Geheimnisse im Nagoya-Krankenhaus von abgemeldet (Chiaki Vs. Marron) ================================================================================ Kapitel 38: Opfer Teil 1 ------------------------ George Bernard Shaw sagte einst: „Wenn du damit beginnst, Dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast.“ „Wie geht’s dir?“ Marron drehte sich um und lächelte Chiaki an. „Mir geht’s gut. Was macht dein Rücken?“ Auch wenn seine Wunden großteils verheilt waren, hatte sie immer noch ein verdammt schlechtes Gewissen, dass er sie mal wieder beschützen musste. Mal wieder und sie wusste auch, dass er sie immer wieder beschützen würde. So war Chiaki nun mal. Ihr Chiaki. Er würde immer für sie da sein. Und er würde immer dieses Opfer sie bringen, dass für ihn keins war. Chiaki lächelte sie an und zog sie zu sich. „So lange du bei mir bist, sind alle Schmerzen vergessen.“ Marron rollte sich aus seiner Umarmung weg und sah ihn ernst an. „Das ist kein Scherz, Chiaki. Du bist verletzt. Verwundet. Du hast geblutet.“ Sie seufzte. „Warum musst du mich auch jedes Mal retten?“ „Ist das eine Fangfrage?“, fragte er grinsend. Marron rollte mit den Augen und rutschte aus dem Bett. „Wo geht’s du hin?“ „Duschen“, meinte sie nur und trat ins Badezimmer. Chiaki lächelte ihr hinterher. Er war glücklich und er verstand auch, dass sie sauer war. Natürlich, war sie sauer. Sie war eben immer noch die Einzelkämpferin Jeanne. Marron war es nicht gewohnt, dass jemand für sie sein Leben riskieren würde. Doch für Chiaki war das eigentlich selbstverständlich. Der Schlüssel zum Erfolg als Assistententsarzt liegt in den Dingen, die wir aufgeben. Schlaf. Freunde. Ein normales Leben. Wir opfern all das, für den einen unglaublichen Augenblick. Den Augenblick von dem wir uns rechtmäßig Chirurgen nennen dürfen. Es gibt Tage, an denen man meint, dass es die Opfer wert ist. Es gibt allerdings auch Tage, da erscheint einem alles wie ein Opfer. „Verflucht! Mist!“ Marron, Miyako und Alex drehten sich um und sahen Dr. Moore, die gerade herein gekommen war. Sie hatte ihren Mantel noch an, hielt schon eine Krankenakte in der Hand und fluchte wie wild, was wohl an den Kaffeebecher lag, den sie in der anderen Hand hielt, der wohl ein wenig ausgelaufen war. „So ein Mist aber auch“, meinte sie noch mal und versuchte mit einem Kleenex den Kaffeefleck aus ihrem Mantel zu bekommen. „Das hat mir heute echt noch gefehlt.“ Miyako grinste Marron an. „Der ist ja eine Laus über die Leber gelaufen.“ Marron nickte und starrte in die Krankenakte, die vor ihr lag. „Ich brauche einen Assistenten. Sofort.“ Sie sah alle drei erwartungsvoll an. „Ich bin in der Neuro“, meinte Marron und verschwand schnell. „Ich bin bei Dr. Mills“, meinte Miyako und suchte ebenfalls das Weite. Dr. Moore seufzte auf. „Bailey.“ Also war er ihr Mann heute. „Vaginas sind nicht mein Ding“, meinte dieser, denn er hatte an der Farbe der Akte gesehen, dass es sich um eine Patientin aus der Gynäkologie handelte. Dr. Moore sah Alex Bailey überrascht an. „Jedenfalls nicht bei der Arbeit.“ Alex drehte sich schon um und wollte gehen. Das war nun wirklich nichts für ihn. „Oh!“, meinte sie und setzte. „Wiederworte. Wissen Sie was?“ Sie drückte ihm die Akte einfach in die Hand. „Sie haben einen neuen Patienten.“ „Ich möchte, dass Sie ihn raus nehmen.“ Dr. Mills sah sich das Diagramm genau an. „Rausnehmen? Aber Mr. Full ihre Herzfunktion hat sich dramatisch verbessert seit bei Ihnen der Herzschrittmacher eingesetzt wurde.“ Dr. Juniji Mills sah den Patienten an, den er so gut kannte. Er war mehr als nur ein normaler Patient, zumindest für Dr. Mills. „Die Einstellen funktionieren prima.“ „Sie kennen meine Musik, Dr. Mills?“ Dr. Mills nickte und sah von der Krankenakte auf. „Sehr gut sogar. Sie hat mein Leben verändert.“ Miyako und Marron hörten überrascht auf. „Nun“, sprach Tylor Full ein begnadeter Jazz-Musiker weiter. „Ihre Maschine hat meinen Herzschlag verändert. Meinen Rhythmus.“ Der Blick von Mr. Full war ernst und fest. Er glaubte jedes seiner eigenen Worte. „Ich kann nicht spielen.“ Die Maschinen piepten im Hintergrund. „Und das ist ein Opfer, das ich nicht bereit bin zu bringen.“ „Aber ohne Schrittmacher opfern sie eventuell ihr Leben. Für ihre Musik“, meinte Miyako. Sie verstand den Sinneswandel des Mannes nicht. Wie konnte dieser Mann nur so etwas behaupten. „Das kann man nicht trennen.“ „Ist Ihnen die Musik...?“ So wichtig, wollte Marron schon fragen, doch der Blick sagte schon alles. Ja, diese Musik war wirklich sein Leben. Miyako atmete schwer ein. War sich der Mann sicher, was er da verlangte? Miyako sah fragend zu Dr. Juniji Mills, der anscheinend nicht so große Abneigungen hatte, diesen Wunsch zu erfüllen. Er setzte sich an das Bettende des Mannes. „Bevor wir so etwas Drastisches machen, lassen Sie es mich mit einer anderen Einstellung versuchen“, schlug er dem Musiker vor. „Ich weiß nicht“, meinte Mr. Full. „Nur eine neue Einstellung, Mr. Full.“ Er sah ihn ernst an. „Bitte.“ Mr. Full schien sehr zu überlegen und wusste nicht so recht, wie er sich entscheiden sollte. Eigentlich war er mit der Absicht ins Krankenhaus gekommen, den Schrittmacher los zubekommen. Doch schließlich nickte er. „Schön, in Ordnung.“ Mr. Mills nickte. „Okay.“ Ein wenig erleichtert war er schon. „Das Thermometer zeigte um 11:00 Uhr bereits 33 Grad an. Das ist ein Temperaturunterschied gegenüber gestern von 20 Grad“, erzählte die Frau der Berichterstattung im Fernsehen. Menschen mit schwachen Kreislauf oder Herzerkrankungen sollten deshalb das Haus heute wirklich nur in dringenden Fällen verlassen.“ Chiaki zappte um. Er war alleine zu Hause und langweilte sich. Das war doch echt nicht zu glauben. „Und nun schalten wir weiter zu den Phänomenen die gerade überall auf der Welt durch diesen Wetterumschwung zu spüren sind. Im Südwesten der USA sind in etwa 1230 Menschen einem Tornado zum Opfer gefallen. Über 1500 Häuser wurden zum Teil vollständig zerstört. In Italien ist der Vesuv unerwartet wieder aktiv geworden.“ Chiaki sah zu Access der am Fenster war, auf der Stelle flog und hinaus schaute. „Ach Fynn, was sollen wir denn nur machen? Es ist alles furchtbar.“ Doch Chiaki widmete sich wieder dem Fernseher und dem Ice Tea der vor ihm auf dem Tisch stand. Es war heute aber auch wirklich heiß. Daher bekam er auch nicht mit, wie Access erschöpft zu Boden sank. „Mannomann, ist das eine Hitze. Was denkst du, Access?“ Er sah nun wieder zum Engel, der auf dem Boden lag und sich den Kopf hielt. Es schien, als würde dem kleinen Engel gleich der Kopf platzen. Chiaki sprang sofort auf und eilte zu dem kleinen Schwarzengel. Er kniete sich vor ihm und sah ihn besorgt an: „Access, was hast du denn?“ Er nahm ihn in seine Hände, um ihn sich genauer ansehen zu könne. „Was ist los?“ Doch der Engel zappelte nur in seinen Händen und hielt sich den Kopf. Er schien höllische Schmerzen zu haben, das sah Chiaki sofort, auch wenn er keine Ahnung von der Anatomie eines Engels hatte. „Fynn… Fynn“, sagte der Schwarzengel unter Schmerzen. „Sie ist wieder da.“ Er schrie unter den Schmerzen auf. „Was hast du gesagt?“, fragte Chiaki überrascht. Access versuchte die Schmerzen mal einen Moment zu vergessen und sah Chiaki verzweifelt an. „Sindbad, was willst du denn nun machen?“ „Na, was denn wohl. Ich werde Marron natürlich die Wahrheit erzählen. Ist doch klar.“ Dr. Moore trat in das Krankenzimmer ihrer Patientin. Und sie wunderte sich gar nicht, das eine Horde Kinder auf dem Boden saß und mit ein paar Blauklötze spielte. „Ist doch schön geworden“, meinte der Vater der Rasselbande zu ihnen. „Ja, das ist er“, antwortete einer seiner Söhne ihm. „Hallo meine Süßen“, meinte Dr. Moore lächelnd und trat an ihnen vorbei zu ihrer eigentlichen Patientin, die zwischen zwei weiteren Kindern saß. Insgesamt waren 6 Kinder in diesem Raum. „Wir warten nur auf die Laborwerte“, erklärte Dr. Moore. „Wie geht’s ihnen denn?“ „Ich... ich fühle mich groß“, meinte sie mit einem Lächeln. Sie sah ihren Sohn an, der neben ihr saß und grinste. „Groß und Kuhartig.“ „Eine Kuh?“, fragte der blonde Sohn und sah seine Mutter fragend an. „Mami ist eine Kuh und sie möchte mit ihrer Ärztin sprechen.“ Bei diesen Worten sah sie ihren Mann bittend an. Dieser verstand sofort. „Hey Leute, wer will ein Eis?“ So was musste man Kinder nicht zwei Mal fragen, schon standen alle vom Boden auf. „Ich“, „Ich auch“, hörte man sie sagen in fröhlichen Kinderstimmen. Als diese gerade den Raum verließen, trat Alex herein. Er hielt die Ergebnisse in der Hand und sah sie sich gerade durch. Die Mutter der Rasselbande seufzte erleichtert auf, als alle den Raum verlassen hatte. „Blutbild und Blutchemie sind okay“, teilte Alex Bailey mit. Doch der Blick der Frau war nicht fröhlich oder glücklich, so wie Dr. Moore sie eigentlich kannte. „Rose?“ Sie trat wieder an ihre Patientin und sah sie sorgend an. „Oh... tut mir Leid“, meinte sie sofort. Sie schüttelte ihren braunen Lockenkopf und wirkte ein wenig verzweifelt. „Ich bin total erledigt.“ Dr. Moore sah sie entschuldigend an. „Na ja, sechs Kinder, 38-te Woche. Da wäre auch eine Heilige müde“, meinte Dr. Moore erklärend. „Na ja.“ Rose schluchzte und strich sich die kommenden Tränen weg. „Ich bin keine Heilige.“ Dr. Moore sah fragend zu Alex, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. „Dieses Baby , Joseph... Dr. Moore, es soll unbedingt mein Letztes sein.“ Sie sah ihre Ärztin bittend an. „Doch leider schein ich fruchtbarste Frau auf dem ganzen Planeten zu sein.“ „Wenn Sie sich für alternative Formen der Empfängnisverhütung...“ „Nein“, wurde sie sofort von ihrer Patientin unterbrochen. „Was ich meine ist, heute bei dem Kaiserschnitt... sollen Sie meine Eileiter durchtrennen.“ Da war Dr. Moore nun baff. Sie holte einmal tief Luft und sah ihre Patientin an. Sie schien sich das lange und gründlich überlegt zu haben. „Und Sie sollen das machen, ohne das mein Mann etwas davon erfährt.“ Okay, das war dann noch eine Sache schlimmer. Wohl der eigentliche Haken an der Sache. Viele ließen sich nach einer Entbindung direkt die Eileiter durchtrennen. Dr. Moore sah Alex an und konnte an dessen Blick sehen, wie dieser dazu stand. Dr. Moore verkreuzte die Arme vor die Brust und sah ihre Patientin ernst an. „Rose, sie sind erwachsen. Er ist ihr Mann und nicht ihr Vormund. Ob sie es ihm sagen möchten, bleibt ihnen überlassen.“ „Wenn es über die Sicherheit geht, erfährt er es“, meinte Rose dazu. „Er würde jede Rechnung sehen, die Sie uns schicken.“ Dr. Moore seufzte. „Ich habe etwas gespart und kann sie privat bezahlen.“ „Sie erwarten von mir, dass ich einen Eingriff vornehme ohne offizielle Spuren zu hinter lassen?“ Das war echt eine schwierige Frage. „Mrs. Ward es gibt Leute, mit denen Sie reden können, wenn sie missbraucht werden sollten“, mischte sich nun auch Alex Bailey ein. „Oh, nein.“ Rose Ward schüttelte den Kopf. „Chris ist... Sie sind völlig auf dem Holzweg.“ „Wenn wir einen Blick auf ihre Krankenakte werfen, fänden wir da keine alten Knochenbrüche?“ „Was Sie in meiner Krankenakte finden würden, wären drei natürliche Geburten, drei Kaiserschnitte“, die Frau legte sich auf die Liege. Sie konnte einfach nicht mehr sitzen. Dr. Moore half ihr. Zwei Mal im Krankenhaus wegen Erschöpfung und ein Mal wegen Dehydrierung“, antwortete Rose Alex mit ernster Stimme. „Weil ich so damit beschäftigt gewesen war, meinen Kindern hinterher zu jagen, dass ich drei Tage vergessen habe zu trinken.“ Rose seufzte auf. „Ich glaube, das Gott versteht, was ich durch machen muss“, dabei sah sie von Dr. Moore zu Alex. „Und ich glaube auch, das Gott mir vergeben wird. Aber Chris... für ihn ist Religion kein Frühstücksbuffett, wo man nimmt was man will und schneidet das weg, was einem nicht schmeckt.“ Sie stoppte ihre Worte und sah auf ihren Bauch. „Und der Papst sagt, keine Verhütung. Also...“ Sie sah nun wieder Dr. Moore an. „Brauch ich ihre Hilfe.“ Dr. Moore wollte gerade nicken, als Alex die Stimme erhob. „Die brauchen sie nicht. Ihr Mann missbraucht sie nicht. Also werden sie ihn auch nicht anlügen und den Papst dafür die Schuld geben.“ Dr. Moore sah Alex überrascht und leicht verstimmt an. Dr. Moore schloss die Tür und Alex stand schon im Flur bereit für die Standpauke. „Dr. Bailey...“ „Hören Sie. Ich habe weder Interesse an Geburtshilfe, noch an Gynäkologie. Also dürfen Sie mir den Fall gerne wieder entziehen.“ Dr. Moore war überrascht, lächelte dann aber. „Dr. Bailey. Ich bin zunächst mal nur Gynäkologin und Geburtshelferin. Aber dazu kommen Abschlüsse in Fetomaternaler Medizin und medizinischer Genethik. Und ich bin eine der erfolgreichsten neonatologischen Chirurgen hier zu Lande. Wenn Sie mehr zu bieten haben, dürfen sie die Klappe aufreißen. Aber bis dahin tun Sie ihren Job. Und zwar auf anständige Weise. Und das bedeutet zu diesem Zeitpunkt, dass sie die Klappe halten außer ich gebe Ihnen die Erlaubnis sie auf zumachen. Ist das klar?“, fragte sie ihn klar und deutlich. Doch er sagte nichts. „Ist das klar?“, fragte sie ihn nochmal. „Oh, das heißt ich habe jetzt die Erlaubnis?“ Dr. Moore seufzte und ließ es dabei erst mal sein. Sie nickte nur und ging den Gang entlang. Irgendwo in der Mitte Frankreichs stand ein Mann mit schwarzen Haaren und einem schwarzen Mantel. Es regnete wie in Strömen und all seine Kleidung war durchnässt. Alles triefte nach Nässe und doch war es ihm egal. Am Boden lagen vor einem Stein ein frischer Strauß Blumen. Doch es war kein gewöhnlicher Stein. Es war ein Grabmal. „Arme Jeanne“, hörte man die dunkle Stimme des Mannes im Regen sagen und es schien schon fast, dass der Regen diese zwei Worte zu ertränken versuchte: Es war mehr als nur ein Grabmal. Es war die letzte Erinnerung an eine Frau, die er geliebt hatte und auch die Erinnerung an eine Zeit. „Ich verlese das Urteil. Nur der heilige Vater kann Weisungen von Gott erhalten. Wenn Jeanne d’arc behauptet, das Gott mit ihr gesprochen hat, dann kann das nur eine gotteslästerliche Lüge sein“, vollkündete der Richter vor allen Menschen, die zur vorbei kommen waren, um das Urteil zu hören. Und auch Jeanne hörte es, doch sie saß auf ihrem Stuhl, mit festen Blick nach vorne, angekettet von der Inquisition. „In Wahrheit erhielt Sie den Befehl vom Teufel!“ Ein Raunen ging durch die Masse der Menschen. Stimmen erhoben sich und es wurde wild getuschelt. Ängstliche und auch wütende Blicke wurden Jeanne d’arc zu geworfen. „Es war ein Verbrechen anzunehmen, dass die Worte des Teufels von Gott stammen und damit die Autorität des heiligen Vaters zu untergraben. Deswegen kann das Urteil nur lauten: Tod durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen!“ Tylor Full saß auf seinem Krankenbett im Nagoya-Krankenhaus und spielte auf seiner Violine. Dann sah er auf. Sein Blick war klar. „Sagen Sie's mir.“ Juniji Mills hatte die Hände an seinen Hals gelegt und lächelte nun glücklich auf. „Es ist mir eine Ehre, Sie spielen zu hören.“ Der Mann im Krankenbett lächelte und seufzte. „Sie wollen mich nicht anlügen.“ Er sah seinen Arzt wieder an. „Dann les ich mal Ihre Gedanken.“ Dr. Juniji Mills verkreuzte die Arme vor der Brust und atmete ein. „Sein Timing stimmt nicht. Sein Rhythmus auch nicht. Dieser Mann trägt völlig zu Unrecht den Namen Tylor Full.“ „Ich muss Ihnen sagen, dass sich in den Monaten – seit der ursprünglichen Operation – Narbengewebe um den Schrittmacher gebildet hat.“ Dr. Mills trat um das Bett herum und stand nun neben dem Mann. „Es zu entfernen, ist bei weitem... nicht so einfach wie es klingt.“ Bei den letzten Worten war seine Stimme etwas leiser geworden. Tylor Full nickte und sah seine Geige an. „Ich war sechs als ich meine erste Geige in der Hand hielt. Auf dem Dachboden meies Großvaters. Ich wusste gar nicht, was das ist. Aber ich erinnere mich daran, wie ich sie in die Hand nahm.“ Er legte sie sich wieder an den Hals. „An diesem Moment. Damals habe ich...“, nun legte er den Bogen auf die Saiten. „Den Bogen auf die Saiten gelegt und ihn darüber gezogen“, so wie er es jetzt auch tat. „Das war's“, meinte er mit einem stolzen Lächeln und nun sah er wieder seinen Arzt im weißen Kittel an. „Nur so ein kratziges kleines Quietschen und das wars. Ich konnte nicht mehr zurück.“ Erwartungsvoll sah er Dr. Mills an. „Haben Sie je in ihrem Leben so einen Augenblick erlebt?“ „Ja“, antwortete Dr. Mills, aber seine Antwort war mehr ein Hauchen als ein festes Wort. Tylor Full legte die Geige und den Bogen auf seine Beine. „Ich weiß, dass ich bei der Operation sterben kann. Und ich weiß, Sie sind der Beste.“ Er sah Dr. Mills dabei an. „Und damit meine beste Chance zu überleben.“ Er holte tiefer Luft. „Ich hätte gerne, dass sie mich operieren, Dr. Mills.“ Dr. Mills wollte schon antworten, doch da merkte er, dass Mr. Full noch nicht fertig war. „Aber wenn Sie es nicht tun, dann finde ich jemand anderes, der es tun wird.“ Sein Blick sprach mehr als seine Worte. Er würde jemand anderes finden, das war klar. Dessen war sich auch Dr. Mills bewusst. „Er hat Recht“, meinte Dr. Mills zu Miyako und Marron. Sie gingen gerade die Treppe hinunter während sie sich unterhielten. „Wie er kann nicht spielen?“, fragte Marron. Dr. Mills holte Luft. „Jedenfalls nicht wie Tylor Full.“ „Okay, und das heißt nun?“, fragte Miyako. „Werden Sie operieren?“ „Er sagt er geht woanders hin, wenn ich mich weigere. Und das ist sehr gut möglich.“ „Wieso?“, fragte Marron ihn. Gut, sie verstand warum Dr. Mills zögerte. Aber alle wussten doch, dass er der Beste Herz-Torax-Chirurg war. „Genau, wieso möchten Sie nicht operieren?“, fragte auch Miyako. Dr. Mills sah die Beiden seufzend an. „Aber du kannst ihn doch nicht wo anders hingehen lassen. Was hast du...?“ Der Blick von Dr. Mills stoppte allerdings ihre Frage. „Okay, nehmen wir mal an, es geht um Sie, Dr. Mills. Wenn Sie kein Chirurg mehr sein könnten“, fing Marron eine Idee an. „Oder du könntest weiterhin einer sein, aber kein großartiger. Nur Durchschnitt“, machte Miyako weiter. „Natürlich er kann den Eingriff woanders machen lassen. Aber der Chirurg ist dann möglicherweise nur Durchschnitt.“ Dr. Mills setzte sich wieder seine Brille auf, die er eben während den Worten geputzt hatte und sah die Beiden an. Man hörte den natürlichen Herzschlag des Babys im Mutterleib. Alle schauten auf den Monitor des Ultraschallgeräts. „Rose...“, fing Dr. Moore an. „Sieben Kinder das ist eine Menge. Sind Sie sicher, das Chris das nicht genauso sieht?“ Sie reichte Alex die Box mit den Kleenextüchtern, damit er das Gel vom Bauch entfernen konnte. „Am Anfang unserer Ehe waren wir so pleite, das ich eine Weile mit der Pille verhütet hatte. Chris ging nicht mehr zum Abendmahl“, fing Rose Wald an zu erzählen. „Für ihn heißt das... er denkt..:“ „Er kommt in die Hölle“, beendete Alex Bailey den Satz. „Sie beide kommen in die Hölle.“ Alex warf die Tücher in den Mülleimer. Dr. Moore sah Alex entsetzt an, sagte aber nichts. „Wissen Sie warum das unser erstes Baby seit vier Jahren ist?“, fragte Rose Alex und stützte sich ein wenig im Bett, damit sie ihn genau ansehen konnte, da er gerade am Fuß des Bettes stand und die Werte in das Krankenblatt eintrug. „Weil wir enthaltsam waren. Drei Jahre lang.“ Alex sah sie überrascht an, erwiderte aber nichts. „Können Sie sich vorstellen, wie das ist, nicht mehr mit dem Ehemann zu schlafen?“ Dr. Moore schien anscheinend gerade nicken zu wollen, doch so besann sich darauf, dass ihr Privatleben hier nun gerade nicht her gehörte. „Die Pille...“ „Ich kann die Pille nicht verstecken. Er findet es heraus“, sagte Rose sofort. „Er wird sich schon nicht scheiden lassen“, meinte Alex nun in leicht angenervten Ton. „Das würde seinem Glauben widersprechen.“ Dr. Moore sah nun wieder zu Alex und wollte gerade schon etwas zurechtweisendes erwidern. „Haben sie gesehen, wie er mich anschaut?“, fragte Rose und sah Alex an. „Dr. Bailey wollte gerade gehen“, meinte Dr. Moore nun und wollte Alex schon die Akte entreißen. Es reichte ihr nun wirklich mit dem Jungen. Irgendwann war es dann auch mit ihrer Geduld zu Ende. „Nein. Nein. Sie...“ Dr. Moore seufzte und sah Rose bittend an. „Schauen Sie ihm doch mal in die Augen“, forderte Rose sie auf. Dr. Moore tat mit einem Seufzer, wie ihre Patientin sie bat und sah Alex an. „Sehen Sie diesen Ausdruck in seinem Gesicht?“ Alex sah nun fragend von Dr. Moore zu Rose. „Genauso würde mein Mann mich ansehen, wenn er etwas davon erfährt. Und ich will nicht, das mein Mann mich mit diesem Blick anschaut“, erklärte Rose mit sachlicher Stimme. Sie holte Luft, ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie sagte: „Ich will aber auch keine Babys mehr.“ Dr. Moore seufzte. Das war wirklich ein schwieriger Fall. Noyn Claude hatte noch alles vor Augen. Er wusste noch jedes kleine Detail. Wusste wie sie roch, wie sie aussah, wie ernst ihr Blick immer war, voller Glaube und Hoffnung. Er erinnerte sich an alles. Und wenig später stand sie da. In einem weißen Kleid, dass sie wie einen Engel aussehen ließ. In allen Himmelsrichtungen standen Henker mit einer Fackel. Sie waren zu allem bereit. Die Menge tobte. So ein Spektakel wollte sich keiner entgehen lassen. Jeanne stand da, ruhig, fest in ihrem Glauben an das was sie getan hatte. Sie wusste, das es richtig gewesen war und das sah man ihr auch am ganzen Körper an. Sie kämpfte sich nicht von den Fessel frei. Sie hielt ihr einfaches Kreuz in den Händen und betete gen Himmel, als die Henker die Fackeln auf das Heu setzen und somit den Scheiterhaufen zum Lodern brachten. „Ja!“ „Brenne du Hexe!“ „Verbrenne!“ All diese Sachen wurden durch die Menge gerufen und alle sahen sie dabei zu wie diese junge Frau in ihrem weißen Kleid von den Flammen eingesperrt wurde. Die Hitze musste unerträglich sein und der Rauch sorgte bestimmt nicht dazu, dass sie gut atmen konnte. Doch sie jammerte nicht. Nein, Jeanne gab nicht einen Ton von sich. Sie stand einfach nur da, stark und sicher mit ihrem Kreuz in der Hand. Sie war stark und glaubte an das, was sie getan hatte und sie glaubte an die Worte, die sie gehört hatte. Sie wusste, das es Gott gewesen war, der zu ihr gesprochen hatte. Ihr Gesicht war entschlossen. Der Blick war mutig und stark. Dann verwandelte sich ihr Gesicht in das von Marron. Es war der gleiche Blick. Die gleiche Stärke war darin zu erkennen. Der böse Ritter Noyn Claude stand da und schloss die Augen. Der Sturm wehte den Blumenstrauß davon, der Regen peitschte gegen die Blütenblätter und riss sie von der Blume. Dann schaute er in den Himmel. Strähnen seines dunklen Haares klebte an seiner Stirn und seinen Wangen, doch es war ihm egal. „Geschieht es doch früher als gedacht?“ Er hob die Hand zu einer Faust, so als würde er nun gerade darin etwas zerdrücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)