Vergessen ist einfach, Verzeihen ist schwer von Naime (SetoxIshizu) ================================================================================ Kapitel 11: Return ------------------ "Ich sterbe!" Marik's Kopf knallte mit einem dumpfen Laut auf die Tischplatte. Seit einer Stunde sass er nun hier im Esszimmer und hoerte sich die Proteste seines leeren Magens an, die von Minute zu Minute schlimmer zu werden schienen. Wo blieben die drei denn bloss? Sie wollten schon seit mindestens zwei Stunden zurueck sein, und eigentlich hatte er auch schon befuerchtet, dass nichts mehr zu Essen da war, weil er und Mokuba dummerweise bei ihrem Motorradausflug die Uhrzeit vergessen hatten und wiedermal viel zu spaet dran waren. Aber als sie zuhause ankamen verkuendete Odion nur schulterzuckend, dass noch niemand dagewesen sei und sie sich wohl oder uebel noch ein wenig gedulden mussten, bis es Essen gab. Ein wenig. Was verstand Odion bitte unter ein wenig?! Es daemmerte bereits und Marik war sich ziemlich sicher, dass er sich heute noch mit dem Gedanken abfinden musste, dass er nichts mehr zwischen die Zaehne bekam, weil seine Schwester spontan entschlossen hatte in einem Restaurant essen zu gehen anstatt von dort etwas mitzubringen. "Marik, jetzt stell dich doch nicht so an.", seufzte Mokuba, dem Mariks wehleidiges Getue mittlerweile ziemlich auf die Nerven ging. "Es zwingt dich doch keiner zu warten, du kannst dir doch auch einfach ein Brot machen, wenn du wirklich so hungrig bist." "Damit ich mir von Ishizu spaeter anhoeren darf, dass ich nicht immer vor dem Essen alles moegliche in mich reinstopfen soll, weil ich dann anschliessend keinen Hunger mehr habe und sie die Haelfte wegschmeissen darf? Nein, danke. Lieber verhungere ich." "Also dir ist echt nicht zu helfen.", schuettelte der Mini-Kaiba den Kopf, waehrend er gelangweilt an der Tischdecke herumspielte. Er hatte ja auch Hunger, wenn auch nicht so schlimm wie Marik, aber er wuerde sich garantiert nicht die Bloesse geben hier jammernd auf dem Tisch herumzuliegen, wenn ein Zimmer weiter der Kuehlschrank stand und er sich einfach etwas holen koennte. "Vielleicht sind sie ja durchgebrannt und gerade auf dem Weg nach Las Vegas...", ueberlegte Marik, waehrend er Mokuba stirnrunzelnd dabei beobachtete, wie er eine Falte nach der anderen in ihrer Tischdecke hinterlies. "So ein Quatsch, die haetten sich doch heute Mittag noch am liebsten gegenseitig den Kopf abgerissen, weil sie sich nicht einigen konnten wer das Auto faehrt, wenn Aaliyah nicht dazwischen gefunkt haette. Ich frage mich ueberhaupt wie sie es so schnell geschafft hat meinen Bruder ruhig zu stellen... Ich muss sie bei Gelegenheit mal fragen ob sie mir ihr Geheimnis verraet..." "Na und? Wer weiss, was die heute alles getrieben haben... Die sind bestimmt nicht umsonst auf einen Reiterhof gefahren.", grinste Marik. "Du musst echt einen maechtigen Schlag haben, wenn du von so harmlosen Worten auf so perverse Gedanken kommst.", stellte Mokuba fest. "Ausserdem hatten sie Aaliyah dabei, da werden sie wohl kaum mal schnell uebereinander herfallen." "Warum nicht? Ich kenne meine Nichte, wenn die sich einmal fuer etwas begeistert hat, dann ist der Rest der Welt fuer sie Geschichte. Und von Pferden ist sie definitiv begeistert. Also haetten die beiden mehr als genug Zeit sich mal fuer eine Weile zurueckzuziehen." "Auf einem Pferdehof?", fragte Mokuba skeptisch. "Hey komm, in so billigen Kitschserien liegt auch jedes zweite Paar irgendwann mal im Heu, so abtruennig ist es also gar nicht!", verteidigte sich Marik. "Die beiden sind ja nicht einmal ein Paar!" "Aber sie waren eins!" "Selbst wenn, ich traue den beiden ein bisschen mehr Stil zu, als dass sie sich im Mist herumwaelzen." "Im Heu.", berichtigte ihn Marik. "Ist doch egal, Fakt ist, dass das weder mein Bruder noch deine Schwester machen wuerde!" "Wer weiss." "Ich kenne meinen Bruder, Marik. Sowas macht der nicht." "Woher willst du das denn wissen, spionierst du ihm nach?", fragte Marik grinsend. "Natuerlich nicht, aber ich wuesste nicht, dass er sich irgendwann einmal auf einem Reiterhof herumgetrieben haette. Von daher faellt die Option Heuhaufen also weg." "Aber er treibt sich heute auf einem herum, also haette er die Moeglichkeit doch." "Ich gebs auf.", seufzte Mokuba. "Bei dir ist definitiv irgendetwas in der Erziehung maechtig gescheitert." "Sagt ausgerechnet der, der das Auto seines Bruders im Gebuesch versenkt hat." "Als ob dieses eine Auto so arg auffallen wuerde.", verdrehte Mokuba die Augen. "Und so teuer kommen die paar Kratzer auch nicht..." "Na da kannst du ja froh sein, dass ihr soviel Geld habt. Ishizu wuerde mich tausend Tode sterben lassen, wenn ich ihr Auto schrotten wuerde. Wobei sie das ja auch jetzt schon tut, indem sie mir nichts zu essen gibt.", seufzte Marik genervt, nachdem sich sein Bauch mal wieder zu Wort gemeldet hatte. "Weisst du, falls es dir noch nicht aufgefallen ist: In der Kueche steht ein Kuehlschrank voller Essen.", wiederholte Mokuba. "Du muesstest nur aufstehen und dir was holen." "Ich glaube, das mach ich jetzt auch.", seufzte Marik und erhob sich von seinem Platz. "Von einem Brot werde ich sowieso nicht vollstaendig satt, also kann Ishizu mir auch nicht die Hoelle heiss machen, weil ich spaeter nichtsmehr esse." Doch noch ehe die beiden die Kueche auch nur ansatzweise betreten hatten, war bereits das Klicken der Haustuer zu vernehmen. Sich gegenseitig angrinsend machten Marik und Mokuba auf der Stelle kehrt und liefen in die Eingangshalle, um das Essen in Empfang zu nehmen. Seufzend lies Seto die Tuer hinter sich und Ishizu ins Schloss fallen. Gott, was war er froh endlich wieder 'zuhause' zu sein und nichtmehr auf dieser bloeden Polizeistation. Den Besuch dort haetten sie sich eigentlich schenken koennen. Er war ja am Telefon schon ziemlich skeptisch gewesen, weil die Behoerden drei Anlaeufe gebraucht hatten, bis sie verstanden hatten, was er ihnen erzaehlte. Und selbst dann taten sie das Ganze noch als einfaches Verschwinden ab, dem die Polizei erst nach 48 Stunden nachgehen wollte. Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis Seto diese Witzfiguren von Polizisten davon ueberzeugt hatte, dass es sich wirklich um eine Entfuehrung und nicht um irgendein weggelaufenes Kind handelte, und eine weitere, bis endlich die Spurensicherung und einige normale Polizisten eingetroffen waren, die sich darum kuemmern sollten, die Reifenspuren und was sie sonst noch nuetzliches fanden sicherzustellen. Diese Zeit des Wartens hatte Seto eigentlich dazu nutzen gewollt, Ishizu ein wenig zu beruhigen, denn mehr als bittere Traenen und lautes Schluchzen war in dem Moment verstaendlicherweise nicht aus ihr herauszubekommen gewesen. Aber jeder Versuch war klaeglich fehl geschlagen und am Ende war sie nicht nur am Boden zerstoert, sondern auch noch unendlich sauer gewesen; auf die Polizei, auf ihn, auf sich selbst und jeden, der ihr gerade in die Quere kam; an jedem hatte sie ihre Wut ausgelassen, solange bis selbst die nichtmehr ausgereicht hatte ihre Trauer zu verstecken und die Traenen wieder die Oberhand gewannen. Das Ende vom Lied war jedenfalls gewesen, dass man sie beide nach ewigem Hin und Her aufs Revier geschickt hatte, wo man ihre Aussagen zu Protokoll nehmen wollte. Setos Meinung, naemlich dass man Ishizu vielleicht erst einmal nach Hause schicken sollte, damit sie sich beruhigen konnte, war dabei gekonnt ueberhoert worden. Stattdessen hatte man noch eins oben drauf gesetzt, indem man auf ein getrenntes Verhoer bestand. Das ging dem Bruenetten zum einen deswegen so auf die Nerven, weil er Ishizu in dem Moment alles andere als gerne alleine mit diesen unsensiblen Idioten gelassen hatte, zum anderen deswegen, weil er sich somit gezwungen sehen musste wildfremden Leuten davon zu erzaehlen, wie er sich mit seiner Ex gestritten hatte, weil er anscheinend eifersuechtig auf einen Nebenbuhler war. Haette man sie zusammen befragt haette er wahrscheinlich gesagt, sie waere sauer auf ihn gewesen, weil er ihren Jahrestag vergessen hatte oder so in der Art. Aber auf jeden Fall nicht, dass er eifersuechtig auf den Mann war, der ihm die beinahe-Ehefrau ausgespannt hatte!! Nur hatte er ja schlecht luegen koennen, er wusste immerhin nicht, was Ishizu zu dem Thema sagen wuerde und am Ende waere dann nur er selbst im Verdacht gestanden, Aaliyah entfuehrt zu haben, weil er an dieser unbedeutenden Stelle gelogen hatte. Was ihm dann auch noch zusaetlich auf die Nerven ging, war diese verdammte Warterei. Waehrend Seto naemlich einfache klare Antworten gegeben hatte und somit relativ frueh fertig gewesen war mit seiner Aussage, dauerte Ishizus Befragung noch eine geschlagene Stunde laenger. Eine geschlagene Stunde in der man sie Fragen aussetzte, die sie noch tiefer herunterzogen, als sie ohnehin schon war. Und er konnte nichts dagegen tun. Er durfte ja nicht zu ihr. Er durfte nur sinnlos in der Gegend herumsitzen und warten. Warten und hoffen, dass es ihr spaeter nicht noch dreckiger ging als vorher, weil diese unsensiblen Schwachkoepfe sich einen Spass daraus machten, unnoetig in der offenen Wunde herumzustochern. Zwar hatte er auch nicht mit Bestimmtheit sagen gekonnt, dass es ertraeglicher fuer Ishizu gewesen waere, wenn er bei ihr gewesen waere, aber ihm waere dann wenigstens wohler zumute gewesen, weil er gewusst haette, dass er haette einschreiten koennen, wenn diese Trottel zu weit gingen. Und das waren sie definitiv, wenn er sich Ishizu angesehen hatte, als sie aus dem Befragungszimmer gekommen war. Fuer einen Fremden mochte sie relativ gefasst gewirkt haben, aber nicht fuer ihn. Seto kannte sie viel zu gut, als dass er diese ausschlaggebenden Kleinigkeiten uebersehen haette. Nach aussen hin hatte sie vielleicht eine Mauer aufgebaut, die auf andere beherrscht und unerschuetterlich wirkte, aber sie war das genaue Gegenteil davon gewesen. Die verweinten Augen, aus denen nur noch still und heimlich die Traenen geflossen waren. Die zitternden Arme, die sie Halt suchend um sich selbst geschlungen hatte. Der gesenkte Blick, der stur einen Punkt auf dem Boden fixiert hatte und das offenbarte, was hinter jener Mauer lag, die auf die anderen so stark wirkte; die die anderen davon abhielt, die Seite von ihr zu sehen, die nicht so stark und unerschuetterlich war, wie die Mauer, die ein Meer der Gefuehle davon abhielt, nach aussen zu dringen. Ein Meer das viel zu gewaltig gewesen war um zurueckgehalten werden zu koennen. Bereits als er das Klicken der Tuer gehoert hatte, war Seto aufgesprungen und auf Ishizu zugegangen, doch bevor er sie erreicht hatte, erreichte ihn etwas ganz anderes: Ihr Blick, vorher so bestaendig auf ein nichts im Raum gerichtet, hatte sich gehoben, als sie seine Schritte hoerte, und ihm gezeigt, was er schon vorher vernommen hatte: Einen stummen Schrei nach Hilfe und einer Person, die Ishizu den Halt zurueck gab, den sie gerade verloren hatte. Natuerlich war ihm bewusst gewesen, dass es bestimmt tausend andere Personen gab, die fuer diese Aufgabe besser geeignet gewesen waeren als er, aber ausser ihm war in jenem Moment niemand in Reichweite gewesen, was auch Ishizu gewusst zu haben schien, denn waehrend Seto noch gezoegert hatte die letzte Distanz zwischen ihnen zu schliessen, hatte sie sich bereits in seine Arme geworfen und auch nicht gerade den Anschein gemacht, als ob sie da so schnell wieder weg gewollt haette. Dafuer hatte Seto aber so schnell wie moeglich von dieser Polizeistation weggewollt, besonders, nachdem man ihnen das Endergebnis der ganzen Warterei verkuendet hatte: Im Moment waere es leider unmoeglich irgendetwas zu tun, da es durch die beiden Aussagen dummerweise keinerlei Hinweise auf den bzw. die Entfuehrer gaebe, die Spurensicherung auch nicht wirklich so viele berauschende Anhaltspunkte gefunden habe und man somit nur abwarten koennte, ob die Entfuehrer sich irgendwann von selbst meldeten. Fakt war, dass diese ganze Tortur ueberhaupt nichts gebracht hatte, ausser, dass Ishizu noch mehr am Boden zerstoert war als vorher und sie nebenbei noch wesentlich spaeter nach Hause kamen als eigentlich geplant. Letzteres war zwar ein ziemlich unbedeutender Nebeneffekt, aber Seto war trotzdem ziemlich genervt davon, dass er sich von solchen Vollidioten seine Zeit hatte stehlen lassen, und das wie gesagt voellig umsonst. Mokuba und Marik waren beide ziemlich verwirrt gewesen, als sie die Eingangshalle schliesslich betreten hatten. Die erste beunruhigende Tatsache, die beiden auffiel, war, dass Seto einen Arm um Ishizu geschlungen hatte, welche auch nicht gerade den Anschein machte, als ob es sie stoeren wuerde. "Na? Hatte ich wohl doch recht?", grinste Marik seinem Freund ueberlegen zu, der es nach einem desinteressierten "Tze" vorzug zu schweigen, weshalb Marik sich wieder ihren beiden Geschwistern zuwandte. "Wo habt ihr denn das Essen gelassen?", fragte er geschockt, als er nach einer kurzen Pause festgestellt hatte, dass weder seine Schwester noch Kaiba irgendetwas bei sich hatten, das nach einer warmen Mahlzeit aussah. "Jetzt sagt bitte nicht, dass ihr das vergessen habt!", stoehnte er verzweifelt, woraufhin er von Seto einen genervten Blick zugeworfen bekam. "Was? Ich hab Hunger! Und ihr habt versprochen was zu essen mitzubringen, mal davon abgesehen, dass ihr schon vor gut zwei Stunden zuhause sein wolltet!", verteidigte er sich. Er lies sich doch jetzt kein schlechtes Gewissen dafuer einreden, dass er sich darueber beschwerte, dass die beiden ihr Versprechen gebrochen hatten. Wenn hier jemand eines haben sollte, dann ja wohl Kaiba und Ishizu, was Marik auch noch hinzufuegen wollte, jedoch wurde er abermals durch ein blaues Augenpaar davon abgehalten. Diesmal war es allerdings nicht der genervte Blick eines Seto Kaiba, sondern der verzweifelte Blick seiner Schwester, der ihn stutzig werden lies. Und noch viel mehr ueberraschte ihn das Glitzern in ihren Augen, das ganz den Anschein machte als ob sie weinen wuerde. "H-hey, so schlimm ist das mit dem Essen auch wieder nicht...", setzte er an, auch wenn er sich nicht so recht erklaeren konnte, weshalb sie wegen so einer Lapalie weinen sollte, das haette sie sonst auch nie getan. "Wie ich sehe, sind die Verschollenen endlich heimgekehrt.", erklang Odions Stimme, waehrend er sich hinter Marik und Mokuba stellte. "Da wirst du ja gerade noch einmal vor dem Hungertod gerettet.", grinste er seinem kleinen Bruder zu, ehe er sich suchend in der Halle umsah. "Wo habt ihr denn Aaliyah gelassen?" Genau das war der Satz gewesen, den Seto schon die ganze Zeit ueber gefuerchtet hatte. Als Marik angefangen hatte vom Essen zu sprechen, hatte er noch den wagen Hoffnungsschimmer gesehen, dass er Ishizu erst einmal in ihrem Zimmer oder sonst irgendwo absetzen konnte, wo sie vorlaeufig mal ihre Ruhe hatte, damit er ihre Brueder in der Zwischenzeit ueber die Entfuehrung aufklaeren konnte. Waere Odion jetzt nicht dazwischen gekommen, haette Mariks unuebertroffen dumme, aber in diesem Fall sehr nuetzliche Ignoranz vielleicht sogar wirklich ausgereicht, um es so zu machen. Nur kam es soweit leider nicht mehr, denn noch bevor Odion seinen Satz richtig beendet hatte, spuerte Seto schon, wie Ishizu, um die er nach wie vor einen Arm geschlungen hatte, in die Knie ging. "Wunderbar...", seufzte er leise, waehrend er sich neben sie kniete. "Hab ich irgendetwas falsches gesagt?", fragte Odion verwundert und beobachtete, genau wie Mokuba und Marik, mit ziemlich geschockter Miene, wie Ishizu ploetzlich in bitteres Schluchzen ausbrach. "Wenn du es unbedingt wissen willst, ja!", beantwortete Seto seine Frage, ehe er sich der Schwarzhaarigen zuwandte, aber wie schon zuvor brachte alles gut zu reden rein gar nichts. Es schien viel mehr als wuerde sie ihm gar nicht zuhoeren. "Ishizu, jetzt beruhig dich doch!" Grober als beabsichtigt packte Seto sie an der Schulter. Vielleicht wuerde er dadurch ja endlich ihre Aufmerksamkeit bekommen, mit Worten allein schien er jedenfalls nicht an sie heran zu kommen. "Fass mich nicht an!", fuhr sie ihn an, allerdings in einer Tonlage, die alle Anwesenden zusammenzucken lies. Das klang nicht mehr einfach nur wuetend. In ihrer Stimme schwangen soviele Emotionen mit; Trauer, Schuldgefuehle, Verzweiflung, Sehnsucht, Einsamkeit, es war einfach alles vertreten. "Das ist alles deine Schuld! Nur weil du von diesem verdammten Thema anfangen musstest! Nur weil du diesem bloeden Mistkerl mehr geglaubt hast als mir! Wieso haettest du mich nicht einfach damit in Ruhe lassen koennen, wenn du doch sowieso nie vor hattest meiner Geschichte Vertrauen zu schenken?! Nur deinetwegen ist Aaliyah entfuehrt worden! Und dann darf ich mir auch noch ausgerechnet von dir anhoeren, dass ich mich beruhigen soll!", schrie sie weiter auf ihn ein, waehrend auch den anderen dadurch endlich klar wurde, was hier vor sich ging. "Wie, Aaliyah ist entfuehrt worden?", wiederholte Marik unglaeubig. "Das ist doch bloss ein bloeder Scherz, oder?" "Sieht nicht so aus.", beantwortete Odion seine Frage, waehrend er auf Ishizu und Seto, der immernoch versuchte sie zu beruhigen, zuging. "Vielleicht solltest du erst einmal vom kalten Fliesenboden aufstehen und dich ins Wohnzimmer setzen.", schlug er seiner Schwester vor. "Dort koenntet ihr uns dann mal ganz in Ruhe erklaeren was ueberhaupt passiert ist." "Ja natuerlich, wir setzen uns alle nett zusammen und reden ueber die heutigen Ereignisse, am besten trinken wir noch eine Tasse Tee nebenbei!", wiederholte Ishizu spoettisch. Ihr war gerade alles andere danach zumute als ueber den heutigen Tag zu reden. Sie wollte ueberhaupt nicht reden, sie wollte einfach nur ihre Tochter zurueck haben! "Warum nicht?", seufzte Seto, waehrend er aufstand und die Schwarzhaarige mit sich hoch zog. "Tee soll eine unglaublich beruhigende Wirkung haben." Obwohl Ishizu sich immernoch strikt gegen diesen Vorschlag aufgelehnt hatte, hatte man sich, nachdem Odion in der Kueche noch einen Tee fuer Ishizu und auf dessen Anweisung fuer Seto einen extra starken Kaffee gemacht hatte, im Wohnzimmer zusammengefunden, um sich aufklaeren zu lassen, was geschehen war. Zwar gab es nicht vielmehr zu sagen, als was alle schon wussten - dass Aaliyah entfuehrt worden war - trotzdem setzte Seto abermals dazu an, alles so zu erzaehlen, wie er es bereits bei der Polizei getan hatte. Nur den Teil mit dem Grund fuer den Streit lies er weg. Der ging hier nun wirklich niemanden etwas an und auch Ishizu machte keine Anstalten, irgendein Wort darueber zu verlieren. Sie sagte ueberhaupt zu der ganzen Geschichte nichts, sie sass nur auf dem Sofa mit einer Tasse in der Hand, in der der Tee immer kaelter wurde, weil sie ihm genauso wenig Beachtung schenkte wie dem Gespraech zwischen den Kaiba- und ihren eigenen Bruedern; selbst als man zu spekulieren begann, wer denn als Taeter in Frage kaeme. Wieso haette sie auch etwas sagen sollen? Seto konnte die Fragen genauso gut beantworten wie sie, denn im Endeffekt wussten sie beide gleich viel: Nichts. Sie wussten nicht warum man Aaliyah entfuehrt hatte, nicht wer der Entfuehrer sein koennte und ob er sich melden wuerde schon gleich dreimal nicht. Nur die Schuldgefuehle, die Ishizu plagten, kannte Seto nicht. Er wusste auch nicht, wie es sich anfuehlte, wenn einem das eigene Kind weggenommen wurde. Er wusste nicht was es hiess, sich Sorgen um seine Tochter zu machen. Sich auszumalen, was die Entfuehrer mit ihr anstellen koennten. Er konnte es gar nicht wissen. Aber Ishizu wusste es, und es war wohl wirklich der erste Moment in ihrem Leben, in dem sie sich wuenschte weniger zu wissen als Seto. Diese quaelende Angst nicht zu kennen, davor, dass das einzige was man noch hatte nicht wieder kommen wuerde. Aaliyah war alles fuer Ishizu, der einzige Grund, der ihr noch Mut zum Leben gegeben hatte nach der Trennung. Sie war ihr kleiner Engel. Der kleine Engel, der seiner Mama wieder gezeigt hatte, wie man lacht; der ihr gezeigt hatte, dass es soviele Wunder auf der Welt gab, die man taeglich entdecken und ueber die man sich freuen konnte. Aber ohne Aaliyah waren diese Dinge genauso wertlos fuer Ishizu, wie sie vorher waren. Was war ein schoener Schmetterling im Sommerwind schon, wenn keine kleinen Kinderaeuglein da waren, um ihn zu bewundern? Was war ein leckerer Schokopuddig, wenn kein Kind da war, das sich schmatzend mehr Pudding auf den Pulli kleckerte als es im Mund hatte? Was sollte sie mit einem freien Nachmittag anfangen, wenn keine Aaliyah da war, die jede Minute fuer sich beanspruchte? Die ihre Mama staendig auf Trapp hielt, vom ersten Tag an. Obwohl sie eigentlich ein ziemlich braves Baby gewesen war. Meistens hatte sie geschlafen oder mit ihrem Teddy gespielt, nur wenn sie auf irgendeine Weise mitbekommen hatte, dass Ishizu einer anderen Person -egal wer es war- mehr Beachtung schenkte als ihr, dann hatte sie stets lautstark zu weinen angefangen, bis sie ihre Mama wieder fuer sich hatte. Schon allein deswegen hatte es niemanden im Haus ueberrascht, dass ihr erstes Wort 'Mama' gewesen war, obwohl Marik in jenem Moment eigentlich versucht hatte sie dazu zu bringen seinen Namen zu sagen. Oder als er seiner kleinen Nichte versucht hatte das Laufen beizubringen. Gekrabbelt war sie stets wie ein Weltmeister, auch hier meistens zu Ishizu, und deswegen hatte Marik auch vorgehabt ihr das Laufen beizubringen, als Ishizu gerade nicht da war. Stundenlang war er mit ihr im Wohnzimmer, so erzaehlte es zumindestens Odion, und hatte versucht sie dazu zu bringen, vom Tisch, an dem sie sich festgehalten hatte, wegzulaufen, aber sie wollte nicht. Sie lief zwar immer wieder lachend am Tisch entlang, aber weg lief sie nie, weil sie sich nirgendwo hatte festhalten koennen. Umso erstaunlicher war es fuer Ishizu gewesen, dass Aaliyah, als sie zur Wohnzimmertuer hereinkam, ploetzlich zu ihr umgedreht hatte und mit einem lautstarken "Mama" auf sie zugestolpert war. Ziemlich tapsig und unbeholfen, aber dennoch so, dass Ishizu im ersten Moment davon ausgegangen war, dass sie das fleissig mit Marik geuebt hatte. Doch spaetestens nach dessen beleidigtem Abgang war sie eines besseren belehrt gewesen. Und jetzt war sie weg. Entfuehrt an einen Ort, den sich Ishizu zwar nicht vorstellen wollte, aber von dem sie wusste, dass er schoener sein musste, als ihr Haus, weil ihre Tochter da war. Mit ihr war all die Froehlichkeit und Waerme aus den Raeumen verschwunden. Die Waende wirkten so trostlos, die daran aufgehaengten Kinderbilder so fehl am Platz. Die Luft so kalt, so eisig, dass Ishizu schon fast nichtmehr wagte zu atmen. Es tat einfach so weh. Alles tat weh. Aber weinen konnte sie nichtmehr. Ishizu wusste nicht warum. Die Traenen hatten ein so troestendes Gefuehl auf ihrem Gesicht hinterlassen. Fast zaertlich waren sie ihre Wangen hinabgeflossen, als ob eine Hand aufheiternd darueber streichen wuerde. Doch sie hatte in den letzten Stunden soviel geweint, dass es einfach keine Traenen mehr gab zum vergiessen. Alles was Ishizu noch tun konnte, war dem Telefon, das neben dem Sofa auf einer kleinen Kommode stand, einen sehnsuechtigen Blick zu zu werfen, in der Hoffnung, dass es irgendwann klingeln und ihr sagen wuerde, wo ihre Tochter war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)