Fesseln der Liebe (?) von Animegirl_07 ================================================================================ Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Der Dienstagmorgen brachte warme Sonnenstrahlen und einen kühlen Luftzug mit sich. Sowohl die Tiere im Wald als auch die Schüler rappelten sich bereits auf. Einige waren draußen und kundschafteten die Umgebung aus. Andere hatten sich in die Heißen Quellen begeben. Jackin war einer derer, die bereits sehr früh wach wurden. Ein kühler Luftzug fegte durch das Zimmer und riss ihn aus seinen Träumen. Das Fenster war offen und am Horizont tauchte die aufgehende Sonne den Himmel in ein Rot. Sofort merkte er, dass er nicht alleine war. Ihm war weder kalt, noch hatte er eine menge Bewegungsfreiheit. Er musste nicht einmal nachsehen, um zu wissen, wer sich an seinen Rücken kuschelte und noch tief und fest schlief. Er konnte Rias Anwesenheit spüren. Ihre Gegenwart beruhigte ihn. Er unterdrückte ein Gähnen, als er sich etwas aufrappelte, um sich Ria zuzuwenden. Sofort rückte sie wieder ein Stück näher an ihn ran und kuschelte ihren Kopf an seine Brust. Ihre Nähe ließ sein Herz etwas schneller schlagen. Es war eigenartig, ihr so nah zu sein, während sie so tief und fest schlief. Sie wirkte nicht mehr, wie das starke Mädchen, dass sich jedem widersetzte. Viel mehr hatte sie etwas zerbrechliches und zartes an sich und in Jackin erwachte der Drang, Ria zu beschützen, egal was kommen sollte. Jackin strich sich über das Gesicht und seufzte leise. Was machte Ria nur mit ihm? Wer war das Mädchen, dass ihn so verwirrte. Egal, wie sehr er es versuchte, er schaffte es nicht, hinter ihre Fassade zu schauen. Manchmal war sie stark und widerspenstig und anderentags liebevoll und anschmiegsam. Er hätte zu gerne mehr von ihr gewusst, um sie besser zu verstehen. “Ria, wir müssen aufstehen”, gähnte er und lächelte leicht, als er zusehen konnte, wie Ria langsam die Augen öffnete. Seit sie bei ihm eingezogen war, hatte er nie die Möglichkeit gehabt, sie schlafend zu sehnen. Immer schlaf sie nach ihm ein und wachte vor ihm auf. Aber heute sah er sie und er musste sich eingestehen, verschlafen sah sie verdammt süß aus. Ria schüttelte den Kopf schnell und sog Jackins Duft ein. Es war wunderschön, neben ihm aufzuwachen. Ein Gefühl der Geborgenheit. Sie wollte noch nicht aufstehen. Aber das Knurren seines Magens rief sie zu Ordnung, bevor Jackin es tun konnte. Müde setzte sie sich auf und gähnte. “Okay. Lass uns essen gehen”, verkündete sie. Jackin zog sich um und nachdem er fertig war, musterte Ria ihn mit einem sanften Lächeln. Er hatte seine kurzen Haare wieder nach oben gestylt und sie wusste, dass es nur wenigen zugesagt wurde, ihn mit seinen unfrisierten Haaren zu sehen - obwohl er damit verdammt süß ausgesehen hatte. Glücklich schmiegte Ria sich an Jackins Arm. “Waaaah!” Aya schrie laut auf, kurz bevor sie aufwachte und sprang gegen das Holz über ihrem Bett. Zu ihrem Glück hörte niemand ihren Schrei, da die angelegenen Zimmer alle bereits leer waren. Aya hielt sich die schmerzende Stelle an ihrem Kopf und fluchte leise. Das pochen hörte nicht auf und das, was sie so erschrocken hatte, war noch immer in ihrem Zimmer. Ihr Blick fiel erneut auf Shinri, der schlafend auf ihrem Fensterbrett saß, den Kopf an der Wand neben sich gelehnt und den kühlen Wind im Nacken, der mit seinen dunklen Haaren spielte. Das Fenster war nicht ganz zu, aber Aya hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Der Anblick hatte sie nämlich so dermaßen erschrocken, dass sie aufsprang, sich den Kopf anschlug und mit ihrem Schrei den Zoma weckte. Sie kam sich vor, wie ein Teil einer Kettenreaktion. Shinri sprang weder auf, noch machte er sonst eine hektische Bewegung, doch als er die Augen öffnete, war er hellwach. Seine schwarzen Augen funkelten bedrohlich und beobachteten alles. Sprungbereit spannte er seine Muskeln an, als erwartete er jeden Moment einen Angriff. Aya schluckte bei diesem Anblick. Manchmal verhielt sich Shinri verdammt seltsam. Nachdem der Junge - er saß noch immer auf ihrem Fensterbrett - die Situation verstanden hatte und keine Gefahr drohte, gähnte er herzhaft und fuhr mit seiner Hand durch seine schwarzen, dichten Haare. Aya beobachtete Shinri eine Weile, bis sie das Rasen ihres Herzens bemerkte. Sie atmete tief durch, um dieses zu beruhigen, was ihr aber wie immer misslang. Um ihre Gefühle dann zu überspielen, stand sie auf, stemmte die Hände an ihre Hüften und funkelte Shinri an. Ihr war bereits aufgefallen, dass ihre Zimmergenossen nicht mehr in ihrem Bett lag. Wütend fuhr sie die einzige Person an, die sich mit ihr im Raum befand: “Was hast du hier zu suchen? Und wo ist Ria?!” Shinri blieb weiterhin ruhig sitzen und ein angenehmes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Er liebte es, wenn sie ihn mit diesem Blick musterte. Natürlich wusste sie dies nicht, was auch besser so war, schließlich würde sie ihn sonst überhaupt nicht mehr ansehen. Doch er brauchte sie, ihre Aufmerksamkeit, wenn auch nur durch Wut und Hass, ihre Stimme, ihre Nähe, ihre Wärme und ihre Zuneigung. Das letztere musste er sich wohl noch schwer erarbeiten, denn es sah so aus, als würde sie ihn nicht wirklich vertrauen und seine Nähe genießen. Aber er wusste, dass sie ihm nur etwas vormachte. In Wirklichkeit fühlte sie sich zu ihm hingezogen und Gefühle konnte man schließlich nicht leugnen. Doch Aya tat ihr Bestes, um ihm das weis zu machen. Dabei belog sie aber nur sich selbst. Shinri wartete bereits auf den Moment, in dem sie von selber zu ihm kam. Aber dieser Tag schien noch in weiter Ferne zu liegen. Shinri glitt vom Fensterbrett und ging auf Aya zu, die mitten im Zimmer stand. Geschmeidig schlich er auf sie zu und Aya wich keinen Millimeter zurück, da sie sich ihm stellen wollte, bis er dann direkt vor ihr zum stehen kam und sie ihren eigenen Fehler einsah. Wieder wurde Aya von ihren Gefühlen überfallen. Ihr Herz raste noch schneller und eine unglaubliche Wärme breitete sich in ihr aus. Sie wünschte sich, ihm noch näher zu sein, doch wollte sie ihn auch gleichzeitig von sich stoßen, damit er ihre Schwäche nicht erkannte. “Du solltest nicht so laut sein, Aya. Nicht das du jemanden aufweckst”, flüsterte Shinri leise und verführerisch, während sich sein Zeigefinger sanft auf Ayas Lippen legten. Schnell trat Aya einen Schritt zurück, um ihm auf Abstand zu bringen. Er blieb sogar stehen und folgte ihr nicht, doch sagte sein Blick ihr, dass er nur auf den geeigneten Moment wartete. “Ich darf so laut sein, wie ich möchte!”, zischte Aya ihm zu. “Wenn du das meinst. Ich werde erst einmal essen gehen”, meinte Shinri mit einem leisen Grinsen und zu Ayas Überraschung verließ er das Zimmer, aber nicht ohne noch einmal Ayas brünette Strähnen zu berühren. Verwirrt starrte das Mädchen die Tür an, die sich hinter ihm schloss. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie jetzt wirklich wieder alleine war. Eigentlich forderte Shinri sie immer heraus, bis sie vor Wut platzte, aber heute schien er nicht in der Laune zu sein. Schließlich war er einfach gegangen. Hatte er die Interesse an ihr verloren, oder war es wirklich nur der Hunger, der ihn dazu trieb, sie hier alleine stehen zu lassen. Egal was es war, Aya sollte es lieber nicht ergründen. Eigentlich müsste sie sich glücklich schätzen, endlich wieder alleine zu sein. Den Gedanken an Shinri verdrängend zog sie sich um und richtete sich her. Sie hatte ebenfalls Hunger und wusste, auch wenn sie Shinri nicht begegnen wollte, würde sie es doch zwangsläufig tun. Schnell schloss sie noch das Fenster und verließ das Zimmer. Dabei versuchte sie an alles mögliche zu denken, nur nicht an Shinri. Sie begann sich vorzustellen, was es wohl zu Essen gab und was Jackin gerade tat. Nachdem sie aber vor der Tür stand, gingen all ihre wieder nur in ein und die selbe Richtung. Ihr Herz setzte vor Schock kurz aus, bevor es wieder begann zu rasen. Sie drückte sich an die Tür - die sie leider wieder geschlossen hatte. Es dauerte zwei Sekunden, bevor sie sich von dem Schock erholt hatte und stattdessen wieder die Wärme in sich fühlte. Direkt vor ihr im Flur stand Shinri. Sie warf ihm einen anschuldigenden Blick zu und ging eilig an ihm vorbei. Sie musste ihn und die Gefühle endlich loswerden, nur wie? Schließlich konnte sie ihrem Herzen schlecht einen Befehl geben. Es würde weiterhin für Shinri schlagen. Kurze Zeit später lief Shinri neben ihr her. Wütend, ohne ihn jedoch anzusehen, schimpfte sie ihn: “Du spinnst doch! Mach das ja nie wieder!” Aber Shinri sah keineswegs Schuldbewusst aus. Er lächelte unschuldig und alles deutete darauf hin, dass nichts war. Aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Sie funkelten amüsiert. Gewiss machte es ihm Spaß, Aya zu ärgern, und genau diese Tatsache machte sie so furchtbar zornig. Als sie im Speisesaal ankamen, waren die meisten Tische besetzt. Beide nahmen an dem Tisch Platz, an dem auch Jackin und Ria schon saßen. Ihre Mitschüler - die an den anderen Tischen saßen - wanden immer wieder die Köpfe zu ihnen und sprachen sie an. Alle wollten wissen, wer das Match gewonnen hatte, schließlich ging dieses bis in die Nacht und keiner von ihnen war bis zum Schluss dabei gewesen, außer ihre Schiedsrichterin. Aya spürte, wie ihr Mut sank, als Ria ihnen von Ayas Niederlage berichtete. Es ärgerte sie und machte sie auch teils traurig, dass sie wirklich versagt hatte. Schließlich hatte sie ihr bestes gegeben, aber das Beste war nicht genug gewesen. Sie gab die Hoffnung noch nicht ganz auf. Vielleicht ergab sich wirklich eine Revanche. Nur fiel ihr nicht ein, in was sie sich noch mit Shinri messen sollte. Schließlich konnte er sogar besser kochen als sie und das, obwohl sie seit Jahren alleine lebte. Der Dienstag verlief in einem ruhigen Ablauf. Aya wollte natürlich von den Zomas wissen, was sie in dem jeweilig anderen Zimmer zu suchen gehabt hatten, aber sie wollte es nicht gegenüber Shinri erwähnen, sonst kam dieser wieder auf dumme Gedanken. Schließlich entschied sie sich dafür, zu schweigen. Wortlos verabschiedete sie sich vom Tisch und ging auf ihr Zimmer. Nachdem sie die wichtigsten Sachen zusammen gerafft hatte, erschien sie kurz darauf in den Heißen Quellen. Die wenigen Mitschülerinnen, die ebenfalls hier waren, wollten mit ihr über das Match und Shinri sprechen. Da sie aber hierher gekommen war, um endlich abzuschalten und nicht weiter an ihn zu denken, schickte sie die Mädchen allesamt schlechtgelaunt weg. Immerhin hatte sie Berry bisher nicht ein einziges Mal mehr getroffen. Ein gutes Omen. Ja, sie hatte vorgehabt, die Heißen Quellen zu genießen, doch das heiße Wasser und der Wind, der durch die Baumkronen tanzte, konnten ihre Gedanken nicht ablenken und besänftigen. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie an Shinri dachte. An das erste Treffen und den ersten Kuss. Seit sie ihn von der Bank gerissen hatte, schien ihr Leben einen eigenartigen Weg zu gehen. Es war, als wären sie vom Schicksal füreinander bestimmt worden und sie konnte es nicht verhindern. Natürlich konnte sie ihre Gefühle leugnen und ihm aus den Weg gehen, aber das würde auf lange Zeit nichts bringen. Shinri schien sie zu finden, egal wo sie war, und sie wollte Jackin nicht alleine zurück lassen. Andererseits … brauchte er sie überhaupt noch? Er hatte jetzt Ria. Sie schien ihm mehr zu bedeuten, als er vielleicht im Augenblick selbst erkannte, aber Aya wusste es. Die beiden gehörten zusammen und Jackin würde Ria nicht verlassen. Nein, das würde er wirklich nicht. Aya schwamm einige Bahnen durch die Heiße Quelle, um die Gedanken aus ihrem Kopf zu treiben. Sie versuchte sich auf das heiße Wasser zu konzentrieren, das ihren Körper umschmiegte. Und irgendwann schaffte sie es, Shinri wenigstens für einige Minuten zu vergessen. Der Abend brach an und die Dämmerung legte sich über das kleine Grundstück. Nebenschwaden bildeten sich über dem Boden und verliehen der Nacht etwas Unheimliches und doch Faszinierendes. Aya verließ das Gebäude zur Abendszeit. Die Nacht rief aber nach ihr und sie ertrug es drinnen nicht länger. Auf dem Treppen des Haupteingangs setzt sie sich nieder. Die Kälte des Steines kroch durch ihre Jeans. Sie ignorierte das Frösteln und leichte Zittern ihres Körpers, zog die Beine an und ließ ihren Kopf auf ihren Knien ruhen. Müde und Gedankenversunken richtete sich ihr Blick auf die Nebelschwaden. Der Tag war ruhiger verlaufen, als erwartet. Eigentlich war Aya es gewöhnt, dass der Zoma ihr auf Schritt und Tritt folgte, sie keine Sekunde aus den Augen ließ und nicht von ihrer Seite wich, aber heute hatte sie ihn weder gesehen, noch seine Anwesenheit gespürt. All ihre Zeit hatte sie nur für sich gehabt. Sie genoss das Bad in den Heißen Quellen, spielte einige Runden Tischtennis mit einer Mitschülerin und ruhte sich schweigend in ihrem Zimmer aus; Nie hatte Shinri sich blicken lassen. Selbst zur Mittagszeit war sie ungeduldig auf ihren Platz gesessen, aber Shinri war nicht erschienen. Es war fast so, als mied er sie. Ihr Gedanke sagte ihr, dass es das Beste für die Beteiligten war, denn jetzt konnte sie anfangen, sich wieder von ihm zu lösen. Ihr Herz machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung und schrie vor Traurigkeit. Es wollte in tausend Stücke zerspringen. Aya wusste nicht mehr, wie sie diese Situation betrachten sollte. Es war unmöglich, mit ihm weiter zu leben. Sie wollte ihn von sich stoßen, vergessen und nie wieder sehen, aber genau dieser Gedanke schmerzte in ihrer Seele. Ihr wurde langsam Klar, dass Shinri sehr viel Macht über sie hatte. Vielleicht mehr, als sie sich vorstellen konnte. Leise ging hinter ihr die Tür auf. Aya schrak aus ihren Gedanken und wand sich um. Ihr Herz hoffte, Shinri zu begegnen. Nur mit Mühe konnte sie die Enttäuschung verbergen, als sie ein Mädchen erblickte, welches sich als die unauffällige Schiedsrichterin entpuppte. Etwas nervös trat sie auf Aya zu. Zögerlich fragte sie: “Könnte ich … mich zu dir setzten, oder möchtest du lieber alleine bleiben?” Sie wollte nicht stören und blieb einen Meter von ihr stehen, um sie nicht zu bedrängen. Aya fragte sich, wieso sie noch nie mit ihrer Mitschülerin gesprochen hatte. Das Mädchen schien sehr freundlich zu sein und Aya kam nicht umhin, ihr zu gewähren, sich neben sie zu setzten. “Gerne. Hier ist genug Platz für zwei. Ach übrigens. Wir gehen ja in die selbe Klasse, aber ich weiß deinen Namen nicht. Ich bin Aya.” Aya reichte dem Mädchen die Hand und lächelte ihr munter zu. Die Tatsache, dass sie von fast keinem den Namen kannte, ließ sie ungeachtet. Dankbar nahm das Mädchen Platz und schüttelte Aya die Hand. “Ich bin Nora”, erklärte sie und lächelte sanftmutig. “Und ich wollte dich etwas fragen.” “Okay. Tu das”, entgegnete Aya dem. Eigentlich hatte sie selbst auch einiges zu fragen, schließlich hatte sie Nora einmal neben Shinri stehen sehen. Was hatten die beiden zu schaffen? Nora nickte dankbar. “Eigentlich dürfte es mich nicht interessieren, aber könnte es sein, dass du und Shinri Streit habt?” Ayas Züge entgleisten ihr. Fassungslos starrte sie Nora an. Streit? Mit Shinri? Sie wusste nicht, was sie dazu hätte sagen sollen. Eigentlich, dass wusste Aya, hätte sie lauthals ihren Zorn herausgeschimpft und Shinri für alles verflucht. Sie hätte ihn für alles verdammt, was ihr nur einfiel, aber Nora verströmte so viel Ruhe und Besonnenheit, dass Aya die bösen Worte verdrängte. Schnell beruhigte sie sich wieder, damit sie Nora nicht mit ihrer aufbrausenden Art verekelte. Ihre Klassenkameradin machte sich Sorgen. Aya war ihr dankbar. Sie kannte nicht viele Leute, die auf ihrer Seite standen, die mit ihr reden wollten, und sie nahm es ihnen nicht einmal übel. Wer verstand schon eine Einzelgängerin, wie sie es war. Nie, in ihrem ganzen Leben, hatte sie irgendwo dazu gehört. Immer war sie einsam. Nur Jackin hatte ihrem Leben einen Sinn gegeben, bis nun Shinri kam und ihre ganze Welt auf den Kopf stellte. “Wir … wir haben nicht gestritten. Nicht so, wie du dir das vorstellen magst. Ich bin nicht mit ihm zusammen, auch wenn jeder das denkt. Ich will nur meine Ruhe vor ihm, aber er weiß anscheinend nicht, was dieses Wort bedeutet.” Es schwang Verärgerung in Ayas Stimme mit und Trauer. Sie wollte alleine sein, obwohl sie die Einsamkeit hasste. Shinris Nähe war unerträglich, doch wünschte sie ihn nie verlassen zu müssen. Sie verstand sich selber nicht mehr. Wer konnte ihr bei dieser Frage helfen? Nora, die wohl normalste und freundlichste ihrer Klasse, sah Aya lächelnd an. Höflich erkundigte sie sich: “Du willst gar nichts von Shinri? Wieso?” In Aya herrschte ein Chaos der Gefühle. Natürlich konnte niemand ihre Beweggründe verstehen, schließlich kannten sie Shinri nicht so, wie sie ihn kannte. Niemand wusste, wie egoistisch und herrschsüchtig er war. Doch obwohl er sich einfach in ihr Leben geschlagen hatte, konnte sie ihm nicht aus vollem Herzen böse sein. Auch wenn er sich so komisch benahm, sie war ihm nicht egal und das war etwas, dass sie von kaum jemanden kannte. Selbst ihre Eltern hatten sie zurückgelassen, aber Shinri setzte alles daran, bei Aya zu bleiben. Sie hätte ihm dankbar sein müssen. Wahrscheinlich war sie es auch, tief in ihrem Herzen. Die schwarzhaarige Nora räusperte sich. “Na ja … ich meinte ja nur …”, fing sie an und suchte nach den richtigen Worten. “Shinri scheint mir eigentlich ganz nett zu sein. Ich kenne ihn nicht so gut, wie du vielleicht, aber er hat dich vor Berry beschützt und scheint wirklich an dir zu hängen.” Mit einem betrübten Blick starrte Aya auf ihre Hände. Nora hatte vollkommen Recht. “Hast du … ihn damals zu mir gebracht? Ich habe dich bei ihm gesehen.” Nora lächelte etwas verlegen. “Ja, hab ich und jetzt haben wir auch den Grund, weswegen ich bei dir bin. Berry.” Sie sah Aya eindringlich an. “Du musst aufpassen. Das Mädchen hat einen Narren an Shinri gefressen - falls es dir aufgefallen sein sollte. Sie würde nur alles erdenkliche tun, um dir das Leben zu erschweren. Also dann. Ich werde dann wieder gehen. Ich hoffe, ich hab dir deine Zeit nicht gestohlen.” Nora lächelte freundlich, wand sich dann um und verschwand, bevor Aya ihr etwas entgegnen konnte. “Nein … hast du nicht”, murmelte Aya, als Nora bereits im Gebäude war. Aya fragte sich aber immer noch, was Shinri gerade trieb. Wo war er? Auf einmal lenkte sie ein Rascheln ab und sie warf einen Blick in den düsteren Wald. Es war verdammt dunkel. Etwas nervös sah sie weiterhin in das Dickicht, schließlich schien es sich hier nicht um ein Tier zu handeln. Doch dann wurde es ihr doch zu viel. Sie stand auf und wollte ins Haus gehen, als im selben Moment Shinri am Waldrand erschien, mit Ria im Schlepptau. Von Jackin war keine Spur. “Mein Gott! Der glaubt wohl, wir haben nichts besseres zu tun”, murrte Ria und fischte ein Blatt aus ihren Haaren. Schnell eilte sie Shinri hinterher. Doch gleich darauf erspähte sie Aya, welche ihre rehbraunen Augen auf die beiden gerichtet hatte. Schnell eilte Ria an Shinri vorbei - flüsterte ihm dabei aber irgendetwas ins Ohr. Dann lief sie in das Gebäude, ohne Aya einen weiteren Blick zu schenken. Das Mädchen blieb stehen und sah zu, wie der Zoma auf sie zukam. “Was hast du hier draußen zu suchen? Es ist hier gefährlich”, tadelte Shinri sie und ging ihr voran ins Gebäude. “Wo ich bin, geht dich überhaupt nichts an! Aber was hattest du mit Ria im Wald zu suchen?”, knurrte Aya ihrerseits. Nicht nur, dass Shinri Geheimnisse vor ihr hatte, er musste ihr immer wieder zu Gemüte führen, was angeblich das Beste für sie war. Doch Aya ließ sich nicht von ihm sein Leben bestimmen. “Bist du etwa eifersüchtig, Aya? Du musst keinen Grund zur Sorge haben”, neckte Shinri das brünette Mädchen, welches sich gleich darauf noch mehr aufregte. “Tja! Ich und eifersüchtig! Der Einzige, der hier immer eifersüchtig ist, bist ja wohl du!” Aber Shinri kam nicht dazu noch etwas darüber zu sagen, denn sie betraten bereits den Speisesaal, der wieder brechen voll war mit Menschen und Stimmengewirr. Es war so laut, dass Aya ihn gar nicht verstanden hätte, hätte er irgendetwas gesagt. Sie ließ den Blick kurz durch den Raum gleiten, machte dabei sowohl Nora als auch Berry aus, die weit voneinander entfernt saßen. An einem Tisch hatten Jackin und Ria Platz genommen. Genau dorthin führten Shinri und Ayas Wege. Sie begannen mit dem Essen. Alles verlief recht still, dass Aya es kaum glauben konnte. Natürlich plagte sie der Gedanke daran, was Shinri im Wald zu suchen gehabt hatte. Das die Zomas ihr etwas verschwiegen, war ihr bereits seit längerem Klar. Das Abendessen ging langsam dem Ende zu und nur noch wenig Zeit verblieb, bis alle herausgeschickt werden würden. Herr Heulsu verließ auch kurz nach einer kurzen Rede das Zimmer und schon begannen die Schüler einiges auszuhecken. Eigentlich mussten sie um zehn Uhr Abends bereits im Bett lieben, aber keiner von ihnen war müde genug und so planten die, die noch hier waren, einige interessante Ausflüge. Ein Junge von ihnen schlug sogar eine Nachtwanderung vor. Eine Mutprobe, bei der die ganzen Mädchen lieber weghörten, da sie sich ungern bei Nachts in den Wald schlichen. Am Ende fanden sich sechs mutige Jungs zusammen, die den Wald erkunden wollten. Natürlich suchten sie noch immer eifrig weitere Mitstreiter. Einer von ihnen wand sich dann auch an Shinri und dessen Tischnachbarn: “Möchte vielleicht einer von euch mitmachen? Wie wär’s?” Der Blick des Mitschülers ging durch die Runde und verweilte an jedem einzelnen der vier Kandidaten. Jackin und Shinri sahen sich dann auf einmal an, das erste Mal an diesem Tag. Sofort nickten sie zustimmend und die herausfordernde Spannung, die zwischen ihnen stand, war kaum übersehbar. “Aya wird wohl kaum mitmachen wollen. Sie hat viel zu viel Schiss”, meldete sich dann Ria zu Wort. Ihre hellblauen Augen funkelten belustigt, während sie sich zärtlich an Jackin schmiegte. Sofort verneinte Aya diese Aussage und stimmte zu. Das war auch gleichzeitig eine gute Gelegenheit, gegen beide Zomas gleichzeitig anzukämpfen, dachte sie sich. Also wand sie sich auch an Shinri und meinte siegessicher: “Ich möchte eine Revanche. Wenn ich schneller als du sein sollte, wirst du nicht bei mir einziehen!” “Und wenn ich gewinne, dann erwarte ich einen Kuss von dir”, entgegnete Shinri dem mit einem amüsierten glitzern in den schwarzen Augen. Aya wusste nicht, ob ihr Plan wirklich gut war, doch ein Zurück war undenkbar. Schließlich wollte sie nicht als Feigling dastehen. “Und, was ist mit dir, Ria?”, fragte Aya dann bissig und mit wohlwollendem Gesichtsaudruck. Ihr war jedes Mittel recht, um Ria eines auszuwischen. Daher gefiel es ihr weniger, dass die Blondine sich besonnen zeigte. “So etwas habe ich nicht nötig. Es ist viel zu gefährlich.” Aya lachte auf, als sie die Worte der anderen vernahm. “Ha! Du hast doch nur Angst! Feigling!” Die Beleidigung schien Ria nicht auf sich sitzen lassen zu wollen. Doch anstatt sich aufzuregen, wie Aya, blieb sie ruhig und sprach gelassen: “Ich bin kein Feigling, dass solltest du wissen. Mir scheint der Wald nur zu gefährlich für eine derartige Mutprobe. Aber, um dich nicht alleine zu lassen, werde ich dich gerne begleiten.” Obwohl man es ihrer Stimme nicht anmerkte, war sie wütend. In ihren Augen funkelte der Zorn bedrohlich auf und Aya erfreute sich daran. Sie hatte Ria umgestimmt. Der Abend schien interessant zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)