Filth von abgemeldet ([Fortsetzung zu "Wie früher..."]) ================================================================================ Kapitel 21: ------------ Die ganzen folgenden Tage verbringen wir miteinander, gehen ins Kino oder Shoppen oder einfach nur Spazieren, sitzen im Wohnzimmer und schauen uns eine DVD nach der anderen an, kuscheln, halten Händchen, küssen uns. Wir reden über alles und nichts, kein Wort darüber, was gerade zwischen uns passiert. Aber ich will es auch nicht ansprechen, möchte die kleine Seifenblase in der wir jetzt leben nicht zerstören. Doch nachts holt es mich ein, wenn du seelenruhig schlafend neben mir liegst – ein ungewohnter Anblick – und meine Gedanken zur Ruhe kommen, alle Bilder des Tages gleichzeitig auf mich einströmen. Aber besser so, als anders. Die Zweifel kann ich unterdrücken, die Ängste auch... größtenteils zumindest, denn es graut mir vor dem Tag, an dem sich die ganze Band wieder trifft. Werden wir es verheimlichen? Wir müssen. Was sollten wir sonst anderes tun? Sie würden nicht verstehen, was nicht einmal wir vermutlich verstehen. Eines Morgens sitzen wir wieder gemeinsam am Frühstückstisch. Es ist fast schon eine Art Ritual geworden, dass du einen Apfel aufschneidest, wenn du fertig bist mit dem essen, und wir jeder eine Hälfte davon nehmen. Das ist etwas, woran ich mich gewöhnen kann. Du hast eine Zeitung schräg vor dir aufgeschlagen auf dem Tisch liegen, es ist irgendein Boulevard-Blättchen. Den Artikel auf der Titelseite über Ayumi Hamasaki ignorierst du nur gekonnt. Es wundert mich ohnehin, dass du dir sowas kaufst. Ist es vielleicht einfach die Sehnsucht nach dieser Welt, nach der Bühne, den Leuten in dieser Branche? Wahrscheinlich. Doch dann wird dein Blick plötzlich starr, du vergisst das Brötchen in deiner Hand, lässt es fallen – mit der Unterseite nach unten, wie man es dank „Murphy's Law“ nicht anders erwarten würde – und presst die Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch ein schmaler Strich sind. Verwirrt sehe auch ich auf die bunte Überschrift: Die Wahrheit über Dir en grey's Trennung - eine Krankenpflegerin berichtet - Mir stockt der Atem. Das ist doch nicht das, was ich denke, dass es ist, oder? Mit zitternder Stimme bringe ich hervor: „Les mal vor... bitte.“ Das darf nicht sein. Das darf nicht sein. Das darf nicht sein. Das kann auch gar nicht sein. Oder etwa doch? Leise fängst du an. „'Es war ein heimtückisch geplanter Mord', erzählt uns Hana M., 38, Krankenpflegerin in einer Tokyoter Privatklinik für Psychische Erkrankungen, am vergangenen Wochenende. 'Nur sein Pech, dass es nicht geklappt hat, nicht wahr?' Die Rede ist von Dir en grey's Rhythmus-Gitarristen Die, 32. Laut Hana M. hat er im Mai vergangenen Jahres nach monatelangen wiederholten Vergewaltigungen des Sängers Kyo, 30 *, versucht diesen mit einer Schusswaffe zu töten. Die Schlagzeile ging durch die halbe Welt, doch wie wir uns erinnern war zu diesem Zeitpunkt die Rede von einem Attentat durch einen fanatischen Verehrer...'“ Du hältst inne, schließt die Augen, als müsstest du alles tun um irgendwie deine Beherrschung zu wahren. Und ich konnte es noch immer nicht glauben. Wie konnte das passieren? ...Schweigepflicht?... Wie soll ich reagieren? Wie wird das Management reagieren? Wie reagierst du? Das ist völlig verrückt. Es ist irre. Es ist unglaublich. Doch mein Unglauben schlägt bald schon in Panik um; Panik die mich zittern lässt, mir den Atem nimmt; eiskalte Schweißausbrüche; Übelkeit. Ich kenne das alles zur Genüge, aber nie traf es mich so unverhofft wie jetzt, so schmerzhaft, so überwältigend. Das schwarze Loch taucht wieder auf, dass schon damals immer erschien, als Yoshiki mit mir sprach. Und es wird größer und größer und droht nicht nur meine Erinnerungen zu verschlucken, sondern auch mich und alles in meinem Leben, was irgendwie von Bedeutung ist. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Obwohl ich versuche stark zu sein, es zu unterdrücken, so zu tun als wäre es okay, kann ich nach wenigen Minuten einfach nicht mehr anders, stehe auf und stürme ins Bad. Nicht einmal die Tür abzuschließen bringe ich fertig, bevor ich auch schon über der Kloschüssel hänge und mir wieder einmal die Seele aus dem Leib kotze, ohne etwas dagegen tun zu können. Alles dreht sich. Die Welt löst sich vor meinen Augen auf und ich habe nicht mehr die Kraft sie daran zu hindern. Ich will mich mit ihr auflösen, aber es geht nicht. Laut keuchend hocke ich da, jämmerlich und bemitleidenswert, aber wahrscheinlich habe ich Mitleid gar nicht verdient. Es geschieht mir doch nur zu Recht. Und warum siehst du mich so an? Los, mach mir Vorwürfe! Sag mir, dass du mich hasst! Tu irgendetwas, nur steh da nicht so ruhig im Türrahmen! Am liebsten hätte ich diese Worte laut geschrien, doch kein Ton kommt über meine rauen Lippen. Mein Rachen brennt, mein Magen schmerzt. Ich will nur noch verschwinden, einfach weg sein, irgendetwas um das alles nicht mehr miterleben zu müssen. Wieso muss jedes mal, wenn etwas richtig gut zu laufen scheint, etwas passieren, das alles wieder zerstört? Ja , ich weiß, weil ich es doch nicht besser verdiene! Zitternd rutsche ich ein Stück zurück an die Wand, mache mich so klein, wie möglich. Dann sind da deine Arme um meinen Körper und dein beruhigende Stimme, die Worte murmelt, deren Sinn ich gerade nicht begreifen kann oder will. Aber es ist auch egal, weil allein zählt, dass du hier bist und mich festhältst. Und in diesem Moment weiß ich, dass ich dich niemals wirklich verlieren kann. Dass du immer da sein wirst, egal, was ich dir antue, egal, was du mir antust, denn du kannst nicht ohne mit leben. Du liebst mich eben doch! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)