Geheimnisse im Nagoya-Krankenhaus von abgemeldet (Chiaki Vs. Marron) ================================================================================ Kapitel 32: Die Liebe und ihre Geheimnisse ------------------------------------------ William Shakespeare schrieb einmal: „Zweifle an der Sonne Klarheit, zweifle an der Sterne Licht, zweifle, ob lügen kann die Wahrheit, nur an meiner Liebe nicht.“ Da standen sie nun also. Alle in dem Zimmer von Patientin Anna Chou. Dr. Marron Kusakabe. Dr. Chiaki Nagoya. Und Mr. Und Mrs. Chou. „Ihr Schamane hat Verspätung“, meinte Chiaki, der sich ans Kopfende vom Bett, mit dem Arm, lehnte. Marron blickte vom Krankenblatt auf und sah Chiaki an. Er schien ein wenig nervös und vielleicht sogar genervt zu sein. „Mein Schamane kommt nie zu spät“, meinte Mr. Chou ernst. Er hatte Chiaki nur bei diesen Worten angeschaut, nun blickte er wieder zu seiner Tochter. Marron überlegte, ob sie Mrs. Chou eigentlich schon ein Mal reden gehören hat. Bisher hatte immer nur ihr Mann gesprochen. Chiaki blickte Marron an und lächelte. Es war schön, dass sie bei ihm war. Er brauchte sie einfach. Auch wenn sein Vater es nicht mochte, dass Marron mit Chiaki zusammen arbeitete, so lernte sie doch eine Menge bei ihm. Und das hier war schließlich ein Lehrkrankenhaus, es ging hier darum, den Praktikanten etwas beizubringen. Und Chiaki hatte damit absolut keine Probleme, wenn ihre Beziehung für Marron ein Vorteil sein sollte. Doch Marrons Blick war ein wenig traurig, als sie Anna Chou anschaute. Sie wirkte so nachdenklich, in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken. Tomoki trat nun wieder in das Zimmer seiner Patientin. Er hatte lange über den Akten der Frau gestanden und gegrübelt. Das konnte aber alles kein Zufall sein. „Ah, der Doktor“, meinte der Mann der Patientin und lächelte. „Mrs Bradley, ist Ihnen klar, dass Sie immer am gleichen Tag ins Krankenhaus eingeliefert werden? Und das seit sieben Jahren?“, fragte Tomoki und blickte die Frau im Bett an. Sie war schon etwas älter. Ihr Mann saß neben ihr am Bett und spielte mit ihr Karten. Tomoki wollte auf diese Frage eine Antwort. Warum war sie jedes Jahr im Krankenhaus? „Was? Das gibt es doch nicht“, meinte nun ihr Mann überrascht. Er blickte seine Frau an. „Mary?“ Er wusste wirklich nicht was er sagen sollte. Er schien wirklich überrascht zu sein. Und auch seine Frau schien das zu sein. „Ich weiß, das Datum zwar nicht genau, aber...“, fügte der Mann noch hinzu. „Ich habe hier Ihre Unterlagen. Seit 7 Jahren haben Sie an diesem Datum etwas, das aussieht wie ein Herzinfarkt.“ Die Frau lächelte. „Nein“, sie schüttelte den Kopf. „Es ist schon öfters passiert, klar, aber...“ „Am gleichen Tag?“, fragte der Mann noch mal nach. „Jedes Jahr?“ Tomoki nickte und blickte wieder zur Patientin:„Mrs Bradley, hat dieser Tag vielleicht eine besondere Bedeutung für Sie persönlich?“ „Nein.“ Sie schüttelte verstärkend den Kopf. „Gar nicht.“ Aber irgendwie glaubte Tomoki der Frau nicht. Er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass die Frau sehr wohl wusste, was los war. „Was haben Sie im ersten Jahr getan? Ich meine, bei ihrem allerersten Herzanfall?“ Vielleicht bekam er so seine Antwort. „Ach, oh je, daran kann ich mich nun wirklich nicht mehr erinnern.“ Sie lächelte und dennoch drückte ihr Blick ein wenig Verzweiflung aus. Aber das auch nur für einen sehr kurzen Moment. „Wir waren im Garten“, fing ihr Ehemann an. Er blickte sie bei seinen Worten an, fragend. „Das war an dem Tag, als unser Nachbar…wie hieß er noch?“ „Tylor“, antwortete sie. Während ihr Ehemann erklärte, blickte Tomoki, die ganze Zeit Mrs Bradley an. In ihrem Gesicht war nun nicht mehr dieses Lächeln. Nein, ganz und gar nicht. Ihr Gesicht zeigte ihm nun etwas anderes. „Er war gestorben.“ Mr. Bradley blickte Tomoki an und dieser sah ihn ebenfalls an. „Ein Aneurysma, glaub ich.“ Er schien sich wirklich sehr gut zu erinnern. „Die Leute vom Bestattungsinstitut haben den Sarg abgeholt und du hattest den ersten Anfall.“ „Sie haben Tylor nahe gestanden?“, fragte Tomoki direkt hinaus. Mrs Bradley schüttelte sofort den Kopf. „Nein. Oh, wir haben ihn eigentlich kaum gekannt.“ Sie blickte ihren Ehemann sanft an. „Das war damals schon sehr traurig, aber was hat das mit ihrem Herzen zu tun?“, fragte Mr. Bradley. Tomoki blickte die Frau an, nun sah er die Traurigkeit in dem Gesicht der Frau. Es war eindeutig. Seine Frau wusste sehr wohl, was diese Sache mit ihrem Herzen zu tun hatte. Aber sie leugnete es anscheinend und hielt es vor ihrem Ehemann geheim. „Wenn Sie je verraten, was ich jetzt für Sie tun werde, töte ich Sie nicht nur, sondern säge sie auseinander und verkaufe die Einzelteile“, drohte Miyako Toudaji. Wenn das wirklich jemand erfahren würde – nein, daran wollte sie gar nicht mal denken. Mr. Lamont nickte. Miyako seufzte und blickte zur Tür, die offen stand. „Okay. Also...“ Ganz wohl fühlte sie sich wirklich nicht bei dieser Sache. „Also da waren diese Krankenschwestern.“ Sie setzte sich auf das leere Krankenbett, was noch mit in dem Zimmer stand. „Drei davon. Und die waren...“ Sie seufzte und blickte den Mann an, sprach dann weiter: „Sie waren unartig. Sie waren sehr, wirklich sehr unartig. Drei unartige Schwestern.“ Miyako überlegte kurz, wie sie es weiter formulieren sollte. „Sexy. Sie waren auch sexy. Und... und böse. Sexy, böse und unartig“, fasste sie noch mal zusammen. „Sie waren in der Dusche. Zu dritt. Sie hatten sich gegenseitig eingeseift.“ Sie blickte zu dem Mann. Er hatte die Augen geschlossen und leckte sich über die Lippen. Sie blickte schnell wieder weg. „Und plötzlich kommt ein Arzt in die Dusche und als er diese sexy, bösen Krankenschwestern sieht, mit ihren mega-fetten...“ „Also gut, Anna, wir werden nun die PCA-Pumpe abschalten.“, fing Marron an zu erklären. Chiaki trat schon an die Maschine. „Das bedeutet ziemliche Schmerzen, während der Dauer, des...“ „Heilungsrituals“, vollendete Anna den Satz von Marron und blickte sie mit einem leichten Lächeln an. „Sind Sie damit einverstanden?“, fragte Marron mit einem Nicken. „Ja, bin ich“, sagte sie entschlossen. „Sie können meine Seele nicht finden, wenn ich Medikamente nehme.“ Chiaki trat um das Bett herum und stand nun wieder neben Marron, er berührte kurz ihren Arm. „Wer gesund sein will, muss leiden.“ „Es ist nicht nur für Ihren Vater“, meinte Marron. Mr und Mrs. Chou holten nun mit einer Schwester den Schamanen von Dach ab, wo der Helikopter gelandet war. „Sie glauben doch auch daran.“ Ja, Marron hatte es einfach in den Augen der jungen Frau gesehen. „Ich weiß, dass es hirnrissig klingt. Aber beobachten Sie das Ritual, dann sehen Sie es.“ „Dann sehe ich was?“, fragte Marron und blickte die junge Frau an. Sie hatte so ein Strahlen in den Augen, auch wenn sie selber ein wenig unsicher wirkte, dennoch war da dieser Glanz, den Marron in den Augen von Anna entdeckte. „Den Moment, wenn es passiert.“ Marron nickte und lächelte. Vielleicht war sie heute Gott und ihrem Glauben endlich ein wenig näher. Vielleicht würde sie ihm ein wenig näher kommen? Es war doch eigentlich egal, um welche Religion oder welchen Gott es ging. Es ging immer um Vertrauen und Glauben. Chiaki blickte durch das Fenster des Zimmers in den Flur und konnte die Eltern von Anna und einen fremden Mann erkennen, vermutlich war das der Schamane. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber dieser Mann sah aus wie ein ganz normaler Mensch. Vermutlich hatte er erwartet, dass er in einem merkwürdigen Kostüm hier auftauchte, eine bunte Kutte oder so. Sie kamen nun ins Zimmer. Mr. Chou und der Schamane blickten in den Raum, blieben in der Angel stehen. Ihr Blick war fragend, forschend. Ihr Blick war auf die junge Frau im Krankenbett gerichtet. Anne richtete sich ein wenig auf. „Ich bin soweit.“ Marron lächelte. Da war wieder diese Zuversicht. Der Glaube. Ja, der Glaube an ihrer Tradition. Der Glaube daran, dass nun alles gut werden würde. Der Glaube an ihre Religion. Miyako lag inzwischen in dem Bett neben dem von ihrem Patienten. Sie hatte die Arme hinter ihrem Kopf verschränkt und lag nun so auf ihnen wie auf einem Kopfkissen. „'Oh ja, ich bin ja so ein böses Ding.' sagte Bianca zu ihm, als ihr Stethoskop auf den Boden gefallen war. 'Oh, ich auch', sagte Kristen und ließ ihren OP-Handschuh schnalzen. Und dann kam Martha.“ Miyako blickte zur Tür und erschrak. Nein, das konnte nicht sein. Da stand Dr. Kaiki Nagoya und blickte sie fragend an. Doch Miyako sagte gar nichts und deutete nur auf ihren Patienten, der inzwischen wieder ruhig war und schien schmerzlos zu sein schien. Dr. Kaiki Nagoya rollte mit den Augen ging aber nun weiter. Er hatte heute schon genug Probleme. Damit konnte er sich nun auch nicht noch befassen. Und wo war sein Sohn? Bestimmt bei seiner tollen Verlobten. Miyako seufzte und verschränkte die Arme wieder als Kissen hinter ihren Kopf. Sie seufzte auf, erleichtert dass das erstmal keinen Ärger mit Dr. Nagoya zu geben schien. „Wo war ich?“ „Martha...“, erinnerte sie Henry mit geschlossenen Augen. „Ach ja, genau. Martha war die unartigste Schwester von allen, weil sie herausgefunden hat...“, in diesem Moment ging das Licht wieder an. Überrascht blickte Miyako an die Decke. „Wir haben wieder Strom“, schrie jemand aus dem Flur. „Gott sei Dank“, meinte Miyako erleichtert. Marron blickte von außen fasziniert dem Prozess des Schamanen zu. Der Mann hatte einen roten Turban an, zumindest erinnerte Marron das, was er auf den Kopf hatte, an einen Turban. Er hatte eine kleine Fackel in der Hand und verteilte Rauch im Raum. Man hatte auch ein paar Kerzen aufgestellt. Er sprach leise ein Gebet, immer und immer wieder dieselben Worte. Sie wirkten beruhigend. Während die Familie mit im Raum war, standen Chiaki und Marron am Fenster und blickten vom Flur ins Zimmer. „Wie lange dauert es wohl, eine verlorene Seele zurück zu bekommen?“, fragte Chiaki. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er schien nicht so wirklich von dieser Sache begeistert zu sein, doch Marron war regelrecht wie gebannt. Marron blickte auf das ruhige und entspannte Gesicht der jungen Frau. Da sie das Schmerzmittel abgestellt hatten, musste sie schon längst wieder Schmerzen haben, doch keine Regung, kein Zucken war zu sehen, nur das ruhige Gesicht von Anna Chou. Sie hatte die Augen geschlossen und wiederholte auch hin und wieder Worte, die der Schamane ihr nannte. Marron blickte nun zu Chiaki und wollte erkennen, ob seine Frage mehr Scherz als sonst was war, doch sein Gesicht war genauso ernst, wie das ihre. „Keine Ahnung.“ Marron lehnte sich leicht an ihn und Chiaki lächelte. „Sie haben Stress-Kardio-Monopathie“, erklärte Tomoki der Frau, die im Bett lag und ihn erwartungsvoll ansah. „Kardio-Monopathie? … Was... Sagen Sie mir, was das ist?“ Tomoki nickte. Er saß nun auf dem Stuhl am Bett von Frau Bradley. Auf dem Stuhl, auf dem vorhin noch ihr Mann gesessen hatte. „Es ist Tylor“, antwortete Tomoki erklärend. „Tylor?“ „Tylor“, bestätigte Tomoki noch mal. „Er war nicht nur ein Nachbar, den Sie kaum kannten.“ Es hörte sich fast wie eine Frage an, war aber dennoch mehr eine Feststellung. Die Frau schluckte schwer, schüttelte aber den Kopf. „Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“ Sie blickte nun auf ihren Hände. Wahrscheinlich, weil sie den Blick nicht mehr standhalten konnte. „Jedes Jahr an seinem Todestag erleben Sie einen Adrenalinstoß, hervor gerufen durch Stress. Ihr Blutdruck steigt. Sie haben Herzschmerzen.“ Tomoki blickte die Frau an und hörte sie nun seufzen. „Und dann landen Sie bei uns.“ „27 Jahre...“ Ihr Blick wurde nun weich. „Liebte ich diesen Mann von neben an und er liebte mich. Ich weiß, wie das klingt, aber...“ Sie lächelte nun sogar. „Tylor war meine große Liebe.“ Nun sah man Verzweiflung und Schmerz in ihrem Blick. „Und dann... und dann ist er gegangen.“ Tomoki nickte leicht. „Sie trauern um ihn. Ihr Herz bleibt stehen, weil sie um Tylor trauern.“ Tränen liefen nun aus den Augen der Frau, sie wischte sie sich nicht weg, sie schämte sich nicht dafür. „Also, was tue ich jetzt?“ Nun wischte sie die Tränen weg. „Ich meine, wie behandeln Sie das?“ Mrs. Bradley sah ihn Hilfe suchend an. „Das wüsste ich gerne“, meinte Tomoki und blickte die Frau an. Es gibt leider kein Mittel gegen Liebeskummer. Gegen diese Art von Herzschmerz. „Sagen Sie, wie schaffen Sie das?“, fragte Miyako völlig interessiert die Frau von Henry Lamont. „Ich meine 'Versaute kleine Schwestern Teil 4'? Und ich nehme an eins, zwei und drei...“ „Er ist mein Henry“, meinte die Ehefrau von Henry Lamont lächelnd. „Aber finden Sie das nicht frauenfeindlich und degradierend und irgendwie...“ Sie seufzte. „24 Stunden täglich Pornos? Ehrlich? Das ist ihr Leben?“ Sie wusste nicht, ob sie Respekt haben sollte oder eher Mitgefühl. Sie konnte sich so ein Leben wirklich nicht vorstellen. „Ich bin dankbar. Es nimmt ihm die Schmerzen“, erklärte sie zuversichtlich. „Verstehen Sie, es ist so, Henry, nimmt mir meine Schmerzen.“ Chiaki kam aus der Operation und riss sich Handschuhe und Haube vom Körper. Nach dem Heilungsritual durfte Chiaki nun endlich Anna Chou operieren. Der Schamane hatte Annas verlorene Seele gefunden und wieder in ihren Körper gebracht. Und es war wirklich gut. Chiaki war nach der Operation sehr zuversichtlich. Marron trat nun zu ihm in den Waschraum. Sie wirkte ein wenig verstört und nervös. „Ist alles okay?“, fragte er mit ruhiger Stimme und trocknete sich gerade die Hände ab. „Ich habe gelogen“, fing sie an. „Marron.“ Er wusste nun wirklich nicht, was sie ihm sagen wollte. Aber sie sah so verwirrt aus. „Nein, lass mich bitte ausreden.“ Sie seufzte. „Ich habe gelogen, als ich gesagt habe, dass wir das Beide gegenüber deinem Vater schaffen.“ Sie blickte ihn mit traurigen, aber auch ernsten Augen an. Vermutlich hatte sie lange über diese Worte nachgedacht und dennoch wusste sie nicht, wie sie diese Worte formulieren sollte. „Aber du schaffst es nicht, Chiaki und ich will nicht, dass du dich zwischen deinem Vater und mir entscheiden musst. Und nun steh ich hier und bettele.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig. „Marron...“ „Halt bitte die Klappe. Du sagst Marron und ich meckere wieder, weißt du nicht mehr?“ Sie konnte nun mal nicht über ihre Gefühle reden, doch nun wollte sie das. Sie wollte es für ihn und für diese Beziehung. „Doch.“ Chiaki lehnte sich gegen das Waschbecken und blickte die Wand an. „Okay, hör mir einfach zu.“ Sie blickte ihn an und wartete auf sein Nicken. „Ich will nicht, dass du dich entscheiden musst, weil ich dich liebe. Ja, ich liebe dich.“ Sie hatte die Worte in letzter Zeit nicht oft genug über die Lippen gebracht. Zu wenig, als er es eigentlich verdient hätte. „Es ist so eine wahnsinnig, verrückt gewordene, vorgeben, die gleiche Musik toll zu finden, dich das letzte Stück Käsekuchen essen lassen, vor deinem Fenster einen Ghetto Blaster über den Kopf hoch zu halten, unmöglicherweise dich hassen lässt-Liebe. Das ist meine Liebe.“ Sie lächelte leicht. „Also entscheide dich wirklich für uns und wir schaffen das. Bitte, liebe mich weiterhin, so wie bisher und noch mehr. Ich brauche dich einfach.“ Sie bettelte wirklich und so kannte er sie gar nicht. Chiaki lächelte und streichelte Marron über die Wange. „Das ist das Schönste, was je jemand zu mir gesagt hat.“ Marron nickte und schluckte. „Ich werde gleich mit Miyako und Tomoki in der Bar sein. Ariane wird auch kommen. Wir feiern meine Verlobung oder so was in der Art. Also eigentlich unsere Verlobung“, fügte sie schnell hinzu. Sie strich ihm über den Kragen. „Bitte, rede noch mal mit deinem Vater und komme dann vorbei, wenn du es für richtig hältst, wenn du die Kraft hast, diese Verlobung zu feiern.“ Ihre Stimme klang traurig, aber auch ruhig. Sie gab ihm hier eine Chance, selber zu entscheiden, noch mal darüber nachzudenken, ob er das wirklich wollte. Ob er seinen Vater wirklich nicht bei sich haben wollte. Sie drehte sich um und ging. Schmerz, man muss ihn einfach aushalten. Und hoffen, dass er von alleine wieder weggeht. Hoffen, dass die Wunde, die er ausgelöst hat, verheilt. Es gibt keine wirklichen Lösungen. Und auch keine leichten Antworten. Am besten, man atmet tief ein und aus und hofft, dass der Schmerz nachlässt. Meistens kann man den Schmerz kontrollieren. Aber manchmal erwischt er einen da, wo man es nicht erwartet hat. Er trifft einen unter der Gürtellinie und hört nicht mehr auf, weh zu tun. Schmerz. Man muss ihn sich einfach stellen. Und die Wahrheit ist, dass man ihm nicht entkommen kann. Das Leben bringt ständig neuen Schmerz. „Vater!“ Chiaki hatte angeklopft und trat nun in das Büro seines Vaters. Er musste wirklich mit ihm reden. Unbedingt. Es gab einfach momentan keinen anderen Ausweg. Er musste diese Sachen einfach aus dem Weg schaffen. Für sich. Für Marron. Und auch für die Vater-Sohn-Beziehung. Er ging seinem Vater so gut es ging immer aus dem Weg. Er ertrug ihn momentan einfach nicht. „Chiaki…“, Kaiki war sichtlich überrascht, seinen Sohn zu sehen. Er blickte auf die Uhr. „Hast du nicht Feierabend?“ „Ja, habe ich. Aber ich muss noch mit dir reden.“ Kaiki nickte. „Setz dich doch.“ Er deutete auf den Sessel vor dem Schreibtisch, hinter dem er mal wieder vollkommen versunken war. Chiaki schloss die Tür leise und blickte seinen Vater an. Er dachte kurz über das Angebot nach. „Ich stehe lieber, Vater.“ Er stützte sich aber mit beiden Armen auf die Lehne des Sessels und blickte seinen Vater an. „Worum geht’s denn?“ Er hatte vor sich die ganzen Zahlen und Finanzen des Krankenhaus legen und versuchte einen Weg zu erkennen, wie er am schnellsten veranlassen konnte, dass ein neues Notaggregat bestellt wurde. „Es geht um Marron und mich.“ „Verstehe“, Kaiki schloss den Füller mit dem Deckel und legte den Stift aus der Hand, bevor er seinen Sohn vollkommen musterte. „Ich liebe sie, Vater.“ „Sie ist deine Praktikantin.“ „Sie ist das Beste, was mir je passiert ist“, widersprach Chiaki seinen Vater. „Sie ist deine Praktikantin“, wiederholte Kaiki. „Sie ist noch nicht mal mit ihrem Studium fertig.“ „Das hat doch nichts mit meiner Liebe zu ihr zu tun.“ Er fuhr sich durchs Haar, drehte sich um und seufzte. Dann drehte er sich wieder zu seinem Vater um. „Vater, nenn mir bitte einen triftigen Grund für deine Abneigung gegenüber Marron. Ich will es verstehen. Ich will wirklich verstehen, warum du mir mein Glück nicht gönnst.“ „Ich gönne dir ja dein Glück, aber…“ „Aber anscheinend betrifft dieses Glück nicht Marron, wenn es nach dir geht.“ „Nein“, antwortete Kaiki sofort. „Ja.“ Er seufzte. „Bitte, Vater. Heute Abend findet eine kleine Verlobungsfeier statt. Die Freunde von Marron haben das ein wenig organisiert und sie hat zugesagt. Ich weiß, dass sie so was eigentlich nicht mag. Aber sie will mich dabei haben.“ Chiaki seufzte. „Aber sie hat mich gebeten, nur dabei zu sein, wenn ich mir sicher bin, dass dieser Kampf gegen dich ein Ende hat. Sie will nicht, dass ich zwischen euch stehe.“ „Das ist gutmütig von ihr.“ „Ja, so ist Marron nun mal.“ „Sie ist zu naiv, labil. Sie hängt ihr Herz zu sehr an Patienten.“ „Ja, das tut sie wirklich. Aber ich finde nicht, dass sie deswegen labil ist, sondern eher herzlich. Sie kümmert sich nun mal um jeden gerne um andere Menschen.“ „So wie Zen?“ Chiaki seufzte. So hatte er sich das Gespräch nicht unbedingt vorgestellt. Er wollte doch nur den Segen von seinem Vater. Oder zumindest, dass dieser einfach akzeptierte, dass Chiaki nur mit Marron glücklich werden konnte. „Ist das dein Grund? Ist das der Grund, warum ich nicht mit ihr zusammen sein soll?“ „Nein“, sagte Kaiki mit ruhiger Stimme. „Verdammt! Vater, ich will endlich wissen, was los ist“, forderte Chiaki nun und schlug mit der Faust auf die Lehne des Sessels. Kaiki blickte seinen Sohn an. Er wusste, wie ernst es Chiaki mit Marron war. Er gönnte seinem Sohn das Glück. Nur warum musste es die Tochter von Korron sein? Hätte es nicht jede andere sein können. Sein Blick wurde sanft, als er anfing zu reden: „Sie ist die Tochter, der Frau die ich einst geliebt habe.“ Chiaki seufzte. „Eigentlich wollte ich davon nichts wissen. Aber anscheinend muss ich es nun doch erfahren.“ Kaiki nickte schwach. „Chiaki, ich mag Marron. Sie als Mensch. Sie ist ein wundervoller Mensch und ich gönne sie dir. Aber…“ „Aber?“ Chiaki setzte sich nun doch in den Sessel. Kaiki schwieg und blickte seinen Sohn an. Er war schon so erwachsen. Wo war all die Zeit hingegangen? „Als ich mit deiner Mutter zusammen war.“ Chiaki staunte, sein Vater sprach nie über seine Mutter. Zu lange war sie einfach schon tot und anscheinend schmerzte jeder Gedanke an seine erste Frau, seinen Vater immer noch sehr. „Deine Mutter war ein so wundervoller Mensch. Sie verzieh mir immer alles.“ Er seufzte und blickte auf den Füller, der auf seinem Schreibtisch lag. „Ich weiß nicht, warum sie das tat, aber sie verzieh mir immer.“ Chiaki blickte kurz auf die Uhr. Vermutlich war Marron nun schon in der Bar und sah immer wieder zur Tür, wenn diese sich öffnete, ob er nun endlich auch kommen würde. Aber das hier war erst mal wichtig. „Ich habe deine Mutter betrogen, als du gerade mal ein Jahr alt warst.“ Chiaki blickte seinen Vater entsetzt an. „Ich habe Korron während des Studiums kennen gelernt. Wir haben oft zusammen gelernt. Ich habe mich einfach in sie verliebt.“ Er seufzte schwer, anscheinend schienen die Worte ihm weh zu tun. „Ich wollte mich sogar für Korron von deiner Mutter trennen, doch dann hatte sich Korron anders entschieden. Sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie beendete unsere Affäre und entschied sich für einen anderen Mann, Marrons Vater.“ Der Blauhaarige wusste nicht, was er sagen sollte, vermutlich gar nichts. „Es war so einfach, einfach bei deiner Mutter zu bleiben. Ich hatte ja nichts mehr zu entscheiden. Es war falsch, das wusste ich. Als deine Mutter krank wurde… du warst noch so klein… als sie krank wurde, hatte ich es ihr gebeichtet.“ „Du hast ihr am Krankenbett gesagt, dass du sie betrogen hast?“ „Ja, ich habe es ihr gebeichtet. Ich konnte es einfach nicht mehr. Und dann… und dann hat sie meine Hand genommen, sie gestreichelt und mir ins Gesicht gesagt, dass sie es wusste. Sie wusste, dass ich eine Affäre mit Korron hatte.“ „Mutter kannte sie?“ „Ja, sie waren Freundinnen.“ „Du hattest eine Affäre mit der Freundin meiner Mutter?“ Chiaki wusste nun gar nichts mehr. Kaiki nickte. „Und deine Mutter hatte es die ganze Zeit gewusst und doch blieb sie mit dir bei mir.“ Chiaki musste erstmal schlucken. Das war nun doch ein wenig zu viel Information auf einmal, für ihn. Aber dennoch war es okay, zumindest in diesem Moment. Ja, es schien wirklich okay zu sein. Seine Mutter war gestorben, als Chiaki sechs Jahre alt war. In seinen Erinnerungen an sie, war sie immer eine wundervolle Frau. „Es tut mir Leid, dass du das alles nun doch erfahren musst. Aber als ich Marron das erste Mal sah. Sie sieht ihrer Mutter einfach so ähnlich.“ Chiaki blickte wieder auf und sah seinen Vater an. „Ist das, das Problem? Weil sie dich zu sehr an Korron erinnert?“ Kaiki schluckte, nickte aber. Nun war es Chiaki, der nickte. Er stand auf. „Hör mir zu Vater“, er überlegte, wie er die Worte wählen sollte. „Ich liebe Marron und daran wird sich nichts ändern. Ich werde sie heiraten und ich will, dass du sie endlich akzeptierst. Lass diese Affäre nicht an Marron aus. Und…“ Er blickte seinen Vater ernst an. „Ich will nicht, dass Marron davon erfährt. Du wirst ihr dazu nichts sagen.“ Kaiki nickte. „Okay.“ Und dann lächelte er seinen Sohn zufrieden an. „Und danke, dass du mir zugehört hast.“ Chiaki nickte nur und ging nun wieder zur Tür. „Das habe ich nur Marron zu Liebe getan. Zu der ich jetzt gehen werde. Guten Abend noch, Vater.“ Mit diesen Worten verließ Chiaki das Büro seines Vaters. Er hatte nun das Verlangen, so schnell wie möglich zu seiner Verlobten zu kommen. Er wollte sie sehen. Er musste nun einfach bei Marron sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)