Erwachen von Susulein (~Sequel-Prequel zu "Schlaf"~) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Erwachen (Sequel-Prequel –whatever- zu „Schlaf“) Miya trat in den Flur hinaus. Es war kühl und dunkel, weil die Deckenlampe schon seit ein paar Wochen kaputt war. Aber das machte ihm nichts aus, schließlich ging er schon seit Jahren in diesem Gebäude, wo sie ihren Proberaum gemietet hatten ein und aus. Den Weg hinaus hätte er auch mit verbundenen Augen finden können. Anstatt auf den Fahrstuhl zu warten, schlüpfte er gleich ins Treppenhaus. Die paar Stockwerke konnte er gerade noch selber laufen. Er knöpfte im Gehen seine Jacke zu und wühlte in seiner Tasche. Irgendwo mussten doch noch ein paar Zigaretten sein… Draußen, unter dem Vordach des Hauses angekommen zündete er sich seine letzte Kippe an. Es war ein windstiller, regnerischer Tag und die Rauchwölkchen stiegen ganz langsam in die Luft bevor sie sich auflösten. In dieser etwas abgelegenen Gegend Tokyos, wo kaum Wohnhäuser standen, war um diese Uhrzeit an einem Wochentag nicht mehr viel los auf den Straßen. Aber dafür war die Raummiete auch nicht so teuer. Also hatte Miya auch kein Problem damit, durch dunkle Straßen zu laufen. Durch dunkle Flure gehen ging ja auch. Er dachte darüber nach, was er eben gerade zu Yukke gesagt hatte. Zum Glück hatte Tatsurou noch geschlafen, es wäre ihm ein wenig peinlich gewesen, wenn jener den ungeschickten Versuch Miyas mitbekommen hätte, den trübseligen Bassisten aufzumuntern. Bestimmt wäre wieder ein spitzer Kommentar gekommen, auch wenn Miya zugeben musste, dass der Sänger in letzter Zeit wenigstens nettere spitze Kommentare abgab. Mehr oder weniger hatte Miya versucht Yukke klarzumachen, dass- er konnte kaum glauben, dass er das jetzt wirklich dachte- jetzt alles gut war. So kitschig das auch klang. Happy End. Finite Incantatem. Friede, Freude, Eierkuchen. Bei Eierkuchen erinnerte er sich an die Auftritte in Frankreich und die Crêpe, die ihm Hotel ganz besonders gut geschmeckt hatten. Wobei, Crêpe gab es auch an ein paar Verkaufsständen in den Parks im Sommer… Mein Gott, er dachte schon wie Tatsurou! Essen, essen und noch einmal essen! Über seine eigenen Gedanken köstlich amüsiert; sann er weiter über sein Leben nach. Es ging ihm aber auch gut. Ausnahmsweise hatten sie die neue CD ohne größere Probleme aufgenommen, die ersten Photoshoots dafür waren ebenfalls im Kasten. Ihre Konzerte waren immer zahlreich besucht und oftmals sogar ausverkauft, das freute Miya immer besonders. Die Stimmung in der Band und das Verhältnis zu all den Leuten die es überhaupt möglich machten, aufzutreten und Musik zum machen war sogar ausgezeichnet. Und doch… und doch beschäftigte ihn etwas. Tief in seinem Inneren nagte- und das wollte er sich eigentlich nicht eingestehen- Angst an ihm; er hatte die Befürchtung, dass ihn alles wieder überkommen würde, es hatte ihn schon zu oft überkommen, das durfte er nicht mehr zulassen… Nein, er musste einfach aufhören damit. Wie schon gesagt, Finite Incantantem, Schluss mit all dem. Den übrig gebliebenen Filter warf er auf den Boden und trat die Glut aus. Es hatte wieder angefangen zu regnen, deshalb versteckte er sich hinter seinem schwarz-weißen Halstuch und unter seinem Hut, um den feuchtkalten Sprühregen abzuhalten. Tatsurou sagte immer, er sähe damit aus wie ein Zuhälter, aber das war ihm im Moment auch egal. Hauptsache, man wurde nicht nass. Die Hände in die Manteltaschen gestopft ging er zu seinem Auto, um nach Hause zu fahren. Nicht lange nachdem er Yukke und Tatsurou verlassen hatte, kam er in seiner Wohnung an, holte schnell Gizmo bei der Nachbarin ab und spielte ein bisschen mit dem Hund. Das kleine braun-weiße Fellbündel zerrte leidenschaftlich gerne an Handtüchern, besonders an dem, mit dem Miya sich gerade die feuchten Haare abtrocknen wollte; nur verlor der dreißig Zentimeter lange Kläffer dabei immer gegen seinen Herrn. Aber das war ihm egal, er war glücklich, solange man sich nur mit ihm beschäftigte. Eigentlich sind Hunde in der Beziehung gar nicht so anders als Menschen, dachte Miya bei sich, als er eine Dose Gourmet-Rindfleisch-Hundefutter öffnete, um sie dem gierig und heftig mit dem Schwanz wedelndem Tier zu verfüttern. Das konnte er täglich schon daran sehen, wie Yukke und Tatsurou miteinander stritten, sich vertrugen und sich wieder stritten und sich wieder vertrugen, um irgendeinen Quatsch anzustellen, hauptsache sie hatten jemandem, der mitmachte. Gizmo bellte laut auf, er hatte seinen Napf blitzblank geleert und war wohl auf ein zusätzliches Leckerchen scharf. „Und sie freuen sich, wenn ihnen jemand Essen macht!“ sagte Miya laut zu seinem Hund und lächelte. Er müsste mal wieder für die anderen kochen, Satochi und Tatsurou freuten sich über jede Gratismahlzeit und Yukke sicherlich darüber, dass er nicht kochen und abwaschen musste. Der Bassist hatte erst vor ein paar Tagen Geburtstag gehabt, am besten würde er zu dem Anlass nachträglich alle einladen. Er müsste dazu nur noch die ganzen Gitarren, die überall im Wohnzimmer herumstanden, zur Seite räumen. Dann könnte er Hackbällchen in Ingwersauce kochen und zum Nachtisch natürlich Schokoladenpudding machen. Vielleicht würde ihn das ein wenig ablenken. Der Gitarrist legte sich auf sein helles Futonbett mit der blutroten Bettwäsche und starrte an die Decke. Und die Decke starrte zurück. Die Wasserflecken auf den hellen Deckenplatten sahen nämlich ein wenig aus wie Augen, die ihn anglubschten. Aber Wasserflecken hin oder her, dafür wohnte er in einem Penthouse, welches sogar einen winzigen Dachgarten hatte. Zwar lebten dort nur ein paar Flechten auf dem Boden und Moos, Gras und ein einsamer kleiner Lavendel gegen Mücken im Sommer in den Blumenkübeln, aber er hatte seinen eigenen ’Garten’ und konnte von dort sogar das Meer sehen- wenn man zwischen zwei weit entfernten Wolkenkratzern hindurch sah und das Licht gut stand. Am nächsten Morgen erwachte Miya gähnend und zwang sich einkaufen zu gehen. Der Laden war nicht besonders groß, aber das kam ihm durchaus zu Gute: So musste er nicht ewig lang den Einkaufswagen durch die mit seichtem Pop und nervtötender Werbung beschallten Gänge eines Gigasupermarktes schieben und dabei riskieren, viel zu viel für einen Ein-Mann-und-Ein-Hund Haushalt einzukaufen. Aber eigentlich lag seine Zuneigung zu dem Geschäft in der Tatsache begründet, dass er sich an der gigantischen Auswahl an Pudding aufs herrlichste laben konnte. Vor dem Regal mit den Pulvertüten für Sahne-, Vanille-, Schokoladen-, Waldmeister-, Himbeer-, Zitronen-, Rum-, Aprikosen-, Pfirsich- und sogar Plumpudding, den noch viel seltsameren Sorten, die in Japan produziert worden waren wie White Strawberry oder Miso-Karamell und dem Kühlregal daneben mit all den Geschmacksrichtungen plus Schokoflakes, Schokokringeln, Schokostückchen, Schokoreispops und wie sie alle hießen entschied sich für ein altmodisch aussehendes, importiertes Tütchen mit kochbarem Schokoladenpudding einer Firma namens ’Dr.Oetker’ und einen gigantischen Becher seiner Lieblingsmarke zum Mittagessen. Im letzten Moment dachte er noch daran Fleisch und ein paar Flaschen Bier für Tatsurou (härterer Stoff wirkte sich oft auf seine Stimme aus, darum verbot Miya ihm das wenigstens vor Konzerten und Aufnahmen); Sake und Schnaps für die anderen hatte er noch daheim. Am späten Nachmittag zückte Miya sein rotes Handy und rief die ganze Bande an. Zuerst wählte er die Nummer von Yukkes und Tatsurous Wohnung und nach einigem Klingeln hatte er einen ziemlich außer Atem klingenden Bassisten am der Strippe: „Mochi-Mochi? Fukuno am Apparat?“ „Ich bins, Miya. Ich hab eingekauft, wollt ihr vorbeikommen und bei mir essen? Quasi eine kleine Nachgeburtstagsfeier für dich, weil du am fünften nicht da warst.“ Stattdessen hatte er nämlich die seltene Gelegenheit genutzt den an Magen-Darm Grippe todkrank dahin vegetierenden Tatsurou loszuwerden und war alleine nach Hause zu seiner Familie gefahren. „Wieso kaufst du erst ein und rufst dann an? Ist das nicht ein bisschen unlogisch? Es hätte doch sein können, dass ich irgendwas super-mega-genial-tolles für heute Abend geplant hätte und nicht könnte?“ „Ihr könnt also nicht?“ sagte Miya und klang ein wenig enttäuscht. „Das hab ich doch gar nicht gesagt.“ lachte Yukke, „Ich mein ja nur, dass... ach vergiss es. Natürlich kommen wir, dann brauch ich auch nicht kochen, yay; HEY TAT-CHAN“ Miya hielt das Telefon weit von sich, als Yukke so laut nach seinem Freund brüllte und nicht auf die Idee kam, vielleicht einmal den Hörer zu bedecken „HEUTE GIBT’S ESSEN BEI MIYA-KUN!“ „Yeah, einen Abend krieg ich dann mal richtiges Essen und nicht den Fraß, den du einem immer vorsetzt“ tönte es aus dem Hintergrund. „HEY, BESCHWER DICH NICHT; ICH KOCH IMMERHIN NOCH TAUSENDMAL BESSER ALS DU! DU LÄSST JA SOGAR WASSER ANBRENNEN…“ „Ähm, Yusuke? Yusuke? YUKKE!“ Miya musste regelrecht ins Telefon schreien, um Yukke wieder in die Leitung zu bekommen. „JAA? Sorry.. ja?“ „Kommt ihr dann um halb sieben?“ „Okay.“ Seufzend beendete Miya das Gespräch und rief noch schnell bei Satochi an. Jedoch hob jener nicht ab, sodass er stattdessen eine Mail geschickt bekam. Erst vor ein paar Monaten hatte Satochi ihm selbst gezeigt, wie man statt einer kurzen SMS eine viel längere Mail über den Äther schicken konnte. Miya las eben nicht gerne Bedienungsanleitungen und war froh, wenn ihm jemand so etwas erklärte. Fröhlich kochend stand er eine Stunde später am Herd und rührte in seinen Pfannen. Vorsichtshalber stellte er die Hitze runter, damit das Essen nicht verbrannte, dann ging er hinüber ins Wohnzimmer um seine feinsäuberlich im ganzen Raum aufgereihten Gitarren ins Schlafzimmer zu bringen. Bei den zehn Exemplaren, die er allein daheim hatte, dauerte das eben etwas. Als er die letzte (hellblaue) weggestellt hatte, klingelte es auch schon an der Tür. Draußen standen alle drei Muccies, scheinbar hatte Satochi die Nachricht noch rechtzeitig bekommen. Mit hungrigen Augen stürzten sie herein. Schneller als man schauen konnte saßen sie auch schon alle am Esstisch und warteten auf Bedienung. Miya kannte ja seine Pappenheimer und brachte eine Sekunde später eine riesige Schüssel dampfender Fleischbällchen, die Ingwersauce, den Reis und die restlichen Beilagen an den Tisch. Der riesige Berg Hackfleisch entschwand innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten komplett, auch der Schokoladenpudding hatte keine Gelegenheit sich seines kurzen Daseins weiter zu erfreuen. Nach dem Essen wurden mehr von den flüssigen Nahrungsmitteln serviert und die Stimmung war ganz und gar prächtig. Zwar musste Yukke davon abgehalten werden, auf dem Balkon lauthals J-Pop zu singen, was die Nachbarn sicherlich als Ruhestörung empfunden hätten, aber mit vereinten Kräften schafften sie es, ihm den Mund zuzuhalten und ihn dabei wieder hereinzuzerren. Stattdessen durfte er dann einen Film aussuchen und kramte aus der allerletzten Reihe von Miyas DVD Regal ausgerechnet den ersten NANA Film hervor. Alle stöhnten auf, der Streifen war zwar gut, sonst hätte Miya ihn sich auch nie zugelegt, aber mit dem heutigen Abend hätten sie den Film dann insgesamt dreizehn mal angekuckt. „Hört auf zu meckern, oder soll ich lieber Dirty Dancing auflegen? Ja Miya, den hab ich auch gefunden!“ drohte der ehemals blonde Quälgeist. Dagegen konnte keiner ankommen. Wenigstens kannten sie den Text aber mittlerweile auswendig genug, dass Satochi nach einer Weile anfing Hachi, die tollpatschige Hauptdarstellerin mitzusynchronisieren und Miya daraufhin Nana, die ultracoole zweite Hauptdarstellerin mitsprach und sich mit der gleichen, ultracoolen Miene eine Kippe anzündete. Yukke konnte nicht mehr an sich halten vor Lachen, als Tatsurou plötzlich auch noch Ren, Nanas Freund, spielte und Miya fragte, ob er mit ihm Baden gehen wollte, er hätte noch ein paar Rosenblätter da, als Deko. Daraufhin bekam er eine ordentliche Ladung Rauch ins Gesicht gepustet und einen original Miyablick gratis dazu. Yukke kringelte sich immer noch vor Lachen auf dem Boden, Miya stieg über ihn und ging in die Küche um abzuwaschen. Derweil kratzte der arme Gizmo an der Haustür und jaulte, weil ihm niemand Beachtung schenkte. „Hey Miya, “ rief Tatsurou in Richtung der Küche „dein Wuffie wird bald den kompletten Lack von der Tür abgeschabt haben und dann deinen Fußboden ziemlich einsauen, wenn du nicht bald mit ihm Gassi gehst!“ Bevor der Gittarist überhaupt antworten konnte, bot Satochi schon seine Hilfe an: „Ich geh mit dem Hund. Ich brauch sowieso mal ein bisschen Luft; Miya- kun, der Sake, den du da hast ist aber auch ganz schön stark, hihi!“ Leicht schwankend wollte der angeheiterte Drummer aufstehen, stieß mit dem Knie böse an die Tischkante und schüttete sich dabei versehentlich den Inhalt von seinem und Yukkes halbleeren Sakegläsern, als auch Tatsurous restlichen Biervorrat auf sein Shirt. „Ach Mist, verdammter, gaaaaah.“ „Wo wir gerade bei ’Fußboden einsauen“ waren…“ merkte Yukke zynisch an. Jetzt kam auch der geschädigte Wohnungsbesitzer wieder ins Zimmer und verdrehte die Augen aufgrund der sich ihm darbietenden Szene: Hilflos versuchte Satochi die klebrige Flüssigkeit mit ein paar Servietten, die von den Hackbällchen übrig geblieben waren, aufzuwischen. Yukke war derweil vor dem sich weitflächig ausbreitenden Alkoholsee auf das Sofa geflüchtet. Der schon immer mit etwas weniger Sauberkeitsbedürfnis ausgestattete Sänger hob nur die Füße an; machte aber auch keinerlei Anstalten Satochi bei seinem Malheur zu helfen. Der Fernseher lief immer noch, keiner von ihnen war auf die Idee gekommen, ihn auszustellen. Wortlos holte Miya mehrere Rollen Küchenpapier, einen Eimer und eine Schüssel Wasser, kommandierte Yukke und Tatsurou zum Aufwischen ab. „Wieso müssen wir putzen, wenn ER was umgeworfen hat?“ maulte Tatsurou. „Weil ihr zusammen schneller seid, weil sonst meine Gitarren im Zimmer nebenan kaputt gehen würden und DAS“, betonte er, „DAS… wäre nicht schön- für euch! Und im Übrigen wollte ER anfangs freiwillig helfen und mit Gizmo,“ er deutete auf den immer noch die Haustür zerkratzenden kleinen Hund, den die anderen schon längst wieder vergessen hatten „…spazieren gehen. Soviel Hilfsbereitschaft kann ich an euch beiden heute nicht unbedingt erkennen.“ „… und wie sollte bitteschön das bisschen Sake 4 Meter weg, um die Kurve, durch die verschlossene Tür in ein anderes Zimmer fließen? Und überhaupt, wir sind ja zu Gast, möööh…“ maulte jetzt auch der klatschnasse Papiertücher in den Eimer feuernde Bassspieler, der sich auf einen Abend ohne Hausarbeit gefreut hatte. Normalerweise hätte er ja nichts dagegen gehabt, mitzuhelfen. Jedoch hatte sein Mitbewohner und Liebhaber Iwagami Tatsurou- san die Faulheit in den letzten Wochen so sehr gepachtet und immer neue Ausreden zwecks Vermeidung häuslicher Tätigkeiten gefunden, dass alles an im hängen geblieben war. Miya wühlte in seinem Kleiderschrank und drückte dem verdattert da stehendem und sich ständig entschuldigenden Satochi ein frisches T-Shirt in die Hand. Erleichtert zog Sato das schmutzige Oberteil aus und drückte es Miya in die Hand. Jener wusch die Flecken im Waschbecken aus, während Sato versuchte in das violette Hemd zu schlüpfen und dabei einen Moment mit dem etwas zu kleinen Halsausschnitt kämpfte. „Aha. Satochi- kun hat wohl gerade eine ,richtige’ Freuuundin.“ Giftete es aus Tatsurous Richtung (am Boden), der das Desaster gerade fertig beseitigt hatte. „Hä? Woher weißt du denn das schon wieder?“ fragte Yukke, sah auf, sah die verdächtigen Blutergüsse an dem Nacken des Drummers, machte runde Augen und sagte nichts weiter. „Ähh? Ähm, also, “ versuchte Satochi hastig abzulenken, „ich geh jetzt mit dem Hund.“ Und weg war er. „Früher hatte er doch auch immer diese höchst verdächtigen Kratzspuren auf dem Rücken“ kicherte Yukke fast mädchenhaft und versteckte wie immer sein schiefzahniges Lachen hinter seiner Hand. Miya kam wieder zurück ins Zimmer. „Ja, die sahen genauso aus wie die, die Gizmo an der Tür gemacht hat! Oder die Tet- chan mir heute Morgen verpasst hat, nur weil DU zu doof warst, und das arme Tier halb durchs Zimmer geworfen hast!“ Vorwürfe machen fiel Tatsurou nie besonders schwer. „Was schläft dieser fürchterliche Katzendämon auch direkt auf meiner Decke ein! Ich dachte ich sterbe, als ich aufwache und auf mir dieses bepelzte, riesige, fette, “ Yukke bibberte und zählte weiter Adjektive auf: „leuchtäugige, böse, kratzbürstige Monster sitzt!“ „Und deshalb wirfst du ihn mir auf den nackten Rücken? Das hat voll wehgetan! Schon mal daran gedacht, dass ne Katze Krallen hat? Das hat sogar fast geblutet!“ Miya beschloss das weitere Gespräch der beiden völlig zu ignorieren und räumte ein bisschen weiter auf. Nicht, dass einer Gitarre noch etwas passierte. Glücklich, dass Satochi endlich wieder da war und den Hund zurück brachte, warf Miya seine Gäste allesamt mehr oder weniger unsanft raus, er wollte jetzt doch endlich ein wenig Ruhe haben und morgen war ja auch wieder Probe fürs nächste Konzert. Ausnahmsweise ließ Miya das Schlachtfeld, das die anderen drei jedes Mal hinterließen, unaufgeräumt. Er war einfach nur müde und wollte schon ins Bett gehen, da fiel ihm etwas Glitzerndes auf dem Boden auf. Laut gähnend bückte er sich und fischte Satochis Kette unter dem Tisch hervor. Die muss ihm wohl hingefallen sein, als er sich umgezogen hat, dachte Miya und drehte die ineinander verschlungenen Ringe gedankenverloren in seiner Hand. Damit er nicht vergaß, das Schmuckstück am nächsten Tag mitzunehmen, legte er es auf seinen Nachttisch. Doch dummerweise verschlief er am folgenden Morgen. Schlaftrunken torkelte er in die Küche und kippte einen glühendheißen Kaffee zu schnell in sich hinein. Dabei verbrannte er sich die Zunge. Völlig genervt feuerte er die Tasse in das Spülbecken, warf schnell ein paar Dinge in eine Tasche, zog seine Bad-hair-day Mütze über den Kopf und setzte Gizmo bei seiner Hundesitterin nebenan ab. Aufstehen war für den kleinen dunkelhaarigen Mann die Hölle, denn er ging einfach Tag für Tag zu spät ins Bett- es war ja auch immer noch so viel zu tun! – und bekam oft viel zu wenig Schlaf. Ihm hatte mal jemand gesagt, es wäre wesentlich einfacher, ihn ins Bett zu bekommen, als wieder hinaus. Nun, zumindest wusste man bei ihm woran man war, dachte er mit einem kleinen, perversen Lächeln. Dieses gefror, als ihm wieder einmal bewusst wurde, dass er schon seit langem niemanden mehr hatte, der so etwas hätte sagen können. Sicherlich hatte er die eine oder anderer Begegnung privater Natur, aber es war schon ewig her, dass er neben jemand aufgewacht war, der ihn dann wegen seiner Morgenmuffeligkeit hätte triezen können. Sex war eben nicht alles. Es gab ihm manchmal einen Stich, wenn er Pärchen wie Tatsurou und Yukke beobachtete. Manchmal, wenn sie glaubten, dass niemand hinsah, konnte man die eine oder andere vertraute Geste beobachten. Eine einfache Berührung, ein verstohlenes Flüstern, verstecktes Händchenhalten; man konnte es nur dann sehen, wenn man genau darauf achtete. Aber Miya sah es trotzdem. Die geringe Wahrscheinlichkeit, sich in seinen besten Freund zu verlieben und die noch geringerer Wahrscheinlichkeit, dass jener das auch erwiderte und die noch viel geringere Wahrscheinlichkeit, dass sie das hinbekamen… Es war zu lange her, dass er eine feste Beziehung hatte, fand Miya und er zweifelte auch, ob er bei seinem unsteten Lebensstil überhaupt je in der Lage wäre eine zu führen. Wann sollte er sich denn auch mit jemandem verabreden, wenn er die eine Hälfte des Jahres auf Tour und die andere Hälfte des Jahres im Studio verbrachte? Missmutig ging er zur Arbeit. Wenigstens konnte er sich auf das Solokonzert von Daishi Kajinaga, dem ehemaligen Sänger von Psycho le Cému, der ihn zu seinem ersten Konzert seit Monaten eingeladen hatte, am Abend freuen. Aber seine Laune verbesserte sich dadurch auch nicht gerade, da er im Backstagebereich nach dem Konzert zufällig sah, wie Daishi trotz aller Beteuerungen, er sei schon seit Monaten clean und würde nie mehr Drogen nehmen, verdächtige bunte Pillen nahm. Er hatte versucht ihn zur Rede zu stellen, aber Daishi hatte ihn damit abgespeist, dass seien nur Vitamine, weil er erkältet sei und überhaupt wäre alles das seine Sache und würde ihn nichts angehen. Wütend und enttäuscht war der Gitarrist nach Hause gerauscht. Den nächsten Morgen verschlief er schon wieder. Unglaublich mies gelaunt stapfte er Richtung Probenraum, heute musste er sich zusammenreißen, morgen war wieder ein Konzert. Deprimiert und wortkarg brachte er den Tag hinter sich, bis es Yukke nicht mehr aushielt und ihn fragte, was denn überhaupt los mit ihm sei. „Ich glaube Daishi- san nimmt wieder Drogen. Ich bin mir nicht sicher, aber es sah sehr danach aus.“ Niemand sagte etwas. Nur von Yukke kam ein leises: „Oh.“ Einige unangenehme Minuten später beschloss jener die Stimmung mit ein wenig Fast Food zu verbessern und zerrte Tatsurou als Träger mit ins nächste Burgerrestaurant, um fettiges Essen für alle zu holen. Jetzt saßen nur noch der Drummer und der Gitarrist auf den Sesseln im Proberaum und starrten Löcher in die Luft. Miya hatte eigentlich überhaupt keine Lust mehr, irgendetwas zu machen und nahm deshalb seine rote Lieblingsgitarre zur Hand; er wollte einfach nur klimpern. Als er nach einigen unbefriedigenden Minuten aufsah, fiel ihm auf, wie besessen Satochi in seinem Rucksack wühlte, alles auspackte, ausschüttelte und wieder einpackte, auspackte, ausschüttelte und wieder einpackte. „Suchst du was?“ „Ja, ich dachte… man wo ist das Teil bloß… ich könnte schwören…“ Er drehte den Rucksack um und alles purzelte auf den Boden. Zwischen seinem Essen, der Wasserflasche, dem Handy, Ersatzschlagzeugsticks, den Kugelschreibern und Zettelchen, der Tageszeitung von gestern und mehreren Päckchen neuartigen Taschentüchern mit Anti-Virus Beschichtung fand er aber auch nicht, was er suchte. Demonstrativ stemmte er die Hände in die Hüften und machte ein verwirrtes Gesicht. „Was suchst du denn nun?“ „Äh ja, ich suche meine Lieblingskette, die mit den zwei Ringen, du weißt schon…“ „Die liegt bei mir.“ „Wann ist die denn dahin gekommen?“ „Vorgestern, weißt du nicht mehr? Muss wohl beim Umziehen abgestreift worden sein, da wo Tatsurou dann die Story mit den Kratz- ahhh, dein T-Shirt liegt übrigens auch noch bei mir!“ fügte er hastig hinzu; Satochi hatte das ja alles gar nicht mehr mitbekommen, „jedenfalls ist das Ding bei mir. Komm nachher einfach mit, bevor Gizmo sie noch in die Ecke zerrt und vollsabbert.“ Die Cheeseburger, Pommes Frites und Hähnchenflügel von Tatsurou und Yukke, rührte Miya kaum an, aber sie hatten ihm Schokoladeneis mitgebracht und das das war fast so gut wie Pudding, darum hellte sich die Miene des Leaders ein wenig auf. Eigentlich wollte Sato nur seine Sachen holen, aber irgendwie hockte er jetzt bei Miya vor der Glotze, rauchte und streichelte einen zufriedenen Gizmo auf seinem Schoß. Schweigend saßen sie vor dem Bildschirm und schauten Musiksendungen. In einer Newsshow liefen ein paar Bilder von genau dem Konzert, dass Miya sich gestern angesehen hatte, mit einem kurzen Interview mit dem Sänger. Miya schaltete den Fernseher aus, schüttelte vehement den Kopf und rutschte wie ein nasser Sack von der Couch auf den Fußboden. Dort blieb er- den Nacken an die Sitzkante gelehnt- regungslos sitzen. Satochi ließ sich ebenfalls das Möbelstück hinab gleiten und saß nun neben dem deprimierten Gitarristen. Miya runzelte die Stirn. Dann nahm Satochi eine neue Zigarette aus seiner Hosentasche, steckte sie in den Mund und zündete sie an Miyas an. Plötzlich hüpfte der Hund von den Beinen des Drummers, sprang zu seinem Besitzer, stellte sich auf die Hinterbeine, legte seine Pfoten auf dessen Brust und versuchte ihn abzuschlabbern. Unwillkürlich musste Miya lachen und versuchte der Sabberattacke auszuweichen und dabei möglichst kein Brandflecken auf dem Fußboden, der Couch oder Gizmo zu verursachen. „Tiere merken sofort, wenn es einem schlecht geht.“ sagte Sato und streichelte Gizmo über den Kopf. Der versuchte daraufhin auch Sato abzulecken (was ihm nicht gelang, denn so gern der Schlagzeuger Miyas Haustier auch hatte, so mochte er doch keine klebrige Hundespucke im Gesicht haben). Kurz darauf rollte er sich genau zwischen den beiden Männern zusammen und schlief ein. „Es ist schon spät.“ meinte Miya, nahm den leise schnaufenden Gizmo in seine Arme und brachte ihn in seinen Korb im Schlafzimmer. „Nur für Hunde und kleine Kinder ist es spät.“ antwortete Satochi. Ein paar Sekunden zögerte Miya, eigentlich wollte er schlafen gehen, aber dann setzte er sich wieder auf das Sofa, hinter Sato, der noch am Boden saß. Der griff jetzt nach einer weiteren Dose seines Lieblingsenergydrinks, den der Ältere immer extra für ihn kaufte und öffnete sie zischend. Satochi wollte anscheinend wirklich noch nicht gehen. PS: Crêpe sind auch Eierkuchen XD Mjamjamjam^^ PSS: Miya hat für Daishi Kashinaga übrigens auch einen Song geschrieben, er heißt Jitsuroku Shounen Hanzai Ki Kagaku. -- --- YEAH! Endlich ist das erste Kapitel fertig, das schmort schon seit 3 Monaten oder so auf dem PC, aber ich hab so viel dran umgeschrieben und umgestellt, bis es mir gefiel^^. Dafür hab ich schon viiiiel vorgeschrieben, sodass die nächsten teile auf jeden Fall schon mal vorgedacht und zum Teil angeschrieben sind= schnellerer Upload. Und ich habs geschaftt nicht genau 1 Jahr bis zur nächsten FF zu brauchen sondern nur 363 (oder 364, je nach Hochladedaum^^) Und wie ichs schon einigen versprochen hab, werden mit 100% Sicherheit einige Adultteile kommen *grins*. Ich werd davon aber -soweit es geht- auch immer die jugendfreie Version hochladen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)