Bittersweet Symphony von Erdbeermuffin (Gut Ding braucht Weile, letztes Kapitel on XD) ================================================================================ Kapitel 3: ~Zwischenspiel~ -------------------------- III. Zwischenspiel: Ein Hauch von Sommer Die Geschichte ist schon uralt und fast hatte ich sie vergessen, doch aus irgendeinem Grund erinnere ich mich wieder daran. Ich habe in dem Moment an sie gedacht als ich mich an der Rose gestochen und das Blut gesehen habe. Es war im Sommer meines zwölften Lebensjahres. Mein Großvater besaß ein Gut in Hambleton, nördlich von London, wo wir oft den Sommer verbrachten. Das Gut lag direkt an einem großen See, sodass man dort einfach wunderbar schwimmen gehen konnte. Auch im besagten Sommer haben wir ihn wieder besucht. Man muss dazu sagen, dass ich meinen Großvater sehr gerne hatte. Er war so anders als meine Eltern, die nur meinen Bruder sahen. Mein Großvater war immer für mich da und er hat viel mit mir gespielt als ich noch klein war. Bei unserer Ankunft war es einfach ein herrliches Wetter. Einen Großteil der Strecke haben wir mit dem Zug zurückgelegt und das letzte bisschen sind wir mit der Kutsche gefahren. Auch mein Großvater besaß einen Rosengarten, welcher allerdings viel größer war als unserer und auch wesentlich bunter. Es war der Ort an dem ich am meisten anzutreffen war während unseres Aufenthaltes. So auch an einem Nachmittag. Der Tag war einfach herrlich, wunderbar sonnig und keine einzige Wolke trübte das strahlende Blau des Himmels. Mit einem Buch bewaffnet hatte ich mich draußen beim Rosengarten in der Nähe des Hauses auf eine Decke gelegt und gelesen. Die Luft roch nach Sommer und frisch gebackenen Apfelkuchen, der zum auskühlen auf dem Fensterbrett der Küche stand. Bei einem Windstoß wehte gelegentlich ein betäubender Rosenduft zu mir herüber. Vor nicht allzu langer Zeit hatten meine Großeltern einen jungen Gärtner angeworben, der nun bei ihnen arbeitete. Er war ziemlich groß, um die 18 Jahre alt und hatte rehbraune Augen, die perfekt mit seinem braunen Haar harmonierten, welches leicht golden schimmerte, all je nachdem wie der Lichteinfall war. Auch an diesem Nachmittag arbeitete er wieder und irgendwie tat er mir Leid, weil er sich in dieser Hitze so abmühen musste. Wenn ich ihm mal nicht dabei zusah wie er die Rosen beschnitt oder in der Erde rumbuddelte, war ich vollkommen in mein Buch vertieft und ausgerechnet in einem solchen Moment erwischte er mich. „Entschuldigt die Frage, Ihr seid doch der junge Ray Morrington, oder?“ fragte er lächelnd auf seinen Sparten aufgestützt und sah zu mir herunter. Verwirrt blinzelnd sah ich ihn an und nickte nur. „Hab ich mir gedacht. Euer Großvater hat mir einiges von Ihnen erzählt. Ich bin John, der Gärtner hier. Tut mir Leid, dass ich Euch gerade unterbrochen habe.“ „Nicht so schlimm… ich... wollte so wieso eine Pause machen.“ Winkte ich, nun ebenfalls lächelnd, ab und setzte mich auf um besser zu ihm hoch schauen zu können. “Sie sind aber noch nicht allzu hier, oder?“ fragte ich ihn dann, war mir durchaus dessen bewusst, dass ich einen Angestellten nicht siezen musste, doch weil er älter als ich war schien es mir nur angebracht zu sein. „Nein, ich wurde erst vor kurzem eingestellt und bin jetzt jeden Tag hier. Die Bezahlung ist nicht schlecht.“ Erklärte er und gähnte kurz ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. „Sorry, na ja ich muss jetzt weiter arbeiten. Man sieht sich bestimmt noch öfter, wenn Ihr fast den ganzen Sommer hier verbringt.“ Verabschiedete er sich gut gelaunt und verschwand zwischen den Hecken. Es war wirklich reichlich ungewöhnlich einen Arbeiter zu sehen, der so dermaßen guter Dinge war und auch noch so eine Herzlichkeit dabei ausstrahlte. Die meisten Menschen waren frustriert und schlecht gelaunt, nicht zuletzt wegen der „Großen Depression“ (1873-1896), welche vor allem die Landwirtschaft betraf, doch John schien von alledem nicht stark betroffen zu sein. Als Angestellter beim Adel hatte man es ohnehin leichter, nicht zuletzt aufgrund der recht guten Bezahlung. Während unseres Aufenthaltes in Hambleton begegnete ich John noch oft genug und wenn wir uns sahen erzählte er mir viel über Pflanzen und ihre Eigenschaften. Wie die Meisten der unteren Schichten konnte er nicht richtig lesen und schreiben, nur das Nötigste, was er für seinen Beruf benötigte, doch dafür hatte er viele andere Talente, die mich wirklich beeindruckten, da er vor allem körperlich eine Menge leistete und durch die ganze Arbeit sehr athletisch gebaut war. Leider geht auch die schönste Zeit einmal vorbei und so war es auch in diesem Sommer. Den letzten tag verbrachte ich viel mit Schwimmen im See und am Abend, es war schon dunkel, saß ich draußen auf einer Bank, nahe des Gewässers und beobachtete wie die Sonne verschwand. „Ihr müsst morgen schon abreisen, nicht wahr?“ fragte auf einmal eine freundliche Stimme hinter mir, doch aufgrund meiner geistigen Abwesenheit erschrak ich etwas und drehte mich zu der Stimme um. Lächelnd schaute ich in Johns rehbraune Augen und nickte leicht. „Ja, leider. Die Zeit hier ist wieder einmal zu schnell vergangen.“ Antwortete ich seufzend und beobachtete wie er sich neben mich setzte. Dabei fiel mir vor allem seine linke hand auf, die er hinter seinem Rücken versteckt hielt. Hatte er sich bei der Arbeit vielleicht verletzt? Eine Weile schwiegen wir einander an und beobachteten das Wasser, doch es war keine unangenehme Stille, die sich über uns legte. Erst nach einer Weile ergriff John wieder das Wort und sah mich von der Seite an, beobachtete ich die Beine von der Bank baumeln ließ. „Seid ihr traurig darüber wieder nach Hause zu müssen?“ fragte er schließlich und wandte seinen Blick wieder ab. „Irgendwie schon… ich freue mich immer, wenn ich hier sein kann, aber es ist doch etwas anderes als zu Hause.“ Antwortete ich ihm und sah auf den grasigen Boden. In der Zeit, die ich hier verbracht habe, hatten John und ich uns gewissermaßen angefreundet und es war schon traurig, dass ich nun gehen müsste. Zwar war der Altersunterschied zwischen uns relativ groß, doch es tat unseren freundschaftlichen Gefühlen keinen Abbruch. Auf einmal sah ich etwas Dunkelrotes vor meinen Augen und blinzelte. „Ist das…“ zögerlich nahm ich den schlanken Stängel zwischen die Finger. Es war eine karminrote Rose. Diese stehen bekanntlich für Trauer. Das wusste ich von John, der mir einiges über Rosen erzählt hat und ihre Farbsymbolik. Das Gleiche gilt auch für andere Blumen. Jede Blume hat ihre eigene Bedeutung, selbst die Farbe und die Anzahl der Blumen, die man jemandem schenkt. Eine Blume bedeutete soviel wie: „Du bist mein ein und alles.“ Allerdings nahm ich nicht an, dass ich sein ein und alles war. Bestimmt wollte er nur nicht, dass es zu kitschig wurde. „Ist diese Blume wirklich für mich?“ fragte ich leise, obwohl das ja offensichtlich war. John nickte kaum merklich. „Sicher doch. Ihr werdet ja jetzt eine Weile weg sein und es wäre doch schade, wenn Ihr mich vergessen würdet… oder nicht?“ auch ich nickte leicht und strich den Stängel entlang. Die Stacheln waren abgeknipst worden, damit ich mich nicht verletzen konnte, doch einen hatte er wohl vergessen, denn auf einmal zuckte ich zusammen und nahm den Finger in den Mund. „Ach, Mist…“ grummelte ich und nuckelte an meinem Zeigefinger herum. „Wartet, lasst mich mal sehen.“ Sogleich nahm der Gärtner meine Hand in die seine und schaute sich den kleinen roten Punkt an, der immer größer wurde. „Das tut mir Leid…“ murmelte er. „Ich dachte, ich hätte sie alle abgeschnitten.“ Langsam führte er meine Hand zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf meinen Finger. Aus irgendeinem Grund schoss mir die rote Farbe ins Gesicht und ich entzog meine Hand schnell seinem Griff. „Das… ist nicht schlimm!“ entgegnete ich hektisch und stand auf. „Aber ich muss jetzt gehen, weil… weil ich noch meinen Koffer packen muss. Entschuldige mich.“ Das war das erste Mal, dass ich ihn geduzt hatte, doch ich konnte nicht darüber nachdenken. Ich konnte einfach nur rennen und das so schnell mich meine Füße trugen. Die Rose hielt ich fest umklammert. Zwar hatte ich mir in meiner kindlichen Unschuld nichts Schlimmes dabei gedacht, doch es hatte sich komisch angefühlt und die Tatsache, dass ich so rot geworden war, hatte mich zusätzlich verunsichert. Als wir am nächsten morgen in die Kutsche stiegen musste ich zu meinem enttäuschen feststellen, dass John nicht gekommen war um sich zu verabschieden und auf einmal tat es mir Leid, dass ich am Vorabend einfach weg gelaufen war, doch die Rose hatte ich noch immer. Mit der Zeit vergaß ich diese Geschichte jedoch und auch John trat immer mehr in den Hintergrund. Im Jahr darauf war er schon nicht mehr da. Als ich fragte wo er sei, erzählten meine Großeltern mir er sei im Winter an einer sehr starken Grippe gestorben. Ich war wirklich betroffen deswegen und es tat mir nur noch mehr Leid, was im Vorjahr passiert war. Trotzdem vergaß im Laufe der Jahre diese Geschichte wieder. Doch auf einmal erinnerte ich mich wieder an sie und als ich zu dem Blumenstrauß auf meinem Fensterbrett blickte spürte ich einen Hauch von Sommer in meinem Zimmer und das machte mich unendlich glücklich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)