Schokolade zum Geburtstag von abgemeldet (Seto x Joey) ================================================================================ Kapitel 4: Du hast 20 Sekunden ------------------------------ Setos POV -------- “Was...was sagst du dazu, Kaiba?” “Was soll ich mit Schokolade?” Woher zum Teufel wusste der Köter, dass er Schokolade mochte? Was zur Hölle ging hier nur vor? Er merkte, wie sich Wheeler vor ihm aufbaute, die Hände in die Hüften stemmte und ihn wütend anstarrte. Amüsiert schaute Kaiba ihn an. Wenn Wheeler sich aufregte, war das einfach nur zu komisch. “Hör mal zu, du … du bescheuerter, versnobter, eingebildeter und zu Hochglanz polierter Vorzeigebonze!” Seto hob eine Augenbraue “Du Eisklotz weißt es vielleicht nicht, aber man bedankt sich für Geschenke und überhaupt würde dir ein wenig Freundlichkeit mal ganz gut tun!” “Du wiederholst dich, Fellknäuel. Und 'zu Hochglanz poliert' und 'Vorzeigebonze'? Ich bin geschmeichelt.” Seine Stimme troff vor Ironie “Aber da du es mir immer noch nicht ordentlich beantwortet hast: Was hast du von all dem Zirkus? Welcher meiner Feinde bezahlt dich, dass du mich vom Arbeiten abhältst und meine Ruhe störst?” “Thehe, also machst du doch wegen mir Pause?”, grinste der blonde Junge “Aber echt mal Kaiba, du hast ein Problem mit Parani-...parano-....paranid-...ein Problem mit Verfolgungswahn! Mich hat keiner bezahlt. Glaubst du echt ich wäre käuflich? Tz, Kaiba. Ich bin hier, weil ich 'ne Wette mit Tristan verloren hab.” Kaiba zog die Augenbrauen zusammen. “Das war nur 'n Scherz.” Wheeler rollte mit den Augen und hüpfte auf eine der Anrichteflächen. “Wheeler, diese Ablagen sind sicher nicht dafür vorgesehen, dass sich Hunde darauf niederlassen. Und warum bist du dann hier, wenn nicht aus finanziellem Interesse?” “Oh Gott, Kaiba. Du bist echt ätzend. Lass mal eine der Pralinen rüberwachsen, du Stinkstiefel.” Wheelers Ton war nicht provozierend, sondern eher weich. Man merkte, dass er keine Konfrontation wollte. Warum bloß nicht? Der war doch sonst nicht so. Seto reichte ihm die Schachtel, die Wheeler sogleich öffnete und wahllos eine Praline heraus pickte. Er steckte sie in den Mund und verzog nach einigen Momenten das Gesicht. “Walnuss. Ich hasse Walnüsse.” “Wheeler, wenn du hinten auf die Packung gucken würdest, könntest du sehen, welche Pralinen wie gefüllt sind.” “Ach, das macht dann doch gar keinen Spaß mehr.”, antwortete Wheeler. Theatralisch hob er die Arme, um sie in wohl pseudo-poetischer Form anzuwinkeln “Es heißt: 'Das Leben”, begann er geschwollen und machte eine dramatische Pause “ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man bekommt.'” Er fügte in normalem Ton hinzu: “Es heißt nicht 'Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – hinten drauf kann man lesen, was man bekommt.” Gegen seinen Willen musste Seto ein bisschen schmunzeln. In Wheelers verquerer Welt ergab sein Gebrabbel sicher Sinn. In seiner Welt hörte es sich zumindest amüsierend an. “Hier.”, sagte Wheeler mit vollem Mund – er hatte sich schon eine zweite Praline genommen – und reichte Seto die Pralinenschachtel. Eine Schwäche für Schokolade und ein Magen, der seit 24 Stunden nichts Essbares mehr gesehen hatte, waren keine gute Mischung. Seto könnte auch widerstehen, seine Selbstbeherrschung suchte schließlich nach Ihresgleichen, aber...warum? Faktisch gesehen gehörte ihm die Schokolade sowieso und einen Vergiftungsversuch traute er Wheeler nicht zu. Galant steckte er sich eine Praline in den Mund. Nougat. Seine Lieblingssorte. So waren sie eine Weile friedlich beieinander, aßen und schwiegen. “Kaiba, wo is'n eigentlich Roland?” “Hat frei.” “Woah, ey, du willst echt gar keine Leute an deinem Geburtstag um dich haben, hm?” Seto antwortete nicht. “Hm, dann bin ich dir wohl total lästig, gerade, was?”, lachte Wheeler leicht verlegen “Aber mal ehrlich, warum machst du das denn?” “Du verstehst das nicht. Du hast keine Ahnung, wie es ist, ich zu sein.” “Wenn du mir sagst, wie es ist du zu sein, kann ich dir sagen, ob ich das wirklich nicht weiß, oder du dich irrst.” “Ich irre mich nie!!”, knurrte Seto. “Jaja, der perfekte Kaiba, irrt nie, macht keine Fehler, kann alles. Die Leier kenne ich nun schon zur Genüge und sie hängt mir zum Hals raus.” Wheeler machte eine Geste des Würgens. “Wheeler, halt dich zurück.” Wut stieg in Kaiba auf. “Sonst was? Starrst du mich zu Tode?” “Menschen wie du haben keine Ahnung, was Menschen wie ich tun können.” “Menschen wie ich? Du kennst mich doch gar nicht, Geldsack. Du betonst immer, dass dich keiner kennt, dass keiner an dich heran kommt. Aber kennst du überhaupt irgendwen, wo du dich für niemanden interessierst?” “In Ordnung, Köter. Du hast 20 Sekunden.” “Für was?” “Eine Selbstpräsentation.” “Du hast sie ja nicht mehr alle. Bin ich beim Vorstellungsgespräch, oder was?” “Angst, Hundi?” “Quatsch, ich bin nur viel zu...vielschichtig um in 20 Sekunden zu passen.” “Also Angst.” Wheeler knurrte. Seto mochte das. Dann war er so animalisch-dämlich. Seto sah auf seine Rolex-Armbanduhr. “Ab...” er wartete, bis der Sekundenzeiger eine für ihn akzeptable und ordentliche Uhrzeit anzeigte “...jetzt.” Wheeler starrte ihn für eine Sekunde lang an wie eine Kuh einen entgegenkommenden Lastwagen, holte dann tief Luft und redete wild und ohne Punkt und Komma los: “Ich heiße Joseph Wheeler, aber Freunde nennen mich 'Joey'. Ich bin 17 Jahre alt, gehe auf deine Schule und zocke leidenschaftlich gern Duel Monsters. Darin bin ich so richtig gut...” Seto unterbrach ihn mit einem Räuspern “Klappe! Also, ich bin Weltklasse und ich hab die beste Schwester der Welt. Serenity ist richtig Klasse. Auch in der Schule ist sie der totale Überflieger.” Wheeler breitete die Arme aus, wie ein kleines Kind, das Flugzeug spielt. “Leider bin ich das nicht so. Aber wer braucht schon Mathe? … Oder Englisch? … Oder Japanisch? Oder...ist ja auch egal.” Seto schaute längst nicht mehr auf seine Uhr, sondern in Wheelers braune Augen, die beim Erzählen so seltsam glitzerten. “Was ich nach der Schule machen werde? Keine Ahnung. Jedenfalls nicht sowas wie mein Vater.” Das Glitzern verschwand. Die Stimmung änderte sich, das merkte Seto sofort. Der Blonde starrte aus dem Fenster, sah aus als wäre er geistig ganz weit weg, versunken in Gedanken. “An sich ist das ja auch nichts, was der macht. Nichts Professionelles, meine ich. Außer Wetttrinken und Flaschen werfen wird jetzt plötzlich bezahlt. Das wär's! Dann wären wir Millionäre und müssten nicht im Ghetto in einem Loch von Haus wohnen. Die Gangsterrapper beschreiben das ein wenig zu romantisch, wenn man mich fragt. Und vielleicht...” Wheelers Augen wurden so seltsam trübe und traurig. Außerdem schimmerten sie feucht. Setos Hand krallte sich um die Pralinenpackung, die knisternd nachgab. “...vielleicht würde meine Mum...” Der Teenager blinzelte und starrte dann plötzlich und unerwartet Seto an. Erst jetzt schien ihm wieder einzufallen wo und mit wem er sich befand und mit einem Schlag wurde er knallrot. “Ich hab...ich wollte...eigentlich...ach, halt doch die Klappe, Kaiba.” Scheinbar wusste er sonst nichts zu sagen, denn Seto hatte weder den Anschein gemacht etwas sagen zu wollen, noch spöttisch oder hämisch geguckt. “Vielleicht würde deine Mum was?” Seto fragte ruhig, ohne hämischen Unterton. Aus irgend einem ihm unbekannten Grund interessierte ihn das wirklich. “Wüsste nicht, was dich das angeht, Schleimbolzen.” “Es gehört zur Kenntnis deiner Person, oder nicht? Um dich zu kennen und einschätzen zu können, wie du in meinen Schuhen handeln würdest. Darum ging's doch. Oder?” Wheeler sah ihn schweigend an. Seine Wangen waren immer noch gerötet. Seine Augen hatten das Glitzern, das so typisch für den Blonden war, noch nicht wieder gefunden. Seto wünschte sich wirklich, dass er sprechen würde. Wie zur eigenen Ermutigung schnappte sich Wheeler wahllos zwei Pralinen und stopfte sie sich in den Mund. “Nur,”, murmelte er mit vollem Mund “wenn du mir verrätst, warum du niemanden um dich herum haben willst an deinem Geburtstag. Nicht, dass es mich groß interessiert. Nur damit ich was gegen dich hab, wenn du meine Geheimnisse irgendwem verrätst.” Das klang halbherzig. Und Wheeler war sowieso niemand mit Plan B oder Strategien. Für ihn gab es nur Plan A. “Gut.” “Also?”, fragte Wheeler und spitzte förmlich die Ohren. Wie ein Hund, dachte Seto amüsiert. “Ich sehe keinen Grund und keinen Bedarf darin, den Tag meiner Geburt zu feiern. Ich wurde nie gefragt, ob ich dieses Leben will. Ich hab keine Lust darauf, dass alle plötzlich nett zu mir sind und mir zu etwas gratulieren, was ich nicht einmal verbrochen habe.” “Oh mein Gott, Kaiba. Du Pessimist. Als wäre das Leben ein einziger Schmerz.” Seto sah ihn ausdruckslos an und antwortete nicht, sodass Wheeler kurz die Augenbrauen zusammen zog. “Du bist dran, Köter.” Wheeler seufzte. “Meine Mum...hält nicht so viel von mir. Und bevor du sagst 'Zu Recht!': Ich finde, Eltern sollten ihre Kinder immer unterstützen und lieben. Unabhängig von Erfolgen und Misserfolgen. Aber meine Mum...als sie meinen Vater verlassen hat, hat sie Serenity mitgenommen und mir den Kontakt zu ihr verboten.” Seto schnappte lautlos nach Luft. Würde das jemand bei Mokuba und ihm versuchen... “In der ersten Zeit wusste ich nicht mal ihre Telefonnummer, oder wo sie wohnten. Erst als Serenity, die sonst immer alle Regeln befolgt, das Verbot unserer Mutter brach und mich anrief, wusste ich mehr. Sonst hätte ich sie vielleicht nie wieder gesehen...” Wheeler starrte auf einen Punkt im Teppich “Meine Ma nennt mich einen Versager, sobald sie mich sieht und macht mich fertig, wo sie nur kann.” er lächelte bitter “Ihr würdet euch sicher gut verstehen.” Seto fand das gar nicht witzig. Überhaupt war ihm – jetzt noch mehr als vorher sowieso schon - schleierhaft wie Joey bei solchen Umständen immer so viel lachte, immer der Sonnenschein der Klasse und seines Freundeskreis. “Sonst noch was, was ich wissen muss?”, fragte er den Braunäugigen. “Du meinst, außer, dass ich einen großkotzigen Erzfeind mit eiskaltem Blick habe?” “Ja, außer das.” “Ich arbeite illegal neben der Schule, damit ich mir überhaupt etwas zu essen kaufen kann, mache aus Prinzip nie Hausaufgaben und Mädchen schauen mich mit dem Arsch nicht an.” “Willkommen im Club.” Wheeler lachte bitter “Als ob du von den Mädchen ignoriert wirst. Man, du hast deinen eigenen Fanclub!” “Die möchten mein Ansehen und mein Geld, nicht mich.”, sagte Seto emotionslos. Wheeler starrte ihn an, nickte dann: “Kay, vielleicht ist das doch nicht so geil, reich zu sein.” “Doch. Ist es.” “Was??” “Es ist – wie du es ausdrückst – 'geil'. Aber eben auf eine andere Weise, als du infantiler Tölpel es je begreifen würdest.” “Dann sag's mir.” “Was?” “Sag's mir. Erklär's mir. Zwanzig Sekunden, Kaiba. Los!” “Erst mal hat man mit Leuten wie dir und deinen Freunden nur in der Schule zu tun und das sogar nur, wenn man keine Privatschule bevorzugt. Öffentliche Verkehrsmittel, Drecksarbeiten wie Putzen und Einkaufen und Sorgen wie Sparen, das alles brauche ich in meinem Alltag nicht berücksichtigen.” “Dir entgehen also Freunde, der Spaß im Zug oder Bus herumzualbern, Shoppingtouren und das Wissen, wer im Ernstfall zu dir hält.” “Was sollen mir diese Sachen bringen, Wheeler?” “Spaß. Und Leben. Du bist so fern vom Leben wie nur irgend sonst wer. Hast du nur einmal nur den einen Gedanken gehabt: 'DAS IST LEBEN!', als dein Herz vor Adrenalin raste und du nur mehr grinsen konntest, während du vor Wachtmeistern geflüchtet bist?” “Wie poetisch du dich ausdrücken kannst, Wheeler. Würde ich was von Lyrik halten, ich wäre fast beeindruckt.” Spott in seiner reinsten Form. “Jaja. Hast du, oder hast du nicht?” “Nein.” “Gott, Kaiba. Dein Leben ist nicht schwer, sondern stinklangweilig. Total öde!” Wheeler lehnte sich an die Glasscheibe des Fensters in der Küche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)