wicked von kaprikorn (der dunkle Pfad zur Unsterblichkeit) ================================================================================ Kapitel 9: Sinn --------------- Die Stille Zeit war über die Wirklichkeit herein gebrochen. Wie man sofort feststellte, warf man einen Blick nach draußen auf die mit Schnee bedeckte, bergige Landschaft der Grafschaft, eine sehr hektische Angelegenheit. Zur Feier des angestrebten Weihnachtsfest waren Boten auf Besen unterwegs, die die bestellten Geschenke verteilten. Viele machten sich mittlerweile kaum mehr die Mühe, alle unnötigen und überflüssigen Bereicherungen unter eigenen Umständen mit nach Hause zu buchsieren, während dann fieberhaft überlegt werden musste, wo man die Habseligkeiten vor den neugierigen Kindern versteckte. Auch im Hause der Malfoys war diese Hektik zu spüren, die vom Grafen bis hin zum Hauselfen ausnahmslos alle mit einspannte. Einzig Tom ließ sich von der bevorstehenden Familientradition nicht aus der Ruhe bringen. Tatsächlich empfand er es für nichtig, ebenfalls kleine Präsente einzukaufen. Das hatte mehrere Gründe: Zum einen hatte er nicht ausreichend Geld, um alle Leute die er kannte und einigermaßen schätzte zu beschenken. Zum anderen verabscheute er Weihnachten mindestens genauso so sehr wie seinen darauf folgenden Geburtstag. Und außerdem fand er, dass keiner seiner anderen Bekannten auch nur ansatzweise eine Gabe verdient hatte. Denn waren es zum Großteil alles Heuchler, die nur neidisch auf seine experimentellen Erfolge waren und sich in seinem Ansehen wälzen und baden wollten, so glaubte er, um auch einen Hauch von Ruhm zu ergattern. Solche Schmarotzer bekamen in der Regel nur eine Quittung. Doch konnte die weihnachtliche Stimmung sogar den Schwarzmagier ein wenig besänftigen, dass er die Dinge, die augenblicklich um ihn herum geschahen, kurzfristig aus einem anderen Blickwinkel betrachtete. Und so ließ er sich eines späteren Nachmittags dazu hinreißen, das schützende Haus Abraxas' zu verlassen und die Winkelgasse im Herzen Londons aufzusuchen, mit dem unüberlegt spontanen Hirngespinst, Bellatrix die Ehre einer kleinen, sehr unscheinbaren Aufmerksamkeit zu erweisen. Im Nachhinein sollte Riddle erfahren, dass es besser sein würde, zukünftig seine Prinzipien bis auf den letzten Mann (in diesem Fall die letzte Frau) stur aufrecht zu erhalten. Denn gestaltete sich der Aufenthalt zwischen herumirrenden Volltrotteln, die für ihre eigene Festlichkeit noch Accessoires besorgten, als nervenaufreibend. Im Grunde kannte er die Hexe, wenn es sich rechnete, zwei Wochen. Trotzdem konnte er sich dem Gefühl nicht entreißen, dass es ein Akt der Höflichkeit darstellte ihr etwas zukommen zu lassen. Sie musste ja nicht wissen, dass es von ihm stammte. Hauptsache, diese Leere in seiner Magengegend füllte sich, unabhängig des Essens. So zog er die Kapuze dichter in sein Gesicht und zwängte sich an den Menschenmassen vorbei, die vor jedem Schaufenster gafften und sich lauthals über die kommenden Feiertage unterhielten. Es war ihm fast so, als sähe ihn keiner derer, die ihn streiften. Diese Vermutung fraß sich in seinen Geist, setzte sich fest und je länger er sie wahrnahm, umso sympathischer wurde sie ihm. Unsichtbarkeit wäre ein gelungenes Finale für seinen ersten Akt. Die Kälte und das Gedränge leiteten Tom direkt in eines der kleinen Geschäfte. Das Glöckchen bimmelte aufgeregt, wurde von dem herrischen Stimmengewirr aber übertönt, sodass der hoch Gewachsene auf Anhieb etwas verloren unter dem Türrahmen stand. Es dauerte eine ganze Weile, bis eine der Verkäuferinnen ihn bemerkte und eilenden Schrittes auf ihn zukam. Verwunderung breitete sich auf ihren Zügen aus, als er kein Wort des Grußes oder seines Daseins sprach, noch seine Vermummung ablegte. „Kann ich Ihnen helfen, Sir?", fragte sie Riddle in einer piepsigen und aufgesetzt wirkenden Freundlichkeit, die sie perfekt zuvor einstudiert haben musste. Nachdenklich sondierte der Schwarzmagier den Raum und nahm die Eindrücke gemächlich in sich auf, die er barg. Seine Intuition hatte ihn in eines dieser unauffälligen Schmuckgeschäfte geführt, die es in London zu Hauf an jeder Straßenecke gab. Bravo Tom, hier findest du mit Sicherheit nur große Kleinigkeiten. Er unterdrückte ein Seufzen und schüttelte zu sich den Kopf. Die Mitarbeiterin hakte nach: „Sir? Suchen Sie etwas bestimmtes? Etwas für Ihre Frau?" Mühsig nahm er mit der Dame Blickkontakt auf. Blinzelnd, runzelte sich seine Stirn und trat unbedacht ein wenig weiter in den Laden hinein und somit auch in das Licht desselben. Die aufgestellten Kerzen flackerten unter seiner Bewegung bedrohlich und die Verkäuferin hielt den Atem an, als sie sein Gesicht unter der übergeworfenen Kapuze erblickte: leichenblass, ausgemergelt und nasenlos. Stille. Dann ein abruptes Aufschreien, hysterisches Kreischen seitens der Hexe in seiner Gegenwart. Voldemort riss überrascht die Augen auf, seine schmalen Pupillen weiteten sich vor aufkeimendem Entsetzen. „Halt den Mund!" spie er ihr in einem rauen Flüsterton und war binnen eines Sekundenbruchteils an ihrer Seite. Sein Arm legte sich um ihren Hals, seine Hand ergriff Widerstand an ihrem Kopf. Danach folgte ein widerliches Knacken, als es ihr Genick in Stücke riss und unter einer reißenden Bewegung brach. Der leblose Körper sank vor den Augen der Anwesenden zu Boden. Keiner schien die Situation wirklich begriffen zu haben. Am wenigsten er, Tom Riddle, der nur hier war, um ein Präsent zu ergaunern für eine Frau, die er ein wenig zu schätzen wusste. Noch bevor richtige Panik ausbrechen konnte, zückte er seine Waffe und tötete jeden derer, die ihm gegenüber standen und ihn anstarrten wie eine Ausgeburt der Hölle. Dann stürmte er mit hastenden Schritten aus dem Juwelier, tauchte unter in die Dunkelheit der anliegenden Gässchen und versuchte das Chaos, das hinter seinem Rücken auszubrechen begann, zu übergehen in dem er an etwas anderes dachte als an das, was ihm gerade widerfahren war. Der Bummel war vorbei, just in dem Augenblick da er nach Wiltshire disapparierte, wütend seine Behausung unter dem Dach des Anwesens aufsuchte und mit den Fäusten den wehrlosen Spiegel zertrümmerte, der ihm seine hässliche Fratze darlegte. Seine Stimme versagte unter dem Geschrei, das aus Riddles Kehle drang, seine Handrücken waren blutig und schmerzten, weil sich die Glassplitter hinein fraßen. Aber nichts konnte den wahren Schmerz überdecken, den er in sich spürte, der ausgelöst wurde durch die Reaktionen der Menschen auf ihn und sein Äußeres. Der Schmerz, dass sie in ihm nicht das sahen, was er sah: Sein Genie und was er im Stande war zu leisten. Sie degradierten ihn zu einem Monster, vielleicht sogar zu einer Laune der Natur. Die Mundwinkel verzerrt und mit Tränen in den Augen umklammerte er seinen Leib und sank an der Wand in die Scherben zu Boden. Die Beine angezogen lehnte sein kahler Kopf an der Tapete. Voldemort stierte abwesend vor sich her, kämpfte einen inneren Kampf mit sich selbst. Der Wut, die ihn beherrschte brachte ihn zum Zittern. Dann fand er einen Schuldigen, dem er den Sturz seines Fühlens zu verdanken hatte. Und er schob alles auf Weihnachten und die Liebe und seine Naivität, die ihn blindlinks von seinen Zielen abbringen wollte. Dafür hasste er sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)