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Lady Oscar

Eine Eisblume schmilzt
von

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Abschied

Oscar brauchte lange, um über den Tod der Königin hinweg zu kommen.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1794.

„André, ich werde von meinem Posten als Kommandant der Nationalgarde zurücktreten.“

Sie hatte Gabriel an der Hand und stand vor ihrem Pferd.

André kam überrascht hinzu.

„Ich möchte nichts mit dieser Politik zu tun haben, die in solcher Weise Willkür ausübt.“

André nahm Gabriel auf den Arm.

Gedankenverloren spielte sie mit Flanns Mähne.

„Robespierre wird zu radikal. Erst ließ man die Hébertisten hinrichten, dann die Dantonisten. Und trotzdem wird er zum Präsident des Konvents.“

André wusste nicht, was er sagen sollte.

„Allerdings gab es einen fehlgeschlagenen Anschlag auf ihn. Es sind nicht alle mit seinen radikalen Methoden einverstanden.“

André nahm Oscar in den Arm.

„Ich werde immer an deiner Seite sein und alle deine Entscheidungen akzeptieren.“

Sie küsste ihn.

„Ich möchte das Leben einer Frau an deiner Seite und nur an deiner Seite führen. Ich möchte keine Soldaten mehr befehligen müssen, um später ihre Hoffnungen zu enttäuschen, oder Versprechungen nicht einhalten zu können.“

Das war es also.

Immer noch jener schicksalhafte 16. Oktober 1973.

Leise fuhr Oscar fort.

„Außerdem wünsche ich mir noch ein Kind von dir, André.“

Nun war er völlig von der Rolle.

„Was? Ist das wahr?“

Er strahlte.

Gabriel schien die gute Laune seines Vaters zu bemerken und klatschte in die Hände.

Oscar musste lachen.

„Du wünschst dir wohl einen Spielkameraden?“

Sie ging zum Haus.

„Morgen werde ich meine Entscheidung den Soldaten mitteilen.“

Eschrocken blickte André ihr hinterher.

‚Morgen schon. Wie lange trägt sie diese Sache wohl schon mit sich herum?’
 

„Männer stillgestanden!“

Oscar schaute sich um.

„Ich möchte euch sagen, dass ich sehr stolz bin eine solche Truppe befehligen zu dürfen. Ich kann mich auf jeden von euch hundertprozentig verlassen. Ich weiß, dass ihr mir überall hin folgen würdet.“

Die Soldaten schauten sich unsicher an.

„Ich möchte euch heute bekannt geben, dass von nun an Girodelle euer neuer Kommandant sein wird.“

Entsetzte Blicke trafen Oscar.

Auch Girodelle wirkte völlig überfahren.

„Aber Kommandant, haben wir etwas falsch gemacht?“

Oscar schüttelte den Kopf.

„Nein, das habt ihr nicht.“

Girodelle hakte weiter nach.

„Ist etwas zu eurer Unzufriedenheit verlaufen.“

Wieder verneinte Oscar.

„Im Gegenteil, ihr handeltet immer zu meiner vollsten Zufriedenheit.“

Wehmütig blickte sie ihren Stellvertreter an.

„Bitte, ich …“

Tränen traten in ihre Augen.

„Ich war mit vollem Herzen Kommandant der Truppe. Ich hätte meine Leben für jeden von euch gegeben. Doch es gibt in meinem Leben zwei überaus wichtige Personen, denen das Herz brechen würde, wenn mir etwas zustoße. Ich liebe André und meinen Sohn von ganzer Seele. Mit ihnen möchte ich den Rest meines Lebens verbringen. Ich bin doch nicht aus der Welt. Wenn ich darf, werde ich euch jederzeit in der Kaserne besuchen.“

Trotz des Verlustes ihres geliebten Kommandanten, hatten die Soldaten Verständnis für die Gefühle Oscars.

„Dann lasst uns aber wenigstens eine Ehrenvolle Verabschiedungszeremonie veranstalten.“

Oscar nickte.

„In Ordnung.“
 

Am 10. Mai wurde Oscar Francois de Jarjaye feierlich aus ihrem Amt verabschiedet.

Hunderte Menschen hatten sich auf dem Platz der Revolution versammelt, um dem Kommandanten der Nationalgarde die letzte Ehre zu bringen.

„Soldaten aufgesessen! Präsentiert das Gewehr! Für den Kommandanten den Kopf rechts!“

Girodelle gab ein letztes Mal die Anweisungen zur großen Truppeninspektion.

Die Soldaten ritten auf den Pferden an Oscar vorbei.

Wehmütig salutierte sie.

Wolken hingen am Himmel.

Plötzlich schob sich die Sonne hindurch und schien ihren Strahl direkt auf Oscar zu werfen und sie wie mit einem Heiligenschein zu umgeben.

Die Soldaten hielten den Atem an, so erschlagen waren sie von diesem Bild.

Nach der Inspektion hielt Oscar ihre letzte Ansprache an ihre Truppe.

„Nach dieser Truppeninspektion lege ich meinen Posten als Kommandant der französischen Nationalgarde nieder. Es war mir eine Ehre euch befehligen zu dürfen. Ein Kommandant kann sich keine bessere Truppe wünschen, als ich sie hatte. Ich habe euch blind vertraut. Und ich tue es immer noch.

Doch nun ist es an der Zeit mein Leben neu zu ordnen. Ich möchte meinem Ehemann eine gute Ehefrau und meinem kleinem Sohn eine gute Mutter sein. Ich habe lang mit dieser Entscheidung gerungen, kann sie jedoch mit gutem Gewissen treffen. Stets war ich bereit mein Leben für jeden einzelnen meiner Soldaten zu opfern. Mein Herz schlug für das Volk, das Gesetz und den König.“

Sie musste innehalten.

„Doch nun muss ich erkennen, dass ich mein Leben nicht mit reinem Gewissen opfern könnte. Denn dann müsste mein Sohn ohne Mutter aufwachsen. Und das könnte ich niemals verantworten.“

Sie senkte den Kopf.

„Ich hoffe, ihr versteht meine Beweggründe. Ihr könnt sicher sein, dass kein Soldat, der in dieser Truppe dient an meinem Weggang Schuld trägt. Es ist allein meine Entscheidung, die ich als Frau und Mutter getroffen habe.“

Sie zog ihren Degen.

„Es lebe die französische Nationalgarde!“

Jubelnder Applaus brach los.

Nach einer Weile schaffte es Oscar die Menge wieder zur Ruhe zu bringen.

„Mein Nachfolger wird Kommandant Girodelle, Stellvertreter Alain de Soisson.“

Sie übergab ihren Degen an Girodelle.

Dieser verneigte sich mit Tränen in den Augen.

„Es war mir und allen Soldaten eine große Freude und Ehre unter euch dienen zu dürfen. Ihr werdet immer unser Engel der Revolution bleiben.“

Gerührt sah Oscar in die Menge.

„Ich danke euch von Herzen.“

Die Soldaten hatten mit vielen Helfern ein rauschendes Fest organisiert, mit dem sie ihren geliebten Kommandanten verabschiedeten.

Noch lange bis in die Nacht feierten sie.

Es herrschte eine ausgelassene Stimmung.

Oscar wollte nicht, dass ihre Soldaten Trübsal bliesen.

Sie hatte ihnen versprochen immer für sie da zu sein.
 

Oscar genoss die Zeit, die sie nun für ihren Mann und ihren Sohn hatte.

Sie unternahmen viel mit Rosalie und Bernard, welche mittlerweile eine kleine Tochter Nicole Francois bekommen hatten.

Eines Tages waren Oscar und André bei Rosalie und Bernard zu Besuch.

„Mein Gott, es geht drunter und drüber in Paris.“

Bernard war besorgt.

„Das Revolutionstribunal hat einfach die Voruntersuchung und Verteidigung abgeschafft. Sie lassen einen Angeklagten kommen, hören sich an, was der Kläger zu sagen hat und entscheiden dann für Freispruch oder Todesurteil.

Es wurden schon hunderte Bürger auf diese Weise hingerichtet.“

Oscar zuckte zusammen.

„Das wusste ich gar nicht.“

„Ihr seid nicht mehr im Dienst.“

Bernard schaute sie entschuldigend an.

„Girodelle ist nicht mehr verpflichtet euch solch grausame Dinge zu erzählen. Er weiß, dass ihr euch nur Sorgen machen würdet.“

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Bernard mach auf.“

„Ah, Robert.“

Bernard ließ seinen Freund ein.

„André, du bist auch hier.“

Dieser nickte grüßend.

„Entschuldigt die Störung.“

Er wandte sich zu Rosalie und Oscar und lächelte.

„Oh, es ist schön zur Abwechslung mal einen erfreulichen Anblick zu haben.“

Doch gleich wurde er wieder ernst.

„Zu unserem Plan. Der Kommandant der Nationalgarde hat uns seine Hilfe und die seiner Truppen zugesichert.“

Oscar schaute André forschend an.

„Was geht hier vor?“

„Nichts…“

Bernard unterbrach ihn.

„Komm schon, sie hat es verdient, ebenfalls bescheid zu wissen. André, sie war einmal der Kommandant der Truppe.“

Resigniert zuckte André mit den Schultern.

„Wir planen einen Staatsstreich und den Sturz Robespierres. Man muss ihn stoppen! Die strenge staatliche Bevormundung durch die Kriegswirtschaft der Revolutionsregierung hat den Widerstand gegen Robespierre auch innerhalb der eigenen Reihen verstärkt. Die Siege der Revolution gegen äußere und innere Feinde lassen eine weitere Fortführung der bisherigen Politik nicht mehr notwendig erscheinen. Robespierre scheint nur noch der Diktator zu sein, der seine eigene Macht festigen will. Er hat ein fast totalitäres System errichtet, in dem alle, die etwas Falsches sagen einfach hingerichtet werden. Mit dem „Gesetz über die Verdächtigen“ hat die Revolution einen Punkt erreicht, wo sie beginnt ihre eigenen Kinder zu fressen.“

Oscar blieb der Mund offen stehen.

„Was?“

„Robespierre geht zu weit. Wir werden handeln, ihn im Nationalkonvent nicht zum Reden kommen lassen und ihn verhaften.“

„Und die Nationalgarde hilft euch dabei?“

Bernard nickte.

„Girodelle und Alain waren sofort bereit uns zu helfen. Sowohl mit Soldaten, als auch mit Waffen.“

Oscar wollte auffahren.

„Die Waffen werden wir wahrscheinlich gar nicht brauchen.“

Beschwichtigte André sie.

„Und wann soll das ganze stattfinden?“

fragte Oscar.

„Übermorgen.“

Antwortete Bernard.

Oscar runzelte die Stirn.

„Ein Staatsstreich also…“
 

Am 27. Juli zogen mehrere Truppen der Nationalgarde zum Rathaus. Unter einem unter Führung von Girodelle und zum andern unter Führung eines neuen Kommandanten namens Lafayette. Dort verhafteten sie Robespierre.

Im allgemeinen Gerangel löste sich plötzlich ein Schuss.

Girodelle, welcher Robespierre im Zwangsgriff hatte, wurde nach hinten geschleudert.

Robespierre krümmte sich am Boden.

Girodelle und Alain halfen ihm auf die Beine und bemerkten, dass sein Kiefer verletzt war.

Trotzdem warfen sie ihn in den Kerker.

Am nächsten Tag wurde er auf den Platz der Revolution geführt, wo er hingerichtet werden sollte.

Auch Oscar und André waren anwesend.

Girodelle stieß Robespierre die Stufen zur Guillotine hinauf.

Plötzlich sprang Saint-Just auf das Podest, befreite Robespierre und drückte ihm eine Pistole in die Hand.

Oscar blieb das Herz stehen.

Langsam hob Robespierre die Hand und zielte auf …

Saint-Just.

Dieser war starr vor Schreck.

„Was soll das? Ich habe euch befreit und ihr wollt mich zum Dank dafür erschießen?“

Robespierre schüttelte den Kopf.

„Nein, verschwindet lieber, sonst hat euch die Nationalgarde gleich in ihren Fängen.“

Hastig stolperte sein Retter die Stufen hinunter und ward nicht mehr gesehen.

Girodelle wollte seine Pistole ziehen und merkte, dass sie fehlte.

„Ihr sucht wohl etwas?“

Robespierre lachte hysterisch.

„Das ist eure. Mein Freund hat sie sich wohl ausgeliehen.“

Nun zielte er auf Girodelle.

„Niemand wird mich festnehmen, oder euer neuer Kommandant ist tot.“

Langsam ging er rückwärts zu den Stufen.

Oscar zog ihre Pistole.

André hielt sie fest.

„Was hast du vor?“

„Lass mich los, André.“

Oscar schob sich durch die Menge nach vorne.

„Ihr könnt in dem Getümmel sowieso nicht fliehen.“

Girodelle versuchte Zeit zu gewinnen, um seinen Soldaten die Möglichkeit zu geben sich unbemerkt an Robespierre zu schleichen.

Doch Robespierre durchschaute das Manöver.

Ein Schuss knallte.

Oscar war am Podest angelangt.

Girodelle sank getroffen zusammen.

Oscar schlich sich hinter Robespierre und hielt ihm die Pistole an die Schläfe.

„Ihr solltet jetzt besser die Pistole fallen lassen.“

Robespierre wurde bleich.

„Ihr?“

Oscar entwendete ihm die Pistole.

Mit Hilfe von Alain, der inzwischen zu ihnen gestoßen war, fesselten sie Robespierre und führten ihn auf das Podest.

Das Volk schrie:

„Tötet ihn! Tötet ihn!“

Und so wurde Maximilian de Robespierre an jenem Morgen hingerichtet.
 

Am 14. Mai 1795 gebar Oscar eine Tochter, Sophia-Marie.

Nach dem Tod Robespierres gab es am 22.August 1795 eine neue Verfassung (die insgesamt dritte), die wieder eine Gewaltenteilung brachte. Gewählt wurde wieder nach dem Zensuswahlrecht, die Exekutive bestand aus einem fünfköpfigen Direktorium.

Doch die militärische Lage war immer noch kritisch.

Dies änderte sich, als der junge korsische General Napoleon Bonaparte(1769-1821) dem Oberbefehl über das französische Heer in Oberitalien erhielt.

Am 5.Oktober konnte er einen royalistischen Aufstand niederschlagen.

Im Dezember wurde ein Waffenstillstand zwischen Frankreich und Österreich ausgehandelt.

Am 2.März 1796 wurde Napoleon Bonaparte zum General der Italien-Armee ernannt.

Oscar war glücklich mit André und ihren Kindern Gabriel Joseph und Sophia-Marie.

So hatten André und Oscar das Licht des Herzens gegenseitig entdeckt und leuchten lassen.

Vergessen waren jene schicksalhaften Jahre, in denen Schmerz und Leid ihren Alltag bestimmten.

Die Eisblume war geschmolzen und zu neuem Leben erblüht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Natasha
2008-08-17T19:35:58+00:00 17.08.2008 21:35
Na das ist aber eine wunderschöne FF. Dein Grundstein waren eher die geschichtlichen Hintergründe und so hast du wenig über Oscars Leben mit André und den Kids geschrieben, aber das ist auch OK. Ist auch mal was anderes. Hab das ehrlich gesagt mit ihrem Vater und ihren Tod nicht verstanden... Und auch dass sie trotz Schwangerschaft und später mit Kind ihren Dienst antrat, ist nicht so ganz glaubwürdig....
Mach aber auf jeden Fall so weiter.
Beide Daumen hoch!!!!
Gruß
Von: abgemeldet
2008-04-30T18:14:04+00:00 30.04.2008 20:14
Hallo!
Ehrlich gesagt, habe ich das gar nicht beachtet. Girodelle ist für mich eine Nebenfigur. Allerdings führen sie in der Takarazuka Revue in Japan gerade Oscar mit Girodelle als Hauptcharakter auf. Kannst ja mal reingucken. Gibts glaube schon als DVD, klar auf japanisch.
Danke für deinen Kommi.
Von: abgemeldet
2008-04-18T21:55:02+00:00 18.04.2008 23:55
eine tolle Ff die ich bereits zum zweiten mal gelesen habe! sehr informativ und gelungen. es kommt leider nicht zum schluss raus ob grodell stirbt-ich hoffe nicht!
schreib weiter!

glg
Von: abgemeldet
2008-01-15T21:45:10+00:00 15.01.2008 22:45
Danke, ich werde es mir überlegen ...
Von: abgemeldet
2008-01-11T20:37:34+00:00 11.01.2008 21:37
Boah...was eine hammergeile FF. Sowas hab ich ja überhaupt noch nie gelesen. Zumal es mir sehr gut gefällt, dass Oscar überlebt hat. Am Anfang gibts einen kleinen Kritikpunkt wegen der Sache mit Oscars Vater. Da bin ich nicht ganz durch gestiegen, was das sollte, aber gut. Informativ war deine FF auf jeden Fall. Ich kam mir vor wie im Geschichtsunterricht irgendwie. Aber das macht gar nichts, das war nämlich mein Lieblingsfach in der Schule und das nicht ohne Grund. Auf jeden fall ist die FF weltklasse. Die werd ich mir sicher noch öfter durchlesen.
Schreib mal noch ein paar. Du machst das wirklich klasse. Muss ich echt sagen *nick*.



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