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Die Magie der Musik

von

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Kapitel 50
 

Daniel schlug einmal kräftig auf das Wasser ein und ließ sich dann kraftlos in die Wanne sinken. Einige Zeit blieb er an den Boden geschmiegt liegen und konzentrierte sich nur auf das dumpfe Rauschen in seinen Ohren und die Wärme um sich herum. Seine Gedanken schaltete er vollkommen ab. Als er jedoch die Luft nicht länger anhalten konnte, tauchte er zwangsweise wieder auf, obwohl er am liebsten für immer dort unten geblieben wäre. Mit dem ersten Atemzug der im Vergleich zum Wasser recht kalten Luft, kamen auch die Zweifel wieder.
 

Erschöpft lehnte Daniel sich gegen den Wasserhahn. Serdall war also noch verheiratet. Wie konnte man noch verheiratet sein, aber eine neue Beziehung führen? Für Daniel ließen sich diese zwei Punkte nun einmal nicht vereinbaren. Natürlich hätte Serdall ihn nie geliebt, wenn seine Frau noch am Leben gewesen wäre, aber sie war tot. Irgendwann musste er doch mal mit diesem Thema abschließen, allein schon, um wieder wirklich unbeschwert leben zu können. So schwer es Daniel fiel, aber die Liebe von Serdall, die er momentan bekam, diese geteilte Liebe, bei der er sich so fühlte, als würde er das kleinste Stück abbekommen, reichte ihm tatsächlich nicht. Er musste nachdenken. Gerade brauchte er etwas Abstand, um in Ruhe seine Gedanken zu ordnen. Sie hatten zwar so viel durchgemacht, aber er würde diesen Zustand auf Dauer wohl nicht verkraften.
 

Dumpf und mit hängendem Kopf stieg Daniel aus der Wanne und griff sich das größte Badetuch, das er finden konnte. Er verließ das Badezimmer und zwang sich, seinen Blick nicht länger als nötig war auf Serdall ruhen zu lassen. Nur kein schlechtes Gewissen jetzt. Er musste sich erst einmal selbst über sich und seine Gefühle klar werden. Ohne sich anzuziehen verließ Daniel Serdalls Zimmer. Etwas unschlüssig stand er einen Moment später vor der Tür. Kurz überlegte er, ehe er sich in Richtung Gästezimmer in der zweiten Etage wandte.
 

Es schnürte Serdall die Kehle zu als er hörte, wie Daniel den Raum verließ. Sein Herz begann sich sofort krampfhaft und schmerzlich bemerkbar zu machen, doch Serdall konnte nichts anderes tun, außer still dazusitzen. War Daniel endgültig weg? War es aus zwischen ihnen? Sein Magen begann sofort zu rumoren und Serdall schaffte es fast nicht schnell genug zum Bad, bevor er sich übergab. Das überlebte er nicht, wenn Daniel wirklich ihre Beziehung beenden würde. Kraftlos wusch sich Serdall den Mund aus, ließ das große Handtuch von seinem Körper gleiten und ging zurück in sein Schlafzimmer, um sich aus seinem Kleiderschrank warme Sachen zu suchen. Ohne Daniel war ihm unwahrscheinlich kalt und er fühlte sich plötzlich so schrecklich klein.
 

Wieso hatte er auch Daniel nur gefragt, was er darüber dachte? Wie dumm war Serdall denn nur? Er war doch sonst nicht so ein Idiot. Er hätte dieses Thema wie immer einfach mit einem Nicken abtun müssen und es mit sich selbst klären sollen. Das Thema war doch nun wirklich nicht eines von der Sorte, das er mit Daniel bereden sollte. Mit Dustin, ja, aber nicht mit Daniel, der es nicht nachvollziehen konnte wie er dachte…
 

Ratlos sah sich Serdall im Raum um. Ohne Daniel war er wieder die kleine, leere Vorhölle, die er nach Louises Tod geworden war. Über sich selbst und seine bescheuerten Gedanken den Kopf schüttelnd, wollte Serdall das Schlafzimmer ebenfalls verlassen, hielt jedoch inne, als Kimba plötzlich auf ihn zugelaufen kam. Wortlos nahm er die Hündin auf den Arm und ging nach unten ins Wohnzimmer. Er braucht einen Scotch. Serdall seufzte. Wohl eher die ganze Flasche. Dennoch machte er sich die Mühe, ein Glas mitzunehmen, ehe er eins nach dem anderen gefüllt mit der braunen Flüssigkeit herunterstürzte. Kimba legte solidarisch blickend ihre Schnauze auf Serdalls Schoß und jener lächelte bitter. Wie sollte das mit Daniel nur weitergehen?
 

Schon nach kurzer Zeit hatte Daniel festgestellt, dass das Gästezimmer, neben dem Dustin und Ethan es gerade lustig miteinander trieben, nicht die beste Lösung gewesen war. Bei dem Stöhnen, das durch die Wand drang, konnte wohl keiner vernünftig denken und Daniels Gedanken wanderten obendrein noch zu anderen Erlebnissen, die er mit Serdall gehabt hatte, was er gerade wirklich nicht brauchen konnte. Etwas apathisch erhob er sich wieder vom Bett und ging nach draußen vor die Tür. Die dritte Etage war schlecht. Viel zu nah an Serdall, wer wusste schon, was der gerade so machte? Hier wollte Daniel auch nicht bleiben, ebenso wenig im Badezimmer. Es war gut möglich, dass Ethan und Dustin diesen Raum auch noch zweckentfremdeten.
 

Seufzend ging Daniel nach unten und stoppte auf der Treppe, als er den schwachen Lichtschein aus dem offenen Spalt der Wohnzimmertür dringen sah. Serdall war also unten. Wohnzimmer und Küche waren somit tabu. Nachdenklich drehte Daniel sich einmal um sich selbst. Er wollte nicht mit Serdall konfrontiert werden. Noch nicht zumindest. Er musste über einige Dinge nachdenken, bei denen Serdall momentan einfach störte. Einem Impuls folgend ging Daniel zur Abstellkammer, ließ das Licht aus und setzte sich in der fast kompletten Dunkelheit auf den Boden, das Handtuch fester um sich schlingend. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Hier konnte er erst einmal bleiben. Seine Gedanken verselbstständigten sich und zeigten ihm Bilder von sich und Serdall, von dem, was sie vor ein paar Tagen in diesem Raum getan hatten.
 

Hart biss sich Daniel auf die Lippe und dachte an etwas Anderes. Er fragte sich, wie er weitermachen sollte. Er konnte nicht mit Serdall zusammen sein und gleichzeitig wissen, dass er immer hinter Louise zurückstehen würde. Andererseits konnte er sich auch schlecht von Serdall trennen. Einer dieser Lösungsansätze schien allerdings notwendig zu sein. Jetzt stellte sich für Daniel nur die Frage, was von beidem er bevorzugte. Er lachte kalt auf. Wie wäre es mit gar nichts von alldem? Daniel rutschte seufzend weiter am Regal herunter. Er musste noch einmal wirklich in sich gehen.
 

Verwirrt zog Serdall die Augenbraue nach oben, als Kimba plötzlich den Kopf hob und vom Sofa sprang. Sie lief, mit wedelndem Schwanz zur Wohnzimmertür und drückte ihre Schnauze so in den Spalt, dass er sich weiter öffnete und sie ihren Körper hindurchzwängen konnte. Stirnrunzelnd folgte Serdall der Kleinen, die ihn zur Abstellkammer brachte, vor der sie sich traurig blickend setzte und jammernd mit den Pfoten an das Holz tapste.
 

„Was ist denn?“, fragte Serdall genervt und schnappte sich Kimba, die sich nun wild in seinen Händen Wand und wieder zur Tür wollte. Seufzend setzte er sie wieder auf den Boden. „Da ist doch nichts“, murrte Serdall leise und öffnete die Tür der Kammer. Das Licht einschaltend wollte er Kimba zeigen, was wirklich in der Abstellkammer war und war sichtlich überrascht, als die kleine goldfarbene Hündin auf einmal auf Daniel stieß und sich freudig an ihn warf.
 

Erschrocken blinzelte Daniel gegen die plötzliche Helligkeit an und starrte auf Serdall. Er hätte nie gedacht, dass sein Freund ihn hier finden würde, immerhin ging er sonst nie in die Abstellkammer, aber scheinbar hatte Kimba ihn verraten. Daniel fing seine Hündin auf, die auf seinen Schoß sprang. Das Handtuch rutschte ihm von den Schultern und die doch recht kalte Luft im Raum ließ Daniel frösteln.
 

„Was willst du hier?“, fragte er Serdall und umarmte Kimba leicht, die sich an seine warme Brust geschmiegt hatte.
 

„Ich bin nur Kimba gefolgt“, murmelte Serdall und versuchte den Schmerz zu ignorieren, der bei Daniels kalter Stimme durch ihn hindurch gefahren war. Besorgt blickte Serdall auf Daniels Arme, auf denen sich eine starke Gänsehaut bildete. Serdall wandte sich ab, ging zurück ins Wohnzimmer und holte die zusammengelegte Decke vom Sofa. Seufzend ging er zurück in die Abstellkammer und hockte sich vor Daniel hin, während er die Decke um dessen Schultern legte.
 

„Du frierst“, flüsterte Serdall leise auf Daniels fragendes Gesicht hin. Traurig blickend stand Serdall wieder auf. Er konnte dem Drang nicht wiederstehen, Daniel durch die Haare zu streichen, zog jedoch schnell seine Hand zurück, als er es kurz getan hatte. Die Hände zu Fäusten ballend wandte sich Serdall von Daniel ab und verließ die Kammer. Er konnte nicht in einem Raum mit ihm sein. Nicht jetzt. Er wollte ihn einfach nur in den Arm nehmen, ihm sagen, dass er ihn liebe, aber Daniel akzeptierte das wohl nicht, denn es war nicht ausreichend. Daniel wollte alles, wie es schien. Wieder setzte sich Serdall auf das Sofa und trank seinen Scotch weiter.
 

Daniel blieb mit Kimba im Arm zurück. Scheinbar hatte Serdall kein gesteigertes Interesse daran, diese Sache möglichst schnell zu klären. Er machte sich zwar ein wenig Sorgen um ihn, das war momentan aber scheinbar alles. Daniel fand, dass es dieses Mal nicht an ihm war, den ersten Schritt auf Serdall zuzumachen. Schließlich war er es nicht, von dem momentan die Probleme ausgingen und der die Situation noch einmal überdenken musste.
 

Leicht ächzend stand er mit Kimba im einen Arm und die Decke und das Handtuch mit der anderen Hand um sich raffend auf. Wenn Serdall ohnehin wusste, wo er war, machte es keinen Sinn, länger an diesem kalten, unbequemen Ort zu bleiben. Er stieg die Treppen hinauf und ging jetzt doch in das Gästezimmer in der dritten Etage. Dort legte er Kimba erst einmal ab, bevor er einen kurzen Abstecher in Serdalls Zimmer machte und sich etwas anzog, ehe er wieder zurückging und sich ebenfalls ins Bett kuschelte. Sollte Serdall kommen, wenn er wollte, dachte Daniel trotzig und schloss die Augen. Im gleichen Moment fiel ihm auf, wie kindisch er sich benahm, aber er konnte und wollte in dieser Situation nicht anders. Er drückte Kimba an sich und fiel in einen leichten Schlaf.
 

Serdall sah kraftlos in die braune Flüssigkeit und stellte das Glas schlussendlich auf den Tisch. Wieso hatte er Daniel nur gesagt, dass er immer noch der Überzeugung war, mit Louise verheiratet zu sein? Sie war tot, Serdall fühlte sich nur noch viel zu sehr verbunden mit ihr. Daniel würde nie verstehen, wie es war, wenn man die erste große Liebe verlor. Aber Serdall selbst war wohl der Idiot, der versucht hatte, mit Daniel darüber zu reden. Da war es nur verständlich, dass Daniel Angst bekam und ihm nicht folgen konnte. Aber hier ging es um Louise! Was erwartete Daniel denn?
 

Wütend ballte Serdall die Hände. Durch den Alkohol fühlte er sich gestärkt genug, um Daniel entgegenzutreten, ohne dass er bei den Gedanken an Louise und ihren Tod selbst wieder in erneute Trauer verging. Sich fassend stand Serdall auf. Daniel war nach oben gegangen. Serdall steuerte auf seinem Weg das Gästezimmer in der zweiten Etage an, doch fand es nur leer vor. Im Schlafzimmer war Daniel auch nicht. Allmählich befürchtete Serdall, dass Daniel gegangen war, ohne dass er es mitbekommen hatte, doch er fand ihn schließlich in dem anderen Gästezimmer. Zusammen mit Kimba lag er in die Decken gehüllt und schien zu schlafen. Seufzend setzte sich Serdall neben ihn strich mit den Fingern über Daniels Wange. Er lächelte schief, als Daniel ein Auge öffnete und zog die Hand zurück.
 

„Liebst du mich noch, Daniel?“, fragte er leise und fasste nach Daniels Hand, um sie zu umschließen. Daniel war noch leicht benebelt vom Schlaf, doch die Frage brannte sich dennoch in sein Hirn. Wie konnte Serdall daran zweifeln? Warum sollte er ihn nicht mehr lieben? Das Geständnis, dass Serdall es war, der noch jemanden scheinbar mehr liebte, änderte doch nichts an seinen Gefühlen für ihn.
 

„Natürlich“, murmelte Daniel und strich leicht mit dem Daumen über Serdalls Handfläche. Kurz überlegte er, doch dann beschloss er, dass es das Beste wäre, wenn sie diese Sachen zwischen ihnen aus der Welt schaffen würden. „Was bin ich für dich?“, wollte er wissen.
 

Serdall seufzte leicht. Was war Daniel genau für ihn? Wie sollte er das, was er empfand, in Worte fassen, sodass Daniel es ihm auch glauben würde? Jedenfalls war er sehr erleichtert, dass Daniel ihn dennoch liebte, nur wie lange? Wie es schien wollte sein Freund, dass er sich entschied.
 

„Du bist mein Freund, mein Geliebter. Ich liebe dich und du bist keine billige Affäre. Wie auch? Sie ist tot, daran gibt es nichts zu rütteln und auch nichts zu verheimlichen.“

Schwer schluckte Serdall nach diesen Worten. „Ich will dich nicht verlieren, Daniel“, murmelte er leise und sah ihn traurig an. Beide Hände schlossen sich nun um Daniels eine. „Du weißt gar nicht, wie viel du für mich bist. Was du mir wirklich bedeutest. Wenn ich dich auch noch verlieren würde, würde ich das nicht überstehen.“
 

Lange Zeit sah Daniel auf ihre Hände. Er wusste, dass Serdall ihn liebte. Serdall hätte sich nie mit ihm eingelassen, wenn er es nicht wirklich ernst gemeint hätte und vollkommen von dieser Liebe überzeugt war. Doch wie viele Personen konnte man gleichzeitig lieben, ohne dass eine von ihnen zu kurz kam oder sich vernachlässigt fühlte? Er fragte sich, wie tief Serdalls Liebe zu ihm tatsächlich ging. Daniel hob den Kopf und sah seinem Freund in die Augen.
 

„Ich weiß, dass du mich liebst“, meinte er. „Und ich liebe dich auch. Von ganzem Herzen. Aber liebst du mich wirklich so sehr, dass du die Vergangenheit hinter dir lassen kannst?“ Fragend sah er Serdall an.
 

„Du willst, dass ich Louise vergesse?“, erwiderte Serdall geschockt und biss sich auf die Unterlippe. „Das kann ich nicht“, meinte er leise und sah zur Seite. „Aber ich liebe dich so sehr, dass ich mit dir meine Zukunft verbringen will. Ich vergleiche dich nicht mit Louise und ich erwähne sie in deiner Gegenwart auch nicht. Also lass mir meine Frau und meine Erinnerungen“, meinte er leise und sah Daniel ernst ins Gesicht.
 

„Ich will nicht, dass du sie vergisst“, erwiderte Daniel fest. „Wie könntest du auch. Selbst an meine verstorbenen Großeltern erinnere ich mich noch und unser Verhältnis war nicht im Geringsten so extrem wie das zwischen dir und deiner Frau. Ich will nicht, dass du sie vergisst, aber ich möchte, dass du dich in gewisser Hinsicht entliebst. Ich bin hier, sie ist es nicht. Mich könntest du heiraten, aber nicht, wenn du denkst, dass du noch mit ihr verheiratet bist. Es klingt klischeehaft und vielleicht grausam, aber entweder, du machst so weiter wie bisher und entscheidest dich für deine verstorbene Frau, die nur noch in deinen Gedanken weiterlebt oder du änderst dich und entscheidest dich für mich. Ich kann so jedenfalls nicht mehr weitermachen.“
 

Daniel standen die Tränen in den Augen. Seine Zukunft lag in Serdalls Händen und er hatte Angst, dass er seinem Freund damit zu viel aufbürdete. Aber er konnte nicht mit Serdall zusammen sein wenn er wusste, dass er noch so extrem an seiner verstorbenen Frau hing. Es klang vielleicht egoistisch, aber er wollte das Zentrum von Serdalls Liebe sein.
 

Serdall schüttelte den Kopf. Was verlangte Daniel da nur von ihm? Verstand er nicht, dass er ihm schon so vieles gab? Serdall schwirrte der Kopf vom Alkohol und er strich sich fahrig mit einer Hand über die Stirn und schloss die Augen ein paar Mal. Kälte breitete sich bei Daniels Worten in ihm aus. Entlieben… Serdall lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sah Daniel nicht, dass es wohl ganz allein ginge, dass Serdall sich nach und nach immer mehr in ihn verlieben würde? Serdall war froh, dass er soviel Scotch getrunken hatte. So konnte er wenigstens etwas klarer denken, ohne seine lästigen Gefühle.
 

„Ich verstehe nicht, wieso du das von mir verlangst“, murmelte er leise. „Gut, ich gebe zu, dass ich das vorhin blöd ausgedrückt habe. Sie ist tot, ich bin nicht verheiratet, sondern nur verwitwet“, zischte er leise und unterdrückte den Schmerz in sich, bei diesen Worten. Er hasste es, wenn er einfach nur rein realistisch sein musste, total emotionslos. Doch jetzt hatte er wohl so zu handeln, um Daniel bei sich zu behalten. „Was willst du denn noch? Ich hatte nicht den Eindruck, dass du bisher unzufrieden warst“, sagte Serdall und sah Daniel in die Augen.
 

„Ach, jetzt auf einmal bist du nur noch verwitwet, ja? Vielleicht vor dem Gesetz und in der ganzen beschissenen Bürokratie, aber nicht vom Gefühl her. Und das ist es, worauf es mir ankommt. Versetz dich doch mal in meine Lage. Ich hatte schon von Anfang an das Gefühl, dass deine Frau dir nach den zwei Jahren immer noch viel zu viel bedeutet. Mit jedem Tag wird mir das deutlicher, je mehr du dich mir öffnest. Wie würdest du es finden, wenn ich andauernd an…“, Daniel suchte nach einem passenden Vergleich, fand aber natürlich nichts halb so Glaubhaftes, weswegen er auf das Naheliegende zurückgriff. „…wenn ich andauernd an David denken würde. Du bekommst mit, dass ich an ihn denke, kannst aber nichts dagegen machen. Du merkst, dass er mir extrem wichtig ist und ich ihn noch unheimlich liebe, auch nach unserer Trennung, aber du kannst nichts machen. So fühle ich mich. Nur, dass David noch am Leben ist aber Louise nicht mehr. Ich kann mich nicht mit einer Verstorbenen messen. Ich kenne sie noch nicht mal. Ich habe keine Ahnung, welche Charaktereigenschaften sie hatte, die du an mir vermisst.“
 

Serdall sah weg. War es wirklich noch so schlimm, dass Daniel es bemerkte? Er gab ja zu, dass er über Louise nicht hinwegkam, aber das konnte er auch einfach nicht. Sie war so plötzlich aus seinem Leben getreten, da war die Trauer um einiges heftiger, als wenn sie an einer Krankheit oder so gestorben wäre, wo man sich vielleicht an den Gedanken gewöhnen könnte. Aber dieser Verlust, er saß so tief in Serdall, dass er es wohl nie könnte.
 

„Ich habe nie gesagt, dass ich an dir irgendetwas vermisse. Ich vermisse sie und ich habe nie von dir verlangt, dass du dich in irgendeiner Weise mit ihr messen müsstest. Das wäre schlichtweg kindisch und unreal“, meinte Serdall ernst und zog die Augenbrauen zusammen. Er dachte über Daniels Schilderung mit David nach. Er verstand irgendwie, dass Daniel auf gewisse Weise wohl eifersüchtig auf Louise war. Aber was sollte Serdall denn machen? Sie einfach aus seinen Gedanken streichen war ja wohl kaum möglich. Wie sollte er denn seine Gefühle ändern? Dachte Daniel überhaupt darüber nach? „Und ich kann deine Ansicht etwas verstehen, aber ich kann dir nicht helfen. Louise ist ein Teil von mir, ob du es willst oder nicht. Was du von mir verlangst, kommt schon dem nahe, wenn von mir einer verlangen würde, dass ich dich plötzlich nicht mehr lieben solle. Ich kann meine Gefühle nicht auf Zwang ändern. Da gehe ich kaputt.“ Seine Stimme zitterte immer mehr zum Ende hin und Serdall strich sich verwirrt durch die Haare. Was machte er hier nur? Warum war es plötzlich wieder so kompliziert mit Daniel?
 

„Ich verlange nicht von dir, dass du von jetzt auf gleich keine Gefühle mehr für sie haben sollst“, erwiderte Daniel wieder etwas ruhiger. „Mir ist klar, dass das nicht geht. Vor allem bei dir nicht. Du bist einfach ein viel zu emotionaler Mensch. Aber es scheint mir oft so, als würdest du sie zwanghaft festhalten. Aber du musst die Vergangenheit auch irgendwann mal ruhen lassen und nach vorne sehen. Streng dich einfach an, sie zumindest etwas weiter in den Hintergrund zu stellen. Nimm deinen Ehering ab, damit wäre wenigstens schon der erste und offensichtlichste Schritt getan. Du hast doch jetzt mich. Ich helfe dir dabei.“
 

Daniel ließ nun ebenfalls seine zweite Hand zu Serdalls gleiten und strich nun über beide Handrücken gleichzeitig. Nachdenklich sah er auf ihr Fingerspiel. Serdall musste endlich loslassen. Es war für keinen von Vorteil, wenn er derart extrem an allem Vergangenen festhielt. Es machte ihn fertig und so viele andere ebenfalls.
 

Er sollte ihn abnehmen? Serdall sah auf dieses Schmuckstück. Nur ein Ding, aber es hing so viel von Louise daran. Der Musiker hob das Gesicht und sah erneut zu Daniel. Das schöne Gesicht, die himmelblauen Augen, der kleine Leberfleck auf der Wange. Serdall seufzte. Er kannte fast jeden Zentimeter von Daniel, hatte dessen ganzen Körper an seinem gefühlt, doch nie war er ihm so nahe gewesen, wie jetzt. Daniel versuchte ihn zu verstehen, ihm zu helfen.
 

Aber Louise… Sein Inneres wollte aufbegehren, doch Serdall löste seine Hände aus Daniels und blickte erneut auf den Ring. Seine Augen hingen starr an dem Weißgold und Serdall hob die Linke, um mit Zeigefinger und Daumen den Ring zu fassen. Er zögerte. Erinnerungen an den Tag, wie Louise ihm dieses Schmuckstück angesteckt hatte. Sie in ihrem weißen Kleid. Serdall begannen Tränen aus den Augen zu quellen, als er die Erinnerung gehen ließ und sich diesmal nicht daran klammerte. Sich auf die Lippe beißend, zog er den Ehering von seiner Hand und umschloss ihn fest mit der linken Hand, während er starr auf den Fleck starrte, an dem jener geruht hatte. Ein Neuanfang. Mit Daniel. Das war es, was er wollte.
 

Lächelnd sah Daniel ihn an. Seine Augen glänzten ebenfalls feucht. Diese symbolische Tat bedeutete so viel, für sie beide. Er legte seine Hände um Serdalls verkrampfte Faust und öffnete sie behutsam. Unschuldig lag der Ring auf der Handfläche und glänzte matt im Licht der Deckenlampe. Daniel rutschte ein Stück näher an Serdall und strich ihm die Tränen von den Wangen, bevor er ihn umarmte.
 

„Ich liebe dich, vergiss das nicht, okay?“, murmelte er und fuhr mit den Fingern Serdalls Wirbelsäule nach. Serdall nickte schwach und umschlang Daniel ebenfalls mit den Armen, obwohl der Ring immer noch in seiner linken Hand ruhte. Es gab kein Zurück mehr für sie und Serdall ahnte, dass es mit seinen Gefühlen für Daniel jetzt noch viel schlimmer werden würde.
 

Serdall schluckte an dem Klos in seinem Hals und vergrub die Stirn in Daniels Halsbeuge. Er gab ihm Halt und Serdall fühlte sich plötzlich nicht mehr so einsam sondern wusste, dass Daniel für ihn da sein wollte. Er wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Eigentlich wollte er sich nur in Daniel verkriechen, bei ihm sein und ihn nie mehr gehen lassen. Seine Rechte fühlte sich ohne den Ring seltsam an… irgendwie leer. Ohne Louise war er leer, das wusste Serdall. Daniel wollte die Liebe, die er ihr gegeben hatte? Er würde sie bekommen und die Konsequenzen tragen müssen, denn Serdall wollte diese angehende Leere in sich, die er mit den Erinnerungen an Louise angefüllt hatte, nun mit Daniel füllen.
 

„Ich würde gerne schlafen gehen“, meinte er matt und seine Stimme zitterte leicht.
 

„Ist okay“, murmelte Daniel und löste sich leicht von Serdall. Er verschränkte ihre Finger ineinander und zog ihn vom Bett. Kimba sprang ebenfalls auf und folgte ihnen, als sie nach nebenan ins Schlafzimmer gingen. Schnell waren sie umgezogen und Daniel rutschte gleich, nachdem Serdall sich hingelegt hatte, zu ihm. Er konnte sich vorstellen, wie schwer ihm dieser Schritt eben gefallen war. Dass Serdall den Ring immer noch umklammert hielt, war okay für Daniel. Sie sollten es langsam angehen lassen, aber der erste Schritt war getan.
 

Serdall sah auf den Ring in seiner Hand und seufzte leise. Er konnte schlecht schlafen, wenn er ihn in der Hand hielt und er störte auch, wenn er Daniel berühren wollte. Tief durchatmend legte er ihn auf den Nachtschrank und sah ihn noch einen Moment lang an. Er musste den Drang unterdrücken, ihn einfach wieder an seinen Finger zu stecken. Serdall wandte sich ab, bevor er es wirklich tat, und knipste das Licht aus. Eng schmiegte er sich an Daniel und zog ihn in seine Arme. Er küsste sich an Daniels Stirn entlang, hinab zur Schläfe, bis zu seinem Mund und legte seine Lippen weich auf Daniels. Er wollte ihn einfach bei sich wissen, seine Liebe spüren.
 

Sanft ließ Daniel seine Zunge in Serdalls Mund gleiten und forderte ihn zu einem leidenschaftlichen Spiel heraus. Er ließ seine Hände über Serdalls nackte Brust wandern, bis sie an den Bund der Shorts trafen. Immer wieder spitzten Daniels Finger kurz unter Serdalls einziges Kleidungsstück, ehe sie sich wieder zurückzogen. Daniel wollte ihm auf jede Art und Weise zeigen, dass er ihn wirklich liebte und für ihn da war. Kurzentschlossen ließ er seine Hände ganz in die Shorts gleiten und umfasste Serdalls Glied. Ein kurzes Zucken ging durch den Körper unter ihm und Daniel grinste leicht. Er löste sich von den weichen Lippen und glitt unter die Decke. Mit einem Ruck war Serdall vollkommen nackt und Daniel stülpte seinen Mund über den nun leicht erigierten Penis.
 

Seufzend legte Serdall einen Arm über seine Augen und atmete leise durch den Mund. Daniels Bemühungen fanden nach und nach immer mehr Anklang. Eine sanfte Wärme sammelte sich in Serdalls Unterleib und er ließ sich in diese Empfindungen fallen. Zwar hätte er eigentlich wirklich nur schlafen wollen, doch jetzt war dieser Gedanke wie fortgewischt. Daniel wusste, wie er ihn richtig reizen konnte und nutzte diese Gelegenheit, um all sein Wissen einzusetzen. Die geschickte Zunge brachte Serdall zum Erzittern und er stöhnte leise auf.
 

Daniel lächelte leicht und nahm jetzt auch seine Hände zu Hilfe. Das war sein Weg, Serdall von all seinen Gedanken abzulenken. Er massierte die Hoden leicht und verstärkte die auf und ab Bewegungen noch. Die Decke über seinem Kopf verunstaltete seine Haare, doch das war ihm egal. Es war ohnehin mal eine neue Erfahrung, Serdall so zu befriedigen, ohne dass er ihn sehen, sondern nur fühlen konnte.
 

Die Augen verdrehend keuchte Serdall leise. Ein angenehmes Bauchziehen machte sich in seinem Körper breit und er bog stöhnend den Rücken leicht durch. In seinem Kopf herrschte eine angenehme Stille. Seine Muskeln am Bauch zitterten und er wand sich ein wenig unter Daniel. Die sanften Hände schoben sich über Serdalls Schenkel und dann wieder zu seinen Hoden. Das reichte nahezu aus, um Serdall vollkommen zum Fallen zu bringen. In ihm hatte sich eine intensive Spannung aufgebaut. Er wartete nur noch auf den letzten Reiz, der plötzlich darin bestand, dass Daniel fester zu saugen begann und spielerisch seine Zähne dabei einsetzte. Nicht zu fest, aber bemerkbar. Serdall biss sich auf die Lippe und zischte leise, als er in Daniels Mund kam.
 

Nachdem er alles wieder an Ort und Stelle verstaut hatte, rutschte Daniel zu Serdall hoch und leckte sich genießerisch lächelnd über die Lippen. Befreit aufseufzend schmiegte er sich an Serdall und schloss die Augen. Nachdem er sein schon heute Morgen geplantes Tagesziel erreicht hatte, konnten sie gerne schlafen gehen. Lächelnd schlang Serdall die Arme um Daniel und küsste ihn noch auf die Lippen.
 

„Gute Nacht, Prinzesschen“, murmelte er leise und schloss die Augen. Er war schrecklich müde. Wohl durch den Alkohol, die Aufregung und die Aktion von eben. Er lehnte seine Stirn an Daniels und genoss die Wärme zwischen ihnen. Alsbald schlief er tief und fest und seine Atmung begann ruhiger zu werden.
 

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Daniel wachte am nächsten Morgen recht früh auf. Gestern war es nicht so spät geworden wie die letzten Tage und so streunte er schon um neun durch das Haus. Serdall schlief noch, aber das war ganz praktisch. In ihm hatte sich nämlich kurz vorm Einschlafen eine Idee manifestiert, die er unbedingt verwirklichen wollte. Es sollte eine Überraschung werden und er brauchte nicht lange dafür. Wahrscheinlich würde Serdall dann immer noch im Bett liegen, wenn er sich beeilte.
 

Als er in die Küche kam, saßen alle anderen momentanen Hausbewohner schon am Frühstückstisch. Selbst die Hunde waren da und machten sich über ihr Futter her.
 

„Guten Morgen“, grüßte Daniel in die Runde.
 

„Morgen“, grüßte Dustin grinsend zurück. Ethan streckte ihm gerade sein Brötchen hin und lächelnd biss der Blonde ab, als Ethan Daniel ebenfalls grüßte. An Dustins Hals prangte eine wunderschöne Verfärbung, die Ethan gestern Abend hinterlassen hatte. Himmel, was für eine Nacht das gewesen war. Mild lächelnd strich er Ethan über den Rücken, weil er etwas unwohl hin und her rutschte, doch der Rothaarige lächelte ihn dann nur versonnen an. „Und gut geschlafen?“, fragte Dustin Daniel und reichte ihm den Brotkorb.
 

„Ihr scheint zumindest prächtig geschlafen zu haben“, gab Daniel kommentarlos zurück und griff sich ein Brot, das er mit Leberwurst bestrich, bevor er aufstand und sich eine Tasse Kakao machte. Dustin und Ethan warfen sich schon wieder verliebte Blicke zu und Daniel grummelte genervt. Waren Serdall und er ganz am Anfang auch so schlimm gewesen? Hoffentlich nicht. Das war echt nur noch nervig. „Hast du Lust, mit mir einkaufen zu kommen?“, wandte Daniel sich an Taki. „Ich möchte in ein Schmuckgeschäft.“
 

„Was willst du denn da?“, fragte Taki verdutzt. „Da gehen doch nur Mädchen rein“, meinte er ernst und legte den Kopf schief. Die Antwort kaum abwartend, biss er schon wieder von seinem Nutellabrötchen ab. Dustin lachte leise.
 

„Willst du Serdall etwa einen Antrag machen?“ Dustin bekam einen Rippenstoß von Ethans Ellenbogen und beschränkte sein Lachen auf ein breites Grinsen. Himmel, er war viel zu gut gelaunt im Moment.
 

„Nein, ich habe nicht vor, Serdall einen Antrag zu machen“, erwiderte Daniel grummelnd. Nach dem Gespräch von letzter Nacht wäre das echt etwas überstürzt. Dustin und seine Witzchen. „Nicht nur Mädchen gehen dorthin“, wandte Daniel sich wieder Taki zu. Du kannst dort beispielsweise auch Uhren kaufen. Außerdem hatte ich vor, Kimba und Mücke mitzunehmen, damit sie die Umgebung mal ein bisschen kennenlernen und nicht nur im Garten ihr Geschäft verrichten.“
 

„Ja, das ist toll! Dann komm ich gerne mit“, beschied Taki und aß weiter sein Brötchen. Verwirrt zog Dustin eine Augenbraue nach oben.
 

„Hast du Serdalls Uhr kaputt gemacht oder warum musst du plötzlich zum Juwelier? Und warum bist du heute denn so muffelig?“, fragte Dustin mit zu Schlitzen verzogenen Augen und lehnte sich ein wenig vor. „Irgendwas passiert?“, murmelte er ihm leise zu und legte den Kopf schief.
 

„Nichts, was wir nicht wieder hingebogen hätten“, meinte Daniel ebenso leise. Diese Angelegenheit fand selbst er dann doch zu persönlich, um sie Dustin zu erzählen. Vor allem nicht am Küchentisch. „Es soll eine Kette werden“, fuhr er dann lauter fort. „Fragt mich nicht, wofür. Vielleicht erzählt Serdall es euch, wenn er sie hat. Ich will ihm diese Entscheidung nicht abnehmen. Taki, wenn du fertig bist mit essen kannst du gleich mal die Leinen für die beiden holen und Schuhe anziehen. Ich wollte möglichst bald wieder hier sein.“
 

Jetzt wo sein Papa nicht da war, nutzte Taki die Chance und schob sich die halbe Brötchenhälfte ganz in den Mund und kaute mit vollen Backen. Er nickte Daniel zu und ging dann schon eilig, um die Leinen zu holen. Dustin war neugierig geworden.
 

„Was kann denn schon so persönlich sein, wenn es nur um eine Kette geht?“, fragte er spitzbübisch und stützte den Kopf in die Hände.
 

„Dustin!“, mahnte Ethan seinen Freund leise und lächelte Daniel entschuldigend an.
 

„Ach komm Ethan, lass mir den Spaß. Daniel, du weißt, dass Serdall mir kaum so etwas erzählen würde. Kennst ihn doch“, murrte der Blonde und sah wieder zu Daniel.
 

„Dann gibt es eben mal etwas, wovon der alles wissende Lehrer keine Ahnung hat“, erwiderte Daniel und streckte sich ebenfalls die letzten Bissen Brot in den Mund. „Es geht um deine Schwester und es ist wirklich persönlich. Da es vor allem Serdalls Problem ist, will ich nicht die Entscheidung für ihn treffen, ob es noch andere Leute erfahren sollen. Entschuldigung, aber dieses Mal musst du dich wohl an ihn wenden.“ Daniel stand auf und stellte das schmutzige Geschirr weg.
 

„Um Louise?“ Geschockt riss Dustin die Augen auf. Was lief denn nun schon wieder in Serdalls Kopf ab? „Entschuldigst du uns kurz, Pumuckelchen?“, fragte er Ethan und der Rothaarige nickte nachsichtig, gab Dustin einen Kuss und verschwand aus der Küche. Seufzend stand Dustin auf. Er sah doch, dass es Daniel anscheinend ziemlich nahe ging, was da war. „Hey“, meinte er leise und hielt Daniel am Arm fest, als der wieder zum Tisch rennen wollte, um das restlich Geschirr zu holen. „Bei dir alles klar? Du benimmst dich komisch“, meinte er leise und sah Daniel besorgt in die Augen.
 

Leise seufzte Daniel auf. Es wäre für alle am besten, wenn Dustin nicht auch noch in all das mit hineingezogen wurde. Immerhin war Louise seine Schwester und ihm würde es sicherlich auch ziemlich nahe gehen.
 

„Es ist alles in Ordnung“, versuchte Daniel ihn abzuwimmeln. „Wir haben das gestern geklärt, denke ich.“
 

„So?“ Misstrauisch sah Dustin ihn an. „Wieso bist du dann so seltsam drauf, wenn alles doch schon geklärt und in Ordnung ist? Daniel, normalerweise redet Serdall nicht wirklich über Louise und wenn, meistens nur mit mir. Was war los?“, fragte er ernst und legte eine Hand auf Daniels Schulter. Irgendwie fühlte er sich in der Hinsicht für Daniel verantwortlich. Der Junge konnte nicht alle von Serdalls Gefühlsausbrüchen wirklich nachvollziehen, selbst Dustin konnte das kaum. Nur ein wenig, wenn es um Louise ging und diesmal ging es ja um seine Schwester und Daniel und Serdall schuldete er insgeheim ja auch etwas nach dem Mist, den er letztens verzapft hatte.
 

Kurz hielt Daniel Dustins Blick noch stand, dann sah er zur Seite und resignierte. Er würde ohnehin nicht hier wegkommen, bevor Dustin alles wusste. Da konnte er dann auch gleich alles erzählen.
 

„Wir waren baden und ich habe seinen Ehering gesehen, den er immer noch trägt. Also gesehen habe ich ihn natürlich schon vorher, aber gestern habe ich erfahren, dass es eben Serdalls Ehering ist. Er meinte, er fühle sich immer noch mit Louise verheiratet und dass er sie lieben würde und so. Wir hatten einen Streit und ich habe ihn vor die Wahl zwischen mir und Louise gestellt, was darauf hinausgelaufen ist, dass er den Ring abgenommen hat. Ich wollte ihm eine Kette holen, damit er ihn wenigstens in der ersten Zeit noch so mit sich herumtragen kann“, erläuterte Daniel die Situation in Kurzfassung. Geräuschvoll stieß Dustin die Luft aus seinen Lungen.
 

„Wow…“, meinte er atemlos und lehnte sich gegen die Anrichte. Nachdenklich begann er Daniel anzusehen. Was machte dieser Junge nur mit Serdall? Dustin hätte nie gedacht, dass der Violinist überhaupt soweit gehen würde. „Ich glaube, dass du den Fall Serdall langsam löst…“, murmelte eher zu sich, als zu Daniel. „Um ehrlich zu sein hätte ich nie gedacht, dass du und er jemals soweit kommen würdet wie jetzt. Eher hätte ich gedacht, dass es wegen Serdalls Gefühlen für Louise in die Brüche geht. Aber er hat sich für dich entschieden…“ Schief lächelnd nahm Dustin Daniel in die Arme. Es war ein seltsamer Gedanke, dass Serdall langsam über Louise hinwegkam. „Du holst ihn echt aus seinem Loch heraus“, murmelte Dustin. Louise hätte gewollt, dass Serdall glücklich war, sich nicht ewig selbst geißelte und das Leben genoss. Sie selbst war auch ein fröhlicher Mensch gewesen. „Louise hätte dich echt sehr gut leiden können“, meinte er leise und drückte Daniel noch einmal fest, ehe er ein wenig Distanz zwischen sie brachte.
 

„Vielleicht“, erwiderte Daniel leicht verlegen. Es war nicht so, dass er es darauf angelegt hätte, an Serdall irgendwas Sonderbares zu vollbringen. Seine Taten gründeten sich auf reinem Selbstschutz. Er hätte eben nicht mit dem Gedanken leben können, dass Serdall noch so sehr an seiner verstorbenen Frau hing. „Bitte erzähl im nichts von dem Gespräch. Ich will nicht, dass es deswegen wieder zum Streit kommt, nur weil ich meine Klappe mal wieder nicht halten konnte. Ich weiß doch, dass er es eigentlich nicht mag, wenn du über alles, was zwischen uns passiert, auf dem Laufenden bist.“
 

„Ja, keine Angst. Ich habe eh mit Ethan zu tun“, meinte Dustin mit einem Zwinkern. „Zu dem werd ich jetzt auch gehen.“ Anzüglich grinsend machte sich Dustin auf den Weg und Taki rief in dem Moment aus dem Flur.
 

„Dan! Ich bin fertig und habe die Leinen! Kommst du?“
 

„Ich komme!“, rief Daniel zurück und gab Dustin im Vorbeigehen noch eine Kopfnuss, da er auf Grund der Zweideutigkeit seiner Worte angefangen hatte zu lachen. „Idiot“, grummelte Daniel und schlüpfte ebenfalls in die Schuhe, bevor er die Leinen befestigte und Taki die von Mücke in die Hand drückte. „Gut festhalten, sonst ist wie weg“, meinte er lächelnd und sie gingen nach draußen in Richtung Innenstadt. Der Weg war zwar etwas weiter, aber das Wetter recht schön und so waren die beiden Welpen wenigstens ausgepowert, wenn sie wieder nach Hause kamen. Kurz hielten sie auf ihrem Weg noch an einem Geldautomaten, damit Daniel sich die nötigen Scheine besorgen konnte und machten sich dann auf den Weg zum Schmuckgeschäft. Sie banden die Hunde draußen an und Taki wollte die Zwei dann doch nicht allein dort lassen und blieb mit ihnen vor der Tür. Schulterzuckend ging Daniel in den Laden und besah sich die verschiedenen Ketten. Eine Frau mit schütterem Haar und leichten Falten im Gesicht kam auf ihn zu und lächelte ihn freundlich an.
 

„Schönen guten Tag, der Herr. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Suchen Sie etwas Bestimmtes?“
 

„Ich suche ein Kette aus Weißgold, an die ich einen schlichten Ring hängen kann“, gab Daniel sein Anliegen preis. Die Frau lächelte erfreut und führte Daniel zu eine der Vitrinen auf der anderen Seite.
 

„Für Ihre Liebste? Ein Geschenk?“, fragte sie neugierig, während sie hinter den Schaukasten trat und wie selbstverständlich eine Auswahl an Ketten auf den Tisch legte.
 

„Für meinen Freund, ja“, antwortete Daniel ehrlich und sah sich die Ketten genauer an. In der Mitte lag eine filigrane, aber dennoch robust wirkende, die ihm sofort ins Auge sprang. „Wie viel würde die hier kosten?“, fragte er und ließ seine Finger darüber wandern. Lächelnd nahm die Frau die Kette in die Hand und führte sie geübt vor, in dem sie sie ins Licht hielt und Daniel den Glanz zeigte.
 

„Das ist ein modernes Modell. Eine Stegpanzer-Weißgoldkette aus massivem siebenhundertfünfziger Weißgold. Je nach Länge liegt der Preis zwischen einhundert neunundzwanzig und einhundert vierzig Euro. Die kann ich Ihnen nur empfehlen. Sehr robust und schön anzusehen. Ihr Freund wäre sicherlich begeistert und ein Ring sähe daran nicht zu überladen aus.“
 

Daniel lächelte leicht. Entweder hatte sie die Bedeutung des Freundes falsch interpretiert oder sie schien extrem tolerant zu sein. Wie dem auch sei, die Kette war auf jeden Fall wirklich schön.
 

„Ich denke, ich nehme sie. Nur welche Länge?“, überlegte Daniel laut.
 

„Nun, kommt ganz auf die Statur Ihres Freundes an und ob die Kette unter dem Saum eines Shirts oder Pullovers versschwinden soll oder nicht.“ Lächelnd ging die Verkäuferin, mit der Kette in beiden Händen aufgespannt, auf Daniel zu und hielt sie kurzerhand an Daniels Hals an. „Sehen Sie? So würde sie jetzt bei Ihnen sitzen. Nicht zu lang, aber sie würde in den normalen T-Shirts verschwinden. Eine kürzere“, sie zog die Kette höher, „wäre ständig zu sehen. Das kommt ganz auf den Geschmack Ihres Freundes an, ob er den Ring und die Kette immer gut sichtbar tragen möchte oder eben nicht.“
 

„Die längere Kette ist dann wohl doch eher meine Wahl“, meinte Daniel und griff kurz nach dem dünnen Strang aus Weißgold. Er hoffte, dass sie Serdall auch gefallen würde. „Könnten Sie mir die Kette irgendwie hübsch verpacken? Sie ist ein Geschenk und ich habe wohl keine Gelegenheit, das zuhause zu machen.“ Nett lächelte er die Frau an.
 

„Aber natürlich. Sie bekommen gratis ein kleines Schmuckkästchen dazu“, meinte sie lächelnd und holte ein dunkelblaues unter der Vitrine hervor. Liebevoll arrangierte sie die Kette darin und schloss es dann. „Folgen Sie mir doch bitte zur Kasse“, sagte sie erfreut und ging wieder voran. Wie aufgefordert ging Daniel mit ihr und bezahlte die Kette. Dankend nahm er die kleine Tüte entgegen und ging glücklich aus dem Laden. Zusammen mit Taki und den Hunden machte er sich auf den Rückweg. Wieder beim Haus angekommen sahen sie in der Küche, im Wohnzimmer und im Garten nach, aber nirgends war Serdall zu sehen.
 

„Scheint, als würde dein Vater immer noch schlafen“, meinte Daniel schmunzelnd zu Taki und ließ Kimba und Mücke von der Leine, die sich tatsächlich etwas k.o. zusammen neben die Couch legten.
 

„Papa ist ein Murmeltier“, kicherte Taki. „Oder ein Siebenschläfer. Unsere Lehrerin meinte, dass die auch ganz lange schlafen.“ Lachend ging er zu den Hunden und stellte dann den Fernseher an. Er quietschte glücklich, als sein Lieblingstrickfilm kam.
 

„Du meinst wohl ein Faultier“, murmelte Daniel, ließ den Kleinen fernsehen und ging nach oben ins Schlafzimmer. So war er wenigstens ungestört, wenn er Serdall sein Geschenk überreichte. Er beugte sich über seinen Freund und wandte wieder seine patentierte Aufweckmethode an. Sanft ließ er seine Lippen über Serdalls gleiten. Seufzend zog Serdall die Nase kraus und kniff die Augen zusammen, nachdem er kurz ein Auge der Helligkeit ausgesetzt hatte, die im Raum herrschte.
 

„Wie spät ist es?“, fragte er heiser und verwundert und rieb sich müde über die Augen. Murrend zog er die Decke noch höher und kuschelte sich hinein. Er könnte glatt noch weiterschlafen.
 

„Es ist schon nach elf“, meinte Daniel seufzend. „Willst du nicht langsam mal aufstehen? Du schläfst dich nochmal tot. Außerdem habe ich was für dich.“ Er zupfte immer wieder spielerisch an der Decke. Trotz geschlossener Augen zog Serdall eine Augenbraue nach oben.
 

„Gleich. Ich muss nur wach werden“, murrte er, schob langsam die Decke nach unten und tastete nach Daniels Arm, um ihn zu sich und halb auf sich zu ziehen. Seufzend küsste er Daniels Lippen und öffnete nun auch die Augen einen Spalt breit um zu sehen, ob er auch wirklich Daniels Mund traf. Daniel erwiderte den Kuss kurz und stand dann auf.
 

„Komm, los. Aufstehen, anziehen und vor allem Zähne putzen. Sonst behalte ich das Geschenk.“ Amüsiert beobachtete Daniel, wie Serdall sich ergeben aus dem Bett quälte und in Richtung Badezimmer ging. Er nutzte die Gelegenheit und krallte sich schnell den Ring vom Nachttisch, um ihn an der Kette zu befestigen und sie dann wieder in das Schmuckkästchen wandern zu lassen.
 

Ende Kapitel 50



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-11-16T21:57:04+00:00 16.11.2007 22:57
Ich hoffe der strei ist vorbei.Der war nähmlich nicht schön.
Ich hoffe das Serdall sich darüber freuen wird, was Daniel gekauft hat.
Die Kette passt bestimmt klasse zum ring.
Daniel ist echt nachsichtig und tolerant.
Von:  kuestenfee1
2007-11-15T13:51:18+00:00 15.11.2007 14:51
Na? Ob es erst mal wieder Gnatsch gibt, weil der Ring verschwunden Ist?
Ich glaube schon. Aber dann wird er wenigstens mit dem Geschenk von Daniel wieder versöhnt. Zumindest hoffe ich das.
Ich freue mich schon darauf, es zu erfahren.

lg kuestenfee


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