenwart hatte er stets den kürzeren gezogen. Warum? Warum war das so und warum kam er gegen den Graubart nicht an? Was machte er falsch? Musste er ihn deshalb fürchten? Er war unsterblich, das wusste Dumbledore nicht. Vielleicht ahnte er es, aber was wollte er schon dagegen unternehmen? Voldemorts Stirn kräuselte sich leicht. Aus dem Entfernen war Kampfgetöse zu hören. Das Duell zwischen Licht und Schatten schlug sich fort. Wie es wohl um seine Todesser stand? Tom zweifelte weniger daran, dass sie keine Chance hatten, diesen Phoenixorden unter Kontrolle zu bringen. Trotzdem mischte sich zu dieser Erkenntnis ein fahler Beigeschmack. Und dabei handelte es sich nicht um das Blut auf seinen rauen Lippen. Man konnte so schnell alles verlieren. Wirklich begreifen tat der hoch Gewachsene das nicht, doch war die Realität momentan allgegenwärtig und zwang ihn kalt und herrisch in die Knie. Blinzelnd, blähten sich seine Nasenflügel, als er einen tiefen Atemzug nahm – den er daraufhin sofort wieder bereute, weil sich die Rippen beschwerten – und sich auf den Weg in das Atrium machte, um seine Kumpanen einzusammeln und die Auseinandersetzung zu beenden. Er wollte nicht mehr – er konnte nicht mehr. Sein Leib verzehrte sich nach Ruhe. In seinem Kopf schlug ein Hammer gegen seine Schläfen. Tom benötigte Zeit zum Nachdenken. Seine Schritte waren mühselig und langsam, fast schlürfend. Trotzdem umklammerten seine schmalen Finger den Zauberstab, als hätten sie noch lange nicht klein bei gegeben. Als wären sie bereit, sofort zu reagieren, wenn ein Zauber oder Fluch versuchten ihn zu treffen. Und die Situation war das pure Chaos. Farben aller Art wurden durch die Gegend geschleudert, vergruben sich im Boden, in den Wänden. Brachten das Gestein zum Splittern. Eine dichte Staubwolke hatte sich dadurch gebildet, umhüllte die einzelnen Figuren, die von einer Seite zur anderen Sprangen, um neuen Angriffen auszuweichen, oder sie gegebenenfalls mit Gegenangriffen zu parieren. Beide Fraktionen hatten Verluste hinnehmen müssen, wie der Schwarzmagier mit einem tastenden Blick feststellte. Sie waren alle so dumm und töricht. So naiv. Es bedurfte nur seinem Auftreten zwischen den Fronten, der die Auseinandersetzung abrupt zum stoppen brachte. Aller Augen richteten sich auf ihn. Zum Teil verunsichert, zum Teil erzürnt und verhasst. Doch keiner wagte es, sich zu rühren, bis sich eine Gestalt los riss und durch den Mob auf ihn zukam. Das lange, silbrige Haar verriet sofort, dass es sich um Dumbledore handelte. Natürlich war er seinen Leuten zur Hilfe gekommen – und warum auch nicht? Hatte Tom etwas anderes erwartet? Dass er sie ihm Stich ließ? Er schalt sich insgeheim einen Narren. Das Rot seiner Augen wurde mit dem Näherkommen des Graubarts intensiver, der Griff um seine Waffe fester. „Nimm deine armseligen Gestalten und verschwinde von hier“, riet ihm Albus abermals wie in ihrer Zweisamkeit zuvor, diesmal war seine Stimme dunkler und drohender. Doch Voldemort machte keine Anstalten, der Aufforderung – dem Befehl? Folge zu leisten. Stattdessen sah er an dem Schulleiter vorbei in die Menge, betrachtete die verzerrten Fratzen, die seine Aufmerksamkeit fassungslos erwiderten. Aber natürlich starrten sie ihn so an. Die meisten von ihnen haben ihn noch nie gesehen. „Du!“ hallte schließlich eine kalte Stimme von den kahlen Wänden wider. Kaum, da jemand begreifen konnte, was in den nächsten Sekunden geschah, befreite sich ein kleinwüchsiger Mann aus der Mitte der Meute und lief mit erhobenem Zauberstab auf Voldemort und Dumbledore zu. Aus einer abwehrenden Reaktion heraus, griff Tom den Zauberer an. Er bemerkte dabei nicht einmal, dass sich seine Lippen bewegten, noch hätte er im Nachhinein sagen können, welchen Zauber er benutzt hatte. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Als das blaue Licht den Körper des Anderen traf, war er gezwungen in der Bewegung inne zu halten, ehe sich Bauch und Gesicht blähten und er, begleitet von einem wässrigen Geräusch, implodierte. Körperteile, Organe verstreuten sich in sämtliche Richtungen. Blut spritzte und benetzte ihre Kleider, ihre Leiber. Die meisten wandten sich von dem Anblick ab, hoben schützend die Arme vor das Gesicht. Moody rief einen Namen, der im Krawall unterging. Benjy Frenwick. Hysterie brach aus. Was hatte er getan? Sich gewehrt? Absichtlich provoziert? Riddles Nerven erbebten und ließen ihm keine Zeit, das aktuelle Geschehen klar zu verfolgen. Albus’ Züge waren mit einem Mal bleich, Übelkeit zeichnete sich ab. Die Mitglieder des Ordens stürzten sich beinah in einer Traube auf den Ermordeten. Alle außer Dumbledore, der nun daran war in einer unüberlegten Handlung Riddle mit einem Fluch zu bestrafen, der aus jener nächsten Näher sicher tödlich hätte enden können. Allerdings würde er sein Ziel nie erreichen. Der Alte stockte, taumelte voran, verlor das Gleichgewicht und stürzte, noch bevor die Magie seine Lippen verließ. Keuchend, die Augenwinkel zum Anschlag aufgerissen, war Tom wie paralysiert. Nicht zuletzt, da das Geschehene und Folgende so ungemein schnell passierte. Zu schnell, um es in der aufgezwungenen Geschwindigkeit zu bremsen. Hatte ihm jemand geholfen? Und wer? Den Kopf drehend, blickte Riddle in die unsichere Mimik seines verlässlichen und zugleich verräterischen Freundes: Abraxas Malfoy, der seinen Zauberstab erhoben hielt. Der Blonde eilte auf ihn zu, griff unwirsch nach seinem Arm und zog ihn mit sich. „Komm schon!“ Und so nutzte er die anhaltende Schwäche Voldemorts, zerrte ihn an einen der vielen Kamine und verschwand unter knisternden grünem Feuer aus der Szenerie. Von der rotierenden Bewegung wurde ihm schlecht, das Pochen zwischen seinen Schläfen stärker, ehe sie aus einem anderen Kaminloch katapultiert wurden, rußig und besiegt auf dem Boden des Zimmers aufschlugen. Benommenheit schlich sich über Toms Glieder empor und drohten ihn zu ersticken. Die Schmerzen seiner Rippen nahmen zu, er wollte sich übergeben. Abraxas war der erste, der zu sich fand, sich aufrappelte und ohne Umschweife Riddle mit sich zog, ihm eine schallende Ohrfeige verpasste, die ihn in das Hier und Jetzt zurück holte. Der Schwarzmagier wehrte sich, wollte den Blondschopf von sich stoßen, was ihm irgendwie nicht gelang. Malfoy schüttelte ihn unnachgiebig: „Was ist nur in dich gefahren?!“ „Lass mich…“ „Nein, Tom! Ich sehe nicht dabei zu, wie du leichtsinnig mit dir und deinem Leben umspringst!“ „Das geht dich nichts an…“ „Du hast einen Mann getötet, Tom! Du hast vor Dumbledores Augen einen seiner Männer einfach in die Luft gesprengt und sagst, es geht mich nichts an? Ich habe dich gesehen! Du bist besessen Tom! Besessen von deiner schwarzen Magie, die dich irgendwann noch umbringen wird!“ „Lass mich“, wiederholte der Nasenlose und schaffte es endlich, Abraxas Händen zu entweichen und nach mehreren unglücklichen Versuchen, auf seinen Füßen Halt zu finden. Wahrscheinlich war er noch nie so demoliert gewesen. Doch es zehrte an Riddle, dass er sich nichts Sehnlicheres wünschte, als einen sicheren Ort, um zu ruhen. Allein. In vollkommener Stille und Einsamkeit, wie er es immer tat. „… Du hast in meiner Gegenwart nichts mehr verloren, Abraxas. Ab jetzt sind wir keine Freunde mehr. Du bist ein Verräter und wie einen Verräter werde ich dich bestrafen. Früher oder später werde ich dich töten. Deine Allüren interessieren mich nicht. Was auch immer du im Ministerium versucht hast, zu tilgen. Deine Schuld bleibt. Du bist ein Nichts, Abraxas. Genau wie alle anderen. Erwarte keine Gnade von mir, nur weil du mich vor einem alten Mann mit Bart gerettet hast.“ Und noch ehe Malfoy auf Voldemorts Worte eingehen konnte, machte dieser kehrt, das Anwesen der Malfoys, in welchem sie sich wiedergefunden hatten, schleppend und beklommen zu verlassen. Der Schwarzmagier war längst aus der Türe verschwunden, bis sich Abraxas eine Bewegung erlaubte und auf einen der Sessel zurück sank, seine Kleider Asche und Dreck verteilten. Seine Bitte hatte keinen Anklang gefunden. Tom Riddle gab es nicht mehr. Er war jetzt wirklich und tatsächlich Lord Voldemort. Alle seine Bemühungen waren umsonst gewesen. Sein bester Freund, das verlorene Kind, wurde verschlungen von sich selbst. Und da kam Abraxas ein passender Vers in den Sinn. Nichts weiter als eine unbedeutende Zeile eines Gedichtes. Aber seine Lippen bewegten sich: „Und aus diesen schweren Schatten hebt sich meine Seele … Nimmer mehr“ Epilog: Epilog -------------- Die Nacht war dunkel und sternenlos, ihr Himmel verhangen, sodass der Mond keine Chance hatte, hindurch zu dringen, um die Landschaft zu erhellen. Die große Kirchturmuhr der Gemeinde Schlug im Gleichklang mit der Standuhr des beheizten Salonzimmers Mitternacht. Fünf Personen standen darin, es wurde kein einziges Wort gewechselt, was die Situation nur noch verschärfte und die Stimmung allgemein spannender machte. Eine der Figuren begann plötzlich unruhig in dem Zimmer auf und ab zu laufen und zog damit für einen Sekundenbruchteil die Aufmerksamkeit auf sich. Sie wirkte zerschlissen und mitgenommen, ihre Haare verfilzt, das Gesicht war dreckig und ausgemergelt. Doch in ihren Augen schimmerte ein unverkennbarer Wahnsinn, eine tiefe Überzeugung für ihr Dasein, ihre Existenz. Kaum, da sich einer der fünf durchgerungen hätte, etwas zu sagen, erbebte die Türklinke des Raumes unter einem deutlichen Gewicht, gefolgt von einem Aufschwung der Türe selbst, die für einen hoch gewachsenen Schatten platz machte, der plötzlich unter ihrem Rahmen erschienen war. Die Flammen der Kerzen zitterten wild und verdunkelten den Salon einen Atemzug lang vollkommen. In dieser Zeit war der Gast mit gemächlichen Schritten näher getreten und provokativ, wie demonstrativ in der Mitte der Räumlichkeit stehen geblieben. Seine Augen reflektierten in der Düsternis Dunkelrot. Pupillen schien er nicht zu besitzen, was seinen durchdringenden Blick nur noch kälter und toter erschienen ließ. Er war hager und hoch gewachsen. Seine langen, schlanken Finger rankten sich um das Stück Holz das er hielt und mit dem er abwesend ein wenig spielte, in dem er es zwischen den Kuppen rotieren ließ. Seine Mundwinkel zuckten in ein schwaches, fast ehrliches Lächeln und der Schatten, der auf seinem Gesicht lag, wanderte mit einer nickenden Kopfbewegung auf und ab. „Es ist schön, wieder bei euch zu sein“, entgegnete er der kleinen Gruppe leise, die in einer Bewegung eine tiefe Verbeugung andeutete. Noch bevor weitere Kommunikation möglich war, löste sich die Frau vor dem Kamin und stürzte auf Voldemort zu, um ihn hemmungslos in eine stürmische Umarmung zu ziehen, die den Schwarzmagier unweigerlich zum Taumeln veranlasste und den anderen den Atem raubte. Doch er ließ es geschehen, zwar ohne ihre Berührung zu erwidern, aber mit einem Lidaufschlag, der in jenem Moment nicht menschlicher hätte sein können. Abrupt begann die Hexe zu weinen, verfestigte ihren Griff ein wenig und vergrub das Gesicht tief in der Brust des anderen, bevor sie kraftlos auf den Boden zurück sank und die Stirn gegen seine Knie lehnte. Zu der Schwarzhaarigen gesellte sich eine Blonde. Narcissa war daran, Bellatrix zu sich zu ziehen, doch wehrte sich selbige deutlich und barsch. Und anstatt Vernunft walten zu lassen, kauerte sie sich an ihren Meister wie ein verloren gegangenes Schaf an seinen Hirten. „Du lebst“, hauchte sie ungläubig gegen den Stoff seines Mantels und sah letztlich zu ihm empor. „Was ist passiert? Wieso hast du uns allein gelassen?“ Neuerliche Härte versteinerte Toms Gesicht und über Bellatrix hinweg steigend, steuerte er einen der Sessel vor dem Kaminfeuer an, um sich zu setzen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er auf Bellas Fragen reagierte: „Ich bin mir nicht ganz sicher. Irgendetwas war schief gegangen, als ich diesen Jungen töten wollte. Dieses… Kind. Ein Säugling. Ich verstehe nicht, warum es mir nicht gelang. Aber die Folgen meines Scheiterns raubten mit beinahe das Leben.“ Die Augenwinkel verengend, biss sich Riddle kurz auf die Unterlippe: „Ich habe über 13 Jahre hinter mir, in denen ich nicht wusste ob ich schon tot bin. Und es war lediglich mein Wille, dem ich zu verdanken habe, jetzt hier zu sitzen.“ „Und ich wäre schon viel eher hier gewesen, wenn Harry Potter meine Pläne nicht ständig aus purem Glück zu Nichte gemacht hätte. Es ist mir unbegreiflich, wie ein Kind ohne nennenswerte Fähigkeiten den mächtigsten Magier der hiesigen Zeit immer und immer wieder in seine Schranken weisen konnte. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich habe in der Vergangenheit Fehler begangen, die mir nicht noch einmal passieren werden.“ Gespannt blinzelten sie Voldemort entgegen. Rodolphus und Lucius kamen ein wenig näher, was Riddles dazu bewegte, zu ihnen zu sehen. Lucius lange musternd, lehnte sich sein Kopf schließlich an der Stütze der Sitzgelegenheit: „Wo ist Abraxas?“ Malfoy stockte, räusperte sich dann unangenehm berührt und zögerte mit seiner Antwort, was Tom dazu veranlasste, eine Augenbraue an seiner Stirn empor zu ziehen: „Er ist tot, Herr. Schon seit 10 Jahren. Er ist an Drachenpocken gestorben.“ „Drachenpocken“, wiederholte Riddle langsam und verfiel für eine geraume Zeit in tiefes Schweigen. Er hatte Abraxas seit ihrer Auseinandersetzung, ihrer Trennung, an jenem Tag in diesem Haus nicht mehr gesehen. Nicht mehr sehen wollen. Für ihn war Malfoy ein Verräter an seinem eigenen Blut und es damit nicht wert, weiter Todesser zu sein – was selbiger ohnehin nicht mehr sein wollte. Dass er während seiner Abwesenheit verstorben war, kratzte dann allerdings schon ein wenig an einer Stelle in seinem Körper, wo vor Jahren einmal ein Herz gewesen sein musste. Er fühlte sich unweigerlich allein gelassen; neuerlich. Und wunderte sich einen Gedanken später schon gar nicht mehr darüber, denn war das normal. War es schon immer so gewesen. Ein bedauerndes Seufzen drang über Toms lippenlosen Mund. Er sah zu Bellatrix, die seinen Blick voll unterdrückter Leidenschaft erwiderte. Dann schloss er die Augen. Sie hatten viel zu tun. Sie mussten noch einmal ganz von vorn‘ beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)