Die magische Keksdose von abgemeldet (Im Herzen liegt das Wunderland) ================================================================================ Kapitel 1: Konterfei -------------------- Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich zu langweilen und gelegentlich durchdringend zu ächzen. Mehr kann ich momentan einfach nicht tun. - Dafür tun mir meine Beine viel zu weh. Zwar hat es der Chinesische Meister geschafft uns nach einem längeren Ausflug in die nähere Umgebung ordnungsgemäß zu unserer Unterkunft zurückzubringen… allerdings möchte ich über die dafür erforderlich gewesene Zeit gar nicht erst reden. Nicht mal, dass Kon nicht bereit gewesen wäre nach dem Weg zu fragen. Er hatte es nur einfach nicht gekonnt. Genauso wenig wie ich. Inzwischen befinden wir uns weit anderorts in einem kleinen Mietshaus und kurz vor dem letzten Spiel in diesem Land. Dann würde es wieder nach Hause gehen. Wieder gebe ich ein leises, wenn auch ziemlich erschöpftes Brummen von mir und stütze den Kopf in die Hände, während ich leicht mit den Beinen baumele. Ich sitze gerade am Küchentisch. Nur ein paar Schritte neben mir beschäftigt sich unser Meister gerade mit dem Abendessen. Mal ausnahmsweise etwas heimisches, wir haben so ziemlich alle genug von hiesigen Spezialitäten. Takao, der Typ mit der Brille und der Amerikaner drücken sich zusammen im Wohnraum rum, der leider nicht räumlich vom Küchenbereich getrennt ist. Das wäre toll gewesen, denn ich habe ziemliche Kopfschmerzen. Allerdings habe ich auch keine Lust mich auf mein Zimmer zu verkriechen… vor allem, weil ich dann sowieso nur aus Langeweile schlafen würde. Und eigentlich ist meine Zeit mir dafür viel zu schade. Ich könnte so viel tun. Ich wäre sogar bereit Rei beim Kochen zu helfen. Habe es ihm sogar angeboten, aber er meint es sei schon in Ordnung. Rei ist wirklich das reinste Hausmädchen, wenn man ihn lange genug Zeit aber nichts zu tun gibt. Er meinte, das kommt schlicht und einfach aus den Gegebenheiten, die innerhalb seines Dorfes herrschten. Er war es gewohnt zu arbeiten, zu kochen und im Winter Holz zu hacken. Ich komme nicht umhin zu versuchen mir das ein oder andere bildlich vorzustellen. Zu meinem Erstaunen muss ich immer wieder feststellen, dass es mir gar nicht so schwer fällt, wie ich anfangs immer dachte. Nun sitze ich also für meine Verhältnisse äußerst antriebslos an diesem Tisch, höre auf halbem Ohr meinem Team beim Kartenspiel zu und verfolge mehr oder minder fasziniert die Kochkünste des älteren Chinesen. Direkt vor mir auf dem Tisch steht die vor kurzem erworbene Dose. Diese kleine verkratzte Holzdose, die aussieht, als sei sie schon mehr als eine Generation alt. Nur um mal vorsichtig zu fragen, wer wollte da noch Kekse drin aufbewahren…? Ich erschauere merklich bei dem Gedanken an von in Spinnenfäden eingewebten Kekskrümeln und schon wieder lebendig wirkendem grünen Zwieback. Nein, das war nichts für mich. Murrend wende ich den Blick in eine andere Richtung. „Ach, was ist denn nun schon wieder?“ Ja, Rei amüsiert sich natürlich herrlich dabei, mir einfach ein wenig bei meiner schlechten Laune zuzuhören. „Wenn du aufhörst hier so schlechtes Karma zu verbreiten, schenke ich dir auch eine geschälte Karotte.“ Manchmal ist er ein ziemlicher Trottel… Tief brummend hebe ich den Kopf, um ihm dann wenigstens doch etwas Beachtung zukommen zu lassen. „Ich bin doch kein Kaninchen.“ Rei gluckst amüsiert und blickt beim gemüseputzen äußerst erheitert über seine Schulter zu mir herüber. „Etwas mehr Gemüse würde dir nicht schaden. Als ob du außer Kartoffeln und ner menge Fleisch noch irgendetwas anderes herunter bekommst. Das ist richtig gruselig.“ Tief ausatmend reibe ich mir über das Gesicht. „Gruselig ist wohl eher, was alles in deinem Rachen verschwindet, wenn man dich nur lange genug an irgendeiner Imbissbude allein lässt.“ Rei isst so gesehen eigentlich nie besonders viel. Hauptsächlich gesundes Zeug. Außer er befindet sich außerhalb seiner Behausung, ist verabredet und wartet auf jemanden… Wie man aus purer Langeweile so viel essen kann, ist ein sehr ausgefallenes Rätsel, wenn man mich fragt. Für meinen Kommentar hat der chinesische Meister natürlich nur ein ausgelassenes Lachen übrig, ehe er sich wieder leise summend dem Grünzeug auf der Ablage widmet. Immerhin besteht bei ihm nicht die geringste Selbstverletzungsgefahr, wenn es ums Kochen geht. Gelangweilt senke ich meinen Blick wieder auf die raue Tischplatte und damit auch auf die hölzerne Keksdose. Ich habe sie mir bisher noch nicht näher angesehen und hatte auch nicht das geringste Interesse daran. Aber da ich ja gerade sowieso nichts Besseres zu tun habe, ziehe ich sie an mich heran und hebe sie einen Moment auf meine Hand. Sie ist sehr leicht… Die Schnitzereien sind durchaus einen Blick wert. Der kleine Knauf auf dem Deckel hat die Form einer sitzenden Katze. Eine Naschkatze…? Zugegeben, das ist schon eine niedliche Idee. Man soll aber von mir nicht erwarten, dass ich das jemals laut ausspreche. Wiederum stütze ich den Kopf in die Hand und stelle die Keksdose zurück vor mir auf den Tisch, ehe ich behutsam nach der kleinen Katze greife um vorsichtig den Deckel abzuheben. Bei so altem Krempel befürchte ich immer etwas kaputt zu machen. Das Holz auf der Innenseite hat eine sehr dunkle Färbung. Zuerst aus dem Augenwinkel fällt mir die Gravur auf der Unterseite des Deckels auf. Da steht… Auf meiner Seele Saitenspiel ließ nie Ein andrer Bogen so voll Glut und Leben Die feinsten Saiten schwingen und erbeben, Kein anderer so königlich wie sie Erst jetzt im Nachhinein fällt mir auf, dass es sich dabei um das Kyrillische Alphabet handelt. Na sowas. Rei scheint die Gravur noch gar nicht aufgefallen zu sein, sonst hätte er mich sicher danach gefragt. Hm… ich glaube es ist ein Gedicht. Oder ein Teil eines Solchen. Selbst wenn es sich um das Werk eines russischen Dichters handeln sollte… ich wüsste nicht welcher. Nun ja… Wo diese Dose wohl herkam? Ja, gerade werde ich neugierig. Also beginne ich von neuem damit die Keksdose zu untersuchen. Vielleicht finde ich noch etwas Interessantes. Einen eingravierten Namen oder etwas in der Art. Und tatsächlich befinden sich auf dem Grund der Dose, wenn man genauer hinsieht, weitere Schriftzeichen. Ich hebe sie wieder in meine Hand und drehe sie langsam ins Licht, um besser hineinsehen zu können. Leicht verenge ich konzentriert meine Augen und versuche das Wort zu entziffern, was bei den vielen Kratzern und furchen im Holz gar nicht mal so einfach ist. „Ka- nein, Kon…“, ich murmele leise und neige meinen Kopf im Versuch in anderer Perspektive das Wort besser erkennen zu können. „Konta… Konter… … Konterfei…?“ Konterfei. Das ist das Wort… Ausatmend lehne ich mich mit der Dose in der Hand zurück gegen die Stuhllehne und versuche dahinter einen Sinn zu finden. Vielleicht war es nicht nur ein Wort…? Wieder neige ich meinen Kopf und blicke hinab auf den schwarzen Grund der hölzernen Keksdose. Auf ihm spiegelt sich mein Gesicht. Den Atem anhaltend schlug Kai seine Augen auf. Um ihn her brauste unsagbar starker Wind, der ihn umher warf und drängte, als sei er ein verlorenes Spielzeug. Völlig orientierungslos öffnete er seinen Mund und streckte weit seine Arme aus, um um Gleichgewicht zu ringen. Um ihn herum schien alles schwarz. Der Boden unter seinen Füßen war stetig in Bewegung, war unbeständig und weich. Kai hatte das Gefühl zu fallen, als bewegte auch er sich immerfort und schnell. Tief holte er Atem. Die Luft, die er einsog war weder warm noch kalt. Er glaubte in einer grenzenlosen schwarzen Leere zu schweben und doch war alles in Bewegung. Er wollte nach jemandem rufen, der ihn aus diesem beklemmenden Chaos befreite. Der erste Name, der ihm dabei auf der Zunge lag war Rei. Er rief gegen den tosenden Sturm an, doch wurde seine Stimme vollends von diesem verschluckt. Kalte Angst stieg in Kai auf, während er sich orientierungslos in jede erdenkliche Richtung wandte. Der Sturm zerrte an seiner Kleidung. Der weiße Schal zog sich wie eine Schlinge immer enger zusammen, worauf seine Stimme endgültig versagte. Hastig griff er in den weichen Stoff und zog ihn von seinem Hals. Der Sturm riss ihn kurz darauf aus seiner Hand und wehte ihn davon. Kai blickte ihm nach, streckte die Hand nach ihm aus, doch wurde er durch einen gleißenden Lichtschein abgelenkt. Wie durch eine kleine Sonne, wurde die gesamte Szenerie plötzlich erhellt, als lichtete jemand den Vorhang vor einem Bühnenstück. Kai stand inmitten eines tosenden schwarzen Meeres. Der schneidende Wind warf die Wogen zu meterhohen Riesen auf, die beängstigende Schatten warfen. Das was ihm so in den Augen stach, war keinesfalls der Wind. Es war die rabenschwarze Gischt, die ihn beinahe unter sich begrub. Kai war so gefangen von diesem verstörenden Anblick, dass er die ihn rufende Stimme zuerst gar nicht bemerkte. Die aufwirbelnde Gischt war kalt wie Eis. Aber da war auch etwas Warmes… etwas… anderes… Kai wandte sich sehr schnell um und erblickte das reinste und vollkommenste Wesen dieser kaputten und chaotischen Welt. Seine Aura wirkte so Disharmonisch zu seiner Umgebung, als gehöre es keineswegs in diese Sphäre. Kai öffnete atemlos seinen Mund und blinzelte. Die strahlende blütenweiße Katze zwischen den sich immer wieder wandelnden Wogen verengte gelassen ihre leuchtend goldenen Augen. „Sei gegrüßt, trauriger Wanderer.“ tbc. Das Gedicht wurde geschrieben von Charles Baudelaire und heißt Rätselvolle Katze. Es handelt sich hierbei um den fünften Fers, den ich in erster Linie gewählt habe, weil er wunderschön klingt =] Eine weitere Fortsetzung der Geschichte ist in Planung. Aber da Schreiben sowieso gerade vor der Arbeit ziemlich viel zurücksteckt wird das wohl auch wieder seine Zeit dauern. Ich grüße alle, die das Kapitel lesen und sich eventuell darüber freuen. Bis zur nächsten Seite cya ~ Katzenviech Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)