The Different Ways of Love von inkheartop (oder: Weil die Liebe verschiedene Wege geht... ShikaxTema//NaruxHina//NejixTen//SasuxSaku//InoxSai *Kapitel 33 on*) ================================================================================ Kapitel 28: Zwei Briefe ----------------------- Und schon wieder ein neues Kapitel. Ich werde besser ^^ Aber dieses und das nächste Kapitel sind auch schon länger geplant. Noch ein bisschen was zum letzten Kapitel… @-Joanna-: Ja, die Unklarheit während der Probe war beabsichtigt. Ist ja alles aus Sasukes Sicht geschrieben, sozusagen ein laaanger innerer Monolog (ich liebe innere Monologe) und weil Sasuke da eigentlich selbst nicht so weiß, was er tut, auch alles etwas undeutlich. @Mari-chu: Nein, so einen Stil werde ich nicht beibehalten können und ich will es auch gar nicht. Ist mir manchmal zu hochgestochen. Zu diesem Kapitel hat es mir einfach gepasst, in einem anderen Kapitel passt es dann eben nicht mehr. @FrozenPeach: Genug Gedanken gemacht? Das Rätsel wird gelüftet. @Schrank: Wer sagt denn, dass Sasuke ihm keine rein geschlagen hat *grins* Und jetzt: Viel Spaß beim Lesen!! ************* Zwei Briefe Kleine Buchstaben reihten sich aneinander, bildeten Wörter, die Hinata mehrmals lesen musste, sonst hätte sie sie nicht glauben können. Da stand etwas, schwarz auf weiß, das so unglaublich, unmöglich erschien. Das konnte nicht wahr sein. Es konnte einfach nicht. Es durfte nicht wahr sein. Hinata las den Brief, wieder und wieder. Ihre Hände fingen an zu zittern, ihre Finger klammerten sich um das Papier, zerknitterten es und kümmerten sich nicht darum. Die Buchstaben waren ernst, beinahe gefühllos geschrieben. Auf den ersten Blick. Kein Beben schien die Hand beim Schreiben der Worte erfasst zu haben. Auf den ersten Blick. Doch Hinata sah es. Sah, wie die Lettern sich duckten und kleiner wurden, sich langsam versteckten hinter schwungvollen, größer werdenden Bögen. Die Schrift überspielte die Gefühle. Wie alles. Alles wurde in dieser Familie überspielt und geheim gehalten. Und verboten. Dass sie überhaupt diesen Brief geschrieben hatte, grenzte schon an ein kleines Wunder. Ausgerechnet sie, Vaters Liebling, die brave Mustertochter aus dem vorbildlichen Hause Hyuga. Ausgerechnet Hanabi. „Schwester…“, murmelte Hinata, beinahe ein wenig verächtlich. Schon lange fühlte sie sich nicht mehr wie Hanabis große Schwester. Schon lange war sie, Hinata, der Dorn im Auge ihres Vater und Hanabi… ja, Hanabi war die blühende, stolze Rose. Eingebildete Rose. Und auch sie hatte ihre Dornen. Tränen fielen sanft auf die blaue Tinte, verwischten sachte einige Worte, aber sie waren noch zu lesen, waren noch da. Hinata weinte. Sie weinte, weil ihr – nicht zum ersten Mal – bewusst wurde, wie viel sie schon verloren und gewonnen hatte in dem Leben, das sie lebte. Sie weinte auch, weil Hanabi es ausgesprochen hatte. Weil sie es endlich erkannt hatte. Schwester… Wie soll ich anfangen? Ich hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist, einen Brief zu schreiben, an die eigene Schwester. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns schon so lange nichts mehr zu sagen hatten. Vielleicht… Es ist so viel passiert, in den letzten Tagen, Wochen. So viel und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Am Anfang? Sicher nicht. Das wäre dann doch zu weit zurückgegriffen. Da müsste ich die ganze Geschichte unserer Familie neu aufrollen. Ich fange an mit dem Tag, als Vater beschloss, dich ins Internat zu schicken. Weißt du noch? Da habe ich dich das letzte Mal wirklich weinen sehen. Danach nie mehr. Kein einziges Mal. Und bis heute weiß ich nicht, ob du aus Trauer geweint hast oder aus Wut. Enttäuschung. Rebellion. Schon damals warst du mir ein offenes Rätsel. Das hat sich bis heute nicht geändert. Vater meinte, du wärst zu rebellisch. Warum? Ich verstand es nicht. Ich beginne erst jetzt, es zu verstehen. Dich zu verstehen. Schwester… Du hast dich eingesetzt. Du wolltest diese Familie wieder zusammenkleben, wieder ganz machen. Und letzten Endes… warst du das Opfer. Du, die große Erbin, die wunderbare Hinata. Es gab Zeiten, da hab ich dich gehasst. Verachtet. Weil du… weil du Du warst. Hinata. Weil du die Erbin bist und ich das nie sein werde und du es nicht sein willst. Langsam verstehe ich, warum. Wegen den Regeln. Wegen den Gesetzen. Wegen der Tradition. Weil… für dich war dieses Haus immer ein Gefängnis, oder? So was wie ein goldener Käfig. Und du der Vogel, dem das Singen verboten wurde. Gott, klingt das kitschig. Ich konnte nie gut mit Worten umgehen. Den Ausschlag hat Neji gegeben. Nicht wahr? Er hat dir gezeigt, wie falsch und verlogen die Hyugas sein können. Ich auch. Du wolltest es nur verbessern, das alles. Vater dachte wohl, es wäre eine Strafe für dich, ins Internat zu müssen (für Neji war es das schließlich auch. Oder?). Aber das war es wohl nicht. Ich hab dich an Weihnachten gesehen. Mit deiner Freundin, Temari. Und in den Jahren zuvor mit Ten Ten. Mit ihnen warst du ganz anders, als sonst. Viel gelassener, glücklicher. Das Internat war dein Ausbruch aus diesem Käfig. Es hat dir gut getan. Ich hab es gesehen. Du bist immer noch die Rebellin, die ich nie sein werde. Wir sind so verschieden, Hinata. Manchmal so sehr, dass ich Angst habe. Weißt du… wir sind doch… Schwestern… Ich will dich nicht verlieren. Es ist schwierig, einen Brief zu schreiben. Viel schwieriger, als eine Mail, aber… das darf ich nicht. Vater hat mit verboten, Kontakt mit dir aufzunehmen. So langsam spüre ich den Käfig auch. E-Mails kontrolliert er und das hier schreibe ich nachts unter der Bettdecke und ich werde einen Mitschüler bitten, es zur Post zu bringen. Vater darf unter keinen Umständen erfahren, dass ich dir schreibe. Sonst bin ich geliefert. Und du auch. Und Neji. Deshalb schreibe ich diesen Brief und ich hoffe sehr, dass du immer noch so klug bist und den mit der ‚1’ drauf zuerst öffnest. Aber dazu später. Ich bin immer noch nicht auf den Punkt gekommen. Dabei sollte es doch eigentlich ganz einfach sein. So oft habe ich dich schon Briefe schreiben sehen, richtige Briefe. Die schreibst du in den Ferien doch immer. Ich hab es bemerkt, auch wenn du es geheim halten solltest. Manchmal bin ich dir sogar bis zum Postkasten nachgegangen und hab gesehen, wie du gelächelt hast. Du lächelst immer, wenn du schreibst, ist dir das mal aufgefallen? Seit du dir das Lesen beigebracht hast, lächelst du. Ich rede immer noch drum rum. Ich schiebe das vor mir her, was ich sagen will. Weil ich es nicht sagen will. Es hört sich so… falsch an. Unecht. Nicht wahr. Ich wünsche mir so sehr, dass es nicht wahr ist. Vor den Weihnachtsferien noch habe ich in Vaters Schreibtisch etwas gefunden (frag jetzt bitte nicht, warum ich herumgeschnüffelt habe, das wäre jetzt… unangenehm. Tu es einfach nicht, okay?). Ich habe Briefe gefunden. Haufenweise. Fein säuberlich gestapelt, du kennst ja Vater. Ein paar konnte ich lesen, einen konnte ich mitgehen lassen bevor Vater mich erwischt hätte. In allen Briefen – kann man diesen Schund überhaupt so nennen? – ging es um die Hyugas. Um die Familie, die Firma, das Leben. Um alles, einfach alles. Und um Tod. Es drehte sich alles um Tod. Um Vaters Tod. Das waren Morddrohungen. Ich habe niemandem davon erzählt. Niemandem. Außer Neji. Ich habe ihn verdächtigt. Du wirst mir das übel nehmen, nicht wahr, Schwester? Du wirst mich dafür verurteilen. Ich hab es verdient. Aber was soll ich tun? Er hasst Vater. Er hasst die Familie Hyuga, weil er ein Teil davon sein muss. Ein Teil, der in Vaters Augen… in vielen Augen – auch in meinen, ja – nicht gleichberechtigt ist. Dabei ist er älter, als du, Hinata. Und trotzdem… Ich beginne, zu verstehen. Es ist nicht fair. Neji hat es abgestritten. Vehement. Er war es nicht. Ich muss ihm glauben. Jetzt muss ich ihm glauben. Bis vor kurzem habe ich das nicht getan. Verurteile mich. Ich verdiene es. Du liest keine Zeitung, ich weiß. Deshalb wirst du es noch nicht erfahren haben. Bis jetzt. Es war eine öffentliche Pressekonferenz. Vater konnte nicht hingehen, aber sein Erscheinen war wichtig. Hizashi ist hingegangen. Als er, sozusagen. Natürlich war Vater zuerst nicht damit einverstanden, aber… es ging um das „Wohl der Firma“, das hat er gesagt. Vielleicht hat er etwas gespürt. Vielleicht. Auf der Pressekonferenz gab es einen Anschlag. Auf Vater. Das heißt, er hätte Vater gelten sollen, aber… Vater war ja nicht da, verstehst du. Vater war nicht da, er war nicht da. Hizashi war da. Sein Zwilling. „ Tod dem Hyuga-Imperium! Du wurdest gewarnt!“, soll der Attentäter gerufen haben. „Stirb, Hiashi Hyuga!“ Vater hätte sterben sollen, Hinata. Vater! Aber Vater lebt. Hizashi ist tot. Gib den zweiten Brief bitte Neji. Ich weiß, dass du ihn nicht lesen wirst. Bitte, lies ihn nicht. Gib ihn einfach Neji. Deine Schwester Hanabi Hinata weinte. Ten Ten hörte das Weinen nicht. Es war eher ein Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise glaubte sie nicht an übernatürlichen Quatsch und den sechsten Sinn und solchen Schwachsinn. Aber… Das Gefühl wurde drückender und es begann, ihr Angst zu machen. Etwas stimmte nicht. Wenn sie nur wüsste, was es war. „Ten, pass auf!“ Sie zuckte zusammen, konnte gerade noch ausweichen, als einer der Skater knapp an ihr vorbeirauschte, dann bremste und sie mehr oder weniger wütend ansah. „Kannst du nicht aufpassen?“ Ten Ten sah Neji lange an. Sein Blick wurde immer misstrauischer, er blinzelte sie schräg an, kam dann mit dem Skateboard auf sie zugefahren, hielt kurz vor ihr. „Alles in Ordnung?“ Ein weiteres Zusammenzucken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie schließlich realisierte, dass… „Oh, verdammt“, keuchte sie, stolperte einige hastige Schritte zurück, wäre fast gefallen. Neji hielt sie fest. „Du musst besser aufpassen“, grinste Neji. Spott triefte aus seinen weißen Augen, aus seiner kühlen Stimme. Ein weiterer Schritt zurück, sicher diesmal. „Lass das!“, fauchte sie unwillig. Es tat ihr nicht gut, wenn er sie berührte, anfasste. Loslassen, er sollte loslassen. Was war hier los? Es tat ihr nicht gut. „Lass los, Hyuga.“ Bittend? Klang sie bittend? Flehend, hoffend. Lass mich los, bitte lass mich los. Ich hab dich vergessen, du Mistkerl. Neji ließ los. Sein Blick. Dieser weiße, kalte Blick, so heiß, dass er zum Schmelzen bringen konnte. So kalt, heiß. Sein Blick durchbohrte sie, irgendwo in den tiefen ihres Herzens spürte es Ten Ten. Irgendwo, ganz tief unten. Da gab es einen kleinen Platz, der Neji nicht vergessen konnte. Gut. Sollte es eben so sein. Sie hatte sich das Vergessen auch nicht leicht vorgestellt. Nur vielleicht… leichter. Leichter, als es in diesem Moment war. Da gab es immer noch etwas, das sich Hoffnungen machte. Vergessen. Warum musste es so schwer sein? Warum musste er es ihr auch so schwer machen? Mistkerl. Sein Blick. Er hielt sie gefangen, hielt zumindest diesen kleinen Teil noch gefangen. Aber… Ten Ten wollte es nicht. Sie wollte hier nicht gefangen werden, nicht von ihm, von ihm schon gar nicht. Es war Zeit, zu gehen. Die Zeit, um zu vergessen, war schon längst gekommen. „Tema?“ Ten Ten rief es über die Schulter, drehte sich schon halb um, entkam aus dieser Umklammerung. Es tat nicht weh. Es tat nicht weh, sich wegzudrehen. Es tat gut. Auf irgendeine Weise tat es gut. Sie sah Temari, wie sie grinsend um Shikamaru herumrollte, wie er die Augen verdrehte und dann auf sie deutete. Temari drehte sich nicht um. „Ich bleib noch!“, rief sie Ten Ten zu, ohne ihr Fahren zu unterbrechen. Ten Ten lächelte. Sie wusste nicht, was passiert war, in den Ferien. Aber es war etwas passiert. War es gut oder war es schlecht? Konnte sie nicht sagen. Aber… in diesem Moment wirkte Temari zufrieden. Wenn auch… anders. Sie kam ihr verändert vor. Viel hatte sich verändert in diesen zwei kurzen Wochen. Viel zu viel. „Okay“, meinte Ten Ten nur, dann klemmte sie sich ihr Skateboard unter den Arm und rannte los. Es war viel passiert. Ihre Entscheidung war richtig gewesen. Wusste Ten Ten. Lass es richtig sein. Mistkerl… Neji sah ihr nach. Es war etwas passiert. So viel war passiert. Mit Ten Ten. Und anscheinend auch mit ihm. Sie ignorierte ihn. Irgendwie… fand er das ausgesprochen bescheuert. Es war ein Unglücks-Glücks-Gefühl, das Ten Ten da durchflutete. Ein stürzender Wasserfall. Licht und Schatten. Glück und Unglück lagen so nah beieinander. Ten Ten rannte. Sie wusste nicht, wohin, aber ihre Beine trugen sie. Schnell und immer schneller. Und irgendwann wusste sie es auch. Etwas war passiert. Im Haus. Etwas war passiert. Es war seltsam, eigenartig unheimlich, aber das Gefühl ließ sie nicht los. Ließ nicht los, als sie ihren Haustürschlüssel hervorzog und mit ungeduldig zitternden Fingern ins Schloss steckte. Ließ nicht los, als sie das Board in eine Ecke pfefferte und die Treppe hinaufstürmte. Hinauf, dahin, wo sie gebraucht wurde. Warum wurde sie gebraucht? Sie riss Sakuras Zimmertür auf. Leer, ganz leer war der Raum und furchtbar ordentlich, viel ordentlicher als Inos Zimmer, in das sie als nächstes platzte. Doch außer der Unordnung war hier niemand. Temaris Zimmer konnte sie sich sparen. Blieb nur noch… Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Beunruhigend. Hinata lag auf ihrem Bett, den Kopf in den Kissen vergraben. Ten Ten konnte ihr Gesicht nicht sehen. Aber sie sah, wie ihr Körper zitterte und bebte. Sie sah verknittertes Papier auf dem Boden neben dem Bett, eng beschrieben. Ein Brief. „H-Hina?“, fragte Ten Ten. Vorsichtig, flüsternd. Etwas war passiert, etwas stimmte nicht. Hinata reagierte nicht. Langsam schritt Ten Ten auf ihre Freundin zu, legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter, setzte sich auf die Bettkante. Etwas stimmte ganz und gar nicht. War das Hinata, war das wirklich Hinata? Die starke, unverwüstliche Hinata, die niemals eine Spur von Heimweh gezeigt hatte? Die immer zuerst an andere dachte und dann an sich selbst? Die Hinata, die nie weinte…? Vorsichtig strich Ten Ten über das bläuliche Haar ihrer Freundin und spürte, wie deren Anspannung langsam nachließ. Sie musste nichts sagen, nichts Beruhigendes oder Aufmunterndes. Sie musste einfach nur da sein. Wieder fiel Ten Tens Blick auf die Papiere auf dem Boden. Ein Brief. Ob sie…? Ten Ten zögerte. Sie schnüffelte nicht gern herum, kam sich dabei vor wie eine Verräterin. Aber, wenn sie wüsste, was in dem Brief stand, könnte sie Hinata vielleicht helfen. Sie schüttelte den Kopf. Hatte sie das nicht gerade noch geklärt? Nicht helfen. Da sein, das war die beste Hilfe. Nichts sagen, nichts tun. Da sein. Aber… Kein Aber. Entschlossen wandte sie sich von dem Brief ab, der ihr immer noch zuzuflüstern schien. Lies mich! Lies mich! Sie würde widerstehen. Ihre Finger ordneten sanft Haarsträhnen, konzentrierten sich ganz auf dieses Werk, bis Hinata nicht mehr zitterte, stumm in ihr Kissen schluchzte. Es wurde besser. Irgendwann – Ten Ten wusste nicht genau, wie lange sie schon am Bett ihrer besten Freundin saß – richtete sich Hinata auf, starrte die gegenüberliegende Wand an und sah sie nicht. Sah durch die Wand hindurch. Irgendwohin. Ihre Stimme klang tonlos, verloren. Ganz, ganz weit weg. Und ganz nah. „Hizashi ist tot“, sagte sie, leise. Und wieder: „Hizashi ist tot.“ Nur sehr langsam und irgendwie auch ganz schnell drangen die Worte an Ten Tens Ohr, in ihren Verstand. Was? „Dein… dein Onkel? Hizashi? Ich meine…“ „Hizashi ist tot… Tot“, fügte Hinata nachdrücklicher hinzu. Ihre weißen Augen wurden wieder klarer, auch wenn sie noch gerötet waren. „Aber… woher…“, fragte Ten Ten verzweifelt, konnte es nicht glauben. Wieso? Was? Wie bitte? „Hizashi ist tot“, meinte Hinata noch einmal, dann sah sie Ten Ten so unvermittelt an, dass sie zurückzuckte. „Hanabi hat geschrieben. Ein Brief für mich und einer für… für…“ Sie brach ab, wurde bleich. Weiß, ganz weiß. In diesem Moment hätte Ten Ten sie am liebsten umarmt. Sie tat es nicht. Zu groß war die dumme Furcht, Hinata könnte dabei zerbrechen. „Hina… ich… es tut mir so…“ „Nein!“, fuhr sie auf, ganz plötzlich. „Sag es nicht, bitte sag es nicht!“ Verwirrt runzelte Ten Ten die Stirn. „O-okay.“ Hinata stand auf, etwas wackelig zuerst, aber sie stand. Hob mit zitternden Fingern den Brief vom Boden auf. Und einen zweiten Umschlag. „Ten?“ Ihre Stimme klang fester, aber noch immer ungewohnt. Irgendwo zwischen Zusammenbruch und Widerstand. „Hm?“ Hinata sah sie nicht an, drehte nur den Umschlag und die Blätter in ihren Händen herum und herum. „Geh mir nicht nach. Lies das.“ Damit drückte sie ihr den Brief in die Hand. Hanabis Brief. Ten Ten las. Fassungslos, erschüttert, manchmal wütend. Sie las. Den ganzen Brief. Als sie wieder aufblickte, war Hinata verschwunden. Sie würde ihr nicht nachgehen. Fünfmal hätte Neji fast ziemlich blöde Unfälle mit dem Skateboard gebaut, wenn ihn nicht immer wieder irgendjemand zurückgezogen oder gewarnt hätte. Vorzugsweise Shikamaru. Einmal war es Temari. Das war ärgerlich. //Jetzt konzentrier dich endlich!// Er knurrte sich in Gedanken selbst an, aber es brachte nicht sonderlich viel. Immer wieder sah er ihren Blick. So was war ihm noch nie passiert. Eigentlich war ein Mädchen nach einer Nacht vergessen. Und mit ihr war es ja noch nicht mal eine Nacht gewesen! Genau genommen war da gar nicht gewesen. Wenn er mal diese peinliche, unnötige Geständnis ihrerseits beiseite ließ. Es war nichts passiert. Gar nichts. Aber warum…? Nicht einmal die Frage konnte er beenden. Warum was? Zum Verrücktwerden. Das war es. Wütend pfefferte er das Skateboard auf den Boden, geräuschvoll prallte es auf. Laut. Normalerweise war er nicht laut. Nicht er, nicht Neji. Irgendwie war alles anders. Seit dieses Mädchen… Zum Verrücktwerden. Sie brachte ihn aus der Fassung, was er nicht sonderlich gut fand. Das schadete seinem Image und in letzter Zeit war auch so schon genug passiert. Mit ihr aber war nichts passiert. Oder hatte er einen Filmriss? Neji kurvte durch die Jugendlichen, die überall herumstanden, sich breit machten, skateten oder einfach nur redeten. Manche rauchten auch verbotenerweise, aber es kam nun einmal äußerst selten vor, dass sich einer der Lehrer auf den hintersten Teil des Campus’ verirrten. Und wenn doch, verschwanden die qualmenden Glimmstängel viel zu schnell und nur noch eine Horde eifrig Kaugummi kauender Jugendlicher war zu sehen. Sie waren viel zu schlau, viel zu gerissen für die Lehrer. Irgendwo im hinteren Bereich der Pipe entdeckte Neji seinen besten Freund, der träge grinsend versuchte, Temari klarzumachen, dass sie ihn nicht so leicht wieder auf die Füße bekommen würde. Shikamaru saß auf dem Boden, Temari stand vor ihm, die Arme in die Hüften gestemmt und erschreckend groß auf ihren Skates. Neji hielt in einiger Entfernung inne, betrachtete die zwei. Die zwei. Jetzt waren sie nicht mal mehr Shikamaru und Temari, jetzt waren sie für ihn schon die zwei. Das war nicht gut. Was fand er bloß an ihr? Neji kannte Shikamaru, er war nicht wie er. Er wollte Temari nicht um den Finger wickeln, ins Bett kriegen, er wollte ernsthaft… Freundschaft. Freundschaft! Das war so unglaublich, so unwahrscheinlich unglaublich! Shikamaru. Shikamaru Nara, der nicht an die Freundschaft zwischen Mann und Frau glauben konnte, stellte da gerade seine eigenen Prinzipien in Frage. Was sollte das? Wohin sollte das führen, denn… Er sah es. Neji sah es oder er glaubte zumindest, es zu sehen. Da war etwas anders. Etwas war passiert. In den Ferien. Noch immer hörte Neji das leise Duett in den ersten Minuten des neuen Jahres in seinen Ohren. Er glaubte nicht an das, was Shikamaru sagte. Nur Freunde? Shikamaru lächelte. Kurz. Er lachte nicht wirklich, aber es war auch nicht dieses genervte Grinsen, das er sonst immer an den Tag legte. Es war mehr, als man sonst von ihm erwarten konnte. Wesentlich mehr. Passiert. Zeit, einzugreifen. „Hey! Hey, Shikamaru!“, rief er, rollte zu seinem Freund hinüber. Temari wich ein Stück zurück, als er sie fast umfuhr, aber seltsamerweise verschaffte ihm das kaum Genugtuung. Sie war ja immer noch da, sie war da und… Er war… „Was ist denn…“, fing Shikamaru an, dann schoben sich urplötzlich seine Augenbrauen erstaunt zusammen. „Ich fass es nicht.“ Neji drehte sich um. Unsicher grinste Naruto ihn an, selbst Sasuke schien sich nicht besonders wohl in dieser Situation zu fühlen. In der Situation des Angestarrten. Lange standen sie so da und eigentlich hätte nur noch Kiba diese Lage perfekter gestalten können. Dann wären sie drei gegen zwei gewesen. So jedoch gehörte ein fünftes Augenpaar Temari, die stirnrunzelnd zwischen den, sich anschweigenden Parteien hin und her sah, schließlich ein genervtes „Jungs!“ seufzte und sich aus dem Staub machte. Nicht ohne Sasuke, der ihr am nächsten stand, noch einmal kurz einen kräftigen Schlag auf den Rücken zu verpassen. „Hat sie zuviel Energie?“, brummte Sasuke, rieb sich die Schulter und brach damit endlich die Anspannung, die die Luft durchschwirrte wie ein wütender Schwarm Hornissen. Narutos Grinsen wurde gelassener. „Tja, sie hängt eben noch nicht genug mit Shikamaru rum“, spottete er. Shikamaru verdrehte die Augen. „Lasst den Scheiß“, murmelte er. „Hat ja lange genug gedauert.“ Erst kochte in Neji etwas auf, das er nicht so kannte. Nicht bei Shikamaru zumindest. Eine winzig kleine, giftgrüne Flamme von… nein… wohl kaum… nicht bei Shikamaru. Dann jedoch begriff er, was sein bester Freund damit eigentlich sagen wollte. „Hat ja lange genug gedauert“, wiederholte er nachdrücklich. „Alles klar?“ Naruto und Sasuke sahen sich an. Selten war Neji so erleichtert gewesen über einen einzigen Blick. Sie sahen sich wieder an! Shikamaru stieß ein erleichtertes Seufzen aus und ließ sich rücklings auf den harten und wohl auch ziemlich kalten Boden fallen. Alles war wieder in Ordnung. Alles war klar. Und so schnell würde sich das nicht ändern. So schnell nicht. Irren ist menschlich. Hinata rannte. So schnell sie konnte. Ihre Hand krampfte sich um das Papier, um den Umschlag. Durch ihre Finger spürte sie die Worte pochen, begierig darauf, zu enthüllen. Gib ihn einfach Neji. Einfach. Eine Kurve. Der Skatepark des Campus kam in Sicht. Hizashi ist tot… Es dauerte, bis Neji Hinata bemerkte. Vermutlich hätte er sie gar nicht bemerkt, hätte Naruto nicht plötzlich dieses dämliche Grinsen aufgesetzt, das er immer bekam, wenn sie in der Nähe war. Noch breiter, noch strahlender, noch fröhlicher als sonst. Naruto machte Hinata sichtbar. Neji wünschte, er würde das lassen. „Hinata!“, grinste Naruto weiter, kam auf sie zu. Ab diesem Moment war da das seltsame Gefühl. Das Gefühl, das etwas nicht stimmte. Neji fühlte sich in Gegenwart seiner Cousine nie besonders wohl, glücklich. Aber jetzt, in diesem Moment spürte er es plötzlich. Eine Leere. Die langsam mit etwas gefüllt wurde. Mit Angst. Mit Unsicherheit. Er war sich nicht sicher, ob diese Gefühle von ihm selbst stammten oder doch irgendwie von Hinata. Dass er sie fühlte. Ihr Blick, der weiße Blick. Schneeweiß, unschuldsweiß. Rötlich. Sie hatte geweint. Ohne dieses Gefühl in seiner Brust, seinem Magen hätte Neji gelacht. Sie verspottet. Wie er nur hier im Internat die Chance dazu bekam. Aber das Gefühl war da. Das Gefühl, dass etwas passiert war. Nichts Gutes. Schreckliches. Hinata sah nur ihn an. Sah an Naruto vorbei, durch ihn hindurch, wie sie es sonst nie tat. Niemals. Noch nie getan hatte. Herzklopfen. Verdammtes Herzklopfen. Dann sah Neji das Papier. In Hinatas Hand. Zerknittert vom Druck ihrer Finger. Ein Umschlag, ein Brief. Ungeöffnet. Eine ‚2’ im Eck. Hinata streckte den Arm aus. Hielt ihm den Brief entgegen. „Für dich“, formten ihre Lippen. Sagten ihre Augen. Um Neji herum existierte nichts mehr. Nur Hinata. Der Brief. Er. Nur das. Nicht mehr. Nicht weniger. Sonst herrschte Stille. Weiße Stille. Unschuldsstille. Unschuldig. Hinatas Hand zitterte, als er den Brief nahm. Er verfluchte sich für seine eigene zitternde Hand, für sein klopfendes Herz, für das Gefühl, das immer stärker wurde. Immer stärker und Neji riss langsam den Umschlag auf. Jetzt existierte nicht einmal mehr Hinata. Wie lange dieser Zustand anhalten würde, wusste er nicht. Eigentlich sehnte er sich schon nach dem Lärm, den Menschen zurück. Jetzt schon. Dabei war der Brief noch nicht mal gelesen. Neji erkannte die Schrift nicht sofort. An manchen Stellen war die Tinte verwischt, ganz leicht, ganz fein nur. Kaum bemerkbar. Er war nass geworden. Tränen. Es war ein kurzer Brief. Neji. Es tut mir leid. Das klingt so banal, wie grausam. Aber wie soll ich es anders sagen? Es tut mir leid. Alles tut mir leid. Und so viel mehr. Veränderung. Sie ist eingetroffen, hier zu Hause. Hat uns eingeholt mit aller Macht. Alles wird anders werden. Alles. Ich verspreche es. Gleichzeitig wünsche ich mir, dieses Versprechen nicht geben zu müssen. Verstehst du mich? Bitte versteh mich. Bitte… Ich kann Verständnis nicht befehlen. Ich kann nur hoffen. Dass du es annimmst. Es tut mir so leid. Unendlich. Neji… ich… Das ist furchtbar schwer zu erklären in einem Brief. Hizashi ist tot. Hanabi Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)