The Different Ways of Love von inkheartop (oder: Weil die Liebe verschiedene Wege geht... ShikaxTema//NaruxHina//NejixTen//SasuxSaku//InoxSai *Kapitel 33 on*) ================================================================================ Kapitel 32: Lange Nacht ----------------------- Lange Nacht Seit gewisser Ereignisse, die seine Familie noch mehr zerrissen hatten, als sie es sowieso schon gewesen war, trank Kankuro nicht mehr. Kein Alkohol, und so dumm ihm das manchmal vorkam, so klug fühlte er sich dann, wenn er sie sah. Temari. Gaara. Seine Mutter. Alle in irgendwelche Drogenexzesse verwickelt – er war sich ziemlich sicher, dass es bei Gaara noch etwas mehr, als nur Alkohol war – und alle unsäglich unglücklich. Kankuro trank nicht. Keinen Tropfen. Allerdings. War er trotz allem unglücklich. Eines dieser Unglücke, die schwer waren. Die einfacher wären, würde man sie aussprechen. Aber Kankuro sprach nicht. Er hatte sich selbst noch nicht mit diesem Unglück abgefunden, vorher würde er nicht reden. Zumindest mit niemandem außer Temari. Und die. Klammerte sich gerade aus irgendwelchen Gründen, die er nicht wirklich nachvollziehen konnte, an Nara. Weinte sie? An anderen Tagen wäre Kankuro ausgerastet. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? War die Warnung nicht deutlich genug gewesen? Er würde morgen noch einmal mit ihm reden, ihm klar machen, dass Temari eine neue dumme Verliebtheit ganz sicher noch nicht gebrauchen konnte. Aber erst morgen. Jetzt. Blieb er still. Betrachtete seine Schwester und fragte sich ernsthaft, was sie an Nara fand. Er war nicht einmal besonders attrakt… Kankuro biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen. Er hasste sich dafür. So etwas zu denken. Hastig, so schnell es seine Gedanken erlaubten, wandte er sich von der Szene ab, die ihm ins Herz stach. Auf zweierlei Art. Musik pochte in sein Herz, während er sich durch die Menge kämpfte, durch das Lachen und die Fröhlichkeit. Durch diese einfältige Romantik, die auf solchen Schulbällen eben herrschte. Bevor er noch etwas dagegen sagen konnte, forderte ihn plötzlich ein Mädchen mit kurzen, silbrig blonden Haaren zum Tanz auf, schlang die Arme um seinen Hals und lächelte Kankuro an. Er lächelte zurück. Eines musste man ihm lassen. Kankuro war ein guter Schauspieler. Irgendein langsames Lied setzte ein, das Parfum des Mädchens roch süßlich nach Blumen und Frühling. Er erwischte sich dabei, wie er sich in Gedanken ein Winter- oder Herbstparfum herbeiwünschte, herb und natürlich. Verbot sich mal wieder das Denken, das häufte sich in letzter Zeit. Besonders in letzter Zeit. Genau konnte Kankuro nicht sagen, was es war – schließlich wollte er es gar nicht wissen –, aber er ahnte es viel zu genau. Seine Hände lagen auf den Hüften des Mädchens – wie hieß sie eigentlich? – und Kankuro schloss die Augen. Ihr Kopf lag an seinem Hals, er konnte ihren Atem spüren. In seinem Inneren erschien ein Bild – ungefragt, wie immer. Es war da und Kankuro tat es weh, sich diese Augen auszumalen, wie dunkel sie ihn ansahen. Es tat weh, an das Lächeln zu denken, an den Mund, die Nase, die Schultern, die Brust… Alles tat weh und noch mehr schmerzte es, wenn Kankuro es zuließ, dass dieses andere Gefühl in ihm größer wurde. Kankuro konnte Sehnsucht nicht ausstehen. Sehnsucht war etwas, das schwach machte. Verletzlich. Aber es war schwer, sich nicht zu sehnen, wenn ein Mädchen, deren Name er schon wieder vergessen hatte, sich an ihn schmiegte und er gar nichts dabei fühlte. Gar nichts. Kankuro wird der Erste sein, der bei Kiba ankommt. Hinata glaubte fest daran, dass sie träumte. Das konnte nur ein Traum sein. Oh, bitte, ich will nie wieder aufwachen! Sie lächelte in den Kuss hinein, lächelte in Narutos Lächeln hinein, spürte sein Lächeln auf ihrem und es war ein unglaubliches Gefühl. Hatte sie schon jemals etwas Vergleichbares gespürt? Hinata bezweifelte es. Ihr Herz klopfte noch vor Aufregung, als sie sich von ihm löste, ihn ein fünftes, sechstes, siebtes Mal küsste, sie bekam gar nicht genug davon. Und irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, hatte einfach nur… gelebt. Leben, das war das richtige Wort dafür. Leben. Narutos Hand strich über ihre Wange. „Wir können ja doch tanzen, Cinderella“, grinste er. Wir. Er meinte sich und sie. „Sieht so aus.“ Hinata ließ ihn nicht los. Wollte ihn festhalten, für immer. Oder wenigstens für ewig. Ihren Kopf legte sie nicht auf Narutos Schulter, wie konnten andere Mädchen das nur tun? Einen Blick aus diesen Augen zu verpassen, es wäre Verschwendung. Hinata wusste, wie kitschig romantisch sie war. Es war ihr egal. Im Moment war ihr alles egal. Weil diese Nacht doch noch ihre Nacht geworden war, weil diese Nacht doch noch gut, nein, perfekt geworden war. Perfektion, ja? Sie verschwendete keinen Gedanken mehr an Ino und Tenten und… Da war nur Naruto. „Naruto“, sagte Hinata leise. „Hinata“, sagte Naruto leise. Einfach nur um die Namen auf der Zunge zu schmecken, um sie zu hören aus dem Mund des anderen, geflüstert wie ein wunderbar süßes Geheimnis. Nur dass es kein Geheimnis war. Um sie herum wurde es immer leerer, die Musik wurde immer ruhiger, immer leiser. Die Nacht neigte sich dem Ende zu, draußen wurde es kälter. Sie wiegten sich halbwegs zum Takt der Musik, drehten sich ein bisschen im Kreis, hierhin, dahin. Fühlten sich ganz allein auf der Welt. Gemeinsam einsam zweisam. Jemand stand hinter ihr. Hinata kannte Nejis Art, sich ihr zu nähern, kannte ihn schon so lange, dass es sie nicht mehr wunderte, dass sie wusste, wenn er es war. „Was ist, Neji?“ Ihre Stimme kam wie aus einer anderen Welt. Hinata an Erde, Hinata an Erde… „Habt ihr Kiba gesehen?“ Die Worte sollten Sorge in ihr auslösen. Kiba verschwand nicht einfach so, Kiba war immer da, wenn er gesucht, gebraucht, gefunden wurde. Kiba war immer da. Die Worte sollten irgendetwas in ihr auslösen. Hinata konnte nichts dafür. Dieses Glück machte sie blind, taub und stumpf für alles andere. Dieses Glück war schuld. „Findet ihr ihn nicht?“ Naruto war noch – halbwegs – bei klarem Verstand. „Sonst würde ich nicht fragen“, meinte Neji, seine Stimme klang, als habe er zu viel getrunken, und keine Geduld mehr. „Er taucht schon wieder auf“, sagte Naruto, nicht mehr. Tauchte wieder ab in Hinatas Welt, flog zu ihr hinauf. Hinata hörte noch Nejis geknurrtes „gar nichts anzufangen mit denen“. Ja. Und? Egal. Sie würde sich später um Kiba kümmern, später. Jetzt hatte sie keine Zeit für Kiba, jetzt war ihre Zeit, ihre ganz allein. Das musste so sein. Hinata fand, dass sie es verdient hatte. Diese Zeit. Später. Zu spät…? Hinata wird die Erste sein, die Kibas Namen ruft. Das Glas in seiner Hand neigte sich gefährlich dem Boden entgegen, die Flüssigkeit schwappte schon fast über den Rand. Sasuke stand noch genauso starr da, wie vor einer halben Stunde. Oder war es eine gewesen? Zwei? Er stand noch genauso starr da, wie zu dem Zeitpunkt, als Sakura ihn für Itachi gehalten hatte. Als Sakura ihn geküsst hatte und dann fluchtartig wieder verschwunden war. Sein Herzschlag hatte sich immer noch nicht beruhigt. Wumm Bumm Bumm Wumm. Sasuke war zu logisch veranlagt, als dass er diesen Kuss als Traum abtun könnte. Er hätte es gern getan. Lass es einen Traum sein, lass sie mich geküsst haben. Nicht Itachi. Das war das Problem. Mal wieder. Itachi. Sakura dachte, sie hätte Itachi geküsst. Sakura dachte, sie hätte Itachi geküsst… Noch fühlte es sich so real an. Noch spürte Sasuke ihre Lippen, schnell und wunderbar, und so ganz anders, als er gedacht hätte. Im Küssen war sie nicht anders als die ganzen anderen Mädchen. Aber sein Atem stockte noch immer. Aber sein Herz. Sein dummes, dummes Herz. Schnell trank er einen Schluck, der Alkohol ließ seine Kehle kribbeln. Alles kribbelte, seine Mundwinkel auch. Sasuke konnte fast nicht glauben, dass er lächelte. Wenn Naruto ihn so sehen würde… aber der knutschte ja mit Hinata auf der Tanzfläche. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Folgen haben würde. Lächeln. Wie funktionierte das? Sasuke lächelte und fühlte sich überirdisch gut – Herzklopfen! – und unterirdisch fürchterlich. Als Neji wie aus dem Nichts auftauchte, bekam er den Mund kaum auf – noch immer klebte ein Hauch Sakura an seinen Lippen, das machte das Sprechen unfassbar schwierig. „Wir müssen Kiba suchen“, sagte Neji. Sasuke wusste, dass er jeden Gedanken an Sakura erst einmal vergessen konnte. Es war so oder so fraglich, ob sie sich noch daran erinnern würde. Sie hatte sich ziemlich viel Mut angetrunken. „Hast du Naruto schon…“ Er unterbrach sich gleich selbst. „Ich glaube, er hat sie gesehen“, meinte Neji, seine Stimme klang eigenartig unruhig. Die Nacht schien seltsam hell durch die Tür. Irgendwo blitzte ein bleicher Mond, irgendwo anders blinkte ein Flugzeug. Kopf in den Wolken, dachte Sasuke. Kopf bei Sakura würde besser passen. Wo war sie? Nicht: Wo war Kiba? „Glaubst du, er…“ Neji sprach nicht weiter. „Wo hast du schon gesucht?“ Er versuchte nur, seine Gedanken zu ordnen. Weg von Sakura, weg von den Dingen, die er nie haben würde. Hin zu den Dingen, die jetzt wichtiger waren. Überlebenswichtig? „Toiletten, Backstage, die ganze Halle, und Handy ist aus. Das übliche.“ „Ich hab ein schlechtes Gefühl bei der Sache“, gab Sasuke zu. Neji sah ihn nicht an. Starrte in die ausgebleichte Dunkelheit, Schatten spielten mit seinem Gesicht, Kälte mit seinen Haaren. Absolut still, Statue. „Tsunade“, sagte er. „Wir müssen suchen.“ Es gab Momente, in denen Sasuke Sakura gut vergessen konnte. Wenn er sich in kalten Winternächten Sorgen machte. Und dann gab es Momente, in denen er nur Sakura im Kopf hatte. Nur Sakura, das war schlimmer als Schönheit und Folter. Diese Momente, wenn er in kalten Winternächten seinen Sorgen ausgeliefert war. Wenn er darüber nachdachte, was Kiba tat. Und warum. Kiba. Und Naruto und Hinata. Die sich gefunden hatten. Sasuke hatte es doch gesagt. Jetzt bekamen sie die Quittung. Sie alle. Naruto und Hinata. Kiba. Hatte sie gesehen. Sasuke wird der Erste sein, der Kibas Gründe versteht. Sie suchten. Es war erstaunlich, wie schnell Tsunade genickt hatte, als sie zu ihr gekommen waren. Sie war noch nicht betrunken, sie vertrug erstaunlich viel Alkohol. Aber sie wusste, dass andere das nicht taten. Eine ihrer Kisten war verschwunden. Temari umklammerte immer noch Shikamarus Arm, jetzt liefen sie nebeneinander, hin und wieder blitzte in der Dunkelheit der grelle Lichtpunkt einer Taschenlampe auf, ansonsten war es dunkel. Ihr war nicht ganz klar, was in diesen Stunden mit Shikamaru geschehen war. Vielleicht, weil gar nichts geschehen war, aber gerade das war das Problem. Manchmal wollte Temari schreien, all das herausschreien, über das sie nicht sprach, mit niemandem sprechen konnte. Sie war nicht sehr selbstmitleidig, sie lebte nicht gern in der Vergangenheit, aber es tat trotzdem weh. Immer noch. Und es war schwierig, die Gegenwart von der Vergangenheit zu trennen, einen Schlussstrich zu ziehen. Ihre Gefühle standen da nur im Weg. Deshalb. Stand ihr Shikamaru im Weg, irgendwie. Er passte nicht in ihre neue Zukunft, er passte nicht in ihre Vorstellung vom Schlussstrich. Sie war noch nicht soweit. Ganz einfach. So schwer. Sie sagten nichts, Temari blieb genauso still wie er, nur seinen Atem hörte sie, wie er die Kälte in Stücke schnitt. Er hatte noch gar nichts gesagt, noch gar nichts. Nur manchmal rief einer von ihnen „Kiba!“, aber das zählte nicht. Kiba. Sie kannte ihn nicht einmal besonders gut. Er war nett, ja. Fast so aufgedreht wie Naruto, kaum zu übersehen. Total verknallt in Hinata, natürlich. Neji hatte noch gemeint, Kiba habe sie gesehen. Sie. Erst wusste Temari nicht, von wem er sprach. Dann fiel ihr Blick auf Hinatas Hand, die Finger umklammerten Narutos, verschränkt, eine Einheit. Es sah fast schon abstrus natürlich aus. So perfekt. Sie hatte Kiba gesehen. Temari verstand nicht viel von Eifersucht, oder von unerwiderter Liebe. Wenn sie so drüber nachdachte, verstand sie überhaupt nichts von Liebe. Erbärmlich? Nein, eigentlich nur kompliziert. „Mann, wo steckt der?“ Eine rhetorische Frage, trotzdem zuckte Temari zusammen, Shikamarus Stimme zitterte, verschluckte die nächsten Worte. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht sehen. „Er… taucht schon… ihm wird schon nichts passiert sein…“, versuchte Temari zu sagen. Es klang sehr dumpf und sehr heiser. Sie hätte schwören können, dass er absichtlich nicht darauf achtete. Sie hätte schwören können, dass er sich nur auf die Worte konzentrierte. „Kiba und Alkohol, das passiert nicht nichts“, sagte er. Sicher runzelte er grade die Stirn. „Und da ist viel Alkohol.“ „Und wenig Kiba; er ist nicht bei sich. Nicht richtig.“ Sie spürte sein Nicken. „Ja, ja…“ Dann hörte sie die Schritte. „Tema?“ Kankuro tauchte ganz plötzlich auf, stolperte näher, sein Blick blieb ganz kurz an Shikamaru hängen. Wirklich ganz kurz. „Tema“, er zitterte am ganzen Körper, trug nicht mal eine Jacke, „Habt ihr… ihn?“ „Nein?“ Dumme Frage, dumme Antwort, nach was sah das denn aus? „Oh, ich meine… klar, ich…“ Er wich ihrem Blick aus, schüttelte dann den Kopf, mehr zu sich selbst. Und hastete weiter. „Kank! Hey, was… Kankuro!“, rief Temari. Ihm hinterher. Dieser Blick. Sie kannte diesen Blick. Oh, nein. Bitte nicht. Nicht… „Was ist denn mit dem los?“, fragte Shikamaru. Temari zögerte. „Keine Ahnung.“ Obwohl sie sehr wohl eine Ahnung hatte, denn – verdammt! – sie kannte diesen Blick zu gut. Temari wird die Erste sein, die in Kibas Augen sieht. Angst. Ein grauenhaftes Gefühl, es machte hilflos. Angst. Hinata hatte Angst, sie drückte Naruto das Blut aus den Fingern, zitterte und ihre Stimme wurde von Schrei zu Schrei schriller. Verzweifelter. „Kiba! Kiba!“ Naruto kam kaum hinterher, so schnell zog sie ihn mit sich, er trat ihr mehrere Male in die Hacken, sie ignorierte es und rannte weiter. Wünschte sich tausend Augen, tausend Münder mehr. Vielleicht könnte sie ihn da sehen, vielleicht war ihr Rufen dann laut genug, dass er sie hören konnte, dass er antwortete. Und alles wäre gut. Aber. Halt, nein. Nichts wäre gut. Tenten hatte es gesagt. Alle hatten es gesagt, aber Hinata hatte nicht zugehört, hatte nicht zuhören wollen und die Zeichen – es waren viele gewesen. Blicke, Gesten, Lächeln – einfach ignoriert. Sie machte sich Vorwürfe. Wenn sie nicht… Hätte sie nur… Könnte es sein, dass… Alles Schwachsinn. Nichts mehr konnte sie ändern, das brachte jetzt nichts, das Wunschdenken. Sie würde Narutos Hand nicht loslassen, wenn sie Kiba fand, sie würde ihn nicht verlassen, nur damit Kiba glücklich war. Denn. Ja, sie hatte es verdient glücklich zu sein! Ja! Und was ist mit Kiba?, flüsterte die kleine, böse Stimme in ihr. Ihr Magen krampfte sich zusammen. War das gerecht? Fürs eigene Glück, das Glück eines anderen zu opfern. War das denn fair? „Das ist das Leben“, sagte Naruto, keuchte, Hinata hatte gar nicht bemerkt, wie schnell sie sein konnte. „Hab ich das laut gesagt?“ „Ja… Hör mal, Hina… Du… kannst nichts dafür… okay?“ „Nein.“ Nichts war okay. Gar nichts. War okay. „Ihm könnte… was ist wenn… er ist mein bester Freund, Naruto. Er ist… was ist, wenn er sich was Schlimmes angetan hat? Ich bin dann schuld. Naruto…“, fügte sie hinzu. Naruto. Kiba hatte immer öfter das Gesicht verzogen, wenn sie den Namen gesagt hatte, wenn sie geschwärmt und gejammert hatte. Warum hatte sie es nur nicht früher bemerkt? Es war doch so… offensichtlich gewesen. „Sie haben es alle gesagt, hm?“, meinte Naruto, sagte, was Hinata sich nicht traute zu sagen. „Kiba ist eifersüchtig, Kiba ist in Hinata verliebt, haben sie gesagt. Ich hab weggehört. Ich hab gedacht: Lass sie reden, die wissen nichts. Die haben doch ihre eigenen Probleme.“ Er schwieg, Hinata lief jetzt endlich langsamer, ihre Beine zitterten zu stark. „Ich bin auch schuld, Hina. Ich hab nicht drauf geachtet. Ich bin ein schlechter Freund.“ Hinata sagte nichts. Hinata blieb still und dachte vor sich hin, ließ ihre Augen durch die Dunkelheit schweifen. Und plötzlich… Was war das für ein Schatten? Da, auf dem Gras. „KIBA!“ Kankuro stolperte. Fiel. Rappelte sich auf. Rannte. Sein Kopf war leer, absolut leer, sein Mund trocken und voller Schreie. Das letzte Mal, als er solche Angst gehabt hatte, war Temari wie vom Erdboden verschwunden gewesen und er hatte neben Gaara auf den Krankenwagen gewartet. Das letzte Mal, als er solche Angst gehabt hatte, wäre fast jemand gestorben. Nein. Nein. Nein. Nein. Der Wind, eiskalt schnitt er Tränenspuren in seine Wangen, konnte die Gedanken nicht ganz vertreiben, den Schmerz nicht ganz aufhalten. Er zitterte. Dann hörte er den Schrei. Laut und die Nacht durchreißend, lauter und schrecklicher. Als alles was er je gehört hatte. Vielleicht ließ er sein Herz aber auch nur übertreiben, vielleicht war der Schrei einfach nur ganz in der Nähe. Einen kurzen Augenblick lang erstarrte er zur Salzsäule, dann atmete er so schnell, trieb seine Beine zum Rennen an, schneller, schneller. Schneller. Kankuro rannte in die Richtung, aus der er den Schrei gehört hatte, das Blut rauschte in seinen Ohren, sein eigener Atem versperrte ihm die Sicht. Plötzlich rempelte er irgendjemanden an, hörte jetzt den gleichen Schrei wieder hinter sich. Jetzt doppelt so laut. Ganz nah. „KIBA!“ Er drehte sich nicht zu Hinata um, er sah den Schatten, das dunkle Etwas auf dem vereisten Gras liegen. Sein Fuß zerschlug eine Flasche, als er stolperte und direkt neben ihm zu Boden kam, zerschnitten die Scherben seine Hand. Egal. Macht nichts. Kibas Gesicht war von ihm abgewandt, aber Kankuro sah die Flaschen, unzählige waren es, und leer waren sie. Er spürte die Kälte in seinen Gliedern. Alles kalt. Kalt. „Ruft den Krankenwagen!“, hörte er jemanden. Wer? Keine Ahnung, wen interessierte es? Die ganze Welt hatte plötzlich den Ton verloren, alles kam ihm so unverständlich leise vor, wie durch Watte, durch Nebel. Das Chaos hörte er kaum, das Stimmengewirr. Die Anweisungen der Sanitäter, die Sirenen, warum war plötzlich alles in blaues Licht getaucht? Unter Wasser. Ohne Luft zum Atmen. Alles still und langsam. Und blau. Kankuro griff nach Kibas Hand, so eiskalt. Streifte die Haut bis er zurückgedrängt wurde von einer kleinen Frau mit klarer Stimme. Er hörte sie etwas deutlicher, vielleicht weil sie ihn an seine Mutter erinnerte. „Los… macht platz! Wo sind… los, bringt mir…“ Bruchstücke ihrer Stimme drangen zu ihm durch, er stand nur daneben und konnte sich nicht bewegen. War das echt? Passierte das wirklich? Kiba lag auf einer Trage, festgezurrt und eingehüllt bis zum Kinn. Sie schoben ihn vorbei und er hörte, wie die Frau fragte, ob jemand mitkommen wolle. Alle schwiegen, Hinata drückte sich an Naruto und schwieg. Ihr Gesicht war ganz nass und noch bleicher als sonst. Die Frau sah ungeduldig aus, da schlug jemand Kankuro auf den Rücken und er fiel einige Schritte nach vorne. „Er hat ihn gefunden“, sagte Temari, als er sich zu ihr umdrehte, sah sie ihn an. Direkt; und er wusste, dass sie wusste, was er nicht wissen wollte. Da nickte die Notärztin und schob ihn in den Krankenwagen, die Türen schlugen zu und er saß neben Kiba. „Du blutest“, sagte die hektische Frau, denn hektisch war sie. Kramte hier und da ein bisschen, rückte dort etwas gerade, feuerte Blicke auf dieses und jenes in allen Ecken. Kankuro sah seine Hand an. Es tat gar nicht weh. Da steckte eine Glasscherbe in der Hand. Grün und gebogen. Mit einem Ruck war sie draußen, Blut spritzte ihm rot und klar und wirklich entgegen. Das hier war so viel wirklicher, als ein Kiba, der weiß wie matschiger Schnee und so unkibahaft reglos vor ihm lag. Kankuro hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um rote Tropfen auf seine blasse Haut fallen zu lassen. Wie im Märchen von der Gänseprinzessin. Mutter hatte es früher erzählt und irgendwann Temari. Er konnte sich noch an jedes Wort erinnern; aber warum fiel ihm das ausgerechnet jetzt ein? „Deine Hand!“ Kankuro schreckte auf, die Frau, die Ärztin bemerkte seinen Blick – nicht von dieser Welt – und zog seine Hand selbst zu sich. „Das muss genäht werden, die machen das im Krankenhaus. Halt das drauf“, meinte sie noch und drückte ihm irgendetwas Weiches auf die Wunde. Das Blut durchweichte den Stoff, färbte ihn rot. Gab es so was auch für Herzen? „Es wird alles gut“, sagte Asuma und die Worte schafften es tatsächlich, vollständig zu Kankuro durchzudringen. Immerhin war es inzwischen früher Morgen. „Kibas Mutter kommt auch bald“, meinte er, setzte sich neben Kankuro auf einen der unbequemen Plastikstühle und sprang sofort wieder auf. Er war nervös, murmelte zum dritten Mal „Es wird alles wieder gut“ und verstummte erst, als er Kankuro ansah. Seit drei Stunden wartete er. Hier, in diesem kalten, weißen, nach Chemikalien riechenden Flur, wo all die Erinnerungen wieder hochkamen, die er eigentlich vergessen wollte. Um seine Hand war ein Verband gewickelt, er spürte ihn kaum. Es gab schlimmeres. Asuma sah ihn seltsam an, aber Kankuro wollte ihn ignorieren. „Du siehst wie jemand aus“, fing Asuma plötzlich an und zwirbelte sein Hemd zwischen den Fingerspitzen, er sah aus wie ein Raucher ohne Zigarette, „der reden sollte.“ Die Worte kamen nicht, als habe er sie schon oft genug gesagt, obwohl das so sein musste. Asuma gehörte zu der Art Mensch, die die richtigen Dinge einfach zum richtigen Moment aussprach. Kankuro hätte gern geredet, ein Teil von ihm zumindest wollte. Doch er verstand sich nicht besonders gut mit diesem Teil. In seiner Brust saßen Sätze zum Schreien, nicht zum Reden. Eigentlich hätte er nicht antworten müssen, aber Asuma war nervös, weil er keine Kippen hatte. Und sie saßen hier in einem Krankenhaus, Kankuro hasste Krankenhäuser. „Ich hab meinen eigenen Therapeuten“, murmelte er deshalb und es sollte ein Scherz sein. Nur war keiner in diesem Moment zu Scherzen aufgelegt, und es klang ernst. Asuma nickte. „Krankenhäuser sind scheiße.“ Kankuro sah zu ihm auf. Nickte. Das waren sie. Krankenhäuser riefen Erinnerungen wach, viel zu viele, und die konnte er gerade am wenigsten gebrauchen. Es wäre gut gewesen, jetzt Temari an seiner Seite zu wissen. Sie war eigentlich, die einzige… die einzige, die… es wusste. Die sich zusammenreimen konnte – und es vermutlich schon getan hatte –, was in ihm vorging. Temari verstand ihn, auch wenn sie beide darüber manchmal nicht glücklich waren. Sie waren doch nur Geschwister. Der Flur lag da wie ausgestorben; es herrschte Schweigen, die Luft schien flüssig wie Honig und genauso klebrig. Unatembar. Kankuros Hand pochte im Rhythmus seines Herzschlags, so deutlich. Er spürte, wie es in ihm arbeitete, spürte wie lebendig er war, obwohl ihm das Luftholen schwer fiel. Solche Momente hatte er oft. Nicht nur in Krankenhäusern. Sehnsucht, Kankuro konnte Sehnsucht nicht ausstehen. Normalerweise rief er dann Temari an, aber… jetzt nicht. Nie die richtige Zeit, es war nie richtig. In seinem Leben lief vieles nicht richtig. So langsam fand er sich damit ab. „Ich steh auf Jungs“, platzte er plötzlich heraus. Wusste selbst nicht, warum. Hatte er nicht gerade eben noch…? Was soll’s? Jetzt ist es raus. Asuma zuckte nicht einmal. „Haben Sie nichts zu sagen?“, fragte Kankuro, tat entspannt sarkastisch, obwohl sein Herz immer schneller schlug. Jetzt war es sowieso zu spät zum Schweigen. „Was willst du hören?“ Er zuckte mit den Schultern. Hatte nicht wirklich vor, darauf zu antworten, da kam sowieso grade ein Arzt, steuerte auf sie zu und blieb vor ihnen stehen. Kankuro blieb sitzen, ihm fiel auf, dass er nicht einmal freiwillig hier war. „Sind Sie der Lehrer?“, fragte der Arzt. Asuma erhob sich, nickend. „Sarutobi.“ „Sind die Eltern informiert?“ Wieder ein Nicken. „Gut, dann...“ Er zögerte. „Wir mussten den Magen auspumpen, Alkoholvergiftung. Außerdem lag er zu lange im Freien, Unterkühlung.“ Kankuro wollte sich die Ohren zuhalten. Und sich das Herz rausreißen, vielleicht verging dann dieses widerliche Ziehen in der Brust. „Ist er wach?“ „Nein. Aber Sie können zu ihm, bis die Familie erscheint. Zimmer 311.“ Kurz wartete er noch auf eine Reaktion, dann verabschiedete er sich und machte auf dem Absatz kehrt. Kankuro mochte Ärzte so oder so nicht. Asuma setzte sich wieder neben ihn. „Willst du nach Hause?“ Nach Hause? Wo sie ihn anstarren würden, wo sie ihn fragen und fragen und fragen würden? Wo sie tatsächlich Antworten erwarteten? Wo Temari war? Mit Shikamaru…? Er schüttelte den Kopf. „Willst du zu ihm?“ Kankuro blieb still, regungslos. Wollte er? Er war sich schon lange sehr sicher, was er wollte. Nur hier, nur jetzt, da war es schwer, das Wollen. Heute war die Unsicherheit, die Regungslosigkeit wieder da gewesen, den ganzen Tag schon. Die Wut auf sich selbst und auf alle anderen, er hatte gedacht, sie überwunden, vergessen zu haben. Die Frage war nicht, ob er wollte. Die Frage war, ob er konnte. Ein himmelweiter Unterschied. „Ich bin müde“, sagte Kankuro. Und das war er. Er war schrecklich müde. Das Wollen und Nichtwollen, das Sein und Nichtsein, das Perfektseinwollen. Das machte müde. „Am besten schläfst du auch hier“, sagte Asuma, meinte es ganz praktisch. Kankuro versuchte ein Nicken, aber… aber… Asuma verstand. Kankuro war müde. Kankuro kommt an. Liebe macht blind. Vielleicht war ja was dran an dem Spruch, vielleicht war er wirklich blind gewesen für alles andere, für all das wichtige. Naruto saß in diesem weißen Krankenhausflur und fühlte sich steril, und gleichzeitig dreckig. Es war Mittag und man hatte gesagt, Kiba ginge es gut. Den Umständen entsprechend, ja, so hatten sie es ausgedrückt. Neben ihm saß Hinata. Sie zitterte ein bisschen und sah vermutlich aus, wie er sich fühlte. Keiner von ihnen hatte schlafen können in dieser Nacht, in der der Krankenwagen vorgefahren war und Kiba mitgenommen hatte. Naruto hatte ihn gesehen – Kiba, nicht den Krankenwagen, na ja, den auch – und er hatte schon gewirkt, als wäre er tot. Total tot. Er war schuld. Schuldig. Naruto wusste nicht, wie die anderen das sahen, sie hatten auch nicht reden können in dieser Nacht, sie konnten einfach nicht. Was tat man, wenn ein Freund ins Krankenhaus musste? Weil er getrunken hatte, nicht nur über den Durst, sondern… als wolle er allen Kummer ertränken. Als würde sich dadurch etwas ändern. Nun, es hatte sich etwas geändert. Naruto sah hin. Einerseits wollte er Hinatas Hand halten, so fest, sich an ihr festhalten, nur damit diese dumme Angst endlich verschwand. Diese Sorge. Und auf der anderen Seite sah er, wie die Sanitäter Kiba in den Krankenwagen schoben. Darum sprang er auf, als er Sakura sah, die durch den Flur kam, Plastikbecher in beiden Händen. „Kannst du mir zeigen, wo’s die gibt?“, fragte er, fühlte Hinatas Blick im Rücken. „Klar“, sagte Sakura, gab Temari einen der Becher – sie waren die einzigen vier aus der Klasse, das war so bestimmt worden – und ging den Gang wieder zurück. Erst schwiegen sie. An einem anderen Tag wäre Sakura misstrauisch geworden, schon allein deshalb, Naruto hielt sonst nie die Klappe, das wusste er. Aber heute. Da war auch was mit ihr, da war was mit allen. Sakura war leicht grau um die Nase, ihr Blick ausgelaugt und ihre Haare standen nach allen Richtungen hin ab. Immer wieder kniff sie die Augen zusammen. „Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin“, stöhnte sie und rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. „Zu viel… getrunken?“, meinte Naruto leise, vorsichtig. „Weniger als Kiba.“ Es sollte ein Scherz sein, aber es war nicht witzig, Sakura wusste das selbst. „Um deine Frage zu beantworten“, sagte Naruto und verlangsamte seine Schritte; am Ende des neuen Ganges war der Kaffeeautomat aufgetaucht und er hatte es nicht eilig, den Rückweg anzutreten. „Du machst dir Sorgen, wie wir alle. Und außerdem hat Tsunade gemeint, eine zukünftige Ärztin sollte die unschönen Seiten des Berufs sehen. Du willst Ärztin werden?“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Ja, keine Ahnung. Was soll ich denn sonst werden? Ich bin gut in solchem Medizinkram. Aber im Moment… bin ich mir nicht sicher…“ „Die unschönen Seiten?“, zitierte er und erntete wieder nur ein Schulterzucken. „Ich bin schrecklich im Umgang mit Menschen.“ Zum ersten Mal an diesem Tag grinste Naruto. Aber es war ein spöttisches Grinsen. „Du? Ausgerechnet du, Sakura Haruno, die Einfühlsamkeit in Person.“ Naruto war so freundlich und erwähnte nicht ihre Jähzornigkeit. Sakura seufzte, erwiderte nichts, aber er sah, dass ihr etwas auf der Seele lag. Etwas, das nichts mit Kiba und Krankenhäusern zu tun hatte. Er steckte Geld in den Automaten und sie warteten schweigend. Währenddessen dachte Naruto daran, warum er eigentlich hergekommen war, warum die anderen gesagt hatten, er solle zu Kiba. War es wegen Hinata? Denn bei ihr war es klar, warum sie hier war, immerhin war sie Kibas beste Freundin. Auch wenn sie sich anfangs noch gesträubt hatte. Nicht aktiv natürlich, so war sie nicht, aber er hatte diesen Widerwillen in ihren Augen gesehen, den er selbst offen an den Tag gelegt hatte. Oder war es, weil… Wussten es die anderen? Hatten alle anderen es gewusst oder zumindest geahnt, nur er war blind gewesen? So blind…? Was wurde denn erwartet von ihm? Eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung, warum er sich in Hinata verliebt hatte? Trennung? Nun, dann war er lieber schuldig. Der Kaffee war fertig und er wollte trinken, eine Stärkung. Er brauchte jetzt etwas, das ihm klar machte, dass er nichts Falsches tat, nur weil er so verdammt verliebt war. Lieber Gott, gib mir ein Zeichen! „Ich hab Itachi geküsst“, sagte Sakura. Naruto verschluckte sich, prustete Kaffee auf sein Shirt. „Ich meine“, Sakuras Stimme überschlug sich, „ich glaube zumindest, dass ich ihn geküsst habe. Ich hab so viel getrunken und es ist alles so verschwommen, aber… aber… geküsst hab ich jemanden. Nur…“ „Sakura!“ „Ja?“ Sie schien verzweifelt. „Halt mal die Luft an“, murmelte Naruto, sein Hals brannte von dem heißen Getränk. Das war eigentlich nicht das Zeichen gewesen, auf das er gehofft hatte. „Aber…“ „Nein“, schnitt er ihr das Wort ab. „Wenn du Itachi geküsst hast, dann sprich ihn an, du verstehst dich doch anscheinend gut mit ihm. Und außerdem… sag mal, hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Er ist ein Lehrer! Und, noch schlimmer, er ist Sasukes Bruder!“ „Referendar“, murmelte Sakura kleinlaut. „Ist doch egal“, fuhr Naruto sie an. „Das macht es auch nicht besser!“ „Ich bin mir doch nicht mal sicher, ob er mich erkannt hat. Ich hatte doch das Kostüm an und er hatte das Kostüm an. Vielleicht hab ich ihn auch… verwechselt, wegen diesem blöden Zorro-Hut…“ Da schaltete Naruto ab. Er fand sich selbst egoistisch, aber er hatte eigene Probleme und außerdem… „Zorro?“ Und da beschlich ihn eine Ahnung. Sasuke versteht. Irgendwie hatten sie es zustande gebracht, Kankuro in Kibas Zimmer zu legen, das eigentlich ein Einzelzimmer war. Er lag da, auf einem zusätzlichen Bett, und Temari bezweifelte, dass diese Idee, von wem sie auch stammte, gut gewesen war. An Kibas Bett saß eine junge Frau, Kibas Schwester. Draußen auf dem Gang war Temari auch schon seiner Mutter begegnet. Sie schien nett zu sein. Kankuro schlief noch, unruhig zwar, aber er schlief und Temari bewunderte ihn dafür. Hier herrschte solcher Trubel überall. Dabei war er nicht mal ein richtiger Patient und sie sollte froh darüber sein, sie wusste das. Aber eigentlich dachte sie die ganze Zeit nur daran, dass jetzt alle Sabakuno-Geschwister schon mal im Krankenhaus gelandet waren, Kankuro reihte sich ein in diese Kette unglücklicher Familienzustände. Sie fragte sich, ob sie ihm ähnlich war. Erkannte man ihre Verwandtschaft, ihre Verbundenheit? Hana sah Kiba sehr ähnlich. Das gleiche Haar, wild und braun, die gleichen wachen Augen. „Was ist?“, fragte sie plötzlich und zog die Brauen zusammen, Temari bemerkte, dass sie gestarrt hatte. „Nichts“, meinte sie, überlegte es sich aber doch noch anders: „Du siehst ihm ähnlich. Kiba, meine ich.“ Hana rümpfte die Nase, aber sie lächelte trotzdem. „Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ich jetzt beleidigt“, sagte sie. „Aber heute…“ Ihr Blick huschte schnell über Kibas reglosen Körper, der fast vollständig unter der Bettdecke verschwand. Und dann wieder zurück zu Temari und zu Kankuro. „Weißt du, warum das passiert ist? Warum er das gemacht hat? Du gehst doch auf seine Schule.“ „In seine Klasse“, sagte Temari und wollte den Rest hinauszögern, die Antworten, die sie nicht geben wollte. Die doch eigentlich jeder wusste. „Warum wohnt Kiba eigentlich im Internat?“, fragte sie, ihre Stimme zitterte kein bisschen. „Wenn er doch seine Familie hier hat.“ Hana zuckte mit den Schultern, wie jemand, der nur widerwillig antwortet. „Ma arbeitet den ganzen Tag und ich wohn nicht mehr zu Hause, er wäre also sowieso den ganzen Tag mit seinen Freunden in der Schule.“ Temari nickte und sah wieder Kankuro an, nur um Hana nicht ansehen zu müssen. „Bist du mit ihm befreundet?“ Sie zuckte. „Indirekt“, murmelte sie und jetzt konnte sie nicht länger zögern. Hana wartete nur noch. „Er war… ist verliebt… in ein Mädchen…“, murmelte sie und zögerte wieder. „Alles andere fände ich auch seltsam“, grinste Hana und Temari erwiderte nichts darauf. Sie dachte wieder an Kankuro und war froh, dass er schlief, sehr froh. „Dieses Mädchen“, fuhr sie fort. Und dann erzählte sie. Langsam und stockend, aber trotzdem fiel es leichter als gedacht. Vielleicht weil sie beide Schwestern waren, vielleicht weil sie hier beide an den Betten ihrer kleinen Brüder saßen und sich verbunden fühlten, für diese Minuten zumindest. Sie wollten beide nur das Beste für ihre Brüder. Dabei war ihnen bewusst, dass sie das nicht konnten, dass es nicht möglich war, sie vor diesem Schmerz zu beschützen. Obwohl sie alles dafür getan hätten. „Das erklärt einiges“, meinte Hana, als Temari geendet hatte. Dann schüttelte sie den Kopf und lächelte. Ihre Hand umschloss Kibas. „Nein, eigentlich erklärt das auch nichts. Aber es ist gut, dass ich es weiß.“ „Naruto und Hinata sind hier, draußen. Glaubst du…?“ „Ich kann ihn fragen, wenn er wach ist.“ Hana stand auf und streckte sich. „Ich muss mal kurz weg. So für ne Stunde, wegen der Hunde. Kannst du…?“ „Klar.“ Sie beendeten gegenseitig ihre Sätze, fiel Temari auf. Verrückt. „Gut, dann… Ciao. Und“, Hanas Mund verzog sich so breit, dass Temari glaubte, ihr Gesicht würde in der Mitte auseinanderbrechen, „du siehst deinem Bruder auch ähnlich.“ Hana blieb lange weg. Zu lange. Irgendwann fragte sich Temari, ob sich Kibas Familie überhaupt noch bei ihm blicken lassen wollte. Dann fiel ihr ein, wie Gaara nach einer Schlägerei ins Krankenhaus gemusst hatte. Sie war nicht da gewesen, nicht mal in der Nähe, nicht mal im Geiste. Damals war sie stur ihrem eigenen Weg gefolgt. Wie viel ihr aus dem Leben ihrer Brüder fehlte, war ihr erst seit diesem neuen Schuljahr, seit diesem neuen Anfang schmerzlich bewusst. Temari sah Kankuros bleich müdes Gesicht an. Von der friedlichen Ruhe, die man Schlafenden zusagte, war nichts zu bemerken; die Angespanntheit machte ihn alt. Irgendwann zu der Zeit, in der Temari sich nur für ihn interessiert hatte, hatte Kankuro aufgehört, sie beschützen zu wollen wie der große Bruder, der er nicht war. Der Kontakt zerbrach wie eine alte, lange unbenutzte Schaukel, auf der nur noch Wind und Wetter mit all ihrer Schwere platz nahmen. Eine morsche Kinderschaukel, nur noch Erinnerung. Und dann… als nichts mehr gewesen war, wie zuvor, war Kankuro trotzdem da gewesen, auch wenn Temari sich dagegen – gegen ihn – gesträubt hatte. Er hatte alles versucht. Trotzdem. Die kaputte Schaukel blieb verschwunden, selbst wenn sie ersetzt wurde durch ein neues, glänzendes und unangetastetes Plastikspielzeug. Nichts wie zuvor. Auch jetzt nicht. Dabei blieb Kankuro immer, was er war: ihr Bruder. Und bei solchen Geschwistern wäre es eher überraschend gewesen, wenn er sein Leben tatsächlich auf die Reihe bekommen hätte. Temaris Blick ruhte die ganze Zeit nur auf Kankuro. Es war erstaunlich, wie lange er schlief, aber auf der anderen Seite war sie selbst so müde. Am liebsten hätte sie auch die Augen geschlossen, die Augen geschlossen und die Dunkelheit, warm und samtig weich, zugelassen. Ruhe. Stille. Frieden. Erst als sie die leisen, raschelnden Geräusche von der anderen Seite des Zimmers hörte, war sie wieder hellwach. „Kiba?“ Sie flüsterte. Dabei hatte er die Augen schon träge halb geöffnet; der warme Ausdruck in ihnen, den Temari an Kiba wirklich mochte, war verschwunden. Kalt und leer sah er sie an. Traurig. „Warte, deine Schwester…“ Sie wollte aufstehen, wollte zu einer der Schwestern rennen und Kibas Familie benachrichtigen. Ein heiseres Krächzen hielt sie auf. „Hina… ta…“ Ihr Herz stach auf ihren Brustkorb ein, sie verzog das Gesicht. Das hier war nichts für sie, das wusste Temari. Das hier war etwas für Sakura, impulsiv und verständnisvoll, oder für Tenten, die wilde, gelassene Tenten. Für Hinata mit ihrer unheimlichen Geduld und Ruhe. Eigentlich. Nur nicht jetzt. Nicht hier. Temari war nicht gut in solchen Gefühlsdingen. Sie bekam ja nicht mal ihre eigenen Gefühle in den Griff. „Sie ist… draußen“, sagte sie, leise und fast glaubte sie, er habe sie nicht gehört. „Soll sie kommen?“ Kibas Blick wanderte zur Decke, wandte sich von ihr ab. Traurig. Dann drehte er den Kopf in die andere Richtung und schwieg. Wenn er Kankuro bemerkt hatte, behielt er seine Reaktion für sich. Unschlüssig stand Temari noch eine Weile im Raum herum, setzte sich schließlich wieder an die Seite ihres Bruders. Wenn Kankuro nicht bald aufwachte, würde sie noch verrückt werden hier drin. Als Hana kam, hatte Kiba nichts mehr gesagt und Temari war froh, endlich dieser Unsicherheit entfliehen zu können, ob er wieder eingeschlafen war oder noch immer die Zimmerdecke anstarrte. Schwestern und Pfleger kamen und gingen, einmal an diesem Tag schaute Kibas Mutter vorbei, lächelte ihrem Sohn zu, wie Temari es sich immer von ihrer eigenen Mutter gewünscht hatte und sie blieb sogar. Und irgendwann, es war schon Mittag, wachte Kankuro endlich auf, sah seine Schwester wortlos an und seine Augen erinnerten an Kibas. Ein bisschen traurig, ein bisschen einsam. Er kletterte aus dem Bett, Temari bemerkte, wie er sich zwang, Kiba nicht anzusehen und konnte es ihm nicht verübeln. Noch ein wenig zittrig war er auf den Beinen, aber er war zügig an der Tür. „Bis dann“, murmelte Temari noch, lächelte, was ihr ziemlich gut gelang. Vielleicht würde er ihr jetzt erklären können, vielleicht würde sich das alles jetzt wenden, besser werden. Vielleicht war ja jetzt endlich Schluss mit den Krankenhausgeschichten der Sabakunos. Temari sieht Traurigkeit. ********** So, jetzt hab ich wirklich zufrieden stellend viel (und immer noch zu wenig) geschafft. Das Kapitel besteht vielleicht aus vielen Fragen und Antworten, ich hoffe, dass es trotzdem verständlich ist. Wie steht’s bei den SasuxSaku-Fans? Zufrieden? ^^v Bei Fragen zu Temaris (so im Nachhinein betrachtet etwas überdramatischen -.-) Vergangenheit vermerke ich auf Kapitel 13: (Alp)Träume der Nacht. Vielen Dank für eure tollen Kommentare zum letzten Kapitel. Ich grinse dann immer so, zum Glück könnt ihr das nicht sehen xDD Und vielen Dank für eure Geduld. Ich kann grade selbst nicht fassen, dass ich seit APRIL nichts mehr hier on gestellt habe *schock* Ich mach jetzt ein bisschen Werbung und sage: Verkürzt euch die Wartezeit doch ein wenig mit meiner anderen FF „Himmel hinter roten Wolken“. Aber „The Different Ways of Love“ hat bei mir Priorität! Versprochen! Bis zum nächsten Kapitel inkheartop Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)