merry-go-round von Kuchenschabe (Für meine ro-chan <3) ================================================================================ Kapitel 1: Tatsus POV --------------------- Wie naiv muss man sein, um zu glauben, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist? Wir leben nicht mehr, wir überleben bloß und auf unseren Schultern lastet meist ein Schmerz, bei dem wir drohen in die Knie zu gehen. Liebe ist da nur eine angenehme Lüge von vielen. Sie gibt unserer Existenz kurzzeitig einen Sinn und lässt uns vergessen, wofür wir im Grunde eigentlich hier sind. Um zu sterben. Zu negativ? Wach auf, das ist die Realität und keine Frage der Erträglichkeit. Der Regen hier in Ibaraki ist leicht säuerlich. Normalerweise liebte ich es im Regen zu stehen und dem Himmel entgegen zu sehen. Aber dieser hier hatte schon fast etwas Ätzendes. Wahrscheinlich lebte ich schon viel zu lange in dieser scheintoten Stadt. Ich kannte jeden Baum, jede Straße, jede noch so kleine Gasse. Wenn man jeden Tag dasselbe isst, hat man ja auch irgendwann die Schnauze voll davon. Was tat ich eigentlich damals dort? Ich saß in einem menschenleeren Freizeitpark auf einer Bank. Yukke lag neben mir, den Kopf auf meinem Schoß gebetet. Ich hatte keine Angst, auch als er sich nicht mehr bewegte. Alles war so leise und so unwirklich, als wäre ich in ein Gemälde gestiegen. Mein Blick schweifte vom Riesenrad, welches sich rechts vor mir befand, rüber, zu einem großen, alten Kirschbaum, der zu meiner linken Seite stand. Da er blühte, musste es wohl Frühjahr sein. Inmitten dieser Geschaffenheiten kam ich mir so winzig und unbedeutend vor. Mein Kopf neigte sich wieder vorsichtig nach unten. Er saß so friedlich aus, als würde er bloß schlafen. Seine weiße Haut war blasser als sonst, doch sie saß wie immer makellos und wunderschön aus. Wie war es gekommen, dass wir und damals in solch einer Situation wiederfanden? Es dauerte einige Zeit, bis ich mich wieder daran erinnern konnte. Es war zwar noch nicht lange her, doch es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Immer noch war meine Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Die Frage, wieso er keine Wunden hatte, erklärt sich von selbst - sie waren seelischer Natur. Wie einen Schmetterling hatte man ihn in ein kleines, luftdichtes Glas gesteckt; ihn ausgestellt wie eine Schaufensterpuppe. Aber wenn man einen Schmetterling einsperrt, ein Geschöpf, welches ohne die Freiheit nicht leben kann, muss man mit dem Resultat rechnen, dass er verblasst und stirbt. Erfolg ist so ein Glas, das weder Ein- und Ausgang besitzt, noch Luftlöcher hat. Und wenn man zu lange darin eingesperrt ist, erstickt man. Logisch. Ein müdes Lächeln verlief sich auf meinen Lippen, als ich ihm durch die weichen Haare strich und daran dachte, wie eitel er doch immer war. Dann kamen in mir auch noch andere Erinnerungen hoch. Erinnerungen, die zwar kein zweites Lächeln verursachten, mich aber dennoch glücklich machten. Wie er mir damals, als wir kleine Kinder waren die Hand reichte, um auf das Karussellpferd im Park zu steigen und mir belustigt und zugleich theatralisch sagte, dass wir niemals so werden dürften wie diese festgefahrenen Bakas von Erwachsenen, die wie die Karusselfiguren hintereinander gereiht immer und immer wieder im Kreis fahren. Unser beider Leben ist nie in geregelten Bahnen verlaufen, doch zum Schluß haben wir uns selbst einen Kreis geschaffen, in dem wir uns gedreht haben. Wir sind nie stehen geblieben, aber auch nicht wirklich weitergekommen. Ich starrte schon eine ganze Weile auf die kleinen, verschiedenfarbigen Tabletten in meiner Hand. Zusammen hatten sie eine tödliche Wirkung, hatte Yukke gesagt. Daraufhin hatte ich natürlich gefragt, was dieser Unsinn soll, worauf er entgegnete, dass er sterben wolle - was ich für einen Scherz hielt. Er sagte es auch nicht besonders ernst, wobei ich so etwas nicht beurteilen konnte. Schließlich hatte mir bis dahin nie jemand gesagt, dass er vorhatte sich umzubringen. Jetzt bereute ich es, denn ich war so damit abgelenkt ihn davon abzuhalten, dass ich nicht einmal nach dem Grund, nach dem "Wofür" oder "Warum" fragte, denn kurz vor seinem Tod verstand ich, dass er das Gift schon genommen hatte. Das tat mir am meisten Leid. Vollkommen ruhig und bewegungslos saß ich immer noch auf dieser Bank und fragte mich, was man wohl denken würde, wenn man wüsste, dass man bald sterben würde. Das Wetter, Yukke, meine erste große Liebe und die wahre Liebe, die ich nie gefunden habe. Das Fernsehprogramm, unsere Konzerte, die Band, Musik...das könnte ewig so weiter gehen. Ich habe noch viel an diesem Tag nachgedacht. Doch am meisten quälte mich die Frage, warum Yukke das tat und warum ich Idiot nicht fragte, wofür er es tat. Hatte es überhaupt einen Grund? Wieso vertraute er sich mir an? Langsam fühlte ich mich müde. Das Gift, das ich auch genommen hatte wirkt also. Ich hätte sein Gesicht gerne noch einmal gesehen, aber egal, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte, ich konnte nichts mehr sehen, außer einer großen schwarzen Leere. So ruhig wie ich bis jetzt gewesen bin, hätte mich daraus schließen lassen, dass es vor meinem Tod genauso wäre. Aber dann, als es gleich vorbei sein sollte, bekam ich Angst. Richtige Panik war es nicht, eher ein Gefühl des Verlorenseins. Meine Hand tastete nach der von Yukke. Ich konnte nicht sagen, dass mir seine Wärme Trost spendete, denn er war kalt. Dennoch beruhigte mich seine Nähe irgendwie. Auch wenn es nur sein lebloser Körper war. Was denkt ein Sterbender im Angesicht des Todes? - Nichts, aber er hofft nicht alleine sein zu müssen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)