13 Götter von Sitamun ================================================================================ Kapitel 9: Die Melodie der Nacht -------------------------------- Ich komme nicht oft dazu, hier zu sitzen, alleine, unbeachtet derer, die in der Organisation über mir stehen, über mich wachen und befehligen. Obwohl „bewachen“ – und da bin ich mir ziemlich sicher – besser passt. Sie, die ersten sechs Mitglieder der Mitglieder, sind etwas besonderes im Vergleich mit den Folgenden – ihnen zu widersprechen wäre dasselbe wie ein direkter Verrat der Organisation. Und das will niemand. Ja, ich weiß, wir können nichts fühlen. Xigbar, die Nummer zwei, hat mir deutlich genug erklärt, dass ich nicht bin. Aber dennoch … in diesem Moment, in dem ich alleine irgendwo auf einem Turm des Schlosses sitze, den Blick zu Kingdom Hearts wandern lasse, diesen außergewöhnlichen Mond, der an unserem Himmel prangt, dann bin ich. Dann bin ich nur für mich. Es hat einen unbeschreiblichen Zauber für mich, hier, meiner Pflichten entledigt, auf meiner Sitar aus Wasser zu spielen und ihrem lieblichen Klang zu lauschen, mich der Illusion hinzugeben, dass ich doch fühle. Xemnas – oder noch nicht mal er; Larxene würde genauso reagieren – wäre alles andere als erfreut, wüsste er davon. Oh ja, diese Frau hatte es in sich, wirklich. Sie war kaltherziger als alles, was ich je kennen gelernt hatte, obwohl das nichts heißen musste. Ich wusste, dass ich als Jemand ein unglaublicher Feigling war und ich bin es immer noch; ich ging dem Kaltherzigen meiner Welt aus dem Weg und war froh darüber, wenn ich ihm nur einmal im Monat begegnete. Immer dann, wenn sie ihr Geld haben wollte … das ich wie üblich nicht bezahlen konnte. Ein Leben als talentierter, aber unbedeutender Musiker – wie ich ständig in irgendeinem kleinen Klatschblatt lesen durfte – brachte nicht viel Geld ein; meine Arbeitgeber verdammten mich geradezu zum Tode mit meinem minimalen Gehalt. Im Nachhinein, denke ich mir, während ich auf diesem Turm sitze, und an den Seiten meines Instrumentes zupfe und meine Melodie spiele, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass die Herzlosen, die mich heimsuchten, nachdem ich von ihnen mal wieder Prügel bezogen hatte, ein leichtes Spiel hatten. Ich hatte vergeblich versucht wegzurennen. Es hatte nicht lange gedauert und ich war ihnen erlegen. Keiner, selbst sie, hätte es geschafft, ihnen das Wasser zu reichen. Herzlosen kann man keine links reinhauen und hoffen, dass sie dann eingeschüchtert ohne das verschwinden, weswegen sie gekommen waren. Nein. Das wusste ich damals nicht und es dauerte noch einen halben Tag bis ich es erfahren würde. Xigbar hatte sich anscheinend einen Spaß daraus gemacht, mir lieber dabei zuzusehen, wie ich nichts wissend durch meine Welt ging anstatt seine Arbeit zu machen. Ich war überrascht, als er mich ansprach, aber seltsamerweise … fürchtete ich mich nicht vor ihm. Ich fühlte nichts, als ich ihn ansah. Auch nicht, als er das Wort erhob und mir mein Sein, das nicht ist, erklärte. Mir meine Macht erklärte. Dann nahm er mich mit, mit zu diesem Schloss, das ich seitdem mein Zuhause nenne. Ein seltsamer Ort, wohl war, aber das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Ich glaube, das, was ich in meinem ersten freien Moment tat, war, die Welt in der Nacht wieder zu verlassen und zu meiner Heimat zurückzukehren. Auf einmal fielen sie mir in allen dunklen Ecken auf, die Herzlosen, und in meiner Nähe waren Dämmerlinge; vermutlich sollten sie mich kontrollieren. Doch das alles schien nur ich zu sehen. Ich ging langsam durch die Straßen, die mir so vertraut vorkamen, sah vertraute Gesichter, die mich nicht erkennen konnten, weil die schwarze Kutte der Organisation mein Aussehen komplett verbarg. Es war mir aber auch egal. Ich wollte nur zu ihnen, niemand anders. Die Tatsache, dass ich sie schon lange zu spüren schien, obwohl ich sie noch nicht einmal sah, weckte die Erinnerung an ein Gefühl des Triumphes. Des Glückes, wenn man den Sieg auf der Zunge schmecken kann. Sie saßen in einer dunklen Gasse, an ihren beiden Enden jeweils eine Laterne, die der Straße Licht spendete, nicht sehr viel, aber genug, damit ich sie mehr als deutlich sehen konnte. Sie hatten einen CD-Spieler dabei, aus dem laute Musik dröhnte. Ich konnte diese Art der Musik noch nie leiden. Es war wirklich nichts anderes als Glück, als ich ihre erschrockenen Gesichter sah über ihren CD-Spieler, der grundlos in seine Einzelteile zersprang. „Was zum– ?!“ Ich konnte mir das Lachen gar nicht verkneifen. Es war ein schönes Schauspiel, ein schönes Gefühl, meine Macht an ihnen auszuprobieren. Noch schöner war es allerdings, als ich den Dämmerlingen dabei zusah, wie sie nach ihren Herzen griffen, die in der Luft zu entschweben gedachten. Ich schiele hoch zu Kingdom Hearts, dieser unserer Besonderheit, die wir ehren und der wir gedenken, wann immer uns danach ist. Besonders … ja, es war in der Tat besonders, richtig unglaublich, als ich wieder zurückkehrte in die Welt, in die ich nun gehörte. So glücklich über das, was ich getan hatte. Etwas, auf das ich endlich mal stolz sein konnte. Etwas, das nichts im Vergleich war mit dem erbärmlichen Leben, das ich bisher geführt hatte. „Du denkst schon wieder daran, ja?“ Ich schrecke nicht auf, als ich eine Stimme höre, die mir so bekannt vorkommt, aber ich sehe hoch, zu einem anderen Turm, der ganz in der Nähe ist, aber bedeutend höher als der meine. Ich erkenne Xigbar, neben ihn Xaldin und ein Mann komplett verhüllt. Ich muss nichts sehen, um zu wissen, dass es Xemnas ist. „Wie kommst du drauf?“, frage ich ihn, sage nichts mehr, spiele weiter. „Die Melodie“, antwort eine andere Stimme von einem anderen Turm, etwas niedriger als der meine – Luxord. Überrascht lausche ich für einen Moment den Tönen, die ich spiele … jetzt, als er es sagt, sie klingt wirklich ziemlich fröhlich. So glücklich, wie ich mich fühlte, als ich wirklich zum ersten Mal als Niemand handelte. So gnadenlos, wie man ohne Gnade nur zu sein kann. So rücksichtslos, wie es ohne Rücksicht nur möglich ist. Mein Blick wandert um die anderen Türme des Schlosses um mich herum, entdecke auf jeden von ihnen eine oder zwei Niemande, direkt über mir zum Schluss neben Axel die Nummer 13, Roxas. Es scheint, als hätte ich mich geirrt, als ich dachte, Xemnas würde es nicht dulden. „Huh, ich sollte wohl darauf achten, was ich spiele …“ Ich schüttele den Kopf, spiele aber unbedacht weiter. „Demyx“ Wie immer, wenn er meinen Namen nennt, zucke ich zusammen, schließe kurz die Augen um meinen Puls etwas zu beruhigen. Es grenzt fast an ein Wunder, dass er in dieser Nacht dabei ist, und noch mehr, dass er mich direkt anspricht. Ich blicke zu ihm hoch, zeige so, dass ich zuhöre. Nur ein einziger Blick aus hellen Augen, verborgen unter der Kapuze, ist meine einzige Antwort, die ich erhalte und in dieser Nacht auch nur erhalten werde. Ich blicke hoch zu Kingdom Hearts, diesem unseren Mond, etwas besonderes für uns, grinse, und wende den Blick wieder zu meiner Sitar, spiele mit einer Leidenschaft, die ich nicht haben dürfte. Ein bezaubernder Klang … der Klang unserer Melodie … Die Melodie der Nacht … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)