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Die Magie der Musik

von

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Kapitel 15
 

Daniel hatte sich ein paar Klamotten rausgesucht und sich umgezogen. Nun lag er ausgestreckt auf der Bettdecke und wartete darauf, dass Serdall zurückkam. Er hätte nicht die Bitte gebraucht, hierzubleiben. Nochmal musste er wirklich nicht auf Fei treffen. Das heute Morgen hatte ihm echt gereicht.
 

Er rollte sich auf den Bauch und legte den Kopf auf die Arme. Serdall war zwar gerade wieder etwas in seine alte Art zurückgefallen, aber die Sorge um ihn bezüglich Fei war doch dem neuen Serdall zuzuschreiben. Der Morgen war generell sehr schön gewesen. Das Kuscheln, die Sache eben gerade im Bad und auch die Reaktion auf Daniels Enthüllung, dass er irgendwie befürchtete, Aids haben zu können. Er hätte nicht gedacht, dass Serdall so einfühlsam war. Aber wenn man mal betrachtete, wie lieb er mit Taki umging, hätte er es sich eigentlich denken können.
 

Daniel wandte sich zur Tür, als Serdall wiederkam.
 

„Na, ist Fei weg?“
 

„Ja, gerade zur Tür raus.“ Etwas skeptisch betrachtete Serdall wie Daniel in seiner Kleidung auf seinem Bett lag. „Los, komm. Wir bestellen was zu essen. Irgendwelche Vorschläge? Dustin und Taki kommen“, Serdall sah auf seine Armbanduhr, „in circa fünfundvierzig Minuten.“
 

„Hm, ich weiß nicht. Wir hatten erst Pizza und auf Döner oder so habe ich keinen Appetit. Wie wäre es mit chinesisch?“, schlug Daniel vor und robbte zum Fußende des Bettes.
 

„Chinesisch? Meinetwegen.“ Serdall strich einmal über Daniels schwarzes Haar und besah sich die Beule. „Deine Mutter wird echt ausflippen,…“, murmelte er unbehaglich. Er wusste doch, wie man sich als Elternteil fühlte und Daniel sah wirklich nicht sehr frisch aus, wenn er es mal so ausdrücken wollte.
 

Daniel zuckte mit den Schultern.
 

„Ich sag einfach, ich bin die Treppe runtergefallen. Eine Schlägerei oder so scheidet ja aus, da ich nicht in der Schule war. Auf jeden Fall habe ich so eine Erklärung, dass ich geschwänzt habe. Wobei ich umso mehr in Erklärungsnot gerate, warum ich nicht angerufen habe, wenn mir was passiert ist und warum ich mich nicht zuhause auskuriere sondern hier.“
 

„Alles hat seinen Preis, nicht?“, flüsterte Serdall und gab Daniel einen Kuss auf die Stirn. „Und nun komm endlich, ich habe echt Hunger.“
 

Er zog Daniel auf die Beine und ging voran, aber drehte im letzten Moment noch einmal ab und ging zum Fenster. Seine Geige konnte er da nicht ewig liegen lassen und spielen musste er heute auch noch. Er vernachlässigte das in letzter Zeit ziemlich.
 

„Du hast eine Logik“, neckte Daniel, stand allerdings auf. „Der Bringdienst kann nicht fliegen und braucht seine Zeit, bis er da ist. Es reicht, wenn du deinen Hintern zum Telefon bequemst, aber danach ist ein wenig warten angesagt. Aber wenn du mich als mentale Unterstützung brauchst…“ Er ging zu Serdall, der seine Geige gerade richtig verpackt hatte und schlang sein Arme um ihn. „Auf geht’s.“
 

Irgendetwas murmelnd, ließ sich Serdall führen und legte seinen Geigenkasten auf das Regal im Wohnzimmer. Sogleich begann er dann die Bestellung per Telefon aufzugeben und nach einigen Verständigungsschwierigkeiten war es dann endlich geschafft. Seufzend ließ sich Serdall neben Daniel auf dem Sofa nieder.
 

„Wann willst du nach Hause?“
 

„Eigentlich gar nicht in nächster Zeit“, meinte Daniel und lehnte sich gegen Serdall. „Aber ich sollte mich wohl mal wieder blicken lassen. Ich denke, dass ich heute Nachmittag irgendwann fahre. Für die Schule habe ich auch noch einiges aufzuarbeiten, auch wenn ich nur zwei Tage weg war. Das Abitur ist nicht mehr weit und der letzte Stoff wird in Massen in uns reingeprügelt.“
 

Nickend legte Serdall den Arm um Daniels Schultern und legte seine Hand auf dessen Schläfe.
 

„Was denn, das Bisschen wird deinen Kopf schon nicht zum Platzen bringen.“
 

Er strich die schwarzen Haarsträhnen fortwährend hinter ein Ohr und erinnerte sich an seine eigene Schulzeit. Er war immer gut gewesen, aber er hat ungern gelernt, weil er dann keine Zeit für Louise und seine Geige gehabt hatte. Glücklicherweise war ihm die Schule dennoch leicht gefallen und er hatte seine Zeit nicht mit Büffeln verschwenden müssen. Und seine Lehrer waren eh immer nachsichtig mit ihm gewesen, weil sein Geigenspiel schon damals beeindruckend gewesen war.
 

„Bist du eigentlich gut in der Schule?“
 

„Hmhm, ich bin nicht schlecht“, antwortete Daniel und lehnte seinen Kopf an Serdalls Schulter. „Wobei ich ziemlich lernfaul bin. Ich sehe es schon kommen, dass ich zwei Tage vor jeder Abiturprüfung auch mal die Nase in meine Bücher stecke und dann panisch jeden Morgen bevor ich zur Schule muss um vier Uhr aufstehe, um das Versäumte noch nachzuholen.“
 

Er grinste. Genauso würde es laufen, auch wenn er sich fest was anderes vornehmen würde. Aber sein Schnitt würde wahrscheinlich trotzdem recht gut ausfallen. Lachend schüttelte Serdall den Kopf. Also so eine Hektik hatte dann selbst er nicht gemacht, aber ihm fiel es, wie gesagt, ziemlich leicht.
 

„Du wirst das schon irgendwie hinkriegen.“ Serdall griff sich die Fernbedienung und stellte den Fernseher an. Er hatte langsam wirklich Hunger und Durst. „Ich geh mir schnell was zu trinken holen. Willst du auch was?“
 

Er löste sich von Daniel und stand auf. Kurz wartete er noch auf eine Antwort.
 

„Ja, bring mir einfach irgendwas mit, solange es keine Fruchtschorle ist“, bejahte Daniel und rutschte tiefer in die Polster, als Serdall in der Küche verschwunden war.
 

Er wunderte sich, wie nett und zuvorkommend Serdall auf einmal zu ihm war. Lag es daran, weil sein Bruder Daniel verletzt hatte? Hatte er Schuldgefühle? Oder war er endlich auf den Trichter gekommen, dass es zwischen ihnen doch funktionieren konnte? Wie auch immer, Daniel genoss die momentane Situation auf jeden Fall.
 

Serdall ging in die Küche, nahm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und noch zwei Gläser aus dem Wandschrank. Während er die Gläser auf die Anrichte stellte sah er kurz aus dem Fenster. Überrascht ging Serdall näher heran. Er konnte von dort aus auf das Nachbarhaus sehen, das eigentlich seit zwei Monaten leer stand. Doch jetzt parkte ein riesiger Umzugswagen davor und eine Frau in einem britisch aussehenden Kleid dirigierte Möbelträger durch die Gegend. Kurz öffnete Serdall das Fenster. Ja, sie sprach Englisch mit den Männern.
 

„Hauptsache die will nicht noch einen Anstandsbesuch unter Nachbarn machen…“, murmelte er genervt. So etwas hatte er durchmachen müssen, als er in sein Haus gezogen war. Alle fünf Minuten hat eine andere Nachbarin mit seiner Ehefrau ein Kaffeekränzchen veranstaltet, mit selbstgebackenen Kuchen und dem Klatsch und Tratsch des Viertels. Das würde seinen englischen Nachbarn bestimmt auch bevorstehen, aber Serdall war es egal. Er hegte keine Intentionen ebenfalls guten Tag und herzlich willkommen zu sagen.
 

Seufzend schnappte er sich das Trinken und die Gläser und ging dann zu Daniel zurück, der sich auf dem Sofa lümmelte.
 

„Gibt es irgendetwas, was du gucken möchtest?“, begrüßte ihn Daniel zurück und zappte etwas gelangweilt durch die Kanäle. „Es ist Freitag am frühen Nachmittag. Wir haben hier Talkshows, Gerichtsshows, Dokusoaps… Hast du eine schöne DVD oder sowas? Oder wir gucken zu, wie die Frau dort versucht sich zu rechtfertigen, dass sie ihren Mann betrogen hat.“
 

Angewidert sah Serdall auf das Fernsehgerät. Das war definitiv keine gute Auswahl.
 

„Ich hasse diesen modernen Fernsehmist“, murmelte er leicht angesäuert und bezog sich dabei auf die heulende Frau, die sich in einem rosa Minirock ausschweifend entschuldigte.

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne noch ein wenig Geige spielen. Von mir aus kannst du solange etwas Anderes machen.“ Schließlich war es nicht das spannendste, ihm beim Spielen zuzusehen.
 

„Darf ich auch zuhören? Natürlich nur, wenn es dich nicht stört oder so“, bat Daniel und schaltete den Fernseher wieder aus.
 

Er hörte Serdall gern zu, wenn er spielte. Die Art, wie er vollkommen in seiner Musik aufging und die Gefühle, die er durch seine Musik zum Ausdruck brachte, dabei auch selbst zu fühlen schien, war einfach unbeschreiblich. Wenn er selbst mit seiner Gitarre auch nur halb so geschickt wäre wie Serdall mit der Geige, würde er jauchzend im Dreieck springen. Wobei, von nichts kam nichts und es war schon seit Montag her, dass er sie das letzte Mal in der Hand gehalten hatte.
 

„Nein, nein. Bleib einfach da sitzen und entspann dich“, murmelte Serdall und legte seine Geige an die linke Schulter an.
 

Irgendwie war er aufgeregt. Das letzte Mal, als er gespielt hatte, war es so unbefriedigend gewesen. Er hatte nach Noten gespielt, aber diesmal würde er wieder nach Gefühl spielen. Aber er empfand gerade nur Ruhe und wenn er Daniel so ansah, wie er es sich auf dem Sofa bequem machte, auch eine seltsame Zufriedenheit.
 

Daniel ansehend, setzte Serdall den Bogen an. Es war wie am letzten Sonntag, als Daniel traurig in der Tür gelehnt hatte, nachdem er Dustin mit einem Anderen erwischt hatte.

Aber diesmal war die Stimmung anders. Serdall fühlte sich anders, als er Daniel ansah. Er empfand mehr für Daniel, als nur die schlichte Observation, die er damals nachgespielt hatte, diesmal ahnte er, was in Daniel wirklich vorging.
 

Serdall begann zaghaft die Saiten zu berühren. Er zog den Bogen leidenschaftlich darüber und wiegte sich beim nächsten Strich hinein. Der Takt war schnell, wie ein gehetzter Herzschlag, doch verlief sich in zufriedenen Klängen, die sich auf und ab trieben.
 

Wie immer, wenn er Serdall spielen sah, staunte Daniel über dessen Fingerfertigkeiten. Wie schnell er die Saiten an den richtigen Stellen griff, wie gekonnt er den Bogen gleiten ließ. Er schloss die Augen, lehnte den Kopf entspannt an die Lehne und hörte einfach nur zu. Die Melodie beruhigte ihn und wühlte im gleichen Moment auf. Es war vollkommen irre. Ab und an jagte ein Schauer über seinen Rücken, aber er konnte sich gänzlich in die Musik fallen lassen.
 

Dustins Wagen fuhr knirschend, aber unbemerkt von Daniel und Serdall, auf den Hof.

Eilig sprang Taki aus dem Wagen und hibbelte zur Tür.
 

„Los, Onkel Dustin! Du bist immer soo langsam!“, meckerte Taki und wedelte mit den kleinen Händen umher.
 

Dustin grinste ihn frech an, als er ihm gegen die Nase schnippste.
 

„Sei nicht so vorlaut.“
 

Böse verzog der Sechsjährige seinen Mund schmollend und verschränkte die Arme. Doch plötzlich horchte er auf, als die Tür aufgeschlossen wurde.
 

„Hör mal, Papa spielt!“, meinte er freudig und ging hinein, setzte sich auf den Boden und öffnete kompliziert seine Schuhe.
 

Dustin schüttelte den Kopf. Er fragte sich, ob Serdall allein war. Er nahm Takis Hand und bedeutete ihm ruhig zu sein. Der kleine Lockenschopf kicherte leise und nickte ihm zu. Dustin ging zur Wohnzimmertür und öffnete sie vorsichtig einen Spalt weit. Daniel lag auf dem Sofa und schien Serdall zu lauschen, der die Augen auf den 19jährigen fixiert hatte und leidenschaftlich spielte. Das war definitiv ein noch ungewohnterer Anblick, als die beiden schlafend nebeneinander zu erwischen.
 

Serdall bemerkte sie erst ein paar Minuten später, als sie die Tür völlig öffneten. Er hörte langsam auf zu geigen und ließe sein Instrument sinken. Taki lief auf ihn zu und Serdall nahm Bogen und Geigenhals in die eine Hand um seinen Sohn zu begrüßen.
 

Etwas unwillig öffnete Daniel die Augen, als es plötzlich still wurde. Kurz darauf war ihm allerdings klar, warum Serdall aufgehört hatte zu spielen. Er stand auf und ging auf die drei Anderen zu. Taki hatte sich inzwischen schon wieder von seinem Vater gelöst und klammerte sich nun an ihm fest.
 

„Du bist ja immer noch da, Dan“, lachte er.
 

„Tja, und so schnell wirst du mich wohl auch nicht mehr los.“
 

Daniel strich kurz durch Takis Haare, bevor der Kleine in die Küche wuselte, um sich etwas zu trinken zu holen.
 

„Und du?“, wandte er sich an Dustin. „Hast du mich in Englisch vermisst?“
 

„Weil ich wusste, dass du nicht vorzeigbar bist“, feixte Dustin und legte einen Arm um Daniel. „Hast du schon mal in den Spiegel gesehen? Du siehst aus wie ein Einhorn.“
 

„Oh, wie zuvorkommend von dir“, grummelte Daniel. „Mir ging es sonst soweit gut und ich habe jetzt jede Menge Stoff verpasst. Warum hast du mich nicht geweckt? Als mir die Weisheitszähne rausgenommen wurden, bin ich auch in die Schule gegangen, obwohl ich wie ein mutierter Hamster aussah. Aber dafür darfst du mir gleich die fehlenden Englischunterlagen geben und mir erzählen, was du heute unterrichtet hast. Und mündliche Punkte möchte ich bitte auch angerechnet bekommen. Ist ja schließlich deine Schuld, dass ich nicht da war.“ Grinsend sah Daniel seinen Lehrer an.
 

Es klingelte an der Tür und Serdall ließ die beiden Quatschköpfe allein. Das war ja nicht zum Aushalten. Dustin blickte den Violinisten hinterher.
 

„Ich gebe dir die Arbeitsblätter nachher. Ich habe heut nur ein bisschen Textarbeit mit den Anderen gemacht.“ Besorgt hielt er Daniel auf Armeslänge von sich und betrachtete ihn. „Deine Lippe sieht eklig aus, die Beule auch…“
 

Er hob Daniels Kinn an und musterte den Hals eingehend. Das Pflaster war nicht so interessant, doch die Verfärbung kurz unter dem Ohr war doch schon eher etwas für ihn.
 

„Hat dich Fei dahin geschlagen“, er tippte grinsend auf die Stelle und fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt, als Daniel nicht zusammenzuckte, „oder hattest du einen netten Blutsauger über Nacht?“
 

Daniel verdrehte lachend die Augen. Es war so klar gewesen, dass Dustin diese Sache auf keinen Fall entging. Er schien einen Detektor für alles auch nur bedingt Sexuelle um sich herum zu haben. Es hätte genauso gut ein blauer Fleck sein können.
 

„Nun, ich wurde eher am Morgen angezapft. Wobei es mich echt wundert, dass dich das alles so brennend interessiert. Eifersüchtig?“
 

„Am Morgen? Interessant.“ Die Zähne zeigend lehnte sich Dustin vor. „Was denn, habt ihr es in der Dusche getrieben?“, fragte er interessiert und näherte sich Daniel dabei mit dem Gesicht. „Und, ist er besser als ich?“, flüsterte er anzüglich.
 

„Oh man, du bist echt einmalig“, meinte Daniel kopfschüttelnd. „Jetzt machst du auch noch einen auf Schwanzlängenvergleich mit deinem Schwager oder wie?“ Er sah Dustin grinsend in die Augen, entfernte sich aber nicht von ihm, sondern beließ es bei dem minimalen Abstand. „Wenn es dich beruhigt“, hauchte er, „wir hatten noch keine Sex und ich kann dir versprechen, dass ich dir davon dann garantiert auch nichts erzählen werde.“ Fest sah Daniel ihm in die Augen.
 

„Och, ich kitzel das schon aus dir raus. Aber ich find es schon krass, dass er dir jetzt schon Knutschflecke macht.“ Die Nase kraus ziehend legte Dustin den Kopf schief. „Hast du noch woanders welche, außer diesem Winzigen da?“ Neugierig fing er an, an Daniels Shirt zu zupfen.
 

„Dustin!“, zischte Daniel jetzt etwas aufgebracht. „Behalt deine Pfoten gefälligst bei dir. Serdall ist nur einen Raum weiter und ich habe keine Ahnung, wann er wiederkommt und was er denkt, wenn er sieht, dass du mir die Klamotten vom Leib reißt. Was interessiert es dich überhaupt so extrem, was zwischen uns läuft? Bist du sexuell frustriert oder was, nachdem Kikuchi heute Morgen abgereist ist, dass du im Sexualleben anderer Leute rumschnüffeln musst?“
 

Eilig schob Dustin die Hände auf Daniels Po, griff ihn fest und zog ihn an sich.
 

„Eigentlich bin ich zufrieden, nur ist Serdall absolut interessant. Mein Schwager treibt es mit dir, das ist heftig…“, flüsterte er und knetete Daniels Kehrseite. „Und du bist doch nicht mit Serdall zusammen, oder? Ich meine, soweit werdet ihr nicht sein und er ist da eh verklemmt.“
 

„Nein, ich würde nicht so weit gehen, dass wir zusammen sind und er treibt es auch nicht mit mir. Und würdest du jetzt bitte…“
 

Daniel versuchte Dustin von sich wegzudrücken, doch konnte er in seiner Position weit weniger Kraft ausüben als Dustin es mit seiner Umklammerung konnte.
 

„Hey, wir haben abgemacht, dass das zwischen uns vorbei und jetzt nichts Anders als Freundschaft mehr ist. Und jetzt nimm die Griffel weg.“
 

Zu seinem Entsetzen spürte Daniel auch noch, wie sein Körper auf Dustin zu reagieren begann. Die Hände an seinem Po und der andere Köper an seinem ließen ihn wirklich nicht kalt. Er verfluchte sich dafür, dass er der sexuellen Anziehung, die Dustin auf ihn ausübte, nicht vollends widerstehen konnte. Allerdings wusste er, dass Dustin ihn wohl nicht noch einmal ins Bett zerren konnte, wenn er es selbst nicht wollte. Trotzdem war diese Situation gerade etwas prekär. Sich an Daniel reibend umklammerte Dustin plötzlich dessen Kinn.
 

„Ich mag es wirklich wenn du störrisch bist, sorry.“
 

Dustin legte seine Lippen auf Daniels und schob eilig die Zunge dazwischen. Er ließ seine Finger den Spalt an Daniels Po nachfahren und grinste sadistisch, als sein Schüler stöhnend keuchte und den Kuss kurz erwiderte.
 

Serdalls Stimme erklang in der Küche und rief sie beide zum Essen. Dustin rieb währenddessen seinen Oberschenkel über Daniels Schritt und zog ihn noch näher. Er unterbrach den Kuss abrupt und sah lächelnd in das erblühte Gesicht.
 

„Wenn du irgendwann wegen Serdalls Enthaltsamkeit frustriert sein solltest, dann“, er leckte Daniel schmatzend über die Ohrmuschel, „komm zu mir.“
 

„Das hättest du wohl gern“, keuchte Daniel etwas außer Atem.
 

Er machte einen erneuten Versuch, von Dustin loszukommen und der ließ ihn dieses Mal gehen.
 

„Oh man, ich kann nicht glauben, was du mir antust und wozu du mich bringst“, fauchte Daniel aufgebracht. „Dir ist schon klar, dass ich versuche, etwas zwischen mir und Serdall aufzubauen? Du weißt, wie ich ihm gegenüber fühle. Musst du dich dann unbedingt in den Weg stellen und einmischen? Da draußen gibt es tausende von Typen, die nur darauf warten, von dir abgeschleppt zu werden. Warum nervst du nicht einen von denen? Es ist ohnehin erstaunlich, wie man derart dauergeil sein kann.“
 

Daniel drehte sich wütend um und stampfte aus dem Raum. Auf der Türschwelle macht er noch einmal kehrt.
 

„Sag Serdall und Taki, dass ich gleich komme. Ich muss nochmal ins Bad und mir das Gesicht waschen.“
 

Sich durch die Haare streichend ging Dustin in die Küche. Daniel war einfach zu niedlich, wenn er sich so anstellte. Klar, war es nicht nett, dass er sich ihm gegenüber so verhielt, aber Dustin hatte keine Probleme damit.
 

„Daniel musste noch einmal dringend ins Bad“, soufflierte er Serdall anzüglich grinsend und setzte sich Taki gegenüber.
 

Der Violinist zog eine geschwungene Augenbraue nach oben, kommentierte diese Aussage nicht aber. Dustin begann zu essen und auch Serdall stocherte in dem Behälter herum und schob sich die Glasnudeln auf den Teller.
 

Daniel trocknete sich währenddessen das Gesicht ab. Er hatte das Gefühl, dass das kalte Wasser nicht sehr viel von der Rotfärbung der Wangen getilgt hatte, sondern die Durchblutung dort eher noch förderte. Aber egal, er konnte hier nicht den ganzen Tag verbringen. Er würde einfach sagen, dass ihm heiß war oder so.
 

Seufzend verließ Daniel das Badezimmer und ging in Richtung Küche. Er könnte Dustin dafür echt verfluchen, dass er sich andauernd an ihn ranmachte. Es war ja schmeichelhaft, wenn man anscheinend begehrt wurde, aber Daniel war gerade mit jemand anderem in Kontakt. Dustin störte gerade nur und kümmerte sich anscheinend einen Scheiß um die Gefühle anderer Menschen. Dabei hatte er ihm gestern noch gesagt, dass er ihn in der Sache mit Serdall unterstützen würde. Wobei… hatte er nicht eher etwas gesagt von wegen, er würde ihm die Tür öffnen, wenn er rausgeschmissen wurde? Das konnte man auch auf verschiedene Weise auslegen.
 

Daniel betrat die Küche und setzte sich auf seinen Platz. Es war noch von allem reichlich da und er hatte wirklich extremen Appetit auf chinesisches Essen. Wissend lächelte ihn Dustin an und ignorierte Serdalls bösen Blick.
 

„Na, hast dich abreagiert?“, flüsterte er neckend und strich Daniel über den Oberschenkel.
 

Serdall bemerkte diese Geste und hörte auch den Satz. Wütend blitze er Dustin an, als dessen Hand immer noch Daniel betatschte. Kurzentschlossen trat Serdall kräftig gegen Dustins Schienbein, als es ihm zu bunt wurde und Daniel sich sichtlich unwohl fühlte. Sein Schwager schrie heiser auf und zog alle Aufmerksamkeit sich.
 

„Na, hast du dich an deiner Nudel verbrannt?“, zischte Serdall böswillig und lächelte Dustin gespielt freundlich zu.
 

Daniel grinste erheitert und war froh, dass Serdall ihn eher vor Dustin beschützte, als dass er ihm die ganze Sache übel nahm.
 

„Du solltest vielleicht mal pusten. Da bist du in gewisser Hinsicht ja recht begabt drin“, meinte Daniel und wandte sich der Pekingente zu.
 

Serdall schüttelte den Kopf und aß weiter. Sein Schwager war echt zu nichts zu gebrauchen.
 

„Haha“, äffte Dustin genervt und schob sich eine vollbeladene Gabel in den Mund.
 

„Dan?“, Taki sah Daniel plötzlich mit großen Augen an. „Warum hast du denn eine Beule an der Stirn? Und ein Pflaster auf dem Hals? Bist du hingefallen?“
 

Daniel hielt im Essen inne und sah Serdalls Sohn zuerst etwas perplex an. Stimmte ja, Taki wusste nicht, warum er so zugerichtet war.
 

„Ich bin gestern Abend die Treppe runtergefallen. Ist aber nicht so schlimm. Mir geht es gut“, erklärte er.
 

„Eh? Das ist ja schrecklich!“ Schnell war Taki aufgestanden und lief zu Dan. „Zeig mal. Ist dein Kopf jetzt kaputt?“
 

Leise lachte Daniel.
 

„Keine Angst, alles noch heil“, beruhigte er Taki. „Siehst du, ist wirklich nur eine Beule. Genauso wie wenn du dir den Kopf am Schrank stößt oder ähnliches. Dein Papa hat mich schon gut getröstet.“
 

Grinsend sah er zu Serdall.
 

„Eh, Papa? Komm Dan, lass mich pusten, dann wird es ganz schnell wieder heil.“
 

Lächelnd beobachtete Serdall, wie sein Sohn die kleinen Hände an Daniels Schläfen legte und seinen Atem auf die Beule blies.
 

„Taki, Daniel wird jetzt sicher noch viel schneller gesund. Du kannst das noch viel besser als ich“, meinte er leise lachend und sein Sohn reckte stolz die Burst.
 

„Danke, Krabbe“, lächelte Daniel und wuschelte Taki einmal durch die Haare. „Und jetzt setz dich hin und iss, sonst wird alles kalt. Bei dem leckeren Essen wäre das echt schade.“
 

Taki nickte verstehend und setzte sich wieder. Serdall strich ihm auch noch einmal durch die Haare und vollkommen zufrieden mit sich und seinen Taten, speiste sein Sohn weiter. Serdall sah zu Daniel und stupste ihn kurz lächelnd mit dem Fuß an. Schweigend aßen sie zu Ende und Serdall half sogar zum Schluss, die Verpackungen wegzuschmeißen.
 

Daniel streckte sich, als auch die letzten Handgriffe in der Küche getan waren.
 

„So, und jetzt? Taki ist oben und macht seine Hausaufgaben, also schon mal eine vermeidliche Nervensäge weniger. Wenn Dustin jetzt seinen Hintern auch noch aus der Küche bewegen würde…“
 

Grinsend sah er seinen Lehrer an. Dustin verschränkte seine Arme.
 

„Ich habe einen blauen Fleck am Schienbein. Hast du sie nicht mehr alle Serdall?“, murrte der Lehrer böse.
 

Der Violinist trank gerade noch einen Schluck Wasser und ließ sich mit der Antwort Zeit. Er schwenkte sein Glas in Dustins Richtung und sah ihn offen an.
 

„Ich kann dir deinen ganzen Körper einheitlich blau färben, wenn der kleine Punkt sich an deinem Bein einsam fühlt“, sagte er gelassen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Lachend stützte Daniel sich am Küchentisch ab.
 

„Pass auf, Dustin, das tut er tatsächlich noch, wenn du deine Klappe in Zukunft nicht halten kannst und deine Hände im Zaum hast.“
 

Er setzte sich vergnügt zurück an den Tisch und sah die beiden Streithähne an. Wenn Serdalls Drohungen einem nicht selbst galten, konnte man sie fast schon als eine Art grotesken Humor betrachten, denn immerhin hatte Serdall garantiert nicht vor, Dustin zusammenzuschlagen. Der Spruch allerdings kam in dieser Situation irgendwie gut.
 

„Danke, seine Drohungen nehm ich schon ernst“, zischte Dustin und verließ leicht humpelnd und angepisst den Raum.
 

„Was hat er im Wohnzimmer mit dir gemacht?“, fragte Serdall grimmig und sah den amüsiert blickenden Daniel ernst an. Seufzend stützte Daniel das Kinn in die Hand.
 

„Ich glaube für Dustins und vielleicht auch meinen gesundheitlichen Zustand ist es besser, wenn ich dir nichts erzähle. Zumindest nicht die Einzelheiten. Er hat mich angemacht, aber du hast mit deinem Essensruf das Ganze beendet. Mal davon abgesehen, dass ich keine Intention habe, ihm seine Wünsche in der Hinsicht zu erfüllen. Du kannst also ganz beruhigt sein. Und da er weiß, was ihm dann auch von deiner Seite blüht, mein Retter in der Not, wird er seine Griffel wohl in nächster Zeit bei sich behalten.“
 

Daniel grinste Serdall mit schiefgelegtem Kopf an.
 

„Klasse. Aber ich glaube, Dustin wird sich nie zusammenreißen können“, murmelte Serdall und zog Daniel an einer Hand zu sich auf den Schoß, umfasste dessen Taille und sah ihm lächelnd ins Gesicht. „Du und Taki seid echt zu niedlich zusammen. Er mag dich wirklich“, flüsterte er liebevolle und legte sanft eine Hand an Daniels Wange.
 

„Ich kann ihn auch sehr gut leiden“, erwiderte Daniel und legte die Arme um Serdalls Nacken. „Dein Sohn ist einfach süß und total nett, zuvorkommend und höflich. Wenn ich da an so manch andere Erstklässler denke, die noch nicht einmal hallo oder danke sagen können, dir dafür aber einfach mal aus Spaß einen Tritt ans Schienbein mitgeben oder dich beleidigen ist er ein Goldschatz. Du hast ihn wirklich gut erzogen und das in deinem Alter. Wenn ich mir vorstelle, jetzt schon Vater zu sein… Auf ein schreiendes Kind, das fünfmal in der Nacht aufwacht, hätte ich wohl keine Lust. Aber Taki ist in einem schönen Alter.“
 

Daniel lehnte sich bequem an Serdall. Es war erstaunlich, wie gut er sich durch sein Leben geschlagen hatte. Erst die frühe Vaterschaft, dann der Tod seiner Frau. Trotz allem war er noch ein vorbildlicher Vater und zu Menschen, die ihm näher standen, nett und freundlich. Die Bissigkeit, die er teilweise an den Tag legte, war wohl eher ein Schutzmechanismus, wie Daniel vermutete.
 

„Sag mal“, fragte er vorsichtig, „war Taki eigentlich ein Wunschkind oder ist da was schiefgelaufen? Immerhin warst du noch verdammt jung, als er auf die Welt gekommen ist. Du hattest noch nicht einmal die Schule abgeschlossen. Das muss eine ziemlich schwierige Situation gewesen sein.“
 

Serdall lächelte schief.
 

„Louise und mich hätte man frühreif nennen können“, meinte er nostalgisch. „Ich weiß auch nicht, wir waren immer derselben Meinung gewesen, egal was wir dachten. Und Taki war ein Wunschkind, obwohl wir es damals als Ausrutscher darstellten. Schließlich war Louise im fünften Monat, als sie ihre letzte Abiturprüfung geschrieben hat. Wir konnten ja nicht sagen, dass wir es so geplant hatten. Man hätte uns für verrückt gehalten. Da war es uns lieber, dass sie uns für unvorsichtig hielten.“
 

Traurig lächelnd strich er Daniel über die Wange.
 

„Sie war der Mensch gewesen, mit dem ich mein ganzen Leben verplant hatte…“, seufzte Serdall und legte seine Wange an Daniels Front. Irgendwie war der Schmerz immer dann da, wenn er an sie dachte, gleichzeitig mit dem Glück der Erinnerung.
 

„Nun ja, es wäre wohl schon etwas vernünftiger gewesen, wenn ihr eben noch diese fünf Monate gewartet hättet. Wenn es irgendwelche Komplikationen während der Schwangerschaft gegeben hätte und sie ihr Abitur verpasst hätte… Das wäre auch nicht gerade das Gelbe vom Ei gewesen.“
 

Daniel sah Serdall forschend an. Ihm schien dieses Thema etwas unangenehm zu sein. Klar, Louise war immerhin seine Frau gewesen, seine erste und bislang einzige Liebe. Zwei Jahre, die sie schon tot war, waren auch keine so lange Zeit. Allerdings brannten Daniel diese Fragen schon lange auf der Zunge. Es war schon erstaunlich, zu was man in so jungem Alter fähig war, wenn man jemanden aufrichtig liebte. Skeptisch verzog Daniel die Augenbrauen.
 

„Sag mal, da fällt mir ein, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wann überhaupt irgendwer von euch hier Geburtstag hat. Wie alt bist du eigentlich? Der Direktor hat beim Jubiläum nur gesagt, dass du vor sieben Jahren die Schule verlassen hast. Also wohl ungefähr sieben Jahre älter als ich. Sechsundzwanzig?“
 

„Was? Nein.“ Serdall lachte leise und ließ sich wieder zurück an die Stuhllehne fallen, um zu Daniel aufzusehen. „Ich bin erst vierundzwanzig. Die zweite Klasse hat man mich überspringen lassen.“
 

„Also doch kein so alter Knacker, wie ich dachte. Da hast du dich aber nicht gut gehalten. Die Falte zwischen den Augen sieht unschön aus“, neckte Daniel. „Und wo ist das zweite Jahr hin? Die zweite Klasse übersprungen, also fünfundzwanzig. Und weiter? Beim Abitur sind eigentlich alle neunzehn.“
 

„Die Falte ist deine und Dustins Schuld“, meinte Serdall gespielt bissig und rieb sich über die Stirn.

„Außerdem hatte ich das Glück mein Abitur in der zwölften zu absolvieren, nicht so wie du erst nach dreizehn Jahren. Ich hatte also mit siebzehn mein Abitur, einen Sohn und stand kurz vor meiner Hochzeit.“
 

„Irgendwie ganz schön irre. Du hast in dem Alter das erreicht, was einige Leute erst mit dreißig von sich sagen können. Die haben dann davor allerdings erst mal das Problem, sich einen guten und gesicherten Job suchen zu müssen, davor ein Studium oder eine Ausbildung. Das brauchtest du ja nicht. Und übrigens machen Falten Männer sexy. Und sie ist ja wirklich nur ganz ganz klein.“
 

Neckend fuhr Daniel die leichte Vertiefung einmal mit dem Zeigefinger nach.
 

„Ich habe dir ja gesagt, dass die Mafia ein lukratives Geschäft ist.“ Er leckte sich leicht über die Lippen, da sie trocken wurden, bevor er weiter sprach. „Das Haus habe ich auch in dieser Zeitspanne Louise geschenkt. Wenn man es so sieht, kann ich mich wirklich nicht beklagen.“
 

Serdall fing Daniels Hand ein, die immer wieder kurz über diese ominöse Falte strich, von der Serdall sicher war, das sie nicht existierte, und verschränkte seine Hand mit der des Jungen.
 

„Würdest du einen hundertjährigen Faltenlappen küssen? Nein? Na dann sind Falten auch nicht sexy.“
 

Penetrant begann das Telefon im Wohnzimmer klingeln, als Serdall dabei war, Daniel neckisch über den Bauch zu streicheln.
 

„Moment“, murmelte er, schob Daniel von sich und ging ran. Grinsend verzog er das Gesicht, als er hörte wer sich meldete. „Oh, guten Tag Frau Erhard! Einen Augenblick, ich gebe Ihnen Ihren Sohn gleich.“
 

Sadistisch grinsend hielt Serdall Daniel den Hörer hin.
 

„Mami“, flüsterte er böse und lehnte sich dann an die Küchentheke, als Daniel begann zu telefonieren.
 

„Hey Mom“, grüßte Daniel in den Hörer und schoss Serdall einen bösen Blick zu.
 

„Daniel Erhard, wo zum Teufel steckst du eigentlich?“, kam es wütend und aufgebracht zurück. Genervt rollte Daniel mit den Augen. Es war klar, dass es so kommen würde.
 

„Du hast hier angerufen, also müsstest du doch wohl wissen, wo ich bin“, grummelte er.
 

„Komm mir jetzt nicht so“, zischte seine Mutter zurück. „Du warst seit zwei Tagen nicht in der Schule, hast dich heute nicht darum gekümmert, dass deine Schwester pünktlich zum Unterricht kommt und schläfst nicht mehr regelmäßig hier. Ich will gefälligst wissen, was los ist.“
 

Seufzend ließ Daniel sich im Stuhl zurücksinken. Es ging los. Ein Mischmasch aus Wahrheit, Halbwahrheit und Notlüge musste herhalten.
 

„Wie du weißt, bin ich hier Babysitter. Es ist die letzten Tage oft sehr spät geworden, sodass ich hier übernachtet habe, anstatt mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren. Du weißt, durch welche Viertel ich fahren muss.“
 

„Ach, und warum nimmst du dann nicht dein Auto so wie gerade? Da wird dich schon keiner anspringen, wenn du dort langfährst.“
 

Oh Mist, Falle.
 

„Ich hatte keine Ahnung, dass es so lange dauert“, machte Daniel weiter. „Wir hatten hier ein paar Zwischenfälle. Das Kindermädchen, das hier eigentlich gearbeitet hat, hatte eine Frühgeburt, ein Freund des Bruders von Serdall… Herrn Agamie… meinem Arbeitgeber, wie auch immer, hat sich schwer verletzt und musste behandelt werden.“
 

„Und das alles in den letzten Tagen?“, kam die skeptische Frage.
 

„Nein, natürlich nicht“, seufzte Daniel etwas nervös. „Ich habe Charline am Telefon gesagt, dass ich mich mit Serdalls Bruder betrunken hatte und deswegen über Nacht hiergeblieben bin und nicht zur Schule kam und letzte Nacht bin ich auf einem von Takis Spielzeugen ausgerutscht und die Treppe runtergefallen. Die Schmerzmittel haben mich müde gemacht und ich bin auf der Couch eingepennt. Sie haben mich netterweise hier übernachten lassen und ich bin heute erst sehr spät aufgewacht, weil kein Wecker gestellt gewesen war. Das Alles tut mir Leid. Es wird bestimmt nicht wieder vorkommen. Ich hatte ohnehin vor, heute Nachmittag wiederzukommen.“
 

„Das wirst du auch, junger Mann“, knurrte seine Mutter. „Du hast noch eine ganze Menge von den letzten zwei Tagen aufzuholen. Die Autos wolltest du auch waschen und den Rasen mähen. Das steht auch noch aus. Und das Flurlicht funktioniert nicht. Da musst du dich auch drum kümmern. Also schwing deinen Hintern gefälligst hierher.“
 

„Wie gesagt, ich komme bald“, grummelte Daniel und legte deprimiert den Kopf auf den Tisch.“
 

„Gut, alles Andere werden wir dann zuhause besprechen. Bring gleich noch Brot mit, es ist keines mehr da. Bis gleich.“
 

„Bis dann“, verabschiedete Daniel sich und legte auf. Stöhnend schob er den Hörer über den Tisch und legte sich flach mit dem gesamten Oberkörper auf die Platte. „Sie ist sauer“, murmelte er gedämpft.
 

Serdall verkniff sich ein gemeines Lachen und ging zu Daniel. Väterlich schlug er ihm auf die Schulter.
 

„Das ist ja wohl auch kein Wunder“, murmelte er und kniff Daniel in die Wange. „Du solltest lieber gleich Schadensbegrenzung betreiben“, meinte er lachend und setzte sich Daniel gegenüber, nicht ohne dessen Hände in sein zu nehmen. Seit gestern konnte er kaum noch die Finger von Daniel lassen, musste ihn immer wieder anfassen und spüren. Das wurde ihm langsam wirklich unheimlich. Wenn der 19jährige zu Hause war, würde Serdall darüber nachdenken können und diese Entwicklung objektiv betrachten.
 

„Ach, und was genau schlägst du da vor?“, wollte Daniel muffig wissen. „Ich bin schon eingeplant fürs Autowaschen, Rasenmähen, Flurlicht reparieren und Brot holen. Was könnte ich denn da noch machen, das meine Mutter beschwichtigen könnte? Abgesehen davon will ich auch echt nicht das ganze Wochenende dort hocken. Sie hat frei und wird mich wieder mit irgendwelchen Aufgaben tyrannisieren. Kannst du mich nicht heute Abend anrufen und für morgen bestellen? Bitte?“
 

Etwas abwesend spielte Daniel mit Serdalls Fingern und setzte wieder den Dackelblick auf, den er sich bei Taki abgeschaut hatte. Das letzte Mal hatte es gut funktioniert.
 

„Ihr zum Beispiel als Entschädigung für all die Sorgen und den Ärger, den sie wegen dir hatte, ein Strauß Blumen mitbringen? Ich meine Frauen sind wirklich empfindlich, aber auch leicht zu besänftigen.“ Serdall zwinkerte Daniel zu. „Wenn man weiß, wie man es machen muss.“
 

Seufzend entwand sich Serdall Daniels Blick und sah zur Wanduhr. Es war noch nicht sehr spät und Serdall würde wohl noch ein wenig geigen.
 

„Na gut, ich ruf dich nachher an, obwohl ich das nicht wirklich okay finde. Du musst mir versprechen ihr Blumen zu kaufen, ja? Sonst fühle ich mich schlecht. Du brauchst schließlich noch allerhand Erziehung, so unreif wie du bist“, scherzte Serdall.
 

„Wieso bin ich unreif?“, wollte Daniel wissen. „Außerdem sagt das wohl der Richtige. Du hast auch fünf Jahre mehr auf dem Buckel und nur, weil du dich mit Frauen auskennst, heißt das noch lange nicht, dass du mir so viel voraus bist.“
 

Seufzend löste sich Daniel von Serdall und stand auf. Er würde wohl gleich losfahren müssen, sonst würde es richtig Stress geben.
 

„Sag mal“, druckste er etwas verlegen, „du hast nicht zufällig ein bisschen Geld, das du mir leihen könntest? Ich hab nur ein wenig Kleingeld mitgenommen und das reicht vielleicht für zwei jämmerliche Rosen oder so, aber nicht für einen Strauß.“
 

„Reife hat nichts mit dem Alter zu tun“, antwortete Serdall noch auf Daniels letzte Bemerkung und legte dann überlegend den Kopf schief. „Und wegen des Geldes… Ich habe dich doch Donnerstagmorgen bezahlt, schon vergessen? Das sollte ja wohl reichen“, erinnerte Serdall Daniel an den Lohn für das Aufpassen auf Taki.
 

„Oh man, stimmt ja. Ich war ja schon seit Mittwochnachmittag nicht mehr zuhause. Nun, eigentlich verständlich, dass sich meine Mutter dann aufregt. Immerhin habe ich echt nicht Bescheid gesagt, wo ich wann und wie lange stecke. Wobei… Die Sache mit Dustin durfte nicht rauskommen, aber dass ich hierher komme, weil ich mich mit dir und Taki angefreundet habe, ist doch nicht so schlimm und kann ruhig als Erklärung benutzt werden, oder? Denn es wäre etwas auffällig, wenn ich fast jeden Tag zum Babysitten hierher komme.“
 

Fragend sah er Serdall an. Überlegend sah der auf die Tischplatte. War es schlimm? Es hieß ja nicht gleich, das Serdall etwas intim mit Daniel geworden war. Freundschaft war nichts Verwerfliches und ein guter sozialer Wert. Dennoch fühlte Serdall sich bei dem Gedanken unbehaglich.
 

„Weiß deine Mutter, dass du homosexuell bist?“, fragte er geradeheraus, denn dann würde Daniels Mutter mit ihrer weiblichen Intuition einfach eins und eins zusammen zählen.
 

„Klar weiß sie es“, meinte Daniel schlicht. „Die ganze Schule weiß es. Ich habe vor zwei Jahren beschlossen mich zu outen und wenn ich etwas anfange, dann mache ich es richtig. Warum? Ist das irgendwie ein Problem für dich? Denkst du, sie könnte irgendwelche Schlüsse ziehen?“
 

Die Frage war eher, ob Serdall es schlimm finden würde, wenn seine Mutter etwas ahnen sollte. Wobei es in Ordnung war, dass er momentan in der Hinsicht noch etwas vorsichtig war. Schließlich war die ganze Situation für Serdall im Moment wie für ihn selbst vor ein paar Jahren. Er war auch sehr unsicher gewesen und wollte alles erst einmal für sich behalten.
 

„Du kennst deine Mutter sicher besser als ich, aber sie wird es auf jeden Fall verdächtig finden. Ich mag den Gedanken nicht“, gab Serdall offen zu.
 

Er war überrascht, dass Daniel wohlgemerkt schon mit siebzehn dazu gestanden hatte, dass er Männer attraktiver fand als Frauen. Serdall zog irgendwie die Parallele zu seiner eigenen Entscheidung mit Louise ein Kind zu haben. Beides war eine wirklich nicht zu unterschätzende Wahl der eigenen Lebensart und Daniels war wohl extremer als seine eigene, da ein Kind etwas Anderes war als eine sexuelle Neigung, die in der Gesellschaft eher missgünstig angesehen wurde.
 

„Aber ich denke, es wird okay sein“, sagte er noch ernst.
 

„Wenn du dir deswegen sicher bist, ist es in Ordnung. Wenn nicht muss ich eben in nächster Zeit oft auf Taki aufpassen, weil sein Vater ein viel beschäftigter bekannter Violinist ist.“ Daniel zuckte mit den Schultern. „Lieber wäre es mir natürlich, wenn wir das Ganze wenigstens etwas der Wahrheit annähern. Also wenn du meinst, dass du wirklich damit klarkommst…“ Er ließ den Satz offen und Serdall somit noch eine Chance, seine Meinung eventuell doch noch zu ändern.
 

„Mir wäre es lieber, dass keine dummen Gerüchte aufkommen“, murmelte Serdall. „Du weißt wie ich darüber denke. Ich halte es immer noch für nicht das Beste, auch wenn es mir gefällt.“ Genervt strich Serdall durch die Haare. „Dir wird schon etwas einfallen. Und nun los, ich glaube du solltest deine Mutter nicht mehr all zu lange warten lassen.“
 

„Hast recht. Einkaufen muss ich auch noch. Grüß Dustin und Taki von mir, wir sehen uns ja morgen.“ Daniel ging auf Serdall zu und umarmte ihn. „Ich hasse meine Lippe. Ich würde dich wirklich gerne küssen, aber ich habe Angst, dass was aufreißt. In drei Tagen wird hoffentlich wieder alles verheilt sein.“
 

Serdall nickte.
 

„Ja, hoffen wir es.“
 

Beklommen sah er auf die zerschlagen Lippe. Aids. Er hatte Angst um Daniel, hoffte wirklich, dass mit ihm alles in Ordnung war. Er gab ihm einen Kuss auf die Wange.
 

„Bis morgen.“
 

Er brachte Daniel noch bis zur Tür und wartete darauf, dass er in seinen Wagen stieg, den Serdall immer noch als Rostlaube ansah. Daniel winkte noch einmal aus dem Fenster, eher er den ersten Gang einlegte und in Richtung Einkaufszentrum davonfuhr.
 

Zwanzig Minuten später parkte er sein Auto an der Straße vor ihrem Haus mit dem gewünschten Brot in der einen und einem viel zu teuren Blumenstrauß in der anderen Hand. Seufzend stieg er die Treppen bis in die dritte Etage zu ihrer Wohnung hoch und zog seinen Schlüssel aus der Tasche.
 

Ende Kapitel 15



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-10-17T20:59:10+00:00 17.10.2007 22:59
Ist das süß, da bekommt man ja einen Zuckerschock!^^
Ich finde es echt gut , dass Serdall jetzt mit Daniel kuschelt, und es einsieht dass er wichtig für ihn ist.
Und er kann ja wieder gut Geige spielen , weil Daniel da war. Er hatte doch da letztens seine Schwierigkeiten.
Udn die Kröung ist , dass er ihn vor Dustin gerettet hat.
Dieser verfluchter Dustin , auf Gefühle achtet er nicht oder?
Der Typ ist echt notgeil.^^


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