Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 19: ------------ „Kibo-Sama! Kibo-Sama!“ Ayashi erkannte Azusas Stimme und blieb kurz vor der Höhle stehen. Als sie die Tochter des Ältesten am Rand der Lichtung erblickte, wirkte sie verstört und aufgeregt. „Geht nicht hinein!“ rief sie außer Atem und stützte die Arme in die Seiten. „Geht nicht zu Midoriko!“ Midoriko. Die Tatsache, dass Azusa den Namen ihrer Mutter kannte und auch nannte, sandte einen Schauer über Ayashis Rücken. „Warum nicht?“ fragte sie und bemühte sich um innere Ruhe. „Unheil kommt von dort. Es bringt Unglück, wenn eine Miko diesen Ort aufsucht.“ entgegnete Azusa und näherte sich weiter. „Wer sagt das? Und weshalb?“ „Das ganze Dorf sagt das, nur meine Mutter glaubt daran nicht. Sie sagt, es sei Schicksal gewesen, dass Midoriko gerade in dieser Höhle starb. Es sei ihr Schicksal gewesen, aber es beeinflusse nicht das gesamte Dorf.“ „Sie hat Recht, Azusa.“ meinte Ayashi und drehte sich wieder zur Höhle um. „Nein, Kibo-Sama! Bitte nicht!“ rief Azusa und packte sie am Arm. „Was mein Vater Euch sagt, stimmte so nicht. Ihr seid nicht die erste Miko nach Midoriko, die in unserem Dorf weilte. Es gab eine, die nach ihr kam. Sie suchte die Höhle auf und kehrte besessen wieder zurück. Niemand konnte ihr helfen. Sie tötete sich selbst.“ Ayashi schwieg betroffen und blinzelte nachdenklich gegen die letzten Strahlen der Sonne. Schließlich meinte sie: „Midoriko hat das Leben der Menschen verteidigt. Dafür hat sie bereitwillig ihr Leben gegeben und alles hinter sich gelassen, was sie geliebt hat. Sie hatte eine Familie, wusstest du das Azusa? Sie hatte einen Mann, der sie liebte, und eine kleine Tochter, die sie brauchte, aber dennoch waren Pflichtgefühl und Verantwortung in Midoriko so groß, dass sie alles aufgegeben hat, was ihr etwas bedeutet hat. Sie hätte ignorieren können, was in der Welt geschah und noch einige Jahre leben können, doch dafür hat sie sich nicht entschieden. Sie mag sich geopfert haben, Azusa, doch ich bin mir sicher, dass es ihr selbst niemals so vorkam. Sie tat das Richtige. Midoriko ist die aufrichtigste und reinste aller Mikos. Darin lag wohl ihre überaus große Macht. Von ihr geht keine Gefahr aus, glaub’ mir.“ Azusa zuckte die Schultern und blickte zu Boden. „Der Dämon, den Midoriko besiegt haben soll, soll immer noch dort drinnen sein. Es soll noch leben und seine Macht soll jene erfassen, die die Höhle betreten.“ flüsterte sie ängstlich und streifte den Eingang der Höhle mit einem furchtsamen Blick. „Azusa! Du bist Dämonenjägerin und glaubst solche Ammenmärchen?“ rief Ayashi, doch konnte Azusa nicht davon überzeugen, dass es keinen Grund zur Sorge gab. „Bitte, geht nicht hinein, Kibo-Sama!“ flehte Azusa erneut und festigte den Griff um Ayashis Unterarm. Ayashi atmete tief durch und schloss die Augen. Sollte sie ihr sagen, dass Midoriko ihre Mutter gewesen war? Sollte sie ihr sagen, dass sie über einhundert Jahre und überhaupt keine Sterbliche war? Sollte sie ihr sagen, dass sie endlich sehen musste, wie ihre Mutter ums Leben gekommen war? Sollte sie ihr sagen, dass sie die Überreste ihrer Mutter, sollten welche da sein, entweder nach Hause bringen wollte oder zumindest hier respektvoll begraben wollte? Nein. Das konnte sie nicht. Sie war ein Mensch wie Midoriko es in ihren Augen gewesen war. Ayashi nickte also und folgte Azusa zurück ins Dorf, wo alle Dorfbewohner erleichtert schienen. Ayashi senkte den Blick und sah dann noch einmal zurück zum Tor. Sie würde ihre Mutter sehen – egal, was es sie kostete. Noch einmal würde sie sich nicht zurückhalten lassen. Mehrere Tage vergingen, ohne dass Ayashi einen erneuten Versuch unternahm, die Höhle aufzusuchen, denn dazu waren Azusas Blicke zu prüfend und ihre Gesellschaft zu aufdringlich. Eines Nachts jedoch löschte Ayashi die Feuerstelle in ihrer Hütte, nahm sich ihre Waffe und einen Umhang und schlich nach draußen. Sie huschte im Schatten an den Hauswänden entlang und verließ das Dorf unbemerkt, da die Wächter nicht aufmerksam waren und schliefen. Ayashi nahm wieder den Weg in den Wald hinein und kam an die Stelle, an der sie vor wenigen Tagen die Katzenyoukai gesehen hatte. Zögernd blieb sie stehen und blickte hinauf zum Mond, der gerade so viel Licht spendete, dass sie ihre Umgebung mit ihren begrenzten menschlichen Fähigkeiten sehen konnte. Ein Rascheln lenkte ihren Blick auf das Unterholz, wo taumelnd eine kleine Gestalt auftauchte, die plötzlich der Länge nach niederfiel und reglos liegen blieb. Ayashi ging vorsichtig und langsam auf das Wesen zu und erkannte in ihm Yaken, den ehemaligen Diener Inu-no-taishous. Ihr Herz schlug unregelmäßig und heftig. Inu-no-taishous ehemaliger Diener. Schnell kniete sie sich hinunter zu ihm und drehte ihn auf den Rücken. Sie musste ihm helfen. „Was tut Ihr da, Miko?“ fragte eine kühle Stimme hinter ihr. Ayashi hatte bemerkt, dass ein Mann – ein Youkai – hinter sie getreten war, also erschrak sie nicht, sondern erhob sich nur. „Ich versuche zu helfen.“ „Darum hat Euch niemand gebeten.“ entgegnete er. „Ist er Euer Diener?“ fragte Ayashi und vermied es, ihn anzusehen. Sie war sich sicher, dass er Sesshoumaru war, da Yaken gesagt hatte, er diene nun dem jungen Herrn, und sie erinnerte sich daran, dass sie sich immer gefragt hatte, wie er wohl aussehen und sein mochte, doch nun war sie nicht darauf vorbereitet, ihm zu begegnen. „Ja, das ist er.“ erwiderte er. „Nun, könnte Euer Diener noch sprechen, hätte er mich sicher um Hilfe gebeten.“ „Das bezweifle ich.“ widersprach er gleichgültig. „Zweifeln bedeutet nicht Wissen.“ gab Ayashi zurück und biss sich auf die Lippen. Sie sollte vorsichtiger sein, denn für ihn war sie lediglich ein lästiger Mensch – noch dazu eine Frau, die Dinge von sich gab, die ihr nicht zustanden. „Es ist Euer Diener, Herr.“ ergriff sie wieder das Wort. „Ein Diener…“ begann er, doch sie ließ ihn nicht ausreden. „Ein Diener ist ebenfalls ein lebendiges Wesen! Ihr als Youkai tragt die Verantwortung für die Gesundheit und das Leben derer, die Euch dienen. Dass Ihr Euren Gefolgsleuten mit Wohlwollen und Gerechtigkeit begegnet, Eure Verbündeten in der Schlacht schützt, Eure Familie gegen Feinde verteidigt oder auch nur Eure Diener gesund pflegen lasst, ist Euch eine grundlegende Pflicht.“ entgegnete Ayashi aufgebracht und wandte sich nun um. Sie beruhigte sich und lenkte sich durch Yakens Untersuchung von dem Gefühlschaos ab, das tief in ihr wie ein heftiger Orkan tobte. Sesshoumaru. Inu-no-taishous Sohn und Erbe. Der Youkai, der sie töten sollte. In Yakens Körper rauschte ein starkes Gift. Ayashi schloss für einen Moment die Augen und festigte ihre menschliche Aura. Es war leichter, die Vision der eigenen Mutter von der Hand zu weisen, wenn der potentielle Mörder weit weg und nicht in den Gedanken war. Jetzt, wo er hinter ihr stand und seine Augen in ihren Rücken bohrten, war das etwas anderes. Noch immer glaubte sie nicht Recht daran, doch was wenn… Energisch schüttelte Ayashi den Kopf und biss sich wieder auf die Lippen. „In der Nähe gibt es Kräuter, die ihm helfen werden, das Gift in sich zu besiegen. Wenn Ihr warten wollt, werde ich sie ihm besorgen.“ bot sie an und blickte flüchtig auf. Sie sah sein langes weißes Haar wehen und seine edle, aufrechte Gestalt. „Warum?“ fragte er schlicht und blickte aufmerksam zwischen die Bäume, als hätte er dort etwas erspäht. „Es ist meine Aufgabe, demjenigen zu helfen, der meine Hilfe benötigt.“ antwortete sie, erhob sie und sah ihm nun direkt in sein Gesicht. Seine Züge waren ebenmäßig und edel und erinnerten sie etwas an seinen Vater Inu-no-taishou, doch sie waren ruhiger und kühler. Das lange Haar, das sie vorhin bereits aus dem Augenwinkel gesehen hatte, glänzte im Licht des beinahe vollen Mondes. Seine Stirn zierte die Sichel eines abnehmenden, blauen Mondes. Und seine Augen… Ayashi schluckte und sah schnell zu Boden. Seine Augen funkelten wie zwei reine Bernsteine, in denen sie versank und sich verlor, sobald sie so unachtsam war und ihre Augen und ihre Sinne ihrer fesselnden Gefahr aussetzte. „Ich muss mich beeilen, sonst kann ich Eurem Diener nicht mehr helfen.“ meinte sie eher zu sich als zu ihm und ließ ihn stehen. Sie bewegte sich geschickt durch die Dunkelheit. Nach wenigen Augenblicken verschwand sie im Unterholz und eilte im Dickicht zu einer Stelle, von der sie wusste, dass sie dort die Heilkräuter finden würde. Sesshoumarus Gesicht folgten ihr in ihren Gedanken und ließen sie nicht mehr los. Sein Blick bohrte tief in ihre Seele, verankerte sich unendlich fest in ihrem Wesen, sodass ihr beinahe schwindlig wurde. Sesshoumaru. Sein Haar. Seine Gestalt. Sein Gesicht. Seine Haltung. Seine Augen… Ayashi presste die Lippen aufeinander, als ihr der Gedanke an seinen Duft in den Sinn kam, den sie in ihrer Gestalt kaum hatte wahrnehmen können. Der Geruch von Kampf und Tod hatte zwar schwach an ihm geklebt, doch darunter entfaltete sich ein wunderbarer, leichter und dunkler Duft, der ihr die Sinne vernebelte. Niemals zuvor hatte sie so etwas wahrgenommen. Sie wollte ihn einmal unverfälscht einatmen – gesäubert von anderen Düften und Gerüchen, nicht vermischt mit dem leichten Duft von Leder und Leinen, das er auf seinem Körper trug. Ayashi erschrak und schüttelte wieder heftig den Kopf, um diese Gedanken endlich zu beenden. Was dachte sie sich nur dabei? Es war gänzlich unmöglich! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)