Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Mitten in der Nacht wachte Ayashi von dem Geräusch lauter Stimmen auf. Sie brauchte einige Zeit, um sich zu orientieren. Ach ja, sie befand sich in ihrem Zimmer in Kyoto. Die Umzugskisten stapelten sich noch an einer Wand des Zimmers. Die eine Stimme gehörte Ayashis Mutter Koyuki, die andere erkannte sie nicht sofort. Sie überlegte eine Weile und dann schlug ihr Herz wie verrückt. Sie kannte diese Stimme! Sie wusste es, doch sie wusste nicht, woher sie diese Stimme kannte. Neugierig stand sie auf und tapste in den Flur hinaus. Nun war sie sich sicher. Sie schlich leise die Treppe hinunter und presste sich gegen die Wand. „Nun schreit euch nicht so an, oder wollt ihr, dass Ayashi euch hört?“ Das war die Stimme ihres Stiefvaters Nobutada. „Du verdirbst Ayashi nur, wenn du hier bleibst!“ fuhr Koyuki fort und achtete nicht auf ihren Mann. „Ich verderbe sie? Ich würde sie wenigstens nicht in dem Glauben lassen, ein normales Mädchen zu sein! Nehmt ihr nicht ihr wahres Wesen, denn daran ginge sie zugrunde!“ „Schluss! Ich will nichts mehr davon hören! Sie wurde in unsere Obhut übergeben und hier bleibt sie! Geh! Und komm’ nicht wieder zurück!“ meinte nun Nobutada. „Sie wird eines Tages die Frage stellen. Und dann seid ihr nicht vorbereitet! Der Tag wird kommen, an dem ihr Ayashi die Wahrheit sagen und sie ihren Weg gehen lassen müsst.“ Dann hörte sie Schritte. Erschrocken presste sie sich noch dichter an die Wand. Sie sah das dunkle Gewand einer jungen Frau, die schnell das Haus in die Nacht hinaus verließ. Ayashi verstand nichts mehr. Ihre Eltern unterhielten sich in der Küche weiter. „Es war doch richtig, Nobutada?“ „Sicher. Ayashi ist bei uns am besten aufgehoben. Wir geben ihr eine Familie und ein normales Leben.“ „Wir sind ihre Familie, ja.“ Dann schwiegen sie und Ayashi hörte wieder Schritte. Schnell und lautlos eilte sie die Treppe nach oben in ihr Zimmer und kauerte sich in ihrem Bett zusammen. Kurz darauf wurde leise ihre Türe geöffnet und Licht fiel herein. „Siehst du, sie schläft wie ein Murmeltier. Denk’ nicht mehr an Kodachi.“ meinte Nobutada leise zu Koyuki und schloss die Tür wieder. Kodachi . . . Kodachi. . . Wer war Kodachi? Am nächsten Morgen wachte Ayashi schon früh auf und setzte sich in ihrem Bett auf. Fröhlich blickte sie zum Fenster hinaus und sah zwei Vögeln zu, die sich auf einem Ast vor ihrem Fenster gegenseitig das Gefieder putzten. Dann stand sie auf, ging ins Bad, zog sich schnell an und wusch sich. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel und sie erinnerte sich an die vergangene Nacht. Sie erinnerte sich an die Worte der Frau: „Ich würde sie wenigstens nicht in dem Glauben lassen, ein normales Mädchen zu sein!“ War sie wirklich kein normales Mädchen? Sie überprüfte, was sie da im Spiegel sah: Sie hatte schwarzes hüftlanges Haar und ein ebenmäßiges Gesicht, das allerdings keinerlei japanische Züge aufwies. Auch keine europäischen. Es war ein seltsames und eigenartiges Gesicht, wie sie fand. Der Mund war von normaler Größe und die Lippen blutrot. Ihr Nase war ebenfalls normal, doch ihre Augen besaßen dichte lange Wimpern und was Ayashi als das Schlimmste empfand: Ihre Augenfarbe glich dem dunklen Grün eines Smaragds. Ayashi streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, und sah ihre weißen, geraden Zähne hervorblitzen. Sie öffnete den Mund und betrachtete ihre Schneidezähne, dann die Eckzähne und empfand sie als zu spitz. „Was treibst du denn so lange im Bad?“ „Nichts! Ich bin schon fertig!“ „Dann komm’ herunter! Es gibt Frühstück!“ Ayashi verließ das Badezimmer und hüpfte mit ihrem Schulranzen die Treppe hinunter. „Da hat aber jemand gute Laune heute!“ lachte Koyuki und küsste Ayashi auf die Stirn. Ayashi setzte sich an den Tisch und begann zu essen. „Ist Papa schon weg?“ „Ja. Er hat heute viel in der Firma zu tun.“ „Wer war die Frau gestern Abend?“ „Welche Frau?“ „Es war doch eine Frau hier. Ihr habt euch mit ihr gestritten.“ Koyuki drehte sich zur Spülmaschine und meinte: „Du musst geträumt haben. Hier war niemand außer uns.“ „Aber...“ „Hier war niemand. Und jetzt iss, sonst kommst du zu spät zur Schule!“ Ayashi tat, wie man sie geheißen hatte, aß ihren Teller leer und zog sich dann ihre Schuhe an. „Und sei vorsichtig im Straßenverkehr!“ „Bin ich immer, Mama.“ erwiderte Ayashi und verließ das Haus. Als sie am Mittag von der Schule nach Hause kam, traf sie auf den Priester ihrer Mutter. „Ist deine Mama nicht zu Hause? Wir waren verabredet, aber sie öffnet nicht.“ meinte er und erhob sich von den Eingangsstufen. „Doch. Sie müsste da sein.“ entgegnete Ayashi, holte ihren Schlüssel heraus und schloss die Wohnungstür auf. „Bleib’ hier, Ayashi!“ sagte der Priester, als er das Chaos in der Wohnung sah, und ging an ihr vorbei. Er durchquerte den Flur und ging in Küche und Wohnzimmer, dann in das Schlafzimmer der Eltern und schließlich in den oberen Stock, wo sich das Bad und Ayashis Zimmer befanden. Ayashi trat in die Wohnung, als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, und stellte fest, dass alles aus den Schränken und Regalen auf den Boden geworfen worden war. „Ayashi, kannst du denn nie tun, was man dir sagt?“ fragte der Priester und ergriff die Hand des kleinen Mädchens. „Mama.“ meinte sie einsilbig und ging auf eine Stelle im Wohnzimmer zu, die mit Blut betropft war. Etwas weiter weg sah der Priester hinter dem Sofa eine Frauenhand hervorragen und zog Ayashi aus dem Wohnzimmer, bevor sie sie sehen konnte. „Komm!“ sagte er bestimmt, nahm das Telefon mit nach draußen und setzte sich mit Ayashi wieder auf die Stufen. Dann wählte er die Nummer der Polizei und wenige Minuten später wimmelte es in der Wohnung von Polizeibeamten und Sanitätern. Doch für ihre Mutter kam jede Hilfe zu spät. „Ich gehe davon aus, dass Frau Sanada schon seit vier Stunden tot ist. Genaueres sowie die Todesursache kann ich erst nach der Obduktion sagen.“ hörte Ayashi den Gerichtsmediziner zum Kommissar sagen. Dann verließ er die Wohnung. „Mein Gott, kümmert euch doch endlich einmal um das Kind!“ rief der Kommissar dann und ging weiter seiner Arbeit nach. Ayashi wurde wieder nach draußen gebracht und von einer Polizeipsychologin beaufsichtigt. Ayashi sagte nichts, und antwortete auch nicht auf Fragen. Erst als der Priester sich wieder zu ihnen setzte, da die Aufnahme seiner Personalien erledigt war, setzte sie sich zu ihm auf den Schoß und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Beruhigend streichelte er ihren Kopf und wiegte sie sanft hin und her. Nobutada Sanada kam so schnell es ihm im Stadtverkehr möglich gewesen war. Er eilte an Ayashi, die er mit keinem Blick zur Kenntnis nahm, in das Haus. „Nun, ich weiß ja nicht, was das sonst für eine Familie ist, aber das empfinde ich doch als sehr seltsam.“ äußerte sich die Psychologin. „Es ist eine sehr gläubige Familie, Frau...“ „Kasuta.“ „Frau Kasuta.“ Kreidebleich stand Herr Sanada am Eingang und sah dem Sarg nach, der seine Frau in sich trug. Dann fiel sein Blick auf Ayashi, die ihn aus ihren grünen Augen ansah und meinte: „Das ist deine Schuld.“ „Herr Sanada!“ entgegnete der Priester entsetzt. „Ich will sie nicht mehr sehen! Sie soll gehen!“ Ayashi erhob sich und ging. „Wie können sie gerade jetzt so grausam sein? Sie ist ihre Tochter!“ „Sie war nie meine Tochter! Nehmen sie sie mit! Ich will sie nie wieder sehen!“ schrie Nobutada. Ayashi drehte sich nicht mehr um, sondern ging weiter. Eine seltsame Gleichgültigkeit hatte sie erfasst. Sie verstand sie nicht, doch sie tat ihr gut. Sie ließ Nobutada Sanada für lange Zeit hinter sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)