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Die Magie der Musik

von

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Kapitel 10
 

Plötzlich klingelte es an der Tür. Sofort war Kikuchi in einer angespannten Haltung, genauso wie Fei. Serdall schüttelte den Kopf.
 

„Das ist sicher Daniel. Er passt ab und zu auf Taki auf.“
 

„Was ist mit der netten Caroline geschehen?“, fragte Fei überrascht.
 

„Sie hat ein Kind bekommen“, meinte Serdall lachend, als er aufstand und in den Flur ging. Es wunderte ihn, dass sich Fei an Caroline erinnerte, obwohl er sie nur kurz kennengelernt hatte. Aber Fei merkte sich so ziemlich alles. Das war das Besondere an ihm. Sein absolutes Gedächtnis. Gefürchtet unter seinen Geschäftspartnern, denn schließlich vergaß Fei so nie etwas.
 

Daniel grinste Serdall keck an, als er ihm die Tür öffnete.
 

„So schnell sieht man sich wieder“, lachte er, als er an dem älteren Mann vorbei ins Haus ging. „Ehrlich mal, mag ja sein, dass ihr hier heute auf Sicherheit achten müsst, aber dass ich mich von den Kerlen da draußen betatschen lassen muss, ist doch wirklich ein wenig übertrieben. Stell dir mal vor, hier kommt der Postbote lang oder sonst ein Besucher, der nicht von deiner Verwandtschaft weiß. Die müssen doch sonst was denken, wenn sie auf einmal einen Ganzkörpercheck über sich ergehen lassen müssen.“
 

Er schlüpfte aus seinen Schuhen und sah Serdall mit schiefgelegtem Kopf an. Kopfschüttelnd schloss Serdall die Tür.
 

„Der Postbote fährt nicht mit einer suspekt aussehenden Rostlaube vor“, ärgerte er Daniel. „Und ich bitte dich, dich etwas zusammenzureißen. Fei fackelt nicht so lange, wie ich.“ Ernst sah er Daniel an.
 

„Hey, mein Auto ist super überschaubar und hat Liebhaberbonus, ja? Nichts gegen meine Knutschkugel“, schmollte der, zog dann allerdings die Nase kraus. „Und du kannst Gift drauf nehmen, dass ich mich benehmen werde. Ich habe wirklich keine Lust drauf, dass ich ganz klischeehaft mit einbetonierten Füßen im nächsten Fluss lande.“
 

Daniel war tatsächlich etwas unwohl zumute. Damit klarzukommen, dass Serdall in einer Familie voller Yakuzas aufgewachsen war, war eine Sache. Immerhin lebte er hier anscheinend ein ganz normales Leben und hatte nur noch normalen Kontakt zu seiner Familie. Mit einem echten Yakuza konfrontiert zu werden war ihm allerdings doch nicht ganz geheuer. Am besten gleich hoch zu Taki gehen und sich unsichtbar machen. Schnell ging er in Richtung Treppe.
 

„Äh, Daniel? Sorry, aber Taki ist noch im Wohnzimmer.“
 

Sichtlich amüsiert bedeutete Serdall dem jungen Mann ihm zu folgen und öffnete dann schon die Tür in den Raum, wo sein Bruder war. Er würde Daniel doch nicht die Chance entgehen lassen, einen echten Yakuzaboss zu sehen. Das wäre doch eine Bildungslücke. Innerlich lachte sich Serdall schlapp über Daniels gequälten Ausdruck. Das war die Rache für das Kopfzerbrechen, dachte sich Serdall.
 

Sichtlich nervös betrat Daniel den Raum, eine Hand in seiner Hosentasche vergraben. Er sah sich um und nahm erst einmal die Situation in sich auf. Auf der Couch saß Taki und neben ihm ein Mann Ende zwanzig. Daniel wusste sofort, dass dies Fei sein musste. Seine Gesichtszüge glichen denen Serdalls, auch wenn das Gesicht etwas markanter, das Haar länger und er selbst größer war, konnte man die Verwandtschaft eindeutig erkennen.
 

Auf dem Sessel saß ein weiterer Mann, der dann wohl dieser Auftragskiller sein musste. Daniel durchlief ein kalter Schauer und er fragte sich, wie Dustin dem Typen schöne Augen machen konnte, denn dass er es tat war unübersehbar und Daniel verdrehte genervt die Augen. Der notgeile Kerl griff sich wirklich alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, auch wenn die Gefahr bestand, dass er nach dieser heißen Nacht mit durchgeschnittener Kehle aufwachen würde. Oder eben nicht.
 

Unbehaglich blieb Daniel stehen, als er alle Blicke auf sich gerichtet sah. Kikuchi, oder wie der zweite Kerl hieß, sah aus, als wollte er jeden Moment auf ihn zuspringen.
 

„Ohayo?“, fragte Daniel mehr, als er grüßte. Irgendwo hatte er das mal gelesen und hoffte, dass der Start besser war, wenn er den Yakuzas mit Muttersprache kam.
 

Serdall ließ sich lachend auf dem Sofa fallen und auch Fei, Kikuchi und Taki lachten.

Dustin war der japanischen Sprache zwar nicht mächtig, aber musste trotzdem schmunzeln, denn das war definitiv die falsche Begrüßung. Grinsend sprang Taki auf und griff nach Daniels Hand.
 

„Dan, bist du gerade aufgestanden?“, fragte Taki immer noch kichernd. „Du hättest Konnichi wa sagen müssen“, meinte der Sechsjährige oberschlau und Serdall lachte sichtlich Tränen neben seinem Bruder. Zu herrlich fand er Daniels bedröppelten Gesichtsausdruck darüber, dass selbst Taki Japanisch konnte.
 

Taki zog ihn mit sich zum Sofa und platzierte ihn zwischen sich und seinen Onkel, wo Daniel sich in keinster Weise wohl fühlte. So schnell wie das Lachen gekommen war, war es auch schon wieder von Feis Gesicht verschwunden und Daniel wurde mit einem undeutbaren Blick betrachtet. Er versteifte sich etwas und blickte krampfhaft auf die Schale mit Erdnüssen vor sich auf dem Tisch. In Gedanken verfluchte er Serdall dafür, dass er ihm die ganze Sache hier antat. Bereitete es ihm diabolische Freude, ihn leiden zu sehen oder war das Rache für den Kuss gestern?
 

Serdall fasste sich und rieb sich über die Nase. Er hoffte wirklich inständig, dass Daniel sich benahm. Der kleine Ausrutscher war zu verzeihen, aber Feis gespannte Haltung besorgte Serdall. Es wäre besser, wenn Daniel und Taki nach oben gehen würden.
 

„Fei, das ist Daniel Ehrhard. Daniel, Fei Agamie, mein Bruder“, meinte Serdall begleitet von einem ernsten Blick.
 

Hoffentlich wagte es Daniel nicht, Fei mit dem Vornamen anzusprechen. Die Begrüßung war ja schon etwas in die Hose gegangen und Feis Humor hielt sich gegenüber Fremden in Grenzen. Daniel versuchte sich etwas zu entspannen und brachte ein etwas missglücktes Lächeln zustande, als er seinem Sitznachbarn die Hand reichte.
 

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, meinte er höflich. „Ähm, sprechen Sie deutsch?“ Hilfesuchend sah er zu Serdall.
 

Unbeholfener konnte sich Daniel wohl wirklich nicht anstellen. Langsam tat er Serdall wirklich leid. Er wusste doch, wie er zu dem, was sein Bruder tat, stand. Aber der Violinist sah nicht ein, dass Daniel Fei verurteilte, ohne dass er ihn kannte.
 

„Es ist nett Sie kennen zu lernen, Herr Erhard. Ich hörte, sie kümmern sich ab und zu um meinen lieben Neffen?“
 

Feis Stimme war ein sanfter Bariton, bar jeder Aggression oder Missbilligung. Offen sah er Daniel mit seinen dunkelbraunen Augen ins Gesicht und schien ihm alle Aufmerksamkeit zu schenken. „Fühlen sie sich nicht wohl?“, fragte Fei, als er ein leichtes Zucken in seinem Gegenüber erkannte, als er dessen Hand ergriff.
 

„Nein nein, alles in Ordnung“, erwiderte Daniel schnell, während er sich dazu zwang, seine Hand nicht zu schnell und auffällig wegzuziehen, als Fei sie los ließ. Oh Himmel, er fühlte sich total unwohl hier und wenn er ehrlich war konnte er nicht bestreiten, dass sich auch eine leise Angst in ihm breit machte, genauso wie eine Spur Missachtung, als er daran dachte, mit was die beiden Gäste in diesem Raum ihr Geld verdienten. Er drehte seinen Kopf in Takis Richtung und ballte eine Hand zu einer Faust, als er spürte, wie sein Temperament anscheinend mal wieder hoch kochte und das konnte dieses Mal tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes tödlich für ihn enden.
 

Serdall seufzte ergeben. Das reichte jetzt wirklich. Die Stimmung war irgendwie unter den Gefrierpunkt gerutscht.
 

„Taki, Daniel? Ihr könnt ruhig schon hochgehen. Wir haben noch einiges zu besprechen. Das ist sicher langweilig für euch. Ich rufe dann, wenn das Essen da ist.“
 

Erleichtert sprang Daniel auf und nahm Taki an die Hand, der ebenfalls aufgestanden war.
 

„In Ordnung, bis nachher dann“, verabschiedete er sich und verließ dann mit dem Kleinen den Raum.
 

Fei sah seinen Bruder mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
 

„Er weiß was ich beruflich mache, nicht wahr?“, fragte er eindeutig überrascht.
 

Das Gesicht verziehend nickte Serdall.
 

„Ja.“
 

Serdalls Bruder lachte.
 

„Das erklärt so einiges.“
 

Nachdenklich strich sich Fei über das Kinn und Serdall befürchtete irgendeine Frage, die ihn verlegen machen würde, aber Fei ging dazu über, über Geschäfte zu reden. Nur am Rande bekam Serdall mit, wie Dustin und Kikuchi ihre alte Bekanntschaft wieder aufwärmten und sich rege unterhielten.
 

Es wurde später und endlich, als Serdall schon befürchtete, dass er den Cateringservice noch einmal anrufen müsste um sich zu beschweren, klingelte es an der Tür. Sich kurz entschuldigend ging Serdall mit Dustin im Schlepptau an die Tür und nahm das warme Essen entgegen, während sein Schwager den Tisch deckte.
 

Daniel malte gerade den letzten Strich von Takis Umriss auf das große Stück Tapete, das er in der Ecke seines Zimmers gefunden hatte, als Serdall sie von unten zum Essen rief. Er spürte einen Klos im Hals, aber da Taki vom Boden aufstand und lachend die Treppe hinunterlief, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Oh man, er fühlte sich echt schlecht dabei, mit Serdalls Bruder in einem Raum zu sitzen. Genauso wie mit diesem Auftragskiller, aber da er nicht mit ihm geredet hatte, hatte er sich nicht so extrem mit ihm beschäftigt.
 

Fei hingegen… Dieser abschätzende, fast kalte Blick, die Hand, die er geschüttelt hatte und an der garantiert literweise Blut klebte, die für so viel Leid gesorgt hatte. Und jetzt saß er gleich mit ihm zusammen an einem Tisch und hielt wahrscheinlich Smalltalk über das Wetter oder sonst was. Allein bei der Vorstellung drehte ihm sich der Magen um, aber er hatte sich das selbst eingebrockt. Ein einfaches nein am Telefon und ihm wäre das Alles hier erspart geblieben. Aber er war noch nie jemand gewesen, der leicht nein sagen konnte. Außerdem sah er so Serdall wieder…
 

Zögernd betrat er schließlich die Küche. Serdall sah Daniel an, dass es ihm absolut nicht behagte. Mit etwas Geschick hatte es Serdall so einrichten können, dass Daniel neben Dustin und Taki und ihm gegenüber saß, sodass sich der Junge nicht vollkommen ausgeliefert fühlte. Dennoch saß Fei neben Serdall selbst und Dustin gegenüber.
 

Sie wünschten sich einen guten Appetit und Taki eroberte das Gespräch, indem er über seine Malerei mit Daniel sprach. Das zauberte Fei immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Schließlich war Serdalls Bruder auch Vater von zwei Kindern und wie Serdall selbst nur auf deren Wohl aus.
 

Du punktest Daniel, dachte Serdall ironisch, denn er wusste, dass Daniel das bestimmt nicht wollte.
 

„Kikuchi? Hol bitte den Sake aus dem Wagen und bring ihn ins Wohnzimmer. Jetzt wird gefeiert“, bestimmte Fei im Befehlston. Kikuchi nickte und stand sofort auf, als sie zu Ende gegessen hatten.
 

„Daniel, bringst du Taki ins Bett? Dann wär es das auch für heute.“
 

Taki gähnte auch schon bestätigend und Dustin begann abzuräumen. Serdall wollte Daniel endlich von seinem Bruder erlösen, denn so pikiert wie der Junge gegessen hatte, schien es ihm ziemlich schlecht zu gehen. Serdall machte sich wirklich Sorgen.
 

„Ach, er kann doch ruhig dableiben. Wir haben so viel Sake! Es würde mich freuen, wenn er bleiben würde.“
 

Fei lächelte Serdall berechnend an und der Violinist glaubte in dem Moment, dass sein Bruder etwas ahnte. Aber was ahnen? Was denn? Da gab es nichts zu ahnen, beschloss Serdall entschieden und lächelte seinen Bruder an. Wahrscheinlich war es bloß die sadistische Ader von Fei, die sich sichtlich darüber amüsierte, wie unbeholfen und ruhig sich Daniel anstellte. Himmel, wenn es nicht Daniel wäre, würde es Serdall auch gefallen.
 

Er klammerte sich an den Gedanken, dass Daniel diese Bitte ausschlagen und nach Hause fahren würde, doch er hatte die Rechnung ohne Daniel gemacht. Der fand die Idee, so schnell wie möglich wieder nach Hause zu fahren, zwar verlockend, doch das Bedürfnis von hier wegzukommen wog in keinster Weise mit dem Gefühl der Niederlage auf, das er empfinden würde, wenn er den Schwanz einzog und flüchtete. Er wollte keinesfalls diesem Yakuza unterlegen sein, zumindest in den Angelegenheiten, die er mit beeinflussen konnte.
 

Zuckersüß lächelnd wandte Daniel sich Fei zu, Serdalls schon fast flehenden Blick ignorierend.
 

„Ich trinke gern etwas mit, wenn Taki schläft“, meinte er. „Ich habe noch nie Sake probiert und das wäre mal eine neue Erfahrung.“
 

Eine, die dich umhaut, dachte Serdall murrend. Konnte dieser Daniel nicht einmal das tun, was gut für ihn war? Nein, da musste er Fei zusagen. Sein Bruder würde ihn abfüllen und das mit diebischer Freude. Irgendwie war Serdall auch froh, so musste er wenigstens nicht den ganzen Sake mit Fei und Dustin allein trinken. Serdall war sich nicht sicher, ob Kikuchi trank. Aber eins fragte er sich dennoch. Gerade als sie in das Wohnzimmer zurückwechseln wollten, hielt Serdall Daniel zurück. Fei, Kikuchi und Dustin gingen über Sake philosophierend vor.
 

„Wie willst du denn bitte schön nach Hause kommen? Schon vergessen, du bist mit dem Auto da und morgen ist Schule. Du gehst jetzt Heim und gut. Pennen kannst du hier jedenfalls nicht.“
 

„Und warum nicht?“, fragte Daniel schnippisch. Er würde sich bestimmt nicht von Serdall diesen kleinen Machtkampf kaputt machen lassen. Garantiert nicht. Außerdem interessierte es ihn, wie dieser Fei wirklich war, abgesehen von seinen tausend schmutzigen Geschäften, die er nebenbei trieb. Bislang war er eigentlich, wie Daniel sich leider eingestehen musste, recht zuvorkommend und nett gewesen. Die Frage war jetzt, wie er unter seiner Maske tatsächlich aussah. Wie musste ein Mensch ticken, um solch abscheuliche und perverse Dinge zu tun? Daniel rümpfte innerlich die Nase. Nein, das musste jetzt geklärt werden, wo die Gelegenheit günstig war.
 

„Warum sollte ich hier nicht pennen können?“, wiederholte er seine Frage an Serdall. „Es ging die letzten Tage doch auch, also warum plötzlich nicht mehr?“ Er registrierte einen Seitenblick von Fei in Richtung seines Bruders, ging aber nicht weiter darauf ein. „Gut, ihr habt jetzt Besuch, aber dann leg ich mich halt auf die Couch oder pump mir eine Luftmatratze auf oder so. Morgen bin ich wieder fit und fahre mit meinem Auto in die Schule.“
 

Unbekümmert zuckte Daniel mit den Schultern. Augenrollend verschränkte Serdall die Arme.
 

„Ich hab keinen Platz mehr. Die Gästezimmer sind belegt und eine Alkoholleiche möchte ich definitiv nicht auf meinem Sofa liegen haben. Wer weiß, ob du nicht noch auf den Teppich kotzt. Geh jetzt einfach, Daniel.“
 

Serdall funkelte ihn böse an, doch ehe Daniel antworten konnte rief Fei aus dem Wohnzimmer zu ihnen.
 

„Serdall, jetzt lass den Jungen und komm. Ich will das du spielst.“
 

Tief durchatmend gab Serdall Daniel noch einen warnenden Blick.
 

„Du schläfst nicht auf dem Sofa. Punkt“, zischte er ihm zu, als er in das Wohnzimmer ging.
 

„Ich kann ja auch bei dir schlafen, wenn dir das lieber ist“, rief Daniel ihm nach, ehe er sich umdrehte um Taki zu suchen. Wo war der Kleine denn? In der Küche nicht mehr, nach oben konnte er auch noch nicht gegangen sein, das hätte man an der knarrenden Stufe gehört, also blieb nur noch das Wohnzimmer. Schön. Dann konnte er gleich seinen Standpunkt noch mal klarmachen. Und wenn Serdall ihn rausschmiss, dann würde er halt in seinem Auto schlafen. So!
 

Serdall überging Daniels vorherige Bemerkung schlichtweg, lächelte seinen Bruder nichtssagend an und holte seine Geige vom Regal. Mit hochgezogener Augenbrau blickte er Daniel an, der in der Tür stand und scheinbar auf Taki wartete, der bei seinem Onkel saß und erzählte.
 

„Kommst du Taki, es wird Zeit fürs Bett“, scheuchte Daniel den Kleinen auf, der Fei einen Kuss auf die Wange gab, seinen Vater drückte und ebenfalls küsste, dann einmal in den Raum hinein winkte, ehe er sich umdrehte und lachend die Treppe hinauf stürmte. Daniel konnte über so viel Quirligkeit nur den Kopf schütteln und ging dann selbst die vielen Stufen nach oben.
 

Er wertete Serdalls Stillschweigen zu seinem letzten Kommentar einfach mal als ein ‚gut, du kannst bleiben, aber nicht in meinem Bett‘. Er würde seinen Willen schon bekommen, so viel war sicher. Schließlich wurde er von Fei eingeladen, hatte ihn also sozusagen auf seiner Seite und Serdall war der schlechte Verlierer in dieser ganzen Show. Das würde er auch noch einsehen.
 

Grinsend schlug Daniel den Weg zum Badezimmer ein, wo Taki gerade in professioneller Art und Weise dabei war, den Raum beim Waschen unter Wasser zu setzten. Am besten stoppte er das Ganze, bevor die Leute zwei Stockwerke tiefer noch dachten, es regnete seltsamerweise von der Decke.
 


 

Geübt bis zur letzten Perfektion, setzte Serdall seine Geige an die Schulter. Er begann eine freudige Melodie anzustimmen, mit Höhen und Tiefen, die sein Innerstes bis ins Mark erschütterten. Fei ließ sich währenddessen von Dustin das Ochoko füllen und prostete ihm zu, als auch Kikuchi und Dustin selbst eingeschenkt war. Entspannt lehnte sich Fei zurück und betrachtete seinen Bruder mit sichtlicher Zufriedenheit. Die Musik genießend trank er seinen Sake.
 

Wenige Minuten später kam Daniel wieder herunter und setzte sich neben Fei auf das Sofa. Er hätte einen der beiden Sessel bevorzugt, allerdings waren die schon von Dustin und Kikuchi besetzt. Jetzt, wo er so in die Runde sah, fielen ihm die beiden Bodyguards wieder ein, die draußen wohl immer noch Schmiere standen. Oder saßen, schließlich hatten die sich in der Luxuskarosse verschanzt. Das war auch ein langweiliger Job, aber garantiert gut bezahlt. Bei dem Auftraggeber…
 

Einige Zeit hörte er Serdall beim Spielen zu und ließ sich ganz in die nun eher geheimnisvolle Melodie fallen. Es war jedes Mal wieder erstaunlich, wie gut Serdall die Gefühle mit seiner Musik vermitteln konnte. Daniel schloss kurz die Augen und als er sie wieder öffnete, grinste Fei ihn seltsam an.
 

„Wie sieht’s aus, ist noch Sake für mich da?“, fragte Daniel, um von sich abzulenken und dieser seltsamen Situation zu entkommen.
 

Graziös griff Fei nach dem Hals der Sake Flasche.
 

„Sicher. Nimm dir doch bitte ein Ochoko, ich schenke dir ein.“
 

Auffordernd hielt Fei Daniel die Flasche entgegen und wartete darauf, dass sich der Junge eine der Schalen nahm. Daniel griff sich eine der seltsamen Schüsseln und sah zu, wie Fei ihm die klare Flüssigkeit einkippte. Klasse, er durfte aus einem zu klein geratenen Blumentopf trinken.
 

„Na dann Prost“, meinte er etwas skeptisch und stürzte den Inhalt in einem Zug herunter. Hustend klopfte er sich anschließend an die Brust und blinzelte gegen die Tränen an, die sich in seinen Augenwinkeln gebildet hatten. „Himmel, wie viel Prozent hat der denn?“, schnaufte er.
 

Grinsend schenkte Fei ihm nach und goss noch ein Ochoko für Serdall ein der gerade geendet hatte. Seinen Bruder in die Augen sehend, überreichte er Serdall das kleine Gefäß.
 

„Du warst großartig und du wirst von Mal zu Mal unbeschreiblicher.“
 

Serdall senkte auf Grund dieses Lobes verlegen den Kopf und nahm mit beiden Händen das Ochoko.
 

„Danke, Fei.“
 

Er prostete seinem Bruder und auch Daniel zu. Langsam setzte er zum Trinken an. Er musste es sich regelrecht verkneifen, nicht das Gesicht zu verziehen. Reiswein… Er würde alles für seinen Scotch oder seinen teuren Cognac geben. Er setzte sich neben Fei, sodass dieser nun zwischen ihm und Daniel saß. Zu dem Schüler wollte er sich nicht setzen. Irgendwie wurde es ihm suspekt, wenn Daniel trank.
 

Daniel leerte sein zweites Ochoko schon etwas langsamer. Er wollte nicht gierig oder wie ein Säufer wirken. Er spähte kurz zu Serdall hinüber, der mit leidvoll verzogener rechter Augenbraue an seinem Sake nippte. Schien so, als würde er dieses Getränk wirklich verabscheuen. Seine Aufmerksamkeit wieder Fei widmend trank Daniel den letzten Schluck und bekam sogleich nachgeschenkt. Er konnte immer noch nicht sagen, wie genau der Charakter des Yakuzas tatsächlich aussah. Fakt war allerdings, dass er sich anscheinend gut verstellen konnte.
 

Daniel wurde von Dustin aus seinen erneuten Überlegungen um das gleiche Thema gerissen, als dieser sich plötzlich erhob und mit der Begründung, er müsse sich hinlegen, weil er morgen einen sehr anstrengenden Tag in der Schule hatte, in sein Zimmer verschwand. Um acht Uhr abends, wohlgemerkt. Hinzu kam noch, dass Kikuchi sich ebenfalls erhob, vor Fei knapp verbeugte und ebenfalls aus dem Wohnzimmer ging. Als ob das nicht schon suspekt genug war, hatte Daniel den Blick gesehen, den die beiden ausgetauscht hatten, bevor sie sich aus dem Staub machten. Er verdrehte die Augen. Dustin schaffte es aber auch immer wieder, seine Typen abzuschleppen. Wobei es dieses Mal wirklich fraglich war, wer oben liegen würde. Leise lachend trank Daniel einen weiteren Schluck Sake und konnte schon langsam fühlen, wie der Alkohol zu wirken begann.
 

Serdall begegnete dem Abgang von Kikuchi und Dustin mit innerlicher Vorfreude. Das war genau das, was ihm wieder die Laune hob. Dustins Gesicht am Morgen würde eine wahre Freude werden.
 

„Serdall, wie sieht es eigentlich mit den Frauen aus? Willst du nicht wieder heiraten?“
 

Dieses Thema war absolut das Falsche im Moment. Einen Seitenblick auf Daniel werfend trank Serdall gegen all seine Prinzipien den Sake in einem Zug. Es schmeckte gelinde gesagt widerlich.
 

„Ich bin noch nicht bereit dafür, Fei“, meinte er genervt.
 

„Serdall, man ist für eine Beziehung nie bereit.“ Lachend zwinkerte Fei seinem Bruder zu. „Soll ich dir nicht eine hübsche Frau aus unserem schönen Japan mitbringen? Es wäre für Taki doch wunderbar, endlich eine neue Mutter zu haben.“
 

Daniel wurde schlecht. Musste dieser Yakuza ausgerechnet jetzt damit kommen? Er eiferte Serdall nach und stürzte seinen Sake schnell herunter, ehe er Fei sein Ochoko zum Auffüllen hinhielt. Wenigstens hatte Serdall gesagt, dass er nicht bereit für eine Frau sei. Vielleicht war er ja bereit für einen Mann. Mal sehen, wie sich das Gespräch weiter entwickelte.
 

„Sicher“, seufzte Serdall ergeben. „Taki ist erst sechs, da wäre eine Mutter wichtig, aber ich kann einfach nicht.“ Traurig blickte er Fei an. „Vielleicht in einem Jahr oder so. Ich bin einfach nicht drüber hinweg.“
 

Fei legte brüderlich eine Hand auf seine Schulter.
 

„Serdall, über Louise kannst du nicht hinwegkommen. Das geht nicht. Aber du kannst dich auch nicht so gehen lassen. Ich denke, es ist wirklich das Beste, wenn du heiratest. Das nächste Mal bring ich höchstpersönlich eine Kandidatin vorbei oder du kommst mich besuchen!“
 

Gequält seufzte Serdall auf, doch sein Bruder hielt seinen Einfall für eine grandiose Idee. Erneut schenkte er allen ein.
 

„Und, Herr Erhard, haben Sie eine Freundin, die Sie heiraten wollen? In Ihrem Alter war Serdall schon Vater“, meinte er in Hochstimmung, während Serdall den Kopf in den Nacken legte und sich ganz weit weg wünschte.
 

„Ich bevorzuge eher das männliche Geschlecht. Genauso wie Ihr Auftragskiller und Dustin“, meinte Daniel geradeheraus. Bei dem, was der Typ schon gesehen und getan hatte, brauchte er garantiert kein Blatt vor den Mund nehmen. „Von daher ist da nicht viel mit einer festen Freundin und Kindern, außer ich adoptiere mir welche. Ich habe mit Dustin gevögelt und dachte, dass da etwas Längeres draus werden konnte, aber das hat sich nicht bestätigt und jetzt sitze ich hier.“
 

Und bin hinter Ihrem Bruder her, ergänzte Daniel noch in Gedanken, aber das wäre dann wohl wirklich zu viel des Guten. Erst mal war er gespannt, was für eine Antwort er darauf bekommen würde.
 

Ach du heilige… Serdall konnte nur gnadenlos überfordert die Augen schließen. Sein Bruder musste sonst etwas denken.
 

„Ach wirklich“, sagte Fei etwas zurückhaltend und Serdall wusste, dass bestimmt in diesem Moment ein Zucken am linken Augen vonstatten ging. Was musste Fei nur denken? Serdall umgeben von lauter homosexuellen Männern.
 

„Ja, Dustin war schon immer einer von der sprunghaften Sorte.“ Fei trank seinen Sake und blickte aus den Augenwinkeln zu Serdall. „Wie lange sind Sie jetzt hier bei Serdall angestellt?“
 

Daniel verzog unwillig den Mund, als die gewünschte Reaktion ausblieb. Kein Schock war zu sehen, gar nichts. Nur Serdall war etwas perplex.
 

„Seit Montag“, beantwortete er die Frage.
 

„Seit Montag…“, wiederholte Fei andächtig nickend. „Interessant.“
 

Fei schenkte Daniel einen Blick aus leicht zu Schlitzen verzogenen Augen.
 

„Zurück zu dir, Serdall. Ich denke, eine Heirat sollte demnächst wirklich infrage kommen. Schließlich ist Taki nun schon zwei Jahre ohne richtige Mutter und jetzt, da Caroline auch nicht mehr auf ihn aufpassen kann, ist es doch die ideale Zeit dafür, meinst du nicht auch?“
 

Ergeben seufzte Serdall. Sein Bruder roch irgendwas, das wusste Serdall. Es war Daniels Art, die Fei wahrscheinlich stutzig machte. Er als Yakuza war wohl der Erste, der es mitbekam, wenn etwas faul war.
 

„Ja, Fei. Ich denke, du hast Recht.“
 

Das hieß aber noch nicht, dass er sich gleich im nächsten Moment auf eine Frau stürzen würde. Er gab ihm nur Recht, mehr nicht.
 

Wieder füllten sich Feis und Daniels Ochoko. Serdall war noch nicht dazu gekommen, oder besser hatte es verschmäht, den Sake zu trinken. Daniel knurre leise. Ihm gefiel überhaupt nicht, in was für eine Richtung das Gespräch lief. Fei hatte Serdall mit seiner Methode schon so weit gebracht, dass der ihm zustimmte, obwohl er am Anfang klar widersprochen hatte. Wenn das so weiter ging, dann würden in einer Woche die Hochzeitsglocken läuten und irgendeine fremde japanische Tussi würde hier einziehen und er gefeuert werden. Das war es dann. Keine Chance mehr, noch irgendwie näher an Serdall heranzukommen.
 

„Wie wäre es, wenn Serdall seine Entscheidungen ganz allein trifft“, grummelte Daniel und starrte dabei in seinen Sake. „Er ist alt genug, dass er garantiert keinen mehr braucht, der ihn da in irgendeine Richtung lenkt. Wenn er nein sagt, dann meint er das auch so, auch wenn er jetzt kurzzeitig klein bei gibt.“
 

Kopfschüttelnd wandte sich Fei an Daniel. Leise Wut blitzte in seinen Augen und Serdall hatte nicht übel Lust, Daniel eine Standpauke zu halten. Vorhin furchtbar schüchtern und kaum floss der Alkohol, da wurde der Junge munter.
 

„Und Sie kennen meinen Bruder besser als ich es tue, Herr Erhard?“, frage Fei Daniel harsch zog abschätzend die Oberlippe hoch.
 

„Tja, wie es scheint schon“, schoss Daniel giftig zurück und stürzte den Rest Sake herunter, bevor er sich dieses Mal selbst nachschenkte. „Aber wieso sollten Sie ihn auch kennen. Sie leben tausende von Kilometern entfernt und haben einen ganz anderen Lebensstil, so mit Mord und schmutzigen Geschäften und so. Sie wissen wohl am besten, was ich meine. Serdall hingegen lebt hier ein normales Leben mit seinem Schwager und seinem Sohn. Also wie können Sie behaupten, Sie würden ihn kennen?“
 

Beklommen schluckte Serdall. Was sollte das hier werden? Kindergartenatmosphäre, bei der Einer dem Anderen sagt, was er so besser kann? Das reichte, bevor es hier wirklich noch Tote gab. Doch ehe Serdall eingreifen konnte, packte Fei Daniel mit seiner Rechten am Hals.
 

„Ich glaube, Sie sind sehr unerzogen, Herr Erhard. Ich bitte Sie, ihre Manieren nicht zu vergessen, wenn Sie so nett mit mir reden wollen.“ Langsam drückte Fei zu, bis sich Serdalls Hand auf seinen Unterarm legte.
 

„Ich bitte dich, Fei. Der Junge nimmt kein Blatt vor dem Mund, es bringt aber nichts, ihn zu töten. Lass uns einfach in Ruhe weitertrinken und ihr beruhigt euch.“
 

Eindringlich sah er Fei an und nickte ihm auffordernd zu. Daniel schnaubte allerdings und beachtete Serdall nicht weiter. Stattdessen funkelte er Fei an.
 

„Sehe ich so aus, als würde ich mit Ihnen nett reden wollen?“, reizte er weiter.
 

Die Tatsache, dass er sich gerade in einer ziemlich misslichen Lage befand, beachtete er nicht weiter. Wie sagte man immer so schön, Alkohol senkt die Hemmschwelle. Danke, oh Wundergetränk.
 

„Ja, Sie sehen so aus, als ob Sie mit mir nett reden wollen.“ Fei lehnte sich an Daniels Ohr. „Wenn Sie an ihrem Leben hängen.“
 

Diese Drohung sollte hoffentlich genug sein, um dieses Balg zum Schweigen zu bringen.
 

„Kommt lasst uns noch ein wenig mehr trinken!“, sagte Fei wieder ganz so, als wäre nichts geschehen und schenkte sich und Daniel erneut ein. Serdall nippte immer noch an seinem zweiten Ochoko.
 

Daniel lief ein Schauer über den Rücken. Er war zwar angeheitert und so schnell brachte ihn dann nichts mehr aus der Ruhe, aber das zeigte selbst bei ihm Wirkung. Vor allem, wenn der Boss eines Yakuza-Clans, der obendrein seinen Auftragskiller mitgebracht hatte, ihm drohte. Unauffällig rutschte Daniel ein Stück von Fei weg, auch wenn er wusste, dass das im Grunde genommen unnütz war. Wenn der Typ aus ihm Hackfleisch machen wollte, dann würde er das tun, auch wenn er mehrere Kilometer zwischen sie bringen würde.
 

Daniel nahm sich eine der Sakeflaschen, die neben dem Tisch ein einem Behälter mit kaltem Wasser standen, rutschte weiter in die Polster und schenkte sich selbst immer wieder nach. Das Alles hier konnte er echt nur noch sturzbesoffen überstehen. Sein Unmut wurde noch größer, als Fei wieder mit Serdall Heiratspläne schmiedete.
 

Besorgt beobachtete der Violinist die bisherige Entwicklung dieses Abends. Fei selbst, schien wieder bester Laune und trank genüsslich seinen heißgeliebten Sake und der Schüler schien auch neue Liebschaften mit diesem Gesöff geschlossen zu haben. Eigentlich wartete Serdall nur auf seine Kopfschmerzen, denn er war völlig überfordert. Sein Bruder allein war ja schön, aber dann noch ein missgelaunter Daniel dazu war nicht schön. Und dann noch diese Heiratsgeschichte. Serdall ließ es einfach über sich ergehen, bis sein Bruder endlich soweit war, dass er ins Bett wollte.
 

„Ich werde jetzt schlafen gehen. Ganz oben das Zimmer, ja?“, fragte Fei Serdall noch, als er schon aufstand.
 

„Ja, Fei. Ich wünsche dir eine gute Nacht.“
 

Fei nickte etwas zu schwer, was davon zeugte, das sein Pensum an Alkohol auch ziemlich erreicht war.
 

Daniel halt bloß deinen Mund/, dachte Serdall mit einem Blick auf besagten Jungen, der ziemlich besoffen im Polster hing. Fei beachtete den Schüler gar nicht mehr, sondern ging etwas unsicher nach oben. Daniel winkte einmal unkoordiniert hinter ihm her, ehe er ebenfalls aufstand. Schwer stützte er sich an der Lehne der Couch ab, und presste eine Hand gegen die Augen, als alles anfing, sich zu drehen.
 

„Tja, ich werde dann… auch mal fahren“, meinte er etwas lallend zu Serdall. „Du willst mich ja nicht hier… hierhaben heute. Dabei würde ich dir hier bestimmt nichts vollkotzen.“
 

Es war heute absolut nicht sein Tag. Genervt schubste Serdall Daniel wieder auf das Sofa.
 

„Man, bleib halt da liegen. Wenn du etwas vollkotzt, übergebe ich Fei deine Verurteilung.“
 

Grummelnd holte Serdall eine Decke aus dem Schrank im Flur, schmiss sie über Daniel und überließ es dem Jungen, sich eines der Zierkissen für den Kopf zu schnappen.
 

„Schlaf jetzt“, sagte Serdall verstimmt, machte das Licht aus und schloss die Tür hinter sich. Er brauchte jetzt endlich Ruhe und die würde er in einem langgezogenen Schlaf finden.
 

Durch den Gedanken an sein warmes Bett etwas milde gestimmt ging Serdall nach oben in sein Zimmer. Schnell war er bis auf die Shorts entkleidet, gewaschen und die Zähne geputzt. Der Alkohol machte ihn nun wirklich leicht schläfrig und er legte sich, nachdem er das Licht ausgeknipst hatte, in sein Bett. Ah, viel besser.
 

Feis Worte schwammen ihm dennoch durch den Kopf. Vielleicht sollte er wirklich wieder eine Beziehung mit einer Frau haben. Schließlich war er hier nur ständig von Männern umgeben. Er würde morgen darüber nachdenken. Seufzend schloss er die Augen.
 

Daniel hatte sich währenddessen mit viel Gefluche und Verrenken ebenfalls von seinen Klamotten befreit und lag nun im Dunkeln auf der Couch. Still blieb er liegen und starrte in die Dunkelheit, staunte darüber, dass sich alles um ihn drehen konnte, obwohl es stockfinster war. Himmel, war er betrunken.
 

Er blieb noch einige Minuten so liegen, ehe er aufstand und sich schwankend in Richtung Treppe kämpfte. Daniel klammerte sich ans Treppengeländer und schob sich Stufe für Stufe hoch, vorbei an Dustins Zimmer, aus dem eindeutige Geräusche in den Flur drangen, bis hin zur dritten Etage und Serdalls Zimmer. Versucht leise öffnete er die Tür, sah im Licht der Straßenlaternen, das durch das Fenster fiel, dass der Japaner anscheinend schon schlafend im Bett lag. Vorsichtig ging er zu ihm, hob die Decke an und kroch mit in das große Doppelbett.
 

Stück für Stück schob er seinen Arm über den warmen Oberkörper neben sich und registrierte in dem ganzen Nebel, der in seinem Kopf wanderte, dass sich kein Stück Stoff zwischen seiner tastenden Hand und Serdalls Brust befand. Grinsend rückte er noch näher und legte nun ebenfalls seinen Kopf auf den Oberkörper, so dass er halb auf Serdall lag und sich bequem an ihn anschmiegte. Schön. So ließ es sich aushalten und bestimmt gut schlafen. Gähnend schloss Daniel die Augen.
 

Schlagartig wurde Serdall wach. Was…? Geschockt realisierte er kaum, was oder besser wer das neben ihm war. Instinktiv schubste er den Körper von sich, hechtete aus dem Bett und macht die Nachttischlampe an. Fassungslos blickte er auf den blinzelnden Daniel, der sich genervt über die Augen rieb.
 

„Was machst du in meinem Bett?“, schrie Serdall halblaut und wütend.
 

Seufzend drehte sich Daniel auf den Bauch und betrachtete Serdall ungeniert von oben bis unten. Wow, echt nicht schlecht. Gut durchtrainiert, Ansätze eines Sixpacks, lecker. Grinsend blickte er auf Serdalls linke Brustseite.
 

„Nettes Tattoo“, meinte er etwas undeutlich. Lässig stützte Daniel Kopf mit einer Hand ab. „Unten ist es kalt und ungemütlich und F… Fei will mich umbringen. Und hier ist es sicher und warm und du bist sehr bequem und du bist da.“
 

„Du hast sie wohl nicht mehr alle. Mach dich nach unten, ich will dich hier nicht haben. Schließlich bist du selber Schuld, wenn Fei dich umbringen will. Du mit deiner großen Klappe.“
 

Murrend verschränkte Serdall die Arme vor seiner Brust. Er würde ganz bestimmt nicht mit einem Mann in einem Bett schlafen.
 

„Nein“, erwiderte Daniel simpel und zog demonstrativ die Decke bis zu den Ohren und umklammerte das Kissen fest. „Du kannst da jetzt die ganze Nacht lang rumstehen und meckern oder du k…kommst einfach her, legst dich neben mich und lässt dich ein wenig bekuscheln.“
 

„Du kannst auch deinen Arsch aus mein Bett bewegen und dich gekonnt nach unten verziehen, ansonsten werde ich echt böse.“
 

Sich weigernd lehnte sich Serdall an die Wand und stellte auf stur. Das ging absolut gegen seine Prinzipien.
 

„Man, hör auf rumzuzicken wie ein altes Waschweib und beweg dich hier rüber“, maulte Daniel. „Ich bin müde, ich bin besoffen und ich will jetzt schlafen.“ Kurz überlegte er, ehe er zuckersüß lächelnd hinzufügte: „Ich bin auch ganz lieb und werde dir bestimmt nicht deine zweite Jungfräulichkeit rauben.“
 

Himmel, der Junge würde einfach nicht nachgeben. Was sollte das hier bloß werden? Serdall wollte doch einfach nur schlafen und da musste er sich mit diesem Halbstarken um sein Bett fast schlagen. Ungerechte Welt.
 

„Rück auf die andere Seite. Wehe du kommst mir zu nahe!“, meinte Serdall grimmig und wartet, dass Daniel abrückte.
 

Daniel tat wie ihm geheißen, rollte sich auf die andere Bettseite, nur um wieder zu Serdall zu rutschen, als dieser es sich so weit wie möglich von ihm entfernt einigermaßen bequem gemacht hatte.
 

„Hier ist es so kalt und du liegst da, wo ich schon angewärmt hatte“, erklärte er nuschelnd, als er versuchte, erneut einen Arm um Serdall zu legen.
 

„Daniel!“ Wütend drückte Serdall den Jungen zurück. „Geh auf deine Seite. Ich kuschel ganz bestimmt nicht mit dir!“
 

Demonstrativ drehte Serdall Daniel den Rücken zu und flüsterte etwas von qualvollen Tötungsmethoden.
 

„Dann denk einfach, ich wäre deine Decke, die sich an dich kuschelt und wegen mir mach dir mal auch keine Sorgen. So v…voll wie ich bin, kann ich mich morgen garantiert ohnehin an nichts mehr erinnern. Außerdem bin ich stur und wenn du die Ausdauer hast, dann spielen wir das Rühr-mich-nicht-an-Spielchen gern noch die ganze Nacht.“ Erneut langte Daniel unter der Bettdecke nach Serdall.
 

„Jetzt lass mich endlich in Ruhe, Daniel!“ Zischend schlug Serdall nach dessen Hand. „Ich bin hier nicht der Schmusebär. Geh endlich auf deine Seite, sonst schlaf ich noch bei Taki, wenn du so weitermachst.“
 

Serdall drehte sich böse blickend zu Daniel, von dem er im Halbdunkel nur die Umrisse sah. Kurz war Deckengeraschel zu hören, dann ein unterdrückter Schreckenslaut. Daniel lag jetzt ganz auf Serdall, die Beine sowie die Arme rechts und links neben ihm, eine wirksame Umklammerung bildend. Seufzend genoss er das Gefühl von Serdalls Körper so nahe an seinem und beugte sich dann zu ihm runter, sodass ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.
 

„Und was willst du jetzt tun?“, raunte er.
 

„Verdammt, Daniel. Bist du bescheuert?“
 

Panisch drückte Serdall gegen Daniels Brust. Die Wärme, die von Daniels Köper auf seinen überging, war einfach nur… Er wusste es einfach nicht. Unter Aufbringung aller Kraft, konnte er sich mit Daniel herum rollen. Im nächsten Moment wollte er schnell von dem Jungen steigen, doch Daniels Arme und Beine schlangen sich um ihn.
 

„Was…?“
 

„Hab ich dich“, flüsterte Daniel heißer, griff Serdall im Nacken und zog dessen Kopf zu sich herunter. Kurz fuhr er mit der Zunge über dessen Lippen, ehe er ihn in einen heißen Kuss verwickelte. Überraschenderweise fühlte Daniel, wie Serdall erwiderte und schloss genießend die Augen. Das war so gut. Er hier, mit Serdall über sich, in Serdalls Bett, in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelt. Mehr hatte er in der kurzen Zeit gar nicht zu hoffen gewagt, außer vielleicht…
 

Leise keuchte Daniel auf, als er spürte, wie sein Körper zu reagieren begann. Serdall war so nahe, er musste bestimmt fühlen, wie sich sein Glied verhärtete. Stöhnend ließ Daniel sein Becken etwas nach oben schnellen, spürte den Widerstand des Körpers über sich, rieb sich etwas an ihm.
 

Seufzend vertiefte Serdall den Kuss, sich kurz darin fallen lassend, doch im nächsten Moment schreckte er hoch und versuchte sich von Daniel zu lösen. Der hielt ihn allerdings unermüdlich fest und rieb stöhnend sein Becken gegen Serdalls.
 

„Hör auf!“, zischte Serdall gepresst, war jedoch im nächsten Moment fast dabei sich an Daniel zu reiben. Das hielt doch kein normaler Mann aus.
 

„Daniel!“
 

Verzweifelt versuchte Serdall, seinen Mund aus der Reichweite von Daniels zu bringen und reckte sein Kinn hoch. Ebenfalls stemmte er sein Becken in die Höhe, um Daniel endlich Einhalt zu gebieten. Von der plötzlichen energischen Gegenwehr überrascht lockerte Daniel seinen Griff und Serdall rollte sich schnell von ihm runter. Daniel kroch hinter ihm her und legte sich wieder auf ihn. Er legte das Kinn kurz unter Serdalls Schlüsselbein und schielte durch seinen Pony zu ihm hoch.
 

„Es ist lustig, wie du die unberührbare Jungfrau spielst“, grinste er verdorben. „Vor allem, da wir beide wissen, dass du die ganze Sache auch genießt.“
 

Vorsichtig wanderte er mit einer Hand hinunter zu Serdalls Schritt. Seufzend griff sich Serdall Daniels Hand. Darauf konnte er jetzt wirklich verzichten, wenn er sich morgen nicht aufhängen wollte.
 

„Okay, Daniel. Dann kuschel halt mit mir, aber betatschen ist nicht, klar? Auch kein Küssen.“ Er legte ergeben einen Arm um Daniels Schultern und zog die Decke über sie. „Und jetzt Schlaf.“
 

Seine leichte Erregung flaute bei dem Gedanken daran ab, dass Daniel ein Mann war. Augenrollend ließ Serdall seinen Kopf in das Kissen fallen. Himmel, am Wochenende hätte er Daniel bei der kleinsten Berührung fast umgebracht und nun kuschelte er mit dem Jungen. Himmel.
 

Lächelnd machte Daniel es sich halb auf Serdall bequem. Immerhin etwas. Zwar hatte er gerade ein Zelt in seiner Shorts, aber so müde und betrunken wie er war und so gemütlich seine momentane Lage würde er ohnehin bald eingeschlafen sein und dann war dieses Problem auch gelöst.
 

„Nacht“, murmelte er, rückte die Decke noch ein wenig um sich herum zurecht und war eingeschlafen, kaum dass er es sich richtig bequem gemacht hatte.
 

Es war ungewohnt für Serdall, mit Daniel so zu liegen. Es war schon lange her, dass er mit jemandem so gelegen hatte. Ein wenig selbstvergessen strich er Daniel mit den Fingerspitzen über dem Rücken. Daniels Herz schlug gegen seine Brust und sein Atem brannte wie Wüstenhitze auf seiner Haut.
 

Langsam wurde Serdall nach diesem Schock endlich wieder müde und strich immer noch mit der Hand über Daniels Rücken, wie der Bogen auf einer Geigensaite. Es war seltsam, dass sein Kopf in diesem Moment fast völlig leer war, wie eine willkommene Stille. Einen Augenblick später war er eingeschlafen.
 

Ende Kapitel 10



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-10-12T21:39:12+00:00 12.10.2007 23:39
Die beiden kuscheln!Ich fass es nicht.
Wenn die beiden kein Paar werden weiß ích nicht mehr weiter.
Fei ist ganz so wie man sich ein Yakuza Boss vorstehlt.
Er kann ohne zögern töten, kaum zu glauben das er Vater von 2 Kindern ist.


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