Fesseln der Liebe (?) von Animegirl_07 ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Höhle. Aya war bei ihnen, schwieg dennoch und ertrug die Schmerzen, so gut es ging. Immer wieder entrangen sich ihrer Kehle leise Klagelaute. Shinri schmerzte dieser Anblick. Er wollte ihr die Wunde nehmen und sie selber ertragen. Sie sollte in seinen Armen in Sicherheit sein, für immer. Doch war es zu gefährlich, ihr auf die Art seines Volkes zu helfen. Er konnte Jackin und Aya nicht in das Geheimnis einweihen. Shinri erkannte den Eingang zur Höhle, bevor sie Jackin auffiel. Seine Augen waren um einiges geschulter, als die der anderen. Es war sehr hilfreich. Nur mit dieser Fähigkeit konnte er Aya und Ria finden. Es war das erste Mal, dass er die Familie Zoma für etwas loben musste, denn eigentlich hasste er seine eigene Familie, aus der er stammte. Klitsch nass erreichten sie die Höhle. Das kalte Gestein hieß sie trocken willkommen. Sie gingen weit genug hinein, um nicht dem Wasser ausgesetzt zu sein, aber mieden das Innere der Höhle. Müde ließ sich Jackin auf den Boden sinken und lehnte sich gegen die unebene Steinwand. Ria lag weiterhin beschütz in seinen Armen. Es war unbequem, kühl und ihre Kleidung war feucht. Sie riskierten in diesem Moment eine Erkältung, aber es war eines der unwichtigeren Probleme. Viel mehr sorgten sich die beiden Jungs um Ayas Fuß und Rias Seele. Aya lag in Shinris schützenden Armen. Er drückte sie Besitz ergreifend und doch voller Zärtlichkeit an sich, als wolle er sie nie wieder gehen lassen; Er befürchtete, sie verlieren zu können, würde er es wagen. Zu gerne hätte er ihre Schmerzen gelindert, ihr den Schuh ausgezogen und sie auf seine Weise geheilt, auch wenn nicht vollständig. Sie benötigte in diesem Moment, mit dieser Verletzung, den Arzt seiner Familie. Wohl oder Übel musste er ihn besuchen, obwohl er es ungern tat. Immer wieder strich Shinris Hand beruhigend über Ayas brünette Haare. Die Liebkosung seiner Finger beruhigte sie und zeigte ihr, dass sie sich nun in Sicherheit befand. Sie kuschelte sich dichter an ihn. Sie konnte seine Wärme durch die nassen Sachen spüren und den ruhigen Herzschlag hören. “Shinri …”, begann sie zaghaft und ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauch des Windes. Dennoch vernahm er die Worte und schenkte ihr ein aufmunterndes und liebevolles Lächeln. Sofort breitete sich erneut eine wohlige Wärme in Ayas Herzen aus. Noch nie hatte sie ihn so lächeln sehen. Hatte er sich in dieser kurzen Zeit wegen des Unglücks verändert? “Ich … Danke für die Rettung.” Mehr brachte sie nicht hervor. Ihr war es peinlich, ihm danken zu müssen, nachdem sie geglaubt hatte, ihn zu hassen. Sie schürte eine Wut gegenüber sich selbst. Immer wieder hatte sie ihn verletzt, tief in seiner Seele, und er rettete sie rückhaltlos. Vielleicht steckte hinter seiner harten, unberechenbaren Schale ein liebenswürdiger, verletzlicher Kern? Shinri lächelte leise und beugte sich hinab. Er hauchte einen zarten Kuss auf Ayas nasse Stirn und strich erneut durch die feuchten Haare. Er genoss ihre Nähe, während sie nicht einen Finger rührte, um zu entkommen. Er hoffte, es wäre immer so, doch wusste er es besser. Ein harter Weg lag vor ihm und er würde ihn gehen, egal welche Gefahren auf ihn lauerten. “Solange es dir gut geht, ist mir alles andere egal”, flüsterte Shinri leise, sodass es in den Geräuschen des Unwetters und dem nächsten Donnergrollen unterging. Aya vernahm es nicht mehr, denn ihr waren die Augen bereits zugefallen. Sie verabschiedete sich still in einen ruhigen und tiefen Schlaf, geborgen in Shinris Armen. Jackin und Shinri wechselten einen Blick. Obwohl es eine günstige Zeit gewesen wäre, Fragen zu stellen, wusste Jackin es besser. Er wollte Shinri Ruhe und Zeit schenken, um nachzudenken und Ayas Gegenwart und Sicherheit zu genießen. Vor Kurzem hatten sie um das Leben beider Mädchen gebangt. Es grenzte an ein Wunder, dass es ihnen noch so gut ging. Diesen Moment mussten sie auskosten. Wer wusste, was noch auf sie wartete? Das Leben war viel zu kurz, um es mit sinnlosen Gesprächen zu vermiesen. Shinri lächelte ein weiteres Mal. Jackin hatte verstanden, um was es dem anderen ging. Es ging viel mehr daran, als bloß eine einfache Beziehung. Es ging um das Leben wichtiger Personen, die niemand ersetzten konnte. Shinri wollte Ayas Leben nicht in Gefahr bringen, indem er sie weiterhin alleine ließ. Jetzt, nachdem er sie gefunden hatte, war es seine Pflicht, sie zu beschützen. Vor seiner Familie und vor den Feinden seiner Familie. Es gab kaum ein Ort, an dem sie sicher sein konnte, außer bei ihm, auch wenn sie es nicht glauben wollte. Geistesabwesend strich Shinri über die braunen, feuchten Haare. Immer wieder ließ er die Finger darüber gleiten und hoffte, der Moment würde nie verfliegen. Doch er musste Aya helfen: Die Schmerzen vergingen nicht, würden sie nichts dagegen machen. Stundenlang saßen sie schweigend auf dem kalten Steinboden und beobachteten das Unwetter vor dem Höhleneingang. Sie warteten darauf, dass der Regen nachließ, damit sie ihren Weg fortsetzten konnten. In ihren Armen lagen die Mädchen, die für sie bestimmt worden waren, geborgen und beschützt. War das Schicksal bereit, ihnen endlich eine glückliche Zeit zu gewähren? Die nächsten Tage lagen im Ungewissen und beide ließen es auf sich zukommen. Jedem Feind würden sie strotzen. Am nächsten Morgen hatte das Unwetter nachgelassen und es fiel nur noch ein leichter Nieselregen hinab. Die Wolken begannen sich zu lichten. Die Lücken wurden immer größer und das Morgenlicht brach hindurch. Die Strahlen der Sonne wanderten über das Land; Sie erhellten es und erwärmten die Luft. Eine leichte Briese fegte durch die Baumkronen, warm und wohltuend. Im Wald suchten die Schatten ihren Unterschlupf, doch blieben sie nicht vom warmen Wild verschont. Der Morgen begann in friedlicher Stimmung. Die Vögel in den Baumkronen setzten ihr Lied an und die Tiere des Waldes begannen sich zu regen. Im Hauptgebäude der Heißen Quellen erwachten die ersten Schüler. Sie erfreuten sich am Anblick der hellen Landschaft. Der Gedanke an das Unwetter wurde sofort vertrieben von all der schönen Farbenpracht. Alle begannen damit, ihre Sachen einzupacken, begaben sich danach aber in den Speisesaal. Sie unterhielten sich munter. Es war der letzte Tag. Heute würden sie wieder nach Hause gehen. Nur einer Person schien die wunderschöne Natur nicht aufgefallen zu sein. Eine rothaarige Schönheit hatte sich im Gang positioniert und einige andere Mädchen gesellten sich zu ihr. “Ist das ärgerlich mit ihr! Wer braucht sie schon!”, flüsterte die Berry, das rothaarige Mädchen, aufgeregt. Ihre Mitschülerinnen stimmten ihr zu. „Ich verstehe Shinri echt nicht! Er könnte mich haben!“, schimpfte sie. „Was findet er nur an dieser Aya?“ Die anderen kicherten und antworteten ihr: „Er will doch nicht wirklich etwas von ihr. Nie und nimmer.“ Natürlich gefiel das Berry und sie zeigte ein zufriedenes Lächeln. „Was hast du jetzt vor?“, wollte eine ihrer Freundinnen wissen. „Natürlich werde ich morgen die Gelegenheit nutzen. Schließlich habe ich schon lange genug gewartet. Er wird mir gehören“, bestimmte Berry und die umstehenden Mädchen freuten sich genauso wie ihr. Es war jedem aufgefallen, wie gut Shinri aussah. Er war der hübscheste, der ihr je unter die Augen gekommen war. Ein kühler Held, der dem Word Coolness eine ganz neue Bedeutung gab. Er war ganz nach ihrem Geschmack und sie würde gewiss nicht tatenlos zusehen, wie Aya ihn ihr wegschnappte. Ihren Plan erhörte auch Nora, die sich hinter der nächsten Ecke versteckte, um nicht entdeckt zu werden. Sie schluckte schwer. Aya tat ihr jetzt schon leid. Shinri war ein sehr freundlicher Junge, wenn er nur wollte. Kurz vor dem Wochenende hatte der Zoma ihr freiwillig mit den Arbeiten im Schulhaus geholfen. Doch sie merkte auch, wie viel Aya ihm bedeutete. Kein anderes Mädchen würde er je so ansehen, wie sie. Sie musste die beiden warnen. Schnell eilte sie den Flur wieder zurück und zu Shinri und Jackins Zimmer. Es begegneten ihr einige aus ihrer Klasse, aber niemand schien sie wahr zu nehmen. Sie grüßte ein paar von ihnen, aber kaum jemand grüßte zurück. Höflich klopfte sie an die Tür, hinter der Shinris Zimmer lag, aber niemand antwortete. Sie wartete eine Weile, bevor sie es erneut ausprobierte. Wieder keine Antwort. Zögerlich öffnete sie die Tür und trat ein. Der Raum war leer. Weder Shinri noch Jackin befanden sich hier und die Betten sahen ordentlich aus. Entweder sie waren bereits im Speisesaal, oder sie waren diese Nacht überhaupt nicht hier gewesen. Panik überkam sie. Eilig blickte sie sich um, ob sie noch etwas anderes bemerkte, aber es gab keine Anzeichen. Schwer seufzend stand sie im Zimmer und überlegte, was sie noch machen sollte. Warten, bis sie wieder zurück kamen? In den Speisesaal gehen? Ihr wurde die Entscheidung abgenommen, als sie das Fenster hinter sich aufgehen hörte. Schnell wendete sie sich um und betrachtete den schwarz gefiederten Adler, der auf dem Fensterbrett saß. Das Federkleid war in verschiedenen Schwarztönen und sein dunkler Schnabel war spitz und gefährlich. Die intelligenten Augen sahen Nora wissend an, während das Mädchen leise auf ihn zulief. Es war, als erklang eine Stimme im inneren ihres Kopfes. Eine männliche, fremde Stimme. Melodisch wie das Zwitschern eines Vogels. Shinri kommt nicht. Shinri ist weg. Weg in Gefahr. Der Adler zwitscherte leise für sich und stieß sich dann vom Fensterbrett ab. Verwirrt starrte Nora hinterher. Shinri war weg. Das hieß, er befand sich im Wald und das schon die ganze Nacht über. Vielleicht waren sie sogar in Gefahr? Schnell schloss sie das Fenster und rannte den Flur entlang. Auf ihrem Weg stieß sie gegen Berry. „Hey, Brillenschlange! Was soll das?!“, schimpfte sie hinterher, aber Nora hatte keine Zeit und rannte wortlos weiter. Sie verließ das Gebäude und rannte sogar an Herr Heulsu weiter, nur mit einem kurzen „Guten Morgen“ auf den Lippen. Obwohl er ihr hinterher rief, sie solle nicht in den Wald gehen, ging sie weiter. Über sich konnte sie einen Flügelschlag vernehmen. Der Adler wies ihr den Weg und brachte sie durch den Wald. Sie stieg einen Hügel empor. Der Boden war wieder einigermaßen trocken und sicherer. Sie kam an einem Stein vorbei, auf dem eine Kerze stand und rannte weiter, denn der Adler machte keine Pause. Auf einmal erblickte sie jemand vor sich. Sie blieb stehen und starrte hinüber. Jackin lief ihr entgegen, in seinen Armen die schlafende Ria tragend. Schnell eilte Nora auf ihn zu. „Guten Morgen, Jackin!“, grüßte sie ihn eilig. „Geht es euch gut? Wo ist Shinri?“ Verwirrt blieb Jackin stehen und musterte das unauffällige Mädchen. „Woher weißt du, dass ich mit ihm unterwegs war?“, fragte er sie und sah sie etwas verblüfft an. „Der Ad-“, begann sie brach aber gleich wieder ab. Sie wollte ihm sagen, dass der Alder es ihr erzählt hatte, doch auf einmal war das schwarze Tier nirgends zu sehen. Sollte das etwa heißen, dass ihr Weg hier endete? Sollte sie überhaupt nicht nach Shinri sehen? „Ist er mit Aya unterwegs? Sie werden heute wohl nicht mehr kommen. Warte, ich begleite dich zurück.“ Mit einem Lächeln nahm Jackin das Angebot an und gemeinsam verließen sie den Wald schweigend. Jackin antwortete ihr nicht, was mit Shinri war. Er fand es selber etwas komisch. In der Nacht, als sie in der Höhle waren, fielen Jackin irgendwann selbst die Augen zu und als er dann aufwachte, waren sowohl Shinri als auch Aya nicht mehr hier. Das Einzige, was er vorfand, war einen schwarzen Adler und eine Stimme, die ihm verkündete, dass Shinri auf dem Weg zu einem Arzt war. Er würde auf Aya aufpassen. Doch aus einem unerklärlichen Grund glaubte Jackin, was er hörte. Er machte sich keine Sorgen, was mit Aya war, schließlich war Shinri bei ihr. Ja, der Zoma würde gewiss gut auf Aya aufpassen. Er brauchte sich also keine Sorgen zu machen. „Wie sollen wir es jetzt dem Lehrer klar machen?“, wollte Nora dann wissen, als sie aus dem Wald heraus kamen. Herr Heulsu stand draußen mit in paar anderen Schülern, während alle andern sich weiterhin drinnen vergnügten. „Eine gute Frage“, meinte Jackin etwas verlegen. „Ich glaube, ich bringe lieber Ria zuerst hinein.“ „Gut und ich spreche mit dem Lehrer. Ich komm dann nach“, entgegnete Nora dem und Jackin lächelte ihr dankbar zu. Wieso Nora sich so sehr für sie alle einsetzte, konnte sie nicht sagen, aber irgendwie erschien ihr es als das richtigste. Zögerlich ging sie auf den Lehrer zu, während Jackin mit Ria auf den Armen im Gebäude verschwand. Die anderen Schüler grinsten frech, als Nora dazu trat. Sie grüßte alle höflich, während sie sich etwas nervös an den Lehrer wandte. „Herr Heulsu. Könnte ich sie vielleicht kurz sprechen? Es … geht um Shinri.“ Sie schob sich nervös die Brille zurecht. Der Lehrer sah sie erstaunt an. „Shinri? Wenn du ihn suchst, wirst du ihn hier nicht finden. Er ist bereits nach Hause gefahren, gemeinsam mit Aya. Ihr ging es nicht gut.“ Verwirrt blinzelte Nora ein paar mal. Woher wusste Herr Heulsu das alles? Hatte er auch eine Nachricht von dem Adler bekommen? Wohl eher nicht. Sie beschloss aber, dass es so besser war und verabschiedete sich dankend. Eilig lief sie erneut durch die Flure. Zum Glück traf sie auf weniger Leute, wie beim letzten Mal. So schnell es ging und unbemerkt kam sie an Ayas Zimmer an. Höflich klopfte sie an und wartete auf Jackins Antwort. Kurz danach öffnete der blonde Junge ihr die Tür und bat sie herein. „Ria wird bald aufwachen. Was hat der Lehrer gesagt?“, wollte Jackin wissen, während er die Tür hinter Nora schloss. „Tja … er sagte mir, dass Shinri und Aya bereits vorgefahren waren. Ich glaube, hier läuft etwas ganz falsch.“ Erneut schob sie ihre Brille hurecht und knabberte geistesabwesend an ihren Fingernägeln. Jackin setzte sich auf die Matratze neben Ria und Nora nahm auf Ayas Bett Platz. Etwas nachdenklich rieb sich Jackin über das Gesicht und meinte dann: „Shinri ist allgemein etwas mysteriös, finde ich. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir es dabei belassen.“ Genau das selbe hatte auch Nora bereits gedacht. Sie nickte zustimmend. Etwas besseres wäre ihr nicht eingefallen. Dann stand sie auf. „Aber Aya wird ihre Sachen vermissen.“ Ayas ganze Sachen lagen noch über ihrem Bett. Also war Shinri nicht hierher gekommen. Eine verwirrende Sache, aber Nora und Jackin waren sich darüber einig, dass sie wohl nie eine Antwort darauf bekommen würden. Höflicherweise packte Nora Ayas Koffer zusammen, genauso wie die wenigen Sachen, die Ria rum liegen hat lassen. Jackin bedankte sich für ihre Hilfe, aber das Mädchen schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Du musst dich um Ria kümmern. Wenn du etwas von Aya und Shinri weißt, sag es mir bitte.“ So verging auch der letzte Tag in den Heißen Quellen und kurz nach dem Mittagessen wartete bereits der Bus auf sie. Herr Heulsu schien sich wirklich keine Sorgen um Shinri und Aya zu machen. Es kam allen Schülern merkwürdig vor und sie begannen deswegen auch zu tuscheln, aber niemand stellte Herr Heulsus Entscheidung in Frage. Nur Nora und Jackin wussten, dass sich etwas anderes dahinter verbarg. Vielleicht konnte Ria ihnen etwas genaueres dazu sagen, auch wenn sie die ganze Zeit über geschlafen hatte, so kannte sie Shinri um einiges besser. Es war Nachmittag und die Sonne schien noch immer weit über dem Wald. Doch an einer Stelle, tief in der Natur, drangen die Sonnenstrahlen nicht hervor. Laub und Moos bedeckten den Boden und die Äste der Bäume bargen Shinri in ihren großen Schatten. Sobald der Regen nachgelassen hatte, war er aufgebrochen. Weder Jackin noch Aya hatte er dabei bescheid gegeben, aber er hatte einen Adler zurück gelassen, der Jackin eine Nachricht überbringen sollte. Jeder Auserwählte konnte mit den Beschützern der Zomas telepatisch in Kontakt treten. Shinri hoffte nur, dass Jackin nicht nach ihm suchte. Der Wald war tückisch und gefährlich und Ria brauchte Jackin viel dringender. Eigentlich hatte Shinri die Entscheidung, hier her zu kommen, nur spontan getroffen. Während er über Aya gewacht hatte und Jackin langsam eingedöst war, war ihm das erste Mal aufgefallen, wo genau er sich befand. Dieser Wald war ihm sofort bekannt vorgekommen. Die Höhle, in der sie sich verschanzt hatten, war der ausschlaggebende Punkt gewesen. Es war eine wichtige Höhle und es war besser, wenn sich niemand tiefer hinein wagte. Auf der anderen Seite des Berges, tief im Wald, befand sich ein Haus. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, schließlich war es noch vor 6 Jahren wie sein zweites Zuhause für ihn gewesen. Erst der Tod einer geliebten Person hatte dies geändert. Mit 17 hatte er begonnen, gemeinsam mit Ria, durch das Land zu reisen. Hauptsache, er traf seinen Cousin nicht - welchen er seit damals verabscheute. Es war mehr ein Zufall, als er dann in die Stadt kam, in der auch Aya lebte. Er hatte ihre Anwesenheit sofort gespürt und er konnte nicht anders, als sie aufzusuchen, auch wenn er wusste, was das für ihr Leben bedeutete. Shinri war schon Meilenweit gekommen, als Aya sich regte. Er lief in einer langsameren Geschwindigkeit weiter und beobachtete das Mädchen, wie es müde ihre Augen aufschlug und blinzelte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, fuhr der Schmerz durch sie hindurch, wie ein loderndes Feuer. Aya biss die Zähne fest zusammen. Es dauerte eine Weile, bevor es sich wieder etwas legte. Mit verwirrten Blicken musterte sie die Umgebung. „Wo …?“, murmelte sie, brach aber ab. Sie erkannte, in welcher Situation sie war. Mit puderrotem Gesicht versuchte sie sich frei zu strampeln. Der Versuch erstarb gleich darauf, als erneut der Schmerz zurückkehrte. Aus besorgten Augen blickte Shinri das Mädchen in seinen Armen an, während er den vielen Bäumen geschickt auswich. „Wir sind auf den Weg zu einem Arzt“, erklärte er, denn auch wenn sie ihre Frage nicht zu Ende gestellt hatte, so wusste er doch, was sie wissen wollte. „Arzt?! Hier in dieser Gegend? Wie viel Uhr haben wir überhaupt?! Wo sind die anderen?! Sag bloß du hast mich gekidnappt!!!“, fauchte Aya und trommelte mit ihrer Faust auf Shinris Brust. Ihren Fuß wollte sie so wenig wie möglich bewegen. Ein Grinsen huschte auf die schmalen Lippen des Zomas, aber er sagte kein Wort und ertrug Ayas Beschimpfungen. Sie schimpfte ihn einen Stalker, einen Perversen, einen Betrüger und Lügner und zusätzlich noch einen Kidnapper. Alles mögliche, was ihr einfiel, warf sie ihm an den Kopf, bis sie außer Atem war. Danach war Shinri nur zum Lachen zumute. Obwohl sie sich laut aufregte, wusste er, dass sie ihn nicht ernsthaft beschimpfte. Viel mehr versuchte sie ihn so sehr zu verärgern, dass er keine Lust mehr auf sie hatte. Doch er würde nie gehen. Nicht ohne sie. „Sag doch auch mal was!“, zischte sie ihn an, als er noch immer nichts sagte und sein Lachen sich langsam legte. Ihre rehbraunen Augen funkelten verärgert und ihr Gesicht war zorngerötet, aber all die Wut konnte ihr Herzschlag nicht besänftigen. Es schlug nur für ihn. „Ich glaube, es ist alles gesagt“, scherzte Shinri. „Oder hast du noch etwas auf dem Herzen?“ „Du … Du …!“, begann sie, aber ihr fiel nichts ein, dass alles auf den Punkt gebracht hatte. Die Beleidigung blieb aus und sie verschränkte verärgert die Arme. Über die ganze Wut hatte sie ihren Schmerz vergessen und auch jetzt schien sie kaum daran denken zu müssen. Viel mehr versuchte sie Shinris Nähe nicht zu genießen. Die starken Arme, der wärmende Körper und die Geborgenheit, die er ausstrahlte. Egal, wie sehr sie sich über ihn ärgerte, ihre Gefühle konnte sie nicht umstimmen. „Jetzt mal ehrlich. Wo gehen wir jetzt wirklich hin?“, meinte Aya dann, nachdem sie die Stille zwischen ihnen nicht mehr aushielt. Shinri war mit ihr auf den Armen ein großes Stück gelaufen. Immer wieder sah sie Laub und Bäume. Bunte Blätter, die den Herbst bereits verkündeten. Sie war dem Zoma insgeheim dankbar, dass er sie trug. Mit ihrem schmerzenden Bein hätte sie die ganze Strecke nie und nimmer überstanden. Shinri sah Aya mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Zu einen Arzt. Immer noch.“ Natürlich war ihm klar, dass es für Aya seltsam sein musste einen Arzt inmitten eines Waldes aufzusuchen. Eigentlich zog es jeder Arzt vor, bei seinen Patienten zu Hausen. Da Aya ihn skeptisch ansah, brummte er: „Kann ich was dafür, dass er in einem Wald wohnt? Ich hoffe nur, dass er Zuhause ist.“ Aya schüttelte tadelnd den Kopf. „Hätte es denn nicht gereicht, wenn wir in der Stadt einen Arzt aufsuchen? So schlimm ist der Fuß nun auch wieder nicht!“ Um dies zu beweisen, wollte sie den Fuß heben und etwas hin und her schwenken, ließ es aber sofort sein, als erneut schmerzende Flammen durch ihren Körper fuhren. „Oh, doch. Es ist sogar schlimmer, als es aussieht und deine Ärzte wissen nicht, mit Verletzungen richtig umzugehen“, knurrte Shinri. „Auch wenn ich ungern zu ihn gehe.“ „Wieso tust du es dann?“, fragte Aya sarkastisch. „Wegen dir“, antwortete Shinri ruhig und sah sie mit seinen schwarzen Augen durchdringend an. Seine Worte trieben Aya erneut eine röte auf die Wangen und sie schwieg für eine kurze Weile, bis ihr ein anderes Gesprächsthema einfiel, mit dem sie sich und Shinri ablenken wollte. „Was war eigentlich mit Ria? Ich meine … sie war etwas komisch, als es begann zu regnen. Aber … als es dann blitzte. Ich mache mir Sorgen.“ Ein dankbares Lächeln zeichnete sich auf Shinris Lippen ab, als er Aya erneut musterte. Shinri hatte Sorge, dass Aya und Ria sich nie verstehen würden. Da Ria ihm so viel bedeutete, wie eine Schwester, wollte er nicht, dass sie und seine Zukünftige sich immer stritten. Doch wenn Aya sich jetzt wahrhaftig Sorgen um Ria machte, konnte es nur etwas gutes bedeuten. „Ihr geht es wieder besser, glaube mir. Mit Jackin an ihrer Seite, wir sie ganz schnell wieder auf die Beine kommen“, erklärte er. „Aber danke, dass du dir Sorgen um sie machst.“ Verlegen wand Aya ihren Blick ab. „Bild dir bloß nichts, darauf ein.“ Sie hätte zu gerne gewusst, was mit Ria los war. Irgendetwas war in ihrer Vergangenheit geschehen, nur was? „Was war in ihrer Vergangenheit? Weißt du es?“ Der Zoma lief weiterhin durch den Wald und um sie herum versank die Sonne langsam. Der Himmel färbte sich dunkelrot. Die Luft wurde kühler. Shinri schwieg eine Zeit lang und erst, als die Sonne ganz untergegangen war, erhob er seine Stimme. „Ich kann dir nicht viel erzählen, denn ich weiß, Ria würde es nicht wollen. Aber ich kann dir sagen, dass es ihr und mein Leben vollkommen verändert hatte.“ Aya ärgerte sich nicht darüber, dass Shinri nicht mehr erzählte. Sie selbst würde auch nicht wollen, dass andere von ihrem Leben berichteten. Während Shinri unbeirrt weiter ging, versank sie aber in ihre Gedanken und versuchte sich etwas auszumalen, dass ein Leben so sehr verändern konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)