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Mondlicht und Sonnenwind

aus den Schatten der Vergangenheit
von

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Ungewissheit

Vorbemerkung:

Und wiederum bedanke ich mich bei allen Lesern für das anhaltende Interesse und für alle bisherigen Kommentare.

(*jedem einen dicken Blumenstrauß in die Arme drück*)

Im letzten Kapitel wartete eine schreckliche Entdeckung auf den Dämonenherrscher des Westens und den Wolfsdämonen Chugo, denn das Lager der Hundedämonen wurde überfallen. Inutaishous Getreuen wurden getötet oder verschleppt. Voller Zorn und in der festen Überzeugung, dass auch sein Sohn entführt worden ist, setzt sich der Hundeherr mit Chugo auf die Fährte eines noch fremden Feindes. Er weiß nicht, dass sich die vermissten, jungen Hundedämonen Seto, Yoshio und Sesshoumaru sich woanders auf einem Wolfsdämonen-Friedhof herumgetrieben haben, um Geheimnissen aus der Vergangenheit nachzuspüren. Zu allem Überfluss begeben sich die drei unbedachten Ausreißer aufgrund einer Fehlinterpretation der Situation auch noch selbst auf Rettungsmission. So stürzen sich alle unabhängig voneinander ins große Unbekannte...
 

Enjoy reading!
 


 

Kapitel 9: Ungewissheit
 

Düsternis und feuchte, modrige Luft empfingen Tamahato, als er sich, aus seiner Bewusstlosigkeit erwachend, mühsam aufsetzte und blinzelnd die Augen öffnete. Sein Kopf dröhnte wie nach dem kraftvollen Schlag mit einer Streitaxt. Seine Gedanken waren genauso träge wie seine Bewegungen, daher dauerte es einige Zeit bis ihm einfiel, was geschehen war.
 

Wir sind in einen Hinterhalt geraten...

Entsetzen packte ihn, der Schreck fuhr ihm durch sämtliche Glieder. In höchster Alarmbereitschaft wollte er hastig aufspringen, wurde jedoch sogleich durch einen starken Gegenzug an den Armen und durch einen plötzlichen, heftigen Schmerz, wie von einem Blitzschlag getroffen, zurück zu Boden gerissen.

„Lass das lieber, alter Kamerad“, hörte Tamahato eine ruhige, ihm bekannte Stimme sagen: „Wenn du dich gegen die Bannfesseln wehrst, erleidest du nur unnötig Schmerzen und verschwendest deine Kraft. Und es könnte gut sein, dass wir unsere Kräfte noch dringend brauchen.“

„Kage-sama!“

Erneut, dieses Mal allerdings deutlich vorsichtiger, versuchte Tamahato sich aufzurichten und entdeckte daraufhin seinen Hauptmann neben sich. Der Anführer der Fürstengarde saß regungslos an einer gemauerten, etwas feuchten Wand. Noch leicht verwirrt sah Tamahato sich weiter um und erkannte, dass sie sich beide in einem engen, halbrunden Verlies befanden, wahrscheinlich tief unter der Erde. Der einzige Zugang zu dem steinernen Gefängnis war eine massive Holztür mit einer winzigen Gitterluke, durch die ein schwacher Lichtschimmer drang, offensichtlich der Schein von Feuerfackeln.

„Wo, zur Hölle...“

Ein erneuter blitzartiger Schmerz und ein klirrendes Geräusch unterbrachen Tamahatos Frage und Bewegung. Der alte Soldat blickte an sich herab und bemerkte eiserne Ketten, die seine Hand- und Fußgelenke an die Wand hinter sich fesselten. Auch Kage war derartig angekettet worden.

„Beim dusteren Abort des Todes, wo sind wir hier gelandet?“

„An einem Ort, an dem wir sicher nicht sein wollen“, antwortete Kage mit dumpfer Stimme: „Meiner Meinung nach stecken wir tief in der schwärzesten Tinte!“

Tamahato starrte den Heerführer kurz an und schnupperte schließlich prüfend in der Luft herum.

„Es riecht nach Wölfen“, stellte er nun fest, „aber auch nach allerlei anderen Dämonen. Und nach Wesen, deren Geruch ich nicht zuordnen kann... sie riechen genau wie die modrigen Steinwände hier, nach Fäulnis!“

„Das ist der Gestank von Fomorians“, erklärte Kage: „Ich habe die Ausdünstungen dieser Kreaturen erst vor einer Woche ertragen müssen. Und meine Hoffnung, dass ich das nie wieder riechen muss, war wohl umsonst. Du weißt wahrscheinlich, dass die Fomorians dem Chaos aus Anbeginn der Schöpfung entstammen und kein richtiges Leben besitzen. Durch meine eigene Erfahrung kann ich bestätigen, dass es widerliche Missgeburten sind, die ständig am Rande der Verwesung stehen, deswegen stinken sie auch so. Angeblich existieren sie wie Parasiten von der Lebenskraft anderer, die sie sich einverleibt haben.“

„Fomorians?“ fragte Tamahato erstaunt: „Aber das würde ja heißen, dass...“

„Ja“, bestätigte sein Hauptmann, „der Verräter Akechi und der Rest seiner entflohenen Bande von Aufrührern sind ebenfalls hier irgendwo. Jemand hat diesen miesen Aufständischen nach ihrer Niederlage hier Unterschlupf gewährt.“

„Verdammt!“ fluchte Tamahato: „Haben sich die Wölfe mit Akechi verbündet? Dann hat dieser Chugo vom Nordrudel gelogen, der Wolfsangriff auf unser Schloss war also doch von ihnen geplant gewesen. Der Mistkerl hat uns reingelegt!“

„Auf den ersten Blick scheint das so.“

Leise seufzend verlagerte Kage leicht sein Gewicht, um eine bequemere Sitzposition auf dem harten, kalten Steinfußboden zu finden. Nachdenklich fuhr er schließlich fort:

„Ganz so einfach ist es aber wohl doch nicht. Wölfe sind an dem Ganzen offenbar nur geringfügig beteiligt, sie sind nur vordergründige Handlager. Interessant sind da eher die Hintermänner... Als ich, vor etwa einer Stunde, vor dir hier aus meiner Bewusstlosigkeit erwachte, habe ich ganz kurz die Aura eines Drachens gespürt. Außerdem bin ich mir relativ sicher, dass dieses Bauwerk, in dem wir uns befinden, einst von Drachen erbaut wurde. Ich glaube, wir sind in einer der uralten Festungen gelandet, die von den Drachen vor ewigen Zeiten für ihre damaligen Kriege gegeneinander errichtet wurden. Als ich noch im südöstlichen Drachenreich gelebt habe, habe ich einmal eine Legende von einer halb vergessenen, unterirdischen Drachenfestung im Norden gehört... Gut möglich, dass unsere Feinde diese Feste entdeckt und für sich in Anspruch genommen haben.“

„Drachen also auch noch...“
 

Das alles klang irgendwie gar nicht gut, fand Tamahato. Scheinbar steckten Akechi und seine Formorians, Wölfe, Drachen und allerlei andere Dämonen zusammen unter einer Decke. Offensichtlich waren die Hundedämonen und ihr Herr zum Ziel einer großangelegten Verschwörung geworden. Voller Sorge stellte Tamahato deswegen nun die nächste Frage, die ihm schon die ganze Zeit über auf der Seele brannte:

„Was ist mit den übrigen von uns? Sind sie auch gefangen worden?“

Kage sah ernst zu Boden, sein Blick verdüsterte sich.

„Der größte Teil unserer Leute ist tot. Es ging alles so schnell, dass keiner von uns richtig reagieren konnte. Ich habe höchstens zwei oder drei von diesen Schurken in die Hölle schicken können, bevor sie mich wie dich niederrangen und bewusstlos machten. Ich weiß nicht, ob außer uns noch weitere unserer Krieger überlebt haben. Falls ja, stecken die wohl in einem anderen Kerkerloch.“

„Und was ist mit Sesshoumaru-sama, Yoshio-san und meinem Partner Seto?“

Diese Frage brachte Kage erstaunlicherweise in ziemliche Verunsicherung.

„Was mit dem Prinzen und den beiden Jugendlichen passiert ist, weiß ich leider überhaupt nicht“, meinte er zögernd, „die waren nämlich komplett verschwunden, als wir überfallen wurden.“

„Verschwunden?! Wohin?“

„Wie gesagt, ich habe keine Ahnung“, wiederholte der Heerführer und hob bedauernd die Schultern: „Sie waren einfach weg, ihre Schlafplätze waren leer. Bevor ich in die Bewusstlosigkeit abgedämmert bin, habe ich nur noch mitbekommen, wie sich unsere Angreifer wegen dem Fehlen des Fürstensohns aufgeregt und gestritten haben. Sie wollten zunächst nach dem Kleinen suchen, haben es dann aber doch sein gelassen, weil sie das Auftauchen des Inu no Taishou fürchteten.“

„Unser Herr...“ murmelte Tamahato bedrückt: „Hoffentlich ist wenigstens ihm nichts passiert... Und was jetzt? Wir können hier doch nicht einfach so tatenlos sitzen bleiben und abwarten!“

„Ich glaube, uns bleibt leider nichts anderes übrig.“

Kage war von der momentanen Situation ebenfalls alles andere als begeistert, doch er hatte bereits einsehen müssen, dass die Lage, in der er und sein Untergebener sich befanden, so gut wie aussichtslos war. Sie waren vollkommen hilflos, eine Flucht war schon allein wegen der Bannketten unmöglich. Überdies wussten sie noch zu wenig über die Umstände und über die Feinde, durch die sie in Gefangenschaft geraten waren. So konnten sie tatsächlich nichts Sinnvolleres tun als zu warten.
 

Nach einer Weile beklemmenden Schweigens hob der Heerführer leicht seinen Kopf und lauschte.

„Vielleicht erhalten wir jetzt ja eine Chance etwas mehr zu erfahren“, meinte er.

Auch Tamahato bemerkte daraufhin die leisen Geräusche, die Kage mit seinem besonders ausgeprägten Gehör sofort wahrgenommen hatte. Schritte näherten sich.
 

Wenige Sekunden später öffnete sich knarrend die schwere Holztür vom Verlies. Fackelschein erhellte den engen Raum.

Im Zelleneingang standen drei Dämonen in menschenähnlicher Gestalt. Zwei von ihnen waren wölfischen Ursprungs. Der Dritte, der die Gefangenen kurz musterte, war ein schlanker, hellhäutiger Dämon in einer schweren, silbern verzierten Rüstung. Kage erkannte in diesem einen Angehörigen des Donnerstamms und verengte unwillkürlich grimmig die Augen. Der Donnerstamm hatte Akechi unterstützt und sich in dem Feldzug vor einer Woche auf die Seite der Aufrührer gestellt. Der Großteil des Stamms war deswegen von Inutaishou und seinem Heer vernichtet worden. Somit gehörten auch die Donnerdämonen zu den Feinden des Hundeherrn.

Der Donnerdämon begegnete Kages finsterem Blick und deutete mit einer herrischen Geste auf ihn:

„Der da! Das ist der Heermeister des Hundefürsten, nehmt ihn mit! Den anderen brauchen wir noch nicht, der bleibt da!“

„Wer seid ihr?“ fragte Tamahato sofort: „Warum habt ihr uns überfallen und gefangen genommen? Was wollt ihr von uns?“

Der Donnerdämon warf Tamahato einen giftigen Blick zu. Dann holte er mit seinem Arm aus und schlug dem alten Hundekrieger kräftig mit einer ellenlangen, harten Gerte ins Gesicht.

„Halt gefälligst deine Schnauze, Hund!“ fuhr er den Geschlagenen zornig an: „Fragen stellen nur wir. Beim nächsten unerlaubten Wort peitsche ich dir das Fleisch von den Rippen!“

Die beiden Wolfsdämonen kamen derweil zu Kage und zerrten ihn grob auf die Beine. Einer hielt den dämonischen Flughund fest und drückte ihm dabei warnend ein Messer gegen den Hals, während der andere Kages Ketten löste und dem Heerführer danach die Hände hinter dem Rücken fesselte. Als sie damit fertig waren, packten sie Kage an den Armen und schleiften ihn mit sich aus dem Verlies.

„Kage-sama!“ rief Tamahato ungeachtet der vorigen Drohung hinter seinem Hauptmann her: „Ihr niederträchtigen Feiglinge! Was habt ihr mit ihm vor?“

Mit einem süffisanten Grinsen wandte sich der Angehörige des Donnerstamms noch einmal zu dem alten Soldaten um.

„Keine Sorge, unsere Herren wollen sich nur ein wenig mit ihm unterhalten. Noch brauchen wir euch alle lebendig. Sei froh und dankbar, wenn dich keiner beachtet, und genieß deine letzte Zeit, solange du noch kannst!“

Damit verließ der Donnerdämon ebenfalls den Kerker und verriegelte die Tür hinter sich sorgfältig.
 

Tamahato hörte, wie sich die Schritte entfernten.

Die Tatsache, dass die feindlichen Dämonen ihre Gefangenen zumindest zeitweise noch am Leben lassen wollten, beruhigte ihn nur wenig. Wahrscheinlich brauchten sie Geiseln und als solche würden sie sicher sterben, sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten. Lebendig war zudem ein dehnbarer Begriff.

Behutsam strich Tamahato über seine linke Gesichtshälfte, auf der die Peitsche des Donnerdämons eine lange, tiefe Strieme hinterlassen hatte, und versank in sorgenvolles Nachdenken.

Das sah wirklich übel aus. Vermutlich waren sie verschleppt worden, um den Herrn der Hunde unter Druck zu setzen oder in eine Falle zu locken. Das würde Inutaishou in höchste Gefahr bringen, sofern er das nicht schon war. Doch welche Pläne hatten diese Halunken genau? Und wer steckte da alles dahinter? Das schien ein gut durchdachter Coup zu sein, in dem mehrere intrigante Geister ihr Können erprobten und ihre Finger im Spiel hatten.

Mit einem schweren Seufzer lehnte sich Tamahato an die feuchte Kerkerwand.

Zumindest schien nicht alles völlig nach Plan zu verlaufen. So war den Feinden offensichtlich Sesshoumaru entwischt. Damit hatten sie schon mal ein wichtiges Druckmittel weniger. Das würde dem Inu no Taishou, wenn er noch lebte und handeln konnte, vieles erleichtern. Zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es also.

Der alte Soldat lächelte.

Er erinnerte sich jetzt wieder daran, dass Yoshio und Seto sehr neugierig bezüglich der Schlucht mit dem Friedhof der Wolfsdämonen gewesen waren. Möglicherweise hatte das auch Sesshoumarus Interesse erweckt und bei so etwas war der Prinz unberechenbar... hatte der kleine Ausreißer mit den beiden Jugendlichen vielleicht einen heimlichen Nachtausflug gemacht? Zuzutrauen war es ihm, der Fürstensohn war ein Künstler darin Verbote zu umgehen. Dann hatte sich der kindliche Ungehorsam ja ausnahmsweise mal als nützlich erwiesen.

Tja, dachte Tamhato, alle machen sie eben immer wieder den gleichen Fehler, sie unterschätzen junge Hunde und den Blödsinn, den diese anstellen können, einfach zu sehr. Aber auch ältere Hunde sollten lieber nicht unterschätzt werden, die können nämlich erst recht sehr gefährlich sein...

Mit diesem letzten Gedanken richtete sich Tamahatos Hoffnung auf seinen Herrn. Allen Gefahren und möglichen Fallen zum Trotz würde der Inu no Taishou seine gefangenen Getreuen sicher nicht im Stich lassen.
 

Tatsächlich hatte sich der Herrscher des Westens in derselben Nacht, in der Tamahato und Kage gefangen worden waren, zusammen mit dem Wolfsdämon Chugo auf die Fährte seiner unbekannten Feinde gesetzt.

Um möglichst viele Hinweise finden zu können, hatten sich der Hundeherr und der Wolfsdämon nach einer Weile jedoch wieder getrennt. Zudem hatte Chugo auch noch sein Rudel über die Ereignisse informieren wollen. Daher war Inutaishou bei der Verfolgung seiner Feinde momentan allein unterwegs.
 

Die Suche des Hundefürsten gestaltete sich allerdings zunehmend schwierig. Denn der seit Mitternacht strömende Regen hatte sich verstärkt. In den Morgenstunden kamen auch noch heftige Windböen zur Wetterverschlechterung dazu und verwehten die letzten Reste einer Witterung, so dass Inutaishou schließlich die Spur seiner Feinde verlor und seine Jagd abbrechen musste.

Äußerst widerwillig beugte sich der Dämonenfürst den Zwängen der Natur, suchte sich einen schützenden Unterschlupf unter dem mächtigen Stamm eines umgestürzten Baums und wartete dort auf Chugo. Er hoffte inständig, dass ihm nun die Wölfe weiterhelfen konnten. Immerhin kannten diese sich in ihrem Revier am besten aus und konnten so vielleicht ergründen, wohin die feindlichen Angreifer mit ihren Gefangenen verschwunden waren.

Eine Feste in der Tiefe...

Das hatte der sterbende Hundekrieger gesagt, als Inutaishou ihn gefragt hatte, wohin seine fehlenden Gefolgsleute und sein Sohn verschleppt worden waren. Es war der einzige Anhaltspunkt. Um was es sich bei dieser Feste handelte, wusste Inutaishou nicht, aber eigentlich war ihm das auch gleichgültig. Ergrimmt ballte er die Fäuste.

Weder das beste Bollwerk noch die stärksten Mauern oder sonstige Hindernisse, die ihm möglicherweise in den Weg gelegt werden würden, würden ihn aufhalten können. Keiner würde sich dauerhaft irgendwo vor seinem Zorn verstecken können. Denn niemand tötete ungestraft seine Getreuen! Und wirklich niemand entführte, ohne es bereuen zu müssen, seinen Welpen!
 

„Äh... Oyakata-sama?“

Eine leise, zaghaft klingende Stimme, die offensichtlich einem schon älteren Wesen angehörte, störte Inutaishous wütende Gedanken. Diese Stimme erklang fast direkt neben seinem Ohr.

Der Dämonenfürst blickte aus den Augenwinkeln beiseite. Auf seiner rechten Schulter saß eine winzigkleine Gestalt, gerade mal so groß wie ein Fingernagel. Es war ein kleines, dämonisches Insekt: ein Floh.

„Wenn ich mich recht erinnere, Myouga“, bemerkte Inutaishou daraufhin, „hatte ich dir vor Beginn unserer Reise befohlen, dass du dich stets unsichtbar verhältst. Also verschwinde sofort wieder unter mein Fell! Keiner weiß, dass ich dich bei mir habe. Und ich möchte, dass das vorerst auch so bleibt!“

„Verzeiht, Herr“, sagte der kleine Flohgeist hastig, „sobald Chugo zu Euch stößt, werde ich mich gleich wieder verbergen. Aber ich wollte Euch fragen, ob ich nicht lieber ins Schloss zurückkehren soll, um Hilfe zu ho...“

„Du bleibst bei mir!“ unterbrach ihn ein scharfer Befehl. Inutaishou verschränkte die Arme und fuhr nach einer kurzen Pause etwas milder gestimmt fort:

„Ich brauche dich. Schließlich wissen wir nicht, was uns erwartet, da könnten die Spionagedienste eines kleinen, unauffälligen Flohs sehr nützlich sein.“

„Aber das wird doch bestimmt sehr gefährlich“, wagte Myouga einzuwenden: „Wäre es nicht besser Verstärkung zu haben? Ihr könnt doch nicht allein mit ein paar Wölfen...“

„Ich bringe nicht noch weitere meiner Leute in Gefahr!“ unterbrach ihn Inutaishou erneut zornig: „Es ist schon genug Unheil geschehen, nur weil ich unbedingt meinen Welpen auf die Reise mitnehmen wollte. Außerdem wäre es wohl sehr kontraproduktiv, wenn ich mit einem ganzen Haufen Krieger durch die Gegend marschiere. Meine einzige Chance, die Entführten retten zu können, liegt im heimlichen Handeln. Ich muss sie schnellstmöglich befreien. Hoffentlich kann Chugo mir helfen das Versteck meiner Feinde ausfindig zu machen.“

„Könnt Ihr diesem Wolf denn wirklich trauen? Was, wenn er Euch direkt in eine Falle lockt?“

„Das muss ich eben riskieren.“

Ein dezentes, leicht freches Lächeln stahl sich nun auf Inutaishous Gesicht.

„Zur Not habe ich ja dich dabei. Wenn etwas schief geht, kannst du immer noch Hilfe holen gehen. Du musst dann eben nur zusehen, wie du allein aus dem ganzen Schlamassel herauskommst.“

Der Flohdämon auf des Hundefürsten Schulter schien in sich zusammenzuschrumpfen und noch kleiner zu werden. Das Abbild der personifizierten Angst hätte nicht realistischer dargestellt werden können. Inutaishous Lächeln wurde weicher.

„Mach dir keine Sorgen, Angstfloh, ich pass schon auf uns beide auf! Es wird alles gut werden. Und jetzt versteck dich wieder, ich kann Chugo wittern. Er und seine Wölfe werden gleich da sein.“
 

Im fahlen Licht des trüben Vormittags waren daraufhin mehrere, durch Regen und Nebel verwaschen wirkende Schatten zu erkennen, die auf Inutaishou zu liefen. Bei diesen Schemen handelte es sich um zwei menschenähnliche und drei tierische Wesen. Der erste von ihnen, der zu Inutaishou unter den schützenden Baumstamm schlüpfte, war Chugo.

„Elendes Mistwetter!“ schimpfte er, schüttelte sich kurz und wandte sich dann sofort ohne Umschweife an den Dämonenfürsten:

„Ihr habt die Spur verloren, nicht wahr? Ärgerliche Sache, aber bei diesem Wetter nicht anders zu erwarten. Diese mysteriösen Angreifer haben wirklich den idealen Zeitpunkt für ihren Überfall gewählt! Sie werden uns trotzdem nicht entkommen. Meine Begleiterin wird uns helfen können.“

Mit den letzten Worten winkte Chugo den zweiten menschenähnlichen Wolfdämonen zu sich. Eine schöne Frau mit langem, rotbraunem Haar trat an seine Seite, hob stolz ihren Kopf und blickte Inutaishou ohne jede Unterwürfigkeit entgegen.
 

Der Fürst sah direkt in die dämonischen, rötlich schimmernden Augen der Wolfsfrau und erschrak unwillkürlich. Diese Dämonin kam ihm bekannt vor! Er war ihr zwar noch niemals zuvor begegnet, da war er sich sicher, aber irgendwo hatte er dieses Gesicht, diese Augen schon einmal gesehen. Doch wo? Und warum erschreckte ihn das so? Was hatte das zu bedeuten? Wer war sie?

„Das ist meine Begleiterin Aoi“, stellte Chugo die Wolfsdämonin vor: „Sie gehört wie ich zu den Wächtern der Wölfe. Ihre Aufgabe ist es, unsere Geschichte und Erinnerungen zu bewahren. Daher weiß sie auch viele Dinge, die wir anderen schon längst vergessen haben. Ich habe sie nach der Feste in der Tiefe befragt und sie meinte, sie weiß, worum es sich dabei handelt.“

„Ja, ich weiß, was die Feste in der Tiefe ist“, bestätigte Aoi, „und, was noch wichtiger ist, ich weiß, wo sie ist und wie man hineinkommt...“

Die Wolfsdämonin hielt inne, in ihrem Antlitz machte sich Verwunderung breit.

„Warum schaut Ihr mich so seltsam an, ist Euch nicht gut?“ fragte sie den Dämonenfürsten besorgt.

Der Hundeherr bemerkte, dass sich sein unerklärlicher Schrecken wohl auch deutlich in seinem Gesicht widerspiegeln musste. Sofort unterdrückte er seine Gefühlregung und zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Seine Verwirrung überspielte er hastig mit einem Kompliment:

„Deine Schönheit hat mich so unvorbereitet getroffen, dass sie mich wohl völlig verzauberte... verzeih, es ist alles in Ordnung mit mir. Bitte, erzähl weiter!“

Aoi nahm das Kompliment und die Entschuldigung erfreut zur Kenntnis, sie stellte keine weiteren verwunderten Fragen mehr. Stattdessen fuhr sie wie gewünscht mit ihrem Bericht fort:

„Die Feste in der Tiefe liegt zwei Tagesreisen von hier entfernt noch weiter im Norden, nahe einer Hochebene. Es ist eine ehemalige, unterirdische Drachenburg, die ursprünglich einigen Erddrachen gehörte. Laut Legenden stammen von diesen Erddrachen die lindwurmartigen Sonnenweberdrachen ab, die mit dämonischen Wesen eine symbiotische Vereinigung eingingen und danach versuchten die gesamten japanischen Inseln zu erobern. Als das scheiterte, zog sich der Clan der Sonnenweberdrachen in den Südosten zurück. Seitdem ist ihre alte Festung verlassen, wird aber immer wieder gern von Drachen oder Dämonen, die davon noch wissen, als Schlupfwinkel genutzt. Es ist nicht einfach die Burg zu finden, ihre wenigen Zugänge sind extrem gut versteckt. Und es ist sehr gefährlich sich dort hineinzuwagen. Es gibt dort fast unendlich viele Gänge, in denen man sich leicht völlig verirren kann. Nicht zu reden von den tödlichen Fallen, durch welche die unterirdische Burg vor Eindringlingen geschützt wird, oder allerlei fremdartigen Wesen, die dort schon seit Urzeiten hausen sollen... Ohne einen findigen Führer, kommt Ihr dort nicht lebend hinein und noch weniger wieder lebendig heraus.“
 

Ungerührt hatte Inutaishou der Wolfsdämonin zugehört. Nach einer Weile nachdenklichen Schweigens fragte er die Wölfe:

„Was schlagt ihr mir vor?“

Chugo übernahm die Antwort:

„Wir werden Euch begleiten und in die Feste bringen. Aoi war schon einmal dort, sie kennt einen Zugang, der wahrscheinlich weitgehend fallenfrei ist und nicht so leicht in die Irre führt, weil er der am häufigsten genutzte Weg in die Burg ist. Der Nachteil ist, dass sich dort sicher auch die meisten Eurer Feinde aufhalten dürften, die erst aus dem Weg geräumt werden müssten.“

„Diese Aufräumaktion könnt ihr getrost mir überlassen“, meinte Inutaishou trocken, „das mache ich mit Freuden!“

Das kann ich mir lebhaft vorstellen, dachte Chugo und schluckte kurz bevor er weitersprach:

„Die Verschleppten sind sicher in den untersten Kerkerräumen. Während Ihr uns den Weg freikämpft, werde ich mit Aoi zu den Verliesen vordringen und versuchen die Gefangenen zu befreien. Das ist sicher nicht ein origineller Plan, aber einen anderen haben wir nicht. Und je weniger wir sind, desto besser können wir möglichst lange unauffällig bleiben. Deswegen nehme ich außer Aoi auch nur drei Wölfe mit. Es sind sehr kluge, verlässliche Tiere mit einer perfekten Spürnase.“

Inutaishou nickte langsam. Er hatte auch nicht vor größere Unterstützung einzufordern. Eigentlich wäre es ihm sogar lieber gewesen, er hätte ganz auf die Hilfe anderer verzichten können.

„Ihr riskiert euer Leben für mich“, gab er Chugo und Aoi zu bedenken: „Seid ihr sicher, dass ihr das wollt? Ich war einst euer Feind! Und möglicherweise müsst ihr euch nun euren eigenen Artgenossen entgegen stellen!“

„Die Wölfe, die Euch angegriffen haben, verhielten sich vollkommen schändlich“, erwiderte Chugo sofort bestimmt: „Mit diesem Verhalten haben sie den geheiligten Boden von unserem Friedhofsgelände entweiht. Wölfe, die so etwas tun und unser aller Ehre derartig in den Schmutz ziehen, erkenne ich nicht als meinesgleichen an. Das Recht ist auf Eurer Seite, Hundeherr, auf dieser Seite möchte auch ich stehen. Damit kann ich den Verrat, der Euch im Namen von Wölfen zugefügt wurde, wiedergutmachen. Und wenn mein Leben der Preis für Frieden zwischen unseren Völkern ist, zahle ich diesen Preis gern.“

Diese höchst bewundernswerte Haltung der Ehrbarkeit und Versöhnungsbereitschaft verblüffte Inutaishou dermaßen, dass er zunächst überhaupt keine Worte mehr fand. Als er seine Sprache wiederhatte, wandte er sich an Aoi:

„Und was ist mit dir? Willst auch du dein Leben für einen Hund auf’s Spiel setzen?“

Im Gegensatz zu Chugo zögerte Aoi ein wenig mit ihrer Antwort. Doch sie schloss sich ebenfalls an:

„Ja, ich komme mit Euch! Ich möchte auf jeden Fall dabei sein und ebenfalls die Ehre der Wölfe wiederherstellen!“

In den Augen der Wolfsdämonin lag ein seltsamer Glanz, als sie das sagte. Wieder hatte Inutaishou kurz das Gefühl, er müsse die Frau von irgendwoher kennen. Und dieses Gefühl verband sich mit Unbehagen. Aber er ignorierte das, er hatte auch keine andere Wahl. Wenn er in die geheimnisvolle Feste in der Tiefe wollte, musste er den Wölfen vertrauen. Es war der schnellste und offenbar auch der einzige Weg.

„Dann lasst uns aufbrechen! Das Unwetter schwächt sich langsam ab und wir dürfen nicht mehr warten. Jeder Moment ist kostbar!“
 

Die Dämonen verließen ihren Unterschlupf. Aoi übernahm die Führung.

„Zunächst, schlage ich vor, machen wir einen kurzen Abstecher zu Gakusanjin-sama. Er schuldet uns Wölfen noch einen Gefallen und könnte uns nützliche Hilfe bieten.“

„Wer ist Gakusanjin und wobei könnte er uns helfen?“ fragte Inutaishou. In seiner Stimme schwang Missbilligung mit, denn die Aussicht auf eine weitere Verzögerung gefiel ihm nicht.

Chugo verstand die Ungeduld des Dämonenfürsten sehr gut und beeilte sich eine Erklärung abzugeben:

„Gakusanjin ist ein dämonischer Berggeist, der schon lange in unserem Gebiet lebt. Er besitzt einen Schutzstein, einen Fuyoheki, mit dem sich dämonische Ausstrahlung verbergen lässt. Aoi möchte sich diesen Fuyoheki ausleihen. Damit können wir unsere Aura und auch unsere sonstigen Kräfte wie unseren Geruch perfekt tarnen. So wird uns niemand bemerken bis wir in die Feste in der Tiefe eingedrungen sind. Eine möglichst lange Unsichtbarkeit ist schließlich unser einziger vernünftige Schutz für die gefangenen Geiseln.“

Das war wahr. So gerne der Hundeherr die unterirdische Festung sofort erstürmt hätte, er durfte jetzt nicht ungeduldig werden und unüberlegt handeln. Sich zu tarnen, war es eine hervorragende Idee. Schließlich waren die Getreuen und der Sohn des Dämonenfürsten nicht ohne Grund entführt worden, damit hatten die Feinde ein wirksames Druckmittel in der Hand. Inutaishou durfte es nicht riskieren die Geiseln in Gefahr zu bringen. Deren Befreiung musste unbemerkt ablaufen. Ansonsten würde er sein Kind wahrscheinlich nicht mehr lebend wiedersehen.
 

Schweren Herzens fügte sich der Herr der Hunde in sein Schicksal und folgte den Wölfen Richtung Nordosten in ein abgelegenes Berggebiet. Er konnte ja nicht ahnen, dass sein kleiner, vermisster Sohn, den er so dringend retten wollte, zufällig der Gefahr entkommen war. Und noch weniger konnte er ahnen, dass Sesshoumaru diesen glücklichen Zufall nicht nutzte, sondern eine eigene Rettungsaktion startete und damit gerade erst in diese Gefahr wieder hineinlief.
 


 

Soweit das neunte Kapitel.

Tamahato sieht das schon richtig. Junge und ältere Hunde sollten niemals unterschätzt werden. Da können sich alle noch auf einige Überraschungen gefasst machen.

Im nächsten Kapitel schauen wir, wo der vermisste Welpe und seine beiden jugendlichen Gefährten abgeblieben sind. Für die drei Naseweise dürfte es ja eigentlich erst recht nicht einfach sein in eine unterirdische Festung zu kommen. Mal sehen, ob und wie sie es trotzdem schaffen...

Über Kommentare freue ich mich sehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Minerva_Noctua
2010-05-11T13:52:27+00:00 11.05.2010 15:52
Hi!

Im vorletzten Absatz sind zwei Rechtschreibfehler.
Das Kapitel war gut.
Die Bezeichnung Angstfloh hat mir sehr gut gefallen.
Wie zum Henker spricht man Aoi aus? Au oder Ai oder wie man es liest?
Ich bange nun dem letzten Kapitel entgegen.
Du musst echt weiter schreiben!

Bye

Minerva
Von: abgemeldet
2008-05-15T14:46:15+00:00 15.05.2008 16:46
Tolles Kap^^
Die armen Gefangenen.... Was mit denen wohl noch passieren wird?
Mal gucken, ob es Sess und die anderen schaffen werden, der Spur der Angreifer zu folgen. Immerhin dürfte der Regen auch ihnen die Suche schwerer gemacht haben.
Freu mich schon auf dein nächstes Kap^^
Bye,
_Corchen_
Von:  Hotepneith
2008-05-12T07:52:06+00:00 12.05.2008 09:52
Ach du liebe Güte.
Da liegt noch einiges im Verborgenen, in das ältere und junge Hunde hineinlaufen können, und wohl auch werden, wie ich dich kenne. Die beiden Rettungstrupps werden sich wohl immer weider über den Weg laufen, ohne sich zu bemerken, denn wie soll Sesshoumaru seinen Papa finden, wenn der sich so tarnt? Ich fürchte, die drei Naseweise werden mitten in eine Party in der Festung platzen, ohne es zu merken^^


Mal sehen, wer eigentlich hinter allem steckt, aber das wird wohl noch lange nciht herauskommen.
Aoi jedenfalls scheint eine Verwandte besessen zu haben, an die sich der Herr der Hudne nur sehr ungern erinnert...( Die unglückliche Dame aus dem ersten Kapitel?)


bye

hotep
Von:  -Fluffy-
2008-05-10T15:05:21+00:00 10.05.2008 17:05
Hey:), das Kapitel hat mir wieder super gefallen. Bin aber noch nicht so richtig durchgestiegen. Ich muss es nochmal lesen. Aber eins wusste ich schon immer, Sess sollte man nie unterschätzen, weder in der einen noch in der anderen Hinsicht.

*Knuddel*, das Fluffel
Von:  Hrafna
2008-05-10T08:54:18+00:00 10.05.2008 10:54
Ich bin begeistert! *3*

Wirklich verdammt interessant, was du da für ein Intrigennetz aufgespannt hast, und es scheint, als würde das volle Ausmaß dieser Aktion noch im Verborgenen liegen.
Ich vermute derweil schon mal, dass Bundori oder einer seiner Untergebenen in der Festung (die übrigens ein geniales Flair erzeugt!) war. Dass der und seinesgleichen sich mit seltsamen Gestalten abgeben... Mittel zum Zweck?
Ich kann mir nur beschwerlich vorstellen, dass das Bundori sehr zusagt.

Und der Inu no Taishou kennt Aoi?
Woher...? War das nicht Kougas Mama?

Ich liebe alte Drachengeschichten, und diese sagenumwobene Burg macht echt was her. ^-^
Da hast du dir echt was Tolles einfallen lassen!

Sprachlich wieder top, hat mir sehr gefallen, und genauso gut finde ich, dass du anfangs Tamahatos und Kages Situation geschildert hast.
Sehr schön!

Ich freue mich unheimlich auf *me~ehr*!


Bless,
der Rabe


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