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Der rote Faden

von

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Geburtstage

Hello, Bonjour und guten Tag-
 

an alle, die ihren Weg auf das Fleckchen des Animexxschen Servers gefunden haben, den ich mit meinen Fanfictions zumülle. *g*

Willkommen zurück, an alle, die mir die Treue gehalten haben! Ich hoffe, ich werde euren Anforderungen gerecht… und alle, die neu sind: seid gegrüßt! *würdevollHändeschüttelt*

Ich hoffe, ihr findet hier, wonach ihr sucht- Spannung, Spaß und… nein, keine Schokolade. ;)
 

Dies ist meine dritte Conanfic- die eigentlich die erste sein sollte. Ich schreibe schon ziemlich lange daran… aber erst jetzt ist sie fertig geworden (nach einigen Hochs und Tief- zwischenzeitlich wurde sie sogar halb gelöscht. Nein, nicht von mir, sondern von Word. Danke an der Stelle…*grrrrr*)

Nun also die Stunde der Wahrheit... ich werfe ich sie mal der Öffentlichkeit zum Fraß vor. *rotwerd*
 

Hier also mein neuestes Hirngespinst- die Idee allerdings ist wohl nicht ganz neu; ich wage mal, zu behaupten, jeder von uns hat sich mit diesem Thema schon einmal auseinandergesetzt…

Hier also nun meine Version.
 

Viel Vergnügen wünsche ich.
 

MfG, eure Leira

*verbeug*
 

_________________________________________________________________________________
 


 

„Conan?”

Rans Stimme hallte durchs Treppenhaus.

Der kleine Junge, der bereits unten an der Haustür angelangt war, drehte sich um und blickte nach oben. Da stand sie, auf der ersten Treppenstufe, schaute zu ihm hinunter und lächelte fröhlich.

„Was ist denn, Ran-neechan?” fragte er, betont kindlich.

„Ich wünsch dir ‘nen schönen Tag in der Schule, Conan!”, sagte sie und strahlte ihn an.

„Ich koch dir heute, wenn du heimkommst, dein Lieblingsessen, ja? Hast du Lust? Wir machen dir heute einen schönen Tag, man wird schließlich nicht jeden Tag zehn Jahre alt!”

Während sie geredet hatte, war sie die Treppen herunter gelaufen, jetzt stand sie vor ihm, ging in die Knie und umarmte ihn fest. Er erstarrte, hielt die Luft an, aber ließ es geschehen.

Ran…
 

Er fürchtete, seine Fassung zu verlieren, wenn sie ihn nicht gleich wieder losließ… aus seiner wohlgeübten Rolle zu fallen. Sie war ihm so nah… viel zu nah. So nah, dass es wehtat, tief in seinem Inneren.

Wie sehr hatte er sich mal gewünscht, sie würde ihm auch nur einmal so nahe kommen- und jetzt war er froh, solange sie es nicht tat. Es war nicht richtig… und es war nicht fair.
 

Dann merkte er, wie sich ihr Griff wieder lockerte. Sie fuhr ihm durchs Haar, ihr Gesicht so nah an seinem, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte.

„Alles Gute zum Geburtstag, Conan! Hier, das ist für dich!“

Sie ließ ihn wieder los, stand auf und hielt ihm ein bunt eingewickeltes Päckchen hin, das sie bis dahin in der Hand gehalten hatte.

Langsam atmete er wieder ein, schluckte hart.

Zögernd nahm er ihr Geschenk an. Sie schien seine Zurückhaltung nicht zu bemerken, sondern blickte ihn stattdessen erwartungsvoll an.

„Na los, mach auf! Ich will wissen, ob’s dir gefällt…!“, drängelte sie.

Er warf ihr einen unsicheren Blick zu. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt, ihr Oberkörper leicht nach vorne geneigt, um sein Gesicht besser sehen zu können.
 

Conan zog die Geburtstagskarte unter der Schleife hervor, öffnete sie kurz, las den Gruß und klemmte sie sich unter den Arm; dann zog er am roten Schleifenband, um es zu öffnen. Langsam wickelte er das Geschenk aus; das Papier knisterte unter seinen Fingern, als er die Klebestreifen abfummelte und das Päckchen auswickelte.
 

Es war ein Buch.
 

Das Buch, an dem er in der Buchhandlung seit Wochen vorbeiging, es anblickte, aber nie in die Hand nahm. Ein dicker Bildband über die größten Detektive, egal ob fiktiv oder real, die es je gegeben hatte.

Es stimmte, er wollte es haben. Aber um nicht zu sehr aufzufallen, schließlich war es kein Kinderbuch -und um sein Grundschülertaschengeld nicht über die Maßen zu strapazieren; das Ding war nicht billig- hatte er es sich verkniffen. Ein so teueres Sachbuch für einen Grundschüler…
 

Und ihr war das aufgefallen. Ihr war aufgefallen, dass er es gerne hätte; sie hatte seine begehrlichen Blicke bemerkt.
 

Ran.
 

Er starrte sie an. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, als er sich zu einem Lächeln zwang.

„Danke Ran…“, murmelte er leise.

Sie blickte ihn etwas enttäuscht an.

„Gefällt’s dir nicht? Ich dachte, da du es seit Wochen schon in der Auslage des Buchhandels anschaust, würde es dir…“

Er bemerkte, dass seine Reaktion wohl zu wenig enthusiastisch gewesen war und beeilte sich, seinen Fehler zu korrigieren.

„Doch, doch! Es ist klasse! Du hast ganz Recht, ich wollt’s schon gaaanz lange haben!“

Er umarmte sie unbeholfen, streckte sich, stellte sich auf die Zehenspitzen um ihr den kindlichsten Schmatz auf die Wange zu drücken, den er zustande brachte und zwang sich dazu, ihr glücklich entgegen zu strahlen. Sie sollte doch nicht merken, wie schwer es ihm fiel, welche Schuldgefühle er hatte… sie sollte wissen, dass ihm ihr Geschenk gefallen hatte. Er wollte, dass sie glücklich war…
 

Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Innerlich atmete er auf. Gerade noch mal gut gegangen.
 

„Freut mich, wenn’s dir gefällt! Bis später!”

Sie schob ihre Tasche wieder hoch, die ihr, da sie sie nur an einem Riemen trug, ein wenig über die Schulter gerutscht war und winkte ihm zu. Dann stürmte sie aus der Tür, tauchte ein ins warme, helle Sonnenlicht, ihr seidiges Haar tanzte im Wind und tausende kleine Lichtreflexe funkelten wie goldene Sterne in ihrer schokoladenbraunen Mähne.
 

Dann fiel die Haustür wieder zu und Kühle und Dunkelheit umfingen ihn wieder.

Eine Atmosphäre, die viel besser zu seiner aktuellen Stimmung passte.
 

Sein Geburtstag.
 

Er lachte bitter.

Shinichi Kudô alias Conan Edogawa schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Er hatte es fast vergessen. Heute war sein Geburtstag.
 

Sein zwanzigster, wenn man ehrlich war.

Fakt war, er sah nicht danach aus. Er sah aus wie zehn.

Leute mit komischem Sinn für Humor hätten ihm wohl gesagt, er hätte sich gut gehalten…
 

Conan seufzte schwer.
 

Als Ran ihn damals gefragt hatte, wann er denn Geburtstag hätte, hatte er ihr das richtige Datum gesagt. Shinichis Geburtstag.

Er fand, das machte die Sache nicht gefährlicher als sie ohnehin schon war. Und wenigstens konnte er sich dieses Datum merken und machte sich nicht erst recht verdächtig, wenn er ihr aus Versehen mal später ein anderes Datum nannte.

Außerdem gab es genug Leute, die am gleichen Tag Geburtstag hatten…

Der wahre Grund allerdings, warum er ihr seinen wirklichen Geburtstag genannt hatte, war, dass er sie nicht schon wieder anlügen wollte. Nicht noch einmal. Nicht öfter, nicht mehr, als notwendig.

Und… er wollte wenigstens einen kleinen Teil seiner richtigen Identität bewahren… etwas, das er noch mit seinem wahren Ich gemeinsam hatte. Ein kleines Stückchen seiner Selbst.
 

Der kleine Junge schluckte hart.

Drei Jahre waren es jetzt. Das war viel zu lange.
 

Immer öfter ertappte er sich in letzter Zeit bei dem Gedanken, wie es wohl gewesen wäre, wäre er an jenem schicksalhaften Tag im Vergnügungspark gestorben. Überlegte, welche Konsequenzen es gehabt hätte, wenn er an diesem Abend im Gras hinterm Riesenrad einfach sein Leben ausgehaucht hätte, durch dieses Gift umgekommen wäre…

Das hätte das Ganze wahrscheinlich sehr viel einfacher gemacht. Er wäre nicht gezwungen, aus seinem Leben eine Lüge zu machen.

Oder Rans Vertrauen zu missbrauchen.

Er müsste nicht so leiden. Und sie auch nicht.
 

Er wäre einfach gestorben. Shinichi wäre dann jetzt schon seit drei Jahren tot.

Ran hätte ihn schon fast vergessen und würde ihr Leben weiterleben, nicht mehr jede Nacht weinen und sich fragen, wo er abblieb und sich Sorgen machen.
 

Shinichi Kudô wäre gestorben und man hätte seinen kalten Körper wahrscheinlich erst am Morgen darauf gefunden.
 

Aber war er nicht ohnehin schon tot?

Shinichi existierte genau genommen gar nicht... mehr. An jenem Tag war Shinichi Kudô gestorben und Conan Edogawa hatte das Licht der Welt erblickt.

Die wenigen Gastauftritte, die er seither gehabt hatte, reichten ihm bei weitem nicht...

War er überhaupt noch er selbst?

Wer war er denn...?
 

Der kleine Junge wurde abrupt aus seiner Identitätskrise gerissen, als die Tür wieder aufgestoßen wurde und sich vier lachende und schwatzende Kinder hereindrängten.

Nein, das stimmte nicht ganz; drei Kinder strömten lachend und schwatzend herein, das letzte, ein niedlich aussehendes Mädchen mit großen blauen Augen und rotblonden Haaren ging sehr langsam herein. Sie starrte ihn an ohne zu blinzeln.

Er starrte zurück.

Dann wurde er abgelenkt durch das zweite Mädchen, welches braune Haare hatte und ihn stürmisch umarmte.

„Alles Gute zum Geburtstag, Conan!!“, zirpte sie mit hellem Stimmchen.

„Danke, Ayumi...“, antwortete er, eher leise.
 

Die letzten zwei Kinder, zwei Jungs, Genta und Mitsuhiko mit Namen, schüttelten ihm die Hand und gratulierten ebenfalls. Conan schob die Geburtstagskarte von Ran zwischen die Seiten des Buchs und steckte es in seine Tasche. Dann wurde er von seinen Freunden in die Mitte genommen und aus dem Haus eskortiert. Auf dem Schulweg überfluteten sie ihn regelrecht mit Vorschlägen, wie sie den Nachmittag verbringen könnten. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht... seinen Geburtstag zu feiern.

Ihm war so überhaupt nicht nach Feiern, aber da kam er wohl nicht aus...

Obwohl er sich bemühte, interessiert zuzuhören, bekam er die Hälfte von dem, was ihm die Kleinen vorschlugen, gar nicht mit.

Irgendwann nickte er einfach nur, in der Hoffnung, dass es nicht auffiel, wie desinteressiert er eigentlich war.

Es war ihm eigentlich egal, wohin sie gingen, oder was sie machen würden.

Egal...
 

„Du siehst traurig aus, Shinichi. Ist der eigene Geburtstag nicht eigentlich ein guter Grund zum Feiern?“, hörte er dann eine leise, sachlich und kühl klingende Mädchenstimme an seinem Ohr.

Conan befreite sich aus dem Griff seiner Freunde und ließ sie ein Stück vorlaufen. Die drei Kinder schienen gar nicht zu merken, dass sich ihre Beute abgesetzt hatte; stattdessen marschierten sie weiterhin fröhlich plaudernd des Wegs und diskutierten die Idee, am Nachmittag den Vergnügungspark „Tropical Land“ zu besuchen.
 

„Kannst du nicht einmal etwas sagen, ohne dabei zynisch zu klingen, Ai? Ja? Ginge das?”, wisperte er ärgerlich.

„Nein.“, antwortete sie schlicht.

„Welch’ große Überraschung.”

Conan vergrub missmutig seine Hände in seinen Jackentaschen und schwieg, bis sie die Schule erreichten.

Seine Gedanken kreisten nur um einen einzigen Satz, eine einzige Frage…
 

Warum bin ich denn damals nicht einfach gestorben?
 

Ai schaute ihn prüfend an.
 

Er war nicht mehr derselbe, sie hatte das schon vor einer Ewigkeit festgestellt. Sie konnte nicht sagen, wann genau es begonnen hatte, aber dass er sich verändert hatte war eine nicht zu leugnende Tatsache.

Conan (oder Shinichi?) war irgendwie... depressiv geworden.

Seine Fälle, die Schule, seine Freunde, das alles interessierte ihn eigentlich nicht mehr.

Er ging zur Schule, weil man es von ihm verlangte. Grundschüler gingen halt mal in die Schule, also ging er eben auch dahin.

Er löste seine Fälle zwar immer noch wie eine gut geölte Maschine, aber das Leuchten in seinen Augen, seine Leidenschaft die Wahrheit zu finden, waren verschwunden. Er zeigte keine persönliche Anteilnahme mehr, verurteilte die Kriminellen nicht mehr, hielt keine Moralpredigten mehr, so wie er es früher immer getan hatte. Jetzt fand er den Schuldigen und das war’s. Schluss, Ende, aus.

Einzig und allein Hinweise auf die Schwarze Organisation schienen seinen Kampfgeist zu neuem Leben zu erwecken- wirkten wie Drogen auf ihn, versetzten ihn in Rausch, verleiteten ihn zu Höhenflügen, machten ihm Hoffnung… mit der Konsequenz, dass der Fall danach, wenn er wieder nichts erreicht hatte und erneut vor den Trümmern seiner Existenz stand, nur umso tiefer war.
 

Mit seinen Freunden, den Detective Boys, beschäftigte er sich meistens nur noch, weil er wusste, dass man das von ihm erwartete. Kleine Kinder spielten eben gern Fußball, gingen ins Kino oder Eisessen. Das war eben so, also tat er es.

Nicht, weil er es wollte.

Sondern weil man es von ihm erwartete. Und vielleicht aus Schuldgefühl den Kleinen gegenüber. Sie hingen an ihm, das wusste er; er wollte sie nicht unglücklich machen, indem er sich aus für sie unerklärlichen Gründen von ihnen abwandte.
 

Vor anderen bemühte er sich immer, nicht aus der Rolle zu fallen, gab den perfekten, liebenswürdigen, schlauen, kleinen Conan, aber wenn er sich alleine fühlte, unbeobachtet…
 

Seine Augen schienen dunkel zu werden, jedes Licht aus ihnen zu weichen und man sah seine Sorgen und den Schmerz, den er fühlte…
 

Ai hatte es dem Professor gesagt. An dem Tag, als sie sich absolut sicher geworden war, dass es Shinichi nicht gut ging.

Ganz wie sie angenommen hatte, hatte der Professor von alledem nicht das Geringste bemerkt. Der alte Mann hatte dann natürlich umgehend mit ihm gesprochen. Sehr vorsichtig, sehr sensibel und subtil hatte er ihn ausgefragt, wie es ihm ginge und wie Ran sich fühlte und so weiter. Und wie immer hatte er die gleichen Antworten bekommen.

Alles in Ordnung, alles Bestens, hatte Shinichi gesagt.

Wie immer.
 

Tatsächlich machte sich Ai große Sorgen. Zum ersten Mal in ihrem Leben machte sie sich echte Sorgen um einen anderen Menschen.

Sie hatte Angst, dass Shinichi eine Dummheit begehen könnte. Angst, dass er sein Leben aufs Spiel setzte…

Sie wollte ihm ihre Ängste nicht anvertrauen. Sie wusste ja nicht, ob er entweder sehr verärgert wäre oder sie auslachen würde, also schwieg sie.

Aber sie behielt ihn im Auge.
 

Das war auch der Zeitpunkt gewesen, an dem sie sich eingestehen musste, dass sie ihn liebte.

Shiho liebte Shinichi für das, was er war… weil er war, wie er war.

Sie liebte den brillanten, hochintelligenten, zum Teil auch nachdenklichen Detektiv, den Freund, auf den man sich immer verlassen konnte und den Helden, der einen aus gefährlichen Situationen rettete.

Sie liebte ihn für sein Angebot, ihr zu helfen, wann immer sie seine Hilfe bräuchte und weil er sie aus ihren Gedanken riss, wenn sie in ihren eigenen Ängsten zu ertrinken drohte, liebte ihn dafür, dass er ihr das Leben und ihre Seele gerettet hatte…
 

Aber momentan sah es eher danach aus, als wäre er derjenige, der gerettet werden musste.
 

So stand sie ihm Gang vor den Klassenzimmern und schaute ihn schweigend an, als er aus seinen Straßenschuhen schlüpfte und sich die Hausschuhe für die Schule anzog.
 


 

Schule war furchtbar.

Eine einzige Farce, wie Conan befand.

Kinder, die aus vollster Kehle „Happy birthday“ trällerten, ihm gratulierten- einige hatten sogar ein Geschenk für ihn…

Furchtbar…

Aber Conan lächelte brav, freute sich, wie man es von einem Geburtstagskind erwartete und bedankte sich höflich bei allen für alles und wünschte sich nur, dass es schnell vorüber ging.
 

Ran…
 

Wenn sie es wüsste, wenn er sie einweihen würde, wäre seine Situation dann eine bessere? Wäre sein Leben dann leichter? Würde das sein Leid ein wenig lindern? Und ihrs? Was wäre besser… für sie?

Er fühlte sich schrecklich, dieses Eingesperrtsein in einen Körper der zu jung, viel zu jung für ihn war, raubte ihm allmählich den Verstand…

Es ging schon so lange so, und noch war kein Ende in Sicht… nicht einmal in weiter Ferne.

Er irrte in einer dunklen Höhle umher, sah kein Licht, nirgendwo…

Er wusste nicht, wie viel er noch aushalten konnte bis seine Schmerzgrenze überschritten war.
 

Würde es ihm helfen, wenn sie um ihn wusste? Oder würde es das Ganze nur verschlimmern…?
 

Würde Ran ihn hassen?

Würde sie ihn verlassen? Er wollte sie nicht verlieren, nein, das am allerwenigsten…

Und sie wäre in noch größerer Gefahr, wenn sie davon wüsste. Wenn ihr in der Öffentlichkeit aus Versehen etwas herausrutschte, und die falschen Leute es hörten… wenn sie ihr etwas antaten, um an ihn heranzukommen…

Conan schüttelte energisch den Kopf, was ihm einen schiefen, fragenden Blick von Ai einbrachte. Er bemerkte es gar nicht, zu tief war er in seinen Gedanken versunken.
 

Er konnte es ihr nicht sagen. Das Risiko war einfach zu groß… also weiter schön die Klappe halten, den Grundschüler mimen…
 

Conan Edogawa...
 

Die Welt war grausam.
 

Frustriert stöhnte er auf, vergrub den Kopf in den Armen. Ayumi, Genta und Mitsuhiko starrten ihn erstaunt an.
 

Endlich, nach scheinbar ewig dauernden Stunden kam die Erlösung in Form der Schulglocke.

Die Schüler rannten aus der Schule und machten sich auf den Weg nach Hause, stoben oder schlenderten in alle Himmelsrichtungen davon, lachten und schrieen.
 

„Bis später, Conan! Wir holen dich dann so um drei Uhr beim Professor ab, ja?“, rief Ayumi und winkte.

„Sicher.“ Conan versuchte zu lächeln und fröhlich zu klingen.

„Bis später!“
 

Er und Ai gingen schweigend nebeneinander her. Von der Straße klang Verkehrslärm, dazwischen war, wenn auch selten, aus den Bäumen in den Gärten der Wohnhäuser Vogelgezwitscher zu hören.
 

Beim Haus des Professors angekommen trennten sich schließlich ihre Wege.

„Alles Liebe zum Geburtstag, Shinichi…“, flüsterte Ai leise, kaum hörbar, ehe sie das Gartentor aufmachte.

„Gib die Hoffnung nicht auf, bitte…”

Conan, der bis jetzt nur auf den Bürgersteig vor ihm geschaut hatte, blieb abrupt stehen, blickte auf, einen Hauch von Ungläubigkeit über das, was er gerade von Ai gehört hatte, auf dem Gesicht.

Er wollte etwas erwidern, aber ihm fiel nichts ein. Was auch nicht nötig war, denn Ai war schon gegangen, marschierte langsam den Pfad der zur Haustür führte, entlang, ohne sich noch ein weiteres Mal umzusehen. Das Tor fiel krachend wieder ins Schloss.
 

Conan zuckte mit den Schultern und ging nach Hause.
 


 

Ran summte eine leise Melodie, als er die Küche betrat. Sie war gerade dabei, kleine, in Essigmarinade eingelegte Gürkchen in Würfelchen zu schneiden, hielt allerdings inne, als sie ihn kommen hörte.

„Hallo Conan! Wie war’s in der Schule?“

„Super!“

Er strahlte sie an und fühlte sich innerlich doch seltsam taub.

Sie hatte wieder geweint, er konnte es sehen. Ihre Augen waren immer noch rot, zeugten von ihren vergossenen Tränen, und sie schniefte leise.

Es war ja nicht nur Conans Geburtstag heute.

Sondern auch Shinichis.
 

Er fühlte, wie seine Hände kalt wurden. Er fühlte sich furchtbar.

Warum tat er ihr das an? Er liebte sie doch, oder bildete er sich das nur ein? Tat man Menschen, die man liebte, so weh?

War das denn richtig?
 

Er starrte sie an.
 

Sie vermisste ihn… er wusste das. Und doch konnte er nichts tun, um ihr zu helfen.

Er war sich sicher, dass sie ein Geschenk für ihn hatte, genauso wie sie auch für Conan eins gehabt hatte.

Aber Shinichi, im Gegensatz zu Conan, würde nicht kommen, um sich sein Geschenk von ihr überreichen zu lassen und zu sagen, Danke Ran, ich danke dir, es ist toll.

Ich liebe es.

Ich liebe dich.
 

Er würde nicht kommen. Shinichi würde nicht kommen.

Er hasste sich selbst dafür, dass er ihr so viel Kummer bereitete.
 

Ran lächelte zurück.

„Schön! Das Mittagessen ist in ungefähr einer halben Stunde fertig…”

Conan nickte abwesend und verzog sich, um allein zu sein, bis er sich wieder im Griff hatte.

Auf dem Weg in sein Zimmer kam er an ihrem vorbei. Die Tür stand offen.

Sein Blick huschte zufällig hinein und blieb an einem Päckchen haften.
 

Da war es. Es lag auf ihrem Schreibtisch, liebevoll verpackt in rotes Geschenkpapier.

Sein Geschenk.
 

Lange stand er da und zögerte. Dann ging er hinein, schloss die Tür hinter sich. Er wollte nur die Karte lesen. Nur die Karte.

Alles andere wäre zu auffällig.

Er zog sie unter der Schleife hervor, öffnete den Umschlag, wofür er länger brauchte als gewöhnlich, weil seine Finger starr vor Kälte waren.

Dann fischte er sie heraus.
 

Sie war selbst gemacht.

Er fühlte sich schrecklich. Da machte sie sich die Mühe und machte die Karte selbst… sie hatte gezeichnet. Ein Foto abgemalt… er konnte sich dran erinnern. Seine Mutter hatte es damals gemacht; es zeigte sie beide an seinem zehnten Geburtstag.
 

Die Zeichnung war richtig gut.

Er klappte sie auf, hielt den Atem an, als er sie las.
 

Shinichi,
 

du bist der beste Freund, den ich habe. Du magst zwar manchmal arrogant sein und deine ewigen Kriminalgeschichten gehen mir oft gehörig auf den Wecker, aber… ohne dich ist es nicht dasselbe hier. Ich vermisse dich. Ich habe Angst, dass dir etwas passiert.

Bitte komm bald wieder, ja? Bitte. Deine Freundschaft bedeutet mir alles.
 

Zu deinem Zwanzigsten Geburtstag wünsche ich dir nur das Beste!

Also… alles, alles Liebe und Gute, viel Erfolg und Glück für dein weiteres Leben!
 

Ich hoffe, unsere Freundschaft dauert ewig.
 

Deine Ran XXX
 

Er faltete die Karte wieder zusammen, steckte sie in den Umschlag zurück und schob diesen wieder unter das Schleifenband.

Dann ging er wie in Trance in sein Zimmer.

Er schloss die Tür leise hinter sich, ließ sich mit dem Rücken dagegen sinken und rutschte langsam nach unten.

So kauerte er da, vergrub sein Gesicht in seinen Händen und konnte nicht verhindern, dass Tränen über sein Gesicht zu laufen begannen.
 

Himmel, er liebte sie. Er liebte sie doch schon sein halbes Leben lang...

Er liebte sie mehr als sein eigenes Leben.

Sie war wie ein Engel.

Und sie liebte ihn auch.

Diese Tatsache war immer noch ein Mysterium für ihn, einfach zu schön um wahr zu sein.
 

Und alles was er tat, war, sie immer und immer und immer wieder anzulügen.

Ihr weh zu tun.

Sie verdiente etwas Besseres als ihn, jemand besseren als ihn. Sie sollte ihn nicht lieben.

Nicht Conan Edogawa und erst recht nicht Shinichi Kudô.

Gegen ersteres konnte er nicht wirklich etwas tun, aber gegen letzteres sehr wohl.
 

Langsam fasste er einen Entschluss. Seine Entscheidung war gefällt.
 

Er würde Schluss machen mit ihr. Er wollte sie zwar nicht verlieren, aber irgendwo musste sein Egoismus auch Grenzen haben. Er war nicht gut für sie…

Also würde er es beenden. Heute. Auch wenn es ihm das Herz brach.

Er musste sie endlich loslassen.

Shinichi wusste, dass er sie verletzen würde. Sehr verletzen würde.

Aber er hoffte, dass sie darüber hinwegkam.

Er wollte ihr die Chance geben, sich in jemand anderen zu verlieben, mit jemand anderem glücklich zu werden. Sie verdiente es.

Sie wartete schon viel zu lange auf ihn.
 

Er würde hernach das Telefon vom Professor benutzen.

Was für ein schöner Geburtstag...
 

Sie waren gerade mit dem Essen fertig geworden und Conan half Ran beim Abwasch, als es an der Tür klingelte.

„Wer kann das sein?“, murmelte Conan erstaunt, legte den Teller, den er gerade abgetrocknet hatte, beiseite und schaute zu seiner großen Freundin auf.

„Das werden Heiji und Kazuha sein.“, meinte Ran und lächelte.

„Sie haben gestern angerufen, dass sie heut vorbeikommen. Mach doch schon mal auf, ich spül hier gerade noch schnell fertig.“

Conan nickte und schlurfte auf den Gang hinaus, streckte sich und zog die Klinke nach unten.

Draußen stand Heiji und drückte vehement gegen den Klingelknopf, womit er einen unglaublich nervenaufreibenden Dauerton erzeugte, und merkte erst ein paar Sekunden später, wer die Tür aufgemacht hatte- nämlich als er den Blick senkte.

Kogorô, der gerade wutentbrannt den Kopf aus der Tür gesteckt hatte, um sich zu beschweren, weil er Yokos Lifekonzert ansehen und –hören wollte, verzog sich wieder, als er erkannte, dass die Lärmquelle beseitigt worden war.
 

„Hallo Kurzer!“, grinste der Detektiv aus Osaka, als er in die Wohnung trat.

Conan warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Was willst du hier?“, fragte er unfreundlich.

Heiji verzog überrascht das Gesicht. Was war denn hier los…?

„Na, du hast doch heut Geburtstag, Kudô! Ich wollt dich besuchen, so unter Freunden macht man doch das, gratuliert sich, schenkt sich etwas…“

Conan wollte ihm gerade entgegen, dass ihm nicht nach Feiern und Geschenke wäre, als eine einigermaßen aufgebrachte Stimme ihn daran hinderte.

„Kudô?!“

Heiji, der sich ein wenig gebückt hatte, richtete sich abrupt auf und auch der Grundschüler fuhr herum.

„Haa- haaallo Ran! Wie geht’s dir denn?“, stotterte der Oberschüler nervös, versuchte das Thema zu wechseln.

„Was ist mit Kudô? Hast du etwa etwas von Shinichi gehört? Heiji?“

„Nichts ist… mit Kudô. Aber der hatte doch auch heut Geburtstag nicht? Also ich war mir nicht mehr sicher, also hab ich Conan gefragt: Er hat doch heut Geburtstag, Kudô? Oder nicht?“

Heiji knetete hinter seinem Rücken unruhig die Hände. Conan stand da, wie zur Salzsäure erstarrt.
 

„Heiji…,“ flüsterte Ran schließlich.

„Heiji, du als sein Freund, du würdest es mir doch sagen, oder? Du würdest mir doch sagen, wenn mit ihm was ist…?“

Der Detektiv erbleichte, versuchte, nicht zu Conan zu schauen.

Eine Antwort wurde ihm glücklicherweise erspart, nämlich als Kazuha die Szene betrat. Außer Atem und mit hochrotem Kopf, stinksauer, stand sie in der Wohnungstür.

Dann sah sie Ran und strahlte.

„Ran!“

Ran lächelte zurück.

„Hallo Kazuha!“

„Entschuldige bitte, dass wir hier getrennt aufgetaucht sind und ich ein wenig später komme, aber dieser Idiot hier…“, sie trat Heiji gegen das Schienbein, der daraufhin aufschrie, „hat mal wieder nicht auf mich warten können. Eines Tages schieß ich ihn noch auf den Mond. Nun, wie dem auch sei, bist du fertig? Gehen wir shoppen?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie ihre Freundin mit sich, die gerade noch ihre Tasche greifen und in ihre Schuhe schlüpfen konnte.

„Bis spääääter!“, trillerte sie, dann fiel die Tür hinter ihnen zu.
 

Dann heulte Heiji ein zweites Mal in fünf Minuten vor Schmerz auf, nämlich, weil Conan ihm gegen das Schienbein getreten hatte.

Kogorôs Kopf erschien in der Tür.

„RUHE!!! Was soll das Gebrüll, zum Teufel noch mal, ich will Yoko hören!!!“

Dann fiel die Tür hinter ihm wieder mit einem lauten Knall ins Schloss.
 

Heiji starrte Conan an und rieb sich sein Bein.

„Was…?“

„Kannst du nicht aufpassen? Kannst du nicht ein einziges Mal aufpassen?! Wie oft willst du denselben Fehler denn noch machen?“, fauchte der Grundschüler aufgebracht.

„Es tut mir ja Leid.“, murmelte Heiji. Kudô hatte ja Recht. Er war zu leichtsinnig.
 

„Dass du soviel Kraft in den Beinen hast, hätte ich dir nicht zu getraut“, murmelte er dann grinsend.

„Kommt vom Fußballspielen.“, antwortete Conan gleichgültig.

Dann erst schaute er seinem Freund durchdringend in die Augen.

„Und was willst du jetzt hier?!“
 

Heiji blinzelte.

„Was ist los mit dir? Du hast Geburtstag, das ist der Grund, warum ich hier bin. Wirklich. Braucht’s denn noch einen anderen?“

Conans Blick wurde etwas sanfter.

„Ist schon- tut mir Leid. Ich… ich bin ein wenig von der Rolle, ich hätte dich nicht so anfahren sollen. Gehen wir doch lieber zum Professor, da können wir besser reden, ich will nicht, dass der Alte was mitkriegt…“

Heiji schluckte, schaute seinem Freund ins Gesicht.
 

„Ich mach mir Sorgen um dich.“, sagte er dann plötzlich.

Conan, der sich gerade den linken Schuh zuband, schaute auf.

„Warum das denn?“
 

„Ich weiß auch nicht, du… du bist so anders… in letzter Zeit.“

„Was soll mit mir schon anders sein?“

Conan schaute ihn abwartend an. Heiji konnte sich nicht helfen, als er die Augen seines Freundes sah, lief es ihm kalt über den Rücken.

Sie waren zu alt für dieses Kind. Schauten nicht unschuldig, kindlich, neugierig drein, nein…

Das waren Augen, die das jugendliche Gesicht, aus dem sie die Welt betrachteten, Lügen straften. Wissende Augen, Augen, die den Tod gesehen hatten. Augen voller Leid.

Sie hatten nichts mehr von dem an sich, was Kinderaugen ausmachte, kennzeichnete.

Rein gar nichts.
 

Aber dieser gequälte Ausdruck in seinen Augen war nicht das Einzige, was Heiji beunruhigte. Es war sein Gesicht. Seine Körperhaltung. Seine Ausstrahlung, sein Verhalten, die Art wie er redete, einfach alles.
 

Er sah so… müde aus. Geschlagen.

Besiegt?
 

Was ist los mit dir?

Shinichi, was ist nur los mit dir?!
 

Heiji seufzte tief, kratzte sich nervös am Kopf und beeilte sich dann, seinem Freund nachzulaufen, der sich bereits auf den Weg nach unten gemacht hatte.

Zerschnitten

Bonjour…
 

Nun…

Zuerst einmal: danke für die Kommentare! Und ein herzliches Willkommen an Vertschl und SunniNiko, sowie Itako_no_Anna, die zwar schon bei meiner letzten Fic kommentiert hat, aber noch keine Begrüßung bekam… :)
 

@ SunniNiko: Gut- das Hdl und *knuddel* war evtl. etwas zuviel des Guten, ich habs rausgenommen- das X allein reicht eigentlich;

Allerdings wusste ich nicht, dass es auf Conans/Shinichis Depriphasen schon ein Patent gibt *g*

Und nein, du brauchst nicht zu befürchten, dass ein Suizid(versuch) kommt. Ich steh auch nicht auf OutOfCharacter.
 

Im Übrigen braucht man mir nicht drohen (mit Bratpfannen o.ä.), dass ich weiter schreiben soll- diese Fic ist fertig und es kommt jede Woche definitiv ein Kapitel.
 

Was sonst noch zu sagen bleibt- eigentlich nix. Außer… *räusper*

Ich verzieh mich wohl besser, ein paar von euch werden mich lynchen wollen, schätze ich. Aber nur mal soviel noch: selbst wenn euch an diesem Kapitel das eine oder andere nicht gefallen sollte- es ist erst das zweite Kap von insgesamt zwölf. Es passiert noch viel… und dieses Kapitel und alle darin enthaltenen Handlungen sind wichtig für den restlichen Verlauf der Fic.
 

Dann geh ich mal in Deckung… setz mich bis nächste Woche ins Ausland ab, leg mir ne zweite Identität zu oder so… *schiefgrins*
 

Ansonsten: viel Spaß beim Lesen, au revoir bis nächste Woche,

MfG, Eure Leira
 

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„Wow.“

Kazuha ließ sich und ihre Einkaufstüten auf eine Bank am Stadtplatz fallen. Hinter ihnen rauschte die Fontäne, tausende Wassertropfen sprühten wie funkelnde Sterne in den Himmel und fielen prasselnd zurück ins Wasser, immer und immer wieder. Vor der Holzbank, nur wenige Meter entfernt, malte ein Straßenkünstler ein großes, farbenfrohes Kreidebild auf die Bodenplatten.

Ran setzte sich neben sie, atmete ebenfalls erschöpft aus.

„Du sagst es.“
 

Nachdem sie kurz nach zwölf Uhr aufgebrochen waren, waren sie nun immerhin schon zwei Stunden unterwegs- und waren in dieser doch relativ knapp bemessenen Zeit in sechs der angesagtesten Boutiquen Tokios gewesen, was an und für sich schon rekordverdächtig war. Jede von ihnen trug nun drei Einkaufstüten, randvoll gefüllt mit neuen Jeans, Tops, Sommerkleidern und je einem Bikini, und dementsprechend geschafft waren sie nun.
 

„Nun, der Sommer kann kommen.“, murmelte Kazuha zufrieden.

Ran nickte nur, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Shoppingmarathon mit Kazuha hatte sie ein wenig von ihren Gedanken über Shinichi abgelenkt. In letzter Zeit überlegte sie fast täglich, was für eine Beziehung sie mit ihm eigentlich verband, wieso er ihr immer noch nicht erzählen wollte, was ihn fernhielt… und ob er überhaupt noch vorhatte, irgendwann wieder zu kommen.

Als Kazuha angerufen hatte und ihr den Vorschlag gemacht hatte, einen Einkaufsbummel zu machen, hatte sie zuerst gezögert… schließlich war heute ja Shinichis Geburtstag. Es hätte ja sein können…

Allerdings… er war schon so lange nicht mehr da gewesen, warum sollte er an seinem Geburtstag eine Ausnahme machen? Meistens vergaß er den ja ohnehin. Und am Abend würde sie ja wieder zuhause sein, falls er doch kam, könnte man ja dann etwas unternehmen.

Essen gehen. Oder ins Kino. Irgendwas.

Aber… etwas sagte ihr, dass er auch heute wieder nicht kommen würde.

Sagte ihr, dass er sein Geschenk nicht pünktlich abholen würde…
 

Plötzlich drehte sich Kazuha zu ihr, grinste verschmitzt und riss sie aus ihren Gedanken.

„Glaubst du, das Kleid gefällt ihm?“

Ran blinzelte.

„Was bitte?“

Sie merkte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg.

„Na, das Kleid, das dir so gut stand! Das blaue… glaubst du, ihm würd’s gefallen? Shinichi?“

Ran schluckte.

„Wie kommst du jetzt auf…“

Kazuha lachte.

„Es stand dir ins Gesicht geschrieben, Ran. Man konnt' ganz klar lesen, wo du gerade mit deinen Gedanken warst. Also? Was meinste? Gefällt’s ihm?“

„Ich weiß nicht. Was… was Shinichi betrifft, weiß ich so gut wie gar nichts mehr, fürchte ich.“, murmelte Ran und schaute dem Maler zu, wie er eine große, weiße, flauschige Wolke an seinen taubenblauen Himmel malte. In unregelmäßigen Strichen zog er die Kreide über das raue Pflaster, weißblauer Kreidestaub flog in alle Richtungen davon.
 

Ihre Freundin schaute sie fragend an; das herausfordernde Lächeln, das bis eben noch auf ihren Lippen gelegen hatte, war aufgrund Rans besorgtem Gesichtsausdruck wie weggewischt.

„Wie meinste das?“
 

Ran seufzte tief.

„Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Ich… ich seh’ ihn ja kaum noch. Ich mach mir große Sorgen um ihn, weil er sich so selten meldet, heute zum Beispiel…

Er hat heut Geburtstag, weißt du. Dass er persönlich kommt, davon ging ich ja ohnehin nicht mehr aus, diese Hoffnung hab ich schon lange begraben. Aber… aber als ich ihn anrufen wollte, ging er nicht mal ans Telefon. Ich wollte ihm gratulieren, ihm sagen, dass ich ein Geschenk für ihn habe, aber er geht einfach nicht ran. Er hebt nicht ab. Ich denke, es ist ausgeschaltet.

Er ist jetzt schon so lange weg, manchmal denke ich, er ist in Schwierigkeiten…

Ich… manchmal fürchte ich, dieser Fall bringt ihn noch um.“
 

Kazuha strich ihren Rock glatt.

„Das denk ich mir bei Heiji auch immer. Für diese Oberschülerdetektive sollte es Leinenpflicht geben, mit was die da immer ankommen oder in welche Sachen sie immer geraten…“

Ran drehte ihren Kopf und schaute Kazuha ernst an.

„Kazu, war Heiji schon mal für drei Jahre am Stück verschwunden?“

Das Mädchen aus Osaka hörte auf, ihre Kleidung zu ordnen und blickte Ran ins Gesicht.

„Nein. Nein, noch nie. Er war immer nur ein oder zwei Tage weg.“

„Dann kannst du dich glücklich schätzen, Kazuha, glaub mir. Was ich vorhin sagte, war keineswegs als Scherz gemeint. Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen... dass er noch mal draufgeht dabei.“

Kazuha starrte sie an.

„Hat er was Dementsprechendes gesagt? Irgendwelche Andeutungen gemacht?“

Ran schüttelte betrübt den Kopf.

„Nein, und genau das ist es ja. Er weicht mir immer aus. Auf bestimmte Fragen gibt er mir nie eine Antwort…“

„Und… Welche wären das?“

Ran lehnte den Kopf nach hinten. Helles Kinderlachen drang zu ihnen herüber, Kinder, die auf dem Platz Ball spielten…

Fröhlichkeit, Ausgelassenheit, Freude… Gefühle, die im krassen Gegensatz zu ihrer Stimmung standen.
 

„Wenn ich ihn frage, wo er ist…“, begann sie dann leise, „…sagt er mir, er kann mir das nicht sagen. Wenn ich wissen will, wie lange es noch dauert, wann er wiederkommt, antwortet er, dass er das selber noch nicht weiß. Auf die Frage, welcher Fall das denn verdammt noch mal ist, kriege ich auch keine Antwort…“

Sie schluckte, fühlte sich unglücklich und verzweifelt, merkte, wie ihr langsam kalt wurde, obwohl die Maisonne sie mit ihren Strahlen wärmte.
 

„Warum sagt er mir nichts? Warum erzählt er mir nichts über diesen Fall, er hat’s doch sonst auch immer getan, egal ob ich’s überhaupt wissen wollte.

Manchmal glaube ich, er vertraut mir nicht mehr, und ich weiß nicht warum. Dieses Spiel geht jetzt schon so lange so. Vielleicht… vielleicht ist unser roter Faden ja zerrissen…“

Ran seufzte.
 

Kazuha legte ihre Stirn in Falten und sah ihre Freundin verwirrt an.

„Roter Faden…?“, fragte sie.

Ran schaute sie überrascht an.

„Kazu… das ist nicht wahr, oder? Jetzt sag nicht, du hast noch nie etwas vom legendären roten Faden gehört?“

Kazuhas Falten vertieften sich und sie warf Ran einen leicht beleidigten Blick zu.

„Mach dich nicht lustig über mich. Nein, ich weiß nichts davon. Also sei bitte so gnädig und klär mich auf. Lass mich nicht dumm sterben.“

Ran legte den Kopf schief und schaute die Oberschülerin aus Osaka nachdenklich an.
 

„Der rote Faden…“, murmelte sie dann leise und schaute verträumt das immer größer und detaillierter werdende Bild des Straßenkünstlers an, bevor sie schließlich fort fuhr.
 

„Weißt du,“ begann sie dann etwas bestimmter, „es gibt eine Legende, die besagt, wenn zwei Menschen für einander bestimmt sind… wenn sie sich schon seit langer, langer Zeit kennen, so gut wie immer zusammen und fast nie getrennt waren, wenn sie eine tiefe, vertraute Freundschaft verbindet, dann soll zwischen ihnen angeblich ein ganz besondere Verbindung bestehen. Ein Band, das ihr Schicksal miteinander verknüpft, ein roter Faden… der Sage nach beginnt er am kleinen Finger der rechten Hand des Jungen und endet am kleinen Finger der rechten Hand des Mädchens…“
 

Kazuha schaute Ran begeistert an. Man sah ihr an, dass die Idee sie faszinierte.

„Meinst du, Heiji und ich haben so was auch?“, flüsterte sie aufgeregt.

„Ja, warum nicht?“, entgegnete ihr Ran lächelnd.

Schlagartig erlosch ihr Lächeln allerdings, als sie an Shinichi dachte. Ihr roter Faden…
 

Kazuha schaute sie betrübt an.

„Und du glaubst, eurer ist zerrissen? Warum? Weil ihr euch schon so lange nicht mehr gesehen habt? Weil du glaubst, er vertraut dir nicht?“

Ran presste bedrückt ihre Lippen zusammen.

„Ja. Aber… ehrlich gesagt, frage ich mich in letzter Zeit immer öfter, ob es ihn je gegeben hat. Ob wir wirklich füreinander bestimmt sind, wie ich mir das wünschen würde… ob er für mich dasselbe empfindet wie ich für ihn. Ich frage mich, warum ich glaube, dass ich mehr für ihn bin, als nur eine Freundin. Welche Anhaltspunkte habe ich denn schon? Ich hab viel mehr Beweise dagegen als dafür, ums mal mit seinen Worten auszudrücken. Wenn er mich liebt, warum lässt er mich dann so allein? Warum lässt er mich im Ungewissen?

Wahrscheinlich bilde ich mir nur ein, dass ich irgendwie etwas Besonderes bin für ihn, wahrscheinlich ist es nur Wunschdenken…

Ich vermisse ihn. Aber… Wer sagt denn, dass er mich vermisst? Dass er nicht längst eine andere gefunden hat? Warum glaube ich, dass er mich lieben könnte, warum will ich fühlen, dass ich ihm etwas bedeute…?“
 

„Aus denselben Gründen, aus denen ich will, dass Heiji mich liebt.“

Kazuha atmete erschöpft aus.

„Männer.“, knurrte sie frustriert.

„Sind sie es wert, dass wir uns so derart das Leben schwer machen?“, fügte sie an und streichelte ihrer Freundin tröstend und aufmunternd über den Rücken.

„Shinichi wäre dumm, wenn er dich nicht lieben würde, Ran. Gib ihm Zeit, warte ab. Irgendwann wird sich alles aufklären, früher oder später.“

Ran nickte nur. Und hoffte, das Kazuha Recht hatte.
 

Schließlich stand sie auf, streckte sich und sammelte ihre Tüten auf.

„Was meinst du, Kazuha, lassen wir es gut sein für heute? Gehen wir uns doch bei der Bäckerei da vorne etwas Süßes holen und trinken wir bei mir daheim Tee, was meinst du?“

„Eine hervorragende Idee!“, stimmte Kazuha begeistert dem Vorschlag zu, griff ebenfalls ihre Taschen auf und hakte sich bei ihrer Freundin unter.
 


 

Es war etwa halb ein Uhr nachmittags, als Conan vor Professor Agasas Haus stand und sich auf den Klingelknopf lehnte. Er konnte das Schrillen bis nach hier draußen hören.

Der alte Mann öffnete.
 

„Guten Tag Shinichi, alles Gute zum Geburtstag! Wie geht es…“

Er lachte freundlich auf den kleinen Jungen hinunter; der lächelte allerdings nicht zurück. Beim Anblick der düsteren Miene des Grundschülers glitt das Lächeln aus dem Gesicht des alten Mannes und machte einem besorgten Ausdruck Platz.

„…dir?“, vollendete er seinen Satz, weit weniger enthusiastisch als er ihn begonnen hatte.

Er warf Heiji einen fragenden Blick zu, der ihm allerdings auch nur mit einem ratlosen Kopfschütteln antworten konnte.

„Stimmt was nicht, Shinichi?“, wollte der Professor wissen. Seine Stimme klang beunruhigt.

Conan stapfte wortlos über die Türschwelle, quetschte sich an ihm vorbei, zog sich seine Turnschuhe aus, schlüpfte in ein paar Pantoffeln und seufzte tief.

Ai, die im Treppenaufgang des Kellers stand, bemerkte er nicht.
 

Heiji wurde das große Schweigen seines kleinen Freundes nun allerdings zu bunt. Seitdem sie die Wohnung der Môris verlassen hatten, war kein Wort mehr aus Conan rauszukriegen gewesen, und langsam würde ihn die Ursache interessieren.
 

„Große Güte, Kudô, was is los mit dir? Die ganze Zeit hüllst du dich entweder in Stillschweigen oder fährst einen grundlos an, machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter… mit dir stimmt doch was nicht!“

Seine Stimme klang aufgebracht, und das war er auch; er gab der Haustür einen Schubs, der sie krachend ins Schloss fallen ließ, steckte seine Hände in seine Hosentaschen. Dann holte er tief Luft und schaute von oben herab auf seinen geschrumpften Freund, der zwar stehen geblieben war, es allerdings nicht für nötig hielt, ihm seinerseits ins Gesicht zu schauen.

„Geburtstage sind doch zum Feiern da, nich’? Du siehst aber nich’ gerade nach Feiern aus, wenn ich das mal so anmerken darf…“, murmelte Heiji dann, deutlich leiser, schaute Conan durchdringend an.

„Bitte, sag’s uns. Wir machen uns Sorgen um dich, wir seh’n dir doch an, dass es dir nicht gut geht… lass dir doch helfen.“
 

Conan drehte sich um und blinzelte, schüttelte schweigend den Kopf.

Dann schlurfte er langsam weiter, ließ sich im Wohnzimmer stumm auf die Couch fallen und verschränkte die Arme vor der Brust, starrte auf seine kleinen Füße und brütete vor sich hin.
 

Er überlegte, wie er es ihr am schonendsten beibringen sollte- wie er ihr am besten weismachen konnte, dass er von jetzt auf gleich scheinbar nichts mehr von ihr wissen wollte.

Wie er sie dazu bringen sollte, dass sie ihn so sehr hassen würde, dass sie sich wünschte, ihn nie gekannt zu haben. Und ihr möglichst gleichzeitig nicht wehtat.
 

Das eine schloss das andere allerdings aus.

Er musste ihr wehtun, damit sie ihn verabscheute. Das einzige, auf das er hoffen konnte, war, dass ihr Hass auf ihn größer sein würde als der Schmerz, den sie deswegen empfand.

Heiji ließ sich still ihm gegenüber in einen Sessel sinken, verschränkte ebenfalls die Arme vor seiner Brust und beobachtete das angespannte Gesicht seines geschrumpften Detektivkollegen.

Irgendetwas war da doch im Busch.
 

Der Professor seufzte.

„Ich werd’ uns mal Tee kochen gehen…“, meinte er, als ihm nichts anderes eingefallen war, um die Situation etwas aufzulockern. Wenn Shinichi beschlossen hatte, jetzt nicht zu reden, dann würde er sich auch durch nichts dazu zu bringen lassen. Erst, wenn er den Zeitpunkt für gekommen hielt, würde er wohl etwas sagen- keinen Moment früher.

Er warf den beiden Jungen im Wohnzimmer einen fragenden Blick zu.

Heiji nickte zustimmend, ohne den Kopf zu drehen; Conan rührte sich keinen Millimeter.

Leise drehte der Professor sich um und ging. Bald darauf war Wasserrauschen und Geschirrgeklapper aus der Küche zu vernehmen.
 

Ai setzte sich auf eine Treppenstufe. Der Stein unter ihr war kalt, und sie fröstelte, aber dennoch wagte sie es nicht, zu den anderen zu gehen – sie hatte dieses seltsame Gefühl, zu stören, wenn sie sich dazusetzte.

Irgendetwas war los mit Shinichi… sie wusste nur nicht, was. Er tendierte ja dazu, alles in sich hineinzufressen, nur damit sich keiner Sorgen machte. Er wollte sie immer alle beschützen und alles was er davon hatte, war wachsende Einsamkeit.

Sie schluckte, schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und wartete angespannt.
 

So verstrichen die Minuten… in denen einzig und allen gelegentliche Geräusche aus der Küche und das Ticken der Wohnzimmeruhr zu hören waren.

Nach etwa einer viertel Stunde kam der Professor wieder mit einem Tablett, beladen mit Teekanne, Tassen und einem Teller mit Keksen.

Er stellte es auf den Tisch, verteilte die Tassen und schenkte allen grünen Tee ein. Heiji nahm sich ein Plätzchen, schob es in den Mund, kaute bedächtig und schluckte.

„Wo ist eigentlich Ai?“, fragte er dann, ohne die Augen von Conan zu lassen, der immer noch völlig regungslos auf dem Sofa kauerte.

„Sie wird wohl im Labor sitzen. Wenn sie da unten ist, will sie nicht gestört werden… sie kommt dann schon, wenn sie Hunger oder Durst hat. Sie ist ja… kein Kind mehr.“

Der Professor seufzte.

Heiji nickte.

Agasa nahm einen Schluck Tee.
 

Wieder vergingen etwa zehn Minuten, in denen drückendes Schweigen herrschte. Sowohl Heiji als auch der Professor warteten darauf, dass ihr jugendlicher Freund endlich mit der Sprache herausrückte, aber der wollte ihnen diesen Gefallen offenbar nicht tun. Schließlich war es der Professor, der die Stille brach.

„Shinichi, willst du denn nichts trinken? Der Tee wird sonst kalt…“

„Hab keinen Durst.“, murmelte Conan fast tonlos.

„Einen Keks?“, bot ihm der alte Mann hoffnungsvoll an. So schnell wollte er nicht aufgeben.

„Kein Hunger.“
 

Der Professor kratzte sich nervös am Hinterkopf. So kamen sie offensichtlich nicht weiter.

Also dann eben anders.

„Shinichi, hör mal. Es gefällt mir nicht, wenn du so dasitzt und vor dich hin schweigst… das tut dir nicht gut. Du schadest dir selber, wenn du deine Probleme immer nur für dich behältst. Lass dir doch mal helfen. Alleine, darüber zu reden wirkt schon manchmal Wunder…“

„Durch Reden lösen sich meine Probleme aber nicht in Luft auf, Professor.“

Endlich sah der Grundschüler auf.

„Durch Reden allein verschwinden sie nicht.“
 

Er seufzte frustriert. Ein Seufzer, der so gar nicht zu dem kleinen Jungen passen wollte, der ihn ausgestoßen hatte.

„Du kannst es nicht wissen, wenn du’s nicht ausprobierst.“, bemerkte Heiji mit hochgezogenen Brauen.

„Komm schon, Kudô. Sprich dich aus. Was ist los mit dir?“

Conan schluckte.

„Ich bezweifle, dass ihr mir in meiner Situation helfen könnt, wirklich. Das ist keinesfalls böse gemeint, ich schätze eure Anteilnahme, aber das ist etwas, das… das nur mich etwas angeht.“

Heiji stöhnte genervt auf.

„Hör mal, Kudô, es reicht jetzt. Sag endlich was los ist. Sprich mit uns. Es ist nicht schön hier zu sein und zu sehen, wie dich etwas beschäftigt. Du siehst so müde, so mitgenommen aus, es muss etwas sein, dass dir ziemlich zu schaffen macht, also bitte- wir sind deine Freunde, wir sind da, um dir zu helfen. Und wenn wir dir auch nur zuhören können, aber die Chance musst du uns geben. Wir-…“, er blickte zum Professor, „… machen uns Sorgen um dich. Uns ist keinesfalls entgangen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Also bitte, lass uns nicht so sitzen.“
 

Conan starrte Heiji etwas überrascht an. Dann seufzte er schwer.

Es stimmte, er fühlte sich müde…

„Also schön.“

Er räusperte sich.

Der Professor und Heiji atmeten erleichtert auf. Ai auf der Kellertreppe hielt den Atem an.
 

„Es ist wegen Ran.“, wisperte er schließlich.

Seine Stimme war kaum zu hören.

„Sie… sie ist völlig fertig, auch wenn man’s ihr nicht ansieht. Sie macht sich wahnsinnige Sorgen… weint jede Nacht… und heute… heute…“

Er brach ab.

Heiji stellte sachte seine Teetasse ab, aus der er gerade einen Schluck genommen hatte und atmete tief ein.

„Verdammt… das war ja irgendwie vorhersehbar…“

Conan nickte langsam.
 

„Ich…es…nun…ich kann sie einfach nicht mehr weinen sehen. Ich kann’s nicht mehr mit ansehen. Ich ertrage das nicht länger. Sie wartet auf jemanden, der vielleicht nie mehr zurückkommen wird und fragt sich selber, was sie falsch macht, weil er ihr nicht sagt, wo er ist. Warum er ihr nicht sagen will, was er macht und wann er zurückkommen wird. Warum er nicht einmal sein Geburtstagsgeschenk abholen kommt, wenn er schon mal volljährig wird.“

Er seufzte tief.
 

„Warum ich ihr nicht sage, wann ich wieder komme, was ich mache und wo ich bin, warum ich nicht mal zu meinem Geburtstag heimkomme. Sie gibt sich die Schuld und will mir einfach nicht glauben, wenn ich ihr sage, dass es nicht an ihr liegt. Ich stecke fest…“

Er starrte auf den Boden, auf seinem Gesicht lag Verzweiflung. Es war nur allzu deutlich zu erkennen, dass er keinen Ausweg aus seiner Situation sah.

Er holte tief Luft, ehe er weiterredete, die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus, eintönig, monoton, unaufhaltsam und - unmissverständlich.
 

„Solange ich ihr keinen vernünftigen Grund geben kann, warum ich ihr nicht vertraue -und das ist es, warum sie sich so sorgt; sie denkt, ich würde ihr nicht mehr vertrauen- wird sie nicht aufhören, die Schuld bei sich zu suchen, nicht aufhören, nachts zu weinen, wenn sie glaubt, dass keiner sie hört und sie wird nicht aufhören zu glauben, sie bedeutet mir nichts…

Ich will nicht der Grund sein, warum sie so leidet. Ich will nicht mehr derjenige sein, wegen dem sie weint. Ich will nicht, dass sie noch länger auf etwas wartet, das vielleicht nicht mehr kommt. Ich will ihr nicht länger so wehtun…“

Conans Stimme war immer leiser geworden.
 

Ai bekam Schüttelfrost. Sie zitterte, obwohl sie nicht fror - es waren seine Worte und die Konsequenz, die ihnen folgen würde, die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließen. Sie schluckte.
 

Dann riss die Stimme des Detektivs aus Osaka sie aus ihren Gedanken.
 

„Also? Was wirst du tun?”, fragte Heiji und schaute ihn betroffen an.

„Also werde ich mit ihr Schluss machen. Noch heute.“

Er hörte sich elend an. Und jeder im Raum wusste, dass er sich auch so fühlte.
 

Ai blinzelte. Also hatte sie richtig geschlussfolgert.
 

„Aber…!“, begann der Professor, aber Conan unterbrach ihn.

„Nein, kein aber. Ich weiß, das wird sie verletzen, glauben Sie allen Ernstes, ich könnte das vergessen? Glauben Sie, ich hab mir das nicht reiflich überlegt? Aber dieser Schmerz wird irgendwann vergehen, und sobald er vergangen und vergessen ist, sobald ich vergangen und vergessen bin, wird sie vielleicht einen anderen finden können. Jemanden, der sie glücklich machen wird, etwas, wozu ich offensichtlich nicht in der Lage bin.“

Er fühlte, wie seine Augen brannten und wischte sich unwillig mit seinem Handrücken darüber.

Am besten machte er es gleich. Wer wusste, ob er sich noch anders überlegte, je länger er wartete. Er schaute auf die Uhr. Hoffentlich war sie schon daheim.
 

Heiji starrte seinen Freund an und konnte nicht glauben, was er da hörte.

„Shinichi, jetzt beruhig’ dich doch, überleg’ dir das noch mal…“

Der kleine Junge schaute ihn aus ausdruckslosen Augen an.

„Nein.“

„Verdammt, Kudô... Du liebst sie doch… glaubst du, du tust dir damit ´nen Gefallen…“

„Es geht nicht darum, ob ich mir einen Gefallen tue…“, begann der Grundschüler, aber Heiji unterbrach ihn unwirsch.

„Red doch keinen Müll! Ihr gehört zusammen, du weißt doch, dass sie dich liebt! Lieg’ ich denn falsch, wenn ich behaupte, dass der Hauptgrund, weswegen du in letzter Zeit noch weitergemacht hast, die Hoffnung war, am Ende doch mit ihr zusammen zu sein? Shinichi? Was wird dir denn noch Hoffnung geben, weswegen wirst du dann noch kämpfen, wenn…“
 

„Vielleicht ist es langsam an der Zeit, das Kämpfen aufzugeben und den Krieg als verloren zu akzeptieren.“, wisperte der Grundschüler leise, drehte sich weg, nahm das Telefon und sperrte sich in der Küche ein.

Heiji starrte ihm fassungslos hinterher.
 

Ai stieg nun die letzten Stufen hoch und stellte sich zu den beiden Männern.

„Ich habe sein Leben zerstört.“, murmelte sie tonlos. Ihr Gesicht war kreideweiß, ihre Augen vor Entsetzen geweitet.

Die beiden starrten sie an.

„Ja, genau, das hast du.“

Heiji starrte sie wutentbrannt an.

„Was denkt ihr, was hat er mit diesem Satz gemeint?“

Der Professor kratzte sich am Hinterkopf und sah mit sehr sorgenvoller Miene zur Küchentür.
 

Minutenlang saß er am Küchenboden und schaute das Telefon einfach nur an. Er hatte lange überlegt, einen Gedanken nach dem anderen gefasst und wieder verworfen und nun… nun war er auch nicht schlauer als vorher.

Und er hatte Angst, vor dem, was er jetzt tun würde. Einerseits wollte er einen Schlussstrich ziehen, einen glatten Schnitt machen, ihr zuliebe. Damit sie endlich nach vorne schauen konnte. Und in Sicherheit war.

Andererseits wollte er sie doch nicht aufgeben. Allein der Gedanke daran, wen und was er verlieren würde, sollte er die Sache jetzt durchziehen...

Heiji hatte durchaus Recht gehabt mit seiner Annahme, dass er momentan eigentlich nur noch weitermachte, weil er hoffte, dass das alles einmal ein gutes Ende haben würde.

Weil er hoffte, doch noch mit ihr glücklich werden zu können…

Aber wer sagte ihm denn, dass das der Fall sein würde? Wer garantierte ihm denn, dass sie ihn immer noch lieben würde, wenn er ihr erst von all seinen Lügen erzählt hatte… und er wollte es ihr sagen. Er hatte immer vorgehabt, dass er, wenn er eines Tages sein altes Ich wiederhaben würde, ihr die Wahrheit über Conan Edogawa berichten würde.
 

Kein Mensch konnte ihm sagen, wie das hier enden würde.

Also… warum sollte er sie dann weiter leiden lassen, wenn ohnehin nicht klar war, ob seine Wünsche sich jemals erfüllen würden. Seine Hoffnungen nicht umsonst waren.

Er sollte wirklich aufhören, immer nur an sich zu denken.
 

Jetzt oder nie…
 

Conan räusperte sich, nahm seinen Stimmentransposer, hielt ihn sich vor die Lippen und wählte mit seiner anderen Hand Rans Handynummer. Nach ein paar Sekunden hob sie ab und er konnte ihre Stimme hören.
 

„Ran Môri?“
 

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bevor er ein Wort hervorbrachte.

„Hallo Ran.“

Conan merkte, wie seine Hände zitterten. In seinem Magen breitete sich ein extrem flaues Gefühl aus.

„Shinichi! Hallo!”

Ihre Stimme hörte sich mit einem Mal freudig erregt an.

„Wie geht’s dir? Wo bist du denn? Hast du etwa vergessen, dass du heute Geburtstag hast, du Spinner, ich…”

Er konnte ihre Stimme nicht ertragen, in ihr schwang soviel Hoffnung...

„Ran! Ran… hör auf…”, fiel er ihr ins Wort.

Er schluckte. Ran hielt inne. Dann fragte sie zaghaft:

„Was ist los mit dir?“

„Ich… ich muss dir was sagen, ich…“

„Ja? Was denn, Shinichi?”
 

Sie fühlte es. Plötzlich war es da. Das Gefühl, dass irgendetwas überhaupt nicht stimmte mit ihm. Ähnlich wie das Gefühl damals im Tropical Land… als er verschwunden war.
 

„Ich…“

„Shinichi, was ist los?

Ihre Stimme wurde drängender, eine Spur Sorge schwang in ihr mit.

„Stimmt etwas nicht? Geht es dir nicht gut? Bist du krank? Oder bist du in…”

Schwierigkeiten, hatte sie sagen wollen. Aber dazu kam sie nicht.
 

„Ich will dich nicht mehr sehen. Nie wieder.“

Er schluckte. Jetzt war es raus. Er hatte es gesagt...

Er merkte, wie seine Augen zu brennen begannen und kniff sie fest zusammen, blinzelte heftig.

„Was?“

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Nur eine Andeutung von einem Wispern, kaum zu verstehen. Und sie klang ungläubig, voller Entsetzen.
 

„Was… was sagst du da? Shinichi? Aber… aber warum? Hab… hab ich was falsch gemacht? Ich weiß, ich kann ziemlich nervig sein, mit meiner ganzen Fragerei, ich klammere zuviel, ich weiß, aber das ist doch kein Grund, unsere Freundschaft zu beenden… oder doch? Shinichi?“

Er schwieg. Ihm fehlten die Worte, war selber schockiert, über das, was er gerade gesagt hatte...
 

„Ich… Shinichi ich…

Aber… ich… ich liebe dich...

Ich… ich wollt es dir schon so lange sagen…“

Sie brach ab. Anscheinend war ihr gerade klar geworden, was sie ihm da gesagt hatte.

Er hörte sie tief Luft holen.

Himmel, sie hatte es gesagt. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte… etwas, das er immer hatte hören wollen, nur nicht jetzt, nicht jetzt… nie wieder ab jetzt… wie verzweifelt musste sie an ihm hängen, wenn sie ihm sogar ihre Liebe gestand.
 

„Warum? Liegt es an mir? Was ist es denn…?“, jammerte sie. Er konnte ihre Tränen hören. Ihre Stimme zitterte und er wusste, dass sie weinte. Er hatte es schon so oft gehört. Viel zu oft.
 

Nein. Nein… es liegt nicht an dir. Bitte. Ran! Es liegt an mir. Wenn irgendwer schuldig ist, dann ich. Schieb alles auf mich.
 

Wollte er sagen. Aber wenn er das tat, wie glaubwürdig war er dann? Er wollte doch dass sie ihn hasste…

Also musste er ihr wehtun. Shinichi schluckte. Was er jetzt zu sagen hatte, machte ihn selber fertig, brachte ihn an den Rand des Wahnsinns…
 

„Das interessiert mich nicht, Ran. Was du fühlst, ist mir egal. Du nervst mich. Ich kann, ich will dich nicht mehr sehen. Ran. Nie wieder, verstehst du? Ich will dich auch nie wieder hören, also ruf mich nicht an. Lösch am besten meine Nummer. Schreib mir keine E-Mails. Vergiss mich einfach. Vergiss, dass ich jemals existiert habe. Wir sind fertig miteinander.“
 

Ran schluchzte. Eine ganze Zeit lang hörte er nichts, außer ihren Schluchzern, und gerade wollte er auflegen, als sie sich doch noch einmal zu Wort meldete.
 

„Vergiss was ich gesagt hab, bitte… ich… es tut mir Leid…

Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe…“

Ihre Stimme zitterte.

„Können wir nicht Freunde bleiben…? Wenigstens das? Wir… wir kennen uns doch schon so lange… Shinichi? Ich werd dir auch nicht mehr ständig auf die Nerven gehen mit meinen Fragen, ich versprech’s…“
 

Er merkte, wie er kaum noch Luft bekam. Ein unsichtbares Gewicht schien auf seine Brust zu drücken, jeden Atemzug zu erschweren…
 

„Nein. Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben.“

Er versuchte ernst, entschlossen, seinetwegen auch grausam zu klingen, wen interessierte es, aber konnte spüren, wie die Tränen seine Wangen hinab rannen und er war nicht sicher, ob seine Stimme fest genug geklungen hatte.
 

Tatsächlich hatte sie das nicht.

Ran hörte es. Sie hörte seine Stimme zittern und brechen und sie wusste, sie wusste es einfach, dass er das, was er ihr gerade sagte, eigentlich gar nicht sagen wollte. Aber warum sollte er sie anlügen? Ihr absichtlich so wehtun? Weder das eine noch das andere hatte er je getan, oder? Welche Gründe trieben ihn dazu?

Sie blinzelte.

Nein. Irgendetwas war falsch hier. Oder nicht? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis.

„Ran?“ Er hatte wohl seine Stimme wieder gefunden.
 

Er musste es zu Ende bringen. Sie sollte ihn doch hassen…
 

Seine nächsten Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht.

„Es ist aus mit uns, ich meine das ernst. Ich… ich liebe dich nicht, lass mich in Frieden…

Ich… ich liebe eine andere.“
 

Dann ertönte das Freizeichen.

Er hatte aufgelegt.

Ein wahrer Heulkrampf begann Ran zu schütteln.
 


 

Seine Hände zitterten, als er den Hörer auf die Gabel legte.

Dann griff er in seine Hosentasche, zog sein Handy heraus.

Wo er jetzt schon mal dabei war, sein Leben zu ruinieren, konnte er dass doch ruhig auch gründlich tun, nicht wahr? Er hatte ja nicht mehr viel zu verlieren…

Also warum nicht. Einen Versuch war es wert…

Er wollte es zu Ende bringen, egal welches Ende es werden würde. Er wollte sie noch einmal sehen, diese Verbrecher, die ihm das angetan hatten... ihnen noch ein letztes Mal begegnen, ein letztes Mal. Sie sollten sehen, was sie angerichtet hatten... und dafür büßen. Und wenn es das Letzte war, was er tat- jetzt war es ohnehin egal. Jetzt, wo er für Ran wohl gestorben war, würde es auch nichts machen, sollte er das tatsächlich nicht überleben. Aber so ging es nicht mehr weiter.
 

Auf in die letzte Schlacht...
 

Er ging ins Emailprogramm, tippte nur eine kurze Nachricht.

Dann schickte er sie ab.
 

Er ahnte, dass er diese Kurzschlusshandlung vielleicht noch mal bereuen würde.

Viel mehr als eventuelle Folgen dieser Mail beschäftigte ihn allerdings das hier und jetzt.
 

Er hatte es tatsächlich getan.

Er hatte wirklich mit ihr Schluss gemacht…

Shinichi starrte an die Decke, Tränen rollten über sein Gesicht.

Er hatte ihr so wehgetan… sie so sehr verletzt…

Er würde sich das nie verzeihen… es war schlimmer gewesen, als er gedacht hatte, und er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet… dass sie weinen würde, dass sie ihn nach dem Warum fragen würde, ihn anflehen würde, es sich zu überlegen…
 

Aber nie im Traum hätte er daran gedacht, dass sie ihm sagen würde, dass sie ihn liebte.

Alles… nur das nicht.

Ein heiserer Schluchzer entrang sich seiner Kehle.
 

Ran…

Es tut mir Leid! Es tut mir Leid…
 

War es wirklich das Richtige gewesen? Hatte es wirklich sein müssen…?

Aber sich jetzt noch den Kopf zu zerbrechen, brachte doch auch nichts… es war zu spät. Zu spät.

Die Liebe seines Lebens hatte er wahrscheinlich auf immer verloren.

Wie er damit fertig werden würde, wusste er nicht. Er hoffte nur, sie würde einen Weg finden, bald.

Er wollte doch, dass sie glücklich war.

Mit zitternden Händen steckte er das Handy wieder in seine Hosentasche.

Er hatte nicht geglaubt, dass es ihm hinterher nicht nur seelisch, sondern auch körperlich so mies gehen würde. Tatsächlich fühlte er sich wirklich elend.

Conan vergrub den Kopf in den Händen, kauerte auf dem Küchenboden und schluchzte. Weinte, wie noch nie zuvor in seinem Leben, ihm war übel, er fühlte sich schlecht, und innerlich irgendwie seltsam leer und taub. Erstarrt zu Eis, kalt, wie versteinert.

Ihm fehlte die Luft zum Atmen, er glaubte ersticken zu müssen, fühlte den Schmerz über ihren Verlust und die Schuld, Schuld… er hatte ihr wehgetan, war Schuld, dass sie jetzt litt, wieder einmal, wegen ihm.

Das Leben war nicht gerecht
 

Das Klopfen und Rufen von Heiji und dem Professor ignorierte er. Er wollte jetzt keinen sehen oder hören.

Nur am Rande bekam er mit, dass sich das anfänglich lautstarke Schreien und Poltern langsam abschwächte… in beruhigende Worte überging, Worte, die ihn trösten, ihm helfen sollten…

Er hörte sie zwar, hörte die Laute, aber verstand nicht ihren Sinn.

Er war in Gedanken ganz wo anders.
 

Heiji und Professor Agasa sahen sich bedrückt an.

„Hilft alles nichts.“, murmelte der alte Mann beklommen.

„Scheint so.“

Der Detektiv hämmerte noch einmal gegen die Tür.

„Kudô! Mach auf, verdammt! Das bringt doch nichts!“

Keine Reaktion.

Agasa schüttelte den Kopf.

„Das müssen wir aussitzen, fürchte ich. Ich würde ihm so gern helfen, aber ich fürchte, keiner von uns beiden…“

„… ist dazu in der Lage. Ja, da haben Sie wohl leider Recht.“
 

Er ließ sich neben der Tür zu Boden sinken.

„Musste es denn wirklich soweit kommen…?“
 

Ai stand nur da und sagte nichts. Eine einzelne Träne rollte ihr über die Wange.
 


 

Kazuha starrte Ran an. Sie war gerade aus der Küche wiedergekommen, wo sie Wasser für den Tee aufgesetzt hatte, während Ran den Tisch hier im Wohnzimmer hatte decken wollen. Als sie gehört hatte, wie ihre Freundin in Tränen ausgebrochen war, war sie zurück ins Wohnzimmer gekommen, hatte sie auf der Couch gefunden, ihr Handy fest umklammert.

Zuerst war Ran völlig zusammengebrochen, hatte pausenlos geschluchzt. Irgendwann war sie dann ruhig geworden, weinte nun völlig lautlos vor sich hin. Nun lag das Mädchen auf der Couch wie aus Stein gemeißelt, völlig unbeweglich… das einzige, was sich rührte, waren die Tränen, die ihr unablässig über die Wangen rollten.

Und Kazuha war ratlos. Wegen der Entfernung von der Küche zum Wohnzimmer, dem laufenden Fernseher, den Kogorô vergessen hatte abzuschalten, ehe er ausgegangen war und dem Wasserrauschen und Topfgeklapper, das sie in der Küche veranstaltet hatte, hatte sie das Telefonat so gut wie gar nicht mitbekommen. Nun griff sie nach der Fernbedienung um wenigstens den Fernsehapparat auszumachen.

„Ran… Ran, was ist los? Ran? Was ist mit dir?“

Kazuha schüttelte ihre Freundin leicht an der Schulter.
 

Ran blinzelte, schaute Kazuha an.

„Er hat unseren roten Faden durchgeschnitten…“, hauchte sie tonlos.

„Durchgeschnitten…“

Ihre Unterlippe bebte erneut.

Sie setzte sich auf.

„Kazuha! Warum? Warum tut er mir das an?“

Die Angesprochene schüttelte ratlos den Kopf.

„Ich weiß es nicht…“

Kazuha schluckte. Also hatte Shinichi angerufen...

Sie konnte die Verzweiflung, den Kummer in den Augen ihrer Freundin kaum ertragen.

Er hatte ihr das Herz gebrochen. Das hätte sie nie gedacht.

Aber warum?

Sie hatte ihn eigentlich ganz anders eingeschätzt… so wie Ran immer von ihm gesprochen hatte, und damals, als sie ihn selber mal ganz kurz kennen gelernt hatte, und nicht zu vergessen, weil Heiji doch so große Stücke auf ihn hielt…
 

Mit Mühe öffnete sie die Finger von Rans Hand, die immer noch ihr Handy umklammerten, legte das Mobiltelefon beiseite.

Dann nahm sie sie vorsichtig in die Arme, streichelte ihr über den Rücken, merkte, wie ein neuerlicher Weinkrampf ihre Freundin zu schütteln begann.
 


 

Irgendwann war er still geworden.

Starrte wieder die Decke über ihm an, makelloses Weiß, rein, sauber, fleckenlos und absolut nichts sagend.

Weiß war keine Farbe…

Weiß…

Sah es so in ihm aus, gerade, im Moment? Leer und farblos?

Aber…

Er war doch nicht leer, fühlte doch noch.

Schmerz.

Leid, Qual…

Also schwarz?

Auch Schwarz war keine Farbe, schwarz war Abwesenheit von Licht…

Schwarz stand für Dunkelheit, Finsternis…

Ja, schwarz…
 

Dann klingelte es an der Haustür und riss ihn aus seinen Gedanken.

Er konnte die aufgeregten Stimmen seiner kleinen Freunde hören.

Verflucht.

Er wollte jetzt eigentlich nur allein sein, aber daraus wurde wohl nichts.

Conan rappelte sich auf, ging zum Spülbecken und klatschte sich ein paar Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Er war schließlich immer noch Conan Edogawa. Und Klein-Conan hatte heute Geburtstag und das war verdammt noch mal ein Grund zum Feiern.

Später dann würde er zu Ran gehen und versuchen, es ihr ein wenig leichter zu machen. Ihren Schmerz ein wenig lindern. Und warten... auf eine Antwort auf seine Email.

Er seufzte und schaute in sein Spiegelbild im Fenster um sein Gesicht zu betrachten.
 

Conan, du siehst furchtbar aus.
 

Er würde ihnen sagen, er hatte geweint, weil er Zwiebeln geschnitten hatte. Für eine Marinade fürs Abendessen vom Professor. Das war eine gute Idee.

Dann grinste er noch einmal sein Spiegelbild an, übte ein fröhliches Gesicht ein, das einigermaßen glaubhaft rüberkam… anschließend drehte er sich um und sperrte leise die Tür wieder auf, trat hinaus ins Wohnzimmer und wiederholte brav seine bereitgelegte Lüge was seine roten Augen betraf. Dann folgte er den Vieren raus in die Sonne. Kurz bevor sie draußen waren, drehte er sich noch mal um, sah in Heijis und Professor Agasas besorgte Mienen, schluckte hart und schloss die Tür hinter sich.
 

Der junge Mann aus Osaka wandte sich zum Professor.

„Was denken sie, wie lange… wie lange steht er das durch?“

Der alte Mann blinzelte.

„Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht... Wir müssen ein wachsames Auge auf ihn haben.“
 


 

Zur selben Zeit saß ein hoch gewachsener Mann mittleren Alters in seinem Chefsessel hinter seinem Schreibtisch in einem modern und geschmackvoll eingerichteten Büro.

Er trug einen maßgeschneiderten Anzug aus feinem schwarzen Zwirn- und war auch sonst eine beeindruckende Erscheinung.

Seine kurz geschnittenen Haare ergrauten bereits leicht an den Schläfen, was ihn allerdings keineswegs alt aussehen ließ. Sein Blick war scharf und wachsam, seine Ausstrahlung einschüchternd und Erfurcht gebietend.

Seine feingliedrigen Hände ruhten vor ihm auf dem Tisch, als er konzentriert einen Bericht über eine gelungene Mission durchlas.

Seine dünnen Lippen umspielte ein zufriedenes, wenn auch grausames Lächeln, das abrupt verschwand, als sein Mobiltelefon, das vor ihm auf dem Tisch lag, zu Bimmeln anfing und vom Vibrationsalarm getrieben über den Tisch rutschte.

Er griff es auf, schaute leicht verärgert aufs Display.
 

Nachricht von unbekannt
 

„Von unbekannt, so so… was will unbekannt denn von mir…? Und viel wichtiger, wer ist unbekannt- und wie kommt er an meine Nummer?“

Er öffnete die Nachricht und seine anfängliche Verärgerung schlug um in Erstaunen und Interesse. Ein amüsiertes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
 

Kommt doch und holt mich. Bringen wir’s zu Ende.

C.E. alias S.K.
 

„Wie nett von dir, dass du dich mal meldest… woher auch immer du meine Nummer hast. Also wurde es dir doch endlich zu dumm… Haben deine Ungeduld und deine Neugier endlich den Kampf gegen die Vernunft gewonnen, mein Freund…?“

Er schrieb vergnügt eine Antwort und schickte sie ab.
 

„Was du forderst, kannst du gern haben, allerdings zu meinen Konditionen, Kudô…“
 

Er lehnte sich gelassen zurück.

„Mich würde nur interessieren, was dich bewogen hat, nach so langer Zeit deine Meinung endlich zu ändern… was treibt ich? Warum tust du das? Warum stellst du dich, lässt deine Tarnung auffliegen? Wir wussten zwar, dass du nicht tot bist, aber dass es sich anscheinend so verhält, das war mir neu… du hast deine Sache gut gemacht. Sehr überzeugend… Conan Edogawa.“

Er lächelte zufrieden.

„Nun, ich werde es bald wissen. Aber nun geht es daran, dir einen gebührenden Empfang zu bereiten, und ein Begrüßungskomitee ist hier wohl unabdingbar…“
 

Er wählte eine Nummer, hielt sein Handy an sein Ohr und wartete, bis abgehoben wurde.
 

„Vermouth, zu Diensten?“

Wahrheiten

Hi folks!
 

Also- nun, wer sagt denn, dass Shinichi seine Entscheidung nicht bereut?

Er läge wohl kaum heulend auf dem Boden von Agasas Küche, wenn es ihm gut gehen würde, oder? *Augenbrauenhochzieht*

Der bereut es, bitter sogar- und wirds noch mehr bereuen. Wartet es ab.
 

@ Shelling_Ford: Nicht schlecht, deine Vermutung, im letzten Absatz deines Kommentars…

@ Vertschl und Starlett: Die Nummer- okay, ich warne euch, das könnte ein Spoiler für euch sein, falls ihr den Manga nicht lest und nur den Anime schaut.

Die Nummer findet er in Band 46 heraus, bei dem Fall mit dem Komponisten mit dem absoluten Gehör. Die Tastentöne ergeben die Melodie des in Japan berühmten Liedes Nanatsu no ko.

@ Kilma_Mora: RAUS mit der Pfanne!!! *NeuenHakennebendieTürschlägt*
 

Nya- was den Veröffentlichungstag angeht; mir isses eigentlich egal. Sagt mir wann es euch am besten passt und ich lade hoch. Ich bin nur vom WE abgewichen, weil Fr/Sa erfahrungsgemäß um die 200 Fics in der Mexxschen Warteschleife hängen. Wenn ihr damit leben könnt?

Also, gebt eure Vorschläge ab, wenn ihr Di/Mi nicht mögt. Ich richte mich gern nach euch, kein Problem.
 

Ansonsten- viel Vergnügen beim Lesen, Leute. Macht es euch bequem.
 

Mit den allerfreundlichsten Grüßen, eure Leira
 

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Ran lag auf der Couch und starrte Löcher in die Luft.

Kazuha war in der Küche verschwunden, um den Tee zu holen- und Heiji anzurufen.
 

Sie selbst war also wieder allein im Wohnzimmer. Ihre Augen waren gerötet und sie hatte Schluckauf, aber der große Heulkrampf war vorbei.

Nach und nach erwachte sie aus ihrer Starre, aus ihrer Trance, in die sie nach dem Telefonat gefallen war.

Langsam... holte die Wirklichkeit sie wieder ein.

Sie setzte sich auf, strich sich die Haare aus ihrem Gesicht und schluckte hart. Sah sich im Wohnzimmer um, strich mit ihren Händen über ihren Rock, klopfte das Kissen neben sich wieder glatt, zerrte die Tischdecke gerade und faltenfrei, richtete die Fernsehzeitschrift und die Fernbedinung an der Kante des Tisches aus und setzte sich gerade hin, Beine nebeneinander, Hände in den Schoß.

Alles in Ordnung.

Dann dachte sie an ihn, an sein Gesicht und seine Stimme - an die Worte, die er eben zu ihr gesagt hatte... und ihre gerade errichtete Ordnung brach wieder zusammen wie ein Kartenhaus.
 

Ein leises Wimmern entfuhr ihr, sie sackte ein wenig auf dem Sofa zusammen und zog die Beine an.

Warum?

Warum hatte das passieren müssen? Wann... wann war der Zeitpunkt denn gewesen, an dem sie ihn verloren hatte? Oder hatte sie ihn nie gehabt?

Einer plötzlichen Eingebung zufolge beugte sich über den Rand des Sofas und kramte ihren Geldbeutel aus ihrer Tasche, die sie achtlos neben dem Sofa fallengelassen hatte.

Langsam zog sie ein kleines, passbildgroßes Foto heraus.

Das Foto zeigte ihn und sie, es war vor drei Jahre aufgenommen worden… in einer dieser Fotokabinen. Sie hatte ihn da regelrecht reinzerren müssen, dabei war er doch gar nicht klaustrophobisch…

Sie hatten sich zusammen auf die Sitzbank gequetscht, Kopf an Kopf, und in die Kamera gegrinst. Vier Bilder waren es geworden, zwei hatte er, zwei sie, und eins trug sie immer mit sich herum…

Ein Bild aus glücklichen Tagen.
 

Wie konnte es so enden? Wie…?
 

Sie ließ ihr Gespräch noch einmal Revue passieren. Rief sich noch mal ins Gedächtnis, was er gesagt hatte.

Wie er es gesagt hatte.
 

Was war los gewesen mit ihm? Richtig entschlossen hatte er sich nicht angehört. Seine Worte ja, doch- seine Stimme? Nein.

Nein, ganz und gar nicht.

Er hatte nicht kalt geklungen, abgebrüht, brutal- die Art, wie er geredet hatte, sich angehört hatte, passte einfach nicht zum Inhalt, den er ihr mit seinen Worten vermitteln hatte wollen.

Wollte er überhaupt? Hatte seine Stimme nicht gezittert während er ihr sagte, dass er sie nie wieder sehen wollte?

So war es doch gewesen?

Oder?

Oder hatte sie sich das alles nur eingebildet? Weil sie nicht wahrhaben wollte, was er ihr gesagt hatte? Seine Worte wahren so verletzend gewesen… so grausam…
 

Nein. Sie schüttelte den Kopf. Sie war zwar vorhin mit ihren Nerven am Ende gewesen, aber jetzt kamen ihr ihre Bedenken wieder in den Sinn. Das Gefühl, dass sie empfunden hatte… das Gefühl, dass ihr sagte, dass etwas nicht stimmte.

Wie damals, im Tropical Land, vor drei Jahren…
 

Ran richtete sich wieder auf, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein grübelnder Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Sie dachte nach, analysierte... versuchte sich in ihn hineinzuversetzen.
 

Shinichi lag doch, genauso wie ihr, eigentlich viel an dieser Freundschaft. Sehr viel. Er hätte sie nie so beendet. Niemals.

Nicht einmal, wenn er tatsächlich ein anderes Mädchen liebte. Ran zitterte.
 

Nein. Nicht daran denken.
 

Er steckte mächtig in der Klemme und wollte sie da nicht reinziehen. Das musste es einfach sein.

Sie hatte es ja schon öfter vermutet, und das war doch ein Hinweis, dass sie Recht hatte, oder nicht? Er war der Typ für sowas, ähnliche Aktionen hatte er auch früher gebracht. Sie von den Tatorten weggeschickt, von den Tätern weggezogen... nur so extrem war es noch nie geworden.

Ran biss sich auf die Lippe.
 

Aber dieser ewige Beschützerinstinkt würde sein Verhalten rechtfertigen. Er sorgte sich- deshalb hatte er ihr nie gesagt, wo er sich befand. Und offensichtlich wusste er auch nicht, wann das alles zu Ende ging. Das würde erklären, warum er ihr nicht sagen konnte, wann er endlich zurückkam.
 

Ran konnte jetzt erstaunlich klar denken. Alles machte endlich Sinn.
 

Er wollte jede Verbindung zu ihr trennen. Nichts sollte auf sie hinweisen.

Er wollte, dass sie in Sicherheit war. Das musste einfach der Grund sein, denn sie wollte es nicht wahrhaben, dass... dass er sie wirklich nicht mehr sehen wollte. Sie nicht einmal mehr kennen wollte…

Aber warum erfand er eine Freundin? Ran wollte nicht glauben, dass er eine andere liebte. Sie wollte, dass er sie liebte. Tat er das?

Wollte er wirklich, dass sie ihn hasste? Ihn vergaß, so wie er es von ihr verlangt hatte? Warum?

Wollte er wirklich alles aufgeben, was sie hatten?

Was hatten sie eigentlich?

Warum riskierte er so viel? Er schien doch auch darunter zu leiden, warum tat er das dann?

Warum lag ihm soviel an ihrer Sicherheit?

Liebte… liebte er sie am Ende doch? Auch wenn er ihr das Gegenteil glauben machen wollte…?
 

Ran seufzte tief.

Irgendwie musste sie das herausfinden. Irgendwer musste doch davon wissen… wissen, wo Shinichi steckte, und in was er sich da hineingeritten hatte.
 

Wo bist du, Shinichi? Warum tust du das alles?
 

Dann betrat Kazuha das Zimmer wieder, beladen mit einem Teetablett und den süßen Gebäckstückchen, die sie gekauft hatten, und riss sie aus ihren Gedanken ins Hier und Jetzt zurück.

„Hey! Du siehst ja schon wieder etwas besser aus!“, bemerkte sie erleichtert.

Sie stellte alles ab und reichte Ran ihr Schokoladeneclair.

„Ich hab Heiji angerufen. Er sollte bald da sein…“, meinte das Mädchen aus Osaka und goss Tee in eine Tasse.
 

Und in dem Moment wusste Ran, welche Person Antworten auf ihre Fragen haben könnte.
 

Heiji…!
 


 

Ai beobachtete ihn genau.

Er machte seine Sache wirklich gut.

Kaum drehte sich einer ihrer kleinen Freunde um, stellte ihm eine Frage, erhellte sich seine Miene und er antwortete mit gewohnt heiterer Stimme.

Kaum fühlte er sich unbeobachtet, ließ er die Fassade fallen.
 

Sie, Conan und die Detective Boys waren auf dem Weg in den Vergnügungspark. Heute war im Tropical Rainbow Land ein Aktionstag, weshalb alle Preise um die Hälfte reduziert waren und sogar eine zusätzliche Attraktion, ein Zirkus, bestaunt werden konnte.

Und mit so schlagkräftigen Argumenten hatte der Vergnügungspark die Möglichkeit, ins Kino zu gehen und sich den brandneuen Kinofilm von Yaiba anzusehen, sowie Ais eigene Idee, nämlich den Zoo (der als Hauptattraktion ja ‚nur’ ein kleines Pandababy vorzuweisen hatte) zu besuchen, aus dem Rennen geschlagen.
 

Also marschierten nun ihre drei kleinen Freunde fröhlich plaudernd vor ihnen her, diskutierten, welche Fahrgeschäfte sie ausprobieren wollten, was im Zirkus wohl gezeigt wurde, wie viele Zuckerwattebäusche sie verdrücken konnten (gut, diese Überlegung beschäftigte eigentlich nur Genta…) und wie wohl das Feuerwerk aussehen würde, das am Abend gezündet werden würde.
 

Ai sah ihm an, dass ihn das nicht im Geringsten interessierte.
 

Er hing seinen eigenen Gedanken nach.

Conan… dachte wohl an Ran.

Überlegte, wie es ihr gehen mochte…
 

Das rotblonde Mädchen seufzte. Sie sah ihm an, dass er sich quälte. Und jetzt hatte er noch den ganzen Nachmittag mit den Gören vor sich.

Nicht unbedingt beneidenswert.
 

„Woran denkst du?“, durchbrach sie schließlich ihr Schweigen. Sie ertrug es nicht, wenn er so depressiv vor sich hinbrütete.

Er schaute sie irritiert an.

„Seit wann stellst du typische Frauenfragen?“, grollte er.

Woran denkst du…?“, äffte er sie leise nach.

„Seit wann beantwortet man Fragen mit Gegenfragen?“, konterte sie ungerührt.

Er blinzelte, blickte sie mit starrer Miene an.
 

„Was willst du hören Ai? Warum fragst du mich das?“

Sie schluckte, wich unwillkürlich zurück. Der Blick in seine Augen jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.

Hoffnungslosigkeit.

Schmerz…

Und Hass. Wut auf sich selbst…

Er wandte den Blick wieder ab, starrte stur auf den Boden, während er fort fuhr.

„Wenn ich dir sage, dass es mir beschissen geht, dass ich mich mies fühle, dass ich mein Leben jetzt für wertlos halte... dass ich mich dafür hasse, was ich ihr angetan habe und mir das auf ewig vorwerfen werde, lässt du mir dann meine Ruhe?

Wenn ich dir sage, dass ich nicht weiß, keine Ahnung habe, wie ich die nächsten Stunden, geschweige denn Tage, Wochen, Monate überstehen soll, dass ich an meine Grenzen gestoßen bin, mit alldem nicht mehr fertig werde, dass ich buchstäblich am Ende bin, wirst du dann aufhören, mich mit so sinnlosen Fragen zu löchern?

Ja? Machst du das, bist du dann zufrieden?

Wie soll’s mir schon gehen, verdammt?!“, fauchte er leise.

Dann schaute er sie erschrocken an, wandte sich rasch ab.
 

Soviel hatte er gar nicht sagen wollen, soviel hatte er gar nicht preisgeben wollen… niemandem, keinem… und erst Recht nicht ihr.

Denn Ai… Ai würde sich jetzt auch die Schuld an seinem Dilemma geben. Was sie zwar auch war, zumindest zum Teil, aber er wollte nicht, dass es noch mehr Menschen wegen ihm schlecht ging.
 

Ai sah ihn betroffen an.

Er war gereizt, entnervt, aufgebracht und… verzweifelt. Einsam. Ratlos und verloren in seinen Sorgen, Ängsten und Schuldgefühlen.

Der einzige Grund, warum er nicht geschrieen hatte, war der, dass er nicht wollte, dass die Kinder etwas mitbekamen.
 

Aber was er sagte… was er sagte, machte ihr Angst. So hatte sie ihn noch nicht erlebt. So… niedergeschlagen.

So ohne Hoffnung.
 

Er warf ihr einen Blick aus den Augenwinkeln zu, sah das Entsetzen auf ihrem Gesicht.

Conan seufzte, legte den Kopf schief und versuchte ein Lächeln. Es blieb beim Versuch.
 

„Vergiss, was ich gesagt habe, Ai. Das war ein furchtbarer Tag heute, aber… das Leben geht weiter. Mach dir keine Sorgen um mich, ich komm schon klar.“

„Lügner.“, murmelte sie.

Er starrte sie mit aufgerissenen Augen an.

„Wie bitte?“

„Du lügst, sagte ich. Du kommst nicht klar.“

„Woher willst du wissen, womit ich klarkomme und womit nicht?“

„Ich kenne dich…“

Er schlucke schwer, schüttelte den Kopf.

„Nein, das tust du nicht. Du kennst mich nicht. Alles was du-…“
 

Er wurde vom Vibrationsalarm seines Mobiltelefons unterbrochen und blieb stehen. Ai stoppte ebenfalls, beobachtete jede seiner Bewegungen und seiner Reaktionen.

Etwas überrascht holte er es aus seiner Hosentasche, klappte es auf, schaute aufs Display.
 

Nachricht von Boss
 

Er erbleichte. Damit hatte er nicht gerechnet. Dass es so schnell ging…

Dann öffnete er sie, überflog die Nachricht.

Sie war nicht lang.
 

Komm an den Ort, an dem alles begann, wenn die Schatten tiefschwarz sind und nur künstlicher Glanz die Finsternis erhellt.

C.
 

Ai schaute ihn misstrauisch an.

„Was ist los?“
 

Er blinzelte, sah auf und klappte sein Handy zu, steckte es möglichst ruhig und ohne Hast weg, um ihren Verdacht nicht zu erregen.

„Nichts. Das heißt… das stimmt nicht ganz. Ran hat eine Mail geschrieben.“

Er machte ein unglückliches Gesicht. Ein Gefühl, für das er sich nicht groß verstellen brauchte, musste er sich doch nur an das Telefonat erinnern…

„Sie hat geschrieben, dass Shinichi mit ihr Schluss gemacht hat.“
 

Conan hoffte, dass sie ihm das abnahm. Davon hing ab, ob seine Rechnung aufging… oder nicht.

Er wollte Ai nicht dabei haben und es war wichtig, dass sie nichts von seinen Plänen mitbekam. Würde sie Wind davon bekommen, würde sie ihn sofort zum Professor schleppen und einsperren. Sie würde ausrasten, sich ins Ausland absetzen wollen, würde ihn anschreien und… ach, wusste der Teufel, was noch.
 

Zu seiner Verwunderung ging sie einen Schritt näher an ihn heran, legte ihm kurz ihre Hand auf den Arm.

„Ich… es tut mir so Leid, Shinichi. Wirklich, es tut mir wahnsinnig Leid für dich und Ran…“

Sie schluckte, schaute ihn voller Bedauern an.

Conan biss sich auf die Lippen.

„Ja, mir auch.“, war alles, was er noch hervorbringen konnte.

Er wollte weitergehen, aber ihre nächsten Worte brachten ihn dazu, diesen Gedanken zu verwerfen.

„Hör zu… ich kann verstehen, wie du dich fühlst.“

Langsam drehte er sich um, hob den Kopf und starrte ihr wütend ins Gesicht.
 

„Nein, das kannst du nicht, und wag ja nie wieder, das zu behaupten…

Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle. Du musst nicht jeden Tag mit ansehen, wie sich der Mensch, der wohl auf der ganzen Welt der wichtigste für dich ist, sich deinetwegen quält. Du tust keinem in deiner Umgebung weh, du musst nicht Tag und Nacht jemand sein, der du nicht bist, so wie ich… du gehst in die Schule und bist Ai, dann gehst zum Professor, und bist Shiho. Ich geh zur Schule und bin Conan; dann komm ich heim, zu Ran und Kogorô und bin wieder Conan. Conan, Conan, Conan… die wenigen Momente, in denen ich Shinichi bin, kann ich mir Woche für Woche an einer Hand abzählen.

Du musst nicht ständig in einer Lüge leben. Du musst das nicht. Du siehst nicht, wie dein Leben vor deinen Augen in die Brüche geht, und du hast niemanden, den du verlassen musst, damit er glücklich werden kann…

Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle. Wahrscheinlich weiß ich selbst es nicht. Ich weiß doch nicht einmal mehr, wer ich bin.“
 

Er starrte sie an, mit einem Ausdruck von Qual und Bitterkeit auf dem Gesicht, den sie bei ihm noch nie gesehen hatte.

Und es machte ihr Angst.
 


 

„Er hat sich getrennt. Aaa-ha.”
 

Heiji war mittlerweile bei Kazuha und Ran angekommen, saß mit ihnen im Wohnzimmer und trank Tee. Dabei versuchte der junge Detektiv krampfhaft, so auszusehen, als wäre die eben gehörte Tatsache neu für ihn.

Er nahm einen Schluck Tee, um einen Grund für seine Wortkargheit zu haben und vermied es, einer der beiden jungen Frauen in die Augen zu schauen.
 

Tatsächlich waren seine Gedanken bei Shinichi. Er hatte wirklich schlecht ausgesehen, als er gegangen war.

Fakt war, er hatte noch schlechter ausgesehen als Ran jetzt aussah, und er wunderte sich, ob es an Rans Talent im Schminken lag oder ob da noch was anderes dahinter steckte.

„HEIJI, is das nicht grausam? Hey, Dickschädel, ich red’ mit dir! Wie kannst du da nur so gelassen bleiben?!“

Kazuha funkelte ihn wütend an.

„Er hatte bestimmt seine Gründe, da bin ich mir sicher…“, murmelte er nur abwesend.
 

Oh ja, die hat er gehabt. Die besten Gründe... Wenn ihr nur wüsstet.
 

Er machte sich schreckliche Sorgen um seinen Freund.

Kazuha starrte ihn an, eine Mischung von Wut und totaler Verständnislosigkeit stand in ihrem Gesicht.
 

Ran allerdings sah ihn neugierig und ein wenig skeptisch an. Er wich ihrem Blick aus.

Also wusste er wohl doch mehr über Shinichi als sie. Viel mehr als er zugeben wollte. Sie hatte das ja schon immer geahnt, aber jetzt war sie sich sicher.
 

„Ach, hatte er die? Er hat mir erzählt, er hätte sich in ein anderes Mädchen verliebt, aber er wollte mir nichts über sie erzählen, nicht mal ihren Namen. Dir wird er’s aber doch sicherlich erzählt haben, nicht wahr Heiji, dir als seinem besten Kumpel? Erzählst du’s mir?“

Ihre Stimme klang zuckersüß - ihre Augen blitzten kalt und gefährlich.

Heiji schluckte. Eine Katastrophe war im Anzug… er konnte es förmlich riechen.
 

Shit.
 

„I-ich weiß von nix… keine Ahnung, auf was du hinauswillst…”

Ran starrte ihn auf einmal mit sehr ernster Miene an.

„In Ordnung, wie du willst.“, sagte sie leise. Ein drohender Unterton schwang in ihrer Stimme mit.

Heiji blinzelte sie an, versuchte aus ihrem Gesicht zu lesen, was sie dachte… aber Ran hatte ein verdammt gutes Pokerface, das musste er ihr neidlos zugestehen.

Was genau ihr durch den Kopf ging, sollte sie ihm allerdings gleich selber in aller Ausführlichkeit mitteilen. Sie nahm einen Schluck Tee, setzte sich gerade hin und stellte ganz sanft ihre Tasse auf dem Tisch ab.

Dann hob sie den Kopf und fixierte ihn mit ihren blauen Augen, so durchdringend, dass er es nicht wagte, wegzusehen.
 

„Heiji, mein Lieber, ich sag dir das nur einmal, also hörst du mir jetzt besser sehr gut zu.“

Er nickte nur, schluckte hart. Das ungute Gefühl, das ihn beschlichen hatte, verstärkte sich.

Kudô, in was hast du mich da mithineingezogen?
 

Ran legte ihre Fingerspitzen aneinander.

„Schön. Nun gut… Es ist einfach NICHT Shinichis Art, gute Freundschaften am Telefon zu beenden. Und aus deinem Gesicht, das du gerade machst, lese ich, dass du weißt, warum Shinichi mich angerufen hat. Warum er mir das alles erzählt hat. Und du weißt genauso gut wie ich, dass es da kein anderes Mädchen gibt. Shinichi ist und war schon immer ein schlechter Lügner.“

Sie atmete tief ein.

„Ich war sehr, sehr verletzt nach diesem Gespräch, sehr erregt und durcheinander.

Aber dann hab ich mal darüber nachgedacht. Nicht über das, was er mir erzählt hat, sondern die Art und Weise, wie er’s gemacht hat. Ich glaube nicht ein Wort von dem, was er erzählt hat. Ich hab seine Stimme gehört. Sie hat gezittert, Heiji, er ist fast in Tränen ausgebrochen und das ist auch nicht Shinichis Art.

Interessiert dich, was ich daraus geschlussfolgert habe, oh großer Detektiv aus Osaka?“
 

Ihre Stimme klang fest, entschlossen, und ihre letzten Worte troffen vor Sarkasmus, unüberhörbar.

Heiji war immer bleicher geworden mit jedem Wort, das über Rans Lippen gekommen war.

Langsam nickte er erneut, unfähig ein Wort zu sagen. Er wollte auch nicht. Wahrscheinlich war das auch besser so.
 

„Nun denn. Ich denke, Shinichi steckt in Schwierigkeiten. Großen Schwierigkeiten. Und er will mich da raushalten, so weit es ihm irgendwie möglich ist. Er wollte, dass ich ihn vergesse, das ist das einzige, was ich ihm abnehme. Er will, dass ich ihn vergesse, abstreite ihn je gekannt zu haben, damit mir nichts passiert.“

Heiji starrte in seine Teetasse. Kazuha schaute ihn aus großen Augen prüfend an.

„Heiji, stimmt das? Hat Ran etwa Recht?“, flüsterte sie.
 

Es herrschte eine zeitlang Stille, bevor Heiji darauf antwortete.

„Er war wirklich fertig hinterher, weißt du.“, murmelte er.

Ran starrte ihn an.

„Shinichi hat geweint, du hast Recht. Ich war ihm Zimmer nebenan, als er dich angerufen hat.“

Heiji starrte an die Decke, ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er an Kudôs Gesicht dachte, als er gegangen war. Diese Leere in seinen Augen…

Dann fuhr er fort.

„Du liegst richtig mit allem, was du da behauptest... Er steckt in Schwierigkeiten, er will, dass du in Sicherheit bist, ihn so sehr verabscheust, dass du ihn verleugnest und deswegen hielt er es für das Beste, dich gegen ihn aufzuhetzen. Aus diesem und noch einem weiteren Grund.

Er… Er leidet furchtbar, nach dem Telefonat war er völlig am Ende. Ist es immer noch. Ich kann das nicht mehr mit ansehen, wir sind doch befreundet und das ist der Grund, warum ich dir das jetzt erzähle, auch wenn ich ihm geschworen hab, niemals ein Wort zu sagen…“
 

Ran merkte, wie eine Träne ihre Wange hinabrollte.
 

„Heiji, wo ist er jetzt?“, hauchte sie.

„Ich kann dir das nicht sagen, Ran. Bitte, frag nicht weiter. Ich hab ihm mein Wort gegeben, es niemandem zu sagen, bitte zwing mich nicht, mir liegt viel an seiner Freundschaft. Er wird es dir erzählen, wenn die Zeit dafür gekommen ist… und wenn du ihm dann noch zuhören willst.“
 


 

Die Stunden hatten sich in die Länge gezogen wie zu lange gekauter Kaugummi auf den man getreten war, sich nun unter einer Schuhsohle befand, mit jedem Schritt am Asphalt kleben blieb und… sich eben in die Länge zog.

Conan -Shinichi- hatte sein Bestes gegeben, um Ran und seine Gefühle zu vergessen. Zu verdrängen, wenigstens.

Und sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
 

Komm an den Ort, an dem alles begann, wenn die Schatten tiefschwarz sind und nur künstlicher Glanz die Finsternis erhellt.
 

Der Ort… das war zweifellos der Platz hinter dem Riesenrad.

Was die Uhrzeit betraf… damit war wohl der Zeitpunkt gemeint, wenn ihm Vergnügungspark das Feuerwerk abgeschossen wurde.
 

Noch war es nicht soweit.
 

Er wusste, er ging ein Risiko ein. Nicht nur für sich, sondern auch für Ai.

Deswegen hatte er dem Professor eine E-Mail geschrieben, in der er ihm mitgeteilt hatte, dass Ai die nächsten Tage das Haus nicht verlassen sollte… dass er, Agasa, auf sie aufpassen müsse, weil die Organisation in der Nähe war und der Verdacht nahe läge, dass ihre Tarnung aufgeflogen wäre. Er würde alles später erklären.
 

Ein nobler Vorsatz.
 

Später erklären. Würde es überhaupt ein ‚später’ geben?
 

Die E-Mail war gespeichert- senden würde er sie erst kurz bevor er hinters Riesenrad ging. Nur zur Sicherheit.

Das Riesenrad…

Sie waren Achterbahn gefahren, Kettenkarussell, Geisterbahn, waren im Zirkus gewesen, hatten Eiskrem gegessen und Zuckerwatte. Er hatte wirklich versucht, dem fröhlichem Geplauder seiner Freunde zuzuhören, über ihre dummen Witze zu lachen, aber… es war ihm so schwer gefallen. So unendlich schwer.

Jetzt saßen sie auf einer Bank in der Nähe des Riesenrads. Er schaute es mit einem unbehaglichen Gefühl an.
 

Hier…hier hätte ich sterben sollen. Dort im Gras, hinter dem Riesenrad… was wird mich heute dort erwarten?
 

Ai warf ihm einen kurzen Blick zu. Dieses Maß an Selbstbeherrschung war bewundernswert und beängstigend zugleich. Sie hatte ihn beobachtet, den ganzen Tag, und er hatte seine Rolle wirklich gut gespielt. Nur wer es wusste, sah den Abgrund in seinen Augen, in den er immer und immer tiefer zu fallen schien.

„Ai, kommst du? Holen wir uns noch Lose aus der Tombola?“

Das kleine Mädchen blickte noch einmal zu dem Jungen mit der Brille. Der starrte auf seine Turnschuhe.

„Bitte, Ai! Bittebitte! Vielleicht bringst du uns ja Glück!“

Ayumi schaute sie flehend an.

Ai seufzte. Dann nickte sie.

„Was ist mit dir, Conan?“

Der Angesprochene schüttelte nur den Kopf.

„Nein, ich warte lieber. Mir ist ein wenig übel, ich hab zuviel Zuckerwatte gegessen.“

Er lächelte entschuldigend.

„Aber geht ihr nur, ich drück euch die Daumen, viel Glück!“

Das rotblonde Mädchen warf ihm noch mal einen durchdringenden Blick zu.

Er sah nicht so aus, als würde er in den nächsten Augenblicken was anderes tun, als seine Turnschuhe zu betrachten. Und vielleicht brauchte er jetzt auch mal ein paar Minuten seine Ruhe. Sie waren ja gleich zurück, die Tombola war nur um die Ecke. Als sie es ihm ein kurzes „Bis gleich!“ zurief, grinste er schief und nickte nur.

Ai warf einen kurzen Blick über die Schulter, als sie Ayumi und den anderen hinterherlief.
 

Shinichi… du hast doch gar keine Zuckerwatte gegessen…
 

Sie stand vor dem Losstand und öffnete gerade eins der kleinen Papierbriefchen, als es sie beschlich. Dieses Gefühl.

Es kam ganz plötzlich.

Alles schien auf einmal unerträglich laut zu werden, schrill, das Geschrei und Gelächter der Leute, die Musik, die aus den Fahrgeschäften schallte, einfach alles…

Die Lichter der Stände und Buden schienen blendend hell zu werden… Ai hob eine Hand schützend vor die Augen, blinzelte heftig.

Ein Gefühl von Enge beschlich sie, ihr wurde heiß, das Atmen fiel ihr schwer…

Es war auf einmal so schwül und stickig hier…
 

Und dann auf einmal wusste sie es.

Sie erstarrte, ließ das Los, dass sie gerade in der Hand gehalten hatte, fallen.

Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.
 

Sie wusste, woher dieses Gefühl rührte.
 

Sie waren hier.
 

Sie begann am ganzen Körper zu zittern, merkte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
 

Mitsuhiko merkte als erster, dass etwas mit seiner Freundin nicht stimmte.

„Ai? Ai, was ist los?“

Er bückte sich und hob das Los auf.

„Hier, dein Losbrief. Ist dir nicht gut? Hast du etwa auch zuviel Zuckerwatte…?“
 

Dann stieß Ayumi einen Ausruf des Entzückens aus. Die erste Rakete war gerade hochgegangen. Und mit den strahlenden Funken, die am Himmel erschienen, tanzten, flogen und verglommen, kehrten auch Ais Lebensgeister und die Kontrolle über ihren Körper zurück.
 

„Wir müssen zu Conan zurück!“, schrie sie. In ihrer Stimme klang Panik, sie überschlug sich fast.

Die anderen drei schauten sie verängstigt an.

Ai jedoch ließ sich auf keinerlei Erklärungsversuche ein und lief los, schlängelte sich durch die staunende, „Aah“ und „Ooh“- rufende Menschenmenge hindurch.
 

Conan warf noch einmal einen Blick aufs Riesenrad. Er hörte den Knall, sah die rotgoldenen Funken davonspritzen, die Nacht für kurze Zeit erhellen…

Er versicherte sich noch einmal, dass keiner seiner Freunde in der Nähe war, dann rutschte er von der Bank und eilte leise auf die Vergnügungsparkattraktion zu.

Vorsichtig schlich er sich um die Ecke und…
 

…fand sich selbst, wie er zu Gin hinaufstarrte. Er hatte einen Revolver in der Hand, zielte auf ihn.

Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
 

Was hatte er auch erwartet?!
 

Er wirbelte herum, wandte hektisch den Kopf… hinter ihm stand Vodka. Und neben ihm Vermouth, die eine Zigarette rauchte, elegant in einem langen, schwarzen Zigarettenhalter - wie eine der großen Filmdiven vergangener Zeiten.
 

„So also treffen wir uns wieder, Shinichi Kudô.“
 

Conan starrte hoch in Gins Gesicht, dessen Lippen sich zu einem kalten Lächeln verzogen hatten.

Nur ein Gedanke fuhr im durch den Kopf.

Was hab ich getan? Was...?
 

Sein Innerstes schien gefroren zu sein. Zu Eis erstarrt.

Er würde sterben. Jetzt. Den ganzen Tag hatte er sich gewünscht, tot zu sein und jetzt… sollte sein Wunsch jetzt wahr werden? Er hätte sich denken können, dass der Boss nicht persönlich kam, dass man ihm eine Falle stellen würde…

Was hatte er sich denn bloß dabei gedacht?! Was, verdammt?!
 

Er wollte etwas sagen, aber kein Laut kam über seine Lippen.

Die nächsten Minuten schienen wie in Zeitlupe abzulaufen. Er fühlte sich, als ob er irgendwo daneben stehen würde, wie ein heimlicher Beobachter. Nicht wie das Opfer.

Das hier passierte doch nicht ihm… oder?

Gedanken rasten durch seinen Kopf, er merkte, wie er panisch wurde.

Warum musste er auch diese Email schreiben? Warum? Er hätte warten sollen, aber nein, er musste diese dumme Nachricht schreiben, als er doch geistig gar nicht zurechnungsfähig gewesen war, er hatte doch in diesem Moment die Konsequenzen gar nicht abschätzen können…

Er war doch viel zu aufgewühlt gewesen wegen Ran…

Nun zahlte er den Preis für seine Unbedachtheit.
 

Conan konnte sich nicht wehren, als er hochgehoben wurde, strampelte, um loszukommen- erfolglos. Er fühlte, wie jemand ihm ein feuchtes Tuch über Nase und Mund presste. Er versuchte die Luft anzuhalten, nicht zu atmen, doch das gelang ihm nicht lange. Seine Lungen schrieen nach Sauerstoff, und schließlich atmete er ein, in tiefen Zügen, schnappte nach Luft, die nach Chloroform roch und verlor das Bewusstsein.
 


 

Als sie an der Bank ankamen, war das Feuerwerk in vollem Gange. Sie waren zwar Kinder, aber auch sie hatten ihre Schwierigkeiten gehabt, durch die Menschenmenge durchzukommen.
 

Ai starrte auf die Bank. Sie fühlte, wie Ohnmacht sie zu übermannen drohte.

Er war nicht da.

Stattdessen saß auf der Bank ein Pärchen, das sich eingehend miteinander beschäftigte.
 

Genta kam auf Ai zu.

„Wo ist Conan denn?“

Das kleine Mädchen blinzelte.

„Ich weiß es nicht. Wir müssen ihn suchen. Schnell. Schnell!“

Die drei schwärmten aus.
 

Shinichi! Wo… wo steckst du?
 

Hektisch sah sie sich um.

Und da erblickte sie sie.

Drei dunkle Gestalten, kaum mehr als Schemen, die mit der Finsternis der Nacht zu verschmelzen drohten. Und die dritte, die größte von allen, trug ein Kind.
 

Conan.
 

Er lag schlaff in den Armen des Erwachsenen, er war wohl betäubt worden.

Es musste ein Leichtes gewesen sein, ihn zu überwältigen.

Ein Kind…
 

Mitsuhiko, der neben Ai aufgetaucht war, folgte ihrem Blick.

„Hey, da ist er ja. Conan!“

Ai hielt ihm den Mund zu.

„Lass das Schreien. Damit bringst du ihn in Gefahr. Hol die anderen her, aber leise…“

Mitsuhiko starrte sie entsetzt an. Angst stand in seinen Augen.

Dann lief er los.
 

Ai schaute ihm nach.

Ihr seid Kinder… ihr solltet in so etwas nicht hinein gezogen werden…
 

Aber auch er war nur ein Kind gewesen.

Wehrlos, hilflos… ein kleines Kind, ein Grundschüler…
 

Shinichi… Was hast du getan?

Katastrophenalarm

Hi ;)
 

Danke für die Kommentare zum letzten Kapitel!

Also werden Hochlade-bzw. Lesetag Mittwoch/Donnerstag sein. Diesmal gibt’s das Kap noch früher, aus einem Grund: für Kokomiko :)

Sie weiß, warum.
 

@Kilma_Mora: der Zeitfaktor. Ja- darüber hab ich mir auch schon Gedanken gemacht. Nach meinen Schätzungen/Berechnungen kommt Ran ca. 40 Minuten nachdem Shinichi aufgelegt hat, ins Grübeln. (30 Minunten Heulkrampf und Gejammer an Kazu-chans Schulter; ca. 20 Minuten braucht Kazuha, bis sie Tee kocht und Heiji anruft und irgendwann während dieser Zeitspanne kommt Ran ins Grübeln, so ungefähr 10 Minuten, nachdem Kazu verschwunden ist. Aber muss man das echt so genau wissen?)

Länger wäre auch nicht sinnvoll, denn je länger es dauert, bis sie darauf kommt, desto mehr vergisst sie vom Telefonat, d. h. sie würde wohl vergessen, wie er sich angehört hat, als er mit ihr Schluss gemacht hat. Nach weiteren fünfzehn Minuten ist dann auch Heiji da, der bis dahin beim Professor war und sich mit ihm zusammen Sorgen gemacht hat ;)

@Kokomiko: Meine Liebe, auch für dich gilt das ABV (Allgemeines Bratpfannen-Verbot) *g* Auch hier weißt du, warum :)
 

Ich wünsche euch wie immer viel Vergnügen beim Lesen und verbleibe bis nächste Woche---
 

eure Leira :)
 

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Es war kurz nach halb sieben Uhr abends, als es an der Tür der Detektei Môri Sturm klingelte. Ran, die bis dahin mit Heiji und Kazuha auf dem Sofa gesessen hatte, mit ihnen bereits die zweite Kanne Tee leere und bis zu diesem Moment vergeblich versucht hatte, aus Heiji mehr Informationen herauszuquetschen, stand auf und machte auf. Sie hatte die Tür kaum einen Spalt offen, als sich schon vier höchst aufgeregte Grundschüler herein drängten.

Sie runzelte die Stirn. Einer fehlte doch…

Und neben der Tatsache, dass er nicht bei ihnen war, machten die Kinder einen nicht eben glücklichen Eindruck, den sie doch Angesichts des Nachmittags im Vergnügungspark machen sollten.

Nein, sie sahen ganz und gar nicht vergnügt aus.
 

Heiji und Kazuha starrten, ebenso wie Ran, die atemlosen Kinder erstaunt an.
 

Mitsuhiko holte tief Luft.

„Man hat ihn entführt! Entführt!! Gekidnappt, einfach mitgenommen…!“

Er schrie. Ayumi war den Tränen nahe und Ais Gesicht war blass wie die Wand, vor der sie stand.
 

Nachdem sie gesehen hatten, wie die Leute in Schwarz mit Conan in ein Auto gestiegen und davongefahren waren, war Ai einfach nur auf den Boden gesunken und hatte den Rücklichtern des Porsches hinterher gestarrt.

Das konnte doch nicht wirklich passiert sein...
 

Was hatte er nur angestellt… sie würden ihn töten.
 

Nur gedämpft hatte sie Ayumis Geschluchze wahrgenommen, die neben ihr im Rasen gesessen und ein Büschel Gras nach dem anderen ausgerupft hatte.

Genta hatte gar nichts gesagt, nur mit angestrengtem Blick auf seine Schuhe gestarrt.

Mitsuhiko war es schließlich gewesen, der sie dann alle zur Vernunft gerufen hatte und als er sich nach ein paar lauten Worten ihrer Aufmerksamkeit sicher sein konnte, hatte er seine Freunde um sich geschart, um ihnen seinen Plan zu erläutern.

Der war ganz einfach: zuerst zu Ran gehen- dann die Polizei informieren. Weil die Polizei Ran bestimmt eher glauben würde als ihnen. Schließlich ging ja nicht Meguré persönlich ans Telefon, sondern ein gewöhnlicher Beamter, und der würde es unter Umständen für einen Witz halten.
 

Ai hatte ihn nur wortlos angeblickt.

Die Polizei…

Sie bezweifelte ja, dass sie weit kommen würde, aber… es handelte sich hier um Entführung, vielleicht sogar Körperverletzung und… Mord

Die Polizei und seine Freunde waren seine einzige Chance.
 

Also hatte sie nur genickt- dann war sie mit ihren kleinen Freunden so schnell sie ihre kurzen Füße trugen, zur Detektei Môri gelaufen.

Jede Sekunde zählte.
 

Nun standen sie also hier, und von Mitsuhikos Coolness war gerade nicht mehr viel übrig.

Er stand vor Ran, zitterte und bebte und immer mehr Worte sprudelten aus ihm heraus, so schnell, dass kaum mehr einer ein Wort verstand.
 

Ran hielt ihm kurz den Mund zu, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Hey, beruhigt euch. Wer hat wen entführt?“, versuchte sie die aufgebrachten Kinder zu beschwichtigen. Den Gedanken, dass Mitsuhiko mit ‚ihm’ Conan gemeint haben könnte, verdrängte sie. Er war zwar gerade nicht hier, aber das konnte alle möglichen Gründe haben. Keine Entführung. Nein, nicht doch. Conan war doch viel zu clever, den entführte man nicht so einfach. Wieso auch?
 

Die nächsten Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht.

„Diese schwarz angezogenen Typen haben Conan! Wir haben sie gesehen, einer von denen, ein großer Blonder, hat ihn getragen. Sah aus, als ob er schlief. Sie sind zu einem Auto gegangen, eingestiegen und weg waren sie!“, antwortete Genta. Seine Stimme überschlug sich.

„War’n krasser Wagen, teure Marke, sie waren so schnell weg, wir konnten ihnen nicht folgen... wir müssen die Polizei…“

Ran stand da, wie vom Donner gerührt.

Keinen Augenblick war es her, da war sie sich doch noch so sicher gewesen, hatte diesen Gedanken einfach für absurd gehalten…

Conan entführt

Lächerlich, eigentlich. Er war einfach nicht der Typ Kind, den man einfach in ein Auto zerrte.

Aber…

Aber…
 

Conan…!
 

Heiji fühlte sich, als ob der Boden unter seinen Füßen wegbrach und er langsam aber sicher in die Tiefe schlitterte.

Schwarz angezogene Leute, ein teures Auto – mit Sicherheit Gins Porsche. Kudô hatte ihn mal erwähnt.
 

„Was?!“, entfuhr es ihm dann, als er seine Sprache wieder gefunden hatte.

Er schaute zu Ai, die immer noch unter Schock zu stehen schien und kein Wort über ihre Lippen brachte- doch er konnte aus ihrem Gesicht lesen, dass er Recht hatte.
 

„Scheiße, nein! Wann, wo?! Los doch, heraus mit der Sprache! Nein, nein, nein, das kann doch gar nicht… wahr sein… Das... Wie konnte das denn passieren…? Wie...?“

Die letzten Worte murmelte er nur, knetete nervös seine Hände.

Ran starrte ihn an. Sie blinzelte.

„Heiji?“

Er drehte sich um, blickte sie an. Kazuha und Ran schauten ihn mit großen Augen an. Er sah aus, als ob er ein Gespenst gesehen hätte, unter seinem braunen Teint war ihm das Blut aus dem Gesicht gewichen.

„Wie konnte das passieren…“, wisperte er. Immer und immer wieder wiederholte er diesen Satz. Es war ein Gedanke, der ihm nicht aus dem Kopf ging, ihn beschäftigte, ihn entsetzte… und ihn fast panisch werden ließ.
 

Seine Freundin starrte ihn an. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.

Heiji war in Sorge- und er hatte Angst.
 

Angst…
 

Kazuha hatte ihn selten so gesehen. Heiji fürchtete sich doch so gut wie vor nichts und niemandem- und so gut wie nie.

Ran ging zu ihm hin.

„Heiji, weißt du was darüber?“

Er schluckte nur, sagte nichts. Bekam gar nicht mit, dass sie ihn ansprach. Seine Gedanken rasten, überschlugen sich, drehten sich im Kreis.

Das durfte nicht wahr sein.

Das war eine Katastrophe…
 

Kudô!

Entführt... wie konnte er…?

Ich hätte das verhindern müssen...! Ich hätte verhindern müssen, dass er das tut… ich hätte ihn aufhalten müssen…
 

Ran bekam Panik. Warum sagte er denn nichts? Wenn Heiji schon so aus der Fassung war… musste die Sache wohl ernst sein. Er wusste wohl was, so wie er sich benahm. Kannte er etwa die Leute, die ihren Conan gekidnappt hatten…?
 

„Heiji, weißt du etwas über Conans Entführer?! Heiji! Heiji, was ist los mit dir? Sag doch was…! SAG DOCH WAS!“
 

Sie schrie, packte ihn am Kragen, schüttelte ihn, um ihn zum Reden zu bringen. Allerdings nicht lange- Kazuha zerrte sie von ihrem Freund weg, drückte sie ein wenig abseits. Allerdings keineswegs, um ihn vor ihr zu beschützen.

„HEIJI! Komm zu dir, Ran hat dich was gefragt, was ist los mit dir?“

Er reagierte immer noch nicht.

„Schön, dann eben anders…“, murmelte sie.

Dann holte sie aus und verpasste sie ihm eine Ohrfeige.
 

Auf einmal herrschte Stille im Raum.
 

Ran und die Detective Boys, die bis gerade eben noch wild durcheinander geredet hatten, starrten zuerst das Mädchen, dann den jungen Detektiven mit offenen Mündern an.

Der war endlich wieder im hier und jetzt angekommen und fasste sich an die Wange.

„Kazuha! Für was war die denn? Musste das sein?“

„Oh, wie schön. Der Meisterdetektiv weilt wieder unter uns. Ran hat dich was gefragt.“

Sie blickte ihn abwartend an. Heiji wandte sich Ran zu.

„Ja? Entschuldige bitte…“

Ran schluckte, dann stellte sie ihre Frage erneut.

„Heiji… was genau weißt du darüber? Über die Leute, die Conan entführt haben?”

Sie sagte das sehr, sehr leise.

Er schluckte, seufzte tief.

„Setz dich besser...“
 


 

Alles was er sah, war weiß- bis auf drei verschwommene, schwarze Gestalten vor ihm.

Alles was er hörte, war sein eigener Herzschlag, seine eigenen Schreie…

Und alles was er fühlte war… Schmerz.
 

Oh Gott, lass es vorbei sein. Lass mich sterben, bitte, lass es vorbei gehen, mach, dass es aufhört…
 

Er schrie.

Schrie aus Leibeskräften.

Es war so furchtbar, die Schmerzen fast unerträglich.

Ein weiterer Krampf schüttelte seinen Körper und er stöhnte schmerzerfüllt auf.
 

Shinichi lag auf einem kalten, weiß gefliesten Boden, in schwarzen Klamotten, zusammengekrümmt wie ein Embryo und fühlte, wie sein Körper unnatürlich schnell wuchs.

Die Schmerzen, die Hitze, die Krämpfe… es war schlimmer als jemals zuvor.

Er schwitzte und zitterte zugleich, sein Atem ging schnell und flach.
 

Bitte lass es aufhören. Lass mich tot sein…
 

Die Zeit schien endlos, Minute um Minute tickte vorbei, ein Moment reihte sich an den anderen… und keiner wollte der letzte sein.

Er merkte, wie ihn seine Kräfte verließen. Wie diese Qual, dieses viel zu schnelle Wachstum, seinen Körper schwächte.

Irgendwann wurde er ruhiger, war zu erschöpft, um noch zu schreien.

Er lag da, fühlte die Kühle der kalten Fliesen an seiner Wange, seinen Handflächen und stöhnte leise, war kaum fähig, seine Augen noch offen zu halten.
 

Er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, er hatte sein Zeitgefühl total verloren. Über ihm standen Gin, Vodka und Vermouth und sahen ihm bei seinem Leiden zu.
 

Dann endlich war es vorbei.

Und er lebte immer noch.
 

Nicht doch…
 

Er war entkräftet, versuchte vergebens, sich zu bewegen, sich aufzurichten.

Er war ihnen ausgeliefert, und die Erkenntnis bereitete ihm großes Unbehagen. Wenn sie sich jetzt entschließen würden, ihn zu töten, würde er nicht einmal widersprechen können.
 

„Du lebst also immer noch... Bemerkenswert.“

Gin grinste, schaute auf seine Uhr, dann zu ihm hinunter.

Shinichi versuchte, den Kopf seinen Peinigern zuzuwenden, erfolglos.

„Also können wir ihn jetzt erschießen?“, drängte Vodka.

„Nein, Hohlkopf. Ich will ihn leiden sehen. Er hat uns oft genug einen Strich durch die Rechnung gemacht, ich will, dass er dafür bezahlt. Einfach erschießen wäre ein zu gnadenvoller Tod, nicht wahr?“

Er trat Shinichi in die Magengegend. Der stöhnte auf, merkte, wie jemand an seiner Kleidung zerrte und ihn auf den Rücken drehte.

„Du verdienst was Qualvolleres. Außerdem ist Kudô Chefsache, das weißt du doch.“, meinte er zuerst an Shinichi, dann an seinen Partner gewandt.

Dann wandten sich die beiden Männer um, schickten sich an, den Raum zu verlassen.

An der Tür angekommen, drehte sich Gin allerdings noch einmal um.

„Was ist, Vermouth? Kommst du?“

„Gleich. Geht ihr schon mal vor.“

Gin nickte widerwillig und verließ mit Vodka nun endgültig das weiße Zimmer.
 

Vermouth ging in die Hocke, nahm Shinichis Kopf in ihre Hände, strich ihm eine Haarsträhne aus dem schweißnassen Gesicht und schaute ihn durchdringend an.

„Warum hast du das gemacht, du dummer Junge… du hast dir dein Todesurteil selber gefällt…!“

Shinichi hörte zwar, dass sie etwas sagte, aber der Sinn ihrer Worte drang nicht bis zu ihm vor. Er war müde. So müde…

Die blonde Frau erkannte wohl, dass Reden momentan wohl nicht viel Sinn machte. Also warf sie ihm einen besorgten Blick zu.

„Halt durch.“
 

Dann hauchte sie ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Ruh' dich aus, sleep well, my darling… Silver bullet. “

Vorsichtig ließ sie seinen Kopf zurück auf den Boden sinken, um ihm nicht wehzutun, dann verschwand auch sie aus seinem Blickfeld.
 

Das Letzte, was Shinichi hörte, bevor seine Welt in Schwärze versank, er wieder das Bewusstsein verlor, war das Zuschlagen der Tür und ein Schlüssel, der sich im Schloss umdrehte.
 


 


 

Die Detective Boys saßen auf dem Sofa und starrten den Detektiven aus Osaka, der gerade mit seiner Erzählung geendet hatte, mit heruntergefallenen Kinnladen an.
 

Conan war in Wirklichkeit Shinichi Kudô gewesen.
 

Alle staunten, bis auf Ai, für die diese Geschichte ja nichts Neues war. Es war an der Zeit, dass alles raus kam und sie war ihm dankbar, dass er das Reden übernahm.

„Das erklärt so ziemlich alles.“, meinte Mitsuhiko schließlich.

„Conan war immer viel reifer, viel erwachsener und schlauer als wir. Kein Wunder, wenn man weiß, wer er wirklich war. Und die ganzen komischen Sachen, die ihm manchmal rausgerutscht sind. Einmal zum Beispiel hat er so was Ähnliches gesagt wie: ‚Haltet euch raus, ihr seid noch Kinder!’, oder so. Ich hab mir ja schon manchmal Gedanken gemacht, aber das… wer ahnt schon so was?“

„Wow.“, stimmte Genta seinem Freund zu.
 

Er war fasziniert von der Schlauheit seines Freundes- so im Nachhinein gesehen dachte er, dass ihm das alles doch auch auffallen hätte müssen.
 

Ayumi saß auf dem Sofa, starrte ihre kleinen Pantöffelchen an und sagte gar nichts.

Mitsuhiko warf ihr einen prüfenden Blick zu, wollte etwas anmerken, ließ es dann aber doch sein, als er den starren Ausdruck in ihren Augen bemerkte. Offensichtlich dachte seine Freundin gerade angestrengt nach, und sie dabei zu stören wäre unhöflich.
 

Fakt war, für sie war gerade eine Welt zusammengebrochen. Die Erkenntnis, dass Conan gar kein kleiner Junge war, sondern in Wirklichkeit Shinichi Kudô, ein fast erwachsener Oberschüler, ließ all ihre rosaroten Kleinmädchenträume wie Seifenblasen zerplatzen.

Sie war doch in ihn verliebt gewesen.

Und jetzt…

Jetzt schämte sie sich.

Heiße Tränen rannen ihre hochroten Wangen hinab.

Nicht nur, dass der Fall von ihrer flauschigen, pinkfarbenen Wolke des ersten Verliebtseins ein verdammt tiefer Sturz gewesen war, nein…
 

Was mochte er sich denn dabei gedacht haben?

Ayumi wimmerte.
 

Als sie ihn angehimmelt hatte, prophezeit hatte, das sie beide für einander bestimmt wären, ihm ab und an einen Kuss auf die Wange gegeben hatte…

Ihr wurde richtig heiß, glaubte, ihr Gesicht müsse glühen.

Wahrscheinlich hatte er sich heimlich lustig über sie gemacht. Wie dämlich hatte sie sich verhalten, wie peinlich war das…

Sie schniefte.
 

Dann legte Ayumi nachdenklich ihre Stirn in Falten.

Andererseits…

Conan war immer sehr nett zu ihr gewesen. Sehr freundlich, hilfsbereit und verständnisvoll.

Sie konnte eigentlich nicht glauben, dass er sie ausgelacht hatte.

Conan war ihr Freund gewesen- und Shinichi damit auch.

Und noch dazu war er Ran-neechans Freund, sie liebte ihn offensichtlich, und er sie wohl auch und deswegen…

Deswegen mussten sie ihn finden. Retten.

Ihm durfte nichts Schlimmes passieren, bitte.

Man durfte ihm nicht wehtun, oder…

Oder…

Eine Träne rollte ihre Wange herunter, tropfte von ihrem Kinn auf dem Boden, doch in ihren Augen lag ein entschlossener Ausdruck.
 

Genta war immer noch überwältig von den Neuigkeiten und schien Conans Entführung, geschweige denn dessen Dilemma, fürs erste verdrängt zu haben.

„Wir waren mit dem besten Detektiv Japans befreundet!“, rief er begeistert.

Heiji warf ihm einen schrägen Blick zu, schluckte dann aber.

Der dicke Junge hatte ja Recht. Kudô war tatsächlich besser als er, schon immer.

Und für Haarspaltereien war jetzt keine Zeit.
 

„Wie hat er das ausgehalten?“, fragte nun Kazuha.

Sie hatte die ganze Zeit über geschwiegen, war auf der Couch gesessen wie vom Donner gerührt.

„Wie… ich meine… von einem Tag auf den anderen war nichts mehr in seinem Leben so wie vorher. Er konnte nicht mehr reden, wie er es als Shinichi getan hatte, konnte sich nicht mehr wie er benehmen, konnte nicht mehr so handeln wie früher…“

Sie schluckte.

„Lebte wahrscheinlich ständig in Angst, musste eine Rolle spielen, jemand sein, der er nicht war. Wie hat er das ertragen? Und das so lange?“

Heiji starrte seine Freundin an.

Kazuha…
 

Ein trockener Schluchzer riss sie aus ihren Gedanken, und alle Augen richteten sich auf Ran, die sich bis jetzt noch gar nicht geäußert hatte. In keinster Weise irgendwie reagiert hatte.

Sie saß auf dem Sofa, war immer bleicher geworden und betrachtete ihre Hände, die zitterten wie Espenlaub.

„Du hast es geahnt, nicht war? Kudô wusste, dass du ihn allmählich durchschaust… dass er dir nicht mehr lange was vormachen kann.“

Heiji flüsterte nur.

Ran hob den Kopf. Man sah ihr an, wie sie sich quälte, wie die Erkenntnis über die Identität ihres Freundes ihr den Boden unter den Füßen wegzog, sie ins Straucheln brachte…
 

Dann brach es aus ihr heraus, ihre Worte quollen aus ihr hervor wie Wasser aus der Schleuse eines Staudamms- angestaute Gefühle, Gedanken und Sorgen, die aus ihr herauswollten, sich ein Ventil suchten, am liebsten alle auf einmal erzählt werden wollten.

„Wieso hat er es mir nicht gesagt?! Wieso…?! Wie konnte er mich über Jahre nur so anlügen? Wie konnte er, wie konnte er noch in den Spiegel schauen, dieser… dieser…

Ich hab mir solche Sorgen gemacht, verdammt, das wusste er doch, ich hab es ihm doch gesagt…!“
 

Plötzlich wich auch noch der letzte Rest Farbe aus ihrem Gesicht, sie schlug sich die Hand vor den Mund.

„Mein Gott, was hab ich ihm alles erzählt! Ich hab Conan doch vertraut! Ich hab Shinichi vertraut… oh Gott…all die Dinge, die ich ihm erzählt habe, meine Gefühle, meine Gedanken…“

Ihre Stimme zitterte.

„Und was macht er? Er… er lügt mich an, nutzt mich aus… Hat ihm das Spaß gemacht? Wahrscheinlich hat er sich heimlich über mich lustig gemacht… Ich dachte, wir wären befreundet, dachte sogar, wir wären mehr als das…

Ich dachte, wenn es einen Menschen gibt, an den ich uneingeschränkt glauben kann, der zu mir steht, wäre er das… warum hat er mir nicht vertraut? Warum hat er es mir nie erzählt? Stattdessen tut er mir das an…

Ich dachte, ich kenne ihn… dachte, er würde mich niemals so behandeln… niemals so betrügen, so belügen…“

Tränen rannen ihr über die Wangen.

Heiji beugte sich vor, griff ihren Unterarm, drückte fest zu, damit sie ihm zuhörte… er musste das klarstellen, er musste ihr doch sagen, wie es wirklich gewesen war…
 

„Ran. Hörst du mir nicht zu? Ich hab dir doch gesagt, und du hast doch selbst herausgefunden, dass er dich beschützen wollte. Warum glaubst du jetzt, dass er das aus purer Böswilligkeit gemacht hat? Nur weil er nicht einfach nur weg war, sondern als Conan in deiner Nähe blieb? Was meinst’n, warum…“
 

„Er hat sich gehasst dafür.“

Es war Ai, die Heiji ins Wort gefallen war. Sie war aufgestanden und stellte sich vor Ran, die Hände in die Hüften gestemmt.
 

„Dieser Trottel liebt dich, er würde für dich sterben und das sage ich nicht nur so. Er hat dir nichts gesagt, weil ich und der Professor ihm solange hingeredet haben, bis wir ihn überzeugen konnten, dass es das Beste ist, wenn so wenige wie möglich von seiner unfreiwilligen Verjüngungskur wissen.

Er wollte es dir sagen. Er hat mehr unter der Situation, unter seinen Lügen, gelitten als du, das darfst du mir glauben! Du kennst ihn doch, den ewigen Moralisten…

Und dann musste er ausgerechnet dich anlügen. Von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet dich. Er ist richtig depressiv geworden mit der Zeit. Er hat mit dir Schluss gemacht, nicht nur, damit du in Sicherheit bist, damit du ihn hasst- sondern auch und vor allem, weil er geglaubt hat, dass das nur fair dir gegenüber wäre. Er wollte dich wieder lachen sehen, und wenn es mit einem anderen wäre. Er wollte, dass du glücklich bist. Und in Sicherheit.

Er hat sich gehasst. Und so sehr wie er sich verabscheut hat, hat er dich geliebt. Er wollte es dir sagen, damals im Beika-Restaurant. Du weißt schon, der Abend nach dem Schulfest. Er wollte dir sagen, dass er dich liebt.

Er hätte diesen verdammten Fall sausen lassen, hätte er gewusst, dass das Gegengift nur temporär war. Er hat es nicht gewusst, weil ich es ihm nicht gesagt habe.

Ich war eifersüchtig. Damals wusste ich noch nicht warum, heute weiß ich es. Ich wollte nicht, dass ihr ein Paar werdet. Ich wollte nicht, dass er glücklich ist mit dir, weil ich ihn liebe. Ich wollte ihn für mich haben.

Das unterscheidet ihn von mir. Er würde akzeptieren, wenn du mit einem anderen glücklich wirst, weil er dich liebt. Ich tue das nicht. Ich will, dass er mit mir glücklich wird, sonst mit keiner. Soll er doch sehen, wo er bleibt.“

Sie schluckte.
 

„Dass es ihm so schlecht geht, ist meine Schuld. Dass sie ihn jetzt haben, ist meine Schuld. Ich wusste, dass es ihm beschissen geht und hab ihn allein gelassen.“

„Was meinst du damit? Dass sie ihn haben, wäre deine Schuld?“

Ran starrte sie misstrauisch an.

Das rotblonde Mädchen biss sich auf die Lippen.

„Meine Schuld deswegen, weil ich ihm durch meine Aktionen sein Leben ruiniert habe. Ich hab ihm die Hoffnung genommen… hab ihn soweit gebracht, dass er… dass er…“

„Dass er was?“, hakte Heiji energisch nach.

„Rück schon raus mit der Sprache!“
 

Ai schluckte hart, wagte es nicht, irgendjemandem ins Gesicht zu sehen.

„Ich vermute stark, dass er sich gestellt hat.“, wisperte sie so leise, dass kaum zu verstehen war, was sie da gesagt hatte- nichtsdestotrotz hatte es jeder gehört- und begriffen.
 

Es trat genau die Reaktion ein, die sie erwartet hatte. Ungläubige, entsetzte Gesichter, hörbares Nach-Luft-Schnappen - Anspannung und Angst lagen fast greifbar in der Luft.
 

„Wie das denn? Wusste er, wo ihr Hauptquartier ist? Warum hat er dann nich’ der Polizei gesagt…“, setzte Heiji an, doch Ai unterbrach ihn.

„Nein, wusste er nicht. Nicht genau, jedenfalls. Zumindest wüsste ich nichts davon. Was ich allerdings weiß, ist, dass er die Emailadresse vom Boss herausgefunden hatte. Und ob du’s glaubst oder nicht, Ran… du hast ihm dabei sogar geholfen. Er hatte einmal die Tastentöne gehört, als Vermouth dem Boss eine Mail schickte, damals, als sie ihn entführt hatte. Da konnte er sie aber noch nicht zuordnen. Deswegen hat er damals diesen Komponisten gefragt, den mit dem absoluten Gehör- der hat ihm dann das Lied vor gepfiffen, das er gehört hatte. Und du hast ihm den Titel geliefert, Ran.“
 

„Nanatsu no ko…“, murmelte Ran. Entsetzen stand in ihren Augen.
 

„Ja, genau. Er hat es mir erzählt, damals, weil ich wissen wollte, wie er die Nummer nun herausgefunden hat.

Die Organisation merkt sich die Töne der Handytasten, jede Nummer ist eine Melodie…

Daher hatte er die Nummer. Ich schätze, er wird ihm geschrieben haben. Und ich vermute, dass das kurz nach eurem…“, sie schluckte, warf Ran einen kurzen Blick zu, „… Telefonat geschehen ist.“

Dann fiel ihr etwas ein.

„Ran, hast du Conan heute eine SMS geschrieben?“

Ran schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, Conan nicht, nur Shinichi. Heut morgen.“, murmelte sie traurig.

„Damit wäre es bewiesen…“, hauchte das kleine Mädchen tonlos, starrte auf den Boden.

Er hatte es wirklich getan.

„Was? Wieso denn?“
 

„Er hat mich vorhin angelogen. Es war kurz nach drei Uhr nachmittags, als er eine SMS gekriegt hat. Er hat gesagt sie wäre von dir.“

Ran schüttelte den Kopf. Sie war kreidebleich geworden.

„Aber… warum sollte Shinichi sein Leben denn freiwillig aufs Spiel setzen wollen?“, hauchte sie, starrte das rotblonde Mädchen fragend an.

„Weil er am Ende ist.“

„Wie… wie meinst du das?“

Ai schluckte.

„Er konnte es nicht mehr länger ertragen, so zu sein, wie er war. Shinichi hing fest, konnte nicht vor und nicht zurück, es ging nichts weiter… kein Gegengift in Sicht, kein Hinweis von der Organisation, um sie endlich dingfest machen zu können- denn obwohl er eine Nummer hatte, so konnte er doch nichts beweisen, würde sich und andere nur in Gefahr bringen, würde er die Polizei darauf ansetzen. Und noch dazu…“

Das kleine Mädchen schaute auf, blickte Ran in die Augen.

„… als ob das nicht schon genug wäre, kamst auch noch du. Du, die du dir ständig Sorgen machtest, die unter seinem Verschwinden litt, die sich quälte, weil sie nicht wusste, warum ihr bester Freund auf einmal so anders war. Er hasste sich dafür, dir das antun zu müssen. Deswegen hat er mit dir Schluss gemacht. Er wollte wenigstens dir die Chance geben, glücklich zu werden, auch wenn das bedeutete, dass er dich damit verlieren würde.

Shinichi… Shinichi hat nie geahnt, dass er dir so wichtig ist. Er hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass du ihn so sehr vermissen würdest, er dir so fehlen würde, wie es der Fall ist. Er hat es nicht gesehen, genauso wie du nie erkannt hat, wie unendlich viel du ihm bedeutest. All die Jahre hat er versucht, alles Übel von dir fern zu halten, dich in Sicherheit zu wissen, und dann hat er erkannt, dass es nicht nur die Organisation ist, die dir Schmerz und Leid zufügen könnte, die eine Gefahr für dich ist… nein, auch er selbst war es, wegen dem du dich so gequält hast. Der dir wehtat.

Er wollte das nicht. Er konnte es nicht länger mit ansehen. Shinichi hasste Conan und hasste sich selbst, für das, was er dir antat, Tag für Tag. Und heute… heute hat er wohl beschlossen, dem ein Ende zu setzen. Er hatte nichts mehr zu verlieren, was ihm noch etwas bedeutet, nach diesem Telefonat. Shinichi hat nur noch sein Leben, und das ist ihm momentan, befürchte ich, egal… er will diesen Alptraum, in dem er nun schon seit drei Jahren hängt, endlich beenden. Er will aufwachen…“
 

Ran starrte sie an. Sie fühlte sich überrollt- einerseits überwältig von dem, was Shinichi ihretwegen auf sich genommen hatte und andererseits… machte sie sich nun noch mehr Sorgen als zuvor. Angst stieg in ihr hoch.

„Woher weißt du das alles?“

Ai seufzte.

„Weil auch ich nicht das bin, wonach ich aussehe. Ich bin in Wirklichkeit einundzwanzig Jahre alt, mein Name ist Shiho Miyano, Codename Sherry und bin meines Zeichens Ex-Mitglied der Organisation, die ihn jetzt hat. Ich bin geflohen, als sie meine Schwester getötet haben, du kennst sie, Asami Hirota, alias Akemi Miyano. Ich hab an dem Gift gearbeitet, dass ihm und mir das angetan hat. Wir teilen das gleiche Schicksal, mit dem Unterschied, dass ich mich damit umbringen wollte und er damit umgebracht werden sollte.“

Sie seufzte.

„Wenn du jemanden hassen willst, hasse mich, nicht ihn. Er kann am allerwenigsten was dafür. Sein einziger Fehler war, dich nicht nach Hause gebracht zu haben, an jenem schicksalhaften Abend, sondern Vodka hinterherzulaufen. Und das hat er bitter genug bezahlt. Für diesen Fehler zahlt er immer noch, und der Preis ist verdammt hoch.“

Ran wischte sich die Tränen aus den Augen.
 

Shinichi liebte sie.
 

Ihr Herz machte einen Sprung.

Gleich darauf wurde ihrem Hochgefühl allerdings ein herber Dämpfer versetzt.

Was nützte ihr seine Liebe, wenn er vielleicht schon tot war? Ihr Brustkorb zog sich zusammen und sie fühlte, wie ihr die Angst den Atem raubte. Er durfte nicht tot sein.
 

Bitte.
 

„Und wie finden wir ihn jetzt?“

Mitsuhiko hatte das Wort ergriffen und schaute in die Runde.

„Wir gar nicht, Kleiner. Das ist nichts für Kinder. Ihr werdet jetzt brav heimgehen und ich ruf die Polizei an.“

Heiji starrte sie an.

Die drei Kinder schauten sich an.

„Das hat er auch immer gesagt. Conan.“

Kazuha zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.

„Was?“

„Das ist nichts für Kinder.“, wiederholten die drei aus einem Mund.

„Vergesst es. Wir kommen mit, Conan ist auch unser Freund. Egal ob nun zehn oder zwanzig Jahre alt.“
 

Ran schaute in die entschlossenen Gesichter der Kinder und ein sanftes Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht.

Dann fiel ihr Blick auf ihre Hände, blieb an ihrem rechten kleinen Finger haften.
 

Der rote Faden… er war noch da. Nicht zerrissen und nicht zerschnitten.
 

Aber wenn er jetzt verschwand, dann wusste sie… dann wusste sie, dass der Grund dafür…

Shinichis Tod war.
 

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Edit: Ich hab den Zeitfaktor bei der Rückverwandlung rausgenommen- so genau muss mans eigentlich auch net wissen. Danke Kilma für den Tipp- dieses Edit hintenanzufügen, meine ich...

White cube

Sooo...
 

Hallo!
 

Es ist wohl an der Zeit, endlich ein paar neue Leser zu begrüßen: ein herzliches Willkommen an Starlett, catgirl222 und Kazuha92!
 

So- nun also Kapitel fünf. Wie die meisten von euch wohl schon ganz richtig vermutet haben, spielt Shinichi in diesem Kapitel wieder eine größere Rolle- und ja; er hat das Gegengift bekommen; die Frage wär in diesem Kap ohnehin beantwortet worden. :)
 

Ach ja, Ai- die ich im letzten Kapitel ja ziemlich viel sagen ließ- nun; ich finde, auch Ai hat irgendwo ein Herz, und sie ist nicht blöd. Sie weiß, der Moment ist gekommen, endlich mal die Klappe aufzumachen, alles andere wäre unfair gegenüber Ran, und auch gegenüber Shinichi, von dem Ran ja ansonsten eine völlig falsche Meinung gekriegt hätte.

Ai ist auch nur ein Mensch.
 

Ansonsten wünsche ich euch viel Vergnügen beim Lesen!
 

MfG, Leira

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Shinichi schaute sich um. Langsam war die Erschöpfung gewichen und jetzt stand er da… und schaute sich eben um. Viel gab es allerdings nicht zu sehen.

Die Zelle war weiß, der Boden und die Wände gefliest, die Decke gestrichen. Eine Neonröhre tauchte alles in kühles, unwirkliches Licht. Keine Möbel, kein Teppich.

Nichts.
 

Nichts, nichts, nichts…
 

Alles weiß und farblos, glatt und sauber.

Er seufzte, versuchte Ordnung in das Gedankenchaos in seinem Kopf zu bringen.

Warum hatten sie ihm das Gegengift gegeben? Hatten sie etwa Skrupel, einen kleinen Jungen zu… töten?
 

Gedankenverloren zerrte er an seinen schwarzen Klamotten. In den Sachen bildete er einen krassen Kontrast zu dem weißen Raum, der ihn umgab.

Er fühlte sich unwohl in den Kleidungsstücken.

Sehr unwohl.

Er drehte sich einmal um die eigene Achse, langsam, um sicherzugehen, dass er auch wirklich nichts übersah, aber seine erste Analyse war durchaus richtig gewesen… der Raum war mit Ausnahme von ihm selber, völlig leer.
 

Er seufzte erneut, ging dann zur Tür, hämmerte dagegen, schrie und brüllte, griff nach dem Türgriff, rüttelte daran. Natürlich rührte sich die Tür keinen Millimeter. Wahrscheinlich war der Raum sogar schalldicht.

Er holte aus und trat dann mit voller Kraft gegen die Tür, eine Aktion, die er umgehend bereute, als sich ein pochender Schmerz in seinen Zehen einstellte.

Shinichi fluchte, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür, streifte den Schuh ab, zog die Socke aus und massierte vorsichtig seine malträtierten Zehen.
 

Es ging hier wirklich nicht raus, er saß fest.

Keine Fenster, kein Lüftungsschacht, keine verborgenen Falltüren oder Deckenluken, keine Wände, die zur Seite glitten und mysteriöse Geheimgänge freigaben… und eine Tür, die sich nicht nur als ordnungsgemäß verschlossen, sondern zudem als äußerst solide erwiesen hatte.
 

Er seufzte schwer, bückte sich nach Socke und Schuh und zog beides wieder an.

Besonders warm war es hier auch nicht.

Alles andere als heimelig.

Er grinste sarkastisch.
 

Nicht eben gemütlich hier…
 

Shinichi ging zur Rückwand seiner Zelle und ließ sich auf den Boden sinken, die Tür nicht aus den Augen lassend.
 

So wie’s aussah, musste er das hier wohl aussitzen. Abwarten, was kam.

Er fragte sich, wie es Ran wohl ging. Nach… nach allem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Und wie Ai und die anderen auf sein Verschwinden reagiert hatten.

Er hatte nicht einmal mehr Zeit gehabt, dem Professor die Mail zu schicken, es war alles viel zu schnell gegangen. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht.

Etwas, was er in letzter Zeit anscheinend häufig nicht tat – denken.

Er stöhnte frustriert.
 

Kudô, du bist ein Vollidiot.
 

Seine Augen wanderten durch den Raum.

Obwohl sich nichts hier drin befand, war ihm mehr als nur unbehaglich.

Er kam sich seltsam exponiert vor, wie ein Ausstellungsstück in einem Museum. Langsam erschloss sich ihm auch der Begriff „white cube“, den ihr Kunstlehrer damals immer in den Mund genommen hatte, wenn er von Ausstellungen sprach.

Gemeint war ein möglichst weißer Raum, oft viereckig, würfelartig eben, in dem Kunstwerke präsentiert wurden. Der Klassiker, um Ausstellungen zu gestalten. Weiße Wände lenkten nicht vom Ausstellungsstück ab.

Der Raum war so konzipiert, dass es optimal zur Geltung kam.
 

So kam er sich gerade vor. Wie ein Ausstellungsgegenstand…
 

Ausgestellt, vorgeführt.

Ausgeliefert.
 

Und trotz dieses Gefühls von Schutzlosigkeit, Ausgesetztheit, glaubte er zu merken, wie die Wände auf ihn zukamen…

Er schluckte.

Eigentlich war er nicht klaustrophobisch.

Wahrscheinlich bildete er das sich nur ein. Dieses eintönige Weiß, einzig und allein durchbrochen von der verchromten Türklinke und den hellgrauen Fugen zwischen den Fliesen spielte seinen Augen einen Streich, hielt seine räumliche Wahrnehmung zum Narren.

Aber… auch wenn er hier vielleicht getäuscht wurde…

Einer Sache war er sich ziemlich sicher.

Egal was ihn hier noch erwartete… es würde wohl nichts Gutes sein.
 

Als ob das Schicksal ihn in seinem Glauben bestätigen wollte, hörte er im nächsten Moment den Schlüssel im Schloss klicken und die Tür schwang auf.

Shinichi fuhr ruckartig hoch.

Es war Chianti, die die Zelle betrat.
 

„So siehst du also aus, wenn du mal nicht als Grundschüler rumrennst.”

Shinichi verdrehte die Augen.
 

„Ahh, das muss frustrierend sein, nicht war? Hier festzusitzen, eingesperrt zu sein… nun, andererseits solltest du dich doch langsam dran gewöhnt haben? Ans Eingesperrtsein? Eingesperrt zu sein in einem kleinen Raum dürfte sich doch vom Gefangensein in einem zu kleinen Körper nicht allzu sehr unterscheiden… oder?”

Sie grinste böse.
 

Shinichi starrte sie feindselig an.

„Was willst du?”

Er machte sich nicht die Mühe, sie zu siezen; es war ihm scheißegal.
 

„Nun, ich wollte mir mal diesen faszinierenden jungen Mann ansehen, der so schlau ist, so klug und so wagemutig, sowie so unglaublich dumm, zu glauben, es mit unserer Organisation eigenhändig aufnehmen zu können. Ein hübsches Kerlchen bist du. Langsam kann ich Vermouths Schwäche für dich verstehen.”

Sie näherte sich ihm und fuhr mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand seine Schläfe entlang nach unten. Er drehte widerwillig seinen Kopf weg und sie verstärkte den Druck ihres Fingers, hinterließ mit ihrem scharfen Fingernagel einen langen, blutigen Kratzer auf seiner Wange.
 

„Was zur Hölle wollen Sie von mir, ich…”, begann Shinichi, aber die Killerin schnitt ihm das Wort ab.

„Das weißt du ganz genau.“

„Ich habe keine Ahnung.”, antwortete Shinichi patzig.

„Oh, aber selbstverständlich hast du die...“

Im nächsten Moment spürte er die Mündung eines Revolvers zwischen den Rippen.

Ein Gefühl, das in ihm unglaubliches Unbehagen auslöste. Er atmete scharf ein.

„Und ob du die hast...“

Sie berührte erneut mit ihren Fingern sein Gesicht, packte dann seine Haare ruckartig am Hinterkopf, zwang seinen Kopf zurück, als er ihr ausweichen wollte.

Er versuchte den Wunsch zu unterdrücken, sie wegzustoßen, ihr wehzutun. Ihr so auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, machte ihn unruhig. Er spürte, wie sie ihre Waffe stärker gegen seinen Brustkorb drückte, hörte das sanfte, klickende Geräusch, als sie die Pistole entsicherte…

Was sie gerade machte, fühlte sich ganz und gar nicht gut an. Er wollte, dass sie aufhörte und wagte es dennoch nicht, nach ihr zu treten, sie anzuschreien. Er wusste, das würde Konsequenzen haben. Und er konnte sich nicht leisten, etwas zu tun, was sie möglicherweise auf Rache sinnen ließ. Er wusste, sie kannte seine Verbindung mit den Môris- und damit auch seine Beziehung zu Ran. Seine einzige Hoffnung war nur, dass sie sie nicht ernst nahm.
 

Zum wiederholten Male fragte er sich, was er sich dabei gedacht hatte, als er diese Email abgeschickt hatte.
 

Gar nichts, wie es schien.

Ich korrigiere- Kudô, du bist ein hirnverbrannter Vollidiot…
 

Hätte er nur eine halbe Stunde oder so gewartet, bis er wieder einigermaßen bei klarem Verstand war und sich etwas beruhigt hatte, dann wären ihm doch diese ganzen Bedenken gekommen- dass seine Aktion nicht nur Ai in Gefahr brachte.

Indem er sich stellte, hatte er sich erpressbar gemacht.

Und dadurch… dadurch hatte er alle, die er kannte, die ihm in seinem Leben wichtig waren, in Gefahr gebracht.

In Lebensgefahr.
 

„Sag mir, wo sie ist...“, flüsterte sie. Ihr Kopf war so nah an seinem Gesicht, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte, riechen konnte, dass er nach Zigarettenrauch stank.

„Wo wer ist?“, knurrte er.

„Sherry…“
 

Er keuchte, als sie ihm ihren Revolver noch fester zwischen die Rippen drückte, stieß mit dem Rücken an die Wand.

„Sag mir, wo sie ist! Diese dreckige, kleine Verräterin…“

Er schluckte.
 

„Nein…!“
 

Chianti sog scharf die Luft ein. Dann zog sie seinen Kopf ruckartig noch weiter nach hinten und schlug ihm mit ihrer Waffe ins Gesicht.

Er schrie kurz auf, prallte erneut gegen die gekachelte Wand, presste seine Handflächen dagegen um nicht zu stürzen und starrte sie schwer atmend an.

Sie starrte zurück, mit zornfunkelnden Augen und sehr rot im Gesicht.
 

Was hab ich mir da eingebrockt…?
 

„Wenn du wirklich so schlau bist, wie du tust, dann solltest du besser überlegen, welche Antworten du mir gibst, Rotzbengel. Du solltest tun, was ich dir sage, und du wirst es auch. Wenn ich Antworten von dir will, wirst du mir die geben. Mit Sicherheit wirst du das, oder es wird nicht nur für dich Folgen haben... du verstehst mich.”
 

Der junge Detektiv schnitt eine Grimasse, stöhnte innerlich auf. Bitte… fing das jetzt schon an? Er wollte sich nicht entscheiden müssen, zwischen Ran und Shiho.

Er liebte Ran, er würde sein Leben für sie opfern, aber… er wollte doch nicht jemand anderen dafür ans Messer liefern.

Das wäre, wie wenn er sie selber umbringen würde… Blut an seinen Händen.

Und es garantierte ihm ja keiner, dass er Ran durch den Verrat an Ai retten würde.

Allerdings… konnte er doch Ran auch nicht tatenlos sterben lassen…

Wenn Ran was passierte… nein, soweit durfte er es nicht kommen lassen.
 

„Also? Wo ist Sherry, diese kleine, dreckige Verräterin?“
 

Shinichi biss sich auf die Lippen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, hatte absolut keine Ahnung, was er tun sollte…

Seine Hände wurden kalt, begannen zu zittern, er war kaum mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Verrate ich ihr nichts, tötet sie Ran. Sage ich es ihr, tötet sie Shiho- und unter Umständen Ran. Was soll ich machen, was?
 

Guter Gott, was hab ich angestellt… was soll ich machen?
 

Was, was, was?
 

Dann ging die Tür erneut auf.

„Chianti! What the hell are you doing in here?”
 

In der Tür stand Vermouth, ihre Augen funkelten vor Zorn, ihre Hände hatte sie fest in die Hüfte gestemmt.

„Das hätte ich mir denken können, dass du deinen Schatz nicht lang alleine lässt…“

Chianti lächelte; ein Lächeln, das ihrem Gesicht beinahe diabolische Züge verlieh.

„Mach, dass du hier rauskommst.“, wisperte Vermouth drohend.

„Ich hab ihn was gefragt, und ich warte auf seine Antwort.“
 

Chianti fixierte ihre Gegnerin mit ihren überschminkten Augen, aber er konnte sehen, dass sie unsicher war.

„Er wird dir keine Antworten geben, du bist unter seinem Niveau.“

Vermouth zog ihren Revolver, spielte mit dem Sicherungshebel.

„Und jetzt raus hier.“

Die Stimme der blondgelockten Frau klang kalt wie Eis.

Chianti ging ihr ein paar Schritte entgegen, warf Shinichi noch einen kurzen Blick zu, ehe sie sich Vermouth wieder zuwandte.

„Wie du meinst. Aber lass dir gesagt sein, du wirst nicht ewig der Liebling vom Boss sein. Die Freiheiten, die du dir herausnimmst, wirst du sehr bald schon nicht mehr haben, also gewöhn dir diesen kommandierenden Tonfall ab, Süße…“

Damit verschwand sie.
 

Vermouth schaute ihn abwartend, abschätzend an. Er starrte zurück, einen schwer zu deutenden Ausdruck auf dem Gesicht.
 

„Du hast dich gut gehalten, Sharon.“, wisperte er dann.

Mehr sagte er nicht. Es gab nichts, was er ihr zu sagen hätte.

Sie blinzelte. Kurz meinte er, Erschrecken über ihr Gesicht huschen zu sehen, dann war es glatt, jugendlich und ausdruckslos wie vorher auch.

Er zuckte unwillkürlich zusammen, als die Tür zuknallte. Sie war gegangen.
 


 

Die Detective Boys, Heiji, Ran, der Professor und Kogorô Môri standen in Inspektor Megurés Büro.

Der schlafende Meisterdetektiv war außer sich vor Wut, als er nun endlich erfahren hatte, wen er da all die Zeit beherbergt hatte.
 

„Dieser kleine, dreckige Bastard-“

„Paps!“

Ran war den Tränen nahe.

Die Kinder schauten entsetzt zu dem Erwachsenen hoch. Alle, bis auf Ai, die Beleidigungen und Schimpfwörter dieser Art schon lange nicht mehr schockierten.
 

„Was… was hat er dir eigentlich getan? Warum hasst du ihn so? Nur weil er erfolgreicher ist als du? Du solltest doch in all der Zeit mitbekommen haben, dass er in Ordnung ist, ein…“

„Wie kannst du diesen Mistkerl verteidigen, er hat dich doch genauso angelogen, Mause…“

„WEIL ER MICH BESCHÜTZEN WOLLTE! Er hat gelogen, damit mir nichts passiert…“

Ran schrie. Sie starrte ihren Vater zornig an. Wie sie so dastand, kreidebleich im Gesicht, ihre Augen rot und verheult, ein paar ihre Haare wirr ins Gesicht hängend, die Hände in die Hüften gestemmt und schwer atmend, sah sie durchaus Furcht erregend aus.
 

„Ich will jetzt einen Grund, warum du ihn so hasst…“
 

Kogorô schwieg. Er kannte dieses Verhalten. Ran benahm sich in diesem Augenblick genauso wie Eri, wenn sie wütend war.

„Ich will eine Antwort, Paps!“

Kogorô seufzte. Er wusste, die Schlacht war geschlagen; seine Tochter würde nicht eher aufhören, bis sie hatte, wonach sie verlangte, daran bestand kein Zweifel.

„Weil er dich mir wegnimmt.“

Ran blinzelte.

„Was?“

Sie glaubte, sich verhört zu haben.
 

„Ich hasse ihn nicht. Nicht direkt. Vielleicht bin ich neidisch, ja, das kann sein. Er ist viel erfolgreicher als ich, obwohl er ungleich jünger ist. Aber warum ich ihn nicht mag, ihn nicht sehen will, dir versuche zu verbieten, dass du mit ihm ausgehst, mit ihm Zeit verbringst, ist, weil ich fürchte, dass er derjenige sein wird, der dich mir wegnimmt.“

Ran schluckte.

„Aber warum…“

„Ja, glaubst du, ich hab nicht mitgekriegt, wie er dich jedes Mal angesehen hat, wenn er dich abgeholt hat?“

„Wie… wie hat er mich denn… angesehen?“, stotterte sie.
 

Kogorô starrte seine Tochter ungläubig an.

„Jetzt sag nicht, du hast nie mitgekriegt, dass der Junge in dich verschossen war...? Er hätte alles für dich getan, er hat dich geliebt, das sah man ihm an. Man erkannte es an seinen Blicken, die er dir zuwarf, die Art, wie er mit dir redete, wie er sich dir gegenüber benahm. Wenn er sich manchmal über dich lustig machte, war das nur seine Art, seine eigene Unsicherheit zu überspielen, er wollte sich nicht bloßstellen… aber er hat dich immer verteidigt, wenn dir jemand zu nahe kam oder sich auf deine Kosten einen Spaß erlaubte. Er unterstützte dich, stand dir bei...“
 

Ran schluckte. Warum hatten alle anderen mitgekriegt, was ihr entgangen war? Sogar ihr Vater, den sie bis jetzt als absoluten Grobmotoriker, was Gefühle und Emotionen betraf, eingestuft hatte, hatte gesehen, was ihr verborgen geblieben war.

„Und… selbst wenn… warum hast du dann Angst, er würde mich dir weg-…“, fing sie an.

„Weil du ihn auch liebst, nicht war?“, unterbrach sie ihr Vater.

„Ich wusste, sobald er irgendwann die Courage aufbringen würde, dir zu sagen, dass er dich liebt, würdest du mit ihm gehen…

Glaubst du, ich hab nicht mitgekriegt, dass du geweint hast, gelitten hast, dir schreckliche Sorgen gemacht hast, als wir glaubten, er wäre verschwunden? Glaubst du… ich habe nicht das Leuchten in deinen Augen gesehen, wenn er dich angerufen hat? Wenn er dich abgeholt hat, ihr verabredet wart…?“

Ran wischte sich die Tränen aus den Augen und umarmte ihren Vater.
 

„Nun, wenn wir noch lange hier stehen und Beziehungsprobleme besprechen, dann haben die beiden vielleicht nie mehr die Möglichkeit das Ganze auch zu testen, weil er dann nämlich tot ist. Wenn er es nicht schon ist.“
 

Ais Stimme klang sachlich wie immer. Und doch glaubte Ran, eine Spur von Neid in ihr mitschwingen zu hören. Und Angst.
 

Angst, Ai?
 

„Also schön.“, meinte Inspektor Meguré entschlossen. „Wo fangen wir an?“

„Ich würde sagen, am Riesenrad.“

Ran hatte es ausgesprochen, ohne dass sie es sagen wollte. Sie wusste nicht, woher sie die Idee hatte…
 

Nein doch, sie wusste es.

Er war dort verschwunden… da hatte sie ihn zum letzten Mal gesehen. Und dort hatten sie ihn wahrscheinlich auch heute wieder erwischt.

Sato, die mit verschränkten Armen am Tisch lehnte, nickte.

„Nun, besser als nichts, nicht war? Also, los, auf was warten wir?“
 

In dem Augenblick ging die Tür auf.

Kommissar Chiba stand schwer atmend in im Türrahmen, klammerte sich am Türknauf fest.

„Ich konnte sie nicht aufhalten. Sie sagen, sie seien vom FBI…“

Hinter ihm erschienen Shuichi Akai und Jodie Saintemillion alias Jodie Starling.
 


 

Shinichi lief Kreise. Eine Bahn nach der anderen schritt er ab, immer wieder, rund herum… und genauso wie er sich in Kreisbahnen bewegte, drehten sich auch die Gedanken in seinem Kopf im Kreis.
 

Wie konnte er nur so blöd sein?!

Wie, wie, wie?
 

Nachdem Chianti und Vermouth gegangen waren, war er auf den Boden gesunken und hatte erst einmal gar nichts gemacht. Zu geschockt war er von den neuesten Ereignissen und Erkenntnissen.

Dann hatte er versucht, zu schätzen, wie viel Zeit vergangen war und war kläglich gescheitert. Er hatte keine Ahnung- sein Zeitgefühl war im Prinzip ja schon bei seiner Rückverwandlung Flöten gegangen.

Also hatte er beschlossen, sich irgendwie abzulenken, weil er ohnehin keinen klaren Gedanken fassen konnte.
 

Was sich als einigermaßen schwere Aufgabe erwiesen hatte, in einem weißen, leeren Raum.
 

Als ihm nichts Besseres einfiel, hatte er damit begonnen, die Kacheln an den Wänden zu zählen.

Nachdem sich das als extrem nerviges Unterfangen herausstellte, weil durch die Reflexion des Neonröhrenlichts und den hellgrauen, fast weißen Fugen die Augen immer wieder in die Irre geführt wurden, hatte er nach etlichem Verzählen einen effizienteren Weg gewählt. Er war aufgestanden, hatte die Kacheln von oben nach unten und von links nach rechts gezählt und dann multipliziert. So hatte er es mit allen vier Wänden und dem Boden gemacht, die Ergebnisse addiert und war innerhalb kürzester Zeit zu einem Ergebnis gekommen:

528.

Es waren fünfhundertachtundzwanzig Fliesen.

Anschließend hatte er sich geärgert, weil er sich nun nicht mehr mit Kachelzählen ablenken konnte.

Woraufhin er mit dem im-Kreis-rumlaufen begonnen hatte. Und mit dem Nachdenken. Auch wenn er sich nach wie vor kaum konzentrieren konnte.
 

Wie hatte er sich nur zu einer so unglaublich dummen Kurzschlussreaktion hinreißen lassen können?

Mit seinem unüberlegten Handeln hatte er alle anderen in Gefahr gebracht.

Ran.

Ai.

Heiji und Kazuha…

Seine Eltern, Rans Eltern, den Professor-

Die Detective Boys. Himmel, das waren doch noch Kinder!

Unter Umständen sogar Meguré, Takagi und Sato…
 

Er ballte die Fäuste, blieb stehen.

Verdammt!
 

Und ganz sicher seins. Er hatte sein Leben verwirkt. Er war in sein Verderben gelaufen.

Er wankte zur Rückwand der Zelle und ließ sich nach unten gleiten, winkelte die Beine an, bettete seinen Kopf auf seine Knie und schlang seine Arme um seine Beine.
 

Er würde sterben hier drin. Er kam hier nicht mehr lebend raus.

Was zum Teufel hatte er eigentlich erwartet, als er diese Email geschrieben hatte?

Dass der Boss ihn höchstpersönlich am Riesenrad empfangen würde? Mit ihm ein Schwätzchen halten würde, oder was?

War er wirklich so dumm gewesen, das anzunehmen?

Dass man ihm eine Falle stellen würde, war doch offensichtlich...
 

Langsam gestand er sich ein, dass ihm zu dem Zeitpunkt, als er die Mail geschrieben hatte, eigentlich egal gewesen war, was aus ihm werden würde.

Er hatte es nur beenden wollen. Welches Ende es nehmen würde, daran hatte er nicht gedacht.
 

Er war deutlich zu weit gegangen in seinem Selbsthass. Seltsamerweise… war ihm das nie aufgefallen. War ihm sein eigenes Leben wirklich so egal geworden?

Wann war der Moment gewesen, an dem er die Hoffnung verloren hatte?

An dem er aufgegeben, kapituliert hatte?

Wann?
 

Wann?
 

Shinichi fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, krallte sie fest, presste die Augen zusammen und versuchte, sich zu konzentrieren.
 

Er hatte doch noch nie aufgegeben, warum jetzt? Warum?

Warum hatte er das Kämpfen aufgegeben?
 

Eigentlich… eigentlich war er doch noch nicht bereit zu sterben. Er hatte doch noch so viel vor. Sich bei Ran entschuldigen, zum Beispiel, auch wenn sie ihm vielleicht nie verzeihen konnte.

Ran…
 

Er würde sie wohl nie wieder sehen. Er würde sie nie um Verzeihung bitten können.

Shinichi schluckte.

Er kam hier nicht mehr raus... erst, wenn er tot war.
 

Wenn er sein Leben verloren hatte.
 

Mein Leben…
 

Das Leben verlieren…
 

Shinichi lächelte zynisch.

Welcher Scherzkeks war denn auf diesen Ausdruck gekommen? Das war doch Ironie pur- ging man doch bei dem Wort „verlieren“ davon aus, dass man das Verlorene eventuell wieder finden konnte. Es war doch potentiell möglich, dass man wieder bekommen konnte, was verloren gegangen war. Für sowas gab es sogar Fundbüros, wo verlorene Dinge abgegeben und wieder geholt werden konnten.

Das traf auf alles zu… nur nicht auf das Leben.
 

Verlor man das Leben, bekam man es nicht wieder.
 

Und er war nicht bereit dafür, er wollte nicht sterben. Er wollte nicht.

Wollte nicht.

Leider kam diese Erkenntnis reichlich spät. Darüber hätte er sich mal vorher Gedanken machen sollen.
 

Bereit zu sterben war er nur ein einziges Mal gewesen, nur ein Mal.

Damals an seinem achtzehnten Geburtstag im Beika Zentrum.

Als Ran in der Lobby mit der Bombe festsaß und er auf der anderen Seite der Tür gewesen war, um ihr beim Entschärfen des Sprengsatzes zu helfen.

Als nur noch ein paar Sekunden übrig waren und Ran sich zwischen zwei Drähten entscheiden musste.
 

Rot und blau.
 

Da war er bereit gewesen, zu sterben. Mit ihr zusammen.
 

Aber es war ihnen ja erspart geblieben- sie hatten überlebt, dank ihrer Intuition. Oder… war es Schicksal?

Er lächelte bei ihrer Antwort, als er sie fragte, warum sie den blauen Draht durchgeschnitten hatte, nicht den roten.
 

Sie hatte geantwortet, dass sie den roten Faden, der sie mit Shinichi, mit ihm, verband, nicht zerschneiden hatte wollen.

Gedankenverloren betrachtete er den kleinen Finger seiner rechten Hand.

Ob es solche roten Fäden gab?
 

Ach was, sei nicht albern.
 

Shinichi seufzte.

Fakt war, roter Faden hin oder her, ja, er hatte es beenden wollen, diese Sache mit der Organisation und Conan.

Und wenn er dafür sterben musste, dann musste es wohl so sein. Unter anderen Umständen hätte er es wohl in Kauf genommen. Was sein muss, musste sein, seinem Schicksal konnte man nicht entkommen.

Aber jetzt- jetzt wollte er nicht sterben.

Nicht so. Und erst Recht nicht hier.

Nicht, ohne irgendetwas bewirkt zu haben.

Nicht, ohne diese Organisation hochgenommen zu haben.
 

Nicht, solange er nicht bestimmt wusste, dass Ran in Sicherheit war.
 

Denn so, wie er die Organisation kannte- würden sie nicht von seinen Freunden und seiner Familie ablassen, nur weil er nicht mehr war. Sich dieser Hoffnung zu ergeben wäre absurd- lächerlich. Sie würden sie bestimmt nicht verschonen, nur weil er tot war. Die sannen doch genauso auf Rache wie er… er hatte ihnen schließlich oft genug einen Strich durch die Rechnung gemacht.
 

Also… durfte er nicht sterben.

Er musste leben, um sie zu beschützen.
 

So leicht gab er sich nicht geschlagen.

Wie er das genau anstellen sollte, wusste er allerdings auch noch nicht.

Er seufzte. Warten auf eine günstige Gelegenheit war die einzige Option.
 

Spontaneität ist alles...
 

Dann hörte er Schritte, die sich zügig näherten und stand auf.
 

Und Ring frei für Runde zwei...

Krisenstab

Herzlich willkommen allerseits!
 

Nun- nein, Bergfest ist noch nicht, Diracdet, außer du bezeichnest gemeinhin die Mitte einer FF als Bergspitze. Denn richtig zur Sache geht's wohl erst... in den nächsten Kapiteln.

Und jaaaa- auf die Frage, wen ich mir nun als Boss ausgedacht hab- die Antwort muss auch noch warten. *grins*

Ach ja, und Kogorô- Kogorô benimmt sich wohl wie jeder Vater- nun, fast jeder. Eris Vater war doch ähnlich, nicht wahr? Väterliche Eifersucht, den Drang, sein kleines Mädchen beschützen zu wollen... und Kogorô erzieht Ran fast allein, da ist der Beschützerinstinkt wohl noch größer *g*

Ganz davon abgesehen, dass er seine Haushälterin verliert, wenn Ran geht *lacht*

Nein, Spaß beiseite- ich denke, soviel Durchblick kann man ihm zutrauen.
 

Tja, ansonsten- um was es in dem Kapitel geht, lest ihr ja gleich selber, also kann ich mir das sparen.
 

Nur eine Frage abschließend: ich hatte vor, an dieser Stelle die Fic kurz zu unterbrechen und nächste Woche um die gleiche Zeit statt Kapitel sieben einen Weihnachtsoneshot hochzuladen. Nun hab ich auf die Idee schon positive und negative Reaktionen gekriegt, und starte hiermit eine Umfrage: einmal aussetzen oder Kap 7 und den OS parallel laufen lassen?
 

So. Das war's jetzt aber von meiner Seite, ich wünsch euch viel Vergüngen beim Lesen,
 

eure Leira *g*

*wegbeamt*
 

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„Wie bitte?!“, entfuhr es Jodie, als Professor Agasa, Ai und der Kommissar den beiden FBI-Agenten die Lage der Dinge geschildert hatten.

„Der kleine Conan war tatsächlich Kudô? Ich meine, irgendwo hab ich das ja geahnt, aber ich hab für ihn immer gehofft, dass ich mich täusche…“
 

Während am Anfang noch deutlich die Verwunderung und teilweise wohl auch Entsetzen in ihrer Stimme zu hören waren, verlor sich der Rest ihres Satzes in unverständlichem Gemurmel.

Stumm blickte sie auf Ran, die immer noch leichenblass in einen Sessel saß und sich unruhig umschaute.

Akai verschränkte die Arme vor der Brust, wirkte wie immer wie die personifizierte Gelassenheit.

„Tja- das erklärt natürlich einiges.“, konstatierte er sachlich.

„Warum er grundsätzlich seine Nase in Dinge steckte, die viel zu gefährlich für ein kleines Kind sind, warum er so clever war, einmalig gut Fakten kombinierte, ein scharfes Auge für Details hatte… und warum er so viel wusste.“

Jodie schaute ihren Partner an.

„Ja, ja, alles schön und gut. Wir müssen ihn da rausholen…!“

„Ja, sicher. Aber wie stellst du dir das vor? Glaubst du allen Ernstes, dass es da noch viel zu holen gibt? Ich schätze mal, eher nicht.“

Ran zuckte zusammen.
 

Ich schätze mal, eher nicht…

Rechnen die schon damit, dass er nicht mehr am Leben ist…?

Nein… nein, nicht doch… sowas können die doch nicht denken, das geht doch nicht, er ist bestimmt noch nicht - tot…

Aber…

Warum bin ich mir da so sicher…?
 

Ai schüttelte zur Verwunderung aller den Kopf.

„Nein, ich denke, Sie irren sich. Wir haben noch eine Chance.“

Ran wandte ihr hoffnungsvoll den Kopf zu.

Shuichi starrte sie an.

„Und du bist…?“, fragte er gelangweilt.

Ai funkelte ihn böse an.

„Ich bin Shiho Miyano. Meines Zeichens Ex-Mitglied der Organisation, Codename Sherry… und nebenbei die Tochter der Erfinder des Giftes, das ihm und mir das angetan hat. Ich wurde auch geschrumpft, wenn auch eher ungewollt. Eigentlich sollte das Zeug tödlich sein, deswegen wurde es ihm ja auch verabreicht. Um ihn umzubringen, weil er zuviel gesehen hatte…“

Shuichi Akai schaute das Mädchen nur an.
 

Also bist du es wirklich?
 

„Also hatte ich Recht!“, murmelte Jodie.

„Ich hatte Recht… damit, dass du kein kleines Mädchen, sondern ein Organisationsmitglied bist…“

„Warst.“, unterbrach Ai die FBI Agentin gereizt, die sie aber kaum zur Notiz zu nehmen schien, weil sie unbeeindruckt fort fuhr mit ihren Überlegungen.

„… und wenn ich mich nicht irre, gibt es außer euch beiden noch eine dritte Person, nicht wahr…?“
 

Ran starrte erst Ai, dann Jodie fassungslos an.

„Eine dritte Person? Wer?“

Das kleine rotblonde Mädchen schluckte.

„Vermouth.“

Wer? Wer ist das?“, drängte Ran, in ihrer Stimme schwang ein leiser Hauch von Angst.

„Sharon Vineyard.“, flüsterte Jodie und beantwortete damit Rans Frage.

Ran blinzelte; dann schüttelte sie ungläubig den Kopf.

„Nein. Nein! Sharon ist tot… sie ist vor ein paar Jahren…“

„…verjüngt worden. Sie gibt sich jetzt für ihre Tochter aus. Chris Vineyard. Und Chris Vineyard wiederum ist…“

„Vermouth.“, wisperte Ai.

„Der Liebling vom Boss…“

Ran schüttelte ungläubig den Kopf. Das... das konnte doch nicht stimmen, Sharon Vineyard, verjüngt? Ein Mitglied einer Verbrecherbande?

Obwohl- wenn Shinichi auch so etwas zugestoßen war, und sie hegte keinen Zweifel, dass Shinichi und Conan tatsächlich eine Person gewesen waren... dann war es gut möglich, dass Sharon dasselbe wiederfahren war. Aber eine Verbrecherin?

Ein trockenes Räuspern ließ sie alle herumfahren.

„Schön, dass wir das geklärt haben. Aber nun mal zurück zum eigentlichen Thema: Warum glaubst du, dass Kudô noch lebt?“, mischte sich nun auch Akai wieder, gewohnt sachlich, ins Gespräch ein.

„Weil Vermouth, weiß der Geier warum, anscheinend ein Faible für ihn hat.“, antwortete Ai.
 

„Nun…“, murmelte Ran. Langsam erlangte sie wieder Kontrolle über sich, brachte Ordnung in ihre Gedanken.

„Wenn Shinichi… Conan ist, und diese Vermouth Sharon Vineyard, dann ist klar, warum sie eine Schwäche für ihn hat. Seine Mutter Yukiko und sie waren gute Freundinnen, durch sie hab ich Sharon kennen gelernt. Ich… vermute mal, er hat sie erkannt, aufgrund von Fotos… und wenn er sie wieder erkannt hat, dann weiß sie erst Recht wer er ist, denn sie hat ihn als kleinen Jungen gesehen. Also könnte sein, dass sie ihn nicht töten wollte, weil sie ihn kennt, weil er der Sohn ihrer besten Freundin ist- und ihn deswegen vielleicht mag? Und…“

Rans Augen wurden groß, als die Erkenntnis sie traf.

„Dann habe ich sie ja auch schon gesehen, Vermouth- diese blonde Frau, damals, Sie wissen schon, Miss Jodie, als Sie angeschossen wurden. Sie nannte mich Angel… sagte, ich solle weggehen, weil sie Ai…“

Ran wandte ihren Kopf in Richtung des kleinen Mädchens, das scheu zu Boden blickte.

„… erschießen wollte?“

Die FBI Agentin nickte schwer.

„Ja, genau. Sie wollte Ai erschießen, weil sie, alias Sherry, eine Verräterin ist, und auf Verrat steht der Tod, nicht wahr?“
 

Sie warf Ai einen kurzen Blick zu.

„Du hast Ai das Leben gerettet, indem du sie mit deinem Körper abgeschirmt hat. Dich wollte sie nicht umbringen, deswegen war sie so aufgebracht. Dann wurdet ihr bewusstlos. Ich war angeschossen worden, konnte mich kaum bewegen, nicht verhindern, dass sie ihn, den sie zuvor überrumpelt hatte, mit seinen eigenen Waffen geschlagen hatte, als er kurz abgelenkt war…“

Erneut fixierte sie das kleine Mädchen mit ihren Augen, „… mitnahm. Ihn entführt hat… und es wäre für sie ein Leichtes gewesen, ein Kinderspiel, ihn da umzubringen. Sie hätte ihn töten können und hat es nicht getan. Also könnte es durchaus sein, dass sie ihn mag, und, wenn sie wirklich der Liebling ihres Chefs ist, wie Ai sagt, ihren Einfluss ein wenig geltend macht und ihn schützt. Er könnte tatsächlich noch am Leben sein. Aber wie lange noch…?“

Jodie schob sich nachdenklich ihre Brille mit ihrem Zeigefinger wieder höher auf die Nase.
 

„Und wo ist er…?“

Rans Stimme zitterte.

Ihre Frage hing in der Luft.
 

Drückendes Schweigen herrschte, Anspannung und Angst lagen fast spürbar im Raum. Die Gesichter der Anwesenden waren allesamt blass, ihre Züge wie versteinert, als sie angestrengt nach der Antwort auf diese eine Frage suchten.

Ran strich sich nervös eine Strähne hinters Ohr. Einerseits konnte sie noch hoffen -hoffen, dass er noch lebte- andererseits machte die Sorge, die Furcht um sein Leben sie fast wahnsinnig, kontrollierte ihr Denken und Handeln, beherrschte sie…
 

Wo bist du?

Wo… bist… du?
 

Heiji stieß sich vom Tisch ab, gegen den er bis gerade eben gelehnt hatte.

„Worauf warten wir dann noch? Wir müssen ihn finden, und das schnell!“

Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.

„Ja, natürlich müssen wir das. Er ist ein wichtiger Zeuge in dem Fall…“, stellte Akai nüchtern fest.

Ran stand so heftig auf, dass der Stuhl nach hinten umkippte. Das laute Krachen ließ die meisten der Anwesenden zusammenfahren.
 

„Was, nur deswegen wollen Sie ihn finden? Damit er für Sie aussagt?! Er…“

„Schon gut, Ran.“, versuchte Jodie das aufgebrachte Mädchen zu beschwichtigen. Sie legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie sacht.

„Beruhige dich. Natürlich will Shuichi ihn hauptsächlich deswegen finden, weil Shinichi ein solches Schicksal nicht verdient hat. Weil er ein ehrlicher, hilfsbereiter Mensch ist, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Wir werden ihn finden, Ran. Im Übrigen gebe ich Heiji Recht, wir sollten uns auf den Weg machen.“

Sie wandte ihren Kopf zum Kommissar, der nervös seine Hände knetete.

„Wissen Sie schon, wo Sie mit der Suche anfangen wollen?“

„Ja.“, nickte Meguré.

„Wir fangen da an, wo er wahrscheinlich verschwunden ist.“
 

Und hoffen, dass wir dort einen Hinweis auf deinen Verbleib finden, Kudô…
 


 

„Wusstest du das?“

Sato saß in ihrem roten Sportwagen und schaute kurz zu Takagi, der neben ihr saß.

„Was?“

„Na, das mit Conan! Was denn sonst…?“

Sie schaltete runter und gab so heftig Gas, dass der Motor aufheulte.

„Ach so… nein. Gewusst habe ich es nicht. Aber ich hatte wohl eine Ahnung…“, meinte Takagi leise.

„Na, dass der Junge nicht normal sein kann, ahnten wir wohl alle.“

Sato runzelte die Stirn.

„Das meinte ich nicht. Ich… Miwa, erinnerst du dich noch an den Tag, an dem ich mit Conan im Aufzug feststeckte? Im Tokio-Tower, mit dieser Bombe?“

Sato nickte. Als ob sie diesen Tag je vergessen könnte.

Takagi räusperte sich.

„An diesem Tag, Miwa… da benahm er sich anders. Als feststand, dass wir mit dieser Bombe festsaßen, wahrscheinlich sterben würden, war nichts mehr von dem Kind zu spüren, das er rein äußerlich war. Nichts mehr. Er versuchte nicht mal mehr ansatzweise, sich zu verstellen.

Ich geb’s gern zu, ich hätte diese Bombe nie entschärfen können. Er hingegen lag oben und machte sein Ding. Er hatte mehr Durchhaltevermögen, mehr Kraft als ich…

Er behielt die Nerven, einen kühlen Kopf, und schaffte hinterher sogar noch, herauszufinden, wo die andere Bombe versteckt war, bevor wir in die Luft flogen.

Aber worauf ich eigentlich hinaus will…

Als klar war, als wir beschlossen hatten, die Nachricht abzuwarten, um euch die SMS mit dem Aufenthaltsort der zweiten Bombe schicken zu können… als wir im Prinzip unser Todesurteil gefällt hatten…

Da… er saß nur da, dieser sieben- oder achtjährige Knirps, saß in der Deckenluke und baumelte mit den Beinen. Kein Geschrei, kein Geflenne, wie man es erwarten könnte, angesichts des Endes seines viel zu jungen Lebens. In seinen Augen lag ein Hauch von Trauer und Schmerz- und doch hatte er einen Ausdruck von Entschlossenheit auf dem Gesicht, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Erst recht nicht im Gesicht eines Grundschülers. In diesem Augenblick war Conan Edogawa kein Kind. Absolut nicht.

Und da… da hab ich ihn gefragt.“
 

Miwako bremste scharf vor einer roten Ampel.

„Was? Was hast du ihn gefragt?“

„Ich hab ihn gefragt, wer er ist. Wer er wirklich ist.“

„Du hast was?!“

Die junge Polizeibeamtin starrte ihn erstaunt an. Dann wandte sie schnell wieder den Kopf nach vorne, weil der Verkehr nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte.

„Und seine Antwort? Was… was hat er darauf gesagt?“

Takagi lächelte tiefgründig und zitierte:

„‚Na ja…’ “, hat er gesagt, „‚wenn Sie das wirklich interessiert, dann gerne. Und zwar im Jenseits.’ Und dabei hat er so seltsam traurig gelächelt. Melancholisch. Da hab ich es mir gedacht. Ich hab Shinichi nicht wirklich gut gekannt, er hatte ja immer hauptsächlich mit dem Kommissar zu tun, wie du ja weißt. Aber das war seine Art. Das war so typisch für ihn.“

Sato nickte leicht. Dann bog sie auf den Besucherparkplatz des Tropical Land ein.

Sie waren da.
 


 

Ran fröstelte.

Sie waren gerade angekommen und ausgestiegen- nun standen sie vor dem Eingang und warteten.

Gedankenverloren beobachtete sie den Kommissar, der zusammen mit Takagi und Sato mit der Angestellten an der Kasse debattierte. Wortfetzen wehten zu ihr rüber, die Frage des Kommissars, ob irgendwie verdächtig erscheinende, ganz in schwarz gekleidete Leute gesehen worden wären.
 

Es ging ihr einfach nicht aus dem Kopf.

Was hatte er nur alles angestellt. Was hatte er ausgehalten… wie hatte er…?

Und wieso hatte sie es nie gesehen?

Nichts gesehen, gar nichts…

War so blind gewesen… gegenüber allem, was er sagte und tat, hatte nie erkannt… Nichts erkannt.
 

Ran seufzte schwer, rieb sich die Oberarme mit ihren Händen. Ihr war kalt, dabei… dabei war es doch schon Mai. So kalt war es doch gar nicht mehr, und sie hatte doch eine Jacke an…

Allerdings wusste sie, dass es nicht die Außentemperatur war, die sie zittern ließ.
 

Shinichi…
 

Sie verstand es einfach nicht…

Alle hatte es gesehen, alle hatten es gewusst…

Jeder, mit dem sie bis jetzt geredet hatte, Heiji, Kazuha, Ai, sogar ihr Vater… jeder hatte ihr gesagt, dass er sie geliebt hatte. Sonoko war zwar heute nicht dabei gewesen, aber aufzuzählen, wie oft ihre beste Freundin ihr weismachen hatte wollen, dass Shinichi in sie verliebt war, würde in dreistellige Zahlen gehen.

Sie hatte immer nur abgewinkt.
 

Er doch nicht.
 

Er hätte doch fast jede haben können, er war berühmt, begehrt, wohlhabend und sah gut aus… bekam massenweiße Fanpost. Warum hätte er da gerade sie rauspicken sollen? Sie hatte ihn nie angebetet, wie es viele andere machten, ihm keine Liebesbriefe geschrieben. Sie hatte ihm gesagt, wenn er sie aufregte, nach ihm geschlagen, wenn es ihr zu bunt wurde- und doch hatte er sie jeden Morgen abgeholt, war mit ihr zur Schule gegangen- und sie hatte sich Sorgen gemacht, wenn er nicht gekommen war. Er war ihr Freund gewesen, sie hatten schon im Sandkasten miteinander gespielt… vielleicht war es das? Vielleicht waren sie einfach schon zu vertraut gewesen?

Sie hatte es nie gewagt, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Hatte ihm nie gesagt, dass er ihr fehlen würde, wenn er weg wäre.

Nie gesagt, dass er mehr für sie war, mehr als nur ein Freund.

So viel mehr.
 

Sie hatte ihm nie gesagt, dass sie seine Gesellschaft schätzte, hatte ihm eher noch an den Kopf geworfen, dass er sie nervte. Er hatte sich nie davon abhalten lassen, sie weiter zu nerven…

Ran schmunzelte. Allerdings wischte ihr schon der nächste Gedanke ihr Lächeln aus dem Gesicht.
 

All das habe ich nie getan... ich hätte ihm so viel zu sagen gehabt, doch nie hat auch nur ein Wort meinen Mund verlassen.
 

Und dabei hatte er doch, jetzt im Nachhinein betrachtet, ihr so viele Hinweise gegeben, die ihr gezeigt hätten, wie er es sah. Hinweise auf seine Identität- und seine Gefühle für sie. Hinweise, die sie ermutigen hätten können, auf ihn zuzugehen.

Sie war so blind gewesen, in den letzten Jahren. Sie hatte ihn oft so falsch eingeschätzt.

Und dabei dachte sie doch, sie würde ihn kennen- kannte sie ihn wirklich so gut, wie sie glaubte? Sie hatte eher gedacht, er würde sie anlügen, mit Absicht und voll Schadenfreude, als zu glauben, dass er sie beschützen wollte.

Wieso?
 

Er war so oft so knapp davor gewesen, ihr zu sagen, wer er war. Conan hatte des Öfteren seltsame Sachen gesagt, aber sie hatte dem nie größere Bedeutung beigemessen. Oder hatte sich immer wieder täuschen lassen. Warum?
 

Ran, ich muss dir etwas sagen…
 

Damit hatte es meistens begonnen.

Seine kindliche Stimme, sein süßes Gesicht… und Augen, die eigentlich für ein Kind viel zu viel erzählen konnten. Augen, die vom Leben berichteten, von guten und schlechten Zeiten, von Liebe und Leid, Sachen, die ein siebenjähriges Kind noch nicht wissen konnte…

Als ihr Vater Geld beim Pferderennen gewonnen hatte, und sie noch kurz einkaufen gewesen war, war er völlig aus der Fassung geraten, als er sie nicht gefunden hatte. Als sie ihm die Augen zugehalten und er sie erkannt hatte, da hatte er nicht aufgrund ihres plötzlichen Auftauchens erschrocken dreingeschaut, wie sie es vermutet hatte, nein- er war erleichtert gewesen.

Wirklich und zutiefst erleichtert.
 

Und diese seltsamen Worte, die er damals gesagt hatte...
 

Ran…! Schwarz…

Pass auf, dass das Steak nicht verkohlt und ganz schwarz wird…
 

Er hatte ihr von der Schwarzen Organisation erzählen wollen, dessen war sie sich sicher. Er war so kurz davor gewesen, ihr alles zu sagen. Nur am Ende hatte er noch mal die Kurve gekratzt.

Das war nur ein Beispiel gewesen… es hatte so viele mehr gegeben.
 

Und dann… all die Momente, in denen er ein wenig von sich preisgegeben hatte… von den Gefühlen, die er für sie hegte.

Allen voran der Abend im Restaurant im Beika-Turm.

Ran fragte sich jetzt noch, wie bescheuert sie damals gewesen war. Fragte ihn ernsthaft, ob er die Mitschriften haben wollte, damit er für die Schule nachlernen konnte.

Er lud sie in ein teures Restaurant ein und sie konnte sich nicht denken, woher der Hase lief. Selten dämlich, wirklich.
 

Er hatte es ihr sagen wollen. Wenn dieser Fall nicht gewesen wäre, für den sie ihm auch noch ihre ‚Erlaubnis’ gegeben hatte- und wenn Ai ihm die Wahrheit gesagt hätte, über die Dauer des Gegengifts…

Stattdessen war Conan wieder gekommen, und hatte diese Sachen von ihm ausgerichtet. Die Bitte, auf ihn zu warten, weil er wieder kommen würde… und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben täte.

Und dabei… dabei war er es selbst gewesen, der sie darum gebeten hatte, auf ihn zu warten.

Ran schluckte, merkte, wie ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. Wenn sie ihm ‚verboten’ hätte zu gehen, ihn gebeten hätte, zu bleiben, dann hätte- dann hätte er es ihr vielleicht gesagt…
 

Und dann… dann noch sein achtzehnter Geburtstag. Als er mit ihr zusammen die Bombe entschärft hatte. Und diesen einen Satz gesagt hatte, als sie in Panik zu geraten drohte, weil sie nicht wusste, welchen Draht sie durchschneiden sollte…
 

„… und wenn wir sterben, dann sterben wir gemeinsam…“
 

Ran bekam eine Gänsehaut, ihre Knie begannen zu schlottern.

Und zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sie sich, wie es wohl gewesen wäre, wenn ein paar Dinge, der Abend im Tropical Land, um nur ein Beispiel zu nennen, anders gelaufen wären. Wenn doch nur einer von ihnen beiden den Mund aufgemacht hätte…

Sie fragte sich, wie es wäre, wenn er sie jetzt in den Arm nehmen würde, sie sich an ihn lehnen könnte, seine Wärme spüren…

Wie es wäre, mit ihm zusammen zu sein, ihm nah zu sein…

Ihn zu küssen? Wie würde sich das anfühlen…?
 

Aber jetzt… momentan war all das so weit weg wie nie zuvor.

Und langsam, langsam wurde ihr wirklich klar, was sein Verlust für sie bedeuten würde.

Sie liebte ihn.

Wenn er nicht wiederkam…

Sie blinzelte. In ihren Augen sammelten sich immer mehr Tränen, sie schluckte schwer, versuchte sie zu unterdrücken.

Wenn sie zu langsam waren, zu spät kamen… wenn er tot war…
 

Allein der Gedanke daran verursachte bei ihr ein Gefühl der Ohnmacht, der Verzweiflung, das so stark war, dass sie es körperlich spüren konnte. Sie merkte, wie ihr schlecht wurde, ihr Herz zu rasen begann, ihr kalter Schweiß auf die Stirn trat.

Die ganze Zeit hatte er sich um sie gekümmert, war bei ihr gewesen, hatte ihr geholfen und sie getröstet, wenn es ihr nicht gut ging, wohl wissend, dass er die Ursache dafür war. Langsam wurde ihr klar, was er alles durchmachen hatte müssen, was er alles ertragen hatte, ihretwegen. Dass er sogar soweit gegangen war, den auch für ihn schmerzlichen Schritt zu tun, sich von ihr zu trennen. Damit sie frei war, neu anfangen konnte…

Sie war wichtig für ihn.
 

Und er war wichtig für sie.

Er war in Lebensgefahr, und sie stand hier und wartete, badete in Selbstmitleid und schwamm in Selbstvorwürfen, was ihm beides nicht das Geringste nützte.

Ran schluckte, kämpfte das Gefühl von Übelkeit nieder, das in ihr aufgekeimt war.

Jede Sekunde, jede Minute, die verging, brachte ihn dem Tod ein Stückchen näher.

Sie standen hier und vertrödelten wertvolle Zeit.

Ran atmete tief durch, straffte die Schultern.

Die ganzen Jahre hatte er für sie gekämpft, allein - jetzt wurde es Zeit, dass ihm jemand half. Dass sie ihm half.

Der Moment war gekommen, an dem sie sich ihm zur Seite stellen musste, den Kampf mit ihm zusammen ausfocht.

Ein grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihr Entschluss stand fest. Das alles hier ging viel zu langsam.
 

Shinichi, halt durch. Ich komme, hörst du? Ich finde dich… nur… halt durch, bitte. Bitte, bitte…
 

Kazuha und Heiji schauten sich alarmiert an, als sie den wild entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Freundin bemerkten.

Dann sahen sie zu, wie Ran mit entschiedenen Schritten auf den Eingang des Vergnügungsparks zuging. Heiji und Kazuha seilten sich ab, sie wollten ihre Freundin auf keinen Fall alleine lassen. Eilig rannten die beiden Oberschüler aus Osaka ihr hinterher.
 

Ran marschierte einfach los, schlängelte sich durch die Menschentraube, die sich vor dem Eingang gebildet hatte. Sie wusste, wo sie hinwollte.

Dass man sie aufhalten wollte, kümmerte sie nicht. Stimmen, die nach ihr riefen, ignorierte sie, Hände, die sie festhalten wollten, schüttelte sie ab.
 

Jodie Starling stieß ihren Partner in die Rippen, als sie das Mädchen davongehen sah. Er nickte nur, und die beiden FBI-Agenten hefteten sich an ihre Fersen.

Ai, die Ran die ganze Zeit beobachtet hatte, entfernte sich unauffällig von den Detective Boys, die zusammen mit Professor Agasa hierher gekommen waren, und folgte der Oberschülerin ebenfalls.
 


 

„Wo will sie denn hin?“, fragte Jodie ein wenig atemlos, als sie sich endlich durch die Menschenmenge durchgequetscht hatten. Ran hatte ein schönes Stück Vorsprung gewonnen, allerdings sahen sie sie immer noch hier und da vor sich laufen.

„Ich nehme an, sie geht zum Riesenrad, fängt mit dem Suchen an. Es scheint ihr wohl zu langsam zu gehen, und da muss ich ihr uneingeschränkt zustimmen.“, antwortete Akai und warf dem kleinen Mädchen neben sich einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Jodie folgte seinem Blick und lächelte, als sie Ai erkannte, die mit finsterer Miene vor sich auf den Boden starrte.

„Hey, little one. Bei dem Gesicht, das du machst, würde ich sagen, du siehst wohl keine Chance mehr…“

Ai schaute sie an.

„Danke, ich weiß selber, dass ich bei ihm keine Chance hab…“, meinte sie trocken. Jodie allerdings sah sie erstaunt an.

„What… you, too? Du liebst ihn auch?“
 

Der Kopf des kleinen rotblonden Mädchens fuhr hoch. Ihre Augen waren vor Entsetzen aufgerissen und die Röte war ihr ins Gesicht gestiegen. Akai zog die Augenbrauen hoch.
 

„Sie- haben darauf gar nicht abgezielt?“, stotterte Ai.

Die Frau schüttelte den Kopf, dann lächelte sie entzückt.

„Weißt du, dass du sooo cute aussiehst, wenn du erschrickst? Sooo große Augen kriegst du da. Richtige Kulleraugen! Soooo sweeeet!“

Sie holte begeistert mit ihren Händen aus, um die Größe von Ais ‚Kulleraugen’ extrem übertrieben anzudeuten, wofür sie sich von ihrem Partner, der neben ihr mit in dem Hosentaschen vergrabenen Händen herging, einen mehr als einfach nur verächtlichen Blick einfing.

„Sei kein Spielverderber, darling.“, meinte sie gelassen; dann wandte sie sich wieder zu Ai zu.

„Nein, darauf wollte ich nicht hinaus. Ich meinte eigentlich, dass du wohl keine Möglichkeit mehr siehst, ihn da noch lebend rauszukriegen. Ich dachte, deswegen schaust du so betrübt. Dass du dich in ihn verliebt hast, wusste ich nicht.“

Sie seufzte.

„Aus welchem anderen Grund ziehst du denn dann so ein düsteres Gesicht, little one? Du wirkst verbittert...“, fragte sie dann.

Das Mädchen zog es vor, zu schweigen, und so blieb Jodie nichts anderes übrig, als zu raten.

„Bist du eifersüchtig, sweetheart?“

„Nein, bin ich nicht.“, antwortete die Kleine stur.

Die FBI-Agentin seufzte.

„Doch, bist du. Versuch nicht, mich anzulügen.“

Ai blickte hoch.

„Selbst wenn, wüsste ich nicht, was Sie das angeht.“

Jodie schaute zu ihr hinab. Das kleine Mädchen war kalkweiß im Gesicht, ihre Unterlippe zitterte und ihre Hände hatte sie in den Hosentaschen vergraben. All diese Dinge straften das Desinteresse und die Kälte in ihrer Stimme Lügen.

„Du bist eifersüchtig, und du hast Schuldgefühle. Und du fürchtest etwas. Was ist denn los…?“

„Ich beneide sie.“, murmelte Ai schließlich, senkte ihren Blick.

„Ich beneide Ran um Shinichi. Ich gönne ihn ihr nicht. Ich habe versucht, sie auseinander zu bringen. Ich hab ihn manipuliert, ihm für ihn wichtige Details verschwiegen, wie die Dauer des temporären Gegengifts. Ich sabotierte seine Pläne, brachte ihn dazu, sie anzulügen, damit sie ihn hasst…“

Jodie starrte sie erstaunt an.

„Aber…“

„Kein Aber.“, murmelte Ai.

„Ich kann nicht anders. Und jetzt sehen Sie sich das an, wie weit ich ihn getrieben habe… mit Absicht, denn mir ist bewusst, was ich mache. Ich kann's nicht ändern, ich bin einfach so.“
 

Sie hob ihren Kopf wieder, starrte auf die Lichter der Vergnügungsparkattraktionen, deren bunter Schein sich in ihren Augen spiegelte.
 

„Ich hab’s gesehen. Ich hab gesehen, wie schlecht es ihm ging, ich hab ihn leiden sehen, und ich wusste, ich bin mit Schuld daran. Er hat sich gequält, wegen Ran. Und anstatt ihm zu helfen, wie er mir geholfen hätte, habe ich nie ein Wort der Aufmunterung oder des Trostes verloren. Es war mir egal, nein, schlimmer- es war mir Recht. Ich wollte ihn für mich haben, habe gehofft, irgendwann gibt er auf, fügt sich… und als er mit ihr Schluss gemacht hat, glaubte ich mich am Ziel. Ich hatte keine Ahnung wie fertig ihn das machen würde. Ich dachte, er kommt drüber weg- wie sehr hab ich mich getäuscht.

Sie haben ihn nicht gesehen, danach… ich schon. Und selbst da… hab ich nur ein „Es tut mir Leid“ herausgebracht. Ich hab ihn nicht ermuntert, nicht aufzugeben, sich bei ihr zu entschuldigen, was auch immer… ich hab nur gesagt, dass es mir Leid tut. Tut es auch. Ran ist ein nettes Mädchen. Und…“

Ai seufzte.

„Und jetzt habe ich Angst. Angst um sein Leben, das ich ihm zerstört habe. Und dennoch… Ich kann es nicht ändern. Ich bin egozentrisch und kein Gefühlsmensch.“
 

„Das ist nichts weiter als eine faule Ausrede. Sich selber zu ändern, das ist etwas, was durchaus in unserer Macht steht. Es ist alles nur eine Frage des Wollens.“
 

Ai schaute auf, sah in Shuichi Akais eisblaue Augen, die kurz auf sie herabblickten. Dann wandte er seinen Kopf, genauso wie sie selbst, in eine andere Richtung, als etwas anderes ihr Interesse erregte. Und nicht nur ihre.

Lautstarkes Poltern und Schreien zog die Aufmerksamkeit von jedem, der sich im Umkreis von zwanzig Metern befand, auf sich.

„Nun“, murmelte der FBI-Agent, „da vorne ist sie ja. Dann gehen wir am besten mal hin und helfen dem armen Teufel, der da jetzt in der Falle sitzt…“
 

Der Ursprung des Lärms war Ran, die mittlerweile das Führerhäuschen des Riesenrads erreicht hatte. Sie schrie und brüllte, traktierte die Glasscheibe mit Händen und Füßen wie eine Furie.

„Kommen Sie raus da!“

Im Inneren seiner Kabine war der Schausteller, ein kleiner dicklicher Mann, bis ganz nach hinten gerutscht, presste sich an die Rückwand und starrte mit vor Angst geweiteten Augen das außer Rand und Band geratene Mädchen vor seinem Stand an.

„Hinter Ihrem Fahrgeschäft wurde jemand entführt und Sie wollen nichts gesehen haben?! Das glaube ich nicht…!“

Dann war Shuichi bei ihr angekommen, packte sie am Oberarm und zog sie ein wenig zurück, presste gleichzeitig seine Dienstmarke gegen das Glas.

„Shuichi Akai, FBI. Kommen Sie bitte heraus, meine Partnerin“, er nickte in Jodies Richtung, „und ich hätten da ein paar Fragen an Sie.“

Als der Mann keine Anstalten machte, sich vom Fleck zu rühren, fügte der schwarzhaarige FBI-Agent mit einem eher zynischen, leicht spöttischen Lächeln hinzu: „Keine Bange, wir beschützen Sie natürlich vor der Kleinen hier.“
 

Der Mann warf ihm zwar einen leicht verärgerten Blick zu, bequemte sich aber nun endlich dazu, seine Hütte zu verlassen.

Währenddessen zog Akai Ran ein wenig abseits.

„Jetzt hör mir mal zu, Kleine. Du kannst dir versichert sein, wir alle wollen deinen Freund lebend finden, aber mit solchen Hauruck-Aktionen hilfst du ihm nicht weiter, hörst du? Du wirst so was in Zukunft unterlassen und solange ich und Jodie dabei sind, tust du das was wir für richtig halten, wir sind schon ein wenig länger im Business als du. Haben wir uns verstanden?“

Ran starrte ihn störrisch an und schwieg, drehte dann ihren Kopf zur Seite.

Er griff wieder ein wenig fester zu und zog sie zu sich, damit sie ihn wieder ansah.

„Haben wir uns verstanden?“, wiederholte er; aus seiner Stimme sprach Unnachgiebigkeit.

„Ja.“, presste Ran mit zusammengekniffenen Lippen hervor.

„Braves Mädchen.“

Das ‚brave Mädchen’ warf ihm einen giftigen Blick zu, der ihn allerdings herzlich wenig zu stören schien.

„Also schön.“, meinte er dann, als auch Heiji und Kazuha, sowie Ai und Jodie sich um ihn und Ran versammelt hatten.

„Jodie und ich befragen jetzt den Führer dieses Riesenrads, vielleicht hat er ja etwas gesehen. Ihr sucht solange das Gelände ab; besonders interessant dürfte wohl der Platz hinter dem Riesenrad sein.“

Damit drehte er sich um, zog Jodie mit sich und ließ sie alleine stehen.
 

„Na los, fangen wir an.“, murmelte Ai.

Als sich keiner der drei anderen rührte, drehte sie sich um schaute sie fragend an.

„Worauf wartet ihr? Er wird Recht haben, sie werden ihn wohl da drüben überwältigt haben, dort sieht sie keiner. Außerdem haben sie ihn dort das letzte Mal auch schon gekriegt…“

Ran schluckte.

Heiji starrte Ai feindselig an.

„Sag mal… was willst du eigentlich hier? Weswegen bist du mitgekommen?“
 

Ai zog die Augenbrauen überrascht hoch.

„Na, einen Hinweis finden, wohin sie ihn verschleppt haben, das will ich. Wie ihr doch auch, nicht wahr?“

„Weißt du, langsam fange ich an zu zweifeln, ob du’s mit Kudô so gut meinst, wie du immer tust. Du sagst zwar, du machst dir Vorwürfe, weil du ja angeblich ach so gut gewusst hast, wie schlecht es ihm ging… aber meines Erachtens kann es damit nicht so weit her sein.“
 

Ai erstarrte, ihre Hände verkrampften sich.

„Ich denke nicht, dass du auch nur ansatzweise erfasst hast, wie schlecht es wirklich um Shinichi stand, denn sonst… sonst hättest du dein kindisches Benehmen sein lassen, und ihm wirklich geholfen. Aber nein… du musstest ja unbedingt die verschmähte Geliebte spielen. Du bist egozentrisch, introvertiert und verschlossen, interessierst dich nur für dich. Ich glaube dir, dass du ihn finden willst, aber deine Motive sind mir noch schleierhaft. Warum ich dir das sage, ist, weil ich will, dass du dir klarmachst, was passieren wird, wenn wir ihn finden. Ich will, dass du dir bewusst wirst, dass du, wenn du uns jetzt hilfst, nicht nur ihm, sondern auch Ran hilfst. Wenn du damit nicht zurecht kommen solltest, wenn dieser ganze Mist hinterher wieder von vorne losgeht, dann solltest du jetzt besser gehen. Ich will dir keine böse Absicht unterstellen, aber ich sehe nicht länger mit an, wie du meinen Freund, ob nun freiwillig oder nicht, zugrunde richtest mit deinen Spielchen.“

Ai schluckte.
 

Er hat Recht, mit dem was er sagt. So… so bin ich wohl. Aber… will ich so sein?
 

Ran und Kazuha starrten Heiji erstaunt und mit leicht geöffneten Mündern an.

Das rotblonde Mädchen schaute einen nach dem anderen an, las auf all ihren Gesichtern Misstrauen und Ablehnung. An Rans bleichem Gesicht blieb ihr Blick haften.

„Ich will ihn genauso lebend wieder finden wie ihr…“

Dann straffte sich ihr kleiner Körper, Entschlossenheit spiegelte sich auf ihrem jungen Gesicht.

„Du hast Recht. Ich hab ihm nicht geholfen, ich war eifersüchtig und neidisch. Und ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht immer noch bin. Ich weiß nicht, ob ich das abstellen kann, aber ich will keinem damit schaden.“

Ai warf einen herausfordernden, prüfenden Blick in die Runde. Sie strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht. Ihre Finger zitterten.

„In meinem Leben habe ich viele falsche Entscheidungen getroffen, und nur wenige bereut. Wirklich bereut.

Aber zwei gibt es, zwei Entschlüsse, die ich gefällt habe, die ich am liebsten rückgängig machen würde. Und beide… beide betreffen Shinichi Kudô.

Die erste ist, die Forschung am APTX wieder aufgenommen und es nicht einfach als hoffnungslosen Fall und Gedankenspielerei belassen zu haben. Nein- ich musste ja unbedingt herausfinden, zu welchen Leistungen mein Hirn und die Forschung imstande waren. Damit habe ich nicht nur mir selbst geschadet, wahrscheinlich unzähligen Menschen das Leben gekostet, nein… ich habe ihm damit seine Identität genommen. Hätte ich die Arbeit einfach gelassen, meine Neugierde besiegt, dann wäre er nie in diese Situation gekommen. Ich weiß nicht, was stattdessen passiert wäre… aber nicht das hier, so viel ist sicher.

Zum zweiten... Nun, Fakt ist, dass ich mich in letzter Zeit auch nicht wirklich um ein Gegengift gekümmert hab. Ich dachte... dachte, er hält das schon aus.

Ich habe ihn gezwungen, dich anzulügen, dir nicht die Wahrheit über seinen Verbleib zu sagen. Ich wollte, dass du ihn hasst, deswegen. Weil er so selten da war, weil er dir nie sagte, wo er war. Ich wollte, dass du misstrauisch wirst, das Vertrauen in ihn verlierst, ich wollte, dass diese lange Trennung und seine Hilflosigkeit, seine Ohnmacht in dieser Situation ihn zermürbt. Ihn von dir abbringt. Genau das Gegenteil hab ich erreicht, und viel zu spät gemerkt.

Ich bin eine Egozentrikerin, eine skrupellose noch dazu, und das... das tut mir Leid. Reichlich spät, ich weiß. Ich entschuldige mich dafür bei dir...

Ich hab ihn dazu getrieben, ein Ende herbeizusehnen, diesen Schritt zu tun…

Ich bin Schuld, dass das hier gerade passiert.“

Eine Träne rann ihr aus dem Augenwinkel. Sie wischte sie unwillig weg und räusperte sich.
 

Ich könnte mich ändern… ich will doch nicht Schuld am Unglück anderer sein… eigentlich.
 

„Und außerdem… gibt es da noch etwas, was mir noch auf dem Herzen liegt. Ich… wisst ihr… was ich nicht für ihn war, eine Freundin, jemand der ihm zur Seite steht… war er trotz allem für mich. Shinichi war mir immer ein guter Freund, er war hilfsbereit und fürsorglich, hat mir die Hand gereicht, als ich am Boden lag, hat mich nicht verurteilt oder gehasst dafür, was ich bin, wozu er jedes Recht gehabt hätte. Er hat mir gezeigt, was Freundschaft bedeutet. Dass das Leben auch schön sein kann.

Dafür will ich ihm noch Danke sagen…“

Den letzten Satz wisperte sie nur noch, er ging fast unter im Gemurmel, Gelächter, Getuschel und Geraune der Menschen um sie herum.

Heiji nickte nur.
 

Doch ja… ich will mich ändern.

Es ist an der Zeit.

Trophäen

Hi folks!
 

Hmmm… Spoiler? Mein Wissen basiert eigentlich fast ausschließlich auf dem Manga und dem Anime. Ich lese aufmerksam die Bände und ziehe daraus meine Schlüsse - und ob die gewissen Gerüchten oder Spoilern ähneln, interessiert mich nur zweitrangig. Wichtig für mich ist, dass sie in meine Handlung passen, dass das große Ganze in sich stimmig ist. Ich hoffe zumindest, dass es das ist- in sich stimmig und logisch.
 

Ai. Ja, ich weiß, sie redet viel. Und ich gebe zu, unter normalen Umständen würde sie das auch nicht tun- aber das hier ist keine normale Situation. Der Mensch, der ihr nach ihrer Schwester wohl am nächsten steht, wird wahrscheinlich sterben; da verhält sich selbst Ai nicht so nüchtern, verschlossen und abgeklärt wie immer. Das zumindest ist meine Meinung.
 

Tja- und diesmal kommt der, auf den ihr so lange schon wartet: the Big Boss.

Dazu ist zu sagen, er ist wirklich rein fiktiv- ich gebe zu, ich hab keine Ahnung, wen der gute Gosho dafür auserkoren hat. So jedenfalls stelle ich ihn mir vor.
 

Viel Vergnügen beim Lesen, ich verschwinde jetzt.

MfG, Leira :)
 

PS: Der Weihnachtsoneshot folgt morgen oder übermorgen. Wie die Abstimmung ergab, wolltet ihr auf Kap sieben nicht verzichten. Ich hoffe, es lohnt sich.
 

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Shinichi ging hinter Chianti her.

Hinter ihm ging Gin, neben ihm Vodka. Seine Fluchtmöglichkeiten waren gleich null.
 

Allein der Gedanke an ein Weglaufen war absurd.
 

Vermouth stand wartend neben einer Tür, öffnete sie und trat zusammen mit Shinichi und seinen Begleitern ein. Alle begaben sich hinein – alle, bis auf Chianti, die sich nach einem warnenden Blick von Vermouth mit einem wütenden Fauchen umdrehte und mit weit ausholenden Schritten abzog.

Kaum hatte Shinichi den Raum betreten, packten ihn Gin und Vodka links und rechts und zerrten ihn zu einem Stuhl. Handschellen schnappten zu und fixierten seine Arme hinter der Rückenlehne des Sitzmöbels, wobei seine Häscher tunlichst darauf achteten, seine Unterarme unter den Armstützen durchzuführen, um ihm ein Aufstehen unmöglich zu machen.

Shinichi schluckte.
 

Das fängt ja schon mal gut an…
 

Vermouth, Gin und Vodka nahmen auf drei von fünf schwarz lackierten, hochlehnigen, gepolsterten Holzstühlen Platz, die hinter einem großen, ovalen Tisch standen, dessen Tischplatte aus Glas auf einem schmiedeeisernen Gestell ruhte. Die mittleren beiden ließen sie leer.
 

Auf der Tischplatte waren in gläsernen und kristallenen Karaffen und Flaschen unterschiedliche Getränke arrangiert; die verschiedensten Gläser standen bereit, um die wahrscheinlich hochprozentigen Flüssigkeiten zu verkosten. Ein kleiner Teller mit schwarzer Schokolade sowie eine silberne Platte mit roten und weißen Trauben standen ebenfalls bereit, genauso wie ein silbernes Eimerchen gefüllt mit Eiswürfeln und eine dazupassende Zange.

Keiner rührte sich, oder wagte, sich an den dargebotenen Getränken zu bedienen.

Eine Zeitlang starrten Shinichi, Vermouth, Gin und Vodka sich nur gegenseitig an, keiner gab auch nur einen Laut von sich. Schließlich begann Shinichi, sich im Raum umzusehen.
 

Der Raum war groß, die Wände hoch und stuckverziert- von der Decke hing ein Lüster, an dem hunderte Kristalltropfen funkelten. Die Einrichtung war exquisit, stilvoll und ohne Zweifel teuer. Der Boden bestand aus schwarzem und weißem Marmor und die Wände waren teilweise mit edlen Tropenhölzern vertäfelt, der Rest mit schimmernden, champagnerfarbenen, bestickten Seidentapeten bespannt, die von davor gesetzten Glasplatten geschützt wurden. In einer Ecke standen eine cremefarbene Verloursledercouch und davor ein schwarzer Ebenholztisch, auf dem ebenfalls Gläser und Flaschen sowie eine Kristallschüssel mit Süßigkeiten angerichtet waren.
 

Dann wanderte sein Blick weiter nach hinten, blieb an der Rückwand des Zimmers haften.

Sie bestand vollständig aus Regalen und Vitrinen. In den Regalen reihten sich große Fotoalben und Bücher aneinander, die Vitrinen quollen schier über - dicht an dicht wurden in ihnen wertvolle Kostbarkeiten gelagert und zur Schau gestellt.

Teure Uhren, juwelenbesetzte Colliers, massive, goldene Siegelringe, diamantbestückte, glitzernde Tiaras, Ketten, Armreife, Perlen und Edelsteine wohin man sah…

Ergänzt wurde dieser Schatz durch eine ganze Sammlung der verschiedensten Dolche und Schwerter, allesamt Meisterstücke, Paradebeispiele der Schmiedekunst, aufwändig verziert und in ihren Halterungen glänzend zur Geltung gebracht. Auch einige antik anmutende Samuraischwerter befanden sich darunter, daneben uralt scheinende Colts und andere Handfeuerwaffen.

Den Höhepunkt allerdings bildete ein kunstvoller, definitiv extrem wertvoller, mit Gold geschmückter Wandschirm, auf dem Kraniche und ein Sonnenuntergang abgebildet waren.

Shinichi zweifelte daran, dass dieses Meisterwerk auf ehrlichem Wege erworben worden war. Es war gestohlen worden, bestimmt; genauso wie all die anderen Preziosen, die sich hier befanden. Entwendet aus Museen und Privatsammlungen, dessen war er sich sicher.

Er riss sich von dem Anblick los, wollte sich die letzte Vitrine genauer anschauen… und erstarrte. Das, was hier gezeigt wurde, bildete einen krassen Gegensatz zu allem, was er bisher gesehen hatte.
 

Die gläsernen Regalplatten waren voll, fast überfüllt, von Ramsch, Krimskrams, den verschiedensten Sachen - die meisten davon alles andere als wertvoll oder teuer.

Zu sehen war eine Krawatte. Eine Herrenarmbanduhr. Verschiedene Schlüsselanhänger, Schlüssel, zwei oder drei Handys… ein Tagebuch, ein Notizblock, zwei Taschenkalender, ein paar Füllfederhalter, zwei Brillen, ein paar Talismane, etwas Modeschmuck, eine Haarspange, Anstecknadeln, Manschettenknöpfe… eine winzige Schildkröte, geschnitzt aus grüner Jade, Fotographien, ein Medaillon, eine kleine Porzellankatze, Eheringe, …
 

Eheringe?
 

Er blinzelte.

Und dann wusste er, was das alles war.

Wozu diese seltsame Sammlung gut war.

Ihn durchfuhr es siedendheiß.
 

Das hier war eine Trophäensammlung.
 

Beweisstücke über den Sieg gegen seine Widersacher.

Wie krank musste dieser Mensch sein, der sie gesammelt hatte. Ein Psychopath, wie er im Buche stand.

Der Boss… zweifellos war das sein Salon, sein privates Museum, in dem er seine Beute, seine Preise, ausstellte.

Ein anderer Gedanke schoss ihm durch den Kopf.
 

Was bleibt hier von mir zurück?
 

Allerdings blieb ihm nicht viel Zeit, diesen Gedanken weiterzuverfolgen; das Geräusch der sich öffnenden Tür ließ ihn, zumindest soweit es seine Handschellen zuließen, herumfahren.
 

Herein kam ein Mann in Schwarz.
 

Er war groß, schlank, seine Haare an den Schläfen leicht ergraut. Shinichi schätzte ihn um die Fünfzig.

Er wusste sofort, wer es war. Man erkannte es nicht nur daran, dass die drei anderen aufstanden, als er den Raum betrat. Ihn umgab eine Aura von Macht, von Autorität, von Skrupellosigkeit, die jeden noch so grausamen Diktator dieser Welt erzittern lassen würde, wie ein kleines Lamm vor dem Schlachter mit dem Beil in der Hand erbebt.
 

Der Boss der Schwarzen Organisation.
 

Der Mann trat vor ihn. Shinichi blickte auf. Er hasste es, aufblicken zu müssen.

Das Gesicht des Fremden war auffallend ebenmäßig und glatt rasiert. Er hatte eine scharfe, gerade Nase, schmale Lippen, ein markantes Kinn - und graue Augen, die aussahen, als wären sie aus Stahl.

Sie starrten unbarmherzig auf ihn herab.

Als er sprach, klangen seine Worte, seine Stimme kalt wie Eiszapfen, die abbrachen und auf dem Boden zerbarsten. Der Mann zog sein Handy aus der Innentasche seines Sakkos, klappte es auf und hielt es ihm hin.

„Wir haben korrespondiert.“
 

Zu lesen war seine Nachricht. Die, die er so planlos geschrieben und abgeschickt hatte.

Shinichi blinzelte.
 

„Was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen? Angst vor der eigenen Courage?“

Der Boss lächelte kühl.

Shinichi runzelte die Stirn, fasste sich wieder.

„Nun, ich nicht. Aber Sie fürchten sich anscheinend, wenn Sie mich im Beisein ihrer Wachhunde immer noch anketten müssen.“

In Gedanken fragte er sich, woher er den Mut für seine Dreistigkeit nahm. Das hier war beileibe keine lustige Situation.

Das sah der Boss anscheinend genauso. Er kniff die Augen zusammen.

„Wenn ich dir einen Rat geben darf- hüte deine Zunge, mein junger Freund, denn ich denke nicht, dass du in der Position bist, um solche Sprüche zu reißen.“

Er ließ sein Handy wieder zuschnappen und steckte es weg, kam ein wenig näher, betrachtete seinen Gefangenen prüfend.
 

„So, so… Shinichi Kudô. Du bist also dieser kleine Bastard, der mir so eifrig meine Pläne vereitelt. Wie überaus freundlich, dass du mir auch mal die Ehre deines Besuches gewährst.“

Seine Augen waren ohne zu blinzeln auf ihn geheftet.

„Aber entschuldige meine schlechten Manieren. Wie du wohl erraten hast, bin ich der, der hier das Sagen hat.“

Er grinste abfällig.

„Ich hoffe, du warst zufrieden mit deiner Unterbringung. Ich weiß, es ist nicht das Ritz Carlton…“

Shinichi starrte trotzig hoch und verbiss sich seinen schnippischen Kommentar. Es war wahrscheinlich unklug, den Boss jetzt schon auf die Palme zu bringen.
 

Sein Gegenüber beugte sich ein wenig zu ihm herunter.

„Wie alt bist du? Zwanzig? Einundzwanzig? Fast noch grün hinter den Ohren und schon so ein dreckiger Schnüffler…“

Ein süffisantes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Also, Kudô… wie alt?“, wiederholte der Mann seine Frage nachdrücklich.

„Zwanzig.“, knurrte er schließlich leise.

Der Chef der schwarzen Organisation kniff die Augen zusammen. Dann schlug er ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht.
 

Der junge Mann schluckte seinen Schrei hinunter und atmete tief durch. Er schaute seinem Gegenüber nur weiterhin feindselig in die Augen, in denen er nun ganz deutlich dessen Zorn ablesen konnte.

Shinichi hatte nicht vor, klein beizugeben. Er würde sterben hier drin, das war so gut wie sicher- aber er war fest entschlossen, hocherhobenen Hauptes seinem Schicksal ins Auge zu sehen. Ganz sicher würde er nicht um Gnade betteln.

Ganz bestimmt nicht.

Nicht er.
 

Der Boss hingegen drehte sich um, fixierte seine Gefolgsleute mit wutverzerrtem Gesicht.

„Habt ihr das gehört, ihr Versager? Zwanzig! Erst zwanzig Jahre alt und schon seit Jahren, seit Jahren, führt er euch an der Nase herum! Und wisst ihr, warum er heute hier ist? Nicht etwa, weil wir ihn in die Enge getrieben und ihm keine Wahl gelassen hätten, nein- er hat sich freiwillig gestellt! Freiwillig.“

In seiner Rage war er wie ein Tiger in einem zu kleinen Käfig vor Shinichi und seinen Untergebenen auf und ab gegangen, hatte heftig gestikuliert und war zum Ende hin immer lauter geworden.

„FREIWILLIG!“

Er atmete tief durch, versuchte sich wieder zu sammeln und wandte sich wieder seinem Gefangenen zu.

„Aber lassen wir das. Wie kommt es, dass ein so junger Kerl wie du mir ständig in die Quere kommt? Wer hängt noch mit drin, wer weiß sonst noch von uns?“

Seine Stimme klang frostig.

Shinichi schwieg, wandte den Kopf ab.

„Warum hast du dich gestellt? Du hättest wissen müssen, dass ich dir eine Falle stelle.“

Der junge Detektiv gab weiterhin keinen Mucks von sich.

Der Boss der schwarzen Organisation war blass vor Zorn geworden.

„Du hältst dich wohl für extrem schlau.“

„So ist es.“, murmelte Shinichi leise und biss sich gleich darauf auf die Lippen.

Sein Gegenüber verengte ärgerlich die Augen.

„Weißt du, das, was mich so aufregt an dir, sind eigentlich weniger deine frechen, ja, dreisten Antworten, als die Tatsache, dass du Recht hast. Du bist tatsächlich sehr, sehr clever. Darum will ich meinen, es wäre töricht, wenn ich dir diese Frage nicht stelle, obwohl ich befürchte-…“, er lächelte säuerlich, „dass ich mir den Atem sparen kann.“
 

„Es interessiert mich nicht…“

Der alte Mann machte eine lockere Handbewegung und schnitt ihm damit das Wort ab.

Dann beugte er sich wieder etwas vor zu ihm.

„Du siehst doch die zwei Stühle da drüben. Die, die noch leer sind.“

„Ja.“, presste er hervor, nickte widerwillig.
 

„Nun, wie du dir denken kannst, gehört der mittlere Stuhl mir.“

Er lächelte verschlagen.

„Den anderen, rechts von meinem, könntest du haben. Ich biete ihn dir an. Werde Mitglied meiner Organisation, werde meine rechte Hand.“

Shinichi starrte ihn ungläubig an.

Wie konnte dieser Mann auch nur im Traum daran glauben, dass er die Seite wechseln würde?

Von allen Menschen auf dieser Welt ausgerechnet er?!
 

Er schüttelte vehement den Kopf.

„Sie hatten Recht. Den Atem für die Frage hätten Sie sich sparen können.“

Der Boss richtete sich auf, schaute ihn abschätzig an.

„Ich bin mit meiner Argumentation noch nicht am Ende angelangt.“

„Ich denke nicht, dass es weiterer-…“

Sein Gegenüber hob die Hand, was Shinichi zum Schweigen brachte.

„Ich an deiner Stelle würde mir zuhören.“
 

Er wandte Shinichi kurz den Rücken zu, trat an den Tisch und goss aus einer Karaffe ein wenig von der darin enthaltenen braungoldenen Flüssigkeit in ein bauchiges Kristallglas mit kurzem Fuß.

Ein Cognacschwenker.
 

Cognac…

Shinichi blinzelte.
 

Der Mann hob das Glas an seine Nase und schnupperte daran, ließ das Glas in seiner Hand kreisen, beobachtete, wie die Flüssigkeit hin- und herschwappte.

„Ich kann dir mehr Macht, mehr Ruhm, mehr Einfluss und Reichtum verschaffen, als du es dir in deinem normalsterblichen Leben auch nur erträumen kannst. An meiner Seite, mit meiner Hilfe, würdest du einer der berühmtesten und berüchtigtsten Männer in ganz Japan werden. Oder besser gesagt: Ich werde mit deiner Hilfe der einflussreichste, gefürchtetste und mächtigste Mann in ganz Japan sein.“

Er lachte amüsiert. Shinichi starrte ihn angewidert an.
 

„Aber du brauchst nicht denken, dass ich undankbar bin. Ich zeige mich denen gegenüber, die mir einen Gefallen tun, als durchaus großzügiger und gütiger Mensch.“

„Gütig?!“, brach es aus Shinichi heraus. Der Zynismus in seiner Stimme war kaum zu überhören.

Der Boss der Organisation verengte seine Augen zu Schlitzen.

„Nur gegenüber denen, die sich mir als gefällig erweisen, wie gesagt. Ich hätte gerne deine Antwort. Jetzt.“

„Nein.“

Der Mann trat näher, schaute ihn durchdringend an.

„Nein?“

„Nein, Danke.“ Shinichi wich seinem Blick nicht aus.

„Bist du sicher?“

Seine Stimme klang schneidend.

Shinichi nickte fest. Ihm war kalt, er hatte Angst- aber er würde weder sich selbst, seine Prinzipien, noch seine Freunde verleugnen.

„Kein Geld, kein Ruhm und keine Macht der Welt könnten mich dazu bringen, meine Prinzipien zu verraten.“, flüsterte er; leise zwar, aber bestimmt.
 

Der Boss starrte ihn von oben herab an.

„Ist das dein letztes Wort?“, fragte er eisig.

Shinichi merkte, wie ihn seine Stimme zu verlassen drohte, als er antwortete.
 

„Ja.“
 

„Also schön. Du kannst nicht sagen, du hättest keine Wahl gehabt.“

Er atmete tief aus.

„Dann wäre nur noch eine Sache zu klären. Nein, zwei Sachen, eigentlich. Nun aber zu meinem ersten Anliegen… oder besser gesagt- meinem Abschiedsgeschenk an dich. Eine große Ehre, die ich dir da zuteil lassen werde, mein Freund.“

Ein grausames Lächeln trat auf sein Gesicht.

„Wie ich dich kenne, wirst du, als waschechter Detektiv, bestimmt schon die Räumlichkeiten, in denen du dich momentan aufhältst, in Augenschein genommen haben. So gut es ging, unter deinen Umständen, zumindest.“

Er lächelte humorlos und nippte an seinem Glas, schloss versonnen die Augen und ein verzückter Gesichtsausdruck trat auf sein Gesicht.
 

„Remis Martin, exzellenter Jahrgang.“

„Kann ich nicht beurteilen, ich mach mir nichts aus Alkohol.“, entgegnete Shinichi schnippisch.

Der Boss zog die Augenbrauen hoch.

„Immer noch zu Scherzen aufgelegt, wie? Nun, das wird dir noch vergehen, glaub mir. Und jetzt antworte gefälligst!“

„Stilvolles Ambiente, teurer Geschmack.“, konstatierte der junge Detektiv widerwillig.

Der Mann neigte gespielt geschmeichelt sein Haupt.

„Danke. Aber das ist es nicht, worauf ich hinaus will. Mich würde viel eher interessieren, ob dir meine ganz besondere Vitrine aufgefallen ist.“, erwiderte der Mann.

„Ist sie. Deswegen sagte ich es ja… ein teurer Geschmack.“
 

Diese Sammlung kostete Leben…
 

Sein Gegenüber grinste amüsiert, als er die Aussage seines 'Gastes' begriff.

„Nun, dann darf ich annehmen, du hast erkannt, um was es sich dabei handelt?“

Shinichi schloss die Augen, atmete schwer aus.

Die Eheringe kamen ihm wieder in den Sinn.

Hatten sie- hatten sie etwa Shihos Eltern gehört?
 

„Das sind Trophäen. Sie ermorden ihre Widersacher und sammeln Stücke aus deren Besitz, die diesen wichtig waren, genauso wie die Indianer die Skalps ihrer Besiegten sammelten…“

Der Boss nickte zufrieden; dann streckte er herrisch die Hand aus.

„Die Tasche bitte.“

Vermouth stand auf, zog einen ledernen Beutel unter ihrem Stuhl hervor und händigte ihn ihrem Chef aus.

Der nahm ihn entgegen und leerte seinen Inhalt auf der Tischplatte aus, wobei er tunlichst darauf achtete, dass Shinichi gut hinsehen konnte.

Der brauchte nicht zweimal hinzuschauen, um zu erkennen, welche Sachen das waren.
 

Es waren seine.
 

Der Mann drehte sich um, lehnte sich gegen den Tisch, schlug lässig ein Bein über das andere und schaute ihn provozierend an. Dann nahm er genüsslich einen weiteren Schluck Cognac.

„Nun. Da du ja so wild entschlossen warst, mich zu deinem Feind zu machen, sage mir… was soll ich als Zeichen für deine Niederlage in meiner Vitrine ausstellen?“

Er hob die rote Fliege hoch.

„Die hier? Oder…“

Und damit begann er, einen Gegenstand nach dem anderen hochzuhalten, seinem Gefangenen zu zeigen, wobei er ihn ins Licht des Kronleuchters hielt, ihn drehte und wendete, bewunderte wie ein Schmuckstück und dann langsam, sorgfältig, ja, fast zärtlich, auf der Tischplatte ablegte wie eine unbezahlbare Kostbarkeit.

Seiner Fliege folgten seine Uhr, seine Schuhe, sein Wohnungsschlüssel für die Wohnung der Môris, seine Hausschlüssel, sein Handy, sein Notizbüchlein, sein Kalender, sein Detektivabzeichen, die Radarbrille, ein paar Peilsender und Wanzen, ein Kugelschreiber und sein heißgeliebter Füllfederhalter…

Zu guter Letzt öffnete der Mann Shinichis Portemonnaie, leerte das Münzfach aus, warf die paar Banknoten, die sich darin befanden, auf den Tisch, und öffnete dann den Reißverschluss, um den Inhalt der Innentaschen herauszuholen.
 

Interessiert zog der Mann die Augenbrauen hoch, als er ein mitgenommen aussehendes Stück Papier herauszog.

Es war die Eintrittskarte für das Tropical Land von vor drei Jahren, zusammen mit einen Foto.

Ein Foto von ihm und Ran.

Es war in der Fotokabine im Beika-Center aufgenommen worden. Er wusste noch genau, wie nervös er gewesen war, als sie sich an ihn gedrückt hatte, ihre Wange an seiner, um aufs Bild zu passen. Er hatte nur gehofft, dass sie nicht merkte, wie es um ihn stand. Hatte gehofft, sie konnte sein Herz nicht hören, das ihm in diesem Moment bis zum Hals schlug.

Danach hatte sie ihm zwei der vier Fotos in die Hand gedrückt und gelächelt. Nichts gesagt, nur gelächelt.

Shinichi hatte eins abgeschnitten und trug es seitdem zusammen mit dieser gottverdammten Karte immer mit sich herum.
 

„Ahhh…“

Der Chef der Schwarzen Organisation grinste hämisch.

„Na, das passt ja mal wie die Faust aufs Auge. Das nehmen wir. Was meinst du?“
 

Shinichi regte sich nicht.

„Ich werte das mal als ja.“, grinste der Mann, ging zu seiner Vitrine, sperrte sie auf und wollte gerade die Sachen hineinlegen, als er zögerte.

„Ein hübsches Mädchen.“, murmelte er, schaute auf das Bild.

Shinichi stockte der Atem.

Dann legte der Boss das Foto und die Eintrittskarte hinein und drehte sich wieder um- ohne abzuschließen.

Shinichi schluckte.
 

Lass sie in Ruhe…
 

„So, dann hätten wir das.“, meinte der Chef der schwarzen Organisation zufrieden und lehnte sich erneut gegen den Tisch.

„Nun zu der zweiten Sache, von der ich gesprochen hatte.“

Er fuhr sich mit der Handfläche über sein glatt nach hinten gekämmtes Haar.

„Ich hätte da noch ein paar Fragen an dich, mein junger Freund. Je nachdem wie artig du bist, wird dein Tod gnädiger oder qualvoller ausfallen. Es liegt an dir.“

Er nippte an seinem Glas.
 

„Wo ist Sherry? Ich vermute, dass du sie kennen musst, sie wird dich bestimmt gesucht haben. Wir wissen, dass sie noch lebt, Gin hat sie gesehen, vor einiger Zeit. Aber wir wissen nicht, wo sie steckt. Man sah immer nur dich, den kleinen Conan… auch wenn du darauf geachtet hast, nicht zu oft in der Zeitung zu erscheinen. Wir hätten noch eine Weile gebraucht, herauszufinden, dass du geschrumpft wurdest- jetzt da wir wissen, dass es so etwas gab, das Gift nicht bei allen tödlich wirkte, konnten wir uns auch erklären, wie sie damals entkommen konnte. Auch sie wurde geschrumpft, nicht wahr? Wo versteckt sie sich? Erzähl mir nicht, dass du sie nicht kennst, du, als eher zweifelhafter Todesfall warst bestimmt die erste Adresse auf ihrer Liste…“

Shinichi wandte den Kopf ab, warf einen Blick in Vermouths Gesicht- sie hatte also wirklich Wort gehalten und nicht mehr nach Ai gesucht. Nicht einmal ihrem Boss verraten, wo sie steckte. Und er würde auch nichts sagen. Kein Wort mehr.
 

„Also willst du kein braver Junge sein.“, bemerkte der Boss und winkte Gin zu sich heran.

„Überzeuge ihn bitte davon, dass es besser ist, mir Antworten zu geben.“
 

Shinichi starrte in Gins bösartig grinsendes Gesicht. Er konnte sich denken, was jetzt kam, als der sich die Ärmel hochkrempelte.
 

Shit.
 

Er wusste, dass er von dem Blonden keine Gnade zu erwarten hatte. Dieser Mann war ein Killer, und sicher konnte er zuschlagen. Und er wollte zuschlagen. Es würde ein Vergnügen für ihn sein.

Gin lächelte breit und knackte mit seinen Handknöcheln.

„Sag Auf Wiedersehen zu deiner Visage, Kudô.“
 

Er wird mein Gesicht zu Brei schlagen.
 

Shinichi schluckte. Zweifelsohne würde er das tun. Er wappnete sich, versuchte sich darauf gefasst zu machen, was kommen würde.

Der Schlag traf ihn mit voller Härte mitten ins Gesicht. Shinichi schrie auf… fühlte etwas Warmes aus seiner Nase laufen, schmeckte Blut…

Er schaute Gin ins Gesicht, der ihn bösartig anstarrte.
 

„Bist du jetzt eher geneigt, mir etwas zu erzählen?“

Der Boss der Organisation trat hinter Gin hervor und schaute ihn gehässig grinsend an.

Shinichi schluckte.

„War zwar ein wortwörtlich schlagendes Argument…“, murmelte er zynisch.

„Aber nein, ich habe nicht vor, irgendetwas zu dem Thema zu sagen.“
 

Der Boss starrte ihn wütend an.

„Du kleiner, dreckiger… Wer weiß von uns? Wem hast du gesagt, wer wir sind, dass es uns gibt? Und wo zur Hölle ist Sherry? WO!?“, fuhr er ihn an. Der Mann war außer sich.

Shinichi schwieg.

Der ältere Mann bedachte ihn mit einem abfälligen Blick.

„Ganz wie du willst.“

Shinichi konnte sich denken, was jetzt wieder kommen würde- und er behielt Recht.

Gins zweiter Schlag war nicht minder hart als der erste. Shinichi stöhnte qualvoll auf, merkte, wie seine Lippe aufplatzte, aber es gelang ihm, diesmal nicht zu schreien.

„Und? Willst du weiter schweigen?“
 

Shinichi biss sich auf die Lippen. Langsam wurde ihm schlecht. Blut lief ihm über den Hals und sickerte in seinen Kragen.

Aber er schwieg weiter.

Der Chef der schwarzen Organisation starrte ihn mit unverholener Wut an, dann schaute er zu Gin.

Ein weiteres Mal traf Gins Faust sein Ziel.

Shinichi keuchte, als ihn jemand wieder hochzog, in den Stuhl drückte.

„Na?“

Der Boss war näher getreten, schaute in von oben herab an, die Hände vor der Brust verschränkt, in den Augen ein eiskaltes, grausames Funkeln.
 

Shinichi kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
 

„Also dann eben etwas anderes.“

Der Boss holte sein Mobiltelefon aus seiner Sakkotasche, wählte eine Nummer.

Er sagte nur drei Worte, als am anderen Ende abgehoben wurde.

„Sie soll kommen.“
 

Shinichi wandte den Kopf, suchte das Gesicht der blonden Frau, fand es- und stutzte. Wen er sah, war Sharon. Nicht Vermouth. Diese Frau war in diesem Moment nicht Mitglied der Organisation.

Sie starrte ihn an, einen Ausdruck in ihrem Gesicht, den er nie bei ihr erwartet hätte.

Entsetzen. Und… Mitleid.
 

Wer sie war, sollte Shinichi bald erfahren; nach ein paar Minuten ging die Tür auf, und eine junge Frau trat ein.

Sie hatte kinnlange, blonde Haare, trug einen weißen Kittel und hielt ein Tablett mit drei gläsernen Spritzen, das sie auf dem Boden neben seinem Stuhl abstellte.
 

Shinichi merkte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich.
 

Gott, nein. Warum tut man mir das an? Warum passiert mir das?
 

Er schloss die Augen und atmete tief durch. Er musste sich sehr zusammenreißen, um in der blonden Frau nicht Shiho zu sehen.

Und doch wusste er, dass auch sie mal genau an der Stelle der jungen Forscherin hier gestanden hatte. Bereit, ihre neuen Mittelchen an Menschen auszuprobieren, nicht nur an weißen Mäusen.

Die junge Frau nahm eine Spritze und ging auf ihn zu, zögerte.

Sie schien äußerst nervös zu sein; unsicher schaute sie von ihm zu ihrem Boss und wieder zurück.

Cognac lächelte schadenfroh.
 

„Und? Verspürst du jetzt vielleicht das dringende Bedürfnis, zu reden?“
 

Shinichi schüttelte stumm den Kopf.

Der Boss nickte der Forscherin zu.

Sie zog die Schutzkappe ab und drückte den Kolben nach oben, bis die ersten Tropfen herausspritzten.
 

Angst breitete sich in ihm aus, durchflutete ihn, strömte in jede Faser seines Körpers, umnebelte sein Denken…

Gut, er hatte vorher auch schon… Angst… gehabt, aber jetzt…

Er starrte die silbrig glänzende Nadel mit geweiteten Augen an.
 

Gott, nein. Nein, nein, NEIN!
 

Sie näherte sich.

Er schluckte. Alles an ihm, alles ihn ihm verkrampfte sich. Er versuchte, nicht dran zu denken, was jetzt vielleicht kam.
 

Denk an was Schönes…denk an was Schönes… das hier passiert nicht dir, du bist nicht hier. Denk an…

Ran…
 

Er begann zu zittern. Er konnte es nicht kontrollieren. Ihm wurde kalt, sein Atem ging unregelmäßig und flach.

Shinichi merkte, wie er ins Schwitzen geriet. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
 

Die Frau stand über seinen rechten Arm gebeugt, dann schaute sie auf. Sah die Angst in seinen Augen. Und er sah sie… die Angst in den ihren.

Und ihre stumme Bitte, ihr das, was sie tun musste, zu verzeihen.

„Es wird vorbeigehen…“, flüsterte sie.

„Verzeih mir…“
 

„Nein!“

Er schrie, wollte seinen Arm wegziehen, aber Gin und Wodka waren schon zur Stelle um ihn festzuhalten…seinen Kopf nach hinten zu drücken, seinen Arm an die Lehne des Stuhls zu nageln.

„Nein, nein, nein!“

Gin hielt ihm halb die Nase zu, als er seine Hand auf seinen Mund presste, um seine Schreie zu ersticken. Shinichi bekam kaum noch Luft, versuchte sich dennoch zu wehren, seine Hände aus den Fesseln zu ziehen, aber es ging nicht… es ging nicht…
 

Nein…
 

Er sah das Gesicht der Forscherin nur noch aus den Augenwinkeln. Sie versuchte, sich auf seinen Arm zu konzentrieren.

Shinichi wurde halb wahnsinnig vor Angst.

Er hörte ein ersticktes Schluchzen.

Sie weinte.

„Es tut mir Leid!“, brach es aus ihr hervor.

Dann hörte er es krachen und splittern.
 

Gin und Vodka ließen ihn plötzlich los.

Die Frau neben ihm sackte schluchzend auf den Boden.

Er hörte nur noch wie durch Watte, dass der Boss der Organisation wütend schrie.

Er konnte nicht mehr klar denken, nicht mehr… wahrnehmen, was um ihn vorging. Sein Kopf tat weh.
 

Was war hier los?
 

Er starrte Vermouth an, blinzelte, versuchte sich zu konzentrieren. Sie starrte zurück, die Hand immer noch zum Schlag erhoben. Sie hatte der Frau die Spritze aus der Hand geschleudert, war auf das Tablett getreten, hatte es zur Seite gestoßen.
 

Sharon ließ die Hand sinken. Eine halbe Ewigkeit schien sie einfach nur dazustehen, und auf die vielen, vielen Glassplitter zu blicken, die das Tablett und den Boden bedeckten, im Licht des Kronleuchters wie die Diamanten in den Vitrinen glitzerten.

Es war totenstill im Raum, einzig und allein die Schluchzer der Forscherin, die neben ihm auf dem Boden kauerte, waren zu hören.

Shinichi warf Vermouth einen erstaunten Blick zu. Und was er da sah… konnte er kaum glauben, meinte zu halluzinieren. Für Sekundenbruchteile meinte er ein winziges, triumphierendes Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben.
 

Ein weiteres Mal klirrte es. Diesmal kam das Geräusch von dem kristallenen Cognacschwenker, der neben Vermouths Kopf an einer Glasplatte an der Wand zerplatzte. Die Splitter flogen in alle Richtungen davon, regneten auf den Boden, der edle Jahrgangscognac floss über die Platte nach unten, hinterließ eine hässliche, klebrige Spur.
 

„Vermouth, was sollte das…?“

Seine Stimme klang eisig, dann klatschte es.

Ihre Hand zuckte zwar, aber sie widerstand dem Drang, sich ihre Wange zu halten, die nun brannte. Stattdessen blickte sie ihn weiterhin hochmütig an.

Er starrte sie zornentbrannt an.

„Dafür wirst du mir noch eine Erklärung abgeben.“

Die Angesprochene schaute ihren Vorgesetzten an, atmete schwer.

„Es gibt nicht viel zu erklären. Du hättest ihn töten können damit, hast du daran nicht gedacht? Du hättest beinahe deinen einzigen Informanten was Sherrys Aufenthaltsort betrifft, umgebracht.“, wisperte sie schließlich, ihre Stimme klang gefasst und abgeklärt.

„Na und?“

Vermouth blinzelte.

„Ich dachte, du wolltest Antworten von ihm?“

„Nicht um jeden Preis, meine Schöne. Wenn er draufgeht dabei, ist mir das egal.“

Er lächelte kalt.

„Aber diese Diskussion zu führen, bringt uns nicht weiter, weil wir kein Wahrheitsserum mehr haben. Und damit erkläre ich diese Sitzung hier beendet, fürs erste.“

Dann wandte er sich den anderen beiden und Shinichi zu, der auf die zerbrochenen Injektionsphiolen starrte. Der konnte sein 'Glück' immer noch kaum fassen. Wenigstens das war ihm erspart geblieben. Es gab also doch einen Gott...

„Bringt ihn zurück in seine Zelle. Ohne das Zeug hat das hier keinen Zweck. Ich werde mir wohl oder übel etwas anderes für unseren verstockten Meisterdetektiv ausdenken müssen, um ihn zum Reden zu bringen.“

Seine Stimme klang harsch und unerbittlich.

„Und ich denke, mir fällt da schon was ein.“

Sein Blick wanderte zur Vitrine.

Shinichis Augen weiteten sich vor Entsetzten.

„Nein!“, hauchte er.

„Nein…“

Dann merkte er, wie ihn jemand am Hemd nach oben zerrte. Als Gin ihn auf die Füße zog, gaben seine Beine nach. Der Schock saß ihm noch in den Knochen, seine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. Er keuchte, kniff kurz die Augen zusammen. Entsetzt starrte er den Boss an, der seinerseits nur milde lächelte.
 

Ran…
 

Dann wurde er aus dem Raum gestoßen, hörte die Tür hinter sich zufallen.

Ärgerlich fluchend zerrten Gin und Wodka ihn hinter Vermouth her, zurück in seine Zelle.

Er spürte noch einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf, dann sackte er zu Boden, verlor das Bewusstsein.
 

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Weil die Frage bestimmt kommt: Warum Cognac? Darum. Nun - ich fand die Vorstellung von edlem, über Jahre gereiften, gold schimmernden, abartig teurem Weinbrand als Synonym für den Big Boss einfach passend.

Kooperationsbereitschaft

So...
 

Guten Tag!
 

Hier also Kapitel acht... was und ob mit Ran etwas passiert, da müsst ihr schon noch warten. ;)
 

Nunja- ansonsten begrüße ich an der Stelle noch Martini und sonoko: Herzlich willkommen und Danke für eure Kommentare zu Kapitel 7!

Ein großes Dankeschön selbstverständlich auch an alle anderen Kommentarschreiber. :)
 

Ansonsten... bleibt mir an dieser Stelle nichts mehr zu sagen, außer- setzt euch, lehnt euch zurück... viel Vergnügen!

Ich verzieh mich, bis nächste Woche...
 

MfG, eure Leira
 

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Der Professor stand ein wenig abseits vom Trubel des Jahrmarkbetriebes, hatte sich ein etwas stilleres Plätzchen gesucht. Die Detektive Boys hatten sich um ihn versammelt und warteten schweigend, schauten ihn nur ernst an. In ihren Augen spiegelte sich Sorge und Furcht. Sie hatten schon viele Fälle mit Conan gelöst, aber dieser hier- das hier war etwas ganz anderes.

Und zum ersten Mal begriffen sie, was er gemeint hatte, wenn er diesen Satz gesagt hatte.
 

Ihr seid noch Kinder... ihr solltet nicht hier sein...!
 

Ja, sie waren noch Kinder. Zehn, immerhin, aber doch noch Kinder- Kinder sollten nicht in Mordfälle und Entführungen verwickelt werden.

Kinder sollten sich nicht Sorgen machen müssen, dass ein Freund ermordet werden könnte.
 

Er hatte sie raushalten wollen, hatte allein bleiben wollen- sie hatten das nicht zugelassen. Sie wollten seine Freunde werden.

Und deswegen waren sie hier, genau dieser Grund war es, der sie trotz ihrer Furcht nicht nach Hause gehen ließ- ihre Freundschaft zu Conan.

Oder Shinichi.

Wie auch immer.
 

Also standen sie da, Genta und Mitsuhiko hatten Ayumi in die Mitte genommen, und warteten still, regungslos, um Professor Agasa nicht zu stören.
 

Ihr Großvater-Ersatz telefonierte- mit seinen Eltern.

Anhand seines bleichen, besorgten und auch schuldvoll dreinblickenden Gesichtes konnten sie ablesen, dass dieses Telefonat kein leichtes war.

Gerade eben hatte er Shinichis Mutter gesagt, was ihr Sohn getan hatte- und in welcher Gefahr er sich befand.

Dann hatte er lange geschwiegen, einzig und allein die gedämpft herüberwehende Rummelplatzmusik und gelegentliche laute Schluchzer aus dem Hörer waren zu hören.

Ayumi schaute auf, beobachtete die Mimik des Professors genau.

„Yukiko…“, begann er nun, seine Stimme klang hilflos, strafte die Worte, die er sagen würde, Lügen.

„Ich bin mir sicher, alles wird wieder gut. Es wird sich bestimmt wieder einrenken…“

Er schwieg, als sie ihm antwortete, aber der Versuch, sie zu beruhigen, war offensichtlich fehlgeschlagen, da sich die Falten in seinem Gesicht nur noch weiter vertieften.

„Yukiko… Yukiko! Beruhige dich doch bitte. Du kennst deinen Sohn doch, ich bin mir sicher... Yukiko? Hörst du mir zu? Yukiko?!"

Er atmete tief durch.

„Yukiko? Ist… ist Yusaku daheim? Kann ich ihn sprechen, holst du ihn? Bitte?“

Wenige Sekunden später erzählte der Professor die jüngsten Ereignisse erneut.
 

Nach ein paar Minuten legte er schließlich auf, blickte in die fragenden Gesichter seiner jungen Begleiter.

„Sie nehmen den nächsten Flieger. Mein Gott… ich hoffe nur, er kommt da heil wieder raus. Nicht auszudenken, was passiert, wenn nicht. Die arme Yukiko ist fast zusammengebrochen… Was hat er sich dabei auch bloß gedacht...?“, murmelte er beunruhigt.

Dann schweifte sein Blick hinüber zum Riesenrad, das mittlerweile aufgehört hatte, sich zu drehen.
 

„Also… ihr solltet wirklich nach Hause gehen… eure Eltern machen sich doch bestimmt Sorgen, es ist schon spät und...“

„Wir haben sie bereits von Rans Zuhause aus angerufen und ihnen mitgeteilt, dass wir bei Ihnen übernachten, Professor.“, unterbrach in Mitsuhiko bestimmt.

„Und habt ihr ihnen auch gesagt, was ihr hier macht?“, seufzte Agasa geschlagen.

Der Grundschüler schüttelte den Kopf.

„Natürlich nicht, wo denken Sie hin. Die würden sich doch Sorgen machen und es uns am Ende noch verbieten. Aber wir müssen doch helfen, ihn zu finden…“

Ayumi und Genta nickten zustimmend.

Agasa seufzte erneut.

„Hmmm..."

Er schob sich seine Brille wieder weiter auf die Nase.

"Also eines würde mich jetzt mal interessieren. Shinichi hatte nie viele Freunde, und das lag wohl durchaus auch an ihm, er war gern ein Einzelgänger. Außer Heiji und Ran kenn ich keinen, der wirklich mit ihm befreundet ist. Bekannte hatte er viele, aber Freunde...

Jetzt sagt mir mal, was hat er diesmal anders gemacht, dass ihr so loyal zu ihm haltet?“

„Was heißt loyal?“, fragte Genta.

„Treu.“, antwortete Mitsuhiko.

„Du solltest wirklich weniger Zeit mit Essen verbringen und dafür mehr lesen. Lesen bildet, Genta.“

Genta murmelte etwas Unverständliches und warf Mitsuhiko einen finsteren Blick zu.

Der jedoch beachtete seinen dicken Freund gar nicht mehr, sondern hatte sich wieder dem Professor zugewandt.

„Er hat uns ernst genommen, Professor.“

Ayumi nickte.

„Und er war immer nett zu uns. Hat uns geholfen, uns Dinge erklärt…“

„Außerdem war diese Detektivnummer mächtig cool.“, meinte Genta.

„Er war schon richtig schlau, Conan.“
 

„Conan…“, begann Mitsuhiko erneut, „… hat uns nie im Stich gelassen. Und wir werden ihn auch nicht hängen lassen.“

Der Professor kratzte sich am Hinterkopf.

„So ist das also.“, murmelte er.

Dann schob er sein Mobiltelefon wieder in seine Jackentasche.

„Also kann ich euch nicht davon abbringen, bei der Suche zu helfen?“

Die Detective Boys schüttelten den Kopf.

Agasa räusperte sich.

„Gut… dann gehen wir am besten zu den anderen und sehen mal, was wir tun können.“

Die drei Kinder nickten nur. Ayumi streckte ihre Hand aus und griff nach den Fingern des Professors.

Sie fürchtete, dass etwas Schlimmes passiert war.
 

Am anderen Ende der Welt war Yukiko Kudô an der Wand entlang zu Boden gerutscht und weinte. Sie zitterte am ganzen Körper, fühlte sich schlecht, schwach und einer Ohnmacht nahe.
 

Ihr Sohn…

Ihr einziger Sohn…

… war in diesem Moment vielleicht schon tot…
 

Sie schrie auf, krallte ihre Hände in den Teppich, der den größten Teil der Eingangshalle bedeckte.

Yusaku schluckte, starrte an die Wand. Seine Hände waren kalt geworden während der letzten paar Minuten, seine Finger taub und gefühllos…

Shinichi… sein Sohn…

Nein, das durfte nicht sein. Nicht doch. Nicht er…

Er war doch so intelligent, wie konnte er…

Wieso hatte er…

Es klapperte, als er den Hörer des Telefons fallen ließ, den er immer noch in der Hand gehalten hatte.

Das Geräusch riss seine Frau, die in Selbstvorwürfen, Angst und Sorge zu ertrinken drohte, in die Realität zurück.

Sie hob ihr tränenüberströmtes Gesicht, blickte hoch zu ihrem Mann, der ihr gegenüberstand, kreidebleich im Gesicht war und sich nun nervös durch die Haare fuhr.

Das war ein Alptraum. Ganz sicher.

Das hier war doch nie passiert. Oder?
 

„Wie konnte das soweit kommen, Yusaku?“, schluchzte sie.

Yusaku blinzelte, fixierte seine Frau mit seinen Augen, und nahm seine Brille ab, wischte sich über die Augen.

Dann beugte er sich zu ihr hinunter, nahm sie wortlos in die Arme.

Er wusste die Antwort, aber sie auszusprechen…
 

Er fühlte sich im Stich gelassen… wir waren doch fast nie für ihn da, seit wir aus Tokio weggezogen sind...
 

Das konnte er seiner Frau nicht sagen, das konnte er ihr nicht antun. Nein.
 

„Warum hat er uns nicht gesagt, dass es ihm schlecht ging? Warum hat er sich nie an uns gewandt? Er hat uns damals, als er geschrumpft wurde, ja nicht mal gesagt, was mit ihm passiert war! Was sind wir für Eltern, dass uns unser Sohn seine Probleme nicht erzählt…?“

Yusaku zog seine Frau noch weiter an sich, streichelte ihr wortlos über den Rücken.

„Warum hat er sich uns nicht anvertraut?“
 

Yukiko-
 

Er stand auf, zog sie mit sich hoch.

„Hör jetzt auf zu weinen, Yukiko, das hilft ihm auch nicht weiter. Geh du unsere Sachen packen, ich buche den Flug.“, sagte er ruhig.

Sie starrte ihn zuerst nur ungläubig an, schluckte schwer. Dann hickste sie. Sie bekam immer Schluckauf, wenn sie geheult hatte.

„Du hast Recht. So helfen wir ihm nicht...“, murmelte sie, schluckte schwer.

Dann wischte sie sich die Tränenspuren vom Gesicht, nickte, begann die Treppe hoch zu laufen.
 


 


 

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er wieder zu sich kam.

Jemand kniete neben ihm. Etwas Nasses, Kaltes bewegte sich über sein Gesicht.

Shinichi öffnete stöhnend die Augen.
 

Es war Vermouth.

Sie starrte ihn an, nahm den nassen Lappen hoch, mit dem sie ihm das Gesicht gesäubert hatte.

Er wollte sich aufrichten, von ihr wegrutschen, aber sie drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder runter.

„Bleib liegen und halt still, ich werd’ dir schon nichts tun, vertrau mir. Ich schaue nur nach, was von dir noch übrig ist.“

Sie versuchte ein Lächeln und fuhr fort, ihm das Blut aus dem Gesicht zu wischen.

„Du hattest Glück, deine Nase scheint nicht gebrochen zu sein. Normalerweise ist Gin gründlicher. Aber du hast einige Blutergüsse, Prellungen, Kratz- und Schürfwunden, eine Platzwunde hier an der Lippe…”

Sie tupfte hin und ignorierte, als er scharf Luft holte, weil sie ihm wehtat damit.

„Da musst du jetzt durch, mein Kleiner.“
 

Shinichi warf ihr einen düsteren Blick zu und seufzte dann.

„Glück gehabt?“, murmelte er ironisch.

„Wie sieht die Welt denn aus, wenn ich mal Pech hab?“

Er starrte die weiße Decke über sich an, ehe er die Frage stellte, die ihm schon lange auf der Zunge brannte.

„Bist du nicht eine von den Bösen, Sharon? Wie kommt’s, dass du die Seite gewechselt hast? Was tust du hier, warum hast du das Tablett getreten, so dass die Injektionen zerbrochen sind? Und warum, zum Teufel, sollte ich dir vertrauen, du bist eine Mörderin…“

Er wollte von ihr wegrücken, ließ davon allerdings ab, als sich Schmerz vom Kopf aus wie eine Welle in seinem Körper ausbreitete. Ihm tat alles weh.

Sie schaute ihn nachdenklich an.

„Du hast Recht, für dich gibt es keinerlei Gründe, mir zu vertrauen, allerdings... gibt es für mich jede Menge Argumente, warum ich die ‚Seite wechsle’, wie du es ausdrückst. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so standhaft war wie du… die meisten knicken schon ein, wenn der Boss nur den Raum betritt, der Rest, sobald er den Mund aufmacht. Du bist anders. Du warst unglaublich tapfer, du bist dir treu geblieben, auch wenn du weißt, dass es zwecklos ist. Sie werden dich töten, egal ob du nun auspackst oder nicht. Warum tust du dir das an? Es gibt keinen Grund für dich, das auszuhalten, mehr zu leiden, als du unbedingt musst…

Du könntest es sofort beenden… sag ihnen, was sie wissen wollen, und es ist vorbei.“
 

Der junge Detektiv stöhnte und richtete sich nun doch auf. In seinen Schläfen pochte es.

Er starrte sie wütend an.

„Ich verrate meine Freunde nicht. Und ich lass mich nicht klein kriegen, ich bettle nicht um Gnade und ich werde ganz bestimmt keinem die Befriedigung geben, mich gebrochen zu haben. Ganz egal, was kommt.”

Er hielt sich die Hand an die Stirn, schloss die Augen, wartend, dass der Schmerz wieder abebbte.
 

Sie schaute ihn merkwürdig an, nickte dann zufrieden und tupfte weiter an seiner Lippen herum.

„Ich wollte nie, dass sie dir so wehtun. Deshalb hab ich mich mit ihm angelegt, ihr die Spritze aus der Hand geschlagen - womit ich, unter uns gesagt, ihr wohl einen großen Gefallen getan habe- und dem Tablett einen Tritt gegeben. Weil ich dir das Serum ersparen wollte- und damit er dich mal kurz vergisst. Mit Erfolg, wie du weißt.”

Unwillkürlich griff sie sich an die Wange.
 

Er blickte sie irritiert an. Dann grinste er zynisch.

„Warum dass denn? Bei meiner Mutter warst du nicht so zimperlich, weißt du eigentlich, wie sehr sie um dich getrauert hat? Und… wie entsetzt sie war, als ich ihr die Wahrheit über dich erzählt habe? Du hast ihr Gesicht nicht gesehen, Sharon… als sie erkannte, dass ihre beste Freundin eine Mörderin ist, beinahe ohne mit der Wimper zu zucken ihren Sohn und dessen Freundin umgelegt hätte…“

„Du hast es also herausgefunden... dass ich der Serienmörder war, damals, in New York…?“

Sharon blinzelte erstaunt.

Shinichi nickte nur.

„Du hättest Ran ermordet, wenn ich nicht gekommen wäre. Das verzeihe ich dir nie…“

Seine Stimme klang leise und drohend. Sie schaute ihm ins Gesicht und erkannte, dass er meinte, was er sagte.

Sharon setzte sich auf.
 

„Nun… da du das Thema gerade anschneidest- das war der Moment, als mir jemand Respekt beigebracht hat. Derjenige warst du - ich respektiere dich. Und Angel… Ran. Ein bemerkenswertes Mädchen. Ihr hättet keinen Grund gehabt, mich zu retten, und hättest du mich nicht gewarnt, dass mich die Polizei schnappen würde, hätte ich dich hinterrücks erschossen, als du mit Ran die Treppe hinuntergegangen bist. Was du gesagt und getan hast, hat mich Respekt gelehrt… ich würde ihr und dir niemals etwas antun, und genauso wenig dir, seit jenem Augenblick. Das weißt du, ich hätte dich schon mal töten können, aber ich hab es nicht getan. Außerdem brauchst du mir keine Moralpredigt halten, das hast du erstens schon mal getan und zweitens- ich weiß selber, dass ich… dass ich kein Engel bin. Dass das, was ich hier tue, falsch ist. Dass diese Organisation wie ein verrottender Apfel ist… und ich habe beschlossen, den Laden hier hochgehen zu lassen. Ich hatte dabei eigentlich auf deine Hilfe gehofft...“
 

„Ja. Sicher.“

Shinichi betastete vorsichtig sein Gesicht und schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen skeptisch an.

„Hör zu, soweit ich weiß, werden sie dich ins alte Lagerhaus am Hafen bringen. In das Leerstehende, das Dritte in der Reihe. Leider weiß ich nicht, warum er dich da drin verfaulen lassen will, aber uns kann es nur Recht sein. Von da könnte ich dich wegbringen-”

„Hä?!“

Er blinzelte, starrte sie ungläubig an.

„Du willst mir bei der Flucht helfen?“

Vermouth nickte.

„Ganz richtig. Und dann werden wir uns zusammen tun und dieser Organisation das Genick brechen…“

Er schaute sie misstrauisch an. Sie konnte den Kampf in seinem Inneren richtiggehend sehen. Allerdings schien er doch recht schnell zu erfassen, dass er ohnehin keine Wahl hatte, als ihr einfach mal zu glauben.

„Also schön. Allerdings-”

„Ja?”

„Allerdings solltest du dir im Klaren sein, dass ich hinter meinen Worten stehe, die ich damals gesagt hab. Ich werd dich in den Knast bringen, egal ob du mir hier raushilfst oder nicht.”

„Und nichts anderes habe ich von dir erwartet. Ich wäre enttäuscht, hättest du deinen Meinung geändert, mein Lieber.”

Sie lächelte.

„Allerdings rechne ich mir gewisse Fluchtchancen aus, wenn ich dich so ansehe...”

Er wollte ihr eine schnippische Antwort geben, als ihm jedoch eine andere Sache in den Sinn kam. Fragend zog er die Augenbrauen hoch.

„Sag mal, Sharon, vermissen die dich denn nicht? Wirkt das nicht verdächtig, wenn du solange hier drin bist?”

Sie lächelte gewinnend.

„Was der Boss nicht weiß, macht den Boss nicht heiß. Sie du lieber zu, dass du am Leben bleibst, den Rest überlass ruhig Tante Sharon…“
 

Dann ging die Tür auf.
 

Herein kam Gin. Und er sah sie… mit dem Lappen in ihrer Hand. Den Lappen, an dem jetzt sein Blut klebte.

„Bitch!“, zischte er und griff nach seiner Waffe. Seine Gesichtszüge waren vor Zorn verzerrt.

Auch Vermouth zog instinktiv ihren Revolver, sprang auf, geschmeidig wie eine Katze.

„Du dreckige Schlampe! Verräterin! Wenn das der Boss…“

„Ah, Gin, you’ll go blabbing? Wirst du petzen, du kleiner Feigling? Ihr zwei wart immer schon ein geniales Paar, Vodka, die Matschbirne und du… die Männer fürs Grobe, die Prügelknaben vom Boss… für etwas anderes wart ihr eh nie zu gebrauchen.”

Sie warf ihm einen düsteren Blick zu. Dann grinste sie ihn provozierend an und zielte mit ihrer Waffe auf sein Herz.

"Na, komm schon- geh zum Boss, erzähl ihm was... wir werden ja sehen, wem er glaubt. Ich stehe immer noch eine Stufe über dir, trozt meines kleinen Ausrasters vorhin im Salon..."

„Halt die Klappe, oder…!“, fauchte Gin ungehalten.

„Oder was? Darling? What? Wirst du mich töten? Mach doch, wenn du dich traust… glaubst du etwa, du machst mir Angst?”

Gin war kreideweiß im Gesicht geworden.
 

Dann fielen zwei Schüsse, kurz hintereinander.

Was dann geschah, passierte innerhalb von Sekundenbruchteilen. Shinichi sah, wie Gin sich an die Brust griff, röchelte, hörte einen dumpfen Schlag, als er auf dem Boden aufprallte.

Gin rührte sich nicht mehr. Er wahr wohl tot. Vermouths Kugel hatte ihn in die Brust getroffen. Das metallische Pling, das zu vernehmen war, ging in dem Geschehen fast unter.

Shinichi schrie nicht. Er griff sich nur an die Seite, wo der Querschläger ihn getroffen hatte. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.

Die zweite Kugel, die aus Gins Waffe abgefeuert worden war, war vom Türrahmen abgeprallt. Er hatte erst im Fallen abgedrückt und deswegen sein eigentliches Ziel verfehlt.

Der große Blonde war zu langsam gewesen.
 

Ihm wurde schwindelig.

Er schaute zu Sharon auf, die neben ihm stand - in ihren Augen standen Sorge und Entsetzen.

„Okay, dann also Plan b. Wir hauen sofort hier ab.“

Sie packte ihn am Arm, knapp unterhalb der Schulter und zog ihn hoch. Er keuchte schmerzerfüllt auf, brauchte ein paar Sekunden, um seine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen.

Dann starrte er sie an.

„Wir können noch nicht verschwinden.“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Sharon blinzelte.

„Warum nicht?“

„Wir haben keine Beweise, und unsere Aussage allein bringt nichts, sonst hätten Shiho und ich doch schon längst etwas unternommen. Ihre Aussage gegen unsere, und wenn wir durch nichts belegen können, dass wir im Recht sind… können wir, die Polizei oder die Staatsanwaltschaft gar nichts tun. Wir kriegen sie höchstens für Körperverletzung dran.“

Er hob müde lächelnd die Arme.

„Wenn wir jetzt flüchten, bringt uns das nicht einen Schritt weiter. Sie werden, sobald sie Gins Leiche gefunden haben, den Laden hier dicht machen, die Polizei wird nicht einen Krümel mehr finden. Und wir… sie werden uns jagen, bis sie uns zur Strecke gebracht haben. Gnadenlos.“
 

Sie verzog das Gesicht. Er hatte Recht.
 

„Also schön.“, murmelte sie.

Sharon atmete tief ein. Der Gedanke, mit ihrem verletzten Begleiter hier noch länger zu bleiben, gefiel ihr überhaupt nicht. Allerdings war nicht abzusreiten, dass seine Argumente durchaus für sich sprachen.

„Was schwebt dir vor?“

„Wir müssen irgendwie in das Zimmer von vorhin. Du weißt schon…“

„In Cognacs Salon. Ja, ich weiß schon. Nun… wenigstens da scheint uns das Glück hold zu sein. Der Boss…“, sie schluckte.

„Nun, er hat gesagt, er müsse weg, wisse nicht wie lange. Also sollte er nicht in seinem Trophäenraum sein, nicht wahr? Aber bevor wir gehen…“

Sie zerrte Gins Leiche in die Zelle, zog ihm seinen Mantel aus und nahm ihm außerdem Hut und Sonnenbrille ab, hielt sie ihrem Mitstreiter hin.

Shinichi starrte die Sachen voller Abscheu an.

Sharon warf ihm einen strengen Blick zu.

„Ich kann mir denken, dass du das nicht anziehen willst, aber das ist hier halt mal Uniform. Du fällst viel weniger auf damit.“

Als er immer noch keine Anstalten machte, die Sachen entgegenzunehmen, setzte sie ihm Sonnenbrille und Hut kurzerhand auf.

„Jetzt stell dich nicht so an!“

Sie drückte ihm den Mantel gegen die Brust, woraufhin er ihn, wenn auch äußerst widerwillig und mit einem Ausdruck höchsten Ekels auf dem Gesicht, anzog.

Dann sperrte sie die Tür zu seinem ehemaligen Verließ ab.

Ihr Glück war, dass es bis zu dem Zimmer nicht weit war. Shinichi ging äußerst langsam hinter ihr her, um nicht außer Atem zu kommen, was jedem, der ihnen begegnen würde, verraten würde, das mit ihm etwas nicht stimmte.

Aber noch lächelte ihnen Fortuna- sie begegneten keiner Menschenseele.
 

An der Tür angekommen, hielt Sharon ihren Kopf an die Tür und horchte intensiv. Als sie nichts hören konnte, zog sie einen Schlüssel aus ihrem Mantel und sperrte auf, winkte Shinichi ungeduldig hinein.

Er starrte auf den Schlüssel, warf ihr einen fragenden Blick zu.

Sie lächelte nur.

„Du weißt doch, ich bin der Liebling vom Boss. Frag besser nicht weiter, cool guy…“

Der junge Detektiv verdrehte nur die Augen. Wahrscheinlich wollte er wirklich nicht wissen, wie sie in die Position gekommen war, einen Schlüssel für dieses Zimmer zu kriegen.

Er blinzelte.

Nein, wirklich nicht.
 

„Pass auf, dass keiner kommt.“, meinte er nur noch, wandte sich ab und ging nach hinten, zu dem Regal mit den Alben.

Er wählte eines aus, zog es heraus, legte es auf den großen Glastisch und schlug es auf.

Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen.

Ganz wie er es erwartet hatte.
 

Es hätte ihn auch gewundert, wenn ein Mensch, der so versessen war, seine Siege zur Schau zu stellen, seine ‚Heldentaten’ nicht auch minutiös dokumentiert hatte.

Shinichi ließ die Seiten durch seine Finger gleiten.

Fall reihte sich an Fall, jeder davon ausführlichst beschrieben und bebildert, belegt durch Fotos, Zeitungsauschnitte und handgeschriebenen Notizen.

Er blätterte einen Fall auf und begann, die entsprechenden Seiten sorgfältig herauszutrennen.

Sharon warf ihm einen fragenden Blick zu.
 

„Warum nimmst du nicht einfach eines mit?“

Er antwortete ihr, ohne aufzuschauen, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen.

„Weil es sofort auffallen würde, wenn eins fehlt. Reiße ich von ein paar dieser Dokumentationen ein paar Seiten heraus, wird er wesentlich länger brauchen, um es zu bemerken… um zu bemerken, dass wir hier waren, und daraus seine Schlüsse zieht. So bleibt uns mehr Zeit für die Flucht. Das klappt wahrscheinlich nur, wenn sie Gins Leiche nicht vorher finden, aber ein wenig Glück gehört wohl auch dazu…“

Die Profikillerin pfiff leise anerkennend durch die Zähne.

Ein wirklich schlaues Kerlchen.

„Ist das hier der einzige Raum, wo man Beweise für eure Taten finden kann?“, fragte er irgendwann, seine Worte begleitet von einem leisen, ratschenden Geräusch, als er eine Seite herausriss.

„Ja. Der Boss war immer sehr erpicht darauf, dass nirgendwo anders etwas zu finden ist. So kann man im Fall der Fälle…“

„Alles schnell vernichten lassen.“

„So ist es. Nicht einmal in seiner Residenz in Tottori hat er belastendes Material, nur hier, aus persönlichen Gründen.“

„Weil er stolz drauf ist. Alles schön auf einen Haufen, geordnet und ausgestellt...“

Shinichi schaute kurz auf. Sie konnte den Ekel in seinen Augen deutlich sehen.

Dann wandte er sich wieder ab.
 

So ging es eine Weile. Er holte sich ein Buch nach dem anderen, trennte Seiten heraus und stellte es wieder zurück, wobei er darauf achtete, weder auf dem Tisch noch an den Büchern Fingerabdrücke zu hinterlassen. Er fasste die Sachen mit den Handschuhen an, die er in einer Seitentasche von Gins Mantel gefunden hatte und widerstrebend angezogen hatte.

Man konnte ja nie wissen.
 

„Shinichi…“, drängte Sharon.

„Jaja. Gleich… ist das letzte…“, wiegelte er ab, stellte ein weiteres Album zurück an seinen Platz und zog das benachbarte heraus, schlug es auf und erstarrte. Da war er…

Ein Bericht über Shihos Eltern.
 

Atsushi und Elena Miyano
 

In großer geschwungener Schrift prangten die Namen auf dem Pergamentpapier. Und auf den folgenden Seiten wurde in aller Ausführlichkeit die Arbeit von Atsushi Miyano und der Unfall, bei dem sie ums Leben gekommen waren, geschildert.

Und die Formel für APTX 8496.

Er biss sich auf die Lippen.

Dann begann er, Seite für Seite herauszutrennen.

Als er fertig war, stellte er das Buch zurück.

„Können wir jetzt?“

In Sharons Stimme schwang Ungeduld.

Shinichi seufzte. Sehnsüchtig starrte er auf sein Foto und die Eheringe, von denen er nun sicher war, dass sie die Ringe der Miyanos waren, in der Vitrine und warf dem Beutel mit seinen Sachen einen traurigen Blick zu.

„Vergiss es. Es würde auffallen, wenn sie weg sind.“

Er nickte nur.

Dass sie Recht hatte, wusste er auch ohne dass sie ihn daran erinnern musste.

Aber nichtsdestotrotz hätte er diese Dinge gern mitgenommen.
 

Also rollte er nur die Blätter zusammen, stopfte sie in seinen Ärmel und lief hinter ihr her.

Sharon legte ein zügiges Tempo vor. Sie wollte hier raus, so schnell wie möglich. Ein sehr ungutes Gefühl hatte sie beschlichen, deswegen ließ sie alle Vorsicht fahren, wollte ihn nur einfach so schnell wie es eben ging hier rausbringen.

Er merkte, wie es in seiner Seite wieder zu stechen begann, knöpfte seinen Mantel ein wenig auf und befingerte die Schusswunde vorsichtig. Als er seine Hand wieder herauszog, waren seine Finger rot.
 

Blut…
 

Die Verletzung blutete noch.

Während den Minuten, in denen er nichts weiter getan hatte, als Seiten heraustrennen, war es erträglich gewesen, aber jetzt- sie lief so schnell.

Er geriet außer Atem, ihm wurde schwindelig…

Kalter Schweiß trat auf seine Stirn.
 

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie er stolperte, hielt ihn gerade noch fest, bevor er die Treppe hinabstürzen konnte, die sie gerade hinunterrannten.

Er lehnte sich gegen die Wand. Sie starrte ihn an.

Shinichi war kalkweiß im Gesicht.
 

„Mach den Mantel auf.“

Shinichi schüttelte matt den Kopf.

„Wir sollten…“

„Halt die Klappe.“, unterbrach sie ihn mürrisch und machte sich daran, den schwarzen Ledermantel selbst zu öffnen, schlug seine Hände unwirsch beiseite, als er sie wegdrücken wollte.

„Hab dich nicht so. Halt endlich still!“

Dann hatte sie das Kleidungsstück aufgeknöpft.

Ein zutiefst besorgter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.

Das schwarze Hemd, dass er trug, glitzerte nass im Neonlicht. Sie zog ein wenig daran rum, drückte an einer Stelle, hörte allerdings sofort auf, als er vor Schmerz leise aufschrie.

Sie holte ein Taschentuch aus ihrem Mantel und wischte ihm damit den Schweiß aus dem Gesicht, drückte es ihm dann in die Hand.

„Du musst sofort ins Krankenhaus.“, wisperte sie.

Er schaute sie an.

Ganz kurz sah er sie.

Angst in ihren Augen.
 

Und wenn sie schon Angst hatte…
 

Zu weiteren Überlegungen kam er nicht, weil sie ihn am Handgelenk packte und mit sich zog.

Sharon war zutiefst beunruhigt. Shinichi war ziemlich schwer verletzt. Er verlor zuviel Blut, wurde zusehends schwächer. Er musste sofort in eine Klinik, umgehend operiert werden…
 

Irgendwann waren sie dann in der Garage angekommen. Sie hatten während der ganzen Zeit geschwiegen, und auch jetzt sagte keiner ein Wort, als sie ihn zu ihrem Wagen führte und in ihren Manteltaschen nach dem Autoschlüssel suchte.

Shinichi lehnte sich gegen das Fahrzeug und merkte, wie seine Beine nachgaben.

Er versuchte gar nicht erst, stehen zu bleiben, sondern ließ sich am Wagen entlang nach unten gleiten und kam auf dem kalten Betonboden zu sitzen, lehnte seinen Kopf an das kalte, schwarz lackierte Metall des Wagens.
 

Es tat gut, wieder zu sitzen. Er war so müde…
 

Sharon warf ihm einen Blick zu.

„Schlaf nicht ein.“, flüsterte sie leise.

Er schüttelte nur den Kopf.

Sie fluchte leise, als sie ihre Wagenschlüssel immer noch nicht gefunden hatte. Sie ertastete ihr Handy, zog es heraus und ließ es in Shinichis Schoß fallen, damit es sie nicht ständig beim Durchwühlen ihrer Tasche störte.

„Halt das mal.“

Der junge Detektiv murmelte etwas Unidentifizierbares und steckte das Telefon in eine seiner Manteltaschen.

Langsam wurde sie nervös.
 

Dann hörte er es.

Stimmen.

Viele Stimmen und Schritte, die schnell näher kamen.
 

„Sharon?“, flüsterte er. Instinktiv holte er seine Beweisblätter hervor und stopfte sie hinter den Autoreifen, vor dem er saß, klemmte sie fest.

So wie’s aussah, kamen sie hier und heute nicht weg. Da sollten sie nicht auch noch diese Sachen bei ihm finden…

Sie hörte nicht hin, suchte weiter nach ihren Schlüsseln.

Dann wurde die erste Tür augestoßen, krachte gegen die Wand, und Rufe wurden laut.

Chaos brach aus.
 

Sharon wandte sich um.
 

Man hatte sie gefunden.

Mindestens dreißig Mitglieder der Organisation rannten auf sie zu, von allen Seiten, schnitten ihnen den Fluchtweg ab.

Schulter an Schulter rückten sie näher, bildeten einen dichten Kreis um ihre Beute.
 

„Sieh mal an, wen wir da haben. Die Verräterin…“

Chianti trat hervor aus der Masse aus schwarz verhüllten Gestalten, den Kopf hoch erhoben blickte sie Sharon verächtlich an.

„Vermouth.“

Sie spuckte das Wort förmlich aus.

Dann zog sie ihren Revolver, richtete ihn auf ihre Erzrivalin.

„Jetzt wirst du sehen, was du davon hast… selbst, wenn du der Liebling vom Boss bist, das kannst nicht mal du dir herausnehmen… Gin zu erschießen und mit dem Gefangenen fliehen zu wollen…“

Sie grinste schadenfroh.

„Jetzt wirst du büßen, dafür, das Calvados sterben musste. Fahr zur Hölle!, rief sie triumphierend.
 

Dann fiel der Schuss. Überlaut echote der Knall von den Wänden.

Shinichi schluckte. Vor ihm lag Chianti auf dem Boden, ein roter See bildete sich um ihren in schwarz gekleideten Körper, Ungläubigkeit stand in ihren Augen.

„Du vor mir.“, sagte Sharon kühl.

Sie hatte innerhalb eines Wimpernschlages reagiert.
 

„Na, na, na…“

Eine weitere Figur löste sich aus der schwarzen Wand ihrer Verfolger.
 

Es war der Boss höchstpersönlich.
 

„Vermouth, Vermouth, Vermouth… wer wird denn hier gleich Kollegen erschießen…“

Er schaute sie aus kalten Augen an.

„Oder sind sie am Ende etwa gar keine Kollegen mehr…?“

Er warf ihr einen gespielt enttäuschten Blick zu.

Seine Augen wanderten zu Shinichi, der immer noch am Boden saß und sich die Seite hielt, und wieder zurück zu seiner Ex-Untergebenen.

„Warum… ausgerechnet du? Von allen hier, die mir untergeben sind, verrätst ausgerechnet du mich. Ich hätte es vielen zugetraut, vielen, aber nicht dir, meine Liebe…“
 

Sie schnaubte gelangweilt, dann zeichnete sich ein zynisches Lächeln auf ihren Lippen ab.

„Gerade ich, Cognac. Gerade ich. Du hättest wissen müssen, dass ich immer nur einer Person treu ergeben war… mir selbst.“

Der Boss trat näher, sah sie an, ohne zu blinzeln.

„Warum tust du das? Warum verrätst du mich? Warum… hilfst du ihm?“

Er warf einen kurzen Blick auf Shinichi.

„A secret makes a woman woman, my dear.“, meinte sie flüsternd, verschwörerisch. Sie stand immer noch da, aufrecht, ihre blonden Haare flossen in sanften Wellen über ihre Schultern, ein Ausdruck von Hochmut und Stolz auf ihrem Gesicht.

„Das weißt du doch…“

Der Boss hob scheinbar bedauernd die Hände.

„Da kann man wohl nichts machen. So sehr kann ich mich täuschen. Aber wie auch immer… dein Spiel ist hiermit vorbei. Wirf die Waffe weg.“

Er zog seinen Revoler und zielte damit auf Shinichi.
 

Sharon wandte ihren Kopf, schaute zu ihm hinunter, ihre Hände, die ihre Pistole umklammerten, begannen zu zittern. Plötzlich war sie weg, diese Aura von Unbesiegbarkeit. Von einem Wimpernschlag auf den anderen war auch sie nur eine Frau, die Angst hatte. Angst hatte um das Leben eines Menschen, der ihr am Herzen lag.
 

„Tu’s nicht.“, murmelte Shinichi nur, schaute zu ihr hoch. Sein Gesicht war ernst, seine Miene abgeklärt.

„Wenn du sie wegwirfst, sind wir beide tot… versuch doch wenigstens du zu entkommen…“

Er lächelte müde.

„Und wenn du auch nur ein wenig Anstand in dir hast, gehst du dann zur Polizei und stellst dich... wenn ich dich selbst schon nicht hinbringen kann.“

Shinichi hatte leise gesprochen, aber sie hatte dennoch jedes seiner Worte gehört.
 

Das mechanische Klicken, als der Boss der Organisation seine Waffe entsicherte, war das einzige Geräusch, dass in der Tiefgarage zu hören war.

Ein sonst so leises Geräusch klang nun unerträglich laut in ihr Ohr.

„Genug geplaudert. Vermouth, die Waffe-“

„Sharon…!“
 

Sie schluckte.

Sie konnte das nicht. Vielleicht gelänge es ihr ja tatsächlich, eine Geisel zu nehmen, den Boss zu töten, ins Auto zu springen, dessen Schlüssel sie ironischerweise in dem Moment gefunden hatte, als man sie umstellt hatte... irgendwie zu entkommen… aber sein Leben hätte sie damit verwirkt.

Sie konnte das nicht.

Sie konnte nicht mit ansehen, wie der Sohn ihrer besten Freundin ermordet wurde. Zu sehen, wie er geschlagen wurde, hatte schon gereicht.

Sie musste ihm die Chance lassen, hier noch heil rauszukommen, und wenn sie auch noch so verschwindend gering war.
 

Sharon seufzte tief. Sie wollte nicht schuld an seinem Tod sein.
 

Shinichi atmete scharf aus - er sah ihre Entscheidung in ihrem Gesicht. Er zog an ihrem Mantel, starrte sie flehend an.

„Tu das nicht! Mach keinen Blödsinn, seit wann hast du Skrupel…“

Sharon wandte den Kopf, schaute auf ihn hinab, sicherte ihre Waffe.

„Seit deinen Worten, damals in New York. Ab hier musst du allein weitermachen… silver bullet.“, flüsterte sie leise, lächelte ihn traurig an.

„Farewell…“

Damit ließ sie die Waffe fallen.
 

Ein zweiter Schuss hallte zwischen den Betonpfeilern wieder, gepaart mit Shinichis entsetztem Schrei.

Er wimmerte auf, schlug sich die Hand vor den Mund.
 

Sie sackte neben ihn, ihre Augen weit geöffnet… und leer. Er brauchte nicht ihren Puls zu fühlen, um zu wissen, dass sie tot war. Und doch… lag immer noch dieses Lächeln auf ihrem Gesicht.

Schuldgefühle machten sich in ihm breit.

Sie wollte ihn retten; und nun war sie tot.

Er merkte, wie eine Welle des Mitleids ihn übermannte. Und Verbundenheit…

„Lebwohl…“, flüsterte er, wohl wissend, dass sie es nicht mehr hörte. Aber es fühlte sich richtig an, es dennoch zu sagen.

Er beugte sich zu ihr und schloss ihr sanft die Augen.
 

Dann brach die Hölle los. Zwei Mitglieder der Organisation stürmten auf ihn zu, er wurde auf die Beine gezogen, seine Hände gefesselt und zu einem anderen Auto gezerrt, grob hineingestoßen.

Als das Auto aus der Halle fuhr, warf er einen letzten Blick auf Sharon Vineyard.
 

Danke…
 

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So- Sharon. Das, denke ich, sind ihre Motive. Weiß der Geier, was Gosho sich für sie (und uns) ausgedacht hat *g*

Nicht vergessen- das hier ist eine Fanfic. Ich halte mich zwar nah am Manga, aber ab irgendwann muss man spekulativ werden *g*

Verbindung

Hiho :)

Und, alle gut im neuen Jahr angekommen?
 

Hier also Kapitel neun- und es passiert wohl einiges.

*räusper*

Ich für meinen Teil hab hierzu nicht mehr viel zu sagen... viel Spaß beim Lesen.
 

Bis zur nächsten Woche,

MfG, eure Leira :)
 

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Ran lief durchs Gras - beide Augen fest auf den Boden geheftet, schien sie buchstäblichen jeden Quadratzentimeter Rasen hinter dem Riesenrad auf eine Spur, einen Hinweis nach ihm abzusuchen.

Ein frustrierter Seufzer entrang sich ihrer Kehle, erschöpft strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinters Ohr.

Dabei war es gar nicht die Dauer der Suche, die sie ermüdete- seit seiner Entführung waren wohl gute drei Stunden vergangen, über eine davon war schon dabei draufgegangen, um von der Detektei ins Polizeihauptquartier zu gelangen, dort auf ihren Vater zu warten und den erstaunten Beamten zu erklären, was Sache war. Seit cirka anderthalb Stunden waren sie jetzt hier auf dem Rummelplatz.

An und für sich waren eineinhalb Stunden nicht lang, dachte sie.

Neunzig Minuten- beim Einkaufen waren sie wie im Fluge vorüber.
 

Eineinhalb Stunden... das war die Länge eines Spielfilms, ungefähr.

Wie schnell war so ein Film vorbei…
 

Nur war das hier kein Film. Das war die Realität.
 

Und ganz anders, als der wohlige Schauer, der einem im Kino bei rasanten, gefährlichen oder spannenden Szenen über den Rücken lief, war das flaue Gefühl im Magen, das Zittern, das ihren Körper schüttelte, durchaus nicht angenehm.

Sie wusste, dass das, was sie fürchtete, echt war- dass die Hauptperson ihres eigenen, kleinen Films nicht einfach Drehpause hatte, oder von einem Stuntman gedoubelt wurde, sondern tatsächlich in höchster Gefahr schwebte.
 

Fakt war, dass wirklich keiner wusste, wo er steckte - und die daraus resultierende Ungewissheit, diese Anspannung, diese Angst - diese ständige, allgegenwärtige, in jeder Faser ihres Körpers spürbare Angst – es war, was an ihren Nerven zehrte, sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit brachte.

Aber noch war es nicht soweit.

Noch gab sie nicht auf.
 

Aufgeben war keine Option.
 


 

Inspektor Sato beobachtete das Mädchen. Dann wanderte ihr Blick zu Inspektor Takagi, der gemeinsam mit dem Kommissar die Zeugen vernahm.

Sie atmete tief aus. Miwako konnte sich einigermaßen gut vorstellen, wie es Ran ging. Wie sich herausgestellt hatte, hatte sie diesen Detektiv geliebt – die beiden hätten bestimmt ein hübsches Pärchen abgegeben. Sie selber, das gestand sie sich ein, kannte Shinichi Kudô nicht besonders gut. Dafür kannte sie Conan Edogawa umso besser- und sie hatte dieses schlaue Kerlchen durchaus gemocht.

Er war ein hochintelligenter, scharfsinniger Junge, dessen Drang, die Wahrheit zu finden und dessen schier zügellose Neugier sie beeindruckt hatte- und nun erfuhr sie, dass dieser Junge mittlerweile schon ein junger Mann war, und noch dazu schon seit Jahren dem organisierten Verbrechen ins Handwerk pfuschte.

Und dabei in Schwierigkeiten geraten war...
 

In was hatte der Junge da sich bloß reingeritten…?
 

Ihre Augen schweiften wieder zurück zu Ran, auf deren Gesicht die pure Verzweiflung geschrieben stand, dann nochmals zu Takagi. Er schaute kurz zu ihr her; ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann wandte er sich wieder ab, wurde wieder ernst, stellte dem Riesenradbetreiber seine nächste Frage, notierte die Antwort…

Sato drehte sich ein wenig zur Seite, betrachtete versonnen die tausend bunten Lichter des Vergnügungsparks.

Sie liebte ihn. Sie wusste, er liebte sie auch. Und doch waren sie kein Paar.

Warum versuchten sie es denn nicht einfach, warum wehrte sie sich? Warum glaubte sie an so etwas wie Flüche? Das war doch albern... eigentlich war sie doch gar nicht abergläubisch. Sie war eine rational denkende Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand.
 

Und doch- ließ sie ihn nie ganz an sich ran, eine Restdistanz blieb zwischen ihnen.

Ein Sicherheitsabstand...?
 

Immerhin gingen sie mittlerweile miteinander aus, er schenkte ihr Schmuck… okay, das machten viele.

Sato grinste kurz.

Dann erlosch das Lächeln auf ihren Lippen, als sie erkannte, dass Ran neben sie getreten war und drehte sich zu ihr.

„Hallo, Ran… schon was gefunden?“

Ran schüttelte den Kopf. Ihre Miene war verbittert, ihre Lippen zusammengekniffen.

Sato seufzte tief.

Das Mädchen bot ein Bild des Jammers. Man sah ihr deutlich an, wie sehr sie es beschäftigte, sie quälte, sie umtrieb...

Diese Angst...
 

„Du liebst ihn sehr, nicht war?“

Ran sah auf- dann nickte sie, seufzte und schlang fröstelnd ihre Arme um ihren Oberkörper.

„Ja... über alles.“

Sie schluckte hart.

„Und er hätte es nie gewusst, hätte ich es Conan nicht gesagt.“

Miwako entging die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht.

„Nun, aber wenigstens weiß er, was er für dich ist...“

Ran runzelte die Stirn.

„Aber das... das ist doch nicht der Fall. Das stimmt doch gar nicht... sie haben nur bedingt Recht, fürchte ich- denn obwohl ich weiß, dass er weiß, dass ich ihn liebe und ich weiß, dass er mich liebt, weil andere es mir gesagt haben, ist es nicht… nicht wahr, noch nicht. Verstehen Sie mich?“

Sie presste ihre Augen zusammen, fuhr sich mit einer Hand über ihr Gesicht.

„Entschuldigen Sie, ich rede nur dummes Zeug…“
 

Sato blickte Ran nur an. Die Qualen, die sie gerade durchlitt, mussten fast unerträglich sein. Sie korrigierte ihre Meinung von vorher, dass sie verstehen könnte, was das Mädchen im Moment durchmachte. Sie verstand es nicht.

Um so was wirklich nachvollziehen zu können, sich hineinfühlen, hineinversetzen können in diese Situation, musste man so etwas schon einmal durchgemacht haben.

Und sie- sie hatte das nicht.

Viele ähnliche Dinge, ja- das mit der Bombe im Tokiotower war nah dran gewesen. Aber- da hatte sie wenigstens gewusst, wo er war. Wo der Mann, den sie liebte war. Es war furchtbar gewesen, zu wissen, dass er vielleicht sterben würde.

Aber-

Ran wusste nichts.

Gar nichts.

Wusste nicht, wo er war, ob er schon tot war, oder noch lebte, was man ihm antat-

Und diese Ungewissheit war wohl schlimmer, als seinem vermeintlichen Schicksal, so schlimm es auch war, ins Auge zu blicken.
 

Das Räuspern des Mädchens riss sie aus ihren Gedanken. Sie wandte sich ihr wieder zu, wollte eine Entschuldigung murmeln ob ihrer Unaufmerksamkeit, als sie merkte, dass Ran sie gar nicht ansah. Sie sah in den Himmel.

Und ihr Räuspern war weniger ein Mittel gewesen, die Aufmerksamkeit der jungen Beamten wieder auf sich zu lenken, als dass es einfach dazu gedient hatte, ihre Stimme wieder zu finden.

„Was ich damit meine, ist, wir sind uns nie gegenübergestanden, er und ich, Shinichi, nicht Conan und ich, und haben uns unsere Gefühle gestanden. Ich hätte es zu ihm doch ganz anders gesagt als zu Conan. Er war für mich ein kleiner Junge, verstehen sie? Ich wusste ja nicht, dass er es ist. Und so- so hat er zwar von mir erfahren, wie ich über ihn denke, aber es stand etwas zwischen Shinichi und mir, und das war Conan.

Wir haben’s beide nie ausgesprochen, es nie gesagt, dass wir uns lieben, uns nie geküsst, wie Liebende in die Arme genommen, waren uns nie so nahe, wie wir uns hätten sein können. Wir waren kein Paar. Wie sich herausstellte, lieben wir uns schon seit Jahren und jeder außer uns hat es gewusst. Wir hätten eine herrliche Zeit haben können und haben’s nicht geschafft. Und jetzt… jetzt ist es vielleicht für immer zu spät.“

Eine Träne kullerte ihr übers Gesicht.

„Frau Sato, bitte, machen Sie denselben Fehler nicht bei Inspektor Takagi. Irgendwann werden Sie sonst nämlich aufwachen und feststellen, dass es zu spät ist… und das ist kein schönes Gefühl...“

Sie schniefte, wandte sich ab und ging wieder zum Riesenrad zurück.

Die junge Polizistin starrte ihr nachdenklich hinterher.
 


 

Ran fuhr fort, immer und immer wieder den Weg abzugehen, den sie wohl genommen hatten, zum Auto hin. Man hatte Reifenspuren gefunden. Vielleicht hatte ja einer der Entführer etwas verloren. Etwas, das ihnen einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort geben könnte.

Sie hoffte… ja, was hoffte sie eigentlich?

Auf eine Eingebung?

Einen Hinweis, wo er war?

Dass er noch am Leben war?
 

Ja, das hoffte sie.

Sie schniefte erneut, unterdrückte ein Schluchzen, wischte sich unwillig über die Augen.

Er durfte nicht tot sein.

Dann erstarrte sie und schaute auf das Fleckchen Gras vor ihren Füßen. Erst jetzt erkannte sie, wo sie stand.

Hier musste es gewesen sein.

Sie befand sich auf einer Stelle, an der das Gras außergewöhnlich platt gedrückt war. Von vielen Füßen platt getrampelt.

Langsam ließ sie sich zu Boden sinken, setzte sich ins Gras und schloss die Augen…
 

Es kam völlig unerwartet.
 

Schmerz.

Sie schnappte nach Luft. Das Gefühl war so intensiv…

Und dann begriff sie. Es war nicht sie selbst, die litt.

Er war es.

Sie griff sich mit einer Hand an die Stirn, versuchte zu begreifen, was hier eigentlich vorging.
 

Dann hörte es auf; stattdessen fühlte sie etwas anderes. Es war kühl. Dunkel. Dann ein neues Gefühl. Angst.

Dann war da etwas anderes. Ein Bild… ein Gedanke…

Irgendetwas mit… Wasser?

Wollte er ihr erklären, wie es ihm ging? Ihr etwas zeigen? Was? Und wie war das möglich?
 

Wie?

Shinichi… was?
 

Sie starrte die Tokioter Skyline entlang. Da drüben war das Meer. Wasser... Einer plötzlichen Eingebung folgend, stand sie auf, und ging ums Riesenrad herum.
 


 

Heiji stand etwas abseits, beobachtete Kazuha, die zusammen mit Ai und den Detektive Boys kleine Kinder befragte, ob sie etwas gesehen hatten.

Er dachte an Shinichi. Dachte an das, was er ihm erzählt hatte…

Es war noch gar nicht so lange her, als sie beiden sich unterhalten hatten; über Mädchen. Über Ran und Kazuha.

Heiji seufzte.

Sein Freund hatte darunter gelitten, dass sie nicht wusste, wie er für sie fühlte. Und er hatte es ihr aber auch nicht einfach so sagen wollen.

Shinichi hatte Ran wirklich geliebt- nur deswegen hatte er ihr ihre Freiheit zurückgeben wollen.

Er wollte mit ihr zusammensein- aber entweder ganz, oder gar nicht, hatte er gemeint.

Wenn er ihr seine Liebe gestehen würde, dann nur unter der Voraussetzung, dass er auch bei ihr bleiben konnte.

Die Erinnerung an jenes Gespräch stimmte ihn nachdenklich. Er kratzte sich am Hinterkopf, ließ seine Gedanken schweifen…
 

Sie waren beide am Brunnen in der Innenstadt gesessen, hatten dort auf Ran und Kazuha gewartet, die noch schnell in ein Geschäft verschwunden waren. Heiji hatte die Gelegenheit genutzt, um das Thema anzuschneiden.

„Warum willst’n ihr das eigentlich übers Telefon nich’ sagen? Dass du sie liebst, mein’ ich? Wär’s nicht ein Anfang, wenn sie es einfach wüsste? Wüsste, was sie für dich ist und ihr offiziell ein Paar seid?“, fragte Heiji und warf dem Grundschüler neben ihm einen fragenden Blick zu.

Der schüttelte daraufhin nur milde lächelnd den Kopf.
 

„Weißt du, Heiji… Telefonieren kommt schon allein deswegen nicht in Frage, weil es nicht dasselbe wäre, wie wenn ich es ihr persönlich sage. Ich würde ihr gerne ins Gesicht sehen dabei, ihre Reaktion miterleben. Und… und sie vielleicht… du weißt schon, was ich meine...“

Der kleine Junge war rot geworden und starrte einigermaßen nervös in die Fontäne. Heiji grinste bei dem Anblick. Dann allerdings wurde das kindliche Gesicht seines Freundes wieder ernst, als er mit seiner Erklärung fort fuhr.
 

„Und außerdem- früher dachte ich das auch. Es gab eine Zeit, in der ich es ernsthaft bereut habe, es ihr damals im Restaurant nicht gesagt zu haben, aus genau den Gründen, die du gerade aufgeführt hast. Dass es einfacher wäre, wenn unsere Beziehung ‚offiziell’ wäre, wenn sie wüsste, was ich für sie empfinde, weil ich es ihr gesagt habe. Ich war wirklich sauer auf Ai. Wirklich, wirklich wütend. Ich hab den Rest des Tages nicht mehr mit ihr geredet, und am nächsten auch nicht…

Ich hätte diesen dummen Fall sausen lassen, damals, hätte ich gewusst, wie wenig Zeit mir blieb.

Mittlerweile… mittlerweile denke ich etwas anders- ich meine, überleg doch mal- was wäre denn das für eine Beziehung? Das Ganze wäre doch noch schlimmer als eine Fernbeziehung; ich könnte ihr nie sagen, wann ich komme, und wie lange. Ich bin jetzt schon seit fast drei Jahren Conan und momentan, und das weißt du auch, sieht es nicht so aus, als würde sich da kurzfristig was dran ändern. Sie würde sich mit der Zeit sicher fragen, wie ernst ich die Sache nehme, wenn ich mich so selten bei ihr blicken lasse, würde an mir und meinen Gefühlen zweifeln. Versteh mich nicht falsch, ich hätte gern, dass sie es weiß. Ich wäre gern mit ihr zusammen. Aber so… nicht so, nein. Das bringt ihr nicht viel, zumindest auf Dauer gesehen nicht. Und mir doch auch nicht. Mir bringt es doch auch jetzt keinen Frieden zu wissen, was sie für mich empfindet, und daran würde sich auch nichts ändern, wenn sie meine feste Freundin wäre, im Gegenteil. Es würde immer schlimmer werden, je länger es ginge, weil ihre Zweifel an mir immer mehr wachsen würden. Dann lieber gar keine Beziehung, als eine, wo einer dem anderen ständig falsche Hoffnungen macht und Versprechen gibt, die er nicht halten kann. Die wahrscheinlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Dann lieber so weitermachen wie bisher. Einfach Freunde bleiben."

Er lachte bitter. Heiji warf ihm einen betrübten Blick zu.
 

"Ich warne dich, sag das bloß nicht Ai- die soll ruhig noch ein wenig weiter schmoren, ich mag nicht, wenn man mich anlügt. Das schlechte Gewissen, das sie vielleicht irgendwo hat, soll sie ruhig noch ein wenig weiter piesacken. Mir einfach nicht sagen, wie lange die Wirkung hält, wirklich, was hat sie sich dabei gedacht?!“

Er grinste schief, versuche, seine Frustration zu verbergen.

„Aber du kannst mir glauben, dass ich bereue, nicht schon viel früher den Mund aufgemacht zu haben. Wir hätten eine so schöne Zeit haben können. Vielleicht wäre dann dieser Mist hier nie passiert.“
 

Heiji nickte- diese Argumente waren für ihn durchaus einleuchtend gewesen. Tragisch, aber logisch.

Was dann kam, allerdings, hatte ihn aus allen Wolken fallen lassen.

„Heiji, mach nicht denselben Fehler wie ich. Sag Kazuha, dass du sie liebst.“

Der kleine Junge blickte ihn nun zum ersten Mal seit dem Beginn dieses Gesprächs an. Den Kopf in den Nacken gelegt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und einen derart ernsten Ausdruck auf dem Gesicht, der Heiji veranlasste, einen Schritt nach hinten zu machen.

„Aber…“

„Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen, Heiji, das ist meine Rolle. Reiß dich mal zusammen und benimm dich deinem Alter entsprechend. Du liebst sie. Du bist nur zu feige, dir das selbst einzugestehen, und zu feige, es ihr zu sagen.

Ich wünsche dir nichts Böses, wirklich nicht… aber wer garantiert dir denn, dass dein Leben so weitergeht wie bisher? Meinst du, ich hätte je damit gerechnet, dass es mal so laufen könnte? Ich rate dir, als dein Freund, sag es ihr, solange du noch kannst…“
 

Heiji schluckte.
 

Ich rate dir, als dein Freund, sag es ihr, solange du noch kannst…
 

Er warf Kazuha einen musternden Blick zu. Sie drehte den Kopf, sah dass er sie anstarrte und wanderte zu ihm herüber.

„Is was, Heiji?“
 

Du bist nur zu feige…
 

„Nein, bin ich nicht!“, sagte er laut.

Kazuha blinzelte, schaute ihn skeptisch an.

„Hast du jetzt den Verstand verloren? Was bist du nicht?“

Erst jetzt merkte er, dass er die letzten Worte laut gesprochen hatte.

Heiji wurde rot und zog eine Grimasse.

So ein Mist aber auch.

„Ich… ach nichts, Kazu. Ich hab nur laut gedacht.“

Kazuha tippte sich mit dem Zeigefinger an ihr Kinn.

„Ach so.“

Sie runzelte die Stirn. Ganz zufrieden zu stellen schien sie diese Antwort nicht, aber sie bohrte nicht weiter.

„Na dann… ich geh mal rüber zu Ran.“
 

Siehst du, ich hatte Recht… du traust dich nicht.
 

Heiji erstarrte. In Gedanken hatte er Kudôs grinsende Visage gesehen.

„Nein, diesmal irrst du dich!“, knurrte er leise.
 

Er straffte die Schultern, rannte Kazuha nach und hielt sie an der Schulter fest.

„Kazuha!“

„Ja?“

Sie wandte sich um und schaute geradewegs in sein Gesicht, legte den Kopf schief. Wilde Entschlossenheit spiegelte sich auf seinen Zügen.

„Heiji, w…was ist denn los mit dir?“, flüsterte sie erstaunt.

Er schluckte, starrte das Gras zu seinen Füßen an.

„Ich… ich muss dir was sagen…“

Das Mädchen schaute ihn fragend an.

„Was denn…?“
 

Er holte tief Luft, hob den Kopf, schaute in ihre klaren, blauen Augen… und sagte es.

„Ich liebe dich.“
 

Kazuha stand da, wie vom Donner gerührt. Sie brauchte ein paar Sekunden, um die Information, die sie gerade erhalten hatte, zu verarbeiten.

Sie blinzelte, legte ihren Finger an ihre Nase.

Hatte Heiji wirklich gerade gesagt, was sie meinte, gehört zu haben?

Einerseits bezweifelte sie es ja, schließlich ging es hier um Heiji Hattori; aber wenn sie ihn so ansah, so wie er gerade dastand… so war er doch sonst nicht.
 

Heiji betrachtete wieder den grünen Rasen unter seinen Sohlen - ihm war während der letzten Sekunden auf einmal schrecklich heiß geworden.

Und dann erschien ihr Gesicht vor seinem- sie war in die Knie gegangen, um ihm in die Augen sehen zu können. Er zuckte zurück.

Dann sah er, dass sie lächelte.

Und endlich, zaghaft, lächelte er zurück.

„Ich dich auch, Heiji.“

Es war nicht mehr als ein Wispern, aber er hörte es genau. Sein gerade noch angedeutetes Lächeln wuchs zu einem breiten Grinsen. Heißes Glücksgefühl durchströmte ihn, er merkte, wie seine Anspannung langsam von ihm abfiel.

So schwer war’s jetzt doch gar nicht gewesen…
 

Wunderbar…
 

Er richtete sich wieder auf, zog sie in seine Arme, merkte, wie sie sich an ihn schmiegte.
 

Danke, Kudô…
 

Er seufzte zufrieden, streichelte seiner Freundin über den Rücken.

Gerade fragte er sich, ob er wohl noch ein wenig mehr versuchen sollte, als er eine Bewegung am Rande seines Blickfelds bemerkte und den Kopf wandte. Kazuha folgte seinem Blick.

Dort lief Ran. Sie lief auf die Gondeln des Riesenrades zu.

Heiji warf Kazuha einen fragenden Blick zu; sie nickte. Gemeinsam hasteten sie ihrer Freundin nach.

„Ran!“

Sie liefen noch ein wenig schneller, Heiji zog Kazuha hinter sich her, beide riefen nun nach ihr.

„Ran? Ran! Warte doch mal!“

Dann hatten sie sie erreicht.

„Was hast du vor?“
 

Sie blinzelte.

Es war weg.

Was auch immer da gewesen war, es war weg. Aber sie wusste, was zu tun war.
 

„Ich werde Riesenrad fahren. Von da oben hat man einen besseren Überblick.“

„Riesenrad? Jetzt? “, ächzte Heiji.

„Der Betreiber wird gerade verhört! Jetzt fährt kein Riesenrad.“

„Aber er kann es doch trotzdem einschalten?“

„Ja, sicher…“

„Dann sollte es doch machbar sein, dass wir da rauf kommen.“

Sie legten den Kopf in den Nacken, schaute nach oben.
 

Shinichi…
 

Heiji seufzte und strich sich übers Gesicht. Er konnte sie ja verstehen, er machte sich ja auch Sorgen. Entsetzliche Sorgen. Aber Riesenrad fahren? Er schaute zu Kazuha. Die zuckte mit den Schultern.

„Warum nicht? Der Vorschlag klingt doch logisch… von dort oben hat man wohl wirklich eine bessere Aussicht.“

„Also schön. Aber wir kommen mit. Drei Paar Augen sehen mehr als eins.“
 

Ein paar Minuten standen sie ganz oben in einer Gondel und sahen sich um.

Der Himmel war klar und über ihnen funkelten Millionen heller Sterne.

Zu ihren Füßen breitete sich unter ihnen die Stadt aus, die anscheinend im Einschlafen begriffen war- es waren kaum Autos auf den Straßen, kaum Lichter in den Häusern an. Alles war ruhig, friedlich…

Ran starrte Richtung Meer. Dann sah sie den Hafen.
 


 


 

Shinichi dachte an Ran.
 

Er saß ihn Gins Porsche, neben ihm saß Vodka und hielt ihm seine Knarre an die Schläfe, damit er keine Mätzchen machte.

Als ob er noch Mätzchen machen könnte.

Er starrte seine Hand an. Blut klebte an ihr.

Ihm war schlecht. Und er fühlte sich so… müde. Erschöpft.

Er starrte aus dem Fenster, durch sein leichenblasses Spiegelbild hinaus auf die Straße, beobachtete die Lichter der Laternen, die eins nach dem anderen an ihm vorbei flogen, und dachte nach. Fragte sich, was noch alles kommen würde.

Schräg vor ihm saß Cognac auf dem Beifahrersitz - ein Mitglied der schwarzen Organisation, dessen Schnapsnamen er noch nicht kannte, steuerte den Wagen. Er war vielleicht vorhin mal gefallen, aber er hatte ihn sich nicht gemerkt.

Er hatte Kopfschmerzen. Kam wohl von dem Gegengift. Oder von den Schlägen. War eigentlich auch egal.
 

Ran…
 

Der Boss wandte sich um und räusperte sich. Shinichi drehte widerwillig den Kopf, als ihm Vodka in die Rippen stieß.

„Schön… du scheinst sehr schmerzresistent und verbockt zu sein. Aber du darfst mir glauben, wir haben Mittel und Wege, dich in die Knie zu zwingen.“

Der Mann wandte sich wieder nach vorne.

„Du weißt, wir wissen von deiner Freundin.“

Shinichi schloss die Augen.
 

Scheiße, nein. Nein. Nein!
 

„Welche Freundin?“, murmelte er tonlos, versuchte, gleichgültig zu klingen. Starrte wieder aus dem Fenster, sah den bleichen Mond am Firmament. Ohne dass er es wollte, tauchte in seinem Kopf die Frage auf, ob er wohl den nächsten Sonnenaufgang noch erblicken würde…

Der Gedanke war Furcht einflößend.

Sich so was fragen zu müssen- tatsächlich darüber nachzudenken, ob man heute Morgen zum letzten Mal die Sonne gesehen hatte…

Es war so ein schöner Tag gewesen, so warm, außergewöhnlich warm für Mai…

Die Sonnenstrahlen hatte ihre Haare zum Leuchten gebracht, er wusste es noch…
 

Millionen funkelnder Sterne in ihren Haaren, Lichtreflexe, gleißend hell…
 

Ran…
 

„Was meinst du mit ‚welche Freundin’? Hast du mehr als eine?“

Cognac lachte über seinen eigenen Witz, dann wurde er wieder ernst.

„Du weißt, welche ich meine.“

„Ich habe keine Freundin. Ich weiß nicht, von wem sie reden.“
 

Ran…!
 

„Dann wird es dich ja nicht groß kümmern, wenn wir Ran Môri einen netten kleinen Besuch abstatten, sobald wir dich neu einquartiert haben.“

Shinichi zuckte zusammen.

Er merkte, wie ihm der letzte Rest Farbe aus dem Gesicht wich.

Cognac hatte seine Bewegung im Rückspiegel mitbekommen.

„Du bist ein schlechter Lügner. Sie ist deine Freundin.“

Shinichi stöhnte auf und ließ seine Stirn gegen die Scheibe sinken.
 

„Nein, ist sie nicht. Sie hat Schluss gemacht.“

Das war eigentlich glatt gelogen. Schließlich war er es gewesen. Aber am Resultat änderte das nichts.

Er wandte sich dem Mann zu und grinste ironisch.

„Sie konnte es nicht abhaben, dass ich mich so wenig mit ihr abgegeben habe. Warf mir vor, ich wäre so selten da.“

Der Boss lächelte kühl zurück.

„Wie schade für dich. Nun, wir werden sie trotzdem umbringen.“
 

Shinichi keuchte, schlug sich die Hand vor dem Mund.
 

Gott, nein… nicht sie, bitte, bitte - nicht sie…
 

Er schloss die Augen und atmete tief durch.

Der Boss lächelte schadenfroh.
 

„Ich denke, es ist nur fair von mir, dir zu sagen, dass egal, ob du jetzt singst oder nicht, es keinen Einfluss darauf haben wird, dass wir sie holen und umbringen werden.“
 

Shinichi stockte der Atem. Er merkte, wie ihm kalt wurde, er zu zittern anfing, ohne es verhindern zu können.
 

Nein, nein, NEIN!

Nicht Ran… bitte, bitte nicht Ran…!
 

Er sah das breite Grinsen des Mannes vor ihm und ihm wurde schlecht.

Shinichi schluckte, bis sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte.

Der Gedanke, was passieren könnte, würde, wegen seiner Dummheit machte ihn fast wahnsinnig. Sie würden sie umbringen, vielleicht vorher noch…

„Nein!“

Er schrie, stürzte sich nach vorn, wollte dem Boss der Organisation ins Gesicht schlagen, ihm wehtun, ihn daran hindern, das was er vorhatte, in die Tat umzusetzen, irgendwie...

„Nein, nein, nein!“

Er merkte, wie jemand ihn zurückriss, sein Gesicht gegen die Fensterscheibe des Wagens drückte, spürte die Mündung eines Revolvers schmerzhaft an seiner Schläfe. Er presste die Augen zusammen, hörte das kalte, triumphierende Gelächter des Bosses der schwarzen Organisation.
 

Nein…
 

„Was nützt Ihnen das?“, presste er hervor. Neben ihm beschlug die Scheibe.

Verzweiflung und Panik stiegen in ihm auf.

„Nichts. Ich mache es, weil du leidest. Ich sehe es dir an. Du leidest… Und genau das will ich. Ich will, dass du dich quälst. Du hast doch mit dem Leben bereits abgeschlossen, wir wissen beide, wie es um dich steht. Warum solltest du mir also meine Fragen noch beantworten? Die kurze Zeit kannst du abwarten, das ist es doch, was du denkst, nicht wahr?

Aber ihr Tod wird dir mehr Schmerz bereiten als alles andere, was ich mir für dich ausdenken könnte. Weil du nobel bist… und weil du sie liebst. Du wirst zugrunde gehen, qualvoll, wenn du mit ansiehst, wie wir sie töten. Auch wenn du die Klappe hältst und mir meine Fragen nicht beantwortest, wird es mir dennoch eine große Genugtuung sein, dich gebrochen zu haben. Zu sehen, wie du dich nach deinem Tod sehnst, weil du mit der Schuld nicht leben kannst… und glaub mir, jetzt, da wir wissen, dass es diese Schrumpfgeschichten gab, werden wir sie finden, die gute Sherry, auch ohne dich- mir ist noch keiner entkommen. Es ginge zwar mit deiner Hilfe bedeutend schneller, aber unterm Strich bleibt das Ergebnis dasselbe. Und dann werden wir mit ihr ganz ähnlich verfahren wie mit dir.“
 

Shinichi wandte sich ab. Ihm war übel. Richtig schlecht.

Schlecht vor Angst.

Er fürchtete sich wie noch nie zuvor in seinem Leben.

Fürchtete um Rans Leben.

Was hatte er nur getan… damals vor drei Jahren, einfach diesen Männern nachzulaufen… und dann diese Schnapsidee, sich zu stellen…

Dadurch hatte er es besser machen wollen, stattdessen machte er es nur schlimmer.

Viel schlimmer…
 

Ran! Bleib weg, Ran…

Bleib weg von mir… und von zuhause…
 

Er merkte, wie Vodka die Waffe von seinem Kopf wegnahm, der Druck gegen die Scheibe nachließ.
 

Verschwinde…
 


 

„Hafen? Bist du sicher? Wie kommst du denn darauf?“

Kommissar Meguré starrte Ran ungläubig an.
 

„Ich weiß es einfach! Ich weiß es!“

Sie sah ihn an. Verzweiflung stand in ihrem Gesicht, ihre Körperhaltung verriet ihre Anspannung.

„Könnten wir nicht wenigstens ganz kurz hinschauen? Es müssen ja nicht alle gehen…“
 

Der Kommissar seufzte.

„Du willst wirklich hin, was? Aber warum denn? Du kannst doch nicht mal einen vernünftigen Grund nennen, Ran…“

„Ich weiß einfach, dass er da ist. Ich weiß es. Bitte!“

Ihre Stimme zitterte.

„Ich will ihn retten, ich muss! Ich muss, unbedingt! Kommissar Meguré, bitte!“

Sie war drauf und dran, ihn auf Knien anzubetteln.
 

„Wir wollen ihn alle retten, Ran. Keiner von uns will, dass ihm was passiert, oder dass er gar stirbt, das weißt du doch.“, warf Sato ein.

Sie stand neben Takagi und griff nach seiner Hand. Sie merkte, wie er sie sanft drückte.

„Aber was, wenn du dich irrst? Wir würden Zeit damit verschwenden, und Personal…“

Sie biss sich auf die Lippen. Sie konnte das Mädchen ja nur allzu gut verstehen.

„Ich irre mich aber nicht! Ich weiß es! Und wenn ich mit…“, sie schaute sich um, „… wenn ich mit Paps hinfahre und einem Beamten, dann brauchen wir fast kein Personal. Ich würde auch alleine suchen, aber wenn wir mehr Leute sind, finden wir ihn schneller, und wenn Polizei dabei ist, kommen wir leichter in die Gebäude. Bitte, Kommissar, bitte, nur kurz. Nur nachsehen. Dann können Sie ja woanders nach ihm suchen. Bitte!“
 

Ai stand neben Ran und schaute an ihr hoch. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, ein angespannter Ausdruck war auf ihrem Gesicht.

Langsam begriff sie, wie viel Shinichi Ran tatsächlich bedeutete.

Wie sehr sie an ihm hing. Dass sie alles tun würde, um ihn lebend zu finden.

Alles.
 

Die Detektive Boys und der Professor standen ebenfalls da und starrten das Mädchen an.

Professor Agasa machte sich wahnsinnige Sorgen; er schluckte und schaute auf die drei Grundschüler hinab.

Die Kinder waren alle sehr bleich im Gesicht. Sie wollten alle nicht heimgehen, bevor sie ihn nicht gefunden hatten.

Er fragte sich, wie sie reagieren würden, falls er- wenn er…

Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um diesen schrecklichen Gedanken zu vertreiben. An so was sollten sie nicht denken.

Agasa schluckte, schaute auf die Uhr. Es war bereits nach Mitternacht, die Attraktionen hatten alle nach und nach geschlossen.

Er fragte sich, ob Yusaku und Yukiko wohl schon im Flugzeug saßen… wie es ihnen ging.

Für ihn war Shinichi wie ein Enkel gewesen, wie musste es erst für die beiden sein… schließlich ging es hier um ihren Sohn. Ihren einzigen Sohn.
 

„Sie sollten sie gehen lassen, Kommissar.“, sagte Ai schließlich.

„Sie sollten sie gehen lassen, denke ich. Sie ist diejenige, die ihn von uns allen am besten kennt und am nächsten steht. Ihre Intuition sollten wir nicht unterschätzen.“

Alle schauten das kleine rotblonde Mädchen an.

Heiji nickte langsam, drückte Kazuhas Finger.

„Ja, das finde ich auch. Ich würde auch mit zum Hafen fahren, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich schätze, Ran hat Recht.“

Kogorô seufzte.

„Ja, das fürchte ich auch. Außerdem gibt sie vorher eh keine Ruhe. Und welchen anderen Hinweis haben wir? Im Prinzip ist es doch gleich, wo wir suchen…“

Takagi nickte zustimmend.

„Ja, das stimmt allerdings.“
 

„Also schön.“

Der Kommissar wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht. Ihm ging das Ganze hier sehr an die Nieren. Nicht nur, dass es sich in diesem Fall um den Sohn eines guten Freundes handelte, nein. Er hatte Shinichi auch selbst kennen und schätzen gelernt. Und er hoffte, ihn zu finden. Lebend zu finden. Sollten sie hier versagen… er würde sich sein Leben lang nicht verzeihen können, dass er ihm nicht hatte helfen können. Würde seinen Beruf an den Nagel hängen, damit würde er nicht weiter machen können… mit der Last, hier machtlos gewesen zu sein.

Also sollte er wohl wirklich jedem Hinweis nachgehen, den sie hatten… auch wenn er noch so fadenscheinig war.

„Sie, Môri, und ihre Tochter, sowie Hattori und Takagi gehen an den Hafen. Wir anderen bleiben hier und suchen weiter.“
 

Alle nickten, dann teilte sich die Gruppe auf.
 


 

Es war kalt hier.

Shinichi zog die Beine an den Oberkörper, ignorierte den pochenden Schmerz in seiner Seite und schlang seine Arme um die Knie.

Während der Autofahrt hatte der Boss ihm noch erklärt, wie sie das Gegengift hergestellt hatten- dank seiner dummen Email hatten sie ja herausbekommen, dass Conan und Shinichi eine Person waren. Also hatte man Shihos Aufzeichnungen herausgekramt, und ein paar ihrer fähigsten Wissenschaftler hatten sich zusammengesetzt, nach dem Gegengift geforscht- und eines gefunden, was er ja am eigenen Leib erfahren hatte dürfen.
 

Dann waren sie angekommen, und man hatte ihn durch eine Falltür hier runter gestoßen.
 

In den Keller des verlassenen Lagerhauses.

Und hier war er nun also allein mit sich, seinen Gedanken und ein paar Kellerasseln.

Er seufzte.

Wie verfahrener konnte seine Situation eigentlich noch werden, verdammt noch mal?!
 

Shinichi ballte eine Faust und schlug auf den staubigen Boden.

Dann wanderten seine Gedanken zurück zu ihr.
 

Ran… wo auch immer du bist, sei nicht zuhause, bitte…
 

Seine Zähne schlugen aufeinander. Ihm war übel und kalt und… sein Kopf schmerzte… alles schmerzte.

Und er hatte Angst.

Sie waren losgefahren, um sie zu holen. Um Ran zu holen.
 

Ran… Ran… bleib weg von daheim.
 

Er schaute seine Hand an, die er in seine Seite gepresst hatte. Sie war rot vom Blut. Sein Hemd klebte an seiner Haut.

Der Sturz hier runter war nicht unbedingt gesundheitsfördernd gewesen.
 


 

Ran saß im Wagen. Sie wollten einen Stadtplan von Tokio von zuhause holen.

Um das Hafengelände zielgerichteter absuchen zu können, der Hafen war schließlich riesig. Und er konnte überall sein.

Da merkte sie es wieder.

Sie fuhr hoch.

Heiji starrte sie an.
 

Ihr wurde kalt. Es war dunkel und kalt. Und dann hörte sie ihn.
 

Ran… bleib weg von daheim.

Verschwinde. Such nicht nach mir, halt dich fern…
 

Leise. Es war so leise.

Dann war es wieder weg. Ran starrte die Rückenlehne des Beifahrersitzes an.

Ein Gefühl von Angst übermannte sie. Sie wurde blass.

„Ran?“

Heiji schaute sie besorgt an.

„Geht’s dir nicht gut?“

Sie winkte ungeduldig ab, schüttelte den Kopf.

„Inspektor Takagi, drehen Sie um.“, verlangte sie dann.

„Was?“

„Drehen Sie sofort um und fahren Sie gleich zum Hafen!“

Takagi starrte verwirrt in den Rückspiegel.

„Warum…?“
 

„DREHEN SIE UM!“
 

Sie schrie so laut, das Takagi unwillkürlich das Steuer herumriss und in die Gegenfahrbahn schlitterte. Sie könnten von Glück sagen, dass so früh am Morgen noch nicht viel Verkehr war.
 

„Ich nehme an, du hast einen Grund, Mausebein.“, murmelte Kogorô skeptisch.

„Ja.“, antwortete Ran knapp.

Heiji starrte sie wortlos an. Er hatte nur eine vage Ahnung von dem, was in diesem Mädchen vorgehen konnte.

„Hat er dich davor gewarnt? Davor gewarnt, heimzufahren?“

Ran starrte ihn an.

„Ich weiß nicht… doch ja, ich denke schon…“

„Von ihm weißt du auch das mit dem Hafen?“

„Hmmm.“
 

„Ist dir so was schon mal passiert?“, fragte er dann.

Ran dachte nach.

„Nein, nicht dass ich- doch! Doch, ja… damals, als er mit Takagi im Tokiotower war. Die beiden wollten ja unbedingt noch den Aufenthaltsort des zweiten Sprengsatzes, den der Bombenleger versteckt hatte, herausfinden, deswegen haben sie die erste Bombe, mit der sie im Aufzug saßen, nicht sofort entschärft, weil sie kurz vor der Explosion den Ort der zweiten Bombe verraten sollte. Da hatte ich ein ganz ähnliches Gefühl. Als wolle er nach mir rufen, mir sagen, ich solle verschwinden- damals war die zweite Bombe in unserer Schule angebracht, wir schrieben Prüfungen...

Er ahnte es wahrscheinlich, oder wusste es vielleicht schon- auf alle Fälle wollte er wohl, dass ich mich in Sicherheit bringe…“
 

Kogoro starrte abwechselnd Heiji und seine Tochter mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Wie soll das gehen?“

„Seelenverwandtschaft. Eine besondere Verbindung zwischen-“, begann der Detektiv aus Osaka.

„So was gibt’s nicht.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil…“

Kogoro dachte nach. Als ihm keine plausible Erklärung einfiel, gab er seine Standardantwort.

„Geht dich nix an.“

Dann runzelte er seine Stirn verärgert.

„Wenn er sie so liebt, dass er für sie sterben würde, wie jeder immer so vollmundig behauptet, warum will er dann eigentlich, dass sie ihm folgt? Diesen Leuten direkt in die Arme läuft?“

„Das will er nicht. Er will mich gar nicht da haben.“

Rans Stimme war leise, aber bestimmt. Sie redete so selbstverständlich davon, als hätte er sie angerufen… und nicht über irgendwelche anderen, zweifelhaften Wege mit ihr Kontakt aufgenommen.
 

Alle starrten sie an, inklusive Takagi.

Ein wütendes Hupen ertönte.

„Schauen Sie auf den Verkehr, Mann!“, brüllte Kogoro aufgebracht.

Dann wandte er sich wieder seiner Tochter zu.

„Wie meinst du das, er will nicht, dass du ihm zu Hilfe kommst?“

„Ich weiß auch nicht. Er wiederholt es, es ist wie damals in der Schule, immer die gleichen Worte. Verschwinde, Ran. Bleib weg. Halt dich fern.“

Kogoro seufzte.

„Und warum tun wir dann nicht, was er sagt? Vielleicht kommt er allein zurecht?“

„Kommt er nicht. Ich weiß es. Er ist verletzt…“
 

Heiji atmete scharf ein.

„Wie schwer verletzt?“

„Er wird sterben, wenn wir nicht schnell genug sind.“

Sie starrte wieder aus dem Fenster, umklammerte mit ihrer linken Hand ihren rechten kleinen Finger. Heiji und Kogoro ließen sich in ihre Sitze fallen.
 

Shinichi…

Eine silberne Kugel verfehlt nie ihr Ziel

Gute Morgen allerseits!
 

An dieser Stelle möchte ich Conan-kun und littleangelheart herzlich begrüßen! Danke für eure Kommentare, hab mich sehr gefreut!
 

So- dann weiter im Text. Ja- mir war klar, das manche diese 'Psychokiste' *zuKilmaschiel* mögen werden oder auch nicht- ich wollte nun einmal, dieses Mal, was damit machen, bei dem Titel bot sich das ja an. Beim nächsten Mal bleibts wieder bodenständiger ;)
 

Nun- uhm. Es geht in die heiße Phase, wir sind nur noch zwei Kapitel vom Ende der Fic entfernt...
 

Also- ich wünsch euch wie immer viel Vergnügen beim Lesen, und verbleibe bis zur nächsten Woche
 

eure Leira ;)
 

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Shinichi schreckte hoch, blinzelte, starrte etwas desorientiert an die Decke. Dann fiel ihm wieder ein, wo er gelandet war. Er rieb sich die Augen und seufzte.

Er war wohl eingenickt, kein Wunder, eigentlich. Er war so müde.

Aber statt sich wieder hinzulegen, weil er ja sonst auch nichts zu tun hatte, saß er nur da und starrte an die Decke. Es knarrte, als jemand über seinem Kopf über die Holzplanken, aus denen die Falltür gezimmert war, ging.

Der Wachposten.

Einer von dreien- einer war noch vor dem Lagerhaus in einem Auto stationiert, der andere bewachte den einzigen Eingang von innen. Und dieser hier stand direkt über ihm.

Angewidert blickte er hinauf zu den graubraunen Bohlen, die seinen Ausweg versperrten, ein Ausweg, der ohnehin in unerreichbarer Höhe lag- er merkte, wie eine Kellerassel über seine Hand lief, hörte irgendwo eine Maus fiepen-
 

-und… versuchte zu begreifen, was hier passierte.
 

Ran… Shinichi hatte sie gesehen. Sie suchte nach ihm. Eigentlich sollte sie das nicht tun… sie brachte sich nur in Gefahr damit.

Aber vielleicht war das alles nichts weiter als eine Fieberfantasie. Ja. Das war es bestimmt. Er hatte nur geträumt, sie zu sehen, es war nur eine Halluzination, Wunschdenken, nichts weiter…

So etwas wie Seelenverwandtschaft existierte nicht. Das war doch nichts weiter als eine Erfindung verkitschter Romanautoren.

So was gab es in der Realität doch gar nicht.

Nein.

Neeein.

Sicher nicht.
 

Oder doch?
 

Dann hörte er Stimmen über sich und wurde aus seinen Gedanken gerissen.

„Boss.“

„Irgendwelche Vorkommnisse?“

Shinichis Augen verengten sich zu Schlitzen. Er hasste ihn. Bis jetzt hatte er nicht geahnt, dass er jemals jemanden so sehr verabscheuen könnte wie den Boss der Organisation. Aber dieser Mensch - dieses Scheusal - war ihm zutiefst zuwider. Und nichts wünschte er sich mehr, als diesem Mann das Handwerk zu legen- mal von dem Wunsch abgesehen, das hier überhaupt zu überleben.
 

„Nein. Soweit alles ruhig.“

Der Wachposten trat unruhig von einem Bein auf das andere, Staub rieselte von der Decke auf ihn herab, brachte ihm zum Niesen.

„Gut.“

Dann näherte sich noch jemand.
 

„Boss!“

Der Mann, der den Boss ansprach, schien sehr nervös. Ängstlich fast. Shinichi stutzte, horchte auf.

„Habt ihr sie? Wo ist sie?“

Der Boss klang erregt. Shinichi starrte feindselig nach oben. Furcht keimte in ihm auf.

Ran- wenn sie sie nun hatten...
 

„Boss… sie war- das Môri-Mädchen war nicht zuhause…“

Seine Stimme verlor sich in furchtsamem Gemurmel, wurde immer leiser, klang gegen Ende fast wie ein Winseln.

„Was soll das heißen, sie war nicht zuhause?! Es ist fast ein Uhr nachts, da sollte ein Mädchen in ihrem Alter im Bett liegen!“

Cognacs Stimme donnerte durch die Halle, vielfach verstärkt durch die besondere Akustik des leeren Lagers.

Sein Untergebener blieb ihm eine Antwort schuldig.

Shinichi atmete erleichtert aus. Wenigstens eine gute Neuigkeit.

Danke...
 

„Jetzt hör mir mal zu, du Versager- es ist mir ganz egal, wie ihr es anstellt. Ihr findet sie und ihr bringt sie hierher. Ich will sie haben. Verstanden?“

Seine Stimme klang kalt wie Eis, erduldete keinen Widerspruch. Dann schien ihm das schuldbewusste Gesicht seines Untergebenen aufzufallen.

„Was denn noch?“

Wieder Stille.

Was?“, herrschte der Boss den Mann ungehalten an.

„Es... es sieht so aus, als ob die Polizei und das FBI bereits auf unserer Spur sind. Sie suchen nach ihm. Nach Shinichi Kudô, nicht Conan Edogawa. Im Vergnügungspark, am Treffpunkt, wimmelt es von Polizisten. Immer wieder fiel sein Name. Wir waren gerade da- aber das Mädchen war auch hier nicht dabei.“

Er zögerte.

„Wir sind nicht die Einzigen, die von seiner Verjüngungskur wissen.“

Er stampfte mit dem Fuß auf den Boden, um zu verdeutlichen, wen er mit ‚ihm’ meinte. Erneut rieselte Staub auf Shinichi herab, aber diesmal versuchte er, nicht zu niesen. Stattdessen fiel er ihm in die Augen, brachte sie zum Tränen.

„Was?!“

„Doch, ja. Es muss noch jemanden geben, außerhalb der Organisation, der uns verraten hat.“, erklärte der Mann kleinlaut.

„Sherry.“, knurrte Cognac.

„Das wirst du mir bezahlen, meine Süße.“

Er sagte es leise, aber in seiner Stimme schwang die Drohung deutlich mit.

Shinichi hörte Schritte. Anscheinend brauchte der Boss der Organisation Bewegung beim Nachdenken.

„Wir müssen das Hauptquartier räumen. Wir können das Risiko nicht eingehen, dass sie es finden. Bereite alles vor. Vernichtet alle Beweise, das als erstes. Dann geht ihr nach Plan vor.“

„Aber…“, warf der andere ein.

„Es könnte doch sein, dass sie es nicht wissen...“

„Und es könnte sein, dass sie es wissen! Wer weiß, wem Vermouth was gesteckt hat. Außerdem wird die Polizei nun eine Großfahndung ausrufen, wenn sie wissen, wer der kleine Bengel war- und mit wem er sich angelegt hat. Sie hat nun genug Grund, die ganze Stadt auf den Kopf zu stellen, nachdem wir ihn haben und Sherry bei ihnen ist. Die Gefahr, dass sie das Quartier hier in Tokio findet ist viel zu groß, wenn sie jetzt weiß, wonach sie suchen muss.

Das Hauptquartier wird geräumt. Das ist mein letztes Wort.“

„Jawohl.“
 

Dann hörte er Schritte, die sich entfernten.

Also hatte Ai geredet- oder Heiji. Vielleicht auch beide. Die Polizei wusste, wer Conan gewesen war und sie fahndete nach ihm.

Wahrscheinlich wussten jetzt wohl alle, wer er gewesen war; Ran, Kazuha, Kogorô, die Polizei, die Kinder- alle.

Alle.

Was- was hatte Ran wohl dazu gesagt? Wie hatte sie wohl reagiert…?
 

Aber etwas, dass ihn im Moment noch viel mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass Ran ihn wirklich suchte. Was er gesehen hatte, waren keine Fieberträume gewesen.

Er hatte Ran im Auto gesehen.

Ran im Auto des Kommissars.

Wie zur Hölle…?!?
 

Der Grund, warum sie nicht mehr bei den anderen war, war wohl, dass sie auf dem Weg hierher war. Sie war bereits im Wagen gesessen - die Männer in Schwarz hatten sie wohl knapp verpasst.
 

Und somit kam er auch gleich zum nächsten Punkt, der ihm Sorgen bereitete…

Es kam nun leider ganz so, wie er befürchtet hatte. Die Vögel flogen aus. Wahrscheinlich umsonst, weil Ai ja nicht wusste, wo das Hauptquartier war - er hingegen schon… jetzt. Wer wusste, ob Meguré es jemals fand, selbst wenn er jeden Stein Tokios umdrehen würde. Aber der Boss wurde panisch, eine Tatsache, die ihn einerseits diebisch freute und gleichzeitig verzweifeln ließ. Wenn sie erst weg waren, war die Möglichkeit, sie noch mal zu finden, eher gering.
 

Shinichi schloss die Augen, seufzte frustriert. Es war zum Verrücktwerden.

Er wollte seine kalten Hände in seinen Manteltaschen vergraben, um sie zu wärmen, als er etwas spürte.

Etwas Hartes, Kühles.

Der junge Detektiv schloss seine Finger darum und erstarrte.

Daran hatte er gar nicht mehr gedacht…

Er zog seine Hand wieder heraus und betrachtete den Gegenstand, der auf seiner Handfläche lag.

Vermouths Mobiltelefon.

Sein Herz machte einen Sprung.

Es war doch noch nicht alles verloren!
 

Er klappte es auf und gleich im nächsten Moment wurde seinem Glücksgefühl ein herber Dämpfer verpasst.

Der Akku war so gut wie leer. Wahrscheinlich würde es in ein paar Minuten ausgehen. Der Empfang hier unten war auch nicht gerade der Beste.

Telefonieren war also nicht drin- bis der Angerufene ranging, bis er erklärt hatte, wer er war und erzählt hatte, was er zu berichten hatte, wäre das Handy bestimmt schon dreimal ausgegangen. Und außerdem, was war, wenn er oder sie das Klingeln gar nicht hörte? Nein. Eine Email war besser. Die würde man auch nach Stunden noch lesen können.

Also eine Kurznachricht.

Aber wem…?

Und was?
 

Das ‚Was’ war schnell geklärt. Er würde den Standort des Hauptquartiers verraten.

Er hatte gesehen, wo es lag, als sie es verlassen hatten, nachdem Vermouth erschossen worden war.

Zu schreiben, wo er sich befand, wäre sinnlos… er betrachtete seine blutverschmierte Hand.

Wahrscheinlich würde er es ohnehin nicht mehr erleben, dass man ihn rettete. Das Hauptquartier der in Panik geratenen Organisation zu stürmen indessen sollte ein Leichtes sein.

Und außerdem… mit der Preisgabe des Hauptquartiers konnte er Rans Leben retten! Und Ais, und das des Professors, Heijis und Kazuhas…

Er konnte sie alle retten…

Alle, alle, alle-

Er atmete erleichtert auf. Hoffnung- Hoffnung, die er schon beinahe aufgegeben hatte, vorhin, im Auto- keimte in ihm wieder hoch.
 

Die Polizei war vielleicht nicht schnell genug, die Beweise zu sichern, aber Festnahmen sollten drin sein. Und für die Beweise hatte er gesorgt.
 

Er würde ihnen das Genick brechen. Sie hochnehmen, sie zerstören- auslöschen für immer. Dank ihm würde die Polizei und das FBI eines der berüchtigtsten und gefährlichsten Verbrechersyndikate ganz Japans dingfest machen können.
 

Ha!
 

In seine Augen trat ein kämpferisches Funkeln, ein leichtes Prickeln breitete sich in seinem Körper auf, Aufregung erfüllte ihn bis in die letzte Haarspitze.

Er begann das Email-Menü zu öffnen und seine Nachricht zu tippen.

Als er fertig war, und er gefragt wurde, an wen er senden wollte, geriet er ins Stocken.

Ja, an wen den?

Ran?

Eher nicht… sie würde die Mail wohl kaum lesen, nach allem, was er ihr angetan hatte. Und selbst wenn…

Er musste sich eingestehen, er konnte ihre Nummer nicht auswendig. Er hatte sie nur ein einziges Mal gelesen, nämlich als er sie ins Adressbuch seines Handys gespeichert hatte, dann nie wieder… warum zur Hölle konnte er die Handynummer seiner großen Liebe nicht auswendig?! Er hatte ihr das Handy geschenkt, verdammt!

Bei diesem Gedanken geriet er in Panik. Sein Atem ging schnell, seine Hände wurden kalt, begannen zu zittern, als ihn die Erkenntnis traf.

Er konnte doch gar keine Nummer auswendig…

Er schluckte. Oh bitte… daran konnte es doch jetzt nicht scheitern, oder?
 

In Gedanken ging er alle Leute durch, die er kannte.

Heiji.

Professor Agasa.

Ai…

Meguré, Takagi und Sato…

Kogorô…

Genta, Mitsuhiko und Ayumi…
 

Fehlanzeige. Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige-

Er stöhnte frustriert auf, Verzweiflung stieg in ihm hoch. Warum hakte er auch jede Nummer ab, nachdem er sie gespeichert hatte? Warum machte er sich nicht die Mühe, sich mal ein paar zu merken?

Die Antwort auf diese Frage war ganz einfach. Weil er das Handy unter normalen Umständen immer bei sich trug. Nachts lag es neben ihm am Nachttisch. Wozu sein brillantes Hirn mit sowas Nebensächlichem wie Handynummern belasten, wo man sie doch jederzeit abrufen und nachsehen konnte?

Nur war das hier kein normaler Umstand- das hier war eine Katastrophe.

Er seufzte tief. Das rote Lämpchen, das den Batteriestatus anzeigte, blinkte immer schneller; ein Zeichen, dass der Akku gleich leer sein würde.
 

Und da fiel es ihm ein.

Ayumi.

Er kannte ihre Nummer. Sie hatte vor kurzem ein neues Mobiltelefon bekommen. Da er sein Handy nicht dabei gehabt hatte, und ihre Nummer demzufolge nicht sofort eintippen und speichern konnte, hatte er sie sich merken müssen. Sie hatte ihn so lange gedrängt, bis er sie auch ja auswendig runterleiern konnte. Er hatte es auf ihre Schwärmerei für ihn geschoben, nur gelächelt und die Nummer gelernt. Wenn es sie glücklich machte- sobald Conan wieder weg war, würde sie noch traurig genug sein.

Hastig tippte er sie ein und schickte die Nachricht ab. Er hoffte inständig, dass sie ihr Handy hörte, am besten noch wach war. Es musste schon ziemlich spät in der Nacht sein, soweit er es aus den Autofenstern erkennen hatte können.

Was sie wohl gemacht hatten, nachdem sie erkannt hatten, dass er weg war? Waren sie einfach heimgegangen? Irgendwie konnte er sich das bei seinen machmal schon übereifrigen kleinen Detektivfreunden fast nicht vorstellen, aber ob nun Detektiv oder nicht, sie waren, was sie waren- Kinder. Und Kinder gehörten Nachts ins Bett. Er appellierte an Ayumis Sorge um ihn, hoffte, dass sie noch nicht schlief, weil sie nachdachte, wo er abgeblieben war. Würde mann seine Nachricht zu spät lesen, würde der Erfolg wesentlich geringer ausfallen.

Er seufzte, schickte ein Stoßgebet gen Himmel.
 

Lass mich einmal nur Glück haben, bitte-
 

Dann riss ihm das leise Piepen des Handys aus seinen Gedanken.
 

Message sent
 

Er atmete erleichtert auf, als er die Sendebestätigung auf dem kleinen Bildschirm las. Dann wurde das Display schwarz. Er seufzte, warf das Handy gegen die Wand. Ein lautes, krachendes, splitterndes Geräusch in der Dunkelheit sagte ihm, dass dieses Mobiltelefon Geschichte war.

Genauso wie seine Besitzerin.

Er seufzte.
 

Sharon- I am so sorry, Sharon. May your soul rest in peace…
 

Er hoffte inständig, dass die Blätter noch da waren, wo er sie gelassen hatte- er hatte sie in der Mail erwähnt- so hatte die Polizei endlich auch Beweise. Genügend belastendes Material, um diese Verbrecher für den Rest ihres jämmerlichen Lebens im Gefängnis verrotten zu lassen.
 

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es war nicht die allerbeste Lösung, die kleine Ayumi mit so etwas zu belasten. Aber eine Wahl hatte er nicht. Er seufzte. Sie würde das schon machen. Immerhin war sie seit drei Jahren mit ihm befreundet, seit drei Jahren Mitglied der Detective Boys.

Viel Glück, Ayumi… ich zähle auf dich.
 

Und dann würde es vorbei sein. Sie würden bezahlen, für alles. Für alles.
 

Plötzlich hörte er, wie sich über ihm wieder Schritte näherten, Stimmen wurden laut.

„Und was jetzt? Was machen wir jetzt?
 


 

Ayumi merkte, wie ihr Handy in ihrer Jackentasche vibrierte. Sie hatten sich alle auf dem Parkplatz des Vergnügungsparks versammelt, nachdem sie zu dem Schluss gekommen waren, dass hier nichts mehr zu finden war.

Sie zog ihr Telefon heraus und klappte es auf.

Irritiert starrte sie auf das Display.
 

Nachricht von unbekannt
 

„Unbekannt?“, murmelte sie verwirrt und öffnete die Mail.
 

Ayumi,

wir beide kennen uns nur indirekt- du kennst mich als Conan Edogawa, in Wirklichkeit bin ich aber Shinichi Kudô. Mir wurde vor drei Jahren von Verbrechern ein Gift verabreicht, das mich töten sollte, in Wirklichkeit hat es mich jedoch um zehn Jahre verjüngt. Ich weiß nicht, inwieweit ihr vielleicht schon informiert worden seid.
 

Es ist wichtig, dass du diese Nachricht sofort Kommissar Meguré, Frau Sato oder Herrn Takagi zu lesen gibst, okay? Es ist wirklich dringend.

Das Hauptquartier der Organisation, die mich entführt hat, die mir das alles angetan hat, befindet sich im Industrieviertel, ein großer Plattenbau mit verspiegelten Fenstern, eine Fabrik mit drei Schornsteinen steht daneben, gegenüber ist der Sitz eines großen Chemiekonzerns.
 

Beweise für ihre Taten findet man im Salon des Bosses- falls sie die allerdings schon beseitigt haben, bis die Polizei eintrifft, habe ich beim linken Hinterreifen eines schwarzen 3er BMWs in der Tiefgarage noch welche deponiert. Neben dem Auto sollte eine Blutlache sein, wenn nicht sogar noch ihre Leiche.

Viel Erfolg!
 

Lebt wohl, Shinichi alias Conan
 

PS, Ayumi: Es tut mir Leid, euch angelogen zu haben, wirklich. Sagst du das auch Genta und Mitsuhiko, ja? Bitte… es tut mir wirklich Leid. Ich wollte das alles nicht… wirklich nicht.

Ich danke euch für eure Freundschaft, sie war das Beste, was mir unter den Umständen passieren konnte- danke für die drei Jahre! Und… kann ich dich um einen Gefallen bitten? Sag Ran, dass ich sie liebe, ja? Machst du das… für mich?
 

Das kleine Mädchen erbleichte und ließ das Handy fallen. Sie wollte schreien, aber nicht ein einziger Laut verließ ihre Lippen. Ihre Augen begannen zu brennen.

Ai und die beiden Jungs bemerkten es und scharten sich um sie. Während Ai sie in den Arm nahm und versuchte, sie zu beruhigen, zum Reden zu bringen, hob Mitsuhiko das Handy auf.

Auch ihm wich auf einen Schlag alle Farbe aus dem Gesicht.
 

„KOMMISSAR MEGURE!“, schrie er, seine Stimme überschlug sich.

Meguré, der gerade mit Inspektor Sato gesprochen hatte, drehte sich um und schaute den Jungen fragend an. Der drückte ihm nur wortlos das Telefon in die Hand.

„Mein Gott…“, flüsterte er.

Dann wandte er sich den beiden Beamten vom FBI zu.

„Sie sollten das auch lesen, denke ich.“
 

Shuichi nahm das Telefon entgegen und las die Nachricht.

„Höchst professionell.“, murmelte er nur, nickte anerkennend.

„Wir sollten keine Zeit verlieren.“

Jodie schluckte schwer, als sie die Zeilen las.

„Er hat nicht geschrieben, wo er sich befindet…“, flüsterte sie.

Meguré nickte betroffen.

Dann begann er, Befehle zu erteilen. In Windeseile zerstreute sich die Polizei, begab sich auf den Weg zum Hauptquartier der Schwarzen Organisation.
 

Ai starrte den Polizeiautos hinterher. Ihre Miene war versteinert, ihr Innerstes zu Eis erstarrt.

„Also zieht er es tatsächlich durch.“, murmelte sie.

„Ich hätte nie gedacht, dass er es wirklich schafft…“

Ayumi schniefte, dicke Tränen rollten über ihre Wangen, ihre Hände waren fest um ihr Handy geklammert.
 


 

Shinichi versuchte, sich zu konzentrieren, um zu verstehen, was über ihm geredet wurde.

„Nun“, antwortete Cognac, „dann tritt eben Plan B in Kraft. Wir entledigen uns des Zeugen. Die Art und Weise, auf die ich ihn sterben zu lassen gedenke, wird schlimm genug sein. Und bis er tot ist, wird er mit dem Gedanken leben müssen, dass wir seine Freundin trotzdem jagen und töten werden. Aufmachen.“

Die Bodenklappe hob sich.

„Holt ihn raus.“

Ein Mann sprang runter und hob Shinichi hoch, wo er von zwei anderen Männern in Schwarz in Empfang genommen wurde.
 

„Kennst du Cleopatra?“

Cognac grinste ihn an. In seinen Augen spiegelte sich unglaubliche Grausamkeit.

Shinichi starrte ihn wortlos an. Was sollte das?

Der Boss schien jedoch gar keine Antwort erwartet zu haben, denn er fuhr unbeeindruckt fort, beantwortete sich seine Frage selbst.

„Cleopatra war eine ägyptische Königin. Sehr schön, sehr intelligent, eine mächtige Frau. Und Cleopatra heißt auch ein Frachtschiff, das derzeit hier vor Anker liegt. In einer dreiviertel Stunde legt es ab. Nach Ägypten. Und rate mal, wer der glückliche Gewinner eines First-class-Tickets für eine Schiffsreise ins schöne Land der Pharaonen ist?“

Er lachte. Sein Gesicht war zu einer Maske erstarrt, bösartig, skrupellos und grausam, voller Schadenfreude und Befriedigung.

Shinichi erstarrte, fühlte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte.
 

Bitte, das darf nicht wahr sein.
 

„Du, mein junger Freund. Du wirst eine Luxussuite ganz für dich allein haben. Allerdings eine Innenkabine ohne Fenster, anders ließ es sich leider nicht einrichten, wir bedauern das zutiefst…“

Er starrte Shinichi an, einen Ausdruck wilder Freude auf seinem Gesicht und deutete auf eine metallbeschlagene Holzkiste hinter sich.
 

Shinichi merkte, wie er langsam ohnmächtig zu werden drohte. Hätten ihn die beiden Mitglieder der Schwarzen Organisation nicht festgehalten, wäre er nicht in der Lage gewesen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Das war ein Alptraum. Ein Alptraum.

Er würde sicher gleich aufwachen. Sicher…

„Rein mit ihm.“

Cognacs Stimme klang eisig.

Schlagartig kehrte Leben in Shinichis Körper zurück. Das hier war kein Traum…

„Nein! Nein! NEIN!“

Er versuchte sich zu wehren, mobilisierte seine letzten Kräfte… wenn er in dieser Kiste auf dem Frachter verschwand, war er tot…

Er merkte, wie die Schusswunde wieder aufbrach… warmes Blut lief ihm über die Haut, tränkte das Hemd, seine Hose von neuem…
 

Der Boss der Schwarzen Organisation grinste.

„Wir wollten dir eigentlich eine Reise für zwei schenken, aber unser zweiter Gast verspätet sich wohl. Aber keine Sorge, wir sorgen selbstverständlich dafür, dass sie baldmöglichst nachkommt.“
 

„Nein…!“

Shinichi sträubte sich. Versuchte um sich zu treten und zu schlagen, aber die beiden Männer hielten ihn eisern fest. Er starrte Cognac ins Gesicht, eine Mischung aus Abscheu und Verzweiflung auf dem Gesicht.

„Lasst sie in Frieden! Sie kann doch nichts dafür! Sie hat damit doch gar nichts zu tun! Lasst sie…“

Weiter kam er nicht. Ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf raubte ihm das Bewusstsein.
 


 

Sato saß mit ihren zivilen Mitstreitern im Büro in der Zentrale.

Sie war dazu beordert worden, hier auf Nachrichten zu warten- nachdem die Kinder auf dem Parkplatz fast eingeschlafen waren, hatte man sich zu diesem Schritt entschlossen.

So saßen sie und der Professor mit je einer Tasse dampfend heißend Kaffees und dem Telefon vor sich am Tisch im Gemeinschaftsraum der Polizeizentrale, während Kazuha und Ayumi, die immer noch ihr Handy festhielt, auf dem Sofa eingenickt waren, Genta einen Becher Schokoladenpudding in sich hineinschaufelte, Mitsuhiko die Nachrichten schaute und Ai… Ai saß in ihrem Plastikstuhl, ein zusammengesunkenes Häufchen Elend, eine Tasse heiße Schokolade in der Hand. Stumm rannen ihr die Tränen übers Gesicht.

Gelegentlich wandte Mitsuhiko den Kopf, schaute zu Ai- überlegte, ob er sie trösten sollte oder doch lieber nicht.

Die Tatsache, dass auch sie, genauso wie Conan, viel älter war als sie aussah, hielt ihn davon ab. Erst jetzt verstand er, was Conan gemeint hatte, als er zu ihm gesagt hatte, dieses Mädchen wäre nichts für ihn.

Er hatte es natürlich gewusst.
 

Aber- Ai war doch trotzdem seine Freundin. Und sie war traurig. Sie gehörte doch zu ihnen…

Und dann stand er auf, warf seine Bedenken über Bord, quetschte sich zu Ai in den Stuhl und nahm sie in den Arm.

Auch wenn sie älter war, auch wenn er gewisse Dinge vergessen musste; sie war immer noch seine Freundin - egal wie alt. Sie waren für Conan da- also warum nicht auch für sie?

Auch wenn es schwer werden würde. An den Gedanken musste er sich erst noch gewöhnen.

Er seufzte leise, als er merkte, wie sich das Mädchen langsam gegen ihn sinken ließ, fast lautlos an seiner Schulter weiter weinte.
 

Sato schüttelte verständnislos den Kopf, wischte sich mit einer Hand müde über ihre Augen.

„Was für ein Fall.“, murmelte sie leise, immer wieder.

„Was für ein Fall, was für ein Fall, was für ein Fall…“

Der Professor nickte nur. Ihm fehlten die Worte.
 


 

In der Zwischenzeit umstellten die Beamten der Tokioter Polizei das Gebäude, das ihnen als Hauptquartier einer Verbrecherorganisation genannt worden war.

Von seinem Wagen aus telefonierte Kommissar Meguré mit Takagi.
 

Der hatte gerade den Wagen in einer Seitenstraße nahe des Hafens abgestellt, und wollte sich mit Ran, Kogorô und Hattori auf die Suche nach Shinichi machen, als das Telefon geklingelt hatte. Da sie zu dem Zeitpunkt noch im Wagen saßen, schaltete er es kurzerhand auf den Freisprecher.
 

„Takagi?“, ertönte die Stimme seines Vorgesetzten aus dem Lautsprecher.

„Jawohl, Herr Kommissar!“, antwortete der Angesprochene beflissen.

„Ist etwas passiert? Haben Sie irgendwelche Hinweise gefunden?“

Er hörte, wie sein Chef Luft holte.

„Ich nehme an, Sie und die anderen sitzen im Auto, ja?“

Takagi nickte. Erst dann fiel ihm auf, dass sein Chef ihn ja gar nicht sehen konnte.

„Ja, Herr Kommissar!“

Es war Kogorô gewesen, der statt seiner kurzerhand antwortete.

„Das ist wohl auch gut so, dass Sie sitzen, meine ich… denn: ja; es gibt in der Tat Neuigkeiten. Wir wissen, wo das Hauptquartier dieses Verbrechersyndikats ist. Wir sind gerade dabei, es zu stürmen, die ersten Festnahmen werden gerade gemacht.“

Alle im Auto anwesenden atmeten hörbar ein.

„Das nenn’ ich mal erfolgreiche Ermittlungen.“, bemerkte Heiji beeindruckt.

„Darf man fragen, wem man zu dieser Leistung gratulieren darf?“
 

Eine Zeitlang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.

„Kommissar?“, hakte Takagi schließlich nach.

„Sind Sie noch dran?“

„Ja.“, ertönte es, ein wenig bedrückt, aus der Freisprechanlage.

Ein tiefes Seufzen war zu hören.

„Es war Kudô. Er hat uns, bzw. der kleinen Yoshida, äh, Ayumi, eine Email geschickt. Vor etwa einer halben Stunde. Von einem Handy, dessen Nummer keiner kannte, also war’s offensichtlich nicht sein eigenes. Es gelang uns auch nicht, ihn zurückzurufen, es war ausgeschaltet. Oder der Akku war leer.“

Ran begann zu zittern.

„Hat… hat er auch geschrieben, wo er ist?“

Ihre Stimme bebte.

„Nein.“

Ran schloss die Augen, biss sich auf die Lippen und ließ ihren Kopf nach hinten sinken. Nur mit Mühe konnte sie ihre Tränen zurückhalten. Heiji schluckte. Ihr war anzusehen, wie enttäuscht sie war.

„Er hat es nicht geschrieben. Also hat er es entweder selber nicht gewusst, oder es ganz bewusst verschwiegen. Wir… wir vermuten eher Letzteres. Wie es den Anschein hat, ist er nicht mehr hier, im Hauptquartier… wir denken, dass sie ihn woanders hingebracht haben. Und er hat nicht gesagt wo, damit wir unsere Zeit nicht damit verschwenden, ihn zu suchen, dabei womöglich die Verbrecher, die ihm das angetan haben, entkommen lassen. Außerdem weiß er, dass eine Geiselnahme zu beenden weitaus langwieriger und viel gefährlicher ist, als ein Gebäude zu stürmen, von dem man weiß, dass dort keine Unschuldigen gefangen gehalten werden.“

Ran schluckte hart.

„Er setzt eben Prioritäten.“

Der Kommissar seufzte in sein Telefon.

„Ran, so darfst du das nicht sehen. Er hat das getan, um dich und alle anderen zu retten. Soweit wir das jetzt wissen, nachdem was uns Ai erzählt hat, sind wohl alle, die ihn kannten, und somit auch du, ganz besonders sogar du, in Gefahr. Ihm war wichtig, dich in Sicherheit zu wissen. Und ihm war noch etwas anderes wichtig…“
 

Der Kommissar brach ab, als ihm seine Stimme versagte.

„Ran… mit dem letzten Satz in seiner Kurznachricht hat er darum gebeten, dir zu sagen, dass er dich liebt.“
 

Ran wimmerte gequält auf. Heiji zog ihren Kopf an seine Schulter, versuchte sie mit leisen Worten etwas zu beruhigen.

„Und deswegen…“, ertönte Megurés Stimme nun wieder deutlich gefasster und entschlossener aus dem Lautsprecher, „… ist es wichtig, dass Sie alle nach ihm suchen. Gehen Sie Rans Vermutung nach, sie könnte Recht haben. Es ist erst eine halbe Stunde her, als er geschrieben hat, also hat er da noch gelebt! Das ist doch eine gute Nachricht! Also… ich will, dass Sie sich umgehend auf die Suche machen!“
 

Ran schluckte und setzte sich wieder auf.

Natürlich. Der Kommissar hatte Recht.
 

„Takagi! Ich will, dass Sie mit der Zentrale in Kontakt bleiben. Sobald Sie etwas herausgefunden haben, melden Sie sich dort, Inspektor Sato hält dort die Stellung. Gehen Sie jedem Hinweis nach, und mag er auch noch so klein und unbedeutend sein!“

„Jawohl, Herr Kommissar!“, bestätigte der junge Beamte den Befehl seines Vorgesetzten.

„Wir müssen ihn finden…“, murmelte der noch, dann ertönte das Freizeichen aus der Leitung.
 

Jodie Starling und Shuichi Akai, die beiden FBI-Agenten, suchten die Tiefgarage. Die war nicht schwer zu finden; schon nach kurzer Zeit hatten sie den riesigen Fuhrpark der Organisation ausfindig gemacht.

Hunderte Quadratmeter voll mit schwarzen Autos, allesamt Nobelkarossen.

Und leider war nicht nur ein 3er BMW dabei.
 

Jodie seufzte, zog sicherheitshalber ihre Waffe.

„Hast du ihn schon gefunden?“

Shuichi schüttelte den Kopf, sah sich aufmerksam um.

„Was hat er denn noch geschrieben? Stand da nicht etwas von Blut und einer Leiche in der Nachricht?“

Seine Partnerin nickte.

„Na, dann lass uns doch mal danach suchen. Das dürfte sich als wesentlich einfacher erweisen, als ein schwarzes Auto unter vielen schwarzen Autos zu orten.“, flüsterte er ironisch und begann vorsichtig, seine Umgebung dabei genau beobachtend und so leise wie möglich, sich voranzutasten. Jodie tat es ihm gleich.
 

„Sag mal… wo sind die eigentlich alle?“, murmelte die blonde Amerikanerin beunruhigt.

"Es ist so still hier..."

„Wahrscheinlich noch alle oben, den Laden dicht machen. Ich frag mich, wie er das hingekriegt hat…“

„Kudô?“

„Ja. Und mich würde interessieren, wo er jetzt steckt.“

„Nicht nur dich, my dear…“
 


 

Inzwischen stürmten die Beamten des Tokioter Polizeidezernats das Gebäude. Die meisten der Verbrecher überraschten sie, während sie Geld, Wertpapiere, Dokumente und persönliche Dinge verpackten, und alles, was nicht transportabel war, vernichteten.
 

Es dauerte nicht lange, bis Kommissar Meguré, der, begleitet von ein paar Polizisten, unter denen sich auch Kommissar Shiratori befand, den Trophäenraum betrat.

Feuer loderte ihnen entgegen. Das Regal, in dem die Alben mit den Dokumentationen der verübten Verbrechen aufbewahrt wurden, stand in Flammen, begann auf die Holztäfelung an den Wänden überzugreifen. Jemand war ihnen zuvor gekommen.
 

Dann warf er einen bedauernden Blick auf die zerstörten Akten.

„Er hat sich so etwas anscheinend schon gedacht. Hoffentlich existieren die Beweise noch, von denen er geschrieben hat…“

Langsam begann er, ins Schwitzen zu kommen. Durch den Marmor und das Glas breiteten sich die Flammen zwar nicht besonders schnell aus, aber lange würde es nicht dauern, bis auch der Rest des Raumes brannte, die Temperatur hoch genug war, um die Glasplatten vor den Seidentapeten zu sprengen und diese ebenfalls in Brand zu setzen.

Dann wurde er von Shiratoris erstauntem Ausruf aus seinen Gedanken gerissen.

„Kommissar!“

Der Beamte hatte den Trophäenschrank gefunden, deutete auf das Foto von Shinichi und Ran.

Meguré brauchte nicht lange, um dieselben Schlüsse zu ziehen wie sein junger Freund Stunden zuvor.

„Das ist krank.“, murmelte er.

Hier hatte anscheinend jemand eine grausame Sammelleidenschaft ausgelebt. Sammelte die Kleinodien seiner besiegten Gegner…

Und Kudô… er war der nächste in der Reihe.
 

Dann fiel sein Blick auf die Ledertasche, die neben dem großen Glastisch lag, ging hin, hob sie auf und warf einen Blick hinein.

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er erkannte, was für Sachen sich in dem Beutel befanden. Schließlich reichte er die Tasche Shiratori.
 

„Tüten Sie alles ein, Shiratori. Ich weiß nicht, wie viel es uns nützen kann, aber vielleicht finden wir jemanden, dem die Sachen etwas bedeuten… Angehörige der Opfer vielleicht.“
 


 

Jodie stieß ihren Partner in die Seite.

„Da!“, hauchte sie entsetzt.

Hinter einem Auto glitzerte es feucht. Es war ein schwarzer BMW.

Die beiden schlichen leise um den Wagen herum, atmeten scharf ein, als eine Hand in Sicht kam… dann ein Arm, dann eine Fülle glänzender, blonder Haare.

Shuichi Akai blinzelte erstaunt, als er erkannte, wer da auf dem Boden lag.
 

„Vermouth.“, wisperte Jodie.

„Sieh dir ihr Gesicht an… Sie lächelt.“

Die Agentin starrte die Frau auf den Boden überrascht an.

Ihr Partner zuckte mit den Achseln.

„Und wenn schon. Nun..."

Er sah sich um.

"Sie hat er also gemeint, als er von ‚ihr’ in seiner Nachricht schrieb. Nun gut… das linke Hinterrad war es, nicht war?“

Jodie nickte und Shuichi kniete sich neben die tote Frau, streckte seinen Arm unter das Auto, tastete den Reifen entlang… dann spürte er Papier. Blätter.

Er schloss seine Finger darum und zog sie hervor.
 

Jodie stieß einen überraschten Schrei aus, als sie sah, was sie gefunden hatten.

Shuichi warf ihr einen warnenden Blick zu. Die Frau hielt sich erschrocken den Mund zu.

"Sorry, dear.", flüsterte sie leise.

Akai wartete eine Weile, ob Jodies Schrei gehört worden war, dann nickte er, rollte die Blätter zusammen.

„Damit hätten wir das… unsere Arbeit ist hiermit erledigt. Wir sollten diese Dokumente sofort in Sicherheit bringen, denn wenn jetzt noch etwas schief läuft, waren alle seine Mühen umsonst.“, stellte Akai sachlich fest.

„Und das wollen wir doch nicht.“

Die blonde Frau wandte ihren Kopf ab, warf einen Blick auf einen blutigen Handabdruck auf dem Boden der Garage, neben dem Wagen.

Sein Blut.

Akai folgte ihrem Blick.

„Komm schon, Jodie. Wir können hier nichts mehr tun. Im Prinzip… haben wir ohnehin in diesem Fall kaum etwas getan. Alles was wir wussten, hat er auch allein herausgefunden. Er hat sie zu Fall gebracht, er ganz allein…“

Jodie schluckte.

„Weißt du, wie sie ihn nannte?“, murmelte sie leise.

Akai zog die Augenbrauen hoch. Diese unvermittelte Frage seiner Partnerin überraschte ihn etwas.

„Nein. Shinichi, nehme ich an, schließlich kannten sie sich ja.“

Seine Partnerin schüttelte den Kopf.

„Nein, sie nannte ihn cool guy. Und… silver bullet.“

Akai zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Willst du damit etwa sagen…“

„Dass sie auf unserer Seite war? Ich weiß nicht.“

Sie schaute die Frau, die vor ihren Füßen auf dem Boden lag, nachdenklich an.

„Fakt ist, sie wollte ihn von hier wegbringen, alleine. Sie wurde bei dem Versuch erschossen. Er saß da drüben, verletzt… der Handabdruck, siehst du? Ich denke, das ist sein Blut. Und er hat die Beweise unterm Wagen versteckt. Er war also mit ihr hier… und sie wurde erschossen. Warum sollte man sie erschießen, außer um sie an der Flucht zu hindern? Und da war noch jemand.“

Sie deutete auf eine große Blutspur zwei Meter weit weg von ihnen.

„Ich denke, das war ihr Verdienst. Sie wollte ihn schützen. Ihm helfen… sie wusste, was er vorhatte – und sie hat es billigend in Kauf genommen. Also denke ich, sie war zumindest gegen die Organisation. Ob sie das auf unsere Seite stellt, bleibt offen.“

Akai wiegte seinen Kopf gedankenverloren, ließ seine eisblauen Augen über den Boden schweifen.

„Deshalb also nannte sie ihn silver bullet. Die silberne Kugel, die den schwarzen Dämon besiegt… er hat seinem Namen alle Ehre gemacht.“

Jodie schluckte.
 

„A silver bullet never fails to hit its target…“
 

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Edit (9.11.2006, 17:43 Uhr): Danke für die Hinweise in euren Kommentaren, Leute. Ich hab ein paar Stellen ausgebessert, damit es plausibler wird.

Stille

So- also- Kapitel elf.

Schaun wir mal, wie weit Shinichis Reise nach Ägypten geht. *garharhar*

Für was die Kiste gut ist? Um mir Zeit zu verschaffen- mir und Ran *g*

Gleich erschießen ist doch witzlos-
 

Achja- woher sollte Sharon Ran’s Handynummer haben? Hab ich was verpasst? Von Shinichi bzw. Conan wird sie sie wohl kaum haben. Und von ihr selbst erst Recht nicht.
 

Danke für eure Kommentare! Wer’s noch nicht gesehen hat: ich hab ein paar Änderungen vorgenommen. Man merkt oft selber nicht, wie viele Lücken da noch klaffen können.

Im Übrigen, wird Shinichi bestimmt nicht verdursten oder verhungern. Solange dauerts nicht mehr… *böselacht*
 

Also- soweit, so gut. Viel Vergnügen.
 

Bis zum grande finale nächste Woche,

Eure Leira :)

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Es war eng.
 

Shinichi war gerade aufgewacht- und zusammen mit seinem Bewusstsein kam auch die Erkenntnis, in welch aussichtsloser Lage er sich befand. Und dabei hatte er im weißen Raum schon gedacht, schlimmer könnte es nicht mehr kommen.

Weit gefehlt.
 

Das hier war schlimmer- viel schlimmer.

Er blinzelte, schnappte nach Luft und versuchte sich zu orientieren, brüllte, stampfte mit seinen Füßen gegen die Holzwand der Kiste, obwohl er nicht dran glaubte, dass ihn jemand hörte…
 

Es war verdammt eng hier. Viel zu eng - die Finsternis hier drin schien fast materiell zu werden, seinen ohnehin begrenzten Umraum noch kleiner zu machen, sich wie unsichtbares Gewicht auf seinen Brustkorb zu legen. Er fühlte wie er klaustrophobisch wurde, bekam Angst zu ersticken, hier drin zu sterben... versuchte, seine Hände aus den Handschellen zu ziehen, spürte, wie er in Panik verfiel, als es ihm nicht gelang. Er atmete heftig, dann rief er sich zur Vernunft.
 

Wenn er so schnell atmete, verbrauchte er den Sauerstoff noch schneller. Er wusste ja nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war, wie lange er hier schon an seinem Luftvorrat zehrte.
 

Langsam beruhigte er sich, dann zog er weiter an seinen Händen. Er kniff die Augen zusammen, als es wehzutun begann. Langsam, Millimeter für Millimeter kam er vorwärts, spürte, wie seine Haut aufriss, es brannte… er schrie leise auf, als er den Daumenknöchel durch die Öffnung zwängte, dann hatte er es geschafft.

Er zog die Hände hinter seinem Rücken hervor und begann, die Fugen des Deckels der Kiste abzutasten.

Es musste doch einen Weg geben, er wollte doch nicht sterben. Nicht hier, nicht heute…

Er trommelte mit den Händen gegen die Decke, rief, merkte, wie sich seine Stimme überschlug.
 

Angst-

Erst jetzt begriff er langsam, welche Macht dieses Gefühl hatte. Was es bedeutete, sich wirklich zu fürchten.
 

Er versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen, wieder ruhiger zu atmen.

Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf.
 

Ob Ayumi seine Email schon gelesen hatte?

Er fragte sich, ob die Polizei das Gebäude womöglich schon stürmte… hoffte, dass seine Beweise noch an Ort und Stelle waren, sonst wäre das alles umsonst gewesen…

Er keuchte, sein Atem ging schwer.

Wenigstens sie sollten leben… wenigstens sie. Ran, Ai, und die anderen… sie sollten nicht für seine Fehler bezahlen müssen.
 

Langsam wurde ihm unerträglich heiß, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

Die Kopfschmerzen setzten wieder ein. Seine Gedanken wurden vernebelt, sosehr er sich auch abmühte, er konnte nicht mehr klar denken. Trotzdem begann er, immer weiter, immer fester, mit den Fingern die Fugen der Kiste entlang zu fahren, kratzte, schob und drückte… ignorierte, wie seine Finger zu schmerzen anfingen, weil er sich die Haut an den scharfen Schweißnähten und den splittrigen Holzbrettern von den Fingerkuppen schabte. Verzweiflung stieg in ihm hoch.

Ihm wurde schwindlig, seine Sicht verschwamm. Er wusste nicht, ob es am Sauerstoffmangel lag oder an den Kopfschmerzen, am Blutverlust oder den Nebenwirkungen des Gegengiftes. Oder ob er einfach starb. Jetzt.

Er ließ die Hände sinken.

Das hatte alles keinen Zweck. Er konnte nicht mehr.

Es ging nicht mehr.

Es war aus.

Ihm war schlecht, er war erschöpft… sein Atem ging immer langsamer, immer flacher…

Bald würde es vorbei sein…
 

Ich sterbe.
 

Der Gedanke machte ihm Angst. Und doch wusste er, dass es die Wahrheit war. Nach all den Qualen, all den Schmerzen, nach drei Jahren Gnadenfrist, starb er jetzt. Entweder verblutete er, oder er starb am Sauerstoffmangel.

Keiner würde ihn hier finden. Es war zu spät.

Er bekam fast keine Luft mehr. Jeder Atemzug fiel ihm schwer. Sterne tanzten vor seinen Augen.

Eine Träne rann ihm aus dem Augenwinkel.
 

Sie würde es nie erfahren… nie aus seinem Mund hören…

Das Leben war grausam.
 

Ich liebe dich, Ran.
 

Ihr Gesicht war das Letzte, was er sah.

Dann wurde alles schwarz um ihn, er sackte weg, sein Kopf kippte zur Seite.
 


 

Ran lief, als würde sie um ihr Leben laufen. Tatsächlich lief sie um seines.

Sie rannte am Hafenbecken entlang, ihr Vater, Heiji und Takagi eilten hinter ihr her.

Sie hoffte, dass sie sich mit ihrer Vermutung nicht irrte. Aber alles deutete doch darauf hin, dass er hier auf dem Hafengelände war…

Bitte… er musste hier sein.

Ihr Atem ging stoßweise, sie merkte, wie es in ihrer Seite zu stechen begann, was sie allerdings auch nicht aufhielt. Sie ignorierte es einfach, verbannte es aus ihren Gedanken und hastete weiter. Am Horizont ging lansam die Sonne auf, aber sie sah sie nicht.

Sie merkte, wie ihre Augen wieder zu brennen begannen und wischte sich, während sie lief, unwillig darüber.
 

Nicht weinen, Ran. Jetzt nicht.
 

Sie schlug einen Haken um eine Touristengruppe, die stockbesoffen und johlend aus einer Hafenkneipe kam, hörte die unflätigen Kommentare gar nicht, die ihr ein paar der Männer hinterher riefen.

Ran lief gerade den Kai entlang, ihre Augen suchten das Lagerhaus, als es passierte.
 

Plötzlich sah sie ihn.
 

Er stand auf einmal vor ihr, sie konnte nicht bremsen, lief gegen ihn.

Nein.

Durch ihn hindurch.

Ran keuchte entsetzt auf und drehte sich um. Auch er hatte sich umgedreht.
 

Da stand er, Shinichi, im Licht einer Laterne und sah sie an. Sein Gesicht war ernst, seine Augen starr auf sie gerichtet.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. Nein, das durfte nicht sein. Wenn er da stand, sie durch ihn hindurch gelaufen war er… war er dann…?
 

Nein.

Nein.

Nein!
 

Er durfte nicht tot sein.
 

Er durfte nicht… er durfte nicht…

Das war nicht fair! Er durfte doch nicht tot sein…! Nicht jetzt, nicht, wo sie so kurz davor war- so kurz davor war, ihn zu finden…
 

Tu mir das nicht an! Tu mir das nicht an…
 

Angst schnürte ihr die Kehle zu, erschwerte ihr das Atmen.

Sie ging ihm entgegen. Ihr Herz hämmerte heftig gegen ihren Brustkorb, in ihren Knien schien Wackelpudding zu sein.
 

Das durfte doch nicht wahr sein.
 

Sie starrte ihn an, schüttelte immer wieder den Kopf. Das durfte nicht sein. Das durfte nicht sein. Das konnte nicht wahr sein.
 

Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht…
 

Shinichi schluckte, dann streckte er fordernd die Hand aus, seine Handfläche zeigte nach oben.

Ran legte den Kopf schief, schaute ihn fragend an. Was wollte er von ihr?

Nichtsdestotrotz legte sie ihre Hand in seine, fühlte nichts und doch…
 

Was dann geschah, ging über ihren Verstand.
 

Bilder rasten durch ihren Kopf, Bilder von Orten und Dingen, die sie nie gesehen hatte.

Ein Schiff. Ein Frachtschiff, der Name „Cleopatra“ war auf dessen Bug gepinselt. Es hatte keine klaren Konturen, nur der Schriftzug war zu lesen, tauchte kurz in ihrem Kopf auf- dann erschien ein anderes Bild.

Eine Truhe aus Holz, mit Eisenbeschlägen.

Auf einmal wurde es dunkel.

Ein Gefühl von Enge ergriff sie, sie bekam kaum Luft. Drückende Schwärze umgab sie.
 

Shinichi ließ sie los.

Er sah sie an. Er sagte etwas, aber sie konnte die Worte nicht hören. Doch sie konnte sie von seinen Lippen ablesen.
 

‚Ich liebe dich, Ran.’
 

Damit verschwand er, so plötzlich, wie er aufgetaucht war.
 

„Shinichi! Nein!“

Ran schrie. Sie stand da, zitterte am ganzen Körper, war den Tränen nahe. Sie merkte, wie ihre Beine nachzugeben drohten.
 

Bitte, lass ihn leben.
 

Wenn es einen Gott gab, er konnte doch so einen Menschen nicht sterben lassen… nicht so…

Dann riss sie sich am Riemen. Er hatte ihr etwas gezeigt… sie musste es finden. Ihn finden. Vielleicht war es noch nicht zu spät…

Ran ließ ihre Augen über den Hafen schweifen, umklammerte mit ihrer linken Hand ihren rechten kleinen Finger. Ihr roter Faden.

Sie hatte Recht gehabt, er war im Hafen.

Heiji, Inspektor Takagi und ihr Vater hatten sie nun eingeholt.

„Warum schreist du? Worauf wartest du?“

„Er ist auf der Cleopatra. Ein Frachter.“

„Wie sieht er aus?“

Ran schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es ein Frachtschiff namens Cleopatra ist.“

Sie sahen sie nur an, sagten nichts, sondern begannen mit ihren Augen nun ebenfalls das Hafenbecken abzusuchen.

„Warum zur Hölle muss er sich nachts entführen lassen? In dieser Finsternis findet man doch nix… sag ihm, wenn er das nächste Mal vorhat, sich umbringen zu lassen, dann soll er das am Tag machen, wenn es hell ist...“, grollte Kogorô unwirsch.

Sein Gesichtsausdruck jedoch strafte seine eher ironisch-humorvollen Worte Lügen- es verriet Sorge, Sorge um jemanden, von dem er noch vor ein paar Tagen gesagt hätte, dass er bleiben könne, wo der Pfeffer wüchse. Ran starrte ihn an.
 

Paps…?
 

Plötzlich griff Heiji sie am Arm.

„Ran! Der da?”
 

Ran folgte seinem Finger und sah es. Das Schiff. Es war rot, der Name „Cleopatra“ prangte in großen, weißen Lettern auf dem Bug, trotz des dämmrigen Lichts groß und deutlich zu lesen.

Und es war dabei, abzulegen.

Sie rannten los.

Es war schon ein paar Meter von der Hafenmauer abgetrieben, als sie es endlich erreichten.

Takagi holte seine Marke aus seiner Jackentasche und hielt sie hoch.

„Stehen bleiben! Ich bin von der Polizei! Sofort die Maschinen aus!”, brüllte er, ruderte ausholend mit den Armen, winkte und schrie weiter, um auf sich aufmerksam zu machen.

„SOFORT STEHENBLEIBEN!“
 

Ein wildes Gerufe fing an Bord der Cleopatra an, dann verstummte der Motor und eine Laufplanke wurde auf die Hafenmauer geschoben. Ran, gefolgt von ihren Begleitern, hastete über das Brett an Bord.

Während der Beamte den verblüfften Matrosen die Situation erklärte, eilte Ran in die Frachträume. Sie fiel fast die Treppe runter, die in die Lagerräume führte, lief den Gang entlang, stieß eine Tür nach der anderen auf, sah sich hektisch um…

Panik stieg in ihr hoch.

Kogorô sah ihr verzweifeltes Gesicht. Was würden sie finden? Was… was war, wenn er… wenn sie zu spät gekommen waren? Wie würde sie reagieren…?

Er schluckte, rannte ihr nach.
 

Sie suchte den Raum mit der Kiste - rief immer wieder seinen Namen, schaute sich unruhig um. Er antwortete nicht- und auch die Kiste blieb unentdeckt.

Überall lagen Fässer und Säcke. Keine Kisten.

Dann war sie im letzten Raum angekommen.

Atemlos lief sie hinein, sah sich fieberhaft um. Sie wusste, es ging um Sekunden… Shinichi war in Lebensgefahr.

„Ran?“

Kogorô hatte aufgeholt, stand nun neben ihr und schaute seine Tochter von der Seite her fragend an.

„Eine eisenbeschlagene Holztruhe.“

Sie wisperte es, suchte verzweifelt nach der Truhe, die er ihr gezeigt hatte. Sie fühlte beinahe körperlich, wie ihm die Zeit weglief.

Heiji begann, ein paar der Kartons, die sich hier bis an die Decke stapelten, weg zu schieben. Kogorô half ihm dabei. Dann stieß der Detektiv einen Schrei aus.

„Ran! Die hier?“

Sie eilte zu ihnen.

„Ja!“

Tränen stiegen ihr in die Augen.

Heiji angelte ein Brecheisen aus einem Regal, das im Raum stand, und reichte es Kogorô. Der holte aus, schlug das Vorhängeschloss weg und hebelte die Truhe auf.
 

Ran heulte auf, schlug ihre Hände vor den Mund, als sie hinein sah. Ihr Vater starrte sie an. Heiji blickte mit versteinerter Miene in die Truhe.

Da lag er, mit blutigen Händen, einen langen Kratzer auf seiner Wange, Blutergüsse im Gesicht - und bewegte sich nicht.

„Shinichi…“, wisperte sie.

„Wach auf, bitte… bitte, du darfst nicht… du darfst nicht tot sein, bitte… bitte!“
 

Ran sank in die Knie, klammerte ihre Hände um die Kante der Kiste, brabbelte Halbsätze vor sich hin, kaum zu hören, kaum zu verstehen - doch ihren beiden Mitstreitern jagten sie einen eisigen Schauer über den Rücken.

Sie hatten beide noch nie jemanden gesehen, der so verängstigt und verzweifelt war.

Kogorô und Heiji hoben Shinichis Körper heraus und legten ihn auf den Boden.

Ran zitterte vor Angst.

Ihr Vater fühlte seinen Puls.

„Verdammt.“

Hektisch riss er das Hemd des jungen Mannes auf, sah die Schusswunde, fluchte laut und begann mit der Herz-Lungen Reanimation. Hinter ihnen polterte ein ziemlich atemloser Inspektor Takagi in den Raum, blieb wie angewurzelt stehen, als er den jungen Detektiven am Boden liegen sah und wurde kreidebleich, hielt sich mit einer Hand Halt suchend am Türrahmen fest.

Das Mädchen schluchzte auf und wandte sich ab. Ihre Beine gaben vollends unter ihr nach, ihr wurde fast schwarz vor Augen… sie sah nichts mehr, Tränen verschleierten ihre Sicht; hörte nichts mehr außer ihren eigenen, erstickten Schluchzern… nur am Rande bekam sie mit, wie ihr Vater weiter versuchte, ihren Freund wieder ins Reich der Lebenden zurückzuholen.
 

Sie waren zu spät gekommen.
 

Sie schrie auf und krallte ihre Hände in den Metallboden der Kabine, so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Das durfte nicht wahr sein, dass konnte nicht wirklich sein- so erbittert hatten sie gekämpft, und nun war alles umsonst- alles umsonst…

Ihr wurde kalt, sie fühlte sich seltsam taub, zerrissen.

Er war tot.

Sie presste die Augen zusammen, versuchte, tief Luft zu holen, aber es ging nicht. Ihr Körper weigerte sich. Stattdessen wurde sie weiter von ihrem Heulkrampf geschüttelt.
 

Langsam, ganz langsam, drehte sie ihren Kopf, schaute ihn an- sah den Kratzer auf seiner Wange, die Blütergüsse in seinem bleichen Gesicht...
 

Ran zitterte, bebte am ganzen Körper, konnte es kaum fassen und wusste doch, dass es die Wahrheit war- Shinichi war nicht mehr am Leben.

Sie wandte sich ab, konnte den Anblick nicht ertragen, der sich ihr bot. Denn je länger sie hinschaute, je mehr Zeit verstrich, desto entgültiger wurde die Tatsache, dass... dass...

Sie presste die Augen zusammen, biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte, aber nahm den damit verbundenen Schmerz gar nicht wahr. Er war nichts im Vergleich zu den Qualen, die sein Tod ihr verursachten...
 

Heiji stand da, starrte zuerst nur auf ihn. Seinen Freund…

Bitte... das war doch nicht wahr...
 

Er wollte etwas sagen, zu Ran, die neben ihm auf dem Boden kauerte und… und…

Ihm fehlten die Worte, um ihren Zustand zu beschreiben, ebenso wie sie ihm fehlten, um ihr Trost zuzusprechen.

Es gab nichts, was sie über seinen Verlust hinwegtrösten könnte. Und außerdem hätte er jetzt auch ein paar tröstende Worte nötig- unbewusst wünschte er sich, Kazuha wäre hier.
 

Fast schon mechanisch holte er sein Handy aus der Jackentasche und rief den Notarzt.

Eine Tat, eine Handlung, die er intus hatte, im Schlaf beherrschte, weil er sie schon so oft durchgeführt hatte.

Nur diesmal- diesmal musste der Krankenhausmitarbeiter öfter nachfragen, bis er ihren Aufenthaltsort aus Heiji herausbekommen hatte.
 

Der Oberschülerdetektiv hatte gerade aufgelegt, als ein heiseres Husten ihn und Ran herumfahren ließ. Takagi schaute auf, mache einen Schritt nach vorne.

Kogorô half dem verzweifelt nach Luft schnappenden Jugendlichen, sich aufzusetzen, um besser atmen zu können. Shinichi beugte sich nach vorn, griff sich mit einer Hand an seine Brust und versuchte, mehr oder weniger erfolgreich, seine Lungenfunktion wieder unter Kontrolle zu bringen.

Er blinzelte, sah verschwommen den Boden des Frachtraums vor sich.
 

Der Mann klopfte ihm auf den Rücken.

„Du musst langsam einatmen. Solltest du doch wissen.“

Shinichi drehte den Kopf ein wenig, schaute in Kogorôs ernstes Gesicht. Seine Stimme schien weit weg zu sein, aber er verstand dennoch, was er sagte, hörte, dass er besorgt klang.

Kogorô…?
 

Er schloss die Augen, hielt die Luft an, atmete tief aus und wieder ein. Langsam ging es wieder besser.

„Geht’s wieder?“

Heijis Gesicht tauchte vor ihm auf.
 

Shinichi nickte kaum merklich, genoss das Gefühl, frei atmen zu können... Luft holen, soviel er wollte...
 

„Schön, dann legst du dich am besten wieder hin. Und dann warten wir auf den Arzt.“, beschloss Rans Vater, zog sorgenvoll eine Augenbraue hoch.

Im nächsten Moment merkte er, wie jemand sich hinter ihn setzte.

Es war Ran.

Er sah sie nicht, aber er wusste, dass sie es war. Sie legte ihre Hände um seinen Brustkorb, zog ihn nach hinten, bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Er ließ sich fallen, sah kurz ihr Gesicht, stellte fest, dass sie geweint hatte… roch den Duft ihrer Haare, als sie sich leicht über ihn beugte, über seine Wange strich. Dann schloss er die Augen – er war so müde. So unglaublich müde…

Ein Gefühl tiefer Ruhe fing ihn ein.

Endlich war es vorbei.
 

„Shinichi?“

Er öffnete die Augen ein wenig, sah Rans Gesicht kopfüber über seinem.

„Ich liebe dich auch.“
 

Auch?

Er schluckte – und schließlich lächelte er, müde, aber glücklich. Und beschloss, sich heute über nichts mehr zu wundern - es war einfach zu verrückt, das alles.
 

Dann verlor er erneut das Bewusstsein.
 

„Undankbarer Kerl.“, knurrte Kogorô.

„Paps!“, wisperte Ran.

„Jaja.“

Kogorô verdrehte die Augen, dann schaute er zu Heiji, der sich aufseufzend auf einen Karton hatte sinken lassen.

„Kommt der Arzt?“

„Ja.“

Der Mann nickte zufrieden und setzte sich neben Ran, die Shinichi immer noch festhielt, ihm durch die Haare streichelte. Lautlose Tränen der Erleichterung rollten ihr über die Wangen.

Der Mann seufzte und betrachtete die Beiden.

„Warum ausgerechnet ihn, Mausebein?“

Ran lächelte.

„Weil ich ihn liebe. Weil er mich liebt.“
 

Kogorô seufzte erneut und griff nach Shinichis Handgelenk, um den Puls zu fühlen.

Nach einer Weile nickte er.

Dann beobachtete er seine Tochter nachdenklich. Schließlich fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare und seufzte.

„Nun, es hätte schlimmer kommen können, nicht? Ihn kenn ich ja mittlerweile ganz gut, scheint wohl nicht ganz so übel zu sein, wie ich dachte…“

Heiji grinste.

„Das musste ihm aber noch mal ins Gesicht sagen, Alter, sonst wird er das nich' glauben.“
 

Sato hechtete zum Telefon, als es klingelte. Sie wartete immer noch im Gemeinschaftsraum, mittlerweile zusammen mit den FBI-Beamten, die mit den Beweisen zurückgekehrt waren und Kommissar Meguré, der zurückgekommen war, um das Festnehmen und unter Arrest stellen der Organisationsmitglieder von der Zentrale aus zu leiten, und nebenbei auf eine Meldung von Ran und ihren Begleitern warten zu können.

In die Menschenmenge um sie herum kam Bewegung. Kommissar Meguré, Shuichi Akai, Jodie Starling, Kazuha, die Kinder, Ai, der Professor und Eri Kisaki, die man ebenfalls informiert hatte, starrten sie erwartungsvoll an.

Sie hob ab, meldete sich und lauschte.
 

Am anderen Ende war Takagi.

„Wir haben ihn.“

Er hörte sich außer Atem an. Erleichtert und besorgt zugleich.

Sato seufzte auf.

„Wie… wie geht es ihm?“

Die Leute um sie herum atmeten tief ein, schienen die Luft anzuhalten und rückten näher.

Meguré tippte auf den Lautsprecherknopf.

„Er hatte einen Herzstillstand, als wir ihn fanden.“, ertönte Takagis Stimme aus dem Telefon.

Ein paar der Anwesenden wimmerten leise auf.

„Herrn Môri gelang es aber zum Glück, ihn zu reanimieren. Er war nur ganz kurz bei Bewusstsein… die haben ihn wirklich übel zugerichtet. Die Môris sind mit ihm im Krankenwagen ins Klinikum gefahren, Hattori und ich fahren gleich hinterher. Wir könnten uns alle dort treffen…“

„Wir sind schon unterwegs.“
 

Das Büro leerte sich auf einen Schlag.
 


 

Die vier standen bereits am Gang und warteten, als der Rest der Truppe eintraf. Unter ihnen befand sich jetzt auch Sonoko, die man noch abgeholt hatte, um sich mit Kazuha und Eri um Ran zu kümmern.

Sie sah Ran, die sehr blass und mit tränennassem Gesicht an der Mauer lehnte und in die Leere starrte. Sonoko lief hin zu ihr, nahm sie in die Arme, begann leise auf sie einzureden, um ihr Mut zuzusprechen.
 

„Kommt er durch?“, fragte Meguré heiser, noch bevor er Takagi ganz erreicht hatte. Er hatte seinen Hut abgenommen und knetete ihn nervös mit beiden Händen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich der Kommissar wirklich große Sorgen machte.

Dass er außer sich war.

Fassungslos.
 

Takagi stand von der Bank auf, auf der er bis jetzt gesessen hatte und seufzte.

„Er wird gerade operiert. Die Ärzte können noch nichts Genaues sagen, er hat ziemlich viel Blut verloren…“

Der Kommissar wurde bleich, nickte dann nur ernst und räusperte sich dann.

„Ich… ich kann hier leider nicht warten, ich muss mich um die Festnahmen kümmern. Sie sagen mir Bescheid, sobald sich etwas tut, verstanden, Takagi? Und rufen Sie mich an, sobald die Kudôs angekommen sind.“

„Jawohl, Herr Kommissar.“, murmelte der junge Beamte.
 

Kazuha ging zu Heiji, ließ sich von ihm in die Arme nehmen und weinte leise. Er gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, drückte sie sacht an sich.
 

Eri stellte sich neben Kogorô, ihre Tochter und Sonoko, ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken. Er legte einen Arm um seine Frau und schluckte hart, warf Ran einen besorgten Blick zu. Während der Fahrt im Krankenwagen war Shinichi nicht aufgewacht. Langsam hatte sich herausgestellt, wie schlimm es wirklich um den jungen Mann stand- er war zwar am Leben, aber eben dieses hing an einem seidenen Faden.

Ran, die gerade eben noch so glücklich gewesen war, hatte die Nachricht zutiefst geschockt. Sie hatte im Krankenwagen gesessen, seine Hand gehalten und sie erst losgelassen, als man ihn in den OP geschoben hatte.

Sie war mit ihren Kräften am Ende.

Diese Achterbahnfahrten von Hoffen und Bangen, Angst und Erleichterung, zehrten an ihr, man sah es ihr deutlich an.
 

Die Kinder setzten sich auf die Bänke, wobei Mitsuhiko und Genta ihre kleine Freundin in die Mitte nahmen. Ayumi heulte Rotz und Wasser, und die beiden taten ihr Möglichstes, um sie zu beruhigen. Der Professor und Ai, die sich mittlerweile wieder im Griff hatte, gingen los, um Kuchen und Getränke zu besorgen.

Eine kleine Stärkung würde ihnen allen gut tun.
 

Sato eilte zu Takagi.

Ran hatte Recht gehabt, mit allem was sie gesagt hatte. Wenn sie zu lang wartete, würde es vielleicht eines Tages zu spät sein. Shinichis Schicksal hatte ihnen das deutlich genug vor Augen geführt.

Dann stand sie vor ihm, schlang ihre Arme um seinen Nacken und küsste ihn, schmiegte sich an ihn. Er nahm sie etwas zögernd in den Arm, drückte sie an sich.

„Ich dachte, auf dir lastet ein Fluch.“, wisperte er schließlich.

Sie bemerkte sein Erstaunen und lächelte.

Dann wurde sie ernst.

„Wataru, ich denke, wir sollten es versuchen. Ich liebe dich. Und heute wurde mir sehr deutlich klar, wie das alles enden könnte… und wie schade es wäre, wenn wir unsere Zeit dann nicht genossen hätten. Wir sind Polizisten, jeder Tag ist ein Risiko für uns; wir könnten im Einsatz sterben, wir wären nicht die ersten. Und aufzuwachen, eines Tages, zu wissen, dass du tot bist, oder eine andere hast… ohne dass wir je versucht hätten- es versucht hätten, unser Leben gemeinsam zu führen, glücklich zu werden… dieser Gedanke ist unerträglich für mich.“
 

Takagi nickte nur, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Du hast mit Ran geredet, nicht wahr? Über ihre Beziehung mit Shinichi. Die Beziehung, die sie nie hatten und jetzt vielleicht nie haben werden… Ich hab euch gesehen, am Rummelplatz, als ich den Riesenradführer befragt habe.“

„Ja.“

Sie schwieg. Dann…

„Du hast ihn gesehen… er wird doch durchkommen, oder?“

„Das weiß noch keiner. Ich bezweifle sogar, dass er selbst es weiß. Aber er wird wohl nichts unversucht lassen. Denn wenn ich eins sicher weiß, dann, dass er kein Mensch ist, der so schnell aufgibt.“
 

Und so warteten sie.

Endspiel

Mesdames, Messieurs,
 

der Rote Faden geht in die letzte Runde. Nun- ich sag an dieser Stelle mal nichts mehr, ich wünsch euch viel Vergnügen beim Lesen…
 

Mit freundlichen Grüßen, eure Leira :)
 

*sichsetzt*
 

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Shinichis Zustand besserte sich nur langsam. Allgemeines Aufatmen war erst am Abend des nächsten Tages angesagt, als endlich feststand, dass er über dem Berg war.

Aufwachen würde er erst am darauffolgenden Tag und das auch nur, weil Kogorô, als er das Zimmer betrat, die Tür so heftig aufstieß, dass sie gegen die Wand krachte.
 

Shinichi fuhr hoch und war zunächst völlig desorientiert. Als er herausgefunden hatte, wo er steckte, strich er sich müde mit einer Hand durchs Gesicht, versuchte, die Erschöpfung ein wenig zu vertreiben. Er fühlte sich wie zerschlagen, wollte am liebsten gleich wieder einschlafen.

Daraus wurde allerdings nichts.
 

„Du bist wach!“, bemerkte Kogorô erfreut und eilte näher.

„Ach nee.“, hüstelte der Oberschüler ironisch und warf ihm einen prüfenden Blick zu. Was suchte Kogorô bei ihm im Krankenzimmer?

Der Mann hingegen schaute ihn besorgt an.

„Na, du warst immerhin gute zwei Tage bewusstlos, und bis vorgestern konnte keiner sagen, ob du durchkommst oder nicht…“

Shinichi blinzelte ihn fassungslos an.

„So schlimm…?“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu seinem Besucher.

Kogorô nickte trotzdem.

„Ja. Du… du hast es doch mitgekriegt oder?“

Shinichi schaute ihn fragend an.

Was mitgekriegt?“

Der Mann blickte ihn an, öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, schloss ihn dann wieder, ohne einen Laut von sich gegeben zu haben und knetete nervös seine Hände.

Dann räusperte er sich.

„Sag mal… was muss man eigentlich machen, um sich so tief in du-weißt-schon-was reinzureiten? Du sahst richtig übel aus. Tust du immer noch, nebebei bemerkt…“
 

Shinichi schluckte, runzelte die Augenbrauen skeptisch.

Er weicht mir aus… er weicht meinen Fragen aus. Warum...?
 

„Ist doch jetzt nicht mehr wichtig...”, krächzte er dann heiser und ließ sich wieder in die Kissen sinken.

Was viel wichtiger ist- welcher Tag ist heute eigentlich? Wo bin ich…? Offensichtlich im Krankenhaus, aber wie bin ich hierher gekommen? Wo sind alle? Wo ist… Ran?
 

Ran… ich muss mich doch noch bei ihr entschuldigen…
 

„Wie bin ich hierher gelangt? Und welcher Tag ist heute eigentlich? Und was- was ist überhaupt passiert…?“, fragte er dann, in der Hoffnung, Kogorô würde nun endlich ein paar seiner Wissenslücken füllen.

„Ach, eigentlich nichts, worüber wir uns jetzt noch den Kopf zerbrechen müssten. Du sagst ja selber, ist nicht mehr wichtig.“

Kogorô lachte gekünstelt, vergrub seine Hände auffällig lässig in seinen Jackentaschen, vermied Blickkontakt.
 

Schon wieder weicht er mir aus…
 

„Kogorô…“

Shinichi richtete sich leise stöhnend auf.

„Was zur Hölle ist passiert? Wie komme ich hierher? Wo sind die anderen?“

Der Meisterdetektiv seufzte geschlagen.

„Du hörst nicht auf, oder? Du wirst nicht aufhören, mir diese Fragen zu stellen, bevor du eine Antwort hast…“

„Nein.“

Kogorô verdrehte die Augen, fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht.

Dann-
 

„Also schön. Wie weit reichen denn deine Erinnerungen?“

Der Oberschüler überlegte kurz.

„Bis…“

Shinichi holte scharf Luft und schüttelte unwillkürlich den Kopf, als sich die Erinnerung an diesen schrecklichen Tag mit voller Wucht zurückmeldete.

Angefangen damit, dass er mit Ran Schluss gemacht hatte, dann seine Entführung, die Zeit in Gefangenschaft, das Verhör vom Boss und schließlich... schließlich...

Kaum zu glauben, dass dies alles in doch recht kurzer Zeit geschehen war.

Er biss sich auf die Lippen, suchte nach Worten, ehe er seinen Satz vollendete.
 

„Bis mir in dieser dämlichen Kiste schwarz vor Augen wurde. Ich weiß auch nicht- es war nicht das erste Mal, dass mir schwarz vor Augen wurde- aber diesmal… das hatte so was Endgültiges…“

Er blinzelte die weiße Decke an. Langsam dämmerte ihm, was da wirklich passiert war. Ihm wurde kalt, irgendwie… flau in der Magengegend, und jetzt - jetzt wollte er eigentlich gar nicht mehr wissen, was passiert war, denn wenn das, was er vermutete, wirklich passiert war, wenn dieser Gedanke tatsächlich wahr war, Realität… dann…
 

„Du warst tot als wir dich fanden.“

Shinichi schloss die Augen, kniff sie zusammen, atmete tief ein- dann wieder aus. Er öffnete die Augen wieder, wagte aber nicht, Kogorô ins Gesicht zu sehen. Ihm war schlecht, irgendwie. Er war gestorben, tatsächlich nicht mehr am Leben gewesen… und wenn man ihn nicht rechtzeitig gefunden hätte, läge er wohl jetzt nicht in den weißen Kissen des Krankenhausbettes sondern in den weißen Kissen eine Sarges, irgendwo unter der Erde.

Er würgte, hustete, griff nach dem Wasserglas auf dem Beistelltisch, das irgendjemand hingestellt hatte, und leerte es mit einem Zug.

Kogorô starrte ihn an.

„Geht’s?“

Shinichi nickte nur und wusste doch, dass er ihnen beiden etwas vormachte. Er fühlte sich furchtbar. Allein der Gedanke daran, die Erinnerung ans… Sterben… jagte ihm jetzt noch Angst ein. Er griff sich unwillkürlich an die Brust, wie als ob er sich vergewissern müsste, dass es tatsächlich noch schlug. Er fühlte, wie es gegen seinen Brustkorb hämmerte – dann ließ er die Hand langsam wieder sinken. Irgendwie war ihm sein Verhalten peinlich.
 

„Und wie kommt’s…?“, begann er dann, brach aber ab, als er merkte, dass er nicht Herr seiner Stimme zu war.

„Wir fanden dich rechtzeitig, wie du dir wohl denken kannst. Gerade noch. Du konntest wieder belebt werden…“

Shinichi wandte nun doch den Kopf. Die Frage brannte ihm auf der Zunge- er war sich nicht sicher, ob er sie beantwortet haben wollte oder nicht, aber sie so unausgesprochen im Raum stehen zu lassen…

Als er dann aber in Kogorôs Gesicht sah, musste er sie nicht mehr stellen, um die Antwort zu wissen. Etwas in den Augen des Mannes sagte es ihm.
 

Er wusste noch, wie er ihn früher anzusehen pflegte… verächtlich, genervt, verärgert, bestenfalls gleichgültig. Ihm war nicht Recht gewesen, dass er sich mit Ran abgab, und hatte nie einen Hehl draus gemacht. Er hatte vor Ran schlecht über ihn geredet, hatte ihn als verzogenen Schwerreichensohn gesehen, war ihm neidisch auf seinen Erfolg gewesen.

Bei Conan hatte sich die Sache ein wenig verändert. Es war zwar immer noch unbestreitbar, dass der Junge ihn genervt hatte, er nur das für ihn war, was er rein äußerlich dargestellt hatte- ein Kind.

Ein Kind.

Ein unmündiger Bürger dieser Gesellschaft, ein lästiges Anhängsel, um das man sich kümmern musste, das ihm, Kogorô, aufgedrängt wurde, ohne dass er danach gefragt hatte.

Aber trotzdem; als er krank war, als er verletzt war, hatte Kogorô auf seine Art und Weise Sorge gezeigt, sich um ihn gekümmert, wenn Ran gerade nicht da war.
 

Und jetzt- es war schwer zu beschreiben. Sorge… und etwas anderes lag in den Augen von Rans Vater, etwas, dass er dort noch nie gesehen hatte.
 

Er drehte beschämt den Kopf weg. Er fühlte sich unbehaglich, irgendwie… seltsam.

„Sie waren es…?“
 

Kogorô sagte nichts. Er nickte nur. Shinichi nahm es aus den Augenwinkeln wahr.

„Ich verdanke Ihnen mein Leben…?“

Er war mit Kogorô nie gut ausgekommen, nicht als Shinichi. Bei Conan war die Sachlage etwas anders gewesen, aber er war jetzt nicht Conan.

Und auch im Frachtschiff war er nicht Conan gewesen.

Sondern Shinichi.

Und nun- nun stand eben dieser Mann an seinem Krankenbett, der ihn verabscheut hatte, mit offensichtlich besorgter Miene. Und als ob das noch nicht reichen würde, er war es sogar gewesen, der ihm das Leben gerettet hatte.

Diese Welt war schon verrückt…
 

„Danke…“
 

Kogorô schaute ihn mit schief gelegtem Kopf an.

„Nichts zu danken.“

„Doch.“, murmelte der junge Mann leise.

„Ich wäre sonst tot jetzt. Danke.“

Eine Weile sagte keiner der Beiden etwas.

Shinichi starrte an die Decke. Dachte nach, wollte etwas Sinnvolles sagen, das Schweigen überbrücken…

Dann…

„Wie geht’s Ran?“

„Oh, gut. Sie war gar nicht von deiner Seite zu kriegen, bis vor 'ner Stunde, da haben sie Kazuha und Sonoko einfach mit in die Krankenhaus-Cafeteria geschleppt.“

Der Mann seufzte schwer.

Und dann kam die Frage, die einfach kommen musste.
 

„Also… du liebst meine Tochter?“

Shinichi drehte ihm wieder den Kopf zu, setzte sich jetzt endgültig aufrecht hin. Lange schaute er Kogorô einfach nur ins Gesicht, versuchte abzulesen, wie er aufgelegt war, wie er auf seine Antwort reagieren könnte. Fragte sich, wie er es formulieren sollte, um den Mann, dem er immerhin sein Leben verdankte, nicht zu provozieren.

Allerdings wollte er ihn auch nicht anlügen- er wusste, er würde ihm das ohnehin nicht abnehmen. Nicht, nach all dem, was passiert war. Außerdem wollte er aufhören damit – keine Lügen mehr.

Er hatte es satt.
 

„Ja.“, antwortete er warheitsgetreu.

„Das tue ich tatsächlich.“

Ein schuldbewusster Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, er starrte auf seine Hände, fühlte sich sichtlich unwohl.

„Wollen Sie mir jetzt nicht den Hals umdrehen?“, fragte er dann, schaute Rans Vater abwartend ins Gesicht.

„Würde das was dran ändern? Meine Tochter liebt dich auch, sie würde mir im Gegenzug dafür meinen Hals umdrehen… oder schlimmeres. Du kennst sie ja.“, seufzte Kogorô und zog sich einen Stuhl ans Bett. Schwerfällig ließ er sich darauf fallen.

„Nein, das würde nichts bringen. So wie’s aussieht ist das wohl der Stand der Dinge. Und mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dir nicht ab und an etwas… Unrecht getan hab.“

Der Mann wandte sich ab. Shinichi starrte ihn an, wie vom Donner gerührt.
 

Eine weitere Pause entstand. Shinichi schaute aus dem Fenster, dachte nach...

Und endlich war er es, der das Wort ergriff.

„Hören Sie, es tut mir wirklich schrecklich Leid, was ich… was ich ihr und Ihnen angetan habe. Die ganzen Lügen, die Sache mit- mit Conan… Ich weiß, eigentlich ist es unentschuldbar, aber ich… ich sah keinen anderen Weg. Ich hatte Mist gebaut, und ich wollte Ran da raushalten. Wer weiß was sonst passiert wäre…

Aber ich könnte verstehen, wenn Sie mich jetzt hassen- warum… warum tun Sie’s nicht?“
 

Kogorô vergrub die Hände in den Taschen seiner Jacke und schaute den jungen Detektiv ernst an.

„Weil ich weiß, warum du gelogen hast. Ai hat uns die Sachlage geschildert. Wir wissen warum du es getan hast, und wir verstehen es. Ran hat dir verziehen, und wenn sie das kann, kann ich das auch.“

Shinichi hob überrascht den Kopf.

„Aber warum? Ihre Karriere…“

„… als Meisterdetektiv ist hiermit wohl beendet, ja. Und jetzt hör auf damit. Niemand hasst dich. Ich auch nicht. Höchstens ein bisschen. Mein schöner Ruf als schlafender Kogorô… dahin, dahin…“

Kogorô fuhr sich durch die Haare, Bedauern spiegelte sich auf seinem Gesicht. Dann kam ihm eine Frage in den Sinn.

„Sag mal hat dich mein Verhalten nicht oft ziemlich genervt?“

"Hä?"

"Na, mein arrogantes Getue, dass ich mich mit deinen Lorbeeren geschmückt habe, all das eben... hat dich das nicht geärgert?"

„Auf diese Frage will ich lieber keine Antwort geben…“, murmelte Shinichi und verzog das Gesicht.

„Ich hänge nämlich an meinem Leben.“

Er grinste schief, allerdings nicht lange.

„Und… was werden Sie jetzt machen?“, fragte er vorsichtig.

Kogorô grinste nun seinerseits.

„Ich fange wieder bei der Polizei an. Mit Meguré ist schon alles geregelt.“

Er verschränkte zufrieden die Hände vor der Brust.

„Dann darf ich Ihnen dazu gratulieren?“, fragte Shinichi erleichtert.

„Ja…doch, schon eigentlich!“, meinte Kogorô, kratzte sich verlegen am Hinterkopf und lachte dann.
 

In dem Moment hastete Eri ins Zimmer. Sie sah sich suchend um, erblickte Shinichi und ihren Mann und fragte außer Atem:

„Ist sie nicht hier?“

„Wer?“, fragte Kogoro.

„Ran!“

Shinichi schaute Eri fragend an.

„Hast du nicht gesagt, sie wäre in der Cafeteria?“

Er äugte zu Kogorô.

„Ja!“

Kogorô nickte bestätigend.

"Kazuha und Sonoko haben sie doch..."

„Aber da ist sie nicht!“, fiel ihm seine Frau ins Wort. Eri war kreidebleich im Gesicht.

„Was soll das heißen, 'da ist sie nicht'?!“
 


 

Ran saß im Wagen, starr vor Angst. Neben ihr saß ein Mann, sie schätzte ihn um die Fünfzig, mit einem Gesicht kalt und scharf geschnitten, wie aus Stein gemeißelt. Sein Haar war kurz geschmitten, seine Schläfen leicht ergraut. Er trug einen teuer aussehen, perfekt sitzenden Anzug, nachtschwarz, genauso schwarz wie die Uniform des Fahrers, des Beifahrers, des ganzen Autos- alles, alles hier war schwarz. Nur sie bildete mit ihrem roten Pullover und ihrer weißen Hose einen auffallenden Kontrast dazu.

Sie zitterte am ganzen Körper - fühlte ihre Fingerspitzen nicht mehr, so kalt war ihr. Kalt vor Angst.
 

Seit der Drohung, der man ihr ins Ohr gezischt hatte, dass sie, wenn sie nicht brav sein sollte, Schuld am Tod von vielen Menschen, die ihr wichtig waren, sein würde, war nicht ein Wort mehr gefallen. Man hatte sie vor der Damentoilette im Krankenhaus abgefangen, ihr den Lauf einer Pistole zwischen die Rippen gedrückt und sie mitgenommen.

Entführt.

Ran, die auf keinen Fall irgendein Leben- erst Recht nicht sein Leben- riskieren wollte, war mitgegangen, ohne auch nur einen Mucks zu machen.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon im Auto saßen. Irgendwann hielt es an, und jemand zerrte sie grob aus dem Wagen. Sie schaute sich um.

Sie waren am Hafen.

Warum…?
 

„Was wollen Sie von mir?“, schrie sie schließlich, versuchte sich gegen den Mann zu wehren, der sie festhielt, sich loszureißen, um sich zu treten- bis sie eine Stimme hörte, die ihr Innerstes zu Eis werden ließ.
 

„Du wirst uns helfen, deinen vorwitzigen Freund zu bestrafen, Süße.“

Der Mann, zu dem diese Stimme gehörte, war vor sie getreten, hatte ihr Kinn in eine Hand genommen, schaute sie milde lächelnd an. Es war der gleiche Mann, der schon die ganze Zeit über schweigend neben ihr gesessen hatte.

„Bedank dich bei ihm, schönes Kind...“

Er grinste, wobei er ihr seine makellosen Zähne zeigte.

„Oder beschwer dich bei ihm, ganz wie du willst. Wir senden ihn dir nach, versprochen. Sobald sie die Wachen vor seinem Zimmer abgezogen haben, man nicht mehr so gut auf ihn aufpasst, wie’s gegenwärtig der Fall ist. Aber wir kriegen ihn noch.“

Ran starrte ihn mit vor Angst geweiteten Augen an, sie wagte es nicht, sich noch weiter zu wehren. Ihr war schlecht.
 

Shinichi…?
 

„Dein lieber Freund hatte sowieso mehr Glück als Verstand, dass er das überlebt hat.“
 

Dann drehte er sich um, winkte den beiden Männern, die sie festhielten, zu.

„Rein mit ihr. Ihr wisst wohin.“
 


 

Shinichi fühlte sich plötzlich schlecht.

Cognacs Worte kamen ihm plötzlich wieder in den Sinn.

Aber keine Sorge, wir sorgen selbstverständlich dafür, dass sie baldmöglichst nachkommt…
 

„Sonoko und Kazuha haben gemeint, dass sie ihnen erzählt hat, sie müsse noch mal für kleine Mädchen und komme gleich wieder. Als sie nach einer halben Stunde noch nicht von der Toilette zurück war, haben sie sie gesucht, aber nicht gefunden und mich angerufen. Und nun suche ich sie auch. Sag mal, was zum Teufel machst du da?!”

Eri starrte Shinichi an, der während ihrer Streiterei mit Kogorô aus dem Bett geglitten war und sich die Nadel des Infusionsschlauchs aus der Ellenbeuge zog.

„Ich geh sie auch suchen. Oder besser gesagt, ich finde sie…“

Damit zog er sich das Hemd des Krankenhauspyjamas aus und einen Pullover, den er im Schrank fand, über den Kopf. Mit seiner Hose wankte er ins Bad, um sie zu wechseln.

„Auf was wartet ihr?“

Er erschien wieder auf der Bildfläche und schlüpfte umständlich in seine Schuhe.

Die beiden standen da wie zu Salzsäuren erstarrt und schauten ihn halb verwirrt, halb verägert, an.

„Du bleibst hier!“, brachte Kogorô schließlich über die Lippen.

„Du wärst fast gestorben. Du warst tagelang bewusstlos. Du bist in keiner Verfassung mitzugehen, Ran bringt mich um, wenn dir was passiert. Du bleibst hier.“

Shinichi funkelte ihn an.

„Das könnt ihr getrost vergessen. Also entweder ihr kommt jetzt mit mir mit oder ich gehe alleine.“

Damit öffnete er die Tür und trat auf den Gang hinaus.

Hinter ihm eilten Eri und Kogorô her.

„Jetzt sag bloß, du weißt, wo sie ist!“

„Ich weiß es nicht, aber ich habe eine Ahnung. Ich nehme mal an, dass der Polizei noch nicht alle Mitglieder der Organisation in die Hände gefallen sind?“

Eri nickte betrübt.

„Da liegst du leider richtig. Man hat zwar das Hauptquartier gestürmt und alle festgenommen, die sich darin befanden, und dank deinen Beweisen auch dingfest machen können, aber die, die sich zum Zeitpunkt der Erstürmung des Gebäudes außerhalb befanden, haben sie noch nicht.“, bestätigte Kogorô.

„Einer von euch beiden sollte die Polizei anrufen und ihr sagen, dass wir uns mit Meguré vor dem alten, gelben Fabrikgebäude am Hafen treffen wollen. Das Gebäude direkt am Kai, das dritte Haus von Links, von der Straße her gesehen. Sie sollen bewaffnet kommen, es befinden sich höchstwahrscheinlich Mitglieder der Organisation im Inneren.“

Eri zückte ihr Handy, worauf sie sich einen bösen Blick einer vorbeieilenden Assistenzärztin einfing.

Sie winkte sie unwirsch ab, und telefonierte. Dann wandte sie sich wieder Shinichi zu.

„Du solltest dich wirklich…“

„Hinlegen? Und tatenlos abwarten, was passiert? Ja, sicher.“

Shinichis Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Aber du bist verletzt… und woher weißt du überhaupt, wo sie sie hingebracht haben?“, warf Kogorô ein.

„Ersteres tut jetzt nichts zur Sache und letzteres… ich war selbst da drin, darum vermute ich stark, dass sie sie auch dahin gebracht haben. Er hat so seltsame Andeutungen gemacht… er wird sich rächen wollen, weil er weiß…“

…was er mir damit antut…
 

„Wer ‚er’?“, wollte Kogorô wissen, allerdings zog nun jemand anderes alle Aufmerksamkeit auf sich.

„Hey!!!“

Sonoko und Kazuha rannten ihnen nach.

Das blonde Mädchen starrte Shinichi an.

„Was zur HÖLLE tust du da? Was glaubst du, was du da tust? Du bist verletzt…“

Shinichi sah sie an.

„Nein. Echt jetzt? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

Sonoko schnaubte.

„Du legst dich jetzt sofort wieder in dein Bett! Was meinst du was Ran mit uns macht, wenn dir was zustößt…“

„Sie wird nie wieder etwas mit euch machen, wenn wir sie nicht rechtzeitig finden.“

Sonoko und Kazuha sowie Eri und Kogorô starrten ihn an.

Die Angst in seiner Stimme war unüberhörbar gewesen. Und sie spiegelte sich allzu deutlich in seinem Gesicht wieder.

„Dann haben sie sie?“

„Ich befürchte es, ja.“

Kazuha schluckte.
 

Der Kies knirschte, als Eris blauer Mini scharf vor dem Fabrikgebäude bremste. Ein Streifenwagen und Satos roter Sportflitzer standen bereits vor der Halle. Shinichi fiel mehr aus dem Auto als er stieg und musste sich kurz an der Wagentür festhalten, als ihn Schwindelgefühl zu übermannen drohte. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und in seiner Seite pochte der Schmerz. Kogorô hatte Recht gehabt, er war in keiner Verfassung, um auf Verbrecherjagd zu gehen. Aber hier ging es um Ran.

Kogorô blickte ihn stirnrunzelnd an, aber der junge Detektiv wedelte nur ungeduldig mit den Händen und näherte sich wankenden Schrittes der Lagerhalle.
 

Draußen standen Takagi und Sato zusammen mit einigen anderen Beamten und waren gerade dabei, irgendeinen Mann in Schwarz, den Shinichi nicht kannte, und Vodka, beide mit Handschellen gefesselt und von jeweils zwei Polizisten festgehalten, in die Streifenwagen zu sperren.

„Wir konnten diese Beiden festnehmen, als sie hier draußen Wache schoben, aber…“, keuchte Takagi.

„Einer ist noch drin, es ist anzunehmen, dass er…“

Shinichi starrte ihn an. Takagi musste seinen Satz nicht beenden.

„Ist jemand von uns drin?“

„Ja, Meguré versucht zu verhandeln. Er, Shiratori und Heiji. Die Halle ist umzingelt, er kommt nicht weg.“

„Sehr schön.“
 

Shinichis Stimme war leise, aber bestimmt. Dann zog er dem verblüfften Takagi die Dienstwaffe aus dem Halfter und ging, stieß die Tür auf und verschwand im Inneren des Gebäudes.

„Hey!“ Kogorô schrie auf, rannte ihm hinterher.
 

Die Halle war in unwirkliches Zwielicht getaucht. Shinichi blinzelte, wartete, dass sich seine Augen an das Halbdunkel gewohnt hatten.

Dann sah er sie- Shiratori und Meguré. Neben ihnen stand Heiji. Der junge Mann aus Osaka, der auf der Polizeiwache seine Aussage gemacht hatte, als sie die Polizei alarmiert hatten war selbstredend sofort zu Hilfe geeilt.

Und ihnen gegenüber stand er.
 

Cognac.
 

Von Ran war weit und breit nichts zu sehen. Shinichi atmete innerlich auf. Also war er nicht dazu gekommen, sie als Geisel und menschliches Schutzschild vor sich zu halten.
 

„Wo ist sie?!“

Meguré klang verärgert und nervös.

„Mein lieber Kommissar, denken Sie ernsthaft, ich verrate euch, wo sie ist? Lasst mich gehen, und lasst meine Männer frei, dann können wir darüber reden, ob ich euch vielleicht den Aufenthaltsort der Kleinen verrate…“

Er grinste hämisch, seine kalte Stimme triefte vor Spott.

„Ich verhandele nicht.“

Meguré war blass geworden.

"Ich auch nicht. Ergeben Sie sich und sagen Sie uns, wo das Mädchen ist, oder..."

„Oder was?"

Cognac klang gelangweilt.

"Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, dann erschießen Sie mich doch. Bis Sie das Mädchen gefunden haben, ist sie längst verhungert.“
 

Heiji biss sich auf die Lippen. Er hatte Recht.

Sie mussten sich entscheiden, was ihnen als sinnvoller erschien. Welches Leben sie retten wollten. Ließen sie ihn laufen, ihn und seine Männer, bekamen sie vielleicht Rans Aufenthaltsort- und unterschrieben damit Kudôs Todesurteil. Diese Leute würden ihn jagen, bis sie ihn gefunden, in die Ecke gedrängt und erledigt hatten.

Nahmen sie ihn fest, dann war Ran tot.
 

„Also. Gehen Sie auf meine Bedingungen ein?“

Cognac lächelte siegessicher. In seiner Rechten hielt er seine Waffe, allerdings ließ er den Arm achtlos an seiner Seite herabhängen. Er fühlte sich sicher.

Überlegen.

Unbesiegbar.
 

„Das hätten Sie wohl gern.“

Seine Stimme hallte vernichtend durch den Raum.

Cognacs Kopf fuhr herum, erkannte Shinichi, der langsam neben Kommissar Meguré trat. Dann grinste er böse.

„Du wirst auch nicht schlauer, was?“

„Ich denke, ich bin schlau genug.“

Shinichi starrte ihn feindselig an.

„Immer noch eine große Klappe, was? Dir ist klar, dass deine Freundin stirbt, wenn ihr mich umbringt oder festnehmt? Glaubst du, ich werde euch einen Ton verraten? Nun, vielleicht ja- aber frühestens in einer Woche… ihr werdet mich nicht festnehmen, und ihr werdet mich auch nicht erschießen. Ihr seid alle zu viel zu weich, viel zu rührselig, als dass ihr das Leben eines unschuldigen Mädchens riskieren würdet. Ihr seid auf mich angewiesen. Ihr werdet tun, was ich euch sage...“

Shinichi schüttelte bedauernd den Kopf.

„Glauben Sie ernsthaft, ich brauche Ihre Hilfe, um Ran zu finden? Ich denke, Sie halten sich für schlauer, als Sie sind…“
 

Cognac zuckte mit den Schultern.

„Nun- selbst wenn du irgendwoher weißt, wo sie ist… ich denke nicht, dass du in der körperlichen Verfassung sein wirst, um sie zu suchen, Klugscheißer.“
 

Er hob seine Waffe, zielte- und dann fielen zwei Schüsse.

Zwei.

Die nächsten Momente schienen in Zeitlupe abzulaufen. Ein Schmerzensschrei gellte durch die Halle, das dumpfe, splitternde Geräusch von Metall, das auf Beton prallt, war zu hören, entsetzte Rufe wurden laut.
 

Im nächsten Moment griff sich Cognac an den Arm, ließ seine Waffe fallen.

Über Shinichi rieselte der Putz aus der Decke, in die die Kugel geschossen war, hüllte ihn in eine Staubwolke.
 

Er drückte Kogorô, der völlig konfus neben ihm stand, den Revolver in die Hand, ging langsam auf den Boss der Organisation zu, der gerade von zwei Beamten, die wegen der Schüsse in das Lager gestürmt waren, festgenommen wurde.
 

Vor ihm blieb er stehen.
 

Er warf Cognac einen vernichtenden Blick zu, sagte nichts.

„Du kleiner Bastard, das wirst du…“, begann der Boss.

„Hm?“

Der junge Detektiv, vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und schaute auf den Boden. Dann blickte er auf, fixierte sein Gegenüber mit starrem Blick.

Sein Gesicht verriet nichts. Es war ruhig, ausgeglichen- ein Pokerface, wie es im Buche stand.

Aber seine Augen-

-in seinen Augen spiegelte sich Entschlossenheit, Überlegenheit- und nicht eine Spur von Angst.

Gerade eben, in diesem Augenblick, starrten sie voll Verachtung auf den Boss der Organisation, die Person, die ihm soviel Leid zugefügt hatte.
 

Heiji nickte zufrieden. Er kannte diesen Blick in den Augen seines Freundes, und es tat gut zu sehen, dass eben dieser endlich wieder der Alte war, im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Mach ihn fertig, Kudô…
 

Shinichi räusperte sich.

„Bitte, was? Was werde ich? Sprechen Sie sich ruhig aus, tun Sie sich keinen Zwang an. Aber Sie sollten wissen, dass alles, was Sie von sich geben, vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann. Allerdings dürfte das wohl auch nichts mehr zur Sache tun, wissen Sie… ich denke, so fair sollte ich Ihnen gegenüber sein, Ihnen zu sagen, dass egal ob Sie jetzt singen oder nicht, Sie auf alle Fälle bis ans Ende Ihrer Tage im Knast verfaulen werden.“

Er grinste triumphierend.

„Die Polizei hatte in den letzten Tagen eine hochspannende und sehr interessante Lektüre über ein paar der schönsten Verbrechen, die ihr geplant und begangen habt. Die Versuche mit APTX und noch ein paar schöne Dinge, die auf eurem Mist gewachsen sind...“

Cognac wurde bleich.

„Woher…?“

„Bevor ich und Vermouth flüchten wollten, haben wir Ihrem Salon noch einen kleinen Besuch abgestattet. Ich habe mir erlaubt, ein paar Ihrer Alben etwas zu…“
 

Weiter kam er nicht, weil der Boss der Organisation sich auf ihn stürzen wollte; er konnte gerade noch zurückgehalten werden.

„Dafür wirst du bezahlen!“, zischte er wütend. Er war kreideweiß, sein Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze erstarrt.

Von seiner kalten Abgeklärtheit, seiner Aura der Überlegenheit, Unbesiegbarkeit, war nichts mehr übrig.

Shinichi hatte gegen den Putz getreten- und nun fing die Fassade an zu bröckeln, gab frei, was die ganze Zeit hinter ihr gesteckt hatte.

Ein Mörder… der mit einer Niederlage nicht umzugehen wusste.
 

Shinichi warf ihm einen kühlen Blick zu.
 

„Bezahlen?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich denke, ich bin Ihnen nichts mehr schuldig.“

Seine Worte waren kaum lauter als ein Wispern gewesen, doch brachte er damit den Boss der Organisation endgültig zum Verstummen. In seinen Augen spiegelte sich blanker Hass, doch nicht ein Wort mehr kam über seine Lippen, als er abgeführt wurde.
 

Shinichi drehte er sich um und ging durch die Halle, bog nach rechts, wand sich seinen Weg durch Regalreihen und Kartonstapel und schob ächzend eine große Kiste beiseite, die an der einen Seite der Halle stand. Darunter war die Falltür.

Ran... Sie musste einfach dort sein.

Sie musste einfach.

Die anderen, die ihm gefolgt waren, beeilten sich, ihm dabei zu helfen, die schwere, aus Holzplanken gezimmerte Tür hochzustemmen.

Mit einer Staubwolke fiel sie auf den Boden und Shinichi ließ sich vorsichtig nach unten gleiten, die Zähne fest zusammengebissen, um den Schmerzensschrei zu unterdrücken, der ihm auf den Lippen lag.
 

Er hing einen Moment in der Luft, dann ließ er los und landete auf dem dreckigen Betonboden. Er stöhnte auf, als sich beim Aufprall seine Seite bemerkbar machte.
 

Es dauerte nicht lange, bis sich seine Augen an das dämmrige Licht gewohnt hatten, und-
 

Da saß sie. Kauerte in der Ecke, zitternd, hielt sich verkrampft die Ohren zu, machte sich so klein wie möglich und summte leise vor sich hin.

Ran hatte Angst… das war offensichtlich.

Sie stand unter Schock.
 


 

Sie wollte, dass das alles endlich aufhörte – sie hatte so gehofft, dass alles vorbei war; Shinichi war doch gefunden worden, der Arzt hatte gesagt, er würde wieder in Ordnung kommen, und dann hatten diese Leute sie entführt…

Die Welt schien endlich wieder in Ordnung zu kommen, und jetzt- jetzt...

Ein erstickter Schluchzer entfuhr ihr.

Ran sehnte sich danach, dass es vorbei war. Dass es endlich vorbei war. Wollte, dass Shinichi kam, um sie hier raus zu holen. Aber sie glaubte nicht daran; er lag bewusstlos im Krankenhaus. Er konnte nicht kommen...
 


 

Ran bekam nicht mit, wie der, den sie sich herbeiwünschte, vor ihr in die Knie ging, sanft ihr Gesicht berührte. Er schluckte, wusste nicht, was er sagen sollte, um sie zu beruhigen.

„Ran?"

Er seufzte, schaute sie besorgt an.

"Ich bin’s, hörst du mich? Es ist alles in Ordnung... du brauchst keine Angst mehr zu haben.”

Seine Stimme war sanft, tief und sein Atem streifte sacht über ihre Haut.

Sie sah auf.

Eine einzelne Träne rollte ihre Wange herunter.

Zuerst blinzelte sie, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen- dann erst erkannte sie ihn.

„Shinichi?“, flüsterte sie, leise, kaum hörbar. Es schien fast so, als würde sie aus einem bösen Traum erwachen.

„Ja.“, nickte er.

„Wer sonst? Na, komm schon. Steh auf. Lass uns nach Hause gehen.“
 

Er stand schwerfällig auf, reichte ihr seine Hand. Sie ergriff sie, hielt sich fest und ließ sich hochziehen.

Da stand er vor ihr- und sie konnte sehen, obwohl es so dunkel war, dass er noch blasser war als sonst. Dann fiel es ihr plötzlich wieder ein…
 

„Guter Gott… du solltest im Krankenhaus sein!“, entfuhr es ihr entsetzt.

„Ran…!“

Er verdrehte die Augen.

„Nein, nichts da!“

Tränen rollten wieder über ihr Gesicht, sie konnte sie nicht aufhalten.

Sie hatte so große Angst gehabt, in den letzten Tagen...

Angst, dass sie ihn verloren hatte, dass er tot war…

Und sie wusste, dass er einiges mitgemacht hatte, dass er viel gelitten hatte, Schmerzen, Qualen ertragen hatte, die ihn fast umgebracht hatten und… in dieser Zeit zwischen Hoffen und Bangen war ihr nur allzu deutlich klar geworden, was ihr fehlen würde, wenn er nicht mehr da war. Nicht einfach nur verschwunden, sondern tot war.

Sie liebte ihn.

„Hör mal…“, begann sie leise, „du gehst jetzt sofort wieder ins Krankenhaus. Nein.“

Sie hielt ihm den Mund zu, als er ihn in Protest öffnen wollte.

„Ich… ich liebe dich, du Vollidiot, weißt du eigentlich, was ich in den letzten Tagen für eine Angst gehabt habe? Es war die Hölle für mich, nicht zu wissen, ob du lebst oder schon tot bist… als ich dich gesehen habe, wie du mir gezeigt hast, wo du bist… wir dich gefunden haben und du nicht mehr geatmet hast? Weißt du, wie ich mich fühlen würde, wenn du tot wärst? Ich weiß es! Shinichi! Ich weiß es…“

Die letzten Worte flüsterte sie nur noch.

Er schaute sie betroffen an.
 

Immer mehr Tränen strömten über ihr Gesicht.
 

„Ran…“, murmelte er schwach.

„Wenn du schon nicht selber auf dich Rücksicht nehmen willst, dann tu’s wegen mir! Bitte, wenn dir auch nur das Geringste an mir liegt, dann pass’ ein wenig besser auf dich auf! Du…“

Zu mehr kam sie nicht mehr, denn Shinichi hatte sich nach vorn gebeugt, seine rechte Hand unter ihr Kinn geschoben und küsste sie.

Ran merkte, wie ihre Knie weich wurden sie sich auf einmal seltsam fühlte. Sie spürte seine Lippen auf ihren, seinen Atem auf ihrem Gesicht, merkte gleichzeitig, wie ihr der Atem wegblieb…

Sie schloss die Augen, hielt sich an seinem Hemd fest und genoss dieses Gefühl… fing an, seinen Kuss zu erwidern, sich zu wünschen, dass es nie aufhören würde…
 

„Ich liebe dich.“, wisperte er schließlich.
 

„Und es tut mir entsetzlich Leid, was ich dir angetan hab, in den letzten drei Jahren. Wirklich. Ich... ich hab dich nur angelogen, weil du mir wichtig bist. Du bedeutest alles für mich. Kannst du verstehen, wie ich mich fühlen würde, wenn dir wegen mir, meinen Dummheiten was passiert? Du musst mir schon erlauben, die Suppe wieder auszulöffeln, die ich für dich eingebrockt habe. Aber wenn dir soviel dran liegt, dann gehen wir halt jetzt wieder ins Krankenhaus.“

Sie lächelte, dann vergrub sie ihre Hand in seinen Haaren und zog ihn wieder zu sich herunter, fühlte seine Lippen erneut auf ihren, sanft, zärtlich zuerst, dann wurde er langsam fordernder, leidenschaftlicher. Sie schmiegte sich an ihn, merkte, wie er einen Arm um ihren Körper legte, sie an sich drückte, seine andere Hand in ihren Haaren vergrub… es fühlte sich so gut an…
 

Bis…
 

„Oi! Nimmst du deine Hände weg von meiner Tochter, oder ich lass dich da unten!“ Kogorô hatte seinen Kopf durch die Öffnung gestreckt.

„Hey, Alterchen.“, Heiji packte ihn am Kragen und zog ihn zurück.

„Bei so was stört man nicht. Aber könntet ihr mal hinnemachen da unten, ich würd' heut noch gern mal wieder raus aus dieser muffigen Halle…“

Dann hörte man ihn mit Kogorô weiterstreiten.

Shinichi löste sich von Ran, ließ seine Stirn auf ihre Schulter sinken und lachte leise. Ran lächelte, streichelte ihm über Kopf und Rücken, fühlte Verbandsmaterial unter dem Stoff des Pullovers.
 

„Gehen wir.“
 


 

Kaum hatte ihn eine brodelnde Oberschwester unter lautem Gekeife über seine bodenlose Gedankenlosigkeit ins Bett verfrachtet, war er wieder eingeschlafen. Ran hatte sich neben ihm gesetzt und schaute ihn an.

Sie lächelte.
 

Endlich, endlich, endlich.
 

Endlich war alles so, wie es sein sollte. Nun, fast. Perfekt würde die Welt sein, wenn sie ihn wieder mit nach Hause nehmen konnte. Aber das war der momentan bestmöglichste Zustand. Sie beugte sich nach vorn und küsste seine Stirn. Dann warf sie einen Blick in die Ecke neben dem Schrank. Die Tüte, die sie schon vor zwei Tagen hier deponiert hatte, war noch da. Gut.
 

Sie merkte, wie hinter ihr die Tür aufging und wandte sich um. Herein kamen Yukiko Kudô, der Tränen über die Wangen liefen und Yusaku Kudô, der einen Arm um seine Frau gelegt hatte und sehr, sehr blass im Gesicht war, der Professor, eine junge, blonde Frau, wohl Shiho, Heiji, Kazuha, Sonoko und die Detective Boys.

Ran legte ihren Finger an ihre Lippen, um zu signalisieren, dass sie leise sein sollten.
 

Sie waren es auch.

Dann schlug der Wind, der durch das Fenster blies, die Tür zu.
 

Shinichi fuhr hoch, zum zweiten Mal an diesem Tag, und ließ sich mit leisem Stöhnen wieder zurücksinken.

„Wie oft denn noch?“, murmelte er.
 

„Guten Tag, Sohnemann.“

Shinichi drehte den Kopf. Er schluckte, als er erkannte, dass das ganze Zimmer voller Leute war. Dann blieb sein Blick auf seinem Vater haften.

„Oh. Hallo.“

Er machte sich innerlich auf die Strafpredigt gefasst, die im Anzug war. Das Donnerwetter musste einfach kommen.
 

„Könntest du fairerweise noch ein paar Tage warten, bevor du mich zur Sau machst, nur damit ich zur Verteidigung in der entsprechenden Lautstärke zurückbrüllen kann, ja?“, meinte er erschöpft. Rans Rettungsaktion hatte ihn sehr angestrengt- mehr, als er sich selber eingestehen wollte.

Yusaku seufzte, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.

Der Anblick seines Sohnes machte ihn fertig.

„Ich hatte nicht vor, dich zur „Sau“ zu machen, wie du’s so nett ausdrückst. Ich wollte dir nur eines sagen.“

Shinichi drehte erstaunt den Kopf.
 

„Mach so was nie, nie wieder. Nein-“

Er hob die Hand, als Shinichi den Mund geöffnet hatte, um etwas zu seiner Verteidigung hervorzubringen.

„Nein, hör mir zu. Du hast keine Ahnung, keine Ahnung, was deine Mutter und ich und Ran und wahrscheinlich alle hier Anwesenden durchgemacht haben, einschließlich deiner kleinen Freunde hier.“

Er deutete auf die Detective Boys.

Shinichi schluckte.

„Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, dass du fast gestorben wärst. Hörst du. Gestorben! Tot!“

Seine Stimme brach. Shinichi blinzelte. Er hatte seinen Vater noch nie so erlebt.
 

„Das Telefonat mit Hiroshi, die Stunden, die wir im Flieger saßen, in denen wir nicht wussten, wo du warst, ob du noch lebst- und dann Gang vor dem OP warteten und nicht wussten, ob du es schaffen würdest… sie waren die längsten in meinem Leben und dem deiner Mutter. Mach so was nie wieder. Das war das Schlimmste, was uns je widerfahren ist. Wenn du auch nur einen Funken Verstand hast, tust du uns das nie wieder an. Nie wieder.“

Er lehnte sich zurück und fuhr sich müde übers Gesicht.

„Ich weiß, wir waren nicht immer für dich da. Glaub mir, keiner macht mir größere Vorwürfe als ich mir selber, und deiner Mutter geht es genauso. Es tut uns Leid.“

Er schluckte, bevor er fort fuhr.

„Und ich weiß auch, dass ich auf Granit beiße, wenn ich von dir verlange, mit dem Detektivkram aufzuhören. Du bist gut, wahnsinnig gut und das weißt du, das ist das Problem.“
 

Shinichis Kinnlade fiel nach unten.

Yusaku seufzte.

„Nun, es ist so. Ich weiß, ich hab’s immer abgestritten vor dir.“

Dann seufzte er erneut.
 

„Du warst unglaublich tapfer. Nicht jeder hätte das allein geschafft… ich muss dir wohl nicht sagen, wie knapp es diesmal war…“

„Du irrst dich.“

Yusaku starrte ihn an.

Shinichis Augen suchten Ran, dann schaute er wieder in das Gesicht seines Vaters.

„Ich hab das nicht allein geschafft. Ich hab vielleicht diese Organisation geschlagen, aber… ohne die Polizei, Heiji, Kogoro, ohne euch…“, er nickte den Detective Boys anerkennend zu, „und ohne dich“, er blickte zu Ran und schluckte schwer, „… wäre ich tot. Ich wäre draufgegangen dabei, man muss mir nicht sagen, wie dumm ich gewesen bin. Ich hätte es alleine nicht geschafft, diesmal. Und das weiß ich auch. Und du hast Recht, man muss mir auch nicht sagen wie eng es diesmal war, auch das ist mir bewusst.“
 

Er schwieg kurz, bevor er fort fuhr.

„Es tut mir Leid. Wirklich. Es tut mir Leid. Ich schwöre, ich werde so was nicht mehr machen. Ich renne bestimmt nicht mehr im Alleingang irgendwelchen Kriminellen hinterher. Ich verspreche, ich pass besser auf mich auf. Und es tut mir Leid-“

Shinichis Blick wanderte zu den Detective Boys.

„Es tut mir Leid, euch was vorgemacht zu haben, wirklich. Ich- wir, ich denke, ich spreche für uns beide“, er schaute kurz zu Shiho, die bestätigend nickte, „wenn ich sage, dass es uns Leid tut. Wir wollten euch da nicht mit reinziehen, das ist alles. Wir wussten ja, mit wem wir es zu tun hatten und ihr…“

„Seid Kinder.“, vollendete Mitsuhiko seinen Satz.

„Tja. Is wohl eine Tatsache.“

Shinichi zog die Augenbrauen hoch.

„Und?“

„Wären wir hier, wenn wir nicht noch mal ein Auge zugedrückt hätten?“, seufzte Genta gönnerhaft.

Heiji warf ihm einen schrägen Blick zu und versetzte ihm eine Kopfnuss.

„Wie war das? Wir gehen nicht heim, bevor wir ihn gefunden haben! Oder: Conan ist unser Freund, egal ob zehn oder zwanzig Jahre alt! und nicht zu vergessen: Wir waren mit dem besten Detektiv Japans befreundet!

Der junge Mann aus Osaka grinste säuerlich.

Genta, seufzte.

„Jaja. Schon gut.“

Ayumi griff nach Shihos Hand und lächelte zu ihr hinauf.
 

Yusaku nickte uns schaute seinen Sohn an.

„Schön. Dann sind wir beide uns ja zur Abwechslung mal einig.“

Dann lächelte er und winkte Yukiko und dem Professor zu, die Tüten mit Kuchen und Limonade in den Händen hielte.

Shinichi zog die Augenbrauen hoch.

„Euch ist schon klar, dass ich so zuckersüße Sachen eigentlich noch nicht essen darf? Ich krieg doch eigentlich nur Krankenhausfraß...“

Ran lachte.

„Die vom Krankenhaus müssen's ja nicht wissen. Aber du hattest Geburtstag und zwar gewissermaßen doppelt, und deswegen verdienst du verdammt noch mal eine Feier mit Kuchen, man wird nicht jeden Tag zehn…“, sie grinste, „oder zwanzig. Und…“

Sie sprang vom Bett, holte die Tüte und zog ein Geschenk hervor. Sie setzte sich, machte es sich bequem und hielt es ihm hin.

Das Geschenk, dessen Karte er schon gelesen hatte.

Er nahm es und lächelte versonnen.

Lang schaute er es einfach nur an. Zog die Karte heraus, die er schon kannte…

Wickelte es aus, während die anderen laut schwatzend Kuchen verteilten, wohl wissend, dass Ran ihm zusah.

Es war… ein Buch.

Aber kein gekauftes.

Es war ein Album. Ein Photoalbum.

Mit Photos von ihm und ihr, vor seiner Zeit, als er Conan wurde. Fotos von ihren Ausflügen, von den Klassenfahrten, dem Theaterstück. Und am Schluss Fotos, von ihr und Conan.

„Das letzte Kapitel ist aber neu, nicht wahr?“, flüsterte er, warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Ich hatte ja noch ein paar Tage Zeit… und es war noch Platz…“, murmelte sie.

Sie war sehr, sehr rot geworden, während er die Seiten durchgeblättert hatte.
 

Sie musste Wochen dran gesessen haben. Allein die ganzen Photos aufzutreiben, nachmachen zu lassen, die Seiten zu bemalen, zu verschönern… Liebevoll zu gestalten, umrahmen, beschreiben…
 

Dann war er mit dem Durchblättern auf der letzten Seite angekommen.

Sie war leer.

Er starrte sie an.

„Was kommt auf die letzte Seite?“

„Wer weiß?“ sie lächelte.

„Ich hoffe, es gefällt dir…die Alternative hast du ja schon… gewissermaßen…“

Er zog sie in die Arme und küsste sie. Sanft, innig.

Dann ließ er sie los, lehnte seine Stirn an ihre.

„Danke Ran. Ich liebe es. Ich liebe dich.“
 

Sie lächelte, fischte sich ein Stück Kuchen vom Teller, lehnte sich zufrieden seufzend gegen ihn und gab ihm die Hälfte ab.

Gedankenverloren starrte er auf seinen rechten kleinen Finger.

Dann legte er seinen Arm um Ran, griff nach ihrer rechten Hand und inspizierte ihren kleinen Finger mit leicht gerunzelter Stirn.

Eigentlich war es schon verrückt. Verdammt unglaubwürdig...

Aber angesichts der ganzen Dinge, die passiert waren, Dinge, die sich nicht erklären ließen... konnte es da nicht vielleicht doch sein...?

Er seufzte nachdenklich.

Ran drehte den Kopf, soweit, dass sie in seine Augen sehen konnte.

„Glaubst du daran?“

Er hob die Augenbrauen.

„Woran? An rote Fäden?“

Shinichi machte ein skeptisches Gesicht, dann verhakte er seinen kleinen Finger mit ihrem.

„Wer weiß?“, murmelte er, bevor er sich das Stück Kuchen, das Ran ihm gerade gereicht hatte, in den Mund schob.

„Wer weiß…“, nuschelte er.

Ran lächelte sanft, ließ sich wieder gegen ihn sinken und betrachtete zufrieden ihre ineinander verschlungenen Finger.
 


 

Shiho stand mit dem Professor und den Detective Boys ein wenig abseits.

Sie beobachtete Shinichi. Er lachte. Er sah glücklich aus.

Und sie freute sich.

Sie hätte das nicht erwartet. Eigentlich hatte sie gedacht, sie würde vor Eifersucht platzen, als Shinichi Ran geküsst hatte.

Stattdessen… freute sie sich.

Der Professor schaute sie mit einem Augenzwinkern an.

„Und, was denkst du, meine Liebe?“

Shiho lächelte. Steckte ihre Hand in ihre Jackentasche und umschloss kurz mit ihren Fingern die Ringe… die Eheringe ihrer Eltern. Dann angelte sie sich ein Stück Kuchen vom Teller.

„Ich finde, sie passen bestens zusammen. Ich bin so froh, dass das alles noch ein gutes Ende genommen hat. Wirklich. Er hat’s verdient, nach alldem, was er durchmachen musste. Und ich meine nicht nur die letzten Tage. Wie schön, ihn mal endlich wieder glücklich zu sehen.“

Damit biss sie genüsslich in ihren Kuchen, drückte Ayumis kleine Hand.
 

Doch ja- sie hatten es sich verdient, endlich glücklich zu sein.
 

_________________________________________________________________________________
 


 

So- nun also fällt der letzte Vorhang. Das war das letzte Kap- herzlichen Glückwunsch, ihr seid durch!

Rans Geschenk war vielleicht ein wenig zu süß, aber wer will noch was sagen, nach selbstgemachter Valentinstagsschokolade in Herzform?
 

Sooo- danke für's Lesen! Ich hoffe, ihr hattet euer Vergnügen. :)

Ein besonders herzliches Dankeschön geht hier an dieser Stelle wie immer, an meine Kommentarschreiber (DANKE!!!):
 

Anime-Wolf

Black_Taipan

catgirl222

Conan-kun

Diracdet

Eri_Kisaki

foxgirl

Itako_no_Anna

Kamikaze_Socke_Ushi

Kazuha92

KilmaMora

Kokomiko

Littleangelheart

Martini

meer

moonmaster

Shelling__Ford

Shinco

ShinichiKudo_017

Shi_Ran-chan

sonoko

Starlett

Sumsi

SunniNiko

Vertschl

Zinha
 

Ich danke euch allen, dass ihr euch die Zeit genommen habt, etwas zu schreiben. Und danke auch an alle, die sich in Zukunft noch die paar Minuten nehmen werden, um hierzu ihren Senf abzugeben!

*verbeug*

Danke auch an alle, die diese Fic in ihre Favoritenlisten eingetragen haben!
 

So- jetzt noch eine Info in eigener Sache- ich weiß auch gar nicht, inwiefern euch das noch interessiert; an dieser Stelle muss ich sagen, dass die nächste Fanfic, die ich schreibe, um Ostern herum, frühestens Ende Februar/ Anfang März online geht. Es wird sich um die Fortsetzung zu „Weihnachtswünsche“ handeln, um die ja manche gebeten haben. Die Geschichte wird mit Sicherheit kein Oneshot werden- dafür gibt das Thema zu viel her. Lasst euch überraschen.
 

Wer Wert darauf legt, benachrichtig zu werden, wenn die neue Fic beginnt, soll es mir entweder im Kommentar oder per ENS mitteilen.
 

In diesem Sinne-

*verbeug*
 

MfG, eure Leira :)



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Kommentare zu dieser Fanfic (195)
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Von:  shinran
2014-05-31T10:57:36+00:00 31.05.2014 12:57
Deine geschichte war sooo gut und sooo lang das ist der wahrnsinn
Ich fand die handlung und die gefühle sehr gut dargestellt sowohl als auch das verhalten
Dir ist hier aber ein richtiges meisterwerk gelungen
Fand auch toll das du ein happy end gemacht hast j
Mach so weiter
Lg
Von:  Leah_Ranpha
2014-03-22T23:16:16+00:00 23.03.2014 00:16
Wow! Ich bin total begeistert! Eine der besten Fanfics die ich je gelesen habe!!! (Ich überlege gerade ob es vielleicht nicht sogar die Beste war!;-)
Wahnsinn, du hast die Gefühle und Gedanken so toll beschrieben! Ich liebe auch deinen etwas aussergewöhnlichen Schreibstil! Wirklich, es ist einfach unglaublich, ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich bei deiner FF geheult habe, oder vor Aufregung fast hyperventiliert wäre. Es war sooooo oft!
Deine überdimensionale Wortwahl bringt mich vor Rührung immer wieder zum Flennen! Allerdings - das hier ist erst die erste Story von dir, die ich lese.

Ich freue mich schon richtig darauf, deine anderen Wunderwerke zu lesen!

LG Leah;-)

Von: abgemeldet
2012-08-19T03:05:12+00:00 19.08.2012 05:05
Hi
Und schon wieder eine schlaflose Nacht *SichdieHaarerauf*
Wenigstens hat es sich gelohnt xD
Mal wieder eine tolle Geschichte
Alles Liebe
Reika
Von: abgemeldet
2012-08-19T02:25:24+00:00 19.08.2012 04:25
Hi
Normalerweise geb ich meinen kommentar immer am ende der ff ab, aber das muss ich jetzt loswerden: Hat Kazuha nicht grüne Augen :D
LG
Reika
Von:  Poisonflower
2012-04-12T19:08:32+00:00 12.04.2012 21:08
Ich wollt gerade ein kleines Kommi schreiben, da les ich, dass alles, was ich sagen will, schon dasteht! Außer:Wg deinem FF hab ich eine Nacht Schlaf verpasst.
Aber im Ernst- wow. Mitreißender Stil(s.o/u), die richtigen Paare (yeih, das Warten lohnt sich für Ran!), das spannende Ende(wie kommen sie da wieder raus*nägelknabber*).
Die ersten Kap.s haben sich etwas gezogen, aber du hast ja vorgewarnt, dass man die braucht. d^-^

So, jz stöber ich, ob ich diese Nacht auch mit Kaffee,nicht mit schlafen verbringe.
neuer Fan,
pf
Von:  Rave_ShadowHeart
2011-03-12T10:14:30+00:00 12.03.2011 11:14
Hi!

Ich finde die FF sehr gelungen.
Zeitweise sind da zwar ein paar Wiederholungen was den Gemütszustand und die Selbstvorwürfe eines Charakters angeht, und ein wenig zu viel von Ai, aber im Allgemeinen betrachtet ist die FF wirklich spannend und flüssig zu lesen. Die Figuren kommen sehr gut rüber, nur selten schwanken sie etwas ins OoC, aber es ist ja immerhin eine FF und 100% InChara kann so und so keiner schreiben.
Mir hats gefallen! Und ich werde mir bestimmt noch die ein oder andere FF zu DC von dir zu Gemüte führen.
Ach ja... die Fanarts gefallen mir auch sehr gut.
Ich hoffe das da noch um einiges mehr kommt.
LG, Rave
Von:  CaptainMaggot
2010-11-09T10:19:53+00:00 09.11.2010 11:19
Wow.
Ich bin hin und weg. Hab vor ein paar Wochen angefangen, deine FF zu lesen, musste aber zwischendurch unterbrechen. Heute sitz ich in der Schule und habe nix zu tun, lese also endlich weiter.
Ganz ehrlich, ich hab das Gefühl als hätte ich die ganze Zeit über das Atmen vergessen. Deine Art zu schreiben, Gefühle und Umstände zu umschreiben ist einfach der Wahnsinn. Besonders toll finde ich auch, dass du auf jeden Charakter eingegangen bist und auch die verschiedenen Verbindungen der Anderen so gut umgesetzt hast.
Nach all der Spannung und dem Hin und her fiel mir schon ein regelrechter Felsen vom Herzen, als ich bei der
>„Oi! Nimmst du deine Hände weg von meiner Tochter, oder ich lass dich da unten!“ Kogorô hatte seinen Kopf durch die Öffnung gestreckt.

„Hey, Alterchen.“, Heiji packte ihn am Kragen und zog ihn zurück.

„Bei so was stört man nicht. Aber könntet ihr mal hinnemachen da unten, ich würd' heut noch gern mal wieder raus aus dieser muffigen Halle…“<

-Szene lachen konnte. Man lebt die Story echt mit und, ganz im Ernst, das ist ein Ende, dass ich mir auch für den Manga tatsächlich vorstellen könnte.
Absolut wunderbar und lobenswert, tolle Arbeit! =3
Von:  Misses_SI
2010-03-16T12:25:21+00:00 16.03.2010 13:25
Wie immer: GROßARTIG! :D
Von:  HexenLady
2010-02-15T22:53:40+00:00 15.02.2010 23:53
hiii
du hast fan die sich ziemlich lang ausdrücken es tut mir leid
ichbin keiner so ;)
ich mag diese FF ebenfalls obwohl ich gestehen muss die andere fand ich von der Handlung was runder geschliffener und dardurch besser :)
aber wie gesagt ich werde weiterhin in deinen FF durchwühlen
in deinen Favo´s rumwühlen ;)
byebye
Von:  Cygni
2009-11-15T21:30:33+00:00 15.11.2009 22:30
hey,. . .
sag mal, weißt du ob es diese szene mit conan und takagi im aufzug im animie gibt?

ich meine mich nämlich an die stelle erinnern zu können, aber die ist nicht in folge 329 oder 330...

vllt. hat sich mein gehirn aber auch nur aus den bekannten szenen und deiner beschreibung dieses bild zusammengesetzt, vllt. hab ichs auch mal in dem manga von meiner freundin gelesen...

ich weiß es nicht mehr und das macht mich wahnsinnig, kannst du mir bitte sagen wos herkommt?

lg stellax3


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