Harte Zeiten von moko-chan (Dean+Sammy) ================================================================================ Kapitel 3: Ohne Worte --------------------- Sam glaubte nicht, dass Dean schon jemals so verletzt und gleichzeitig so wütend ausgesehen hatte. Er wollte sich entschuldigen, aber er wusste nicht wie. Es war nur Dean, bei dem er nicht die richtigen Worte fand. Ausgerechnet bei Dean, der immer auf ihn aufgepasst, alles für ihn getan hatte – absolut alles – und er entehrte das mit nur einem einzigen Satz. Wie konnte er so grausam sein? Der Moment, sich zu entschuldigen, zog vorbei, Dean goss sich Kaffee nach und verschanzte sich hinter seiner Tasse. Dass er nichts dazu sagte, war das deutlichste Zeichen, wie nahe ihm Sams Worte gegangen waren. Sam hätte sich ohrfeigen können. Sicher, Dean tat unbeeindruckt, aber Sam wusste, wann er im Innersten getroffen war und allein die Art, wie Dean mit gesenktem Blick vor sich hin starrte, war genug, ihn in Höllenqualen zu stürzen. Er konnte damit umgehen, wenn Dean genervt war – hey, Dean war immer genervt – oder wenn er sich mal wieder für Gottes Geschenk an die Frauenwelt hielt – auch nicht unbedingt selten der Fall – aber Dean unglücklich zu sehen, war zu viel. Er hatte es geschafft, den einen Menschen zu verletzen, der ihm alles bedeutete. Es wäre ihm weitaus lieber gewesen, wenn Dean ihn angeschrieen hätte. „Dean…“ Der Angesprochene reagierte nicht, aber Sam sah, wie seine Fingerknöchel an der Kaffeetasse weiß wurden, als er seinen Griff an ihr verkrampfte. Sam schluckte trocken. „Dean…“ Er bekam wieder keine Reaktion, also nahm er Dean kurzerhand die Tasse weg und weil er nicht wusste, was er sagen sollte, nahm er Deans Hand in seine und hielt sie fest. Kurz war er dankbar, dass man sie ohnehin für ein Paar hielt, aber auch das war im Prinzip egal. Er musste das jetzt in Ordnung bringen. Dean blickte erst auf ihre Hände, dann sah er ihm ins Gesicht und Sam wusste, wenn er jetzt feuchte Augen bekäme, würde Dean ihn für den Rest seines Lebens damit aufziehen. Es war ihm egal. „Warum heulst du denn jetzt?“, hörte er auch schon Deans spöttische Stimme und er lächelte erleichtert und blinzelte die aufsteigenden Tränen weg. „Weil du ein Idiot bist.“ Dean grinste. „Bitch.“ „Jerk.“, erwiderte Sam und ließ Deans Hand los. Ob alle Brüder so merkwürdige Rituale hatten? Dean eroberte seine Hand zurück und drückte sie sanft und Sam fiel wieder ein, was sie nach Seattle geführt hatte. Er hasste diesen Job. Dean setzte ein ausnehmend unangenehmes Grinsen auf und Sam wusste, dass er ihn bald noch mehr hassen würde. Den Job, nicht Dean – naja, vielleicht auch Beides. Dann deutete Dean auf seine Wange. Das konnte unmöglich sein Ernst sein. „Versöhnungsküsschen.“, flötete er und Sam hätte beinahe gelacht. Es war sein Ernst. Natürlich war es das. Sam wusste, dass Dean wusste, dass sein schlechtes Gewissen ihm nicht erlauben würde, die Aufforderung zu ignorieren. Er mochte einen etwas verdrehten Sinn für Schuld haben, aber er glaubte, er schuldete Dean diesen Triumph. Also beugte er sich über den Tisch und drückte Dean einen Kuss auf die Wange. Deans Haut war wesentlich weicher, als Sam sich das vorgestellt hatte. Merkwürdiger Gedanke. Wurde er jetzt schon genau so komisch wie Dean? Der gluckste zufrieden und wuschelte Sam durchs Haar, als er sich wieder gesetzt hatte. „Braver Sammy.“ Sam spürte seine Wangen heiß werden und fragte sich, warum zum Teufel Dean keinerlei Probleme mit dem zu haben schien, was sie hier taten! Er war immerhin derjenige gewesen, der sich zu Anfang gesträubt hatte wie eine Jungfrau vorm ersten Mal und jetzt – wo die Metapher schon mal etabliert war – konnte er glatt als Professionelle durchgehen. Mit Dean stimmte ganz eindeutig irgendetwas nicht. Wieso immer er? Wieso? Was hatte er, was Dean nicht hatte? Machte er irgendwas anders? „Du kannst wieder gucken, Sammy. Er hat sich umgedreht.“ Sam blickte unsicher von seinem Bier auf, blinzelte vorsichtig in Richtung Bar und hörte, wie Dean ihn leise auslachte. Wie schön, dass der das lustig fand. „Du musst aufhören, wie ein scheues Reh in die Welt zu blicken, dann lassen sie dich bestimmt in Ruhe.“, riet Dean ihm und Sam zuckte zusammen, als ihm der an diesem Abend dritte Kerl ein aufreizendes Grinsen schenkte und ihm fröhlich zuprostete. „Wenn sie mich aber nun mal die ganze Zeit anflirten!“, klagte er mutlos und war zum ersten Mal dankbar, als Dean den Arm um ihn legte und ihn an sich zog. Der tat das zwar vermutlich nicht unbedingt aus heldenhaften Gründen, aber so lange er sich nur hinter Deans starker Schulter verstecken konnte, wollte ihm das egal sein. Entweder war Seattle besonders reich an Homosexuellen, oder er hatte diesen Teil der Bevölkerung bisher erfolgreich ausgeblendet, weil er ihn in Ruhe gelassen hatte. Er war in den letzten Tagen so oft Zielscheibe lüsterner Blicke gewesen, dass er sich fühlte wie das sprichwörtliche Schäfchen unter Wölfen. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Dean sein Schäfer sein sollte. Der war ja eher ein Wolf im Schafspelz. Ok, das wurde jetzt langsam kompliziert. Sam stürzte sein Bier hinunter und als ihm mal wieder zugezwinkert wurde, blickte er trotzig in eine andere Richtung und lehnte seinen Kopf an Deans Schulter. Der tätschelte tröstend sein Knie – was nicht wirklich hilfreich war – und bestellte ihnen Beiden noch ein Bier. Sie waren jetzt schon fast eine Woche in Seattle und das Einzige, was sie bisher erreicht hatten, war Sam zum erklärten Star der hiesigen Schwulenszene zu machen. Vielleicht lag es an seinem Aussehen oder an seinen Welpenaugen, vielleicht lag es aber auch einfach nur an Dean, der ihn quasi nonstop bloßstellte. Egal, wo sie auch waren, die Welt musste erfahren, wie… romantisch… die vergangene Nacht doch gewesen sei. Und Sam konnte absolut nichts dagegen tun. Genau wie er nichts dagegen hatte tun können, dass Dean ihn am dritten Abend in Folge in diese Bar geschleppt hatte, um – wie Dean sich ausdrückte – die Öffentlichkeit an ihrem Glück teilhaben zu lassen. Sam griff nach der Bierflasche, noch bevor die Kellnerin Zeit hatte, sie vor ihn auf den Tisch zu stellen und er gab sie erst wieder aus der Hand, als sie leer war, um sich eine Neue zu nehmen. Anders wäre dieser Abend nicht zu ertragen gewesen. Er hatte sogar Angst, allein auf die verdammte Toilette zu gehen. Es war weit nach Mitternacht, als sie die Bar verließen und Dean verfluchte den Umstand, dass Sam so verdammt groß war. Danach verfluchte er sich selbst, dass er Sammy so viel hatte trinken lassen. Der hatte bestimmt noch gar nicht wieder genug Blut im Körper, um mit dem Alkohol fertig zu werden, den er in sich hinein geschüttet hatte. Er tat sein Möglichstes, den Jüngeren auf Kurs zu halten, aber das war nicht unbedingt einfach – Sam war nicht nur groß, betrunken war er außerdem stur wie ein Maulesel und er wollte partout nicht zurück zum Hotel. Dean konnte sich nicht ganz erklären, warum das so war – Sam hätte genau so gut Griechisch mit ihm sprechen können, so wie der sich im Moment artikulierte – aber großzügig wie er war, gönnte er Sammy einen kleinen Ausflug bei Mondschein und ging mit ihm zum Hafen. Dort angekommen setzte er Sam auf einer Bank ab, um eine Sekunde zu verschnaufen und ließ sich neben seinen strapaziösen Begleiter sinken. Sam neben ihm brabbelte irgendwas auf Griechisch und Dean schloss die Augen, ignorierte ihn und atmete tief durch. Es roch nach Salzwasser, nach Meer, er mochte diesen Geruch. Aus irgendeinem Grund gefiel es ihm in Seattle – auch wenn er wusste, dass Sam es kaum erwarten konnte, den Ort zu verlassen. Dean grinste. Sammy konnte so niedlich sein, wenn er sich schämte. Sammy hatte in der letzten Woche kaum etwas Anderes getan, als sich zu schämen. Die einzige Atempause davon hatte diesen Mittag stattgefunden. Aus irgendeinem ihm unbekannten Grund war Sam auf das eine Thema zu sprechen gekommen, das er wirklich verabscheute. Er hatte ihn gefragt, wer von ihnen Beiden adoptiert sei. Der Gedanke daran, dass sie keine Brüder waren zog ihm noch immer den Boden unter den Füßen weg. Wie kamen andere Kinder mit sowas klar? Gut, er war kein Kind mehr, aber jetzt wusste er nicht einmal, wessen Eltern Kind er nicht mehr war. Denn es war ganz bestimmt nicht Sam, der adoptiert worden war. Er hatte seine Mutter mit ihm schwanger gesehen – Sam war das leibliche Kind von Mary und John Winchester. Dean war derjenige, der plötzlich ohne einen festen Platz in der Welt dastand. Er seufzte leise und schüttelte den Kopf, wie um die nervigen Gedanken loszuwerden. Natürlich hatte er einen Platz in der Welt. Sein Platz war bei Sam. Es war seine Aufgabe, Sam zu beschützen. Wenn er sich das einfach nur oft genug sagte, ließ sogar der merkwürdige Schmerz in seiner Brust nach. Dean grinste geisterhaft. Sam hatte so merkwürdig reagiert, als er gehört hatte, dass es Dean sei, der adoptiert war. Er hatte überhaupt nicht erleichtert gewirkt. Typisch Sammy. Der war wahrscheinlich so sehr damit beschäftigt, sich Sorgen um ihn zu machen, dass er überhaupt nicht auf die Idee kam, sich für sich selbst zu freuen. Dabei gab es überhaupt nichts, worum er sich sorgen musste. Vielleicht sollte er ihm das einfach mal sagen. Sam würde das nie von allein begreifen, soviel stand fest. Dean hörte in der Ferne ein paar Möwen kreischen und wusste plötzlich, warum es ihm in Seattle gefiel. Er war schon einmal hier gewesen. Damals, als seine Welt noch nicht von Dämonen und Monstern bevölkert gewesen war, als Sammy noch drei Monate vor sich gehabt hatte, um auf die Welt zu kommen, die so viel gefährlicher war, als sie den Anschein hatte. Seine Eltern – er beschloss, sie nach wie vor so zu nennen – hatten diesen Ausflug gemacht, um ihn mit dem Gedanken zu versöhnen, dass er bald nicht mehr der Mittelpunkt ihrer kleinen Familie sein würde. Dean erinnerte sich grinsend daran, wie sie am Hafen gestanden hatten und John seine kleine Rede so vorsichtig wie möglich vom Stapel gelassen hatte. Sein Gesicht, als Dean ihm erzählt hatte, er könne es gar nicht erwarten, dass der kleine Bruder endlich käme – Dean hatte ihn nie wieder so lächeln sehen. Dean hatte sich immer auf Sammy gefreut, es wäre ihm gar nicht in den Sinn gekommen, das nicht zu tun. Und jetzt waren sie wieder gemeinsam hier. Sie waren Beide um Einiges gewachsen seit dem letzten Mal – ganz besonders Sammy – aber Dean sah noch immer keinen Anlass, Sams Existenz zu bereuen. Ohne Sam wäre sein Leben wahrscheinlich verdammt langweilig geworden. Sicher, er ging ihm manchmal gewaltig auf den Sack, aber im Prinzip war er froh, dass er ihn hatte. Dean nahm sich vor, Sam am nächsten Morgen – sobald der aufnahmefähig wäre – von diesem Ausflug zu erzählen. Nach diesem Abend verdiente Sam ein wenig Aufmunterung. Wie beliebt sein Kleiner doch war. Zum Glück hatte er ihn nicht allein zu den Toiletten gehen lassen. Das fehlte gerade noch, dass Sams Hintern ausgerechnet in Seattle defloriert wurde – nicht, dass es an irgendeinem anderen Ort besser gewesen wäre. Aber er würde schon auf Sammys Hintern Acht geben. Dean grunzte amüsiert. Es wurde langsam Zeit, dass sie diesen Job hinter sich brachten, seine Gedanken fingen an, merkwürdige Wege zu gehen. Vielleicht lag es aber auch einfach nur an der späten Stunde. Es musste schon nach drei Uhr morgens sein. Langsam wurde er wirklich verdammt müde. Aber eigentlich war er es doch gewöhnt, lange auf zu bleiben und mit wenig Schlaf auszukommen. Vielleicht machte das die Seeluft. Er sollte sich Sammy packen und zurück zum Hotel schleifen, egal was der davon halten mochte. Auf einen Betrunkenen musste er nun wirklich keine Rücksicht nehmen. Dean schreckte zusammen und blinzelte. Hatte er etwa geschlafen? Und wenn ja, was hatte ihn geweckt? Er wurde von einer kühlen Brise erfasst und schauderte und dann wusste er es. Sam war weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)