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Der Teufel in meinem Haus

Eine Sakura-Fanfiction
von

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Familienbande - oder warum man immer ein Schlauchboot im Gepäck haben sollte

„I may not have gone where I intended to go, but I think I have ended up where I intended to be.“
 

- - Douglas Adams
 

***
 

Es war ein seltsames Bild, das sich etliche Kilometer von Konoha entfernt auf einer staubigen Landstraße abspielte. Ino Yamanaka zog schwitzend und keuchend einen voll beladenen Handkarren hinter sich her, während Sakura Haruno, mit dem Gesicht in einem medizinischen Fachjournal vergraben, vorweg lief und sich bemühte, Inos Schimpfen zu ignorieren.
 

Es war nur fair, sie den Karren nun ziehen zu lassen, nachdem Sakura ihn seit den frühen Morgenstunden allein durch die Landschaft gezerrt hatte.
 

Die zwei jungen Frauen hatten die letzten Wochen im Land der Gräser verbracht. Eine Gegend, die für ihre ausgeprägten Steppen und trockenen Sommermonate bekannt war. Der Herbst jedoch strotzte vor Niederschlägen und die Böden waren mit ungewöhnlich mineralischen Anteilen angereichert, so dass im Land der Gräser um diese Jahreszeit seltene Heilkräuter zu finden waren.
 

Der botanische Ausflug der jungen Frauen wurde mit Säcken voller wertvoller Pflanzenextrakten und getrockneter Blätter und Blüten belohnt, die Sakura und Ino sorgsam verpackt auf dem Handkarren verstaut hatten. Sie hätten ihre Beute auch mit einem Sealing Jutsu belegen und dann in der praktischen Größe einer Erdnuss und dem Gewicht einer Tonne in ihren Rucksäcken verstauen können. Dummerweise hatte die Beute die lästige Eigenschaft, ihren Trägerinnen die Sinne zu vernebeln, so dass Sakura und Ino sich regelmäßig einem Drogenrausch nahe fühlten, sobald sie die Rucksäcke länger als zwei Stunden auf dem Rücken trugen.
 

Aus diesem Grunde griffen sie auf einen altbewährten Karren zurück und achteten stets darauf, den kühlen Herbstwind nicht im Rücken zu haben.
 

Als Ino zum 78zigsten Male an diesem Tag deshalb Staub ins Gesicht gepustet bekam und ihr die Augen brannten, hatte sie die Nase gestrichen voll.
 

Sie ließ die Zugstange auf den Boden plumpsen. “Ich hab’s satt. Ich will nicht mehr.”
 

Ohne ihren Schritt zu verlangsamen oder von ihrem Journal aufzuschauen, erwiderte Sakura: “Wir sind hier nicht bei ‘Wünsch dir was’, Ino-pig. Zieh weiter!”
 

Ino kochte innerlich. Die selbstgefällige Art ihrer Freundin hing ihr mindestens genauso zum Halse heraus wie der Dreck und der schwere Karren, deshalb stemmte sie die Hände in die Hüften und machte ihrem Ärger Luft. “Von wegen. Du hast mir gar nix zu sagen. Zu deiner Information, ich lasse mich nicht von einer Zicke mit überbreiter Alienstirn, die Ufos als Landebahn benutzen können, vorschreiben, was ich zu tun habe!”
 

Sakura zuckte nicht einmal an. “Doch, das tust du.”
 

“Nein, tue ich nicht!”
 

“Und ob”, erwiderte Sakura ruhig.
 

“Seit wann?”
 

“Seitdem ich Jounin bin und du immer noch eine Chunin. Und als deine Vorgesetzte und Ranghöhere befehle ich dir, zieh den Wagen, pig.”
 

“Miststück!”
 

“Der Wagen, pig.”
 

Ino stampfte mit dem Fuß auf und wünschte sich sehnlichst, Haruno möge über ihre eigene Arroganz stolpern und sich die Nase brechen. Blaue Augen weiteten sich entsetzt, als Ino erkannte, dass ihr Wunsch womöglich früher in Erfüllung ging als gedacht. Unmittelbar vor Sakura auf der Straße tat sich ein Loch auf, das wahrscheinlich den einen oder anderen Pferdewagen zum Umkippen gebracht und unaufmerksame Wanderer, die ihre Nase in Bücher vergraben statt ihre Augen auf die Unebenheiten der Straße gerichtet hatten, einen schmerzhaften Fußknicker beschert hatte.
 

Ino biss sich auf die Lippe. Jeden anderen hätte sie gewarnt, sooo gemein war nicht einmal sie, aber das hier war Sakura Haruno - Oberpute vom Dienst und Wunderheilerin von Konoha. Ein kleiner Dämpfer würde ihrem Ego gut tun. Sie nicht zu warnen, war für Ino eine Art Freundschaftsdienst.
 

Sakura steuerte geradewegs auf das Loch zu. Ino hielt die Luft an. Zur Überraschung der blonden Kunoichi, tat Sakura einen Ausfallschritt zur Seite, wich dem Loch aus, ohne auch nur einmal von ihrem Journal aufgesehen zu haben.
 

Ino sah dem Manöver verblüfft zu. Sie griff nach der Zugstange vom Karren und hatte mit ein paar schnellen Schritten ihre Freundin eingeholt. Blaue Augen betrachteten neugierig das Profil der rosahaarigen Medical Nin.
 

Früher im Kindergarten und auf der Akademie hatten die Jungs und Mädchen Sakura wegen ihrer unmöglichen Haarfarbe, ihrer breiten Stirn und der seltsamen grünen Augen aufgezogen. Dieselben Jungs und Mädchen hatten Ino um ihre langen blonden Haare und ihre blauen Augen beneidet. Ino wusste, dass sie hübsch war, sie hatte schließlich Zugang zu mehreren Spiegeln im Haus, aber es blieb ihr auch nicht verborgen, dass sich im Laufe der Jahre ‘rosa und grün’ von merkwürdig zu außergewöhnlich schön entwickelte, und ‘blond und blau’ hingegen zu durchschnittlich hübsch abgestempelt wurde. Nicht, dass sie ihrer Freundin so etwas jemals ins Gesicht sagen würde. Eher würde Ino sich ein Bein ausreißen und sich selbst damit verprügeln.
 

“Weißt du, an wen du mich gerade erinnerst?”, bemerkte die blonde Kunoichi.
 

“Mm?”
 

“Kakashi-sensei.”
 

Sakura blieb plötzlich stehen und senkte ihr Journal. Grüne Augen starrten fragend zurück.
 

“Na, ständig hast du deine Nase hinter einem Buch versteckt. Und trotzdem stolperst du nicht.” Ino griff mit der freien Hand nach dem Journal. “Nein, kein Porno.”, sagte sie nach eingehender Betrachtung. “Aber das wäre auch 'ne Nummer zu heftig.”
 

Sakura schnappte sich ihr Journal zurück. “Du hast echt einen an der Waffel, pig.”
 

“Und du hast Beine wie ein abgemagertes Hühnchen, forehead-girl.”
 

Rosa lackierte Fingernägel krallten sich eisern in das Journal.
 

Ino begann zu überlegen, was einen Blick zum Himmel erforderte. “Mal ehrlich, was soll eigentlich der Scheiß mit Kakashis Maske? Ist der Mann wirklich so hässlich? Ich meine, was könnte so grauenhaft an seinem Gesicht sein, dass er es vor dem Rest der Menschheit verstecken muss?”
 

“Das frage ich mich schon seit Jahren”, antwortete Sakura leichthin, ihre Augen wieder fest auf das Magazin gerichtet und die Füße im Gleichschritt.
 

Ino folgte ihr mit dem Karren. “Und dann ist da noch seine perverse Obsession. Wie kann er nur rumlaufen und sich mitten in der Öffentlichkeit diese Pornoheftchen reinziehen? Denk doch nur mal daran, was da drin steht!”
 

“Ich versuche nicht daran zu denken, pig.”
 

“Ich weiß, dass der Autor einer von den großen Sannin ist, aber Hand aufs Herz, der Schund, den er schreibt, ist widerwärtig und abstoßend. Ich würde lieber sterben, bevor mich jemand mit diesem Schmuddelkram erwischt.”
 

Sakura rollte mit den Augen.
 

Ino steigerte sich rein, wie immer, wenn sie ein neues Lästerthema aufgriff. In den vergangen Wochen war sie methodisch über Konohas ehrwürdige Ninja hergezogen. Jetzt bekam scheinbar auch Sakuras ehemaliger Sensei seinen Senf ab. “Die Handlungen sind absolut unrealistisch”, meckerte Ino. “Die Hauptperson endet immer mit dem Mädchen im Bett, egal wie. Ich meine, wenn diese Frauen auch nur annähernd die erfahrenen Kunoichi sind, die sie sein sollten, würden die doch sofort schnallen, dass der Typ ein mieses perverses Schwein ist.”
 

“Das einzige perverse Schwein hier weit und breit, bist du Ino. Für jemand, der diese Lektüre widerwärtig und abstoßend findet, hast du nämlich verdammt viel Ahnung davon.”, bemerkte Sakura trocken.
 

“Jaaah, wie dem auch sei”, fuhr Ino fort, “Ich verstehe nicht, wieso Kakashi-sensei, der offensichtlich ein Perverser ist, den Ruf hat, jede Frau um den Finger wickeln zu können. Du hast doch Jahre mit ihm verbracht, Sakura. Hast du ihn denn je mit einer Frau überhaupt zusammen gesehen?”
 

“Hinzusehen, wenn mein ehemaliger Sensei eine Frau verführt ist nicht unbedingt das, womit ich meine Freizeit gestalten will, pig. Ich frag dich ja auch nicht über Shikamaru-kuns Liebesleben aus.”
 

“Shika-kun hat wenigstens ein paar Tussis um sich herum gehabt - zumindest solange, bis er anfing, mit dem Feind zu kollaborieren. Aber er hat welche gehabt -”
 

“Temari ist nicht unser Feind”, warf Sakura leichthin ein.
 

“- was man von deinem Sensei nicht behaupten kann. Weißt du, was ich denke?”
 

“Nein, aber du wirst es mir sicher gleich mitteilen”, sagte Sakura, und versuchte, sich nicht allzu sehr aus dem Konzept bringen zu lassen.
 

“Ich denke, Kakashi-sensei ist ein absoluter Frauenversager. Er weiß nicht, wie er an eine richtige Frau kommen soll. Er ist sexuell frustriert und deshalb von diesen dämlichen Büchern abhängig.”
 

Sakura stolperte über ihre eigenen Füße. ”Ino, bitte! Ich will mich nicht mit dir über Kakashis Sexualleben unterhalten!” Sie war vieles von ihrer besten Freundin gewohnt, aber Kakashi war für Sakura ein Tabuthema. Deshalb war sie auch leicht rot ums Näschen, als sie Ino-pig scharf zurechtwies.
 

“In Ordnung, jetzt ist es offiziell”, beschwerte sich Ino. “Mit dir kann man nichts mehr bequatschen. Du bist weit davon entfernt, die lustige Sakura von damals zu sein. Alles, was ich von dir zu hören bekomme ist ’Ino mach das! Ino mach dies! Ino hör auf! Ino lass das! Ino bitte! Scheiße Ino!'”
 

“Nun, einige von uns sind eben erwachsen geworden.”
 

“Du bist nicht erwachsen geworden, forehead-girl, sondern bist von einem Tag auf den nächsten 40 Jahre alt geworden. Mit dir kann man keinen Spaß mehr haben. Und deine Stirn ist noch genauso groß wie damals, egal wie erwachsen du zu sein glaubst.”
 

“Ino!”, knurrte Sakura warnend und mit heftig pulsierender Vene auf so genannter Stirn.
 

Innerlich zählte sie von eins bis zehn. Dass Ino Yamanaka sie schneller auf die Palme bringen konnte als Naruto Uzumaki, war keine Neuigkeit. Sakura war sicher, eines Tages würde sie an einem verdammten Aneurysma im Schädel krepieren, weil die zwei Nervensägen ihr Blut so wahnsinnig schnell zum Rasen brachten. Sie würde sich jedenfalls nicht wundern, wenn bei einer Untersuchung herauskäme, dass ihre Blutkörperchen bereits aerodynamisch verformt waren und Staubwolken in den Adern zurückließen, sobald Naruto oder Ino in ihr Blickfeld huschten.
 

Ino brabbelte weiter. Die blonde Kunoichi ließ sich darüber aus, was für eine dufte Freundin Sakura früher einmal gewesen war und was für eine schreckliche Langweilerin aus ihr geworden ist.
 

Sakura gähnte. Ob sie als junges Mädchen auch so eine lästige Quasseltasche wie Ino abgegeben hatte? Sie hoffte nicht, ansonsten müsse sie sich nach dieser Mission ernsthaft bei Sasuke und Naruto für all die qualvollen Jahre entschuldigen. Und natürlich auch bei Kakashi.
 

Die Buchstaben des Artikels verschwommen vor ihren Augen, als ihre Gedanken abdrifteten und Sakura stumm darüber sinnierte, dass sie Kakashi nicht vor dem nächsten offiziellen Neujahrsfest für ein paar Worte mit ihr erwärmen konnte. Sie hatten in den letzten Jahren kaum miteinander gesprochen.
 

Natürlich, hin und wieder waren sie sich im Hauptquartier über den Weg gelaufen, und in den seltensten Fällen hatte Kakashi die Energie gefunden, seine Hand zu heben und ihr ein Hey zuzurufen.
 

Aber das tat er auch, wenn er die Freundin der Cousine der Mutter seines Freundes über die Straße rennen sah.
 

Sie schwor, der Mann pflegte mehr persönlichen Kontakt zu ihrem Kühlschrank als zu ihr selbst. Tz, weniger Priorität als ein mickriger Tomatensalat zu haben, konnte ganz schön ans Ego kratzen.
 

Kakashi war Sakuras Lehrer gewesen. Fast ein ganzes Jahr lang, bevor sie sich dazu entschlossen hatte, in Tsunades Lehre zu gehen. Und nachdem Naruto von seinem zweieinhalbjährigen Training mit Jiraiya zurückgekehrt war, bildeten sie zusammen Team Kakashi - mit Kakashi Hatake als Squadleader. Obwohl er damals behauptet hatte, dass sie von nun an nicht mehr Lehrer und Schüler waren, sondern gleichwertige Kollegen, so hatte Sakura gewusst, dass der berühmte Copy Nin sie immer noch alle in den Sack stecken konnte - Flüche und Dämonen hin oder her.
 

Mit Sasukes Heimkehr vor fünf Jahren hatte sich viel verändert. Gemeinsam mit Naruto stellte der Uchiha-Erbe einen traurig-komischen Rekord in Konoha auf. Die zwei größten Shinobis ihrer Generation waren zu einem Dasein als Chunins verdammt. Der eine, weil er nicht vor seinem 28. Lebensjahr graduieren durfte, der andere, weil der schriftliche Teil der Jounin-Prüfungen ihm regelmäßig das Genick brach.
 

Es war eine Überraschung für alle Beteiligten gewesen, dass ausgerechnet Sakura Haruno, das ‘schwächste’ Mitglied von Team 7, als erste zu einem Jounin graduierte. Das Wort ’schwach’ war Sasuke Uchiha jedoch in dem Moment im Halse stecken geblieben, als besagtes schwaches Mitglied ein 40 mal 40 mal 8 Meter tiefes Loch in den Erdboden gerissen hatte, auf dem er gerade gestanden hatte. Sasuke war verblüfft gewesen - aber nicht verblüfft genug, um sich Hals über Kopf in die damals 18jährige Sakura zu verlieben.
 

Ein Umstand, an dem sie schwer zu knabbern hatte. Es war nicht leicht gewesen zu akzeptieren, dass neben Schönheit auch Stärke nicht ausreichte, um den Uchiha-Erben für sich zu gewinnen. Ganz gleich, wonach Sasuke bei einer Frau suchte, sie hatte es offensichtlich nicht. Mit der Erkenntnis kam der Schmerz. Und Schmerzen - egal, wie blendend sie waren - verblassten, jeden Tag ein wenig mehr; jedes Jahr wurden sie ein wenig erträglicher, bis Sakura eines morgens aufgestanden war und sein gerahmtes Photo vom Nachtschrank in die Schublade räumte. Dann von der Schublade in das Photoalbum. Von dem Photoalbum in eine Kiste, die sie auf dem Dachboden ihrer Eltern zurückließ, als sie von zu Hause auszog.
 

Die unterschiedlichen Ränge und die Tatsache, dass die Hokage Kakashi Hatake während eines Personalnotstandes zu ANBU versetzt hatte, bewirkten, dass Team 7 in alter Konstellation heute selten bis nie zusammen auf Mission geschickt wurde.
 

Team 7 existierte nur noch als geselliges Grüppchen, das sich jeden Mittwochabend bei Ichiraku zum gemeinsamen Suppeschlürfen einfand - ohne Kakashi. Es schien, als habe der Copy Nin mangels Verpflichtung als Lehrer einfach nicht den Drang dazu, sich mit den dreien privat abzugeben. Sakura fragte sich, ob es daran lag, dass er einfach nur introvertiert war, oder weil es ihm schlicht egal war.
 

Sakura war so in Gedanken versunken, dass sie die Weggabelung beinahe verpasst hätte. Mit einem Griff an Inos Shirt hielt sie die blonde Kunoichi an, ehe sie den falschen Weg einschlagen konnte.
 

Zwei Stunden später konnten die zwei Freundinnen den ersten Blick auf die ‘Kawa no Hime’ werfen, die so genannte Fähre, die Sakura, Ino, den Karren und noch einhundert andere zivile Passagiere die rund dreihundert Kilometer durch unbewohntes Waldgebiet bequem nach Konohagakure transportieren sollte.
 

Ino zupfte an Sakuras Ärmel. “Findest du, dass wir es wirklich riskieren sollten, einen Fuß auf diesen vergammelten Kahn zu setzen?”
 

Sakura war sich nicht sicher. Als sie das Wort ‘Kawa no Hime’ aus Tsunades Mund gehört hatte, hatte sie an einen kleinen aber wohlverdienten Bonus gedacht, den die Hokage ihren zwei ehemaligen Lehrlingen zukommen lassen wollte. Tsunade saß für gewöhnlich mit zusammengekniffen Backen auf dem Haushaltsgeld von Konoha und hielt ihre Ninja dazu an, möglichst sparsam über die Runden zu kommen. Als sie Sakura zwei Tickets für die 'Kawa no Hime' gegeben hatte, um den langen beschwerlichen Rückweg zu Fuß zu erleichtern, hatte Sakura sich deshalb ohne Ende geehrt gefühlt. Sie hatte an einen wunderschönen Dampfer gedacht, an Büffets, an denen man soviel essen konnte, bis man platzte, Bars und unglaublichen Luxus.
 

Woran sie nicht gedacht hatte, war ein schäbiger halb verrotteter Kahn, aus dessen rostigem Schornstein schwarze Rauchwolken quollen und vor dessen Anlegesteg eine wilde Horde geschwätziger Menschen - überwiegend älter als achtzig Jahre, und für Sakura ein einziges Wunder, dass sie nicht kollektiv an einem Sauerstoffschlauch hingen, so viel wie sie Zigarren pafften - anstand.
 

“Kawa no Hime”, murmelte Sakura kopfschüttelnd. “In Anbetracht der Qualmbelästigung und dem Absaufrisiko sollten sie sich eher in ’Kawa no Todesfalle’ umbenennen.”
 

Vielleicht hatte Tsunade ja hinter ihrem Rücken eine Lebensversicherung für die Kunoichi abgeschlossen und hoffte daumendrückend, der Schrotthaufen möge untergehen und sie zu einer reichen Frau machen.
 

Zuzutrauen wäre es ihr allemal. Wer aus ‘Trainingszwecken’ mitten in der Nacht Mordanschläge auf dreizehnjährige Teenager verübte, um Reflexe zu testen, der schreckte vor nichts zurück.
 

“Wenigstens hat sie Charakter - und sie wird mich bequem nach Hause bringen. Das allein zählt”, bemerkte Ino in dem verzweifelten Versuch, die Sache positiv zu sehen.
 

Sie hatte Recht. Das Einzige, was für die ‘Kawa no Hime’ sprach, war, dass sie Charakter hatte. Ihr offenes Oberdeck war von schmucken (wenn auch verrosteten), schmiedeeisernen Gittern umgeben. Sakura kramte nach den Tickets in ihrem Rucksack. “Hm, wir haben einen Sitzplatz für das geschützte Unterdeck und einen Sitzplatz für das offene Oberdeck.”
 

“Na toll. Jetzt können wir uns aussuchen, ob wir vergast werden wollen”, meckerte Ino mit vorwurfsvollem Blick auf die Zigarrenqualmer am Steg. “oder wie Eis am Stiel krepieren wollen.”
 

“Ich geh auf das Oberdeck”, verkündete Sakura.
 

“Ach, nenn mir einen Grund, warum ich ins Unterdeck gehen sollte”, protestierte Ino gewohnheitsgemäß.
 

“Ganz einfach, pig. Ich habe einen Pullover an und eine lange Hose. Du hingegen trägst ein bauchfreies Top und Shorts. Diejenigen, die sich zuerst eine Nierenentzündung holen wollen, treten also bitte vor.”
 

Ino verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Eins zu null für Sakura.
 

“Außerdem”, fuhr der rosahaarige Medical Nin fort, “ hängst du doch eh jedes Wochenende in einer verrauchten Bar herum. Da müsstest du doch Qualm gewohnt sein.”
 

“Was du meinst, nennt man nicht ‘Herumhängen in Bars’, sondern ein erfülltes Sozialleben, forehead-girl”, stänkerte Ino zurück.
 

Doch die Sitzvergabe war geklärt und die zwei jungen Frauen gingen - nicht dabei ohne sich blitzende Blicke zuzuwerfen - getrennte Wege. Zum ersten Mal seit drei Wochen.
 

***
 

Sakura ging nun den schmalen Gang zwischen den Sitzreihen des Oberdecks entlang und quetschte sich auf der Suche nach ihrem Platz an einem dicken Rentner vorbei, der eifrig auf den Schiffskapitän einredete.
 

Weiter hinter stritten sich zwei Senioren um den Platz an der Außenreling.
 

Sakura stöhnte unterdrückt auf. Auf diese ’normale’ Art zu Reisen lehrte sie, die professionelle Atmosphäre, das schnelle Vorankommen und die relative Stille mit einem Jounin-Team zu schätzen.
 

Sie hatte es für eine Erleichterung empfunden, nach einer drei-Wochen-jeden-Tag-24-Stunden-Ino-Total-Dosis endlich mal ein bisschen Ruhe auf der Fähre zu haben.
 

Jetzt aber, als sie mit der bunten Mischung von geschwätzigen Senioren, geschäftigen Händlern und lebhaften Familien auf dem Oberdeck konfrontiert wurde, fragte sie sich, ob sie die letzten dreihundert Kilometer nicht doch lieber zu Fuß und mit Schnattermaul Ino im Nacken hätte zurücklegen sollen.
 

Sakura stellte sich zumindest auf lange vier Stunden ein.
 

Endlich fand sie ihren Sitz und stöhnte innerlich erneut. Sie hatte den Mittelplatz und neben diesem, an der Außenreling, saß eine Frau, die etwa 80 Jahre alt sein mochte und wie Sakura vermutete, zu der Senioren-Reisegruppe gehörte, die sie bereits vor dem Anlegesteg bemerkt hatte - sie waren nicht zu überhören gewesen.
 

Mit Tsunade als vitale Hokage, Jiraiya als legendär starker Sannin und Sakura als hervorragende Medizinerin, hatte sich Konoha in den letzten Jahren den Ruf einer ausgezeichneten Heilstätte angeeignet, der nicht nur Ninja aus aller Welt anzog, sondern auch Zivilisten, die sich Linderung versprachen.
 

Und natürlich auch jede Menge Senioren, die glaubten, in Konohas Medizin einen Jungbrunnen gefunden zu haben.
 

Sakura nahm sich vor, ihre Identität unter allen Umständen geheim zu halten, sonst würde sie sich den Rest der Fahrt nur noch eingewachsene Zehennägel und eitrige Abszesse anschauen müssen.
 

Die vier Stunden wurden länger und länger.
 

Sakura, die mit Ino den Karren im menschenleeren Maschinenraum untergebracht hatte, setzte sich auf die ächzende Holzbank und stellte ihren Rucksack ab.
 

Die alte Dame sah von ihrem Buch auf und nickte ihr freundlich zu. Sie hatte silbergraues Haar und aufmerksam blickende, schwarze Augen. Eine warme, karierte Wolldecke war sorgsam um ihre Beine drapiert und sie schien sich - im Gegenteil zu Sakura - von dem regen Treiben um sie herum und der frischen Brise auf dem Oberdeck nicht gestört zu fühlen, sondern sah lächelnd darüber hinweg.
 

Die meisten Passagiere hatten jetzt ihre Plätze gefunden und der einzige Bordsteward versuchte, auch die letzten Senioren zu ihren Bänken zu scheuchen.
 

Ein junger Mann, offenkundig ein Zivilist, im abgewetzten Hemd setzte sich auf den Platz am Gang, rechts von Sakura.
 

Er zwinkerte ihr grinsend zu und ließ seinen Blick dann über ihren dunkelgrünen Rollkragenpullover gleiten und über ihre lange schwarze Hose. Weder bemerkte er den verborgenen Kunai-Halfter am Oberschenkel noch die Shuriken hinter ihrem Gürtel. Definitiv Zivilist.
 

Sie warf ihm einen warnenden Blick zu, aber er schien dessen Bedeutung nicht zu verstehen, denn er grinste nur noch breiter.
 

‚Seeeehr lange vier Stunden!‘, dachte Sakura bissig.
 

Eine Bankreihe hinter ihr stritten sich zwei Rentner, wer die weißen Figuren in ihrem Schachspiel nehmen sollte und drei Sitzreihen weiter schrie, nein plärrte, ein kleines Kind nach seinem Spielzeug.
 

Sakura tröstete sich mit dem Gedanken, dass Ino-pig unter ihr sich wahrscheinlich innerlich nach einem Sauerstoffgerät verzehrte.
 

Dann legte die Fähre vom Steg ab und trödelte gemächlich auf dem schlammgrünen Konoha Fluss.
 

Sakura griff nach ihrem medizinischen Fachjournal und begann wieder zu lesen.
 

Der Streit der beiden Schachspieler wurde lauter. Auf der anderen Seite des Oberdecks hielt eine Rentnerin einen lautstarken Vortrag über ihre Arthritis. Das Kind plärrte immer noch nach seinem Spielzeug und zu allem Überfluss nahm der Fahrwind zu. Sakura legte kopfschüttelnd die Zeitschrift weg und fragte sich, was passieren mochte, wenn sie jetzt eine gehörige Ladung Chakra freisetzen würde. Der Gedanke brachte sie zum Grinsen - aber es währte nur so lange, bis zwei Reihen hinter ihr jemand laut zu schnarchen begann.
 

***
 

Sakura seufzte. Wie sie bereits befürchtet hatte, erhoben sich einige der unternehmungslustigen Senioren schon nach zehn Minuten von ihren Sitzen und wanderten den Gang entlang.
 

„Das ist kein gültiger Zug! Das ist kein gültiger Zug!“, rief einer der Schachspieler hinter Sakura.
 

„Das sagst du nur, weil ich dich gleich matt setzen werde!“, knurrte sein Gegner zurück.
 

„Mich matt setzen? Ha, ich habe jede Menge Zugmöglichkeiten!“
 

„Ach ja? Und welche?“, höhnte der andere Mann.
 

Schweigen.
 

‚Zu schön um wahr zu sein‘, dachte Sakura. Sie wusste, dass der Streit gleich wieder losgehen würde.
 

Die silberhaarige Dame neben Sakura drehte sich um. Ihre schwarzen Augen warfen einen trägen aber kurzen Blick auf das Schachbrett.
 

„Schwarzer Läufer schlägt weiße Dame auf F5. Und Schach“, sagte sie ruhig und setzte sich wieder.
 

Die beiden Schachspieler waren vollkommen ruhig. „Kami-sama, sie hat Recht“, jauchzte dann der eine. „Ich sagte dir ja, dass ich jede Menge Zugmöglichkeiten habe.“
 

„Rentner“, meinte die alte Dame lächelnd zu Sakura, „schlimmer als Kindergartenkinder!“
 

Sakura musste lachen. Offenbar gehörte die rüstige 80jährige nicht zu der Senioren-Reisegruppe.
 

„Sind Sie zum ersten Mal mit einer Fähre unterwegs?“, erkundigte sich die Fremde. Vermutlich hatte sie Sakuras Reaktion auf die Unruhe bemerkt.
 

Sakura schüttelte den Kopf. „Nein. Und Sie?“
 

Die schlanke grauhaarige Dame lächelte. „Ich bin sozusagen ein alter Hase“, antwortete sie und zu den Fältchen um ihre Augen kamen noch weitere hinzu. Normalerweise pflegte man schwarze Augen eher für kühl zu halten. Sakura konnte darüber Romane schreiben seit sie Sasuke Uchiha kannte, aber sie stellte plötzlich fest, dass dies die wärmsten schwarzen Augen waren, die sie je gesehen hatte ... na ja, mit einer Ausnahme vielleicht. Kakashis Blick konnte auch sehr warm sein, wenn er nur wollte.
 

„Fahren Sie nach Hause zu Ihrer Familie?“, erkundigte sich die alte Dame, „Mann und drei Kinder?“

Sie lächelte erneut und obwohl Sakura normalerweise nicht gerade sehr auskunftsfreudig war, was ihr Privatleben betraf, stellte sie fest, dass sie die Frage nicht als aufdringlich empfand.
 

Sakuras Mundwinkel zuckten amüsiert. „Fast.“
 

„Vier Kinder?“, fragte die silberhaarige Frau und ihre Augen funkelten vor fast jugendlichem Übermut. Dann wurde sie wieder ernst und meinte: „Nein, Sie sind beruflich unterwegs.“
 

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sakura war ein wenig verblüfft über die Sicherheit, mit der die alte Dame das sagte. „Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht zu meiner Familie unterwegs bin?“, fragte sie, ohne zu bestätigen oder zu verneinen, was die Dame gesagt hatte. Sakura war 22 Jahre alt. Theoretisch könnte sie Mutter von vier Kindern sein. In Konoha war das nichts Seltenes. Mädchen, die keine Ninja-Ausbildung antraten, landeten mit 16 Jahren in der Regel auf dem Heiratsmarkt - ein Fakt, an dem Sakuras Mutter ihre Tochter gerne bei jeder Gelegenheit erinnerte.
 

Die Seniorin betrachtete Sakura einen Moment lang abschätzend, bevor sie erneut lächelte. „Sie wollen Kinder, ja, aber Sie sind keine Frau, die sich damit zufrieden geben würde, zu Hause am Herd auf ihren Mann zu warten.“ Das Lächeln verstärkte sich, als sie hinzufügte: „Außerdem tragen Sie keinen Ehering.“
 

„Oh“, sagte Sakura nur. Wirklich peinlich für einen Elite-Jounin, einen so offensichtlichen Hinweis zu übersehen. „Und wohin sind Sie unterwegs?“, fragte sie in dem Versuch, von ihrer eigenen Person abzulenken.
 

Die alte Dame lächelte und stellte fest, dass die junge Frau etwas distanziert war. „Ich will endlich, nach vielen Jahren, meinen Enkel in Konoha besuchen. Ich habe soviel von ihm gehört. Ich bin gespannt, wie es meinem kleinen Jungen so erging.“ Stolz und Zuneigung lag bei diesen Worten in ihrem Blick.
 

Sakura konnte fast einen kleinen, schwarzäugigen Jungen vor sich sehen, der sich sicher sehr über den Besuch seiner Großmutter freuen würde. Sie war sicher, dass die grauhaarige Dame genug Spielzeug und Süßigkeiten in ihrem Gepäck hatte, um ein ganzes Dutzend Enkel zu verwöhnen.
 

Sakura wünschte sich plötzlich, auch eine solche Großmutter gehabt zu haben. Ihre war während des Angriffs von Kyuubi vor 22 Jahren umgekommen.
 

***
 

Sakura hatte schon Geiselnahmen überstanden, aber das hier war eindeutig schlimmer. Selbst ihre Ninja-Ausbildung hatte sie nicht auf etwas Derartiges vorbereitet: Die Senioren-Reisegruppe hatte das Mikrophon der Lautsprecheranlage besetzt und spielte Bingo. Der gequält lächelnde Bordsteward verteilte Bleistifte und Blöcke.
 

Rechts von ihnen sprang eine Rentnerin mit zartlila gefärbtem Haar plötzlich von ihrem Sitz auf und jauchzte „Bingo, Bingo!“, wobei sie so heftig mit den Armen fuchtelte, dass sie ihrem Mann fast die Brille von der Nase geschlagen hätte.
 

Sakura wünschte sich, sie würden von Nuke Nins entführt werden. Aber vermutlich hätten selbst abgedroschene Verbrecher den Nachhauseweg mit dieser Rentner-Gang nicht besonders amüsant gefunden.
 

„Wenn ich ein aufblasbares Gummiboot hätte, würde ich es jetzt benutzen, um selbst nach Konoha zu paddeln“, meinte die alte Dame, aber ihr Lächeln wirkte keinesfalls genervt, nur amüsiert. Sie betrachtete ihre Altersgenossen, als wäre es eine Horde übermütiger Schulkinder.
 

Ihre Nachbarin wurde Sakura mit jeder Minute sympathischer. „Ich würde mich schon mit einem Schwimmreifen zufrieden geben“, behauptete sie spitz.
 

Wenn es so weiterging, wäre sie vermutlich bald bereit, ihren Kopf in einen der Opiumsäcke von dem Karren zu stecken.
 

„Darf ich Sie fragen, was Sie beruflich machen?“, erkundigte sich die Seniorin plötzlich interessiert, aber nicht aufdringlich.
 

„Reiseleiterin würden Sie mir wohl nicht abnehmen, oder?“, fragte Sakura grinsend.
 

„Ich tippe eher auf ... hmm ... Köchin? Polizistin? Nein, das ist es auch nicht.“ Die Rentnerin legte den Kopf schräg und sah Sakura prüfend an. „Ninja?“
 

Sakura verschlug es für einen Moment die Sprache. Ino und sie reisten für ihre Mission inkognito und trugen ihre Konoha-Stirnbänder an nichtsichtbaren Stellen - in Sakuras Fall war dies der rechte Oberarm unter dem Pullover. Auf den ersten Blick gab es nichts an Sakura, das sie als Ninja verraten würde. Diese alte Dame entpuppte sich als sehr scharfsinnig. „Oh, dann sind Sie Hellseherin?“, vermutete Sakura mit einem überraschten Lächeln.
 

Die reizende alte Dame lachte. „Nein, das ist nur ein Hobby von mir. Und? Mögen Sie Ihren Beruf?“, erkundigte sie sich mit aufrichtigem Interesse.
 

Sakura nickte ohne zu zögern. „Ich könnte mir nichts anderes vorstellen.“
 

Die 80jährige schmunzelte. „Nicht einmal einen Mann und vier Kinder?“, fragte sie neckisch.
 

Plötzlich wusste Sakura nicht mehr, was sie antworten sollte. Und es verblüffte sie, dass sie es überhaupt für nötig hielt zu antworten. Normalerweise hätte sie das Gespräch für beendet erachtet, wenn ein völlig Fremder sie etwas Derartiges fragte. Aber in dem warmen Blick und dem sorglosen Lächeln der älteren Frau lag etwas, was ihr das Gefühl gab, es mit einer alten Freundin zu tun zu haben.
 

„Vielleicht möchte ich beides haben, aber vielleicht ist das zuviel verlangt.“, meinte Sakura mit einem kaum merklichen Seufzen. ‚Eine tolle Karriere, einen guten Mann und Haarpflegeprodukte – und zwar einen ganzen Haufen davon.‘, hörte sie sich in Gedanken sagen. Aber die Realität sah für eine Kunoichi anders aus. Männliche Zivilisten fühlten sich von ihrer Stärke eingeschüchtert. Shinobis, die unter ihrem Rang waren, sahen in ihr eine Vorgesetzte. Blieben nur noch Jounins und ANBU. Und wenn man bedachte, dass ANBU inoffiziell stand für ‚Arschloch mit Neigung zur Berufsbedingten Unzurechnungsfähigkeit’, grenzte das die Möglichkeiten doch sehr ein. Kein Wunder, dass die erfolgreichsten Kunoichi meistens als allein stehende Jungfern mit Katzen als Haustieren endeten.
 

Für einen kurzen Augenblick legte die alte Frau ihre Hand auf Sakuras. „Nein, das ist nicht zuviel verlangt. Sie haben beides verdient.“, sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln.
 

Sakura schluckte. „Wie wollen Sie das wissen? Sie kennen mich doch nicht einmal.“
 

„Oh, doch“, entgegnete die Rentnerin nur ernst. Sie wusste selbst nicht, warum sie es sagte, aber sie hatte wirklich das Gefühl, die jüngere Frau schon jahrelang zu kennen. Vielleicht, weil sie in ihren grünen Augen etwas von ihrem eigenen Humor und Kampfgeist entdeckten konnte.
 

***
 

Sakura aß den selbstgebackenen Reiskuchen, den ihre neue „Freundin“ ihr angeboten hatte und war inzwischen so gut gelaunt, dass es sie nicht einmal allzu sehr störte, als die Seniorengruppe begann, alte Volkslieder anzustimmen. Es überraschte sie, dass die alten Leute wirklich alle Strophen von „Ninja Love“ auswendig konnten.
 

„Das wäre was für meinen Kollegen!“, sagte sie lachend zu ihrer Platznachbarin. Kakashi Hatake liebte dieses Lied, seit Naruto es einmal während einer Nachtmission in voller Länge über die Funkradios gesungen hatte, in etwa so sehr wie das Geräusch von Fingernägeln, die über eine Tafel kratzten.
 

„Ah, noch ein Ninja.“ Die alte Dame schmunzelte.
 

„Noch ein Ninja“, bestätigte Sakura, „und ein guter obendrein. Wenn wir uns also entschließen würden, hier auf dem Oberdeck plötzlich ein paar Geiseln zu nehmen, würde er uns sicher rausboxen. Es wäre nicht das erste Mal.“ Sakura lächelte, aber es lag ein wenig Traurigkeit darin.
 

Die ältere Frau an ihrer Seite bemerkte es und beschloss, nicht nachzufragen. „Klingt, als wäre Ihr Kollege ein interessanter Mann.“
 

Sakura lächelte. Über Kakashi konnte man vieles sagen, aber das Wörtchen ‚interessant‘ wurde ihm nicht gerecht. Der Mann war ein einziges Mysterium auf zwei Beinen. Ein Mysterium, an dem so viele Geheimnisse hafteten und das nur noch getoppt wurde von seinen vielen seltsamen Schrulligkeiten. Obwohl sie ihn seit zehn Jahren kannte, musste sie sich eingestehen, dass sie nicht mehr über Kakashi wusste, als dass er ein Vollblut-Ninja und Vegetarier war, und eine verschrobene Vorliebe für schlüpfrige Geschichten hatte. Sie kannte noch nicht einmal sein Gesicht.
 

Sakura musste lachen. Im Zweifelsfall vertraute sie ihr Leben blind einem salatmampfenden, gesichtslosen, pornosüchtigen Mann an. Als verantwortungsbewusste Ärztin müsste sie sich dafür eigentlich selbst in die Klapse einweisen. Vor allem wenn man bedachte, dass Kakashi Hatake in ihren Augen noch der ‘vernünftige Vertreter’ seiner Zunft war.
 

Die alte Dame sah sie prüfend an und ihre schwarzen Augen funkelten heiter. „Sie sind wirklich sicher, dass es nur ein Kollege ist?“, erkundigte sie sich neckisch.
 

Sakura konnte nicht anders, als noch lauter aufzulachen. „Vertrauen Sie mir. Er ist nur ein Kollege“, meinte sie in einem scherzhaft-verschwörerischen Tonfall.
 

„Das tue ich“, erwiderte die grauhaarige Frau zu ihrer Überraschung.
 

***
 

Der Bordsteward kam mit einem Bauchladen vorbei. „Möchten Sie etwas zu trinken? Oder kann ich Ihnen einen kleinen Imbiss anbieten?“

Sakura und ihre Nachbarin entschieden sich für beide für ein Fischbrötchen.
 

Die alte Dame legte ihr Buch auf den Schoß, um es als kleinen Tisch zu verwenden und sah zufrieden zu, wie Sakura herzhaft in ihr Brötchen biss. „Endlich mal jemand, der keine Dauer-Diät hält!“, meinte sie schmunzelnd.
 

Sakura sah sie fragend an, während sie einen weiteren Bissen schluckte. „Ich bin ein Ninja. Ich muss essen, sonst geht mein Chakravorrat irgendwann zuneige. Wieso sagen Sie das?“
 

„Na ja, manchmal glaube ich, dass in meiner Familie jeder außer mir etwas gegen gutes Essen hat.“, erklärte die Seniorin mit einem gutmütigen Seufzen. „Meine Schwiegertochter ernährte sich fast nur von Salat und mein Enkel ... der Junge ist ja so dünn, das letzte Mal, als ich zu Besuch war, habe ich mich bemüht, ein paar Kilo mehr auf seine Rippen zu bringen.“
 

„Oh, keine Angst, das gibt sich sicher, wenn er etwas älter ist“, erwiderte Sakura beruhigend. Sie war als Teenager selbst sehr mager gewesen.
 

Die alte Dame lachte. „Das halte ich für unwahrscheinlich. Bei meinem Sohn und meinem Mann war es dasselbe, die hat man auch kaum zum Essen bringen können.“
 

Der liebevolle Blick, mit dem sie das sagte, ließ Sakura lächeln. „Ich sag Ihnen was: meine Teamkollegen haben sich jahrelang nur von Suppe ernährt. Und mein alter Sensei ist ein verkappter Grünfutterfetischist. Ein Wunder, dass ich während meiner Teenagerzeit nicht als Hungerhaken geendet bin. Es war so schwer, die Jungs mal zu einem anständigem Wirtshaus zu kriegen, wo man was zu Beißen bekam und nicht nur zum Schlürfen. Und trotzdem sind sie alle groß und stark geworden. Das klappt bei ihrem Enkel bestimmt auch noch.“
 

***
 

Sakura räusperte sich. „Darf ich Sie etwas fragen?“, erkundigte sie sich zurückhaltend.
 

Die alte Dame nickte freundlich. „Aber sicher, ich habe Sie schließlich auch die ganze Zeit über mit meinen Fragen bombardiert.“
 

„Ähm ... ist Ihre Ehe glücklich?“, wollte Sakura wissen. Sie wusste nicht, woher diese plötzliche Neugierde kam. Vielleicht nahm sie einfach nur Anteil am Leben der alten Dame. ‚Vier Stunden gemeinsam inmitten dieser Horde wild gewordener Rentner auszuharren, das schweißt zusammen‘, dachte sie lächelnd. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie sich in letzter Zeit selbst immer häufiger Gedanken über das angebliche Geheimnis einer glücklichen Beziehung gemacht hatte.
 

Ihre Nachbarin sah einen Moment lang über die Reling auf den Fluss hinaus. „Oh ja, das war sie.“
 

Sie lächelte fast wehmütig und betonte das ‚war‘.
 

Sakura hätte sich ohrfeigen können. „Tut mir leid.“, murmelte sie und ihre grünen Augen sagten dasselbe.
 

„Das braucht Ihnen doch nicht Leid zu tun, Liebes, mein Mann ist schon gestorben, bevor Sie überhaupt geboren wurden. Der Krieg, wissen Sie. Er war Ninja.“ Die alte Dame lächelte versonnen. „Und sehr gutaussehend. Vielleicht wissen Sie, was man über ANBU-Uniformen sagt.“
 

Jetzt lächelte auch Sakura. „Und über ANBU- Tätowierungen.“
 

„Oh, es spricht sich also herum, auch unter der Jugend“, stellte die 80jährige neben ihr erfreut fest.
 

Sakura musste grinsen. Es passierte nicht mehr sehr oft, dass jemand sie mit ihrer Erfahrung und ihrem Rang als „Jugend“ bezeichnete. „Wenn man einen Kollegen hat, der bei ANBU ist, bekommt man das ständig zu hören. Bisher hat es mich nicht besonders überzeugt“
 

„Na ja, meistens ist es aber so, dass in jedem alten Klischee zumindest ein Körnchen Wahrheit steckt.“, wandte die alte Dame ein. Ihre schwarzen Augen funkelten vergnügt.
 

Sakura konnte ihr nicht einmal widersprechen.
 

***
 

Sakura warf einen schnellen Blick auf die Uhr – reine Angewohnheit, denn ihre exakte innere Uhr machte es eigentlich unnötig, dass sie einen solchen Zeitmesser trug. Nur noch eine dreiviertel Stunde bis Konoha.
 

Sie sah sich um. Um Sakura herum war es etwas ruhiger geworden. Im Gang vor der Toilette standen die Rentner Schlange. Ein älterer Herr schräg gegenüber blätterte in einer alten Icha Icha Paradise Ausgabe.
 

Die nette Rentnerin neben Sakura sah eine Weile halb amüsiert, halb empört zu. „Wissen Sie, ich habe einmal ein Lagerfeuer im Garten meines Mannes veranstaltet und diese Schundlektüre verbrannt“, erklärte sie zu Sakura gewandt.
 

„Ja, das wollte ich auch schon einige Male tun. Mein Kollege kann keinen Meter gehen, ohne dieses verdammte Buch.“
 

Die alte Dame schmunzelte. „Diesen Wunderknaben, den Sie Ihren Kollegen nennen, müssen Sie mir unbedingt einmal vorstellen. Dem werde ich schon den Kopf zurechtrücken “, meinte sie, obwohl sie beide wussten, dass sie sich wohl kaum wieder treffen würden.
 

Die alte Dame drehte sich von dem perversen Mann weg und sah wieder Sakura an. Icha Icha war vergessen.
 

Sakura begann fast, sich unter dem intensiven Blick der Rentnerin unwohl zu fühlen. Diesen Effekt hatte bisher eigentlich immer nur Kakashi und die Hokage auf sie.
 

„Haben Sie schon mal einen Regenbogen gesehen?“, fragte die alte Dame plötzlich.
 

Sakura lächelte unsicher. „Ähm, natürlich. Wieso?“
 

„Ich meine, WIRKLICH angesehen, nicht nur flüchtig registriert“, beharrte die Rentnerin.
 

Sakura fragte sich, welche Bedeutung dieses seltsame Thema für sie haben mochte. „Ja, wirklich angesehen.“, bestätigte Sakura. Immer, wenn sie auf dem Hokagefelsen saß und darauf wartete, dass ihre Freunde gesund von ihren Missionen heimkamen, hatte sie viel Zeit für solche Dinge gehabt und sie plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtet.
 

„Haben Sie bemerkt, dass Regenbogen wie Menschen sind?“ Die grauhaarige Frau sah sie eindringlich an und schien es wirklich ernst zu meinen.
 

Sakura lächelte leicht. „Genauso vergänglich? Oder genauso verbogen?“, fragte sie ein wenig belustigt.
 

„Beides – aber es geht noch darüber hinaus. Ich bin jetzt 81 Jahre alt und habe eine Menge gesehen in meinem Leben, aber ein solcher Regenbogen versetzt mich immer wieder ins Staunen als wäre ich noch ein Kind. Allein, wenn man bedenkt, dass er eigentlich nur durch die Brechung und Reflexion des Lichtes in winzigen Regentropfen zustande kommt. Dann die Farben ... Wir glauben immer, dass es nur sieben Farben sind. In Wirklichkeit sind die Farben jedoch nicht so klar voneinander getrennt, sondern gehen schrittweise ineinander über. Wie viele Farben ein Regenbogen hat, hängt immer auch davon ab, wer sie zählt.“
 

Sakura nickte. Sie war sicher, dass der Regenbogen besonders viele Farben hatte, wenn diese alte Frau sie zählte. Sakura beschloss, auf das Thema, das ihrer Platznachbarin offensichtlich am Herzen lag, einzugehen.
 

„Ich habe ein paar Mal gesehen, dass ein zweiter, schwächerer Regenbogen über dem ersten erscheint, wenn die Regenwolken sehr dunkel sind und die Sonne sehr hell scheint. Die Farben sind so angeordnet, dass sie die des ersten Regenbogens in umgekehrter Reihenfolge widerspiegeln.“
 

Die alte Dame nickte und bedachte Sakura mit einem anerkennenden Blick, wie eine Lehrerin, deren Schüler gerade einen Test bestanden hat – genauso fühlte sich Sakura auch. „Das nennt man den Nebenregenbogen“, erläuterte die 81jährige. „Seine Farben sind das Gegenstück zum Hauptregenbogen. Sie beginnen mit Rot auf der Innenseite und gehen bis Violett am äußeren Rand. Beim Hauptregenbogen ist es genau umgekehrt.“ Sie schwieg einen Moment lang und sagte dann einen letzten Satz, der wie ein Zitat klang: „Die Farben des Regenbogens sind wie Menschen – es gibt keine zwei, die genau gleich sind.“
 

Damit schien das Thema für sie erledigt zu sein.
 

Sakura lächelte stumm in sich hinein. Vermutlich wurde man im Alter einfach ein wenig sonderlich. Sie hatte sich jedenfalls nie zuvor mit jemandem ernsthaft über Regenbogen unterhalten.
 

***
 

Gerade als Sakura und die alte Dame in ein lebhaftes Gespräch über ihre jeweiligen Haustiere verwickelt waren, erklang die Stimme des Kapitäns durch die Lautsprecheranlage der Fähre. „Liebe Passagiere, sehr geehrte Damen und Herren, wir erreichen in Kürze Konohagakure und bedanken uns, dass Sie unsere Gäste waren. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen.“
 

„Kami-sama bewahre!“, murmelte Sakura, aber sie musste zugeben, dass die vier Stunden dank ihrer ungewöhnlichen, aber angenehmen Reisegefährtin schnell vergangen waren.
 

Hinter ihnen packten die Rentner ihr Kartenspiel ein und begannen sich darüber zu streiten, wer welches Zimmer im Hotel bekommen sollte. Sakura hörte nicht mehr hin, es war ihr ganz egal, solange dieses Hotel nicht gerade das neben dem Krankenhaus war.
 

Einige der Senioren fuchtelten schon jetzt aufgeregt mit riesigen Fotoapparaten herum. Der Bordsteward hatte alle Hände voll zu tun, sie auf ihren Plätzen zu halten. Er kam an ihnen vorbei. „Wir erreichen Konoha pünktlich in …“ Er warf einen Blick auf die Uhr.
 

„... in neun Minuten“, half Sakura freundlich.
 

Der Bordsteward und Sakuras grauhaarige Nachbarin warfen einen Blick auf ihre Armbanduhren und dann einen weiteren, erstaunten Blick auf Sakura.
 

„Wie machen Sie das?“, fragte die alte Dame verblüfft.
 

Sakura lachte. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass Naruto und Sasuke ebenso überrascht ausgesehen hatten, als sie ihnen zum ersten Mal die Uhrzeit nannte, ohne auch nur einen Blick auf die Uhr zu werfen.
 

„Ein eingebautes Standard-Medical-Nin-Uhrwerk“, erwiderte Sakura grinsend. „Ist einfach praktischer, wenn man Herz- und Atemfrequenz selber messen kann.“
 

Die ältere Frau sah sie mit großen Augen an. „Sie sind ein Medical Nin?“, vergewisserte sie sich überrascht.
 

Sakura lächelte tolerant. „Ja, ich weiß, ich sehe nicht unbedingt wie einer aus.“ Das bekam sie des Öfteren zu hören.
 

„Nein, das wollte ich damit nicht sagen“, versicherte die silberhaarige Dame. „Es ist nur …“
 

Was sie weiter sagen wollte, blieb unklar, denn in diesem Moment folgte die Fähre einer scharfen Flussbiegung, der dichte Wald am Ufer lichtete sich und gab eine beeindruckenden Sicht auf den Hokagefelsen von Konoha frei.
 

***
 

Sakura passierte den Anlegesteg und sah mit Erleichterung zu, wie die Senioren-Reisegruppe gesammelt zu einem Eselkarren strömte.
 

„Und wohin gehen Sie jetzt?“, erkundigte sich die nette alte Dame, als sie sich gemeinsam auf den Weg zur Ankunftsregistrierung machten.
 

„Nach Hause“
 

„Ah, zu Ihrem Mann und Ihren vier Kindern“, schmunzelte die Rentnerin. Es war bereits zu einem vertrauten Scherz zwischen ihnen geworden.
 

„Eher zu einem riesigen Berg Schreibarbeit“, erwiderte Sakura halblächelnd. Sie bedauerte es beinahe, sich jetzt von der alten Frau verabschieden zu müssen. „Und Sie? Werden Sie abgeholt?“
 

„Ja.“ Die grauhaarige Dame drehte sich kurz um, biss auf die Fingerknöchel und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, ihr Enkel möge zur Abwechslung mal pünktlich sein.
 

„Tja, dann auf Wiedersehen“, sagte Sakura, ohne wirklich mit einem Wiedersehen zu rechnen.
 

„Auf Wiedersehen“ Die Rentnerin zeigte erneut ihr unbesorgtes, warmherziges Lächeln.
 

Sie hatten die Ankunftsregistrierung erreicht und sich dort in dem Gewimmel aus den Augen verloren. Nachdem sich Sakura ins Namensbuch eingetragen hatte, wurde sie von Ino eingeholt. Die blonde Kunoichi sah etwas blass im Gesicht aus und stank schlimmer als ein geräuchertes Barmännchen, aber sie hatte sich bereits den Handkarren aus dem Frachtraum organisiert und schloss zu ihr auf. „Kannst du dich noch daran erinnern, als ich dich mal darum gebeten habe, meine Samstagabendschicht im Krankenhaus zu übernehmen?“
 

Sakura verzog das Gesicht. „Du meinst, die 131 Male, die ich für dich am Wochenende eingesprungen bin?“
 

„Tz, ich kann nichts dafür, wenn du so ein armseliges Liebesleben hast, forehead. Schwamm drüber. Ich möchte mich jetzt dafür revanchieren.“
 

„Meinem Liebesleben geht es ganz ausgezeichnet, was man von deiner Arbeitsmoral nicht behaupten kann, pig. Und wie gedenkst du, dich dafür zu revanchieren?“
 

„Nun, ich könnte zum Beispiel zum Hauptquartier gehen, unseren ganzen Bürokram erledigen, den Bericht schreiben und die Kräuter bei der Hokage abliefern - während du nach Hause gehst und dich selig in deiner Badewanne entspannst.“
 

„Diese Selbstlosigkeit hat nicht zufälligerweise damit zu tun, dass ein gewisser Jounin mit einer Vorliebe für geröstete Kartoffelscheiben gerade Dienst im Hauptquartier schiebt, oder?“
 

Ino wurde, zu Sakuras Überraschung, knallrot. „Keine Ahnung, wovon du redest, forehead-girl.“
 

Sakura seufzte. Ein freier Abend würde ihr sehr gelegen kommen. „Na los, hau schon ab, pig.“
 

Mit sensationeller Geschwindigkeit verschwand die blonde Kunoichi inklusive Handkarren und Kräuter, so dass Sakura nur noch in eine leere Staubwolke starrte, als sie ihren Satz beendet hatte. Sie schulterte ihren Rucksack und begann, sich freudig nach Naruto umzusehen. Der Jinchuuriki mit der Lizenz zum Dauerplappern hatte versprochen, sie abzuholen und zu einer Schale Ramen einzuladen.
 

Doch statt einem lauten orangen Farbklecks in der Menge der Wartenden, entdeckte Sakura plötzlich… .
 

„Kakashi-san! Was tun Sie denn hier?“, entfuhr es ihr überrascht. „Sind Sie etwa hier, um mich abzuholen?“ Wenn das der Fall wäre, dann war er aber verdammt pünktlich. Und Kakashi Hatake war nur dann pünktlich, wenn die Welt unterging - oder der Icha Icha Paradise Verlag ein neues Band auf den Markt warf. Von einer schrecklichen Vorahnung befallen, fragte sie: „Ist etwas mit Naruto und Sasuke passiert?“
 

Ihr hochgewachsener Kollege und ehemaliger Lehrer stand zwischen den Wartenden und obwohl er nichts anderes tat als seine maskierte Nase hinter einem Buch zu verstecken, stach er mit seiner ANBU Uniform aus der Menge heraus. Er sah gelangweilt aus. Sein Auge starrte über den Rand des Buches hinweg und fasste Sakura ins Visier. Das einzige Zeichen der Widererkennung war, dass er das Buch zuschnappen und in seiner Weste verschwinden ließ. Wenn er überrascht war, sie hier zu sehen, dann zeigte er es nicht, vorbildlich nach Paragraph 43 der Ninja-Verhaltensregeln: ‘Erwarte stets das Unerwartete!‘
 

„Nein. Alles in Ordnung“, beruhigte er sie. „Naruto und Sasuke wurden auf Mission geschickt.“ Mit der Hand fuhr er sich durchs unordentliche Haar. „Ehrlich gesagt wusste ich nicht, dass du heute ankommst. Schon gar nicht, dass du mit der Fähre ankommst. Was ist, kein Vertrauen mehr zu deinen eigenen Füßen?“
 

Kleine Fältchen kringelten sich um sein Auge und Sakura wusste, dass er unter seiner Maske schmunzelte.
 

„Nein“, grinste sie extrem erleichtert zurück. „Nicht mit zwanzig Kilo Opium auf dem Rücken. Ich wäre spätestens auf der Hälfte der Strecke mit Pupillen so groß wie Untertassen und einem dämlichen Grinsen im Gesicht vom Ast gefallen. Und ihr Jungs von ANBU hättet dann eine weitere Rettungsaktion auf dem Stundenplan. Aber wenn es Ihr kleines Ninja-Herz beruhigt, Kakashi-san, kann ich Ihnen sagen, dass die Überfahrt mit der Fähre schrecklich war. Wir waren von einer Horde lärmender Rentner umzingelt.“
 

„Wir?“ Kakashi sah fragend an ihr vorbei und die Lachfältchen um sein Auge wurden tiefer.
 

Sakura fragte sich, ob er glaubte, sie hätte auf ihrer Mission einen Mann kennen gelernt. Sie grinste breit, bevor sie antwortete. „Ja. Wir. Ino, ich und meine neue Freundin, die mich davon abgehalten hat, wahnsinnig zu werden“, erklärte sie und drehte sich suchend um.
 

Die alte Dame kam geradewegs auf sie zu.
 

„Ah, … “, Sakura fiel plötzlich auf, dass sie nicht einmal den richtigen Namen ihrer Reisegefährtin kannte. „Jetzt kann ich Sie wirklich noch mit meinem Kollegen bekanntmachen!“, rief sie ihr zu.
 

Die alte Dame lächelte.
 

Kakashi sah Sakura seltsam an.
 

Dann begann er zu lachen und hielt genügsam still, als die grauhaarige Dame ihn umarmte.
 

Sakura starrte ihn mit heruntergeklappter Kinnlade an. Nicht nur, weil sie zum ersten Mal sah, dass jemand Kakashi umarmte, ohne dabei den üblichen Todeskampf auszufechten, sondern auch, dass er lachte - und nicht nur das übliche mechanische Lächeln zeigte, bei dem Sakura sich jedesmal fragte, ob man ihn in die gleiche Klasse gesteckt hatte wie Sai.
 

Ein Lächeln mit Seltenheitswert.
 

Der Copy Nin lachte noch ein wenig lauter und die alte Dame fiel in das Lachen mit ein. „Sakura“, sagte Kakashi, als er sich endlich von der Überraschung erholt hatte. „Du wolltest mich doch nicht etwa meiner eigenen Großmutter vorstellen? Auf einen solchen Gedanken kann auch nur eine Kunoichi kommen.“
 

Sakura sah baff zwischen Kakashi und der alten Dame hin und her. Jetzt wusste sie endlich, wieso die Rentnerin ihr so vertraut vorgekommen war und von wem Kakashi sein träges Grinsen geerbt hatte. „SIE sind SEINE Großmutter?!“, fragte sie ein wenig atemlos.
 

„Yep“, antworte Kakashi nonchalant.
 

„Kein Scherz, hm?“
 

Der Copy Nin verschränkte die Arme vor der Brust und blickte herausfordernd auf die junge Frau herab. „Hast du etwa geglaubt, ich wurde von einem Rudel Wölfe großgezogen?“
 

Sakura fühlte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. „Hatake-obaasan…“
 

„Granny“, verbesserte Kakashis Großmutter lächelnd.
 

Sakura nickte. „In Ordnung, Granny-san … haben Sie gewusst, wer ich bin?“ Ganz offensichtlich war die Rentnerin nicht überrascht gewesen, dass sie und Kakashi sich kannten.
 

Granny schüttelte ihr graues Haar. „Nein, erst als Sie mir sagten, dass Sie ein Medical Nin sind, hatte ich so eine Vermutung. Ich hätte wirklich schon früher darauf kommen sollen, aber Kakashi hat noch untertrieben, als er mir schrieb, wie hübsch Sie sind.“
 

Wenn Sakuras Kinnlade nicht schon unten gewesen wäre, spätestens jetzt wäre sie bis zum Erdmittelpunkt und weiter heruntergefallen.
 

Kakashis Auge weitete sich mit verhaltener Überraschung. „Hm. Das ist wirklich interessant, Granny. Zumal ich sicher bin, dass ich noch nie in meinem ganzen Leben einen Brief geschrieben habe.“
 

„Eben. Schande über dein Haupt, deine alte Großmutter so zu vernachlässigen.“
 

„Sakura?“ Kakashi beugte sich vor und winkte mit der Hand vor dem sprachlosen Gesicht seiner einstigen Schülerin. „Das war ein Scherz. Du kannst den Mund wieder zu machen. Es sei denn, du möchtest weiterhin Fliegen fangen.“
 

Sakura gab sich einen mentalen Ruck. „Natürlich war das ein Scherz“, erwiderte sie schnell. Kakashi Hatake würde eher der Mund abfaulen, bevor er etwas Positives über sie ausplauderte.
 

Granny lächelte und legte ihr die Hand auf den Arm, wie sie es schon zuvor getan hatte. „Schon gut, diesen Wink konnte ich mir einfach nicht verkneifen.“ Sie zwinkerte Sakura zu. „Aber Sie haben wirklich nicht untertrieben, als Sie mir von Ihrem Kollegen erzählten.“
 

Kakashi sah zwischen ihnen hin und her. „Worüber habt ihr beide die letzten vier Stunden gesprochen?“, erkundigte er sich. Seine Stimme war zwanglos, als würde es ihn nicht wirklich interessieren. Aber Sakura hatte noch nie vorher gehört, dass Kakashi Hatake nach dem Gesprächsstoff zweier Frauen fragte. Er musste tatsächlich neugierig sein.
 

Sakura machte eine Bewegung, als drehe sie einen Schlüssel vor ihren Lippen um. „Ich bin Ärztin und stehe unter Schweigepflicht“, erklärte sie schelmisch.
 

Kakashi wandte sich an seine Großmutter. „Granny?“
 

„Und ich sage kein Wort ohne meine Ärztin.“, antwortete die alte Dame und grinste ihren Enkel an. „Wir Frauen müssen schließlich zusammenhalten.“
 

Kakashi seufzte. „Und was ist mit uns Hatakes?“
 

Die alte Dame zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Oh, Nachnamen können geändert werden.“, meinte sie und zwinkerte Sakura bedeutungsvoll zu.
 

„Was ist, Kakashi-san, wollen Sie zwei hungrige Damen nicht zum Essen einladen?“, erkundigte sich Sakura. Sie wäre von allen guten Geistern verlassen, wenn sie die Chance nicht beim Schopfe packte und den Drückeberger endlich für die vielen unbezahlten Rechnungen bei Ichiraku bluten ließ.
 

„Wieso, gab es auf der Fähre keine Suppe?“, fragte Kakashi nett.
 

„Oh nein, so leicht werden Sie dieses Mal nicht davonkommen!“ Sakura schulterte ihren Rucksack und hakte sich bei Granny unterm Arm ein, zog sie fort, und ließ den Copy Nin mit den zwei Koffern der alten Dame zurück.
 

Er seufzte und bürdete sich die Last auf. Mit ein paar Schritten hatte er das ungewohnte Frauengespann eingeholt. „Eine gut gemeinte Warnung, Ninja…“, sagte Kakashi und beugte sich ein wenig zu Sakura vor, während sie nebeneinander hergingen, „wenn Granny beginnt, von Regenbogen zu sprechen…“
 

Sakura grinste. „Zu spät, Kakashi-san. Das hat sie schon vor einer Stunde und drei Minuten getan.“
 

Kakashi stöhnte unterdrückt auf. Er erklärte es ihr. Diese Geschichte mit den Regenbogen war ein alter Test seiner Großmutter.
 

Wann immer ihr jemand sympathisch war, fing sie mit diesem Thema an, um zu prüfen, ob derjenige sich darauf einließ.
 

„Und? Wie hast du abgeschnitten?“, wollte er wissen.
 

„Was glauben Sie wohl, Kakashi-san? Ich bin schließlich ein ehemaliges Mitglied von Team 7!“ Sakuras Augen funkelten ehrgeizig.
 

„Dann bist du also mit wehenden Fahnen durchgefallen“, gab Kakashi cool zurück.
 

Sakura wechselte ihren Rucksack in die andere Hand und gab Kakashi einen Schlag auf den Arm. „Sie sollten aufhören, ständig von Naruto und Sasuke auf mich zu schließen! Natürlich hatte ich die höchstmögliche Punktzahl!“, gab sie empört von sich.
 

Granny, die neben den beiden herging, lächelte stumm in sich hinein.
 

***



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Kommentare zu diesem Kapitel (74)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Friday_Ocean
2009-07-05T12:20:20+00:00 05.07.2009 14:20
Hallo!
Ich glaube ich schreibe nichts neues, wenn ich sage, dass diese FF wirklich Kultstatus hat!
Die Szenen auf der Fähre fand ich einfach genial! Die Omis und Opis kann man sich wirklich vorstellen! Genauso wie die liebe Granny!
In jeden Satz findet man wirklich etwas zum Lachen! *gg*
Grüße
Noch ein schönes rest Sonnen- Wochenende!
Von: abgemeldet
2009-01-14T08:31:18+00:00 14.01.2009 09:31
Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Aber:
Das war die beste schlimmste vier-stündige Fahrt
über die ich jemals gelesen hab.
Du hast es geschafft die beiden sich VIER Stunden
unterhalten zu lassen ohne das sie wissen das sie über
die selbe Person redeten.
Einfach der Hammer!
Nur Ino tat mir etwas leid, aber du hast sie ja
entschädigt sonst hättest du sie nicht alleine ins Büro
gelassen.
*grins*

LG von mir

Von: abgemeldet
2008-09-03T13:42:45+00:00 03.09.2008 15:42
das kapi war einfach klasse!
Und die granny ist ja echt doll^^
die hät ich auch gern^^
Von:  scater-fiffy
2008-07-06T18:28:04+00:00 06.07.2008 20:28
also ich hab so irgendwie das gefühl das da noch was kommt^^^hamma mach weiter so^^.....ich werde jetzt mal öfter rein schauen...hdl lg fiffy
Von: abgemeldet
2008-02-01T21:11:17+00:00 01.02.2008 22:11
Irgendwie mag ich Granny, aber mal sehen wieviel Sympathie sie im weiterem Verlauf haben wird. Sie wird es Kakashi ja nicht wirklich leicht machen. Mein Mitleid hat der schon mal *Kakashi patt*
Also diesen Seniorenclupt fand ich wirklich am besten. ich musste beim Lesen die ganze lachen und dachte schon ich ersticke. Ich bin wirklich neugierig was noch so alles kommt.

Die Sache mit dem Regenbogen fand ich super und dann Kakshis Warnung an Sakura. Tja, war nur leider schon zu spät, auf das gespräch hatte sie sich eingelassen. Mal sehen was das so für Auswirkungen hat.
Niht zu vergessen Ino und Sakura zwei beste Freundinen und ewige Rivalen, wirklich einen komische Minschung, aber wenn es funktioniert ist es ja in orndung^^!

LG
ishili
Von:  _Juna93
2008-01-16T11:33:45+00:00 16.01.2008 12:33
Das Kappi, nee die ganze FF ist voll cool.
Du kannst echt geil schreiben xD
Ich mag die Großmutter von Kakashi^^
Freue mich schon wenns weiter geht!

Lg.
Sakura
Von: abgemeldet
2007-12-26T18:50:23+00:00 26.12.2007 19:50
Woa geil!
Du bist eine super Autorin^^
Das mit dem Regenbogen-Test war witzig...mit wehenden Fahnen durchgefallen...also wirklich Kakashi!
Von: abgemeldet
2007-12-23T20:10:31+00:00 23.12.2007 21:10
Super!
Meine Lachmuskeln wurden eben stark strapaziert!
Du hast einen super Schreibstil. Das ist mir schon in Feuerproben und Fesselspiele aufgefallen.
Muss gleich auf meine Favo-Liste.

LG catgirl
Von:  Reike
2007-11-26T15:27:30+00:00 26.11.2007 16:27
WAs einme geile FF....
Das mit der Prüfung...total geil>.< *geile Granny

Oh man...schreib bitte bitte ganz ganz schnell weiter...^^ Ich musste teilweise total lachen..xD und du weißt gar nicht wie oft ich mir die HAnd vor dem Mund klatschte...*mir ist auch ziehmlich warm geworden manchmal ^//^*voll rot geworden...xDD

Oh mna und das soll schon was heißen...du schreibst echt gut und 122Kommentare nur für dich zu recht bei so einer geilen FF...die wird bestimmt noch richtig lustig...
Würd mich freuen wenn du mir eine ENS schicken könntest sobald es weiter geht..

Lieben netten gruß und weiter soo
Reike-chan~ <3
Von:  hide_85
2007-11-08T20:57:50+00:00 08.11.2007 21:57
Ich liebe diese FF, ich kann davon nicht genug bekommen. Schreib schnell weiter ja?
kannst du mir ne ENS schicken wenns weitergeht
greets hide_85


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