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Die Magie der Musik

von

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Kapitel 12
 

„Komm, Taki, wir kaufen Pizza“, sagte Dustin gut gelaunt zu Serdalls Sohn, der schon fertig angeschnallt auf der Rückbank des Autos saß.
 

„Au ja!“, quietschte er vergnügt und begann aufzuzählen, welche Pizzasorten sie unbedingt kaufen müssten. „Und für Daniel gibt’s eine mit Medizin!“, meinte er vollkommen ernst, als sie vor dem Italiener hielten.
 

Dustin lachte laut los.
 

„Wir schauen mal, was sich da machen lässt.“
 

Taki an die Hand nehmend ging er hinein.
 

Es dauerte eine gute Stunde, bis endlich die vier Pizzen fertig waren und sie Heim fahren konnten. Hilfsbereit trug Taki schon seine eigene Pizza und Dustin balancierte die anderen drei geschickt aus, als er die Haustür aufschloss. Schnell waren sie hineingegangen, mit den Füßen die Schuhe abgestreift und die Pizzen in der Küche deponiert.
 

„Warte einen Moment, Taki, ich such mal deinen Papa und Dan.“
 

Taki nickte zwar, aber saß schon am Tisch und lugte in die Verpackung hinein. Kopfschüttelnd ging Dustin zum Wohnzimmer und stockte abrupt.
 

„Du meine Güte…“, flüsterte er überrascht. Das war jetzt das zweite Mal, dass er Serdall ganz anders als sonst erlebte und das an nur einem Tag.
 

Sie sahen so friedlich aus zusammen… Dustin konnte es wirklich nicht fassen. Serdalls Gesicht war Daniel zugewandt, obwohl er seinen Kopf mit einer Hand stützte. Die andere, bemerkte Dustin lächelnd, lag auf Daniels Hals.
 

„Was hast du nur mit ihm gemacht?“, flüsterte Dustin und ging auf die beiden zu. Es tat ihm leid, diese Idylle zu stören, doch Taki war nicht weit und Dustin ahnte irgendwie, dass Serdall nicht wollte, dass sein Sohn einen falschen Eindruck vermittelt bekam. Dustin entschied sich, erst einmal Daniel zu wecken. Der Junge war das kleinere Übel. Wer wusste schon wie Serdall reagierte?
 

„Hey, Dan!“
 

Dustin zog ihm an der Nase und kniff ihn ungnädig in die Wange, als Daniel einfach nicht aufwachen wollte.
 

„Was?“, kam die unwillige Antwort nach ein paar Augenblicken. Etwas grummelig, weil er aus seinem gemütlichen Schlaf gerissen wurde, öffnete Daniel die Augen. Erschrocken setzte er sich auf, als er Dustin erkannte. „Ihr seid schon wieder da?“
 

„Junge, hast du mal auf die Uhr geschaut?“ Breit grinsend blickte er Daniel an. „Was habt ihr denn gemacht, dass ihr so müde seid?“, fragte er unverschämt.
 

Daniel grinste anzüglich.
 

„Ja, das würdest du gerne wissen, was?“
 

Leise lachend setzte er sich vorsichtig auf, um Serdall nicht sofort zu wecken.
 

„Ja würde ich“, sagte Dustin ernst.
 

„Schön für dich“, ätzte Serdall ihn plötzlich an. Müde rieb er sich über die Augen.

Ächzend stand er auf und ging mit der Absicht, seinen Sohn zu begrüßen, aus dem Raum.
 

„Na holla…“
 

Verwirrt blickte Dustin auf Daniel. Schulterzuckend sah der ihn an.
 

„Was hast du erwartet? Wenn ich mit ihm allein bin und ihn lang genug bearbeite, dann öffnet er sich und lässt seine Bedenken fallen, aber sobald jemand anders im Raum ist, ist das Ganze vorbei und er wieder der unnahbare Kerl. Ich habe es schon befürchtet.“
 

„Ehrlich Daniel, du tust mir leid.“ Dustin verschränkte abschätzend die Arme. „Glaubst du nicht, dass du dich da etwas übernimmst?“
 

„Ich weiß es nicht.“ Daniel zuckte unentschlossen mit den Schultern. „Wenn wir uns küssen oder so denke ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, ehe er seine Bedenken über Bord wirft und endlich mal das macht, was er wirklich möchte. Aber wenn er so ist wie jetzt oder darüber redet, dass eine Frau für ihn besser wäre und er wohl wieder heiraten sollte, wie sein Bruder es ihm rät, denke ich, dass ich noch kilometerweit von meinem Ziel entfernt bin.“
 

Lächelnd nahm Dustin Daniels Hand und zog ihn auf die Beine.
 

„So lang es nur ein paar Kilometer sind, kann man den Weg noch bestreiten. Wenn dein Ziel unerreichbar wär, würde ich dir sagen, lass es. Aber du bist schon soweit gekommen.“ Er strich Daniel eine Strähne aus der Stirn. „Gib nicht auf. Bevor Serdall wieder heiratet ist noch genügend Zeit ihn strategisch weich zu klopfen. Und Fei ist auch nicht immer hier.“
 

Daniel aufmunternd durch die Haare wuselnd dachte Dustin daran, wie heftig sich alles in der kurzen Zeit geändert hatte und dass das allein Daniel bei Serdall geschafft hatte. Es war bewundernswert. Irgendwie fand es Dustin wirklich schade, dass er Daniel einfach so abserviert hatte. Seine Qualitäten schienen in seinen Augen immer wertvoller zu werden.

Aber Dustin beschwerte sich nicht. Er hatte seinen eigenen Weg gewählt und Daniels Liebe schien auch Serdall zu berühren und das war wichtig. Denn zugegeben, Dustin wollte nicht, dass Serdall so blieb wie er war und auch nicht, dass sein Schwager eine andere Frau heiratete. Louise sollte die einzige Frau in seinem Herzen bleiben. Eine andere würde Dustin nicht akzeptieren.
 

„Los jetzt. Taki und ich haben Pizza gekauft. Die wird kalt, wenn wir weiter trödeln!“
 

Dankbar lächelte Daniel Dustin an und ließ sich dann von ihm in die Küche schieben. Grüßend strich er Taki einmal kurz durch die Haare und setzte sich dann Serdall gegenüber, der ihn geflissentlich ignorierte. Leise seufzte Daniel auf. Das würde wirklich schwer werden. Ein paar Kilometer waren dann eben doch ein recht langer Weg. Aber da würde er sich jetzt keine Gedanken drüber machen und die Laune verderben lassen. Lieber behielt er die letzten schönen Stunden in Erinnerung und sog hungrig den leckeren Duft der Pizzen ein. Sein Magen machte sich brummend bemerkbar und Daniel gab ihm im Stillen Recht. Er hatte schon seit gestern Abend nichts mehr gegessen und seit sein Kater mit dem Schlaf auf ein erträgliches Maß abgeklungen war, hatte er auch wieder richtig Appetit.
 

„Was gibt es denn?“, erkundigte er sich bei den beiden Pizza-Käufern und lugte in einen der Kartons hinein. Meeresfrüchte. Igitt. Angewidert verzog er das Gesicht.
 

Lachend setzte sich Dustin neben Daniel.
 

„Taki hat den Italiener gefragt, was gut für einen Kranken wäre. Da hat der Kerl ihm die Meerespizza empfohlen.“
 

„Und die haben wir dann natürlich geholt, damit du wieder gesund wirst!“ Taki nickte Daniel auffordernd zu. „Los iss, sonst bleibst du krank!“
 

Serdall konnte sich kein Lächeln verkneifen, als Daniel gequält das Gesicht verzog.
 

„Will nicht jemand tauschen? Ich habe echt Hunger und das Zeug hier bekomme ich nicht runter.“ Schnell öffnete er die restlichen Kartons und prüfte deren Inhalt. „Hey, Hawaii. Die nehm ich. Aber mit der Thunfischpizza bin ich auch einverstanden.“
 

Schnell griff er sich eines der schon geschnittenen Stücke der Pizza Hawaii und biss ab, damit ihm keiner mehr dazwischenfunken konnte. Grinsend nahm sich Dustin die Thunfischpizza.
 

„Tja, da hast du wohl Serdalls erwischt“, meinte er zu Daniels Aktion des Pizzatauschs.
 

„Schon okay“, sagte Serdall ruhig und nahm sich die mit den Meeresfrüchten. War ja nicht so, als ob ihm das nicht schmeckte und besonders großen Hunger hatte er auch nicht. Lustlos kaute er auf einem Stück herum und war mit den Gedanken sowieso ganz woanders.
 

Daniel verdrehte etwas angepisst die Augen. Er hasste diesen Serdall. Gleichgültig, jede Art der Konfrontation vermeidend, wenn es ihn betraf. Mufflig schob Daniel sein Stück Pizza im Mund herum und lächelte dann heimtückisch, als ihm eine Idee kam.
 

„Dustin, abbeißen“, befahl er und schob ihm ein neues Hawaiistück vor die Nase. Er erhielt zwar einen etwas verdutzten Blick, doch Dustin tat wie ihm geheißen. „Taki, jetzt du“, ging Daniel weiter in der Reihe.
 

„Warum denn?“, kam die verdatterte Frage von dem Kleinen.
 

„Wir machen Pizza Rundessen“, erklärte Daniel. „So kann jeder mal von jeder Pizza probieren und da ich sowohl von Dustins Thunfischpizza als auch von deiner Funghi ein Stück abhaben möchte, ist das doch eine gute Maßnahme.“
 

Grinsend biss Taki einmal ab und kaute genüsslich. Daniel steckte sich das Stück ebenfalls in den Mund und reichte die Pizza dann an Serdall weiter. Drücken konnte er sich schlecht, sonst galt er vor seinem Sohn als Spielverderber.
 

„Na, Mund auf“, forderte Daniel lächelnd auf. Murrend sah Serdall ihm in die Augen.
 

„Das ist absolut idiotisch. Ich will deine Pizza nicht kosten, also spiel lieber mit Dustin und Taki deine Spielchen. Schließlich wolltest du diese“, Serdall zeigte auf seine Pizza mit den Meeresfrüchten, „nicht. Da habe ich also nichts zum Tausch anzubieten.“
 

Demonstrativ schob sich Serdall eines der besagten Pizzastücke in den Mund und verschmähte alles Andere. Etwas verletzt aß Daniel das Stück Pizza allein auf. Es schien so, dass Serdall proportional mit den vermehrten Zärtlichkeiten, die sie austauschten, auch unnahbarer wurde, wenn andere Leute um sie herum waren. Deprimiert kaute Daniel an seiner Pizza herum und biss immer mal wieder von Dustins oder Takis Stücken ab, die ihr Spielchen weiterführten. Vor allem Taki schien daran Gefallen gefunden zu haben und fütterte die beiden Erwachsenen mehr, als dass er selbst von seiner Pizza aß.
 

Etwas genervt schob Serdall sein Essen von sich, als er gerade mal drei Stücke gegessen hatte. Sein Appetit war ihm mehr und mehr vergangen.
 

„Taki, mach ja deine Hausaufgaben nach dem Essen, okay? Ich bin oben, falls was ist.“
 

Ohne das Wort an Daniel oder Dustin zu richten stand Serdall auf und hauchte noch einen Kuss auf Takis Stirn. Er holte seine Geige aus dem Wohnzimmer und verschanzte sich mit ihr in seinem Schlafzimmer, um dann, um sich abzulenken, nach Noten zu spielen.
 

Kurz nach Serdall verließ auch Taki die Küche, um gehorsam seine Schularbeiten zu machen. Daniel und Dustin blieben allein zurück.
 

„Er ist in diesem Zustand so ein verdammter Eisklotz“, beschwerte sich Daniel und räumte etwas zu ruppig den Tisch ab, sodass das Geschirr laut klapperte. Langsam kam er sich vor wie die Küchenfee oder sowas. Dass Vater und Sohn aber auch nie dazu in der Lage waren, ihr Zeug selbst wegzuräumen. Dustin half ihm, etwas bedrückt.
 

„Was hast du denn erwartet? Dass er sich freut wie ein Schneekönig?“ Er nahm Daniel in den Arm, als der genervt den Waschlappen in die Spüle feuerte. „Hey, das wird schon. Irgendwann sieht er es ein. Er wird sich nicht ewig verstellen können.“
 

„Hoffentlich. Aber früher wäre mir dann doch deutlich lieber als später“, murmelte Daniel in Dustins T-Shirt und schlang die Arme um dessen Hüften. Sie standen kurze Zeit so und Daniel fing plötzlich an zu lachen. „Oh man, wenn uns jetzt jemand sehen würde, der müsste sonst was denken. Wobei ich prinzipiell ja nicht abgeneigt wäre, wenn da nicht meine momentanen Vorzüge für eine längere Beziehung wären und die Tatsache, dass ich in jemanden verknallt bin.“
 

„Du kannst ruhig immer zu mir kommen, Dan. Du weißt, dass ich da nicht so bin.“ Er gab Daniel einen kurzen Kuss auf die Wange. „Und was machen wir jetzt?“
 

„Ich weiß nicht, was schlägst du vor? Ich habe auf jeden Fall noch keine Lust, nach Hause zu fahren. Das erinnert mich nur daran, dass ich noch den Unterrichtsstoff von heute nachholen und Hausaufgaben machen muss und das verschiebe ich dann doch lieber auf heute Abend.“ Daniel löste sich von Dustin.
 

„Tja, Serdall hat sich anscheinend in seinem Zimmer verbarrikadiert.“ Überlegend sah er Daniel an. „Wir könnten eine Runde Videospiele im Wohnzimmer zocken, da Serdall eh oben ist. Aber nur für ein paar Stunden. Ich hab noch ein paar Tests durchzusehen“, schlug Dustin spontan vor.
 

Daniel grinste frech.
 

„Wenn du darauf vorbereitet bist, haushoch zu verlieren, dann lass uns die Konsolen zum Brennen bringen. Und wenn du dann heute Abend deine Tests korrigierst, fahr ich nach Hause. Heute ist hier wohl sonst nichts mehr für mich zu holen.“
 

„Du glaubst doch nicht, dass du gegen mich gewinnst? Ich bin der ungeschlagene König in dieser Hinsicht!“
 

Eilig packte Dustin Daniels Hand und zog ihn lachend auf das Sofa im Wohnzimmer. Schnell war die Konsole angeschaltet, die Kontroller verteilt und der erste Kampf entfacht.
 

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Einsam saß Serdall mit entblößtem Oberkörper im Schneidersitz auf dem Doppelbett. Vor ihm lag die Mappe mit den Notenblättern und neben ihm, zu seiner Linken, die Geige und zu seiner Rechten der Bogen.
 

Er vergrub den Kopf zischend in den Händen. Stundenlang hatte er einfach nur gespielt. Es hatte nichts geholfen. Immer wieder erschien ihm Daniels gerötetes Gesicht vor seinen Augen. Mitten im Spielen hatte er wieder dessen heisere Stimme gehört oder sich an die wahnsinnigen Küsse erinnert. Immer wieder hatte er sich verspielt, sodass er sich alsbald vorkam wie zu seinen Anfängen als Geigenschüler. So unbeholfen und verzweifelt.
 

Langsam schien es ihm, als ob ihm sein liebstes Instrument vollkommen fern war, egal was er versuchte. Daniel rückte sich immer mehr in den Vordergrund wenn er versuchte zu spielen und das machte es unmöglich für ihn, nur eine einzige Tonfolge ohne Fehler laufen zu lassen.
 

Bitter blickend ließ sich Serdall rückwärts auf die Decke fallen. Er fühlte sich so furchtbar. Sein Inneres war so durcheinander. Diese Verhältnisse in seinem eigenen Haus schienen ihn wahnsinnig zu machen. Er musste endlich klare Fronten schaffen. Daniel durfte ihn nicht immer soweit bringen ihn zu küssen und schon gar nicht so weit, wie das von heute morgen. Daniel hatte ihn befriedigt! Serdall fragte sich, was mit ihm losgewesen war, dass er sich zu so etwas hinreißen lassen hatte. Er war ein erwachsener Mann, hatte Verantwortung zu tragen und nicht seinen sexuellen Begierden nachzugeben, vor allen Dingen dann nicht, wenn er es mit einem 19jährigen tat.
 

Aber er verstand Daniel auch nicht. Warum setzte sich der Junge dafür so sehr ein? Serdall konnte es einfach nicht nachvollziehen. ‚Nicht. Lass mir noch meinen letzten Strohhalm…‘ Diese Worte geisterten seitdem durch Serdalls Kopf. Er war doch selber Schuld, er machte diesem Jungen Hoffnungen, die eigentlich vergeblich waren.
 

In den letzten Stunden hatte sich Serdall entschieden. Er würde wieder heiraten. So bald wie möglich. Daniel und die Dinge, die zwischen ihnen geschahen, waren doch nur ein Zeichen dafür, dass Serdall endlich wieder eine Ehefrau brauchte, die sich auch um die Bedürfnisse nach Nähe und Zuneigung kümmern konnte. Das mit Daniel, das war einfach nur aus dem Affekt heraus. Serdall war der festen Überzeugung davon. Einfach nur ein kleiner Ausrutscher, das geschah jedem einmal. Und von ein paar Küssen und Fummeln wurde man nicht gleich schwul, egal wie tolerant sich Serdall in dieser Hinsicht bei Dustin zeigte.
 

Seufzend stand Serdall auf und öffnete die Tür zum Balkon, um hinauszugehen. Die frische Luft half ihm dabei, den Kopf klar zu bekommen. Wenn die Sache mit Daniel vorbei war, und das würde sie, denn Serdall hatte vor, ihn nie wieder in sein Haus zu holen, dann würde es auch wieder mit seinem Geigenspiel gehen. Und wenn er erst einmal wieder geheiratet hatte, dann würde alles wieder in Ordnung sein.
 

Wie bescheuert bin ich eigentlich?, fragte sich Serdall im nächsten Moment. Ohne Louise würde es nie in Ordnung sein. Traurig stützte er sich auf das Geländer und blickte zur Straße. Es war eine bescheidene Situation, in der er sich im Moment befand. Erst einmal würde er sich eine neue Aufpasserin für Taki suchen müssen, dann würde er Daniel feuern können. Schließlich war es eine dumme Idee gewesen, ihn überhaupt einzustellen. Egal wie sehr Taki Daniel mochte, Serdall konnte das nicht weiter so laufen lassen. Wer wusste, wozu Serdall sich noch unabsichtlich überreden ließ? Daniel war ein zu großer Risikofaktor.
 

Gerade wollte Serdall die Augen schließen, als ein lauer Wind seine Haut umspielte, doch er stockte im letzten Moment, als der schwarze Wagen von Fei schnell auf den Hof fuhr.

Serdall bekam eine halbe Herzattacke, als die Bodyguards Kikuchi blutend von der Rückbank hoben und ihn in Richtung Haus trugen. Eilends sprintete er nach unten, ignorierend, dass er nur halb bekleidet war. Er hastete erst zu Dustin in sein Arbeitszimmer.
 

„Geh nach oben zu Taki. Lass ihn nicht nach unten kommen! Hast du gehört?“
 

Seine Stimme klang gehetzt und absolut ernst, sodass Dustin zu verstehen schien, dass es äußerst wichtig war.
 

„Ich bin sofort oben“, antwortete er nickend und war im nächsten Moment aufgestanden, als Serdall schon nach unten rannte.
 

Es klopfte und klingelte plötzlich an der Haustür und Serdall öffnete sie keuchend.

Kikuchi hing ohnmächtig in den Armen der beiden Bodyguards. Sie gingen sofort an Serdall vorbei und brachten ihn in die Küche, um ihn dort auf einen Stuhl zu setzen. Fei stieß hinter ihnen die Tür zu.
 

„Serdall, hol sofort Verbandszeug und Desinfektionsmittel.“
 

Fei rollte sich die Ärmel nach oben und folgte den anderen. Der Violinist hetzte zu seinem Wagen und holte den Verbandskasten. Aus dem Erste-Hilfe Schrank in der Küche entnahm er das Desinfektionsmittel.
 

„Los, mach schon, Serdall“
 

Gestresst sah Serdall seinen Bruder an. Er sollte Kikuchi verbinden? Er gab keine Widerworte, obwohl er das wirklich nicht wollte und auch nicht wirklich konnte. Sein Bruder begann mit dem Handy zu telefonieren und Serdall hörte, dass er Flugtickets nach Japan bestellte.
 

Was zum Henker ist hier los?, fragte Serdall sich, als er Kikuchi mithilfe eines der Bodyguards aus seiner Kleidung schnitt. Dabei lief Serdall das warme Blut der Schusswunde über seine Hände und er verzog angewidert das Gesicht. Die Kugel war direkt durchgegangen und Kikuchi kam im nächsten Moment stöhnend zu Bewusstsein.
 

Serdall ahnte, dass das Geschäft mit Herrn Itare nicht so gelaufen war, wie

angenommen. Fei war wütend und brüllte regelrecht in sein Handy. Er schlug sogar bei seinem nächsten Telefonat, bei dem er anscheinend nach Kyoto telefonierte, mit der Faust gegen die Theke. Serdall fragte sich, wem wohl die Kugel gegolten hatte. Vielleicht hatte Kikuchi seinen Fei geschützt? Es war anzunehmen, dass man auf Fei geschossen hatte und Kikuchi ihn aus der Schussbahn geschubst hatte und dabei am Oberarm verletzt wurde.
 

Plötzlich ging die Tür auf. Kurz sah Serdall über die Schulter und erkannte… Daniel.

Scheiße, was machte er noch hier? Serdall hatte gedacht oder zumindest gehofft, dass er schon nach Hause gegangen war.
 

Geschockt blieb Daniel an Ort und Stelle stehen und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Szene vor sich. Er war gerade noch im Wohnzimmer gewesen und hatte das Videospiel weitergespielt, das er mit Dustin angefangen hatte, bis dieser hoch zu seinen noch zu korrigierenden Tests gegangen war. Schließlich hatte er den Tumult gehört und wollte nachsehen und jetzt wurde er mit dem hier konfrontiert.
 

„Oh Gott“, wisperte Daniel, als er das ganze Blut und die schlimme Wunde sah und Kikuchi leise stöhnen hörte. Er trat ganz in die Küche, hörte Fei auf japanisch irgendwas in sein Handy schreien, sah die beiden Bodyguards etwas verloren am Küchentisch stehen, nahm Serdall wahr, der ihn erschrocken ansah.
 

„Was ist passiert?“, wollte Daniel etwas gefasster wissen, als er seinen ersten Schock überwunden hatte. „Habt ihr schon einen Krankenwagen gerufen? Das muss bestimmt genäht werden!“
 

„Daniel mach dich hier raus! Los!“, zischte Serdall gepresst, als er begann die Wunde zu versorgen. Daniel konnte er hier nun absolut nicht gebrauchen, zumal er um dessen Einstellung zu den Yakuzageschäften wusste. „Jetzt hau ab!“, herrschte er ihn an, weil er sich keinen Zentimeter bewegte und Fei gerade sein Telefonat beendete und Daniel schon gefährlich ins Visier nahm.
 

„Das könnte dir so passen“, beschwerte sich Daniel. „Ich sehe, wie ein Mann aus einer Schusswunde blutend in der Küche sitzt und du amateurhaft irgendwas draufsprühst und das Ganze wohl noch verschlimmerst und soll dann einfach wegsehen und gehen? Ich kann mir schon denken, warum ihr anscheinend keinen Krankenwagen ruft. Das hat garantiert auch wieder mit dem ganzen Yakuzascheiß zu tun. Aber hol wenigstens irgendeinen korrupten Arzt oder so, der mit ein wenig Bestechung die Klappe hält. Ich wette, hier kennt irgendwer jemanden und geh mal zur Seite. Es bringt nichts, da einfach Verbände drumzuwickeln, du musst einen richtigen Druckverband machen.“
 

Entschlossen ging Daniel auf Serdall zu, der tatsächlich etwas unbeholfen die Mullbinde irgendwie um den verletzten Arm wickelte und versuchte, ihn wegzuschieben.
 

„Daniel!“
 

Serdall hielt ihn mit einer Hand auf Abstand. Was war nur mit dem Jungen los? Serdall wusste, dass da ein Druckverband drum musste, aber wenn die Wunde blutete wie sonst was musste er doch erstmal eine Grundlage für diesen Druckverband schaffen. Himmel noch eins. Plötzlich griff Fei ein und schnappte Daniel am Kragen.
 

„Serdall, jetzt mach hin. Ich kümmer mich um ihn hier.“
 

Besorgt beobachtete Serdall, wie sein Bruder den 19jährigen aus der Küche schleifte und er wusste, dass es Daniel es für Feis Geschmack zu weit getrieben hatte. Eilig nahm er seine unterbrochene Arbeit wieder auf. Hoffentlich riss sich Daniel zusammen… Irgendwo wusste er, dass er es nicht tun würde und auch, dass Fei sich nicht mehr zurückhalten würde, so blank wie dessen Nerven lagen. Serdall musste hier Kikuchi versorgen und würde Fei nicht einmal abhalten können, falls er was tun würde. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken daran, was jetzt im Flur geschah und er beeilte sich lieber hier fertig zu werden.
 

Wütend wand sich Daniel in dem harten Griff und keuchte leicht auf, als er von Fei hart gegen die Wand gestoßen wurde.
 

„Das ginge auch vorsichtiger, du japanischer Affe“, machte er seinem Ärger laut Luft. „Wie wäre es mal mit einer Bitte, das ich raus gehen soll mit der Erklärung, dass ich ohnehin nicht helfen kann oder sowas. Aber nein, Mr. Oberyakuza muss natürlich alles auf die harte Tour erledigen.“
 

In seiner Wut sah Daniel nicht, wie Fei sich immer mehr anspannte, sondern fuhr gedankenlos mit seiner Schimpftriade fort.
 

„Eigentlich solltest du dir lieber mal an deine eigene Nase fassen, als deine Aggressionen an anderen Leuten auszulassen. Warum wurde Kikuchi wohl angeschossen? Entweder bei seinem Job oder weil er im Weg stand, als man dich aus dem Weg räumen wollte. Wie man es auch dreht und wendet bist du wohl der Grund dafür. Und statt Schuldgefühle zu haben oder wenigstens wirklich in Sorge zu sein und ihm eine anständige Behandlung zukommen zu lassen, wird der Bruder damit beauftragt einen Scheiß Verband anzulegen, der garantiert bei der Wunde nicht viel bringen wird. Selbst die Hände schmutzig machen willst du wohl nicht. Zumindest nicht, wenn es darum geht, jemandem zu helfen und nicht darum, jemanden fertig zu machen. Du kotzt mich einfach nur an mit deiner scheiß Art und deinem ganzen Mist, den du hierher mitbringst.“
 

Es war nur ein Zucken in Feis rechtem Auge, das ankündigte, dass sein Geduldsfaden gerissen war. Es ging so schnell, dass Daniel es erst gar nicht realisierte. Fei feuerte ihm ohne große Worte die geballte Faust genau auf die Lippe, die blutend aufplatzte.
 

„Dir muss einer mal das große Maul stopfen“, zischte er angewidert, griff in Daniels Haar und schmetterte den Kopf gegen die Wand im Flur. An der Tapete klebte ein roter Spritzer, als Fei ihn heftig zurückzog und die Faust ohne Rücksicht in die Magengrube schmetterte.
 

Daniel keuchte auf und ging in die Knie. Doch Fei war so in seiner Wut gefangen, dass es ihm egal war. Er zog sein Messer aus der Gürtelschlaufe und kniete sich zu Daniel hinunter, packte hart dessen Kinn und zwang ihn so, ihm das Gesicht zuzuwenden.
 

„Jetzt hör mir mal zu. Anscheinend lebst du ganz wunderbar in deiner Zauberwelt, aber glaub ja nicht, dass du diesmal ungeschoren davonkommst. Denkst du, du kannst in solch einem Ton mit mir, einem Yakuzaoberhaupt, umspringen?“ Fei führte das Messer an Daniels Kehle, ritzte eine kleine Wunde an den Adamsapfel. „Ich glaube ohne deine Stimme wärst du besser bestellt“, dabei drückte er die Klinge tiefer und sah boshaft lächelnd in Daniels weitaufgerissenen Augen. „Schließlich ist es nicht das erste Mal, das du mir gegenüber unhöflich wirst.“ Ein Bluttropfen rann langsam an der Klinge entlang, als Fei den Druck verstärkte. „Ich denke, ich werde dir einfach den Kehlkopf durchschneiden…“, flüsterte er sadistisch und beugte sich tiefer.
 

„Fei!“
 

Serdalls Stimme ließ ihn aufsehen, aber sich nicht aus der Position manövrieren.
 

„Ist Kikuchi versorgt?“, fragte der Yakuza genervt und blickte erneut zu Daniel hinab.
 

„Ja. Er trinkt gerade Sake gegen den Schmerz.“ Serdall ging langsam auf seinen Bruder zu und legte vorsichtig die Hand auf seine Schulter. „Lass Daniel bitte los“, bat er leise.
 

„Diesmal nicht, Serdall. Er hat es zu weit getrieben mit seiner idiotischen Art“, legte Fei fest und grinste Daniel an. „Strafe muss schließlich sein.“
 

Serdalls Herz schlug ihm bis zum Hals. Daniel blutete am Mund und am Hals. An seinem Kopf prangte eine Beule, die immer dicker wurde. Nervös strich sich Serdall durch die Haare. Ihm musste ganz schnell was einfallen, wenn er nicht zu Daniels Beerdigung eingeladen werden wollte.
 

„Ich werde dich hassen, wenn du ihn umbringst“, sagte er hart auf Japanisch und bekam die gewünschte Reaktion von Fei, der ihn geschockt anblickte und erstarrte. Serdall selbst wusste nicht genau, warum er das gesagt hatte. Er würde seinen Bruder nie hassen können, aber Daniel war ihm nicht egal. Er konnte ihn nicht sterben sehen.
 

Sie lieferten sich kurz einen stummen Schlagabtausch mit den Augen.
 

„Das würdest du nicht“, sagte Fei fest und sah ihn weiter an.
 

„Nein“, gab Serdall zu und blickte seinen Bruder traurig an. „Aber lass Daniel einfach am Leben. Er hat seine Strafe bekommen.“
 

Kopfschüttelnd nahm Fei das Messer von Daniels Kehle, hielt dennoch dessen Kinn fest, als er sich gefährlich nahe zu ihm hinab beugte.
 

„Diesmal nicht. Aber das war das letzte Mal, dass ich auf meinen Bruder höre“, hauchte er in Daniels Ohrmuschel, ehe er zur Küche ging und seinen Bodyguards beauftragte, Kikuchi in sein Zimmer zu bringen. „Ich werde mich auch ausruhen gehen. Es war ein harter Kampf“, sagte er Serdall.
 

Der Violinist sah in diesen Moment in Feis Augen, dass sie Itare ermordet hatten. Es war dieser harte Zug darin und im Gesicht, der ihm das sagte. Seufzend sah er seinem Bruder nach und blickte dann auf Daniel.
 

Der lehnte halb sitzend halb liegend an der Wand, genau wie Fei ihn zurückgelassen hatte. Sein Blick ging ins Leere und alle Kraft war aus seinem Körper gewichen. Jetzt, wo er wusste, dass alles vorbei war, fing er geschockt an zu zittern. Vorsichtig wanderte seine Hand zu seiner Kehle und dann vor seine Augen. Leise wimmerte Daniel auf, als er das Blut daran sah.
 

Sich auf die Lippe beißend, überlegte Serdall, was er tun sollte. Eigentlich hatte er vorgehabt Daniel anzuschreien, aber so wie der Junge aussah, schien das vollkommen unangebracht. Außerdem vertraute Serdall im Moment seiner Stimme nicht. Er hatte sich gegen seinen Bruder gestellt! Wegen Daniel!
 

Keuchend fasste er sich an die Stirn, doch als er Daniel erneut wimmern hörte, griff er ihm unter die Achseln und stemmte ihn hoch. Daniel an die Wand lehnend umfasste Serdall dessen Taille. Der Junge musste versorgt werden. Anscheinend stand er unter Schock.
 

„Komm schon, Daniel. Wir gehen hoch in mein Zimmer.“
 

Dort war die Wahrscheinlichkeit am Geringsten, das jemand sie störte und er konnte den Raum abschließen. Er legte sich Daniels zitternden Arm um die Schulter und ging langsam den Weg zu sich nach oben.
 

„Wow, dass du mich so schnell von dir aus in dein Zimmer holen würdest, hätte ich ja nicht gedacht. Wenn du mich jetzt noch auf nette Art tröstest, bin ich wirklich glücklich“, versuchte Daniel anzüglich zu scherzen, doch sein Kommentar klang so, wie er sich momentan in Serdalls Armen fühlte. Schlapp und sonst nichts. Er war froh, dass sie in dem Moment das Zimmer erreicht hatten und Serdall ihn vorerst auf sein Bett verlagerte. Besorgt strich Serdall ihm die schwarzen Haare aus der Stirn.
 

„Du lernst es nie was?“, fragte er zischend. Daniels Mundwerk war wirklich zu nichts zu gebrauchen. Serdall stand auf und ging in das angrenzende Badezimmer. Dort hatte er noch Desinfektionsmittel und Kühlsalbe. „Wo hat er dich überall hingeschlagen?“
 

Er versuchte seine Stimme neutral klingen zu lassen, aber innerlich war er immer noch versucht, Daniel anzuschreien. Später. Er würde das einfach nur auf später verschieben.
 

„Magen, Lippe und die Wand hat mich an der Stirn geschlagen“, zählte Daniel trocken auf. Ihm war immer noch etwas unwohl wegen der ganzen Sache, die eben passiert war, aber so richtig schien es ihn noch nicht erreicht zu haben. Oder der Schock blockierte es momentan nur. Trotzdem war er sich bewusst, dass es echt übel hätte ausgehen können, wenn Serdall nicht dazwischen gegangen wäre. So wie Fei drauf gewesen war sogar tödlich. Er griff sich Serdalls Handgelenk, als dieser gerade mit dem Desinfektionsmittel seine Lippe behandeln wollte, und machte ihn somit auf sich aufmerksam.
 

„Danke“, murmelte Daniel etwas peinlich berührt.
 

„Glaub ja nicht, dass es damit getan ist“, seufzte Serdall und betupfte Daniels Lippe. „So und jetzt zeig mir die Haut am Bauch. Ich will sehen, ob sie blau wird“, sagte Serdall, nachdem er stumm die Beule an Daniels Kopf mit der Salbe bestrichen hatte.
 

Folgsam schob Daniel das T-Shirt hoch, Serdalls T-Shirt, wie er nebenbei nochmal für sich feststellte, und verzog den Mund schmerzlich, als er sah, dass sich tatsächlich schon alles in den schönsten Farben zu verfärben begann.
 

„Damit kann ich wohl nicht ins Schwimmbad gehen, was?“
 

Kopfschüttelnd bestrich Serdall vorsichtig die Haut.
 

„Ich versteh immer noch nicht, wie man so lebensmüde sein kann. Hat dir das an dem einem Abend nicht gereicht?“
 

Anklagend sah er Daniel an. Ihm war wegen dieser ganzen Aufregung immer noch ganz komisch zu Mute. Er hatte wirklich befürchtet, dass Fei den Jungen töten würde.
 

„Er hat es provoziert“, rechtfertigte Daniel sich und zischte leise, als Serdall etwas zu kräftig über seine Magengegend strich. „Sein ganzes Verhalten und vor allem seine Art mit anderen Leuten umzugehen. Meinst du, ich kusche da und stecke jedes Mal brav zurück. Wer hätte auch schon erwartet, dass er gleich…“
 

Daniel brach ab, als die Situation sich nochmal bildlich vor seinen Augen abspielte. Er war echt knapp davon gekommen und nochmal würde er sich wirklich nicht mit Fei anlegen. Bis jetzt hatte er seine Drohungen wahr gemacht und die letzte war dann doch etwas zu heftig, als dass er riskieren würde, Serdalls Bruder noch einmal zu verärgern. So lebensmüde war er dann doch nicht.
 

„Dass er gleich handgreiflich wird?“, beendete Serdall den Satz für ihn. „Daniel du bist echt dumm, manchmal. Ich hab dich gewarnt, Fei hat es getan. Glaubst du, er ist nur durch singen und tanzen zum Oberhaupt einer Mafiaorganisation geworden? Ich bitte dich.“
 

Serdall stoppte damit Daniel einzusalben und schob das T-Shirt nach unten. Fürsorglich legte er die Decke über Daniel und griff sich dann seine Geige und das Notenheft und legte sie am Fenster auf den Boden.
 

„Wenn du willst kann ich dich auch nach Hause fahren“, erwähnte er beiläufig, als er sich neben Daniels Bettseite stellte.
 

„Danke nein“, lehnte Daniel ab und kuschelte sich bequemer in die Decke. „Ich fühle mich momentan eigentlich ziemlich sicher hier und noch sicherer und besser würde ich mich fühlen, wenn du dich zu mir legst. Bettfertig bist du ja schon“, deutete er grinsend auf Serdalls immer noch freien Oberkörper hin.
 

„Und du scheinst dich ganz schön schnell zu erholen.“
 

Serdall sah Daniel abschätzend an. Er sah blass aus im Gesicht und die Beule am Kopf war glücklicherweise nicht allzu groß. Die Lippe sah schmerzhaft aus… und…
 

„Au man…“ seufzte Serdall leise und setzte sich zu Daniel. Er griff sich erneut das Desinfektionsmittel. „Heb mal den Kopf ein bisschen. Ich hab die Wunde am Hals noch nicht behandelt.“
 

Etwas unwohl lehnte Daniel den Kopf in den Nacken. Er fühlte sich irgendwie unbehaglich und ausgeliefert. Gerade hatte der eine Agamie ihm mit dem Messer die Kehle geritzt und nun war der andere dabei, die Stelle zu versorgen. Wobei man Serdall nicht mit Fei vergleichen konnte. Der Charakter war zu verschieden. Wobei… Wenn Serdall in Japan wäre und Fei hier, wäre Serdall dann auch ein mordender Yakuzaboss geworden?
 

Daniel schauderte es bei dem Gedanken. Die Gene dafür schien er zu haben und einige Situationen, in denen Serdall sie bei ihm ausgelebt hatte, kamen Daniel in den Sinn. Erschrocken zuckte er zusammen, als er das leichte Brennen des Desinfektionsmittels in der Wunde fühlte und schloss schluckend und wieder leicht zitternd die Augen.
 

„Sh, ganz ruhig. Ich bin gleich fertig“, flüsterte Serdall und betupfte die Stelle, die glücklicherweise nicht mehr blutete. Sanft legte er die Hand an Daniels Wange und strich mit den Zeigefinger über die Haut. Er konnte das Zittern spüren, das durch Daniel hindurch lief und er fühlte sich schlecht, ihn so zu sehen. Es tat ihm irgendwie auch leid, dass Fei so weit gegangen war, aber Daniel hätte mit den Konsequenzen rechnen müssen.
 

Schnell schloss Daniel die Arme um Serdall, der sich für die Behandlung seines Halses heruntergebeugt hatte, und umschlang ihn fest. Er brauchte gerade irgendwie einen Anker, wollte sich versichern, dass Serdall eben nicht so war wie sein Bruder, auch wenn er es eigentlich wusste. Tränen hatten sich in Daniels Augenwinkeln gesammelt und er versuchte mit allen Mitteln, sie zurückzudrängen. Es wäre ihm extrem peinlich, jetzt einfach loszuheulen.
 

„Daniel…“
 

Serdall hatte vor sich zu lösen, doch das Zittern des Jungen wurde stärker, als er es leicht versuchte. Es tat Serdall aus unerfindlichen Gründen in der Seele weh, Daniel so zu sehen. Seufzend hob er die Decke an und schlüpfte neben Daniel. Vorsichtig nahm er ihn in den Arm.
 

„Ich bin da“, flüsterte er ihm zu und verschränkte seine Hand mit Daniels.
 

Daniel nickte an Serdalls Schulter, lockerte seinen Griff allerdings nicht, als er sich an ihn schmiegte. Er war ihm unheimlich dankbar, dass er ihn nicht einfach von sich stieß, sondern ihm in dieser Situation beistand. Daniel wusste nicht was er machen würde, wenn Serdall ihn einfach rausgeschmissen hätte.
 

„Danke, danke, danke“, flüsterte er leise und konnte ein erneutes Zittern nicht unterdrücken. Langsam atmete er tief ein und aus, um sich etwas mehr unter Kontrolle zu bekommen.
 

Was tat er hier eigentlich? Serdall wusste es nicht. Vor maximal einer Stunde hatte er sich innerlich gesagt, dass er Daniel feuern und eine Frau heiraten wollte und nun lag er schon wieder mit ihm in einem Bett.
 

Seine andere Hand wanderte über Daniels Rücken, schummelte sich unter dessen Shirt und rieb sanft über die Haut unter den Rippenbögen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl Daniel zu berühren. So warm und weich, so schön. Es war Serdall ein Rätsel, warum ihm in diesem Moment dessen angenehmer Geruch in die Nase stieg. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen, als er sie weiter über Daniel ziehen ließ. Seufzend lehnte seinen Kopf gegen Daniels.
 

„Echt, wozu du mich alles bringst“, flüsterte er leise und gab Daniel einen Kuss auf die Stirn.
 

Daniels Nähe schien immer wieder all seine Zweifel plötzlich restlos auszulöschen und auch seine Abneigungen gegen jeglichen Körperkontakt mit einem Mann. Es war ihm absolut schleierhaft, wieso er sich bei Daniel zu solchen Dingen hinreißen ließ. Schließlich war er immer noch davon überzeugt, dass er heiraten würde. Diese Situation war ein absoluter Ausnahmefall.
 

Daniel hatte die Augen geschlossen und genoss nun ruhig atmend Serdalls leichtes Streicheln. Er lächelte glücklich und konnte sich im Moment nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm hier zu liegen. Das war auf jeden Fall etwas Entschädigung für die ganze Katastrophe von vorhin.
 

„Ich bin halt unwiderstehlich“, antwortete er auf Serdalls rhetorischen Kommentar und biss ihm leicht in die nackte Schulter. „Genauso wie du.“
 

„Na wenn du meinst“, sagte Serdall ziemlich zweifelnd. „Aber wir können nicht ewig so hier liegen. Ich muss mich noch um Taki kümmern. Dustin hat auch noch etwas zu tun.“

Schließlich war sein Schwager noch im Kinderzimmer. Sofort war Serdall unwohl bei dem Gedanken daran, dass sein Sohn in diese Atmosphäre stürmen könnte. „Daniel, ich muss jetzt aufstehen.“ Dabei zog er schon die Hand von Daniels Haut und richtete sich leicht auf.
 

„Warum denn das jetzt schon wieder“, grummelte Daniel genervt und versuchte sich schmerzhaft zischend auf Serdall zu rollen, wurde aber effektiv dran gehindert, da Serdall sich jetzt vollständig aufsetzte. „Mensch, gerade legst du dich hin und jetzt schreckst du gleich wieder hoch. Was ist denn los? Die Tür ist abgeschlossen, es erwischt uns keiner in flagranti, wenn du das befürchtest und Feuer ist auch nirgends.“
 

Serdall verzog die Lippen zu einem blutleeren Strich, bewegte sich aber nicht aus dem Bett, sondern sah etwas genervt auf Daniel herab, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht bequemer hinlegte.
 

„Du solltest dich ausruhen“, meinte er schlicht und begann seine Beine aus dem Bett zu schieben. Er setzte sich an den Bettrand und stützte seinen Kopf in die Hände. Sein Oberkörper fühlte sich ohne Daniels Wärme kalt an und seine Finger zitterten leicht. Energisch ging Serdall in der Absicht sich ein Shirt überzuziehen zu seinem Kleiderschrank.
 

„Ich muss wenigstens nochmal nach Taki sehen.“
 

„Und danach kommst du wieder?“, fragte Daniel etwas skeptisch. Er hatte es sich auf der von Serdall angewärmten Bettseite einigermaßen auf dem Bauch bequem gemacht, sodass der aufkommende Bluterguss nicht so extrem schmerzte, und sich zusätzlich noch die beiden Kissen unter den Kopf gestopft.
 

„Nein. Ich lass dich hier einsam und allein dahinsiechen.“
 

Serdalls Stimme troff nur so vor Sarkasmus. Er wandte sich nicht noch einmal um, sondern schloss die Tür auf und ging in Takis Kinderzimmer. Dustin packte gerade Takis Schulsachen in dessen Rucksack und Serdall wunderte sich, warum die Hausaufgaben anscheinend erst vor kurzem fertig geworden waren. Taki bemerkte ihn und lief auf ihn zu.
 

„Papa, Onkel Dust hat mir bei den Hausaufgaben geholfen. Die waren ganz schwer heute, aber Onkel Dust hat das alles gekonnt!“
 

Die meerblauen Kinderaugen sahen zu Serdall auf. Kurzentschlossen hob Serdall seinen Sohn auf den Arm. Himmel, irgendwie fühlte er sich so, als ob er ihn vernachlässigt hätte.
 

„Das ist aber nett vom Dustin“, sagte er lächelnd. „Und was hast du jetzt vor?“
 

Dustin stellte sich schief grinsend zu ihm.
 

„Er wollte mit mir zusammen Abendbrot machen.“
 

„Genau. Ich will Fischstäbchen und Onkel Dust sagt, dass ich da mithelfen muss.“
 

Serdall schenkte Dustin einen warnenden Blick.
 

„Von Messern und spitzen Gegenständen lässt du die Finger!“, belehrte er seinen Sohn.
 

Taki nickte geschockt.
 

„Ja, Papa. Darf ich Onkel Dust helfen?“
 

Serdall nickte und setzte Taki ab. Eilig rannte der Kleine voraus und Dustin wollte ihm folgen, doch Serdall hielt ihn zurück.
 

„Kikuchi wurde angeschossen. Er schläft jetzt. Morgen wollen sie abreisen. Da ist irgendwas schiefgelaufen mit Itare. Ich weiß aber auch nicht was.“ Ernst sah er Dustin in die Augen, als dieser ihn geschockt ansah.
 

„Was ist mit Daniel?“, fragte Dustin auch gleich, weil der Junge schließlich im Wohnzimmer gewesen war.
 

„Er ist in die Küche gestürmt. Keine Ahnung warum, aber er wollte glatt Kikuchi verarzten und hat nur gestört. Fei war sowieso schon gereizt und…“
 

Dustin unterbrach ihn harsch und unkontrolliert wurde Serdall an den Schultern gegriffen.
 

„Sag nicht, dass er ihn umgelegt hat?“
 

Der Violinist sah Dustin ungläubig an.
 

„Nein!“, sagte Serdall genervt und befreite sich ruppig von Dustins Händen. „Er hat ihn ziemlich zugerichtet, aber tot ist er nicht. Daniel liegt in meinem Zimmer und ruht sich aus.“
 

Aufatmend ließ Dustin den Kopf hängen.
 

„Man, du hast mir einen Schrecken eingejagt!“ Sogleich grinste Dustin Serdall so keck an, wie Daniel es immer tat, wenn er etwas Anzügliches sagte. „Jetzt knuddelst du ihn bestimmt die ganze Nacht durch, was?“
 

Schnaubend wandte sich Serdall ab.
 

„Ich bitte dich.“ Geringschätzig verzog er den Mund. „Lass die Kommentare und geh Abendbrot machen. Ruf mich, wenn es fertig ist“, unterbrach er Dustin, als jener wieder etwas sagen wollte. Lachend winkte Dustin ab.
 

„Okay, okay“, sagte der Lehrer und ging kichernd nach unten.
 

Wütend kehrte Serdall zurück in sein Schlafzimmer und schloss hinter sich ab. Er hasste Dustin.
 

Ende Kapitel 12



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-10-14T20:35:13+00:00 14.10.2007 22:35
'Das ist doch brutal...
Warnung: Wenn ihr einen Yakuzaboss trefft , reizt ihn nie oder besser geht ihn soweit es geht aus dem WEG!
Der Arme Daniel, jetzt muss Serdall für ihn da sein find ich, was er ja auch macht, bis jetzt.
Er kann sich doch nicht ewig einreden, dass er bei Daniel so oft nur aus Affekt gehandelt hat.
Bin gespannt wie es weiter geht, mach schnell weite !^^
Von: abgemeldet
2007-10-14T08:24:15+00:00 14.10.2007 10:24
Hab deine Geschichte erst Gestern entdeckt und bin total begeistert ^^

mach weiter so *daumenhoch*


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