Der rote Faden von Leira ================================================================================ Kapitel 1: Geburtstage ---------------------- Hello, Bonjour und guten Tag- an alle, die ihren Weg auf das Fleckchen des Animexxschen Servers gefunden haben, den ich mit meinen Fanfictions zumülle. *g* Willkommen zurück, an alle, die mir die Treue gehalten haben! Ich hoffe, ich werde euren Anforderungen gerecht… und alle, die neu sind: seid gegrüßt! *würdevollHändeschüttelt* Ich hoffe, ihr findet hier, wonach ihr sucht- Spannung, Spaß und… nein, keine Schokolade. ;) Dies ist meine dritte Conanfic- die eigentlich die erste sein sollte. Ich schreibe schon ziemlich lange daran… aber erst jetzt ist sie fertig geworden (nach einigen Hochs und Tief- zwischenzeitlich wurde sie sogar halb gelöscht. Nein, nicht von mir, sondern von Word. Danke an der Stelle…*grrrrr*) Nun also die Stunde der Wahrheit... ich werfe ich sie mal der Öffentlichkeit zum Fraß vor. *rotwerd* Hier also mein neuestes Hirngespinst- die Idee allerdings ist wohl nicht ganz neu; ich wage mal, zu behaupten, jeder von uns hat sich mit diesem Thema schon einmal auseinandergesetzt… Hier also nun meine Version. Viel Vergnügen wünsche ich. MfG, eure Leira *verbeug* _________________________________________________________________________________ „Conan?” Rans Stimme hallte durchs Treppenhaus. Der kleine Junge, der bereits unten an der Haustür angelangt war, drehte sich um und blickte nach oben. Da stand sie, auf der ersten Treppenstufe, schaute zu ihm hinunter und lächelte fröhlich. „Was ist denn, Ran-neechan?” fragte er, betont kindlich. „Ich wünsch dir ‘nen schönen Tag in der Schule, Conan!”, sagte sie und strahlte ihn an. „Ich koch dir heute, wenn du heimkommst, dein Lieblingsessen, ja? Hast du Lust? Wir machen dir heute einen schönen Tag, man wird schließlich nicht jeden Tag zehn Jahre alt!” Während sie geredet hatte, war sie die Treppen herunter gelaufen, jetzt stand sie vor ihm, ging in die Knie und umarmte ihn fest. Er erstarrte, hielt die Luft an, aber ließ es geschehen. Ran… Er fürchtete, seine Fassung zu verlieren, wenn sie ihn nicht gleich wieder losließ… aus seiner wohlgeübten Rolle zu fallen. Sie war ihm so nah… viel zu nah. So nah, dass es wehtat, tief in seinem Inneren. Wie sehr hatte er sich mal gewünscht, sie würde ihm auch nur einmal so nahe kommen- und jetzt war er froh, solange sie es nicht tat. Es war nicht richtig… und es war nicht fair. Dann merkte er, wie sich ihr Griff wieder lockerte. Sie fuhr ihm durchs Haar, ihr Gesicht so nah an seinem, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte. „Alles Gute zum Geburtstag, Conan! Hier, das ist für dich!“ Sie ließ ihn wieder los, stand auf und hielt ihm ein bunt eingewickeltes Päckchen hin, das sie bis dahin in der Hand gehalten hatte. Langsam atmete er wieder ein, schluckte hart. Zögernd nahm er ihr Geschenk an. Sie schien seine Zurückhaltung nicht zu bemerken, sondern blickte ihn stattdessen erwartungsvoll an. „Na los, mach auf! Ich will wissen, ob’s dir gefällt…!“, drängelte sie. Er warf ihr einen unsicheren Blick zu. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt, ihr Oberkörper leicht nach vorne geneigt, um sein Gesicht besser sehen zu können. Conan zog die Geburtstagskarte unter der Schleife hervor, öffnete sie kurz, las den Gruß und klemmte sie sich unter den Arm; dann zog er am roten Schleifenband, um es zu öffnen. Langsam wickelte er das Geschenk aus; das Papier knisterte unter seinen Fingern, als er die Klebestreifen abfummelte und das Päckchen auswickelte. Es war ein Buch. Das Buch, an dem er in der Buchhandlung seit Wochen vorbeiging, es anblickte, aber nie in die Hand nahm. Ein dicker Bildband über die größten Detektive, egal ob fiktiv oder real, die es je gegeben hatte. Es stimmte, er wollte es haben. Aber um nicht zu sehr aufzufallen, schließlich war es kein Kinderbuch -und um sein Grundschülertaschengeld nicht über die Maßen zu strapazieren; das Ding war nicht billig- hatte er es sich verkniffen. Ein so teueres Sachbuch für einen Grundschüler… Und ihr war das aufgefallen. Ihr war aufgefallen, dass er es gerne hätte; sie hatte seine begehrlichen Blicke bemerkt. Ran. Er starrte sie an. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, als er sich zu einem Lächeln zwang. „Danke Ran…“, murmelte er leise. Sie blickte ihn etwas enttäuscht an. „Gefällt’s dir nicht? Ich dachte, da du es seit Wochen schon in der Auslage des Buchhandels anschaust, würde es dir…“ Er bemerkte, dass seine Reaktion wohl zu wenig enthusiastisch gewesen war und beeilte sich, seinen Fehler zu korrigieren. „Doch, doch! Es ist klasse! Du hast ganz Recht, ich wollt’s schon gaaanz lange haben!“ Er umarmte sie unbeholfen, streckte sich, stellte sich auf die Zehenspitzen um ihr den kindlichsten Schmatz auf die Wange zu drücken, den er zustande brachte und zwang sich dazu, ihr glücklich entgegen zu strahlen. Sie sollte doch nicht merken, wie schwer es ihm fiel, welche Schuldgefühle er hatte… sie sollte wissen, dass ihm ihr Geschenk gefallen hatte. Er wollte, dass sie glücklich war… Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Innerlich atmete er auf. Gerade noch mal gut gegangen. „Freut mich, wenn’s dir gefällt! Bis später!” Sie schob ihre Tasche wieder hoch, die ihr, da sie sie nur an einem Riemen trug, ein wenig über die Schulter gerutscht war und winkte ihm zu. Dann stürmte sie aus der Tür, tauchte ein ins warme, helle Sonnenlicht, ihr seidiges Haar tanzte im Wind und tausende kleine Lichtreflexe funkelten wie goldene Sterne in ihrer schokoladenbraunen Mähne. Dann fiel die Haustür wieder zu und Kühle und Dunkelheit umfingen ihn wieder. Eine Atmosphäre, die viel besser zu seiner aktuellen Stimmung passte. Sein Geburtstag. Er lachte bitter. Shinichi Kudô alias Conan Edogawa schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Er hatte es fast vergessen. Heute war sein Geburtstag. Sein zwanzigster, wenn man ehrlich war. Fakt war, er sah nicht danach aus. Er sah aus wie zehn. Leute mit komischem Sinn für Humor hätten ihm wohl gesagt, er hätte sich gut gehalten… Conan seufzte schwer. Als Ran ihn damals gefragt hatte, wann er denn Geburtstag hätte, hatte er ihr das richtige Datum gesagt. Shinichis Geburtstag. Er fand, das machte die Sache nicht gefährlicher als sie ohnehin schon war. Und wenigstens konnte er sich dieses Datum merken und machte sich nicht erst recht verdächtig, wenn er ihr aus Versehen mal später ein anderes Datum nannte. Außerdem gab es genug Leute, die am gleichen Tag Geburtstag hatten… Der wahre Grund allerdings, warum er ihr seinen wirklichen Geburtstag genannt hatte, war, dass er sie nicht schon wieder anlügen wollte. Nicht noch einmal. Nicht öfter, nicht mehr, als notwendig. Und… er wollte wenigstens einen kleinen Teil seiner richtigen Identität bewahren… etwas, das er noch mit seinem wahren Ich gemeinsam hatte. Ein kleines Stückchen seiner Selbst. Der kleine Junge schluckte hart. Drei Jahre waren es jetzt. Das war viel zu lange. Immer öfter ertappte er sich in letzter Zeit bei dem Gedanken, wie es wohl gewesen wäre, wäre er an jenem schicksalhaften Tag im Vergnügungspark gestorben. Überlegte, welche Konsequenzen es gehabt hätte, wenn er an diesem Abend im Gras hinterm Riesenrad einfach sein Leben ausgehaucht hätte, durch dieses Gift umgekommen wäre… Das hätte das Ganze wahrscheinlich sehr viel einfacher gemacht. Er wäre nicht gezwungen, aus seinem Leben eine Lüge zu machen. Oder Rans Vertrauen zu missbrauchen. Er müsste nicht so leiden. Und sie auch nicht. Er wäre einfach gestorben. Shinichi wäre dann jetzt schon seit drei Jahren tot. Ran hätte ihn schon fast vergessen und würde ihr Leben weiterleben, nicht mehr jede Nacht weinen und sich fragen, wo er abblieb und sich Sorgen machen. Shinichi Kudô wäre gestorben und man hätte seinen kalten Körper wahrscheinlich erst am Morgen darauf gefunden. Aber war er nicht ohnehin schon tot? Shinichi existierte genau genommen gar nicht... mehr. An jenem Tag war Shinichi Kudô gestorben und Conan Edogawa hatte das Licht der Welt erblickt. Die wenigen Gastauftritte, die er seither gehabt hatte, reichten ihm bei weitem nicht... War er überhaupt noch er selbst? Wer war er denn...? Der kleine Junge wurde abrupt aus seiner Identitätskrise gerissen, als die Tür wieder aufgestoßen wurde und sich vier lachende und schwatzende Kinder hereindrängten. Nein, das stimmte nicht ganz; drei Kinder strömten lachend und schwatzend herein, das letzte, ein niedlich aussehendes Mädchen mit großen blauen Augen und rotblonden Haaren ging sehr langsam herein. Sie starrte ihn an ohne zu blinzeln. Er starrte zurück. Dann wurde er abgelenkt durch das zweite Mädchen, welches braune Haare hatte und ihn stürmisch umarmte. „Alles Gute zum Geburtstag, Conan!!“, zirpte sie mit hellem Stimmchen. „Danke, Ayumi...“, antwortete er, eher leise. Die letzten zwei Kinder, zwei Jungs, Genta und Mitsuhiko mit Namen, schüttelten ihm die Hand und gratulierten ebenfalls. Conan schob die Geburtstagskarte von Ran zwischen die Seiten des Buchs und steckte es in seine Tasche. Dann wurde er von seinen Freunden in die Mitte genommen und aus dem Haus eskortiert. Auf dem Schulweg überfluteten sie ihn regelrecht mit Vorschlägen, wie sie den Nachmittag verbringen könnten. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht... seinen Geburtstag zu feiern. Ihm war so überhaupt nicht nach Feiern, aber da kam er wohl nicht aus... Obwohl er sich bemühte, interessiert zuzuhören, bekam er die Hälfte von dem, was ihm die Kleinen vorschlugen, gar nicht mit. Irgendwann nickte er einfach nur, in der Hoffnung, dass es nicht auffiel, wie desinteressiert er eigentlich war. Es war ihm eigentlich egal, wohin sie gingen, oder was sie machen würden. Egal... „Du siehst traurig aus, Shinichi. Ist der eigene Geburtstag nicht eigentlich ein guter Grund zum Feiern?“, hörte er dann eine leise, sachlich und kühl klingende Mädchenstimme an seinem Ohr. Conan befreite sich aus dem Griff seiner Freunde und ließ sie ein Stück vorlaufen. Die drei Kinder schienen gar nicht zu merken, dass sich ihre Beute abgesetzt hatte; stattdessen marschierten sie weiterhin fröhlich plaudernd des Wegs und diskutierten die Idee, am Nachmittag den Vergnügungspark „Tropical Land“ zu besuchen. „Kannst du nicht einmal etwas sagen, ohne dabei zynisch zu klingen, Ai? Ja? Ginge das?”, wisperte er ärgerlich. „Nein.“, antwortete sie schlicht. „Welch’ große Überraschung.” Conan vergrub missmutig seine Hände in seinen Jackentaschen und schwieg, bis sie die Schule erreichten. Seine Gedanken kreisten nur um einen einzigen Satz, eine einzige Frage… Warum bin ich denn damals nicht einfach gestorben? Ai schaute ihn prüfend an. Er war nicht mehr derselbe, sie hatte das schon vor einer Ewigkeit festgestellt. Sie konnte nicht sagen, wann genau es begonnen hatte, aber dass er sich verändert hatte war eine nicht zu leugnende Tatsache. Conan (oder Shinichi?) war irgendwie... depressiv geworden. Seine Fälle, die Schule, seine Freunde, das alles interessierte ihn eigentlich nicht mehr. Er ging zur Schule, weil man es von ihm verlangte. Grundschüler gingen halt mal in die Schule, also ging er eben auch dahin. Er löste seine Fälle zwar immer noch wie eine gut geölte Maschine, aber das Leuchten in seinen Augen, seine Leidenschaft die Wahrheit zu finden, waren verschwunden. Er zeigte keine persönliche Anteilnahme mehr, verurteilte die Kriminellen nicht mehr, hielt keine Moralpredigten mehr, so wie er es früher immer getan hatte. Jetzt fand er den Schuldigen und das war’s. Schluss, Ende, aus. Einzig und allein Hinweise auf die Schwarze Organisation schienen seinen Kampfgeist zu neuem Leben zu erwecken- wirkten wie Drogen auf ihn, versetzten ihn in Rausch, verleiteten ihn zu Höhenflügen, machten ihm Hoffnung… mit der Konsequenz, dass der Fall danach, wenn er wieder nichts erreicht hatte und erneut vor den Trümmern seiner Existenz stand, nur umso tiefer war. Mit seinen Freunden, den Detective Boys, beschäftigte er sich meistens nur noch, weil er wusste, dass man das von ihm erwartete. Kleine Kinder spielten eben gern Fußball, gingen ins Kino oder Eisessen. Das war eben so, also tat er es. Nicht, weil er es wollte. Sondern weil man es von ihm erwartete. Und vielleicht aus Schuldgefühl den Kleinen gegenüber. Sie hingen an ihm, das wusste er; er wollte sie nicht unglücklich machen, indem er sich aus für sie unerklärlichen Gründen von ihnen abwandte. Vor anderen bemühte er sich immer, nicht aus der Rolle zu fallen, gab den perfekten, liebenswürdigen, schlauen, kleinen Conan, aber wenn er sich alleine fühlte, unbeobachtet… Seine Augen schienen dunkel zu werden, jedes Licht aus ihnen zu weichen und man sah seine Sorgen und den Schmerz, den er fühlte… Ai hatte es dem Professor gesagt. An dem Tag, als sie sich absolut sicher geworden war, dass es Shinichi nicht gut ging. Ganz wie sie angenommen hatte, hatte der Professor von alledem nicht das Geringste bemerkt. Der alte Mann hatte dann natürlich umgehend mit ihm gesprochen. Sehr vorsichtig, sehr sensibel und subtil hatte er ihn ausgefragt, wie es ihm ginge und wie Ran sich fühlte und so weiter. Und wie immer hatte er die gleichen Antworten bekommen. Alles in Ordnung, alles Bestens, hatte Shinichi gesagt. Wie immer. Tatsächlich machte sich Ai große Sorgen. Zum ersten Mal in ihrem Leben machte sie sich echte Sorgen um einen anderen Menschen. Sie hatte Angst, dass Shinichi eine Dummheit begehen könnte. Angst, dass er sein Leben aufs Spiel setzte… Sie wollte ihm ihre Ängste nicht anvertrauen. Sie wusste ja nicht, ob er entweder sehr verärgert wäre oder sie auslachen würde, also schwieg sie. Aber sie behielt ihn im Auge. Das war auch der Zeitpunkt gewesen, an dem sie sich eingestehen musste, dass sie ihn liebte. Shiho liebte Shinichi für das, was er war… weil er war, wie er war. Sie liebte den brillanten, hochintelligenten, zum Teil auch nachdenklichen Detektiv, den Freund, auf den man sich immer verlassen konnte und den Helden, der einen aus gefährlichen Situationen rettete. Sie liebte ihn für sein Angebot, ihr zu helfen, wann immer sie seine Hilfe bräuchte und weil er sie aus ihren Gedanken riss, wenn sie in ihren eigenen Ängsten zu ertrinken drohte, liebte ihn dafür, dass er ihr das Leben und ihre Seele gerettet hatte… Aber momentan sah es eher danach aus, als wäre er derjenige, der gerettet werden musste. So stand sie ihm Gang vor den Klassenzimmern und schaute ihn schweigend an, als er aus seinen Straßenschuhen schlüpfte und sich die Hausschuhe für die Schule anzog. Schule war furchtbar. Eine einzige Farce, wie Conan befand. Kinder, die aus vollster Kehle „Happy birthday“ trällerten, ihm gratulierten- einige hatten sogar ein Geschenk für ihn… Furchtbar… Aber Conan lächelte brav, freute sich, wie man es von einem Geburtstagskind erwartete und bedankte sich höflich bei allen für alles und wünschte sich nur, dass es schnell vorüber ging. Ran… Wenn sie es wüsste, wenn er sie einweihen würde, wäre seine Situation dann eine bessere? Wäre sein Leben dann leichter? Würde das sein Leid ein wenig lindern? Und ihrs? Was wäre besser… für sie? Er fühlte sich schrecklich, dieses Eingesperrtsein in einen Körper der zu jung, viel zu jung für ihn war, raubte ihm allmählich den Verstand… Es ging schon so lange so, und noch war kein Ende in Sicht… nicht einmal in weiter Ferne. Er irrte in einer dunklen Höhle umher, sah kein Licht, nirgendwo… Er wusste nicht, wie viel er noch aushalten konnte bis seine Schmerzgrenze überschritten war. Würde es ihm helfen, wenn sie um ihn wusste? Oder würde es das Ganze nur verschlimmern…? Würde Ran ihn hassen? Würde sie ihn verlassen? Er wollte sie nicht verlieren, nein, das am allerwenigsten… Und sie wäre in noch größerer Gefahr, wenn sie davon wüsste. Wenn ihr in der Öffentlichkeit aus Versehen etwas herausrutschte, und die falschen Leute es hörten… wenn sie ihr etwas antaten, um an ihn heranzukommen… Conan schüttelte energisch den Kopf, was ihm einen schiefen, fragenden Blick von Ai einbrachte. Er bemerkte es gar nicht, zu tief war er in seinen Gedanken versunken. Er konnte es ihr nicht sagen. Das Risiko war einfach zu groß… also weiter schön die Klappe halten, den Grundschüler mimen… Conan Edogawa... Die Welt war grausam. Frustriert stöhnte er auf, vergrub den Kopf in den Armen. Ayumi, Genta und Mitsuhiko starrten ihn erstaunt an. Endlich, nach scheinbar ewig dauernden Stunden kam die Erlösung in Form der Schulglocke. Die Schüler rannten aus der Schule und machten sich auf den Weg nach Hause, stoben oder schlenderten in alle Himmelsrichtungen davon, lachten und schrieen. „Bis später, Conan! Wir holen dich dann so um drei Uhr beim Professor ab, ja?“, rief Ayumi und winkte. „Sicher.“ Conan versuchte zu lächeln und fröhlich zu klingen. „Bis später!“ Er und Ai gingen schweigend nebeneinander her. Von der Straße klang Verkehrslärm, dazwischen war, wenn auch selten, aus den Bäumen in den Gärten der Wohnhäuser Vogelgezwitscher zu hören. Beim Haus des Professors angekommen trennten sich schließlich ihre Wege. „Alles Liebe zum Geburtstag, Shinichi…“, flüsterte Ai leise, kaum hörbar, ehe sie das Gartentor aufmachte. „Gib die Hoffnung nicht auf, bitte…” Conan, der bis jetzt nur auf den Bürgersteig vor ihm geschaut hatte, blieb abrupt stehen, blickte auf, einen Hauch von Ungläubigkeit über das, was er gerade von Ai gehört hatte, auf dem Gesicht. Er wollte etwas erwidern, aber ihm fiel nichts ein. Was auch nicht nötig war, denn Ai war schon gegangen, marschierte langsam den Pfad der zur Haustür führte, entlang, ohne sich noch ein weiteres Mal umzusehen. Das Tor fiel krachend wieder ins Schloss. Conan zuckte mit den Schultern und ging nach Hause. Ran summte eine leise Melodie, als er die Küche betrat. Sie war gerade dabei, kleine, in Essigmarinade eingelegte Gürkchen in Würfelchen zu schneiden, hielt allerdings inne, als sie ihn kommen hörte. „Hallo Conan! Wie war’s in der Schule?“ „Super!“ Er strahlte sie an und fühlte sich innerlich doch seltsam taub. Sie hatte wieder geweint, er konnte es sehen. Ihre Augen waren immer noch rot, zeugten von ihren vergossenen Tränen, und sie schniefte leise. Es war ja nicht nur Conans Geburtstag heute. Sondern auch Shinichis. Er fühlte, wie seine Hände kalt wurden. Er fühlte sich furchtbar. Warum tat er ihr das an? Er liebte sie doch, oder bildete er sich das nur ein? Tat man Menschen, die man liebte, so weh? War das denn richtig? Er starrte sie an. Sie vermisste ihn… er wusste das. Und doch konnte er nichts tun, um ihr zu helfen. Er war sich sicher, dass sie ein Geschenk für ihn hatte, genauso wie sie auch für Conan eins gehabt hatte. Aber Shinichi, im Gegensatz zu Conan, würde nicht kommen, um sich sein Geschenk von ihr überreichen zu lassen und zu sagen, Danke Ran, ich danke dir, es ist toll. Ich liebe es. Ich liebe dich. Er würde nicht kommen. Shinichi würde nicht kommen. Er hasste sich selbst dafür, dass er ihr so viel Kummer bereitete. Ran lächelte zurück. „Schön! Das Mittagessen ist in ungefähr einer halben Stunde fertig…” Conan nickte abwesend und verzog sich, um allein zu sein, bis er sich wieder im Griff hatte. Auf dem Weg in sein Zimmer kam er an ihrem vorbei. Die Tür stand offen. Sein Blick huschte zufällig hinein und blieb an einem Päckchen haften. Da war es. Es lag auf ihrem Schreibtisch, liebevoll verpackt in rotes Geschenkpapier. Sein Geschenk. Lange stand er da und zögerte. Dann ging er hinein, schloss die Tür hinter sich. Er wollte nur die Karte lesen. Nur die Karte. Alles andere wäre zu auffällig. Er zog sie unter der Schleife hervor, öffnete den Umschlag, wofür er länger brauchte als gewöhnlich, weil seine Finger starr vor Kälte waren. Dann fischte er sie heraus. Sie war selbst gemacht. Er fühlte sich schrecklich. Da machte sie sich die Mühe und machte die Karte selbst… sie hatte gezeichnet. Ein Foto abgemalt… er konnte sich dran erinnern. Seine Mutter hatte es damals gemacht; es zeigte sie beide an seinem zehnten Geburtstag. Die Zeichnung war richtig gut. Er klappte sie auf, hielt den Atem an, als er sie las. Shinichi, du bist der beste Freund, den ich habe. Du magst zwar manchmal arrogant sein und deine ewigen Kriminalgeschichten gehen mir oft gehörig auf den Wecker, aber… ohne dich ist es nicht dasselbe hier. Ich vermisse dich. Ich habe Angst, dass dir etwas passiert. Bitte komm bald wieder, ja? Bitte. Deine Freundschaft bedeutet mir alles. Zu deinem Zwanzigsten Geburtstag wünsche ich dir nur das Beste! Also… alles, alles Liebe und Gute, viel Erfolg und Glück für dein weiteres Leben! Ich hoffe, unsere Freundschaft dauert ewig. Deine Ran XXX Er faltete die Karte wieder zusammen, steckte sie in den Umschlag zurück und schob diesen wieder unter das Schleifenband. Dann ging er wie in Trance in sein Zimmer. Er schloss die Tür leise hinter sich, ließ sich mit dem Rücken dagegen sinken und rutschte langsam nach unten. So kauerte er da, vergrub sein Gesicht in seinen Händen und konnte nicht verhindern, dass Tränen über sein Gesicht zu laufen begannen. Himmel, er liebte sie. Er liebte sie doch schon sein halbes Leben lang... Er liebte sie mehr als sein eigenes Leben. Sie war wie ein Engel. Und sie liebte ihn auch. Diese Tatsache war immer noch ein Mysterium für ihn, einfach zu schön um wahr zu sein. Und alles was er tat, war, sie immer und immer und immer wieder anzulügen. Ihr weh zu tun. Sie verdiente etwas Besseres als ihn, jemand besseren als ihn. Sie sollte ihn nicht lieben. Nicht Conan Edogawa und erst recht nicht Shinichi Kudô. Gegen ersteres konnte er nicht wirklich etwas tun, aber gegen letzteres sehr wohl. Langsam fasste er einen Entschluss. Seine Entscheidung war gefällt. Er würde Schluss machen mit ihr. Er wollte sie zwar nicht verlieren, aber irgendwo musste sein Egoismus auch Grenzen haben. Er war nicht gut für sie… Also würde er es beenden. Heute. Auch wenn es ihm das Herz brach. Er musste sie endlich loslassen. Shinichi wusste, dass er sie verletzen würde. Sehr verletzen würde. Aber er hoffte, dass sie darüber hinwegkam. Er wollte ihr die Chance geben, sich in jemand anderen zu verlieben, mit jemand anderem glücklich zu werden. Sie verdiente es. Sie wartete schon viel zu lange auf ihn. Er würde hernach das Telefon vom Professor benutzen. Was für ein schöner Geburtstag... Sie waren gerade mit dem Essen fertig geworden und Conan half Ran beim Abwasch, als es an der Tür klingelte. „Wer kann das sein?“, murmelte Conan erstaunt, legte den Teller, den er gerade abgetrocknet hatte, beiseite und schaute zu seiner großen Freundin auf. „Das werden Heiji und Kazuha sein.“, meinte Ran und lächelte. „Sie haben gestern angerufen, dass sie heut vorbeikommen. Mach doch schon mal auf, ich spül hier gerade noch schnell fertig.“ Conan nickte und schlurfte auf den Gang hinaus, streckte sich und zog die Klinke nach unten. Draußen stand Heiji und drückte vehement gegen den Klingelknopf, womit er einen unglaublich nervenaufreibenden Dauerton erzeugte, und merkte erst ein paar Sekunden später, wer die Tür aufgemacht hatte- nämlich als er den Blick senkte. Kogorô, der gerade wutentbrannt den Kopf aus der Tür gesteckt hatte, um sich zu beschweren, weil er Yokos Lifekonzert ansehen und –hören wollte, verzog sich wieder, als er erkannte, dass die Lärmquelle beseitigt worden war. „Hallo Kurzer!“, grinste der Detektiv aus Osaka, als er in die Wohnung trat. Conan warf ihm einen finsteren Blick zu. „Was willst du hier?“, fragte er unfreundlich. Heiji verzog überrascht das Gesicht. Was war denn hier los…? „Na, du hast doch heut Geburtstag, Kudô! Ich wollt dich besuchen, so unter Freunden macht man doch das, gratuliert sich, schenkt sich etwas…“ Conan wollte ihm gerade entgegen, dass ihm nicht nach Feiern und Geschenke wäre, als eine einigermaßen aufgebrachte Stimme ihn daran hinderte. „Kudô?!“ Heiji, der sich ein wenig gebückt hatte, richtete sich abrupt auf und auch der Grundschüler fuhr herum. „Haa- haaallo Ran! Wie geht’s dir denn?“, stotterte der Oberschüler nervös, versuchte das Thema zu wechseln. „Was ist mit Kudô? Hast du etwa etwas von Shinichi gehört? Heiji?“ „Nichts ist… mit Kudô. Aber der hatte doch auch heut Geburtstag nicht? Also ich war mir nicht mehr sicher, also hab ich Conan gefragt: Er hat doch heut Geburtstag, Kudô? Oder nicht?“ Heiji knetete hinter seinem Rücken unruhig die Hände. Conan stand da, wie zur Salzsäure erstarrt. „Heiji…,“ flüsterte Ran schließlich. „Heiji, du als sein Freund, du würdest es mir doch sagen, oder? Du würdest mir doch sagen, wenn mit ihm was ist…?“ Der Detektiv erbleichte, versuchte, nicht zu Conan zu schauen. Eine Antwort wurde ihm glücklicherweise erspart, nämlich als Kazuha die Szene betrat. Außer Atem und mit hochrotem Kopf, stinksauer, stand sie in der Wohnungstür. Dann sah sie Ran und strahlte. „Ran!“ Ran lächelte zurück. „Hallo Kazuha!“ „Entschuldige bitte, dass wir hier getrennt aufgetaucht sind und ich ein wenig später komme, aber dieser Idiot hier…“, sie trat Heiji gegen das Schienbein, der daraufhin aufschrie, „hat mal wieder nicht auf mich warten können. Eines Tages schieß ich ihn noch auf den Mond. Nun, wie dem auch sei, bist du fertig? Gehen wir shoppen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie ihre Freundin mit sich, die gerade noch ihre Tasche greifen und in ihre Schuhe schlüpfen konnte. „Bis spääääter!“, trillerte sie, dann fiel die Tür hinter ihnen zu. Dann heulte Heiji ein zweites Mal in fünf Minuten vor Schmerz auf, nämlich, weil Conan ihm gegen das Schienbein getreten hatte. Kogorôs Kopf erschien in der Tür. „RUHE!!! Was soll das Gebrüll, zum Teufel noch mal, ich will Yoko hören!!!“ Dann fiel die Tür hinter ihm wieder mit einem lauten Knall ins Schloss. Heiji starrte Conan an und rieb sich sein Bein. „Was…?“ „Kannst du nicht aufpassen? Kannst du nicht ein einziges Mal aufpassen?! Wie oft willst du denselben Fehler denn noch machen?“, fauchte der Grundschüler aufgebracht. „Es tut mir ja Leid.“, murmelte Heiji. Kudô hatte ja Recht. Er war zu leichtsinnig. „Dass du soviel Kraft in den Beinen hast, hätte ich dir nicht zu getraut“, murmelte er dann grinsend. „Kommt vom Fußballspielen.“, antwortete Conan gleichgültig. Dann erst schaute er seinem Freund durchdringend in die Augen. „Und was willst du jetzt hier?!“ Heiji blinzelte. „Was ist los mit dir? Du hast Geburtstag, das ist der Grund, warum ich hier bin. Wirklich. Braucht’s denn noch einen anderen?“ Conans Blick wurde etwas sanfter. „Ist schon- tut mir Leid. Ich… ich bin ein wenig von der Rolle, ich hätte dich nicht so anfahren sollen. Gehen wir doch lieber zum Professor, da können wir besser reden, ich will nicht, dass der Alte was mitkriegt…“ Heiji schluckte, schaute seinem Freund ins Gesicht. „Ich mach mir Sorgen um dich.“, sagte er dann plötzlich. Conan, der sich gerade den linken Schuh zuband, schaute auf. „Warum das denn?“ „Ich weiß auch nicht, du… du bist so anders… in letzter Zeit.“ „Was soll mit mir schon anders sein?“ Conan schaute ihn abwartend an. Heiji konnte sich nicht helfen, als er die Augen seines Freundes sah, lief es ihm kalt über den Rücken. Sie waren zu alt für dieses Kind. Schauten nicht unschuldig, kindlich, neugierig drein, nein… Das waren Augen, die das jugendliche Gesicht, aus dem sie die Welt betrachteten, Lügen straften. Wissende Augen, Augen, die den Tod gesehen hatten. Augen voller Leid. Sie hatten nichts mehr von dem an sich, was Kinderaugen ausmachte, kennzeichnete. Rein gar nichts. Aber dieser gequälte Ausdruck in seinen Augen war nicht das Einzige, was Heiji beunruhigte. Es war sein Gesicht. Seine Körperhaltung. Seine Ausstrahlung, sein Verhalten, die Art wie er redete, einfach alles. Er sah so… müde aus. Geschlagen. Besiegt? Was ist los mit dir? Shinichi, was ist nur los mit dir?! Heiji seufzte tief, kratzte sich nervös am Kopf und beeilte sich dann, seinem Freund nachzulaufen, der sich bereits auf den Weg nach unten gemacht hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)